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Kiaijitsu Der Schrei des Geistes

 

 

Der aufregendste Stadtteil in der Riesenmetropole Tokio heißt Shinjuku. Pulsierender Mittelpunkt dieses Viertels ist sein gleichnamiger Bahnhof, weltweit gesehen jährlich von den meisten Passagieren genutzt. Wer wahre Menschenmassen erleben und erleiden will, kann sich auf zwei Quadratkilometer hektischen Gewimmels Klaustrophobie erzeugend von ihnen unrettbar einquetschen lassen. Am schlimmsten während der Hauptverkehrszeiten. In maßlos überfüllten Nahverkehrszügen müssen sogar uniformierte „ Reinschieber“ mit blütenweißen Handschuhen agieren, um beförderungsheischende Fahrgästen in bereits bis zum Messstrich gefüllte Abteile nachzuschieben wie Salzheringe in ein Fass!

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Tagsüber strotzt Shinjuku vor geschäftlicher Energie, nachts dominiert Clubmusik und Gläserklingeln. Am anrüchigsten geht es im Stadtteil Kabukicho zu. Aus einem gewöhnlichen Wohnviertel entwickelte sich nach Ende des 2. Weltkriegs ein heute weltbekannter Rotlichtbezirk. Kabukicho bietet eine Vielzahl von Unterhaltungsbetrieben, neben Hostessenbars auch Izakaya( eine Art japanische Kneipe), Nachtklubs, Restaurants, Kinos, Karaoke Bars, Spielhallen und vor allem zahlreiche für Japans Großstädte typische Love Hotels. Bekannt ist der Stadtteil vor allem durch die Hausfassaden voller Neonreklame.

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In Kabukicho ist die traditionsgebundene japanische Mafia unter dem Sammelnamen Yakuza allgegenwärtig. Obwohl sie 150 000 Mitglieder im ganzen Land hat, die in 2500 Verbrecherbanden aufgeteilt sind, gab es in der Vergangenheit keine blutigen Auseinandersetzungen rivalisierender Gangs. Je mehr Chinesen sich allerdings in Japan niederließen, desto stärker hat sich das geändert. Sind die chinesischen Kollegen mit dem Hauptwirkungsort Honkong doch ebenso verzweigt und gut organisiert. In ihren Methoden jedoch gewalttätiger, weshalb es in der Gegenwart häufig zu Waffengewalt und Toten kommt.

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In dieser schmalen Gasse reiht sich eine typische japanische Kneipe an die andere. In einer Izakaya wartet Haruto Nakamura an der Theke und schaut immer wieder ungeduldig auf seine Armbanduhr. Eigentlich dürfte er gar nicht hier sein. Als Mitglied der größten japanischen Yakuza Organisation, der Yamaguchi-Gumi müsste er in der Ginza auf Einsatzbefehle warten. Zwar ist die Hafenstadt Kobe ihr Hauptsitz, aber durch eine Zweigstelle in dem seriöseren Vergnügungs- und Einkaufsbezirk Tokios, haben sie ihren Einfluss auch auf die Hauptstadt ausgeweitet. Die Regeln in einem derartigen Verbrecherkonzern sind sehr strikt. Der schlanke junge Mann bietet Anschauungsunterreicht dafür, denn an seinem kleinen Finger fehlt ein Glied. Ein Gesichtsverlust heraufbeschwörender Fehler führt dazu, dass sich der Verursacher ein Fingerglied mit einem Tanto und einem Hammer abtrennen muss. Altgedienten Yakuza fehlen oft einige Fingerkuppen, die sie mit Fingerprothesen ersetzen, um in der Öffentlichkeit nicht sofort als Kriminelle erkannt zu werden.

 

Das Tanto [tan.toː] (jap. 短刀, dt. „kurzes Schwert“) ist ein üblicherweise leicht gebogenes, einschneidiges japanisches Kampfmesser mit einer Klingenlänge von weniger als 1 Shaku (ca. 30 cm).

