Ich träumte von Feuer.
Heiße Flammen, die nach mir griffen und mich kitzeln wollten.
Doch sie verbrannten mich, heißer als Lava, strömten sie auf mich ein.
Sie waren in mir, flossen durch meine Adern, breiteten sich von meinem Bauch in jede Ecke meines Körpers aus.
Ich spürte die Lavaströme, die Hitze, die mich verbrannte.
Ich ging nicht in Asche auf, kein Rauch vernebelte mir mein Gehirn.
Da war nur die Lava. Und ich.
Ich konnte nicht mehr.
Ich riss meine Augen auf und schrie.
{Edward Sicht}
››Edward‹‹, hörte ich Bella ganz leise.
Es war das letzte Mal diese Nacht, dass sie sprach. Nach meinem Namen fiel sie in ihre Tiefschlafphase, in der sie gewöhnlich weder sprach noch träumte.
Heute Nacht war mein Name sehr oft vorgekommen, genau wie die letzte auch. Nur waren heute auch noch die Worte ››Ja, ich will‹‹ und ››Glücklich‹‹ zu dem ››Edward‹‹ und ››Ich liebe dich‹‹ gekommen.
›Ja, ich will.‹ Die Worte ließen mich Lächeln und mich an den schönsten Tag meiner Existenz erinnern. Unsere Hochzeit. Wir waren jetzt seit genau sechsunddreißig Stunden verheiratet. Es war eine wunderschöne Feier gewesen, auch wenn Alice gelegentlich etwas den Rahmen gesprengt hatte, so war alles zu unserer Zufriedenheit abgelaufen.
Nicht lange nach der Zeremonie waren Bella und ich in ihren neuen Chrysler Crossfire – den ich ihr zur Hochzeit geschenkt hatte – gestiegen und waren in unsere Flitterwochen gefahren. Dort hatte ich Bella ihren Wunsch erfüllt, den einzigen, den sie noch während ihres Menschenlebens erfüllt haben wollte. Ich hatte mit ihr geschlafen.
Es war mir leichter gefallen, als ich erwartet hatte. Und doch war es unglaublich schwer gewesen. Es brachte sie ihrem Ziel um so viel näher und mir meinem Schreckensmoment, den ich gerne noch unendlich hinauszögern würde. Ein Unendlich, das ich hatte, aber sie nicht. Noch nicht. Das war ihr Wunsch.
Bella wollte genauso werden, wie ich. Sie wollte ein Tierblut trinkender Vampir werden, der bis in alle Ewigkeit lebte. Sie wollte ihr wertvolles Leben und vielleicht auch ihre Seele riskieren um für immer mit mir zusammen sein zu können. Ich war so unendlich selbstsüchtig, dass ich dem zugestimmt hatte. Es war ihr Wunsch. Und es war auch mein Wunsch, zusammen mit Bella leben zu können. Ohne Einschränkungen, die jetzt noch zwischen uns standen, weil sie ein Mensch war und ich nicht.
Gestern Nacht hatten wir eine Einschränkung ignoriert, aber ich hatte damit ihr Leben riskiert. Es war alles gut gegangen, aber ein zweites Mal wollte ich ihr nicht so gefährlich werden. Heute Nacht. Ich denke, dass sie es verstanden hat, denn sie gab sich damit zufrieden, sich an mich zu kuscheln und sich von mir in den Schlaf singen zu lassen.
Bellas Schlaf wurde von einem Moment zum nächsten unruhig. Im ersten Augenblick wollte ich mich etwas von entfernen, weil ich fürchtete, dass ihr zu kalt war. Doch dann riss sie plötzlich die Augen auf und –
Schrie.
Sie schrie aus vollem Leibe.
Ich war mir nicht sicher, ob Bella wach war, oder Schlafwandelte. Ihre Schreie wurden nicht leiser, im Gegenteil, sie schienen immer lauter zu werden und es tat mir entsetzlich weh. Nicht in meinem Ohren wegen der Lautstärke, sondern weil sie offensichtlich Schmerzen hätte.
Ich erstarrte.
Ich kannte diese Schreie, ich hatte sie in meinem Leben bisher dreimal gehört und ich wusste, dass auch ich einmal so geschrieen hatte. Dreimal: Esme war die erste gewesen, danach Rosalie und schließlich Emmett.
