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Vorwort

In diesem Buch, möchte ich die Geschichte des jungen Mannes Johanno (Jonny) erzählen. Johanno muss schon in jungen Jahren Erfahrungen machen auf die er gerne Verzichtet hätte. Johanno Kiel wurde am 04.05.1995 in Leipzig geboren und lebte dort mit seinen Eltern Steffen und Regina und seiner großen Schwester Julia (geboren am 02.06.1990) zusammen, bis zu dem Tag an dem plötzlich alles anders wurde.

 

Diese Geschichte beruht nicht auf Tatsachen aber Sie beinhaltet Erlebnisse und Schicksale die viele Menschen durchstehen müssen. Ich möchte mit diesem Buch, zum Nachdenken anregen nicht zu schnell über einen Menschen zu Urteilen, wenn man seine Geschichte nicht kennt und schon gar nicht als Verrückt abstempeln, nur weil er sich anders Verhält als man erwartet.

Kapitel 1: Mein fast normales Leben

Es war ein kühler Herbsttag im Jahr 2003, langsam lichteten sich die Bäume immer mehr, es wird nicht mehr lange dauern, dann fallen auch die letzen Blätter von den Bäumen und die Welt wird grau und ein langer Winter wird kommen. Immer wieder und wieder muss ich an diesen schrecklichen Tag denken, der mein Leben und das meiner kleinen Familie für immer verändert hat. Doch wie man mir sagte: „Es ist Vorbei“ Ich wünschte es wäre wirklich so und ich könnte vergessen was damals geschah.

 

Ich schaue auf die Uhr und erschrecke, schon 15:15 Uhr. Um 15:30 Uhr muss ich bei meiner Betreuerin sein, wie ich Sie hasse aber nützt ja nichts. Schnell schwinge ich mich auf mein Fahrrad und fahre so schnell ich kann die 3km zu Ihr. Ich bin wirklich schon gespannt womit Sie mich heute nervt, Ihr fällt echt jede Woche etwas Neues ein aber nur noch 6 Monate dann bin ich Sie endlich wieder los, hoffe ich zumindest.

 

Vorsichtig klopfe ich an Ihrer Tür. „herein“ ruft Sie und ich betrete etwas unsicher Ihr kleines Büro am Ende des Ganges im Dachgeschoss. Ein viel zu voll gestapeltes Bücherregal steht neben der Tür, ich habe immer Angst dass es Irgendwann umkippt. Ich setzte mich Ihr gegenüber , zwischen uns steht jetzt nur noch dieser total unaufgeräumte Schreibtisch, auf dem sich Akten lagern, ganz oben drauf liegt meine. Naja so mit der Ordnung hat es Frau Pfinning nicht, ich muss mir verkneifen Ihr zu sagen wie toll ich Ihre Ordnung finde aber mit Ironie und Sarkasmus hat Sie es auch nicht.

„Hallo Johanno, schön dass du kommen konntest. Wie geht es dir?“

„Hallo Frau Pfinning, mir geht es gut und Ihnen?“ Antworte ich Ihr etwas belustigt ich weiß, dass Sie es nicht ausstehen kann wenn ich Sie frage wie es Ihr geht. Warum eigentlich? Ich dachte immer es sei eine Form von Höfflichkeit.

„Mir geht es auch gut.“ Antwortet Sie leicht genervt. „Weißt du warum ich dich heute zu mir gebeten habe?“

„Nein, aber ich habe da eine Befürchtung.“

„Was für eine Befürchtung?“ fragt Sie Neugierig. Wenn es Ihr an einem nicht fehlt dann ist es Neugier, Sie will wirklich immer alles wissen, bis ins kleinste Detail.

„Ich kam letzte Woche Dienstag 30 Minuten zu spät zur Arbeit und dann hatte ich noch eine kleine Auseinandersetzung mit meinem Chef, da ich die Soße versalzen habe. Aber ich habe mich entschuldig und war seit dem Pünktlich.“

„Also dein Chef hat mich nicht angerufen, das letzte mal vor 3 Wochen und da war er mit deiner Arbeit recht zufrieden. Es geht um deinen Vater.“

Mir wird plötzlich ganz Flau im Magen, Ich habe den Kontakt zu meinem Vater schon vor 7 Jahren komplett abgebrochen.