 

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Da seit 2015 behördlicher Druck auf bisher weitgehend tolerierten Yakuzaorganisationen zunahm, hat auch die Yamaguchi-Gumi Nachwuchsprobleme, weil in der alternden japanischen Gesellschaft mit behüteten Jugendlichen kaum mehr Interesse junger Leute an den Yakuza-Strukturen und den harschen Bedingungen für Neueinsteiger besteht. Ein Aussteigen allerdings ist kaum möglich, obwohl in allen Organisationen der nach außen sichtbare Druck und die Gewalt massiv reduziert wurden, was das Potenzial für Erpressung wesentlich mindert. Aus diesem Grund hält sich der in traditionellen Kampfsportarten geschulte athletische Gangster in einer Izakaya auf, um in eigener Regie einen sehr lohnenden Auftrag anzunehmen. Endlich taucht ein neuer Gast auf, steuert zielsicher auf ihn zu und stellt sich mit einer höflichen Verbeugung vor: „ Ich bin Taro Kobayashi. Vielleicht können Sie mir helfen. “

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 Der Wohnraum in japanischen Großstädten ist knapp. Tokio mit rund 37 Millionen Einwohnern platzt aus allen Nähten und so sind die Architekten gezwungen, auch noch den kleinsten Platz zu nutzen, um ein Haus aus dem Boden zu stampfen. Dabei entstehen teils kuriose Architekturen. Häuser, gerade mal so breit wie ein durchschnittliches mitteleuropäisches Wohnzimmer sind dabei keine Seltenheit. Grundstücke für Bauprojekte an begehrten Plätzen wie am Shinjuku-Park kann man selbst mit der Lupe kaum finden. Der weißhaarige Vater von Taro Kobayashi, ein lebenslustiger, aber starrköpfiger ehemaliger Architekt, dessen Sohn gerade geheime Pläne mit dem Yakuza schmiedet, gehört zu den damit Beglückten. Besitzt er doch ein typisches japanisches Haus mit einem das Gefühl von Freiheit vermittelnden Garten. Eine Oase der Stille im hektischen Gewimmel der Großstadt. Hier will er bis ans Ende seiner Tage den Ruhestand verbringen. Niemand wird ihn vertreiben. Dabei dürstet ein großer Konzern, der mit Immobilien spekuliert danach, dieses günstig gelegene Grundstück zu erwerben, um hier in Hinblick auf die 2020 in Tokio beginnende Olympiade ein riesiges Bauprojekt zu verwirklichen. Da der alte Herr kategorisch ablehnt, wird der gebotene Kaufpreis immer höher. Auch sein einziger Sohn Taro, den illegale Wettschulden bedrücken, die von den Yakuza eingefordert werden, kann den Vater nicht überzeugen. Umso weniger, weil der vom wenig erfolgreichen Sohn, der nicht in seine Fußstapfen als Architekt getreten ist und sich mit Gelegenheitsjobs, Wetten und illegalen Glücksspielen über Wasser hält, keine hohe Meinung hat und ihn auch nicht mit Geld unterstützt. Nur widerwillig wird er im Haus seiner Vaters wenigstens ohne Mietzahlung geduldet.

 

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Dienstleistungen und Produkte für Rentner sind in Japan ein Wachstumsmarkt. Mehr als jeder fünfte Japaner ist über 65 Jahre alt. Damit gehört Japans Bevölkerung zu der ältesten der Welt. Die japanische Polizei hat eine mutmaßliche Bordellbetreiberin festgenommen, die mit teils über 70 Jahre alten Prostituierten gezielt Kunden im Rentenalter angesprochen haben soll. Die 53-jährige Verdächtige sei wegen Verstoßes gegen das Anti-Prostitutionsgesetz in Tokio in Gewahrsam genommen worden. Demnach arbeiteten in einem ihrer Bordelle zehn Prostituierte im Alter von 40 bis 80 Jahren. Das Geschäft mit den Bedürfnissen der Älteren war offenbar einträglich: Die festgenommene Unternehmerin soll in den vergangenen zwei Jahren rund 50 Millionen Yen (etwa 400.000 Euro) verdient haben. Taros Vater Minoru, ein Siebzigjähriger mit Pension und erspartem kleinen Vermögen ist ein Musterexemplar dieser für die Wirtschaft so wichtig gewordenen Bevölkerungsschicht. Obwohl durchaus noch dem weiblichen Geschlecht zugetan und eitel genug, sich mit Wohlgefallen nackt oder angezogen im Spiegel zu mustern, würde er nie ein solches in Japan illegales Etablissement oder das Antiprostitutionsgesetz umgehende Massagesalons besuchen. Seine Herzklappe ist arg verkalkt und jede Art von operativen Eingriff scheut er wie der Teufel das Weihwasser, deshalb könnte allzu heftiger, vielleicht sogar normaler Geschlechtsverkehr für seine unregelmäßig kopfende Pumpe fatal sein. Eigentlich der schönste Tod, mitten im Orgasmus das Zeitliche zu segnen, der alte Herr hängt jedoch so sehr am Leben, dass es ihm noch lange nicht nach dem Nirwana gelüstet. Umso weniger, weil die Lebenserwartung in Nippon erheblich gestiegen ist.