Es waren die Schreie der Verwandlung, ich war mir zu hundert Prozent sicher, obwohl es eigentlich unmöglich war. Ich hatte Bella nicht gebissen. Niemand hatte Bella gebissen. Ich hatte mich seit drei Stunden, seit sie eingeschlafen war, nicht mehr bewegt, war nicht einmal von ihrer Seite gewichen.
Trotzdem untersuchte ich sie auf Wunden – soweit sie es zuließ, denn sie fing an um sich zu schlagen. Sie wollte das Feuer, das jetzt in ihren Venen brannte, auslöschen.
Keine Wunden.
Keine Anzeichen, das Gift in ihren Körper gekommen war.
In zwei Tagen wollte Carlisle uns nachfolgen und dann wollten wir Bella verwandeln. So war es ausgemacht. Aber es war eindeutig, dass die Verwandlung jetzt schon eingesetzt hatte, ich konnte es mir nicht erklären.
Sollte ich Carlisle sofort anrufen, oder noch etwas warten?
Warum warten? Die Symptome waren eindeutig. Ich fühlte mich ungewöhnlich hilflos.
Ich löste Bella sanft aus meinen Armen, sie schlug dreimal nach mir aus und ich hoffte, dass sie sich dabei nicht verletzte. Sie sollte nicht noch mehr Schmerzen haben, obwohl das Gift wahrscheinlich alle anderen Gefühle übertünchen würde.
Ich griff nach meinem Handy auf der Anrichte und ließ es aufschnappen, das Tuten, nachdem ich die Schnellwahltaste gedrückt hatte, war durch Bellas Schreie kaum zu vernehmen.
››Edward?‹‹ hörte ich Carlisles Stimme.
››Carlisle‹‹, sagte ich langsam. ››Irgendwas…‹‹
Er unterbrach mich. ››Was ist das?‹‹
Natürlich hatte er Bellas Schreie nicht überhört.
››Du musst sofort herkommen‹‹, flehte ich. ››Ich weiß nicht, was passiert ist. Sie hat geschlafen und dann auf einmal hat sie zu schreien begonnen. Aber ich habe sie nicht gebissen!‹‹
››Was hat sie dann?‹‹ fragte Carlisle verwirrt. Offenbar war er durch den Laut der Schreie zum selben Schluss gekommen wie ich, nur dass er noch davon ausgegangen war, dass ich die Beherrschung verloren hatte.
››Sie verwandelt sich.‹‹
››Aber wer…?‹‹
Dieses Mal schnitt ich ihm das Wort ab. ››Niemand war hier, wir sind ganz alleine. Ich kann es mir auch nicht erklären, sie hat keine Wunden, aber ich bin mir sicher, dass sie sich verwandelt. Du musst kommen. Bitte!‹‹
››Ich bin auf dem Weg.‹‹
››Danke.‹‹
Noch während ich zuklappte, hörte ich, wie er anfing, Esme zu erklären.
Ich ging wieder die paar Schritte zu dem Bett, auf dem Bella lag. In den paar Sekunden des Gesprächs hatte sich bei ihr nichts verändert. Sie schrie. Sie strampelte. Ihre Augen waren offen und wieder geschlossen, als könnte sie sich nicht entscheiden, wie es angenehmer war.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte.
Alles, was ich mir vorgenommen hatte, was ich während der Verwandlung mit ihr machen wollte, war vergessen, in eine Ecke meines Gehirns gerückt, die gerade unzugänglich war. Alles, was gerade zu mir vordrang, war die schreiende und sich wälzende Bella. Ich stand einfach nur da und starrte.
Carlisle brauchte für die Fahrt in seinem Mercedes vier Stunden. Ich hatte fünf Stunden gebraucht.
Er kniete sich sofort neben das Bett und beschaute Bella. Es hatte sich immer noch nichts geändert, möglicherweise war sie etwas ruhiger geworden, aber sie schrie immer noch aus vollem Hals.
›Ich habe auf der Fahrt hier her nachgedacht‹, teilte er mir in Gedanken mit.
Na hoffentlich, unterdrückte ich zu sagen.
Er sprach unnötigerweise laut weiter. ››Meine Theorie hat noch Lücken. Edward, so Leid es mir tut und so wenig es mich eigentlich was angeht, aber ich muss dir einige Fragen stellen.‹‹
Ich seufzte und nickte. In seinen Gedanken konnte ich schon sehen, in welche Richtung es gehen würde.