„Du musst jetzt sehr stark sein Johanno. Dein Vater ist vor 3 Tagen verstorben.“

Es entsteht eine lange Pause, ich weiß nicht was ich dazu sagen soll, ich will nicht gefühllos wirken aber ich bin einfach nicht traurig, er ist für mich schon lange gestorben.

„Warum hat mir meine Mutter das nicht selbst gesagt? Ich dachte unser Verhältnis wäre besser geworden, seit ich meine Ausbildung habe.“

„Sie hatte Angst es dir zu sagen, weil Sie nicht einschätzen konnte wie du reagieren wirst.“

„Und konnten Sie es einschätzen?“ Diese Frage konnte ich mir nicht verkneifen.

„Ich weiß es nicht und ich bin mir auch nicht sicher ob deine Jetzige Reaktion nicht wieder nur Fassade ist.“

„Ich weiß es auch nicht.“ Gebe ich reumütig zu. Ich muss aber nicht zu seiner Beerdigung oder?“

„Deine Großmutter würde sich sehr darüber freuen. Sagte mir deine Mutter.“

„Und meine Mutter? Geht Sie hin?“

„Sie würde sich auch sehr freuen wenn du Sie begleitest.“

„Ich überleg es mir“ lüge ich Sie an

„Du wirst nicht hingehen stimmts?“

„Ich kann einfach nicht verstehen, wie Mum dort hingehen kann. Wie kann Sie ihm das alles verzeihen. Achja ich vergaß Sie gibt immer noch mir die Schuld.“

„Nein das glaube ich nicht. Weißt du manchmal tun wir Dinge die für andere nicht nachvollziehbar sind, die wir selbst nicht verstehen. Deine Mutter hat deinen Vater geliebt, bis Sie erkannte wer er wirklich ist und nun möchte Sie ihm trotzdem diese letzte Ehre erweißen, bitte denke noch einmal darüber nach.“

„Wenn Sie mich selbst fragt vielleicht.“

„Möchtest du mir noch etwas erzählen?“

„Nein darf ich bitte gehen?“

„Ja wir sehen uns übermorgen, also am Freitag noch mal, wie vereinbart.“

„Ja okay Tschüß“

„Tschüß“ sagt Sie und ich stehe auf und verlasse schnell das Gebäude.

 

Auf dem nachhause weg fahre ich einen großen Umweg um meine Aggressionen raus zu lassen. „Tod“ ich glaube ich habe nicht verstanden was das jetzt bedeutet. Für mich war er es doch eh schon lange, also wieso sollte ich traurig sein? Muss ich das jetzt eigentlich spielen? Frage ich mich. Aber eigentlich ist es egal, die Welt hält mich eh für ein „Monster“. Für einen Täter, nur wenige Menschen wissen, dass ich einst das Opfer war und versuchen es zu verstehen. Dabei wollte ich doch immer nur liebe, wie jeder andere Mensch auch und einfach ein ganz normales Leben führen, davon träume ich schon sehr lange.

 

Als ich endlich wieder zuhause ankomme, klingelt mein Handy. Meine Mutter, bin ich wirklich bereit mit Ihr zu reden? Ich gehe trotzdem ran.

„Hallo Mum“

„Hallo Hanno, hat Frau Pfinning es dir erzählt? Hanno darf mich nur meine Mum nennen.

„Ja hat Sie, nur ich verstehe nicht warum du es mir nicht selbst sagst.“

„Es tut mir leid, ich hatte Angst es dir zu sagen. Es ist für uns alle nicht leicht.“

„Ahja, du hattest mal wieder Angst vor meiner Reaktion, immer tut dir dann alles leid. Und was heißt für uns alle nicht leicht? Plötzlich ist es schlimm? Soll ich jetzt reue zeigen?“

Sie schweigt, am liebsten würde ich weiter machen aber es hat keinen Sinn es immer wieder und wieder zu Diskutieren.