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Ayaka Suzuki, eine intelligente, mädchenhaft wirkende 22-Jährige würde sich nie in einem Bordell oder Massagesalon verdingen. Nach erfolgreichem Abschluss der High-School hatte sie jedoch nicht für die Aufnahmeprüfung an einer renommierten Uni gepaukt, sondern die einträgliche Karriere in einem luxuriösen Escort Club vorgezogen. Eine Möglichkeit ohne Verstoß gegen das den Japanern von der puritanischen amerikanischen Besatzungsmacht aufgezwungene, kuriose Blüten tragende Anti-Prostitutionsgesetz. Auf zeitlicher Basis können attraktive, junge Frauen mit guter Allgemeinbildung von wohlhabenden Männern gemietet werden, um bei mannigfachen Anlässen in der Öffentlichkeit mit ihren Begleiterinnen zu protzen. Über den offiziellen Rahmen hinaus kommt es selbstredend auch zu intimeren persönlichen Arrangements, die in einer Luxus- Suite oder einem Love Hotel ausklingen.

 

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Natürlich mischen sich die Yakuza- Gangs mit Schutzgelderpressungen auch in diesen Zweig des Vergnügungsgewerbes ein. Deshalb war die clevere Ayaka, die in einigen Jahren genug verdienen will, um einen Kosmetiksalon oder irgendetwas Ähnliches zu eröffnen, mit Haruto Nakamura bekannt geworden, woraus sich eine Art Freundschaft entwickelte. Taro Kobayashi möchte seinen starrköpfigen Vater unauffällig ermorden lassen, damit er als Erbe Haus und Grundstück umgehend verkaufen kann. Falls es dem Gangster so raffiniert gelingt, dass niemand ein Verbrechen vermutet, würden sie sich den Riesenerlös teilen. Als Haruto Nakamura von den Herzproblemen des alten Herren erfährt, kommt ihm umgehend seine Freundin Ayaka in den Kopf. Es müsste sich doch arrangieren lassen, den lüsternen Greis mit dem schönen Mädchen zusammenzubringen. Für eine anständige Summe, sollte sie ihn ins Bett locken und bis zum sexuellen Exitus fordern. Sie ist kühl und clever genug, das durchzuhalten und vor der Polizei eine unverdächtig Schockierte zu mimen.

 

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Nach einer angeblich heißen Nacht in einem Love-Hotel, wohin sich Minoru Kobayashi mühelos hinlocken ließ, treffen sich die beiden Verschwörer mit der jungen Frau, um weitere Schritte nach einer erhofften Erfolgsmeldung abzusprechen. Doch Ayaka zuckt resignierend mit den Schultern: „ Tut mir sehr leid. Von wegen Herzklappenfehler. Ihr alter Herr ist topfit. Mit Viagra aufgerüstet, war er einfach nicht totzukriegen, sondern lebte regelrecht auf. Ich kann nicht behilflich sein. Ihr müsst Euch was anderes einfallen lassen.