››Du hast Bellas letzten Wunsch erfüllt?‹‹
Ich seufzte. Natürlich wusste er davon. ››Ja‹‹ sagte ich schließlich.
››Und‹‹, er schaute zu Boden, es war ihm sichtlich unangenehm – nicht weniger als mir. ››Ich gehe davon aus, dass ihr nicht irgendwelche… Schutzvorrichtungen benutzt habt?‹‹
Mir war nicht klar, auf was er hinauswollte. ››Nein‹‹, sagte ich.
››Wann war das?‹‹
››Letzte Nacht.‹‹
››Nur?‹‹ fragt er nach. ››Nicht diese auch?‹‹
››Nein.‹‹
››Hm‹‹, machte Carlisle schließlich. ››Das stört etwas in meiner Theorie. Oder auch nicht…‹‹ Er dachte nach.
››Was ist denn deine Theorie?‹‹ fragte ich ungeduldig nach. Er dachte die ganze Zeit darum herum, sodass ich keinen genauen Einblick hatte.
››Ich muss dir zunächst noch eine Frage stellen.‹‹
Ich nickte.
››Nun‹‹, er räusperte sich. Noch eine unangenehme Frage. ››Es ist gewöhnlich so, dass Menschen etwas bluten bei… ihrem… ersten Mal. Hat Bella geblutet?‹‹
››Ich… oh… ähm… ja. Aber das hat mir nichts ausgemacht, ich bin gegen ihr Blut immun‹‹, fügte ich etwas zu heftig hinzu.
››Ruhig, Edward‹‹, ermahnte Carlisle mich. ››Das weiß ich doch, darauf wollte ich auch gar nicht hinaus.‹‹ Er blickte mich nun wieder an. ››Wie du weißt, ist mit kein Fall bekannt, in dem sich ein Vampir mit einem Menschen eingelassen hat, geschweige denn, dass sie sich so nahe kamen, wie ihr beide. Es ist also vollkommen unerforschtes Terrain. Wenn jetzt also irgendwie, während des Aktes, dein Gift in ihr Blut übertragen wurde – es kann durchaus sein, dass du dabei nicht bemerkt hast, das Gift abgesondert wurde – dann hätte es jetzt über einen Tag Zeit gehabt sich in Bellas System auszubreiten und stark genug zu werden, um die Verwandlung einzuleiten. Aber wie gesagt, das ist nur eine Theorie. Es ist das einzig logische, was mir eingefallen ist. Kannst du dir das irgendwie entfernt vorstellen?‹‹
Ich dachte über die letzte Nacht nach, froh, dass ich derjenige in der Familie war, der Gedanken lesen konnte.
Gab es irgendwann einen Punkt, an dem ich Möglicherweise Gift abgesondert haben konnte?
Ich wusste nicht, was genau alles passierte, wenn ein Vampir einen Orgasmus bekam, dafür war ich zu unerfahren. War es möglich, dass dabei etwas Gift abgesondert wurde?
Oder war es vielleicht schon früher passiert? Während des Küssens? Während ich sie verwöhnt hatte?
Ich schaute wieder zu Carlisle und zuckte mit den Schultern. ››Ich weiß nicht, es wäre durchaus möglich. Aber es fällt mir schwer, mir das vorzustellen.‹‹
››Irgendetwas muss aber passiert sein, sonst würde Bella sich jetzt nicht verwandeln.‹‹
Wir schauten beide gleichzeitig auf das Bett, auf dem sich meine Frau immer noch heiser schrie.
{Edwards Sicht Ende}
[Bellas Sicht]
Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, als das Feuer sich langsam aus meinem Körper zurückzog und ich mich langsam wieder entspannen konnte. Endlich konnte ich wieder klar denken, um mich gleich mit der Frage auseinander zu setzen, was eigentlich passiert war?
Ich kannte den Schmerz, der mich die letzten Minuten, Stunden, wahrscheinlich sogar Tage, übermannt hatte. Ich hatte ihn einmal bisher gespürt. Aber soweit ich mich erinnern konnte, war der Tag, an dem er mich wieder ereilen sollte, noch nicht gekommen.
Über eines war ich mir jedoch im Klaren, es bestand dran kein Zweifel. Ich hatte mich verwandelt. Ich war ein Vampir.
Der Schmerz hatte sich jetzt vollständig aus meinem Körper zurückgezogen, doch ich hielt meine Augen noch einen Moment geschlossen, nicht sicher, ob ich schon bereit für die Realität war.