„Ich weiß das du Ihm niemals verzeihen kannst, ich würde mir trotzen wünschen das du zu seiner Beerdigung kommst.“

„Um ein letztes mal heile Familie zu spielen? Nein danke ich muss arbeiten.“

„Okay, ich akzeptiere deine Entscheidung.“ Sagte Sie, aber ich weiß das Sie es nicht tut.

„Machs gut Hanno.“

„Tschüß Mum.“

 

Ich werde wütend, erst auf meine Mutter dann auf meinen Vater und dann auf mich selbst. Ich schlage meine geballte Faust gegen die Wand immer wieder und wieder mit all meiner Kraft. Nach wenigen Minuten sacke ich weinend zusammen meine Hand blutet und schmerzt aber der schmerz Interessiert mich nicht, im Gegenteil er hilft mir. Allein und traurig lege ich mich in mein Bett und schließe die Augen. Ich möchte schlafen doch die Gedanken in meinem Kopf hören nicht auf sich zu drehen, ich blicke aus dem Fenster. Noch immer steht die Sonne hoch am Himmel, dabei ist es schon 18:00 Uhr. Langsam schlendere ich in mein kleines Wohnzimmer und schalte den Fernseher ein um die Simpsons zu schauen. Meine 2-Raum-Wohnung ist zwar klein aber sie gehört mir ganz alleine. Naja mir und meinen beiden Ratten Akira und Filou, sie sind die einzigen die mir zuhören ohne Vorurteile zu haben.

 

Ich gehe früh ins Bett, so ist das eben wenn man um 4 Uhr aufstehen muss. Ich bin trotzdem sehr froh das ich meine Ausbildung zum Koch machen kann, nicht ganz mein Traumberuf aber immer hin. Das 2 Lehrjahr hat gerade begonnen und meistens ist mein Chef ziemlich zufrieden mit mir.

Kapitel 2: Der Tag, am falschen Ort zur falschen Zeit

„Ach komm schon Jule, lass uns noch eine Runde Monopoly spielen.“ „Nein Johanno du müsstest schon längst im Bett sein, du musst Morgen früh wieder zur Schule. Wenn Vater nach Hause kommt und das sieht bekommen wir beide riesen Ärger, du weiß doch wie das ist wenn Mama Spätschicht hat.“

„Ja ich weiß.“ Traurig verlasse ich Jules Zimmer im Obergeschoss unseren kleinen schon etwas baufälligen Einfamilien Hauses.

„Beeil dich er kommt.“ Ruft Jule mir zu. So schnell ich kann renne ich die Treppe runter und ohne Licht in meinem Zimmer zu machen verschwinde ich im Bett. Kurze Zeit später geht meine Tür auf, unser Vater. Ich tue so als würde ich tief und fest schlafen, er scheint zufrieden zu sein und schließt die Tür.

 

Ich war schon längst eingeschlafen als ich von einem Schrei wach werde, er kam von Jule. Ich springe aus meinem Bett und renne nach oben. Jules Zimmertür ist einen Spalt geöffnet so dass ich unauffällig hindurch schauen kann. Was ich da sehe verschlägt mir den Atem. Unser Vater kniet auf Jule und macht komisch Bewegungen, sie windet sich unter ihm und weint, er hält Ihr den Mund zu. Obwohl ich erst 8 Jahre alt bin verstehe ich schon genau was ich da gerade gesehen habe. Ich will meiner großen Schwester helfen, doch ich weiß nicht wie. Er lässt von Ihr ab und ich renne zurück in mein Zimmer. Die ganze Nacht liege ich wach und weine leise. Juli, meine Heldin, meine Beschützerin vor dem Schrankmonster. Jetzt weiß ich das Schrankmonster gibt es nicht, das wirkliche Monster weilt unter uns.

 

Am nächsten Morgen versuche ich mich ganz normal zu Verhalten und Jule versucht das auch. Unsere Eltern schlafen noch und wir gehen wie meistens allein zur Schule. Ich bin den ganzen Tag mit meinen Gedanken bei Jule, ich hätte sie beschützen müssen.