 

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Der in Kampfsportarten trainierte Yakuza Haruto Nakamura hat allerdings eingeplant, dass der Liebesakt nicherfolgreich sein würde, es wäre wohl zu einfach gewesen. Immerhin einen Versuch war es wert. Jetzt muss er zu einem Mittel greifen, was er nie wirklich anwenden wollte. In einer Art persönlichem „Fachstudium“ studierte er Quellen über historische Kriminalfälle. Aus dem 16. Jahrhundert ist ein unglaubliches Verbrechen überliefert:

Nachts wurde ein Großkanzler des kaiserlichen Hofs auf grausame Weise getötet. Als man ihn fand war ihm sämtliches Blut aus den Augen, Nase, Mund, Penis und Anus gelaufen. Alle seine Knochen waren zertrümmert und seine sieben Organe waren nur noch Brei. Erstaunlicherweise wies die Leiche aber keine äußeren Verletzungen auf. Da alle Bewohner des Kaiserpalastes bezeugten ungefähr zur Tatzeit einen unglaublich, alles durchdringenden Schrei gehört zu habe, glaubte der Oberermittler des Shoguns bald es mit einem Täter zu tun zu haben der die uralte und geheime Kampfkunst des Kiaijitsu beherrschte.(Der Schrei des Geistes; der Legende nach die Kunst zu töten ohne handgreiflich zu werden) Jedoch selbst im 16ten Jahrhundert hielt man diese Kampfkunst für Legende und Aberglaube. Allerdings sollen sich einige Ninja-Clans (Ein Ninja [ˈnɪndʒɐ] (jap. 忍者, deutsch: ‚Verborgener‘) oder Shinobi (忍び, wörtlich: ‚Verbergen‘) ist ein besonders ausgebildeter Kämpfer des vorindustriellen Japans, der als Kundschafter, Spion, Saboteur oder Meuchelmörder eingesetzt wurde) tatsächlich mit dieses mysteriösen Kampfkunst vertraut gemacht haben und daraus für ihre Aktionen KIAI RYUS entwickelt haben. Durch Mark und Bein dringende Schreie, die so wirkungsvoll waren, dass Gegner zumindest eine Zeitlang total gelähmt waren.

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Besonders aktiv übt Haruto schon seit einigen Jahren Aikido. [ (jap. 合気道 oder 合氣道) ist eine betont defensive moderne japanische Kampfkunst. Ziel des Aikidos ist es, einem Angriff dadurch zu begegnen, dass man die Angriffskraft leitet (Abwehr) und es dem Gegner unmöglich macht, seinen Angriff fortzuführen (Absicherung). Deshalb konnte er den Meister seines Dojo befragen, ob es denkbar sei, einen Feind durch einen Kiaijitsu zu eliminieren, was der Experte nicht gänzlich ausschloss. Demnach bedeutet KIAI „Versammlung der Energie“ Das ist der laute Kampfschrei, mit dem der Übende seine gesamte geistige und körperliche Energie in einer Handlung konzentriert. Vielleich gab es früher sogar Menschen, die ihre Energie bei einem solchen Schrei des Geistes so bündeln konnten, dass die Wirkung tödlich war! Theoretisch wäre es durchaus möglich jemanden mit Ultraschall oder Infraschall zu töten.

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Diese rein spekulative Vorstellung reizte den jungen Yakuza maßlos. Der Aikido- Meister wäre über die Wirkung seiner informativen Worte entsetzt gewesen. Begann der Wirrkopf Haruto doch tatsächlich den „ Schrei des Geistes“ zu üben. In einer verlassenen Scheune außerhalb von Yokohama, wohin sich kaum eine Menschenseele verirrte, übte er wie besessen. Ausgerechnet jetzt, wo das Angebot eines skrupellosen Sohnes, den Vater unauffällig zu töten, im Raum steht, gelingt ihm ein unglaublicher Erfolg: Einem ausgewachsenen Schwein, das er kaufte und in einem Transporter dorthin schaffte, erspart er den Schlachter und brüllt es in des Wortes wörtlichster Bedeutung zu Tode. Insgeheim hat er sich zwar geschworen, diese Fähigkeit, auf keinem Fall in der Praxis gegen irgendeinen Menschen einzusetzen, aber die versprochene Belohnung von umgerechnet knapp 1 Million € ist einfach zu verlockend …