››Bella?‹‹ hörte ich eine wunderschöne Stimme und ein atemberaubender Duft strömte auf mich ein. Eine weiche, angenehm warme Hand legte sich gleich darauf auf meine Wange, mit ihr war der Duft gekommen.
››ella, wie fühlst du dich?‹‹ hörte ich noch eine andere Stimme.
Ich öffnete schließlich die Augen, da die Realität es forderte. ››Edward‹‹, sagte ich leise, mit fremder, aber doch vertrauter Stimme. Dann drehte ich meinen Kopf und sah Carlisle auf der anderen Seite von mir stehen.
››Wie fühlst du dich?‹‹ wiederholte er seine Frage.
››Gut‹‹, sagte ich nach einem kurzen Check durch meinen Körper. ››Vielleicht etwas…‹‹ Ich legte meine Hand an meinen Hals.
››…durstig?‹‹ fragte Edward grinsend nach.
››Ja. Das wird es sein.‹‹ Ich nickte und setzte mich langsam – und trotzdem viel zu schnell – auf.
››Vorsicht Bella, dein Körper hat jetzt andere Regeln.‹‹
Ich nickte, dieses Mal darauf konzentriert, es sehr langsam zu machen. ››Was… Was ist eigentlich passiert?‹‹
››Wir…‹‹ fing Carlisle an, doch er wurde durch ein unangemeldetes Knurren in meiner Brust unterbrochen.
››Erst jagen, dann erklären‹‹, ordnete Edward an.
Ich sprang aus dem Bett und streckte meine Hand nach Edwards aus. Ich war gespannt, wie es war zu jagen. Darauf hatte er in meiner Menschheit nie eingehen wollen.
Edward starrte mich einen Moment regungslos an. ››Carlisle‹‹, sagte er schließlich.
››Was?‹‹ fragte der und stellte sich an Edwards Seite. Auch er schaute mich nun an, er schien zu wissen, was Edward gemeint hatte.
››Was?‹‹ fragte nun ich, sichtlich nervös, nach. Warum starrten sie mich mit diesem komischen Gesichtsausdruck an?
Edward stand schließlich neben mir und zog mich mit sich ins Bad. Er stellte mich vor den Spiegel.
Ich musterte meine Züge, mein ganzes Gesicht war weiblicher geworden und schöner. Doch was mich am meisten überraschte, das wovor ich ursprünglich die meiste Angst hatte, verwunderte mich positiv.
Ich blickte in Edwards Spiegelbild. ››Warum sind meine Augen nicht rot?‹‹ fragte ich verwirrt, blickte dann wieder in mein eigenes Spiegelbild, in meine Augen, die mir schwarz, aber mit einer goldenen Umrandung entgegenblickten.
››Das fragen wir uns auch.‹‹
Ich legte meinen Kopf einmal nach links und rechts und streckte dabei meinen Hals. Das Gefühl war wieder stärker geworden.
Edward lachte. ››Erst jagen wir, dann machen wir uns über alles andere Gedanken.‹‹ Dieses Mal griff er nach meiner Hand und zusammen gingen wir nach draußen.
Die Hütte, in der wir unsere Flitterwochen verbrachten, stand mitten in einem Wald, der uns meilenweit von der nächsten Menschensiedlung trennte. Ich atmete sofort einmal tief durch um die ganzen neuen Gerüche aufzunehmen. Einer davon war verlockend gut. Grinsend blickte ich zu Edward, der mich anlächelte und nickte. Zusammen rannten wir los, in die Richtung des Geruchs. Mir fiel es nicht schwer mit meiner neuen Vampirgeschwindigkeit zu Recht zu kommen und so hatten wir bald mein Ziel erreicht. Edwards Hand löste sich von meiner und er blieb stehen, während ich mich weiter nach vorne pirschte. Ich verließ mich nun voll und ganz auf meine Instinkte, den plötzlichen Sprung, den ich auf das Ren machte, wurde mir erst richtig bewusst, als ich meine Zähne in seinem Hals versenkt hatte und das warme Blut spürte, das mir den Rachen hinunter lief. Ich seufzte genüsslich auf.