 

Am Abend sitzt Jule an meinem Bett und ließt mir eine Guten Nacht Geschichte vor.

„Es tut mir leid.“

„Was tut dir leid?“ fragt sie verwundert

„Das ich dich nicht vor unserem Vater beschützt habe. Ich hab gesehen was er mit dir gemacht hat gestern Abend.“

Sie sagt nach einer langen Pause in der Sie sehr abwesend wirkt „Du darfst niemals jemandem erzählen was du gestern Abend gesehen hast, sonst wird etwas schlimmes passieren. Verstehst du das?“

Ich nicke und Sie steht auf und lässt mich allein zurück.

Was wird wohl schlimmes passieren frage ich mich.

 

Es ist Samstag Mama ist zuhause und hat nächste Woche Frühschicht. Als wir zwei alleine sind frage ich Sie. „Mama was könnte schlimmes passieren?“

Sie lächelt mich und sagt: „Es könnten viele Dinge auf dieser Welt passieren, aber du brauchst dir keine Gedanken zu machen. Ich passe immer gut auf euch auf.“

„Und was ist wenn schon etwas schlimmes passiert ist und es noch schlimmer wird?“

Jetzt schaut sie mich fragend an und sagt: „Was ist denn passiert?“

„Nichts“ Ich stehe auf und gehe, hoffentlich habe ich da jetzt nicht zu viel gesagt.

 

In den nächsten Wochen Verändert sich Jule sehr, Sie zieht sich zurück, spielt kaum noch mit mir und Sie sieht sehr traurig aus. Unser Vater macht einen Bogen um Sie und redet nur noch das nötigste mit Ihr. Ich finde das nicht Fair, früher hat Sie mich beschützt jetzt muss ich das machen. Nach dem Mittag essen gehe ich zu Ihm.

„Papa ich will das du sofort aufhörst Julia weh zu tun und gemein zu Ihr zu sein.“

Er schaut mich mit großen Augen an, ich befürchte er ahnt was ich meine. Wut steigt in ihm auf, er erhebt sich und läuft zielgerichtet auf mich zu. Nichts wie weg, gegen diesen großen starken Mann der bis vor wenigen Wochen noch mein größtes Vorbild war habe ich keine Chance. Ich renne zu Mama und verstecke mich hinter Ihr.

„Was ist denn los Hanno?“

„Nichts darf ich bei dir bleiben?“

„Aber natürlich mein Schatz.“

 

Am Abend höre ich ein Streitgespräch in der Küche.

„Steffen, weißt du was mit den Kindern los ist? Julia isst kaum noch, zieht sich extrem zurück und Sieht immer sehr traurig aus. Und Johanno sagt komische Sachen und beide verhalten sich dir gegenüber komisch.“

„Ach Kinder eben, Julia kommt in die Pubertät und Johanno will sich nur aufspielen, weil sich Julia jetzt mehr für sich Interessiert als für Ihn.“

„Mmh vielleicht hast du recht, ich werde trotzdem mit den Kindern reden.“

„Pff tu was du nicht lassen kannst, es wird nichts bringen.“

Jetzt kommt er zu uns und sagt leise.

„Ein Ton und Ihr seit beide Tod.“

Mir wird plötzlich ganz übel, was soll ich nur tun. Jule sieht blass aus.

 

In den nächsten 4 Wochen scheint alles wieder in „normalen“ Bahnen zu laufen, wir haben geschwiegen und bald ist Weihnachten. Nur irgendwie kann ich mich nicht darauf freuen. 3 Tage vor Weihnachten höre ich wieder einen schrei auf Julias Zimmer, ich beginne zu weinen, weil ich weiß was geschieht und weil ich nichts tun kann.

 

Es ist Weihnachten, unser Vater spielt heile Familie und unsere Mutter spielt mit aber ich glaube sie weiß das etwas nicht stimmt. Als wir die Feiertage überstanden haben und Silvester und ich zuversichtlich ins neue Jahr blicke, bemerke ich wie Jule sich mit einer Rasierklinge den Arm auf schneitet. Ihr läuft Blut den Arm hinunter ich kann da nicht länger zu schauen. Ich muss jetzt was machen.

