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Das alte Herrenhaus

Eine kleines Dorf mitten im schönen Deutschlang, mit vielen Feldern, Wald, Seen und zwei Flüssen herum, lag ruhig in der Nachmittagssonne, Vereinzelt konnte man die Bauern mit ihren Traktoren arbeiten sehen, im Wald die Motorsägen singen hören und so manchen Wanderer entdecken. Die beiden kleinen Pensionen waren immer ausgebucht und das einzige Gasthaus im Dorf war immer gut besucht.

Die Sonne ging langsam unter, als eine große Limousine mit Chauffeur durch den kleinen Ort fuhr und für Aufmerksamkeit sorgte. Es war schon eine Besonderheit, so ein riesiges Fahrzeug durch die Straßen unseres kleinen Ortes fahren zu sehen, wo es sonst nur Traktoren, Landmaschinen, SUVs und Kleinwagen gab.

 

Vor einen Alten Herrenhaus, was ziemlich baufällig war, hielt die Limousine an. Kurze Zeit später traf ein Fahrzeug mit der Firmenbeschriftung "Immobilien Ghost - für Menschen mit besonderen Ansprüchen" ein. Aus der Limousine stieg ein junges Ehepaar und aus dem Firmenfahrzeug ein Herr im fortgeschrittenen Alter aus. Gemeinsam betrat man das Grundstück durch den sehr vernachlässigten Garten. Es dauerte eine Weile, bis die drei das Haus erreichten und da alte Herrenhaus von außen betrachteten. Es gab viel Arbeit, um das Haus wieder wohnlich gestalten zu wollen. Nicht nur der Garten, sondern auch das Haus hatte diverse Schäden. Ob sich das Ehepaar für den Kauf des Hauses interessierte?

 

Der ältere Herr schloss die Eingangstür des Hauses auf und sie traten in die große Eingangshalle. Im Haus war es stockdunkel und es roch nach abgestandener Luft, Feuchtigkeit und Moder. Der ältere Herr öffnete eines der Fenster und schob die Fensterläden auf. Sofort fiel etwas mehr Licht in den Raum. In der Mitte der Halle stand ein Tisch, auf dem sich zwei vierarmige Kerzenleuchter befanden. Schon als die ersten Kerzen brannte, konnte man mehr von der vergangenen Schönheit der Halle erkennen. Direkt gegenüber der Eingangstür befanden sich links und rechts zwei Treppenaufgänge, die in eine Empore endeten, von der mehrere Türen abgingen. Unterhalb der Empore gab es eine weitere große geschlossene Tür. Rechts von der Eingangstür waren eine Bar und der Empfangstresen, wie bei einer Hotel-Rezeption. Dahinter befand sich ein Regal mit zwölf kleinen Fächern, an dem jeweils ein Schlüssel mit Metallschild hing. Auf der linken Seite war ein großer Saal mit 6 kleinen Separees zu sehen. Eine Ebene war etwas erhöht und dort standen mehrere Stühle und Notenständer, welchen man ebenfalls ansah, dass sie sehr lange ungenutzt waren.

 

Als die kleine Gruppe durch die geschlossene Tür unterhalb der Empore gingen, betraten sie einen Bereich, der als Privatbereich gedient haben musste. Hier befanden sich eine Küche, ein Bad, ein Wohn- und zwei Arbeits- sowie zwei Schlafzimmer. In die erste Etage fand man 12 Zimmertüren. Jede für ein Schlafzimmer mit einem riesigen Bett, einer kleinen Sitzecke für 2 – 3 Personen, sowie einer Toilette mit Dusche.

 

Nach der Besichtigung unterhielt man sich in der Halle noch einige Zeit. Danach gab man sich die Hand und der ältere Herr verabschiedete sich.

 

Zuerst begann man im Privatbereich alle Fensterläden zu öffnen und die Abdeckungen von den Möbeln zu entfernen. Je weiter man kam, umso mehr veränderte sich alles. Sobald ein Zimmer fertig war, erklang ein leichtes Geräusch und das Zimmer erstrahlte zu seinem eigentlichen Glanz. Alles war sauber und die Deckenbeleuchtung ging, wie von Geisterhand, an.