Ich ließ das ausgesaugte Ren liegen, doch anstatt zu Edward zurückzukehren, ging ich in die entgegen gesetzte Richtung auf einen neuen Duft zu, den ich gewittert hatte. Er stellte sich als ein großer Grizzly Bär heraus, der sich ohne die geringste Angst vor mir aufbaute, genau wie ich es auch tat. Meine Instinkte liefen immer noch auf Hochtouren und verrieten mir, dass ich einen Spielgefährten gefunden hatte. Seine Pranke kam auf mich zu geflogen, doch ich wich ihr im letzten Moment geschickt aus. Der Bär hatte allerdings so viel Schwung gehabt, dass er sich einmal um sich selbst drehte, eher er sein Gleichgewicht wieder eingependelt hatte.
Hinter mir hörte ich ein Glucksen, doch ich drehte mich nicht um. Ich wusste auch so, dass Edward mich beobachtete.
Ich spielte noch einige Zeit mit dem Bären, bis mein Durst mich übermannte, ich ihn ansprang und mit meinem Gift lähmte, dann trank ich auch ihn aus.
››Fertig?‹‹ fragte Edward schließlich, blickte mir in die Augen und schüttelte den Kopf. ››Offensichtlich nicht.‹‹
Ich musste ihm Recht geben, das Kratzen in meinem Hals war zwar weniger geworden, aber es war immer noch zu stark da, als das ich es hätte aushalten wollen. Ich hörte ein seltsames Pochen, das meinen Körper zu erschüttern schien, es machte mich schier verrückt und ließ meine Instinkte etwas wilder werden.
Ich erlegte noch zwei weitere Rentiere, ehe Edward meinte, dass ich genug hätte – ich stimmte ihm nicht zu – und mir versprach, dass wir schon beim nächsten Dunkelwerden wieder losziehen würden. Ich knurrte ihn einmal kurz an, was er aber ignorierte, dann fügte ich mich meinem Schicksal. Wir trugen alle Tiere zusammen, von denen ich mich genährt hatte, warfen sie zusammen mit alten Blättern auf einen Haufen und verbrannten sie. Sobald wir sicher waren, dass das Feuer keine Gefahr mehr für die Umgebung darstellte, kehrten wir zur Hütte zurück, wo wir schon von Carlisle erwartet wurden.
››Bella ist ungewöhnlich durstig‹‹, teilte Edward seinem Vater mit. ››Selbst für eine Neugeborene.‹‹
Wir setzten uns auf die Couch im Vorzimmer der Hütte und ich forderte endlich über die Geschehnisse der letzen Tage aufgeklärt zu werden.
Edward erzählte mir, was passiert war und Carlisle berichtete mir von seiner Theorie.
››Seltsam ist auch‹‹, meinte Carlisle plötzlich, ››dass nicht nur deine Verwandlung unter merkwürdigen Umständen vonstatten gegangen ist, sondern du auch noch so viel anders bist, als andere Neugeborene. Das beste Beispiel sind deine Augen.‹‹
››Und der Durst ist auch ungewöhnlich‹‹, Edward zog mich in seine Arme, seine Hände umschlangen meinen Brustkorb. ››Meine Frau ist eben etwas ganz besonderes.‹‹
Seine Stimme war bei dem letzten Satz so leise, dass Carlisle es wahrscheinlich nicht verstanden hatte. Ich schloss meine Augen, während mich ein angenehmer Schauer ereilte und drückte mich fester in Edwards Arme.
››Sagt mal, hört ihr das auch?‹‹ fragte er plötzlich.
››Was?‹‹ fragten Carlisle und ich gleichzeitig.
››Dieses Pochen… Poch… Poch… Poch‹‹, machte er es nach.
››Das hörst du auch?‹‹ fragte ich überrascht nach. ››Ich dachte, das würde mein Durst machen.‹‹
Carlisles Stirn legte sich in nachdenkliche Falten. ››Ich höre nichts. Aber, Bella, Durst wird dir einzig und allein durch das Kratzen im Hals ausgedrückt, nicht durch ein Pochen.‹‹
››Es war aber so, als würde der Rhythmus meinen Instinkt bestärken, deswegen dachte ich… das.‹‹ Ich wunderte mich, was das sein konnte. Vor allem war er es seltsam, dass Edward es jetzt auf einmal auch hören konnte.
››Es erinnert mich fast etwas an deinen Herzschlag‹‹, sagte Edward schließlich. Er klopfte den gleichmäßigen Rhythmus auf meiner Schulter nach.