 

„Mama, geh bitte mal zu Jule ins Bad.“

„Aber .. „

„Bitte“

 

Sie läuft die Treppe hoch zum kleineren von Zwei Badezimmern, das benutzt Jule fast allein.

„Jule, darf ich reinkommen.“ Ruft Mama durch die Tür.

„Nein“

„Was machst du da drin?“

„Nix“

„Da kann ich ja auch reinkommen.“ Sagt Sie und öffnet die Tür.

Dann höre ich nur noch ein oh Gott Juli und ein schluchzen meiner Schwester.

 

Montagmorgen, der erste Schultag nach den Weihnachtsferien. Doch Jule liegt noch im Bett, ich will sie gerade wecken das kommt Mama zu mir.

„Hanno, deine Schwester bleibt heute zuhause. Ich denke du weißt wieso.“

„Ja Mama“

„Hab dich lieb mein kleiner und jetzt los zu Schule.“

 

Als ich von der Schule nach hause komme, sitzen Jule und Mama im Wohnzimmer. Jule weint und stammelt irgendwas von Sie will nicht. Was will Sie nicht? Ich habe Angst, ich habe Jule verraten und jetzt wird etwas sehr schlimmes passieren. 

Kapitel 3: Das große schweigen oder wie man eine Sache erfolgreich verdrängt.

Die Tage vergehen bis zum 20.01.2004 ich komme gerade von der Schule und will in mein Zimmer gehen, als mein Vater mich abfängt. Er nimmt mich Wortlos am Kraken schleift mich in mein Zimmer packt mich viel zu fest an den Armen und beginnt mich zu schütteln.

„Wenn du noch ein Wort sagst, bist du Tod und deine geliebte Schwester auch.“

Ich möchte etwas erwidern, doch bevor ich dazu komme verpasst er mir eine Ohrfeige und geht. Verdutzt stehe ich in meinem Zimmer, Wut und Hass steigen in mir auf. Meine Backe schmerzt sehr. Als ich meine Hausaufgaben gemacht habe gehe ich ins Wohnzimmer, wo unsere Eltern sitzen.

 

„Hanno mein Schatz, was hast du denn gemacht. Deine Backe ist ja ganz geschwolen“

„Ich…“

„Unser kleiner hatte eine Auseinandersetzung mit einen Klassenkammeraden, seine Lehrerin hat vorhin angerufen deswegen, ich habe dir nur noch nichts gesagt, weil ich dich nicht erschrecken wollte.“ Sagt mein Vater bevor ich meinen Satz zu Ende sprechen kann.

„Stimmt das?“

„Ja Mama es tut mir leid, ich verspreche, dass es nicht wieder vorkommt.“

 

Ohne eine Antwort abzuwarten gehe ich in mein Zimmer, rolle mich auf meinem Bett zusammen ziehe mir meine Spongebob Decke über den Kopf und weine. Plötzlich klopft es an meiner Tür und Jule betritt mein Zimmer und setzt sich zu mir aufs Bett.

 

„Hast du geweint Hanno? Und was ist mit deiner Wange?“ fragt Sie mich obwohl ich mir nicht sicher bin ob Sie geistig ganz bei mir ist.

„Das war Vater, aber Mum soll glauben ich habe mich geprügelt.“

„Oh Mann, du musst mir jetzt ganz genau zuhören. Ich halte es hier einfach nicht mehr aus, ich fliehe Morgen nach der Schule.“

„Aber wo willst du hin?“

„Kannst du dich an Mamas Bruder Onkel Robert erinnern?“

„Nein, wer ist das?“

„Du warst damals noch sehr klein als sich unser Vater und Robert stritten seit dem hat Mum den Kontakt zu Ihrem einzigen Bruder abgebrochen. Ich werde Ihn suchen.“

„Aber du kannst mich doch nicht allein lassen.“ Ich beginne zu weinen.