 

Der vordere Bereich der Villa veränderte sich ebenfalls langsam. Mit jedem geöffneten Fenster und jedem abgedeckten Möbelstück verwandelte sich das alte Herrenhaus in ein Schmuckstück mit einem gewissen Glanz der alten Zeit. Aber nicht nur das Haus verwandelte sich, sondern auch der Garten und gegen Mitternacht wurde es lebendig. Der Garten war mit Laternen und Fackeln gut ausgeleuchtet, bot aber auch einige dunkle Bereiche und mit hohen Hecken abgegrenzte Bereiche für eventuelle Liebespärchen. Immer mehr Gäste kamen auf das Grundstück und betraten das Haus. Die Rezeption und die Bar erstrahlten in ihrer vollen Schönheit. Junge leicht bekleidete Damen saßen an der Bar und redeten mit den Herren. Aus einigen Separees erklang das Kichern junger Mädchen. Auf dem Podest spielte eine Kapelle und fast nackte Männer und Frauen tanzten in der Mitte des Saales. In der ersten Etage war ebenfalls Betrieb und teilweise waren Lustlaute aus den Zimmern zu hören.

 

Das Ehepaar hatte sich in eines ihrer Schlafzimmer zurückgezogen und zog sich um. Es dauerte ziemlich lange bis sie gemeinsam und glücklich lächeld aus dem Schlafzimmer kamen. Beide hatten sich festlich angezogen, was aber gewisse Einblicke nicht behinderte. Der Stoff ihrer Bekleidung war nicht Blickdicht und so  zeigten beide viel Haut. Die vom Stoff bedeckten Körperregionen ließen viel Spielraum für die Fantasie des Betrachters.

 

Über den Saal führte eine Treppe in den Keller, welche vorher nicht zu sehen war. Das Ehepaar stieg langsam die Wendeltreppen den Keller hinab. Es sah wie im Mittelalter aus. Einzelne Türen gingen von einem Gang ab und die zwei schauten in jeden einzelnen Raum. Das Mobiliar sah merkwürdig aus. Käfige, eine Streckbank, Daumenschrauben, Peitschen und es war kalt. An den Wänden waren Kette angebracht und von der Decke hingen Seile. Ein alte Schmiedeesse mit Glut und Feuer sowie zahlreiche Brenneisen waren ebenfalls vorhanden. Aus einem der Kellerverließe drangen laute Schmerzensschreie.

 

Neugierig schlich das Ehepaar in Richtung der Tür, hinter dieser die Schreie zu hören waren. Kurz vor der Tür wurden sie von hinten ergriffen. Beide bekamen eine Halsgeige um und wurden in verschiedene Verliese geführt. Kurze Zeit später war aus diesen Zellen die Geräusche von Peitschen zu hören, Schmerzensschreie und der Geruch von verbrannter Haut drang durch die Türen…

 

Der Morgen brach an und als die Sonne schon fast im Zenit stand, kam das Fahrzeug mit der Aufschrift "Immobilien Ghost - für Menschen mit besonderen Ansprüchen" vorgefahren. Der ältere Herr stieg aus und schaute sich um. Die Limousine, vom gestrigen Tage, war nicht mehr zu sehen. Er betrat den riesigen Garten, der noch genauso verwildert und ungepflegt, wie am späten Nachmittag des Vortages. Das Herrenhaus hatte immer noch die gleichen Bauschäden. Nur die Tür des Hauses stand offen.

 

Der ältere Herr betrat das Haus und mit einer Taschenlampe ging er durch das Haus. In allen Räumen waren die Fenster geschlossen und die Möbel abgedeckt. Es war genauso staubig wie am Vortag. Nichts schien sich verändert zu haben. In dem privaten Bereich lag ein Slip auf den Boden. Er hob ihn auf, roch daran, lächelte und steckte ihn in seine Jackentasche. Nachdem er auch noch den Saal kontrolliert hatte, die Treppe in den Keller fand er nicht, verließ er wieder das Haus. Er ging zu seinem Fahrzeug und holte sein Handy aus dem Handschuhfach. In seinem Kalender sah er, dass die nächste Hausbesichtigung für das kommende Wochenende geplant war. Wieder zeigte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht.

 

Impressum

Texte: Madlen Ludwig, Thomas Berlin und I.C. Körner
Bildmaterialien: Thomas Berlin, Pixabay
Cover: Thomas Berlin, Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 12.09.2020

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich danke Thomas Berlin und I.C. Körner das sie mir diesen Text für eine Bearbeitung überlassen haben.

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