››Edward, das ist lächerlich, du weißt, dass das unmöglich ist‹‹, wies ihn Carlisle zu Recht. ››Vielleicht ist es Einbildung von dir.‹‹
››Nein!‹‹ wehrte sich Edward.
››Aber ich höre es doch auch, ich habe es schon vor ihm gehört‹‹, verteidigte ich ihn. ››Ich habe sogar das Gefühl, es zu spüren, als würde mein Körper mitvibrieren.‹‹
››Das ist wirklich seltsam‹‹, sagte Carlisle langsam. Seine Stirn legte sich ein weiteres Mal in Falten, er dachte angestrengt nach.
Plötzlich dachte ich ein leichtes Blitzen in seinen Augen zu sehen, Edward, der seine Gedanken natürlich gesehen hatte, sog scharf Luft ein und Carlisle schüttelte den Kopf.
››Unmöglich‹‹, flüsterte er.
Edwards rechte Hand fuhr unterdessen zu meiner linken Brust und übte leichten Druck auf sie aus. Überrascht schaute ich ihn an, er aber schaute zu Carlisle.
››Nein…‹‹ sagte Edward langsam. ››Aber…‹‹ er verharrte einen Moment, dann rutschte seine Hand zu meinem Bauch, tiefer, bis sie mit der Handfläche direkt auf meinem Bauchnabel liegen blieb. ››Da.‹‹ sagte er leise.
Carlisle schaute überrascht auf. ››Da?‹‹ fragte er nach. ››Was ist da?‹‹
››Das Pochen‹‹, sagte Edward leise, fast andächtig. ››Es kommt eindeutig von da.‹‹
››Aus ihrem Bauch?‹‹ fragte Carlisle ungläubig nach.
Ich folgte der Kurzkonversation der beiden irritiert. Um was genau ging es hier? Das Pochen? Es kam aus meinem Bauch? Aber warum würde aus meinem Bauch – meinem Vampirbauch! – ein Pochen kommen?
Carlisle stand schließlich auf und kam zu uns herüber, kniete sich vor mich hin und reckte sein Ohr in meine Richtung. ››Eindeutig, jetzt höre ich es auch. Ein Pochen. Tatsächlich vergleichbar mit einem Herzschlag.‹‹
››Würdet ihr mich bitte aufklären, was ihr denkt? Es ist absolut lächerlich, das aus meinem Bauch ein Herzschlag kommen soll.‹‹
››Ich weiß, Bella, aber trotzdem ist es so. Darf ich?‹‹ Carlisle deutete mit einer Hand auf meinen Bauch und ich nickte.
Er schob mein T-Shirt nach oben und befühlte meinen Bauch, drückte hier und da und verharrte schließlich eine ganze Weile an derselben Stelle. Es war dort, von wo der Impuls kam. Er schüttelte den Kopf. ››Unmöglich‹‹, sagte er mehr zu sich selbst, als zu uns. ››Aber doch eindeutig.‹‹ Er stand auf. ››Ich werde einen Spaziergang machen und nachdenken. Ich möchte, dass ihr beiden hier im Haus bleibt und darauf wartet, dass ich wieder zurückkomme. Keine Telefonate!‹‹
Carlisle kam eine Stunde später. Edward und ich hatten derweil nur Smalltalk gemacht, wir wollten unsere wirklichen Gedanken zur augenblicklichen Lage nicht aussprechen. Einerseits, weil sie absolut lächerlich waren, andererseits aus Angst, falsche Hoffnungen zu wecken.
Carlisle betrat die Hütte mit den Worten ››Ich habe nachgedacht.‹‹
Wir saßen beide sofort aufrecht und musterten ihn mit großen, fragenden Augen.
Carlisle setzte sich in den Sessel, in dem er schon vor einer Stunde Platz genommen hatte. ››Ich habe die letzte Stunde damit zugebracht, meine Theorie über deine Verwandlung umzuschmeißen, Bella.‹‹ Er schaute mich an.
Ich versuchte ihn zu verstehen. Es war mir schwer gefallen zu glauben, dass meine Verwandlung so stattgefunden hatte, aber wie war es andernfalls möglich, dass sie einfach eingetreten war? ››Wie dann?‹‹ fragte ich nach.
Sein Gesichtsausdruck wurde sachlich, nun saß Dr. Cullen vor uns. ››Nun, im Grunde bleibe ich bei meiner Meinung, dass es etwas mit dem… Liebesakt zu tun hat. Allerdings widerrufe ich die Aussage, dass dabei Gift in deinen Blutkreislauf gekommen ist. Ich denke, da ihr, wie Edward mir sagte, nicht verhütet habt, dass auf irgendeine Weise, die ich mir selbst nicht erklären kann, ein Baby gezeugt wurde.‹‹
Ich hustete geschockt auf, Edward ließ seine Hände von mir abfallen. ››Was?‹‹ keuchten wir beide. ››Ich dachte, Vampire können keine Kinder haben?‹‹ fügte ich hinzu.
››Ja, das dachte ich bisher auch‹‹, nickte Carlisle. ››Aber ich habe bereits erwähnt, dass das Gebiet Mensch und Vampir bisher vollkommen unangetastet ist. Ich kann folglich keine Aussagen darüber machen, was passieren könnte und was vollkommener Schwachsinn ist. Ich weiß, dass das, was ich sage, vollkommener Schwachsinn ist, aber wie sonst sollen wir uns ein Pochen, einen Herzschlag in deinem Bauch erklären.‹‹ Carlisle schwieg einen Moment. ››Das würde auch deine plötzliche Verwandlung erklären. Ich gehe davon aus, dass sie eingesetzt hat, als Sperma und Einzelle zueinander gefunden haben und die erste Zellteilung stattgefunden hat. Wahrscheinlich könnte dein Menschenkörper die Austragung eines Vampirs nicht überleben, deswegen wurdest du verwandelt. Von deinem Kind. Von eurem Kind. Ich möchte behaupten, dass wir damit auch deinen Hunger erklären können. Schwangere Frauen sind immer extrem hungrig. Zudem sehe ich darin auch die Erklärung deiner Augen. Da das Kind von Edward ist und er strikt gegen Menschenblut ist, ist das Kind ebenso eingestellt und stellt somit dich ein.‹‹ Er schmunzelte. ››Ich muss wohl meine Kenntnisse, was Schwangerschaft und Geburtenhilfe angeht, auffrischen. Zu einem menschlichen Arzt kannst du keinesfalls gehen.‹‹
[Bellas Sicht Ende]
Meine Schwangerschaft dauerte viereinhalb Monate, die Hälfte der Zeit einer menschlichen Schwangerschaft.
Edward und ich hatten eine Weile gebraucht um uns an den Gedanken zu gewöhnen, dass wir tatsächlich Eltern würden, nachdem wir davon ausgegangen waren, dass wir nie Kinder haben würden.
Inzwischen waren wir allerdings richtig happy. Wir wohnten zusammen mit dem Rest der Cullens irgendwo ziemlich abgelegen in Alaska – das wichtigste für mich war ein großes, volles Jagdgebiet, denn ich war auch weiterhin übermäßig hungrig für einen Vampir.
Alle freuten sich über den unerwarteten Familienzuwachs. Sogar Rosalie hatte sich mit dem Gedanken angefreundet, dass ein Baby in der Familie sein würde, das allerdings nicht ihr eigenes war. Edward und ich hatten beschlossen, sie neben Alice zur Patin zu machen.
In der Nacht von Silvester setzten meine Wehen ein. Es war eine schnelle Geburt und Punkt Mitternacht konnte ich meine kleine Melody in den Armen halten. Sie war supersüß, wunderschön und einfach das perfekteste Baby auf der ganzen Welt. Edward und ich waren mehr als glücklich.
Melody wuchs wie ein normales Kind auf, mit der einen Ausnahme, dass sie sich ausschließlich von Blut ernährte – Tierblut. Genau wie ich, kostete sie kein einziges Mal Mensch.
An ihrem siebzehnten Geburtstag – wir machten alle zusammen einen Ausflug – lernte Melody einen Jungen namens Christopher kennen, der ebenfalls ein Vampir war, allerdings alleine unterwegs und er ernährte sich von Menschenblut. Die beiden beschlossen sich zusammen zu tun – er stellte für sie seine Ernährung um, weswegen er Edwards okay bekam – und sie wurden im Laufe der Jahre – Melody war ab diesem Tag nicht mehr gealtert und hatte ihren Herzschlag verloren – mindestens so glücklich, wie Edward und ich, auch wenn ich dachte, dass das nicht mehr zu Toppen wäre.
Tag der Veröffentlichung: 25.11.2010
Alle Rechte vorbehalten