„Du bist schon groß und irgendwann wirst du es verstehen.“

Sie steht auf und geht wieder.

 

Am nächsten Tag, als ich von der Schule nach Hause komme ist niemand zu Hause. Es liegt ein Zettel Mum ist nach der Arbeit noch einkaufen, Vater kommt erst in 3 Stunden und Jule, naja eigentlich in 1,5 Stunden. Doch plötzlich klingelt das Telefon. Ich nehme den hörer ab.

 

„Kiel“

„Hallo, hier ist Frau Frinsch die Klassenlehrerin von Jule. Sind deine Eltern zu hause?“

„Nein, leider nicht kann ich etwas ausrichten.“

„Ja bitte es ist sehr wichtig. Du darfst aber nicht erschrecken, deine Schwester hatte heute einen Kreislaufzusammenbruch und liegt jetzt in der Leipziger Kinderklinik,. Richte das bitte sofort deiner Mutter aus und sag Ihr Sie soll mich heute Abend anrufen. Hast du einen Zettel? Damit ich dir meine Nummer geben kann.“

„Moment ich hole einen.“ Kann ich vor schreck gerade so hervorbringen. „Ok, hab einen.“

„06535/315871 und vergiss es nicht.“

„Nein.

„Tschüß“

„Tschüß“ Ich bin total schockiert war ist nur passiert?

 

Ungefähr 15 Minuten nach dem Anruf kommt Mum nach Hause. Ich lasse Sie erstmal Ihre Sachen ablegen und räume für Sie den Einkauf weg.

„Danke schön mein Schatz“

„Bitte. Mama Jules Lehrerin hat eben angerufen. Sie sagt Jule liegt im Krankenhaus, weil Sie zusammengebrochen ist.“

Nach einer Schocksekunde greift Sie sofort zu Telefon

„Weißt du in welches Krankenhaus?“

„In der Kinderklinik“

Zum telefonieren geht Sie in die Küche, so das ich den Anruf nicht verstehen kann.

„Zieh dir deine Jacke an, wir fahren los.“

Bevor ich mich versehen kann, sitzen wir im Auto und fahren ins Krankenhaus.

Ich mag Krankenhäuser irgendwie nicht obwohl ich bis jetzt noch nie in einem Patient war.

 

Jule liegt in einem kleinen Zweibettzimmer, das andere Bett neben Ihr ist leer. Sie sieht sehr blass aus und hat einen Schlauch im Arm. Doch als Sie uns sieht beginnt Sie zu lächeln.

„Mein kleiner Schatz, was ist denn passiert.“ Dabei drückt Mum Jule so fest das Sie kaum noch Atmen kann.

„Ich weiß nicht so genau, mir war schlecht dann wurde mir schwarz vor Augen und als ich aufgewacht bin lag ich im Krankenwagen.“

Mum sagt nichts dazu, Sie streichelt Ihr nur behutsam über den Kopf. Plötzlich öffnet sich dir Tür und eine junge Ärztin betritt den Raum, ich finde Sie sieht sehr freundlich aus.

 

„Hallo, mein Name ist Dr. Jahn. Sind Sie Frau Kiel?“

„Ja ich bin Julias Mutter.“

„Sehr schön, ich bin die behandelnde Ärztin Ihrer Tochter, kann ich kurz mit Ihnen reden?“

„Ja natürlich“ antwortet unsere Mum

„Ich würde dich gerne mit in das Gespräch einbeziehen Julia.“

Jetzt schaut Sie mich an und sagt: „würdest du bitte draußen warten?“

Ich nicke und will gerade das Zimmer verlassen als Julia sagt: „Ich möchte das Hanno hier bleibt.“

Die Ärztin beginnt zu grinsen und sagt dann: „Gut wenn deine Schwester das möchte, dann kannst du gerne hier bleiben.“

Ich setze mich unauffällig auf einen Stuhl, in eine Ecke. Dr. Jahn beginnt das Gespräch.

„Julia, wie geht es dir jetzt?“

„Gut“ antwortet meine Schwester, obwohl ihr das wohl keiner glaubt.