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… Die Putzfrau von Minoru Kobayashi schließt die hölzerne Tür auf und betritt dessen Haus. Sie öffnet die Shoji des großen Tatamiraumes zum Garten. (Shoji jap. 障子) sind verschiebbare Raumteiler in der traditionellen Architektur Japans. Sie können die Funktion einer Tür, Fenster oder Raumteiler übernehmen. ) Jedoch statt frische Luft einzuatmen, packt sie blankes Entsetzen. Der Hausherr liegt entseelt unter einem Baum am Boden. Da keinerlei äußere Verletzungen zu erkennen sind, diagnostiziert der herbeigerufene Polizeiarzt: Herzversagen. Eine Prognose, welche durch den Hausarzt des Toten untermauert wird, denn der bestätigt einen Herzklappenfehler des Verstorbenen.

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Die Testamentseröffnung durch einen Notar wird für den schockierten Taro Kobayashi zur gänzlich unerwarteten Katastrophe. Sein Vater hat ihn eiskalt enterbt! Das begehrte Grundstück mit Haus und Garten am Shinjuku- Park und der größte Teil seines Vermögens wird Ayaka Suzuki für ihre aufopfernde Pflege vermacht. Für den Sohn bleibt als Pflichtteil nur eine bescheidene Summe, die ihm ermöglichen soll, endlich eine berufliche Ausbildung zu beginnen. Dazu wenigstens eine winzige Wohnung . Damit ist er in guter Gesellschaft. Die meisten Japaner müssen sich extrem einschränken und fühlen sich wie ein „ Kaninchen im Stall“. Das durchschnittliche Maß des Wohnens ist nicht einmal ganz 15 Quadratmeter. Jetzt ist seine Lage völlig aussichtslos: Zum einen werden die Yakuza bald aufkreuzen, um mit gewohnter Brutalität die Wettschulden einzufordern, zum anderen wird der gefährliche Haruto Nakamura seinen versprochenen Gewinnanteil verlangen und darauf bestehen, dass die geerbte Immobilie sofort verkauft wird. Schließlich hat der Gangster seinen Anteil am gemeinsamen Mordkomplott perfekt erfüllt, als er unbeobachtet vom anstiftenden Komplicen ins Haus des anwesenden Vaters gelassen wurde.

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Taro Kobayashi fürchtet ernsthaft um sein Leben. In verwirrter Panik, glaubt er, dem angeheuerten Killer unbedingt zuvorkommen zu müssen. Der scheinbare Erbe lockt ihn deshalb nochmals ins Haus seines Vaters, das er selbst zum letzten Mal betreten darf, um seine Habseligkeiten abzuholen. Dann müssen alle Schlüssel an den Notar übergeben werden. Natürlich wird kein Sterbenswort über seine Enterbung verloren. Angeblich würde sich im Arbeitszimmer seines Vaters eine ansehnliche Summe an Bargeld befinden, weil der Verstorbene immer flüssig sein wollte. Das könne sein Komplice gleich als eine erste Anzahlung bekommen. Selbstredend würden die Verhandlungen über den Verkauf einige Zeit in Anspruch nehmen. Er hätte sich mit dem interessierten Konzernchef in Osaka verabredet, um den Verkauf abzuschließen. Deshalb wird er heute noch, per Shinkansen aufbrechen und in den nächsten Tagen nicht zu erreichen sein.

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Ahnungslos tappt Haruto Nakamura in die gestellte Falle, weil er den skrupellosen Erben unterschätzt und nicht einmal andeutungsweise an eine betrügerische Verstellung denkt. Als er sich dem vermeintlichen Geldversteck in einem altmodischen Schreibtisch nähert, zückt dieser heimtückisch eine Pistole und schießt seinen Gläubiger für den Anteil aus dem unmöglich gewordenen Verkauf eiskalt nieder. Dann will Taro Kobayashi sich mit einem Tanto wie es die Yakuza benutzen selbst verletzen und es dem Erschossenen neben die rechte Hand legen, um den Eindruck zu vermitteln, als er den Einbrecher überraschte, hätte der ihn mit dem traditionellen Kampfmesser attackiert und wäre in Notwehr erschossen wurden. Vor Schmerz aufstöhnend fügt er sich eine tiefe Fleischwunde im Oberschenkel zu, ohne den Niedergeschossenen im Auge zu behalten. Jedoch in dem ist noch ein Funken Leben. Mit letzter Energie richtet er sich auf.

 

 

 Bevor seine Augen brechen entringt sich ihm wie einem Fanal für das Jüngste Gericht der grauenvolle Schrei des Geistes!! Die Leichen vom Haruto Nakamura und Taro Kobayashi werden erst Tage später entdeckt, als die Polizei auf Verlangen des Notars, bei dem der Enterbte nicht wieder aufgetaucht ist, in das Haus des Todes eindringt.

 

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Drei Jahre später: Der Lebenstraum von Ayaka Suzuki hat sich erfüllt. In Japan sind die Voraussetzungen dafür besonders günstig, denn es gibt mehr Leute, die in der Schönheitsindustrie arbeiten, als in der Software, Hochzeits- und Automobilbranche zusammen. In ihrem eleganten Kosmetiksalon sind sieben Damen beschäftigt und folgen den Anweisungen der jungen Chefin, die das so überraschend geerbte Grundstück umgehend höchstbietend verkaufte. Der japanische Shiseido- Konzern, dessen Produkte sie zu günstigen Vertragsbedingungen verwendet und verkauft ist eines der weltweit ältesten Hersteller von Kosmetik im Luxusbereich sowie von Haut-Haar- und Körperpflegeprodukten mit Niederlassungen in 71 Ländern. In Japan werden regerechte Rituale zelebriert: Kleine Knabberfische statt Peeling für samtweiche Füße? Masken aus purem Gold statt Anti-Falten-Cremes für straffe Gesichtshaut? Tokio macht es möglich. Doch neben bizarren Schönheitsritualen begeistert die japanische Metropole innovative Kosmetik und Naturheilkunde. Japanerinnen kreieren bereits seit Jahrhunderten Schönheitspflege aus heimischen Zutaten wie z. B. den Azuki-Bohnen, die für ihre reinigenden Substanzen als hautklärendes Peeling verwendet werden. Sogar lebende Schnecken, die man gut fünf Minuten lang über weibliche Gesichter krabbeln lässt, werden benutzt, um tote Haut zu entfernen und die Poren zu reinigend. Angeblich ein wahres Verschönungswunder !

 

 

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Dabei hatte die niedliche Ayaka damals nicht einmal mit dem herzkranken Minoru Kobayashi geschlafen, weil ihr graute, unter oder auf einem jäh Verschiedenen liegen zu müssen. Bevor es zu einer sexuellen Vereinigung kam, mimte sie Ahnungslosigkeit und entlockte ihm die ärztliche Prognose wegen der sie überhaupt mit dem gepflegten alten Herrn in das Love Hotel gegangen war. Daraufhin riet sie wie eine besorgte Tochter von dem lebensgefährlichen Geschlechtsverkehr ab. Er könne sich allenfalls durch einen Striptease an ihrem nackten Körper erfreuen. Während die beiden Männer weiterhin den Tod von Minoru Kobayashi planten, um an das große Geld zu kommen, besuchte die clevere mädchenhafte Frau den davon sehr angetanen Greis vor dessen baldigem Ableben in seinem Haus und umsorgte ihn liebevoll, ohne eine einzige Silbe vom Mordkomplott zu verraten, aus dem sie ausgestiegen war.

Der alte Herr war im Love Hotel sehr großzügig gewesen , deshalb hoffte sie durch ihre Besuche auf eine kleine finanzielle Entschädigung für die entgangene Belohnung. Die völlig überraschende Erbschaft allerdings hätte sie selbst in kühnsten Träumen nicht erwartet. Jedoch: Die Wünsche des Mannes gehen zu Fuß. Die Wünsche der Frau fliegen.

 

 

 

 

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 08.11.2017

Alle Rechte vorbehalten

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