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Tongefunkel

Laut dröhnte die Musik aus dem Haus und das Geschrei war nicht zu überhören. Bei den von Hackendorfs feierte der Sohn seinen Studienabschluss. Mit „summa cum laude“ hatte der Filius des Landarztes sein Medizin-Studium bestanden.

 

Es war bereits fast vier Uhr in der Nacht, als ein Pärchen eng umschlungen das Haus verließ. Sie spazierten in Richtung Wald. Nach einem kurzen Fußweg hielt das Pärchen an und küsste sich.

„Ich liebe dich, Björn“, sagte Maivi zu ihm, „Aber ich habe Angst durch den Wald zu gehen. Es ist so dunkel und die vielen Geräusche sind mir unheimlich!“

„Du brauchst keine Angst zu haben, Liebling. Halte dich an mir fest“, antwortete Björn seiner Freundin.

Björn kannte den Weg nach Hause gut, denn sehr oft war er Gast bei Lasse von Hackendorf gewesen. 

 

Maivi begann zu zittern und er legte Ihr seine Jacke über die Schultern. Dankbar sah sie ihn an und zog ihn zu sich.

„Weißt Du, was ich jetzt möchte“, fragte sie ihn. Ihre Augen funkelten wie zwei Sterne in der Nacht.

 

„Du zitterst und willst mit mir…“, fragte Björn sie.

 

„Nicht das, du Ferkel oder vielmehr Eber. Obwohl, wenn es nicht so kalt wäre? Nein, ich will mit dir den Sonnenaufgang genießen. Nur wir beide, ohne dass uns einer stören könnte. Du kennst die Stelle an dem Abhang? Da würde ich mich gern mit dir hinsetzen“, erwiderte Maivi ihm.

 

„Du kleine, süße Romantikerin. Das ist ein Grund, warum ich dich so liebe“, antwortete er und nahm ihre Hand. Nach einer Stunde kamen sie an dem Abhang an. Der weite Blick ins Tal war wunderschön.

 

Es war eine himmlische Stille. In einiger Entfernung hörte man das leise Plätschern einer Wasserquelle. Der Wind rauschte durch die Zweige. Die Vögel erwachten mit ihrem Morgenkonzert. Langsam stieg die Sonne auf und nahm ihren Weg vom Osten nach dem Westen.  Björn schaute zu ihr und flüsterte:

 

„Hörst du wohl im grünen Dunkel,

durch des Bornes leisen Fall,

wunderbares Tongefunkel?

Hörst du wohl die Nachtigall?“

 

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Die Verse sind von Otto Ludwig (1813 – 1865) aus dem Gedicht Todesahnung.

 

Mein Beitrag zu einer Challange auf Belletristica. Die Vorgabe war das Wort Tongefunkel.

Maximal 2 Min Lesezeit oder 300 Worte

 

Anlage zu Tongefunkel

Todesahnung

 

Hörst du wohl im grünen Dunkel

Durch des Bornes leisen Fall

Wunderbares Tongefunkel?

Hörst du wohl die Nachtigall?

Trauernde klang und Bang das Tönen,

Süß ersterbend durch die Nacht,

Wie der letzte Sang von Schwänen,

Eignem Tode dargebracht.

 

Ha - jetzt hebt sich's im Entzünden

Und es flutet himmelan;

Ach es schwindelt meinen Blicken

Vor der wunderbaren Bahn.

Töne funkeln, Töne sprühen,

Schimmernd wog die süße Flut,

Helles Lebens-Liebesglühen!

Dunkler, tiefer Todesmut!

 

Beides faßt sich im Entzücken,

Faßt sich an in höchster Luft;

Solche Wonne muß ersticken

Kleine Nachtigallenbrust.

Lieber, laß uns eilend gehen

Unter Blumen, unter Duft

Kann ich hören jenes Flehen,

Das du süß zum Tode ruft. -

 

"Freund, du schwärmst! Aus grünen Dunkel

Hör ich keine Nachtigall;

Still nur in des Mondes Gefunkel

Rauscht des fernen Bornes Fall." -

Ja ich schwärme! Nicht das Singen,

Nein mich ruft das eigne Herz,

Auf der Düfte leichten Schwingen

Zog er ein der süße Schmerz.

 

Sieh die Rosen, wie sie glühen,

Still sich beugen lieber Luft,

Doch aus lebensrotem Blühen

Strömt ein bleicher Nelkenduft. -

"Freund, du schwämst, du machst mich bange,

Rosen duften hier allein -

Bleich und bleicher deine Wange,

In dem Auge welcher Schein!" -

 

Ja ich schwärme! Nicht die Blume

Duftet so, es ist mein Herz.

In dem tiefsten Heiligtume

Quillt und wiegt der süße Schmerz.

Halte mich in deinen Armen,

Lehne mich an deine Brust;

In dem wehmutsfrohen warmen

Herzen woget Todesluft.

 

Leg mich hin ins Stille Dunkel -

Durch des Bornes leisen Fall,

Stark und stärker das Gefunkel,

Hebt sich neu die Nachtigall.

Sieh, sie schwindet hoch im Blauen,

Stiller bleicher Nelkenduft,

Nächtig Wogen - lichtes Grauen -

Still - es ist der Tod, der ruft!

 

von Otto Ludwig

Impressum

Texte: Marlen Ludwig, I.C. Körner
Bildmaterialien: Pixabay
Cover: Madlen Ludwig, Bookrix
Tag der Veröffentlichung: 23.09.2020

Alle Rechte vorbehalten

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