„Weißt du noch was passiert ist?“

„Nicht ganz genau. Mir war schon den ganzen Tag schlecht und dann wurde mir im Deutschunterricht schwarz vor Augen. Dann bin ich erst im Krankenwagen wieder aufgewacht.“

Erst jetzt bemerke ich wie Jule Ihre Arme unter der Decke versteckt, seit wir reingekommen sind. Ich kenne die Narben, dir Ihre Arme zieren seit einigen Wochen. Tiefe, weniger Tiefe, lange, kurze, dünne, dicke.

„Hast du heute schon etwas gegessen?“ Dabei setzt Sie sich zu Jule aufs Bett.

„Nein“ Jule schaut nach unten dabei.

„Isst du in letzter Zeit wenig?“

„Nein“ lügt Jule doch Mum korrigiert. „Doch, Sie ist sehr wenig.“

„Stimmt das?“

„Ja Entschuldigung“

„Seit wann ist das so?“ Sie richtet die Frage an unsere Mutter.

„Seit Mitte – Ende November.“

„Also, gehe ich davon aus du hast abgenommen?“

„Ja kann sein aber ich weiß nicht wie viel, ich wiege mich sehr selten.“

„Okay, weißt du wie viel du gewogen hast?“

„Nein“

„Als wir das letzte mal beim Arzt waren Anfang November, hattest du 55-56Kg.“ Sagt Mum. Wow Sie weiß echt alles.

„Gut, wir wiegen dich dann. Hast du irgendwelche Probleme in der Schule oder zuhause?“

Jule schluckt, Atmet tief durch und rutscht im Bett weiter nach unten. Aber Sie sagt nichts.

Mum und die Ärztin schauen Sie mit großen blicken an.

„Sie hat sich in letzter Zeit sehr verändert, ich hatte den Verdacht das etwas vorgefallen ist und war mit Ihr deswegen schon bei Ihrem Kinderarzt, aber Sie wollte nichts sagen und auch nicht zu Psychologen.“

„Es ist okay, du musst das jetzt hier nicht sagen. Tut dir irgendwas weh oder hast du andere beschwerden in letzter Zeit?“

„Ja der Bauch.“

„Okay, ich werde dich jetzt noch untersuchen. Du brauchst keine Angst zu haben ich tue dir nicht weh.“

Ich gehe wortlos aus dem Zimmer und stelle mich vor die Tür. Nach ungefähr 3-4min kommt auch unsere Mum aus dem Zimmer.

„Mama, was hat Jule?“

„Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke du weißt mehr als ich. Stimmt das?“

„Ja.“

Jetzt beugt Sie sich zu mir runter und packt mich am Arm. Du musst es mir sagen. Hat es etwas mit Papa zu tun?“

Ich nicke nur.

„Egal was es ist du musst es mir sagen“ fleht Sie mich an.

„Das kann ich nicht, dann wird etwas sehr schlimmes passieren.“

Mum scheint zu überlegen, dann beginnt Sie zu weinen.

Nach etwa 35min, hören wir ein schluchzen aus Julias Zimmer. Ich weiß nicht, was die da drin mit meiner Schwester macht aber Sie tut mir leid. Kurz darauf hören wir einen leisen Schrei. Nach weiteren 10minuten kommt die Ärztin aus Julias Zimmer. „Sie können jetzt wieder zu Ihrer Tochter gehen, ich komme in ein Paar Minuten noch mal wieder.“

Man sieht Ihr an, das Sie geweint hat. Ich gehe zu Ihr hin und nehme Sie in den Arm, dabei streichle ich über eine Ihrer Narben und flüstere Ihr ins Ohr „alles wird gut“.

 

Mum hingegen steht nur wortlos im Zimmer rum und schaut aus dem Fenster, Dann klopft es wieder an der Tür und die Ärztin und eine Krankenschwester kommen rein.  Die Ärztin geht auf Julia zu schlägt Ihr die Decke weg und jetzt sehe ich eine klaffende Wunde an Julias Bein. „So jetzt musst du noch mal kurz Tapfer sein, das brennt jetzt etwas.“ Sie sprüht Ihr irgendwas aufs Bein und Julia kneift die Augen zusammen, dann macht Sie einen Verband drum und wendet sich Mum zu. „Ist Julia gegen Tetanus geimpft?“ fragt Dr. Jahn.

„Ja, aber die zweit Impfung fehlt noch.“

„Okay, dann werden wir gleich machen. Bringen Sie bitte morgen Ihren Impfpass mit, damit ich das eintragen kann?“

„Ja natürlich.“

Die Krankenschwester tritt an Julias Bett und Sie versucht sich in Ihrer Decke zu verstecken. Dr. Jahn geht auf die andere Seite des Bettes. Sie lächelt und sagt: „Du brauchst keine Angst haben, so schlimm ist es nicht. Gibst du mit bitte deinen Linken arm?“

Doch Jule schüttelt mit dem Kopf. Die Ärztin schlägt Julias decke weg, winkelt Ihren Arm an und fragt Sie Dinge über die Schule und nach Ihrer Lieblingsband aber Jule antwortet Ihr nicht. Sie zieht Ihren Arm weg und weigert sich. Dann geht aber alles ganz schnell, die Krankenschwester hält Jules Arm fest und Mum streichelt Ihr mittlerweile über den Kopf, dann hat Sie es endlich geschafft.

„Frau Kiel, ich möchte noch kurz unter 4 Augen mit Ihnen reden.“

Mum, die Ärztin und die Krankenschwester verlassen das Zimmer und Jule und Ich bleiben allein zurück.

„Warum hast du vorhin geweint? Was hat die mit dir gemacht?“

„Nicht schlimmes aber Sie hat mit mir über meine Narben geredet, über meine Essensverweigerung und mir gesagt das ich wahrscheinlich in die Psychiatrie muss. Das war zuviel für mich. Ich will nicht in die Klapse und das sagt Sie jetzt bestimmt Mum.“

„Ich glaube ich hätte auch Angst aber mein Kumpel Chris, war nach dem Tod seines Vaters auch in der Psychiatrie und er hat gesagt das es gar nicht schlimm war. Außerdem bist du da von Vater weg.“

Sie beginnt zu lächeln und sagt: „Vielleicht hast du recht“

 

Dann kommt eine Krankenschwester und nimmt Julia mit, ich bleibe allein im Zimmer zurück. Kurz drauf geht die Tür auf und Vater kommt ins Zimmer.

„Wo sind deine Mutter und Julia?“

„Die sind bei der Ärztin“

„Okay, was hat Julia?“

„Sie hatte einen Kreislaufzusammenbruch“

„Warum das denn?“

„Das weiß ich leider nicht.“

„Hat Sie irgendwas gesagt?“ Er wirkt dabei merklich Nervös.

„Nein ich denke nicht.“

„Wie du denkst nicht?“

„Also ich bin mir ziemlich sicher das Sie nichts gesagt hat. Ich war nicht die ganze Zeit dabei als Sie mit der Ärztin gesprochen hat.“

„Okay, es gnade Ihr Gott und wehe du verquatscht dich wieder. Siehst du nicht wie du alles immer schlimmer machst?“

„Aber ich.“

„Ach sei bloß still.“

 

Dann geht die Tür auf und Julia und Mum kommen ins Zimmer. „Hallo Steffan. Wie er was immer schlimmer macht?“

„Ach nichts, wir hatten es nur von der Schule. Wie geht es dir meine kleine?“

„Ich bin müde.“ Sie legt sich ins Bett und dreht sich zur Seite.“

„Wir sollten dich jetzt allein lassen mein Schatz.“ Sagt unsere Mum und wir gehen.

Kapitel 4: Die „heile“ Welt bricht zusammen.

Wieder Zuhause ist die Stimmung merklich angespannt und da fällt mir wieder ein dass meine Mum Julias Lehrerin anrufen sollte.  Als ich in die Küche gehen will um Mum das zu sagen bekomme ich ein Gespräch zwischen unseren Eltern mit. Schnell stelle ich mich so, dass die beiden mich nicht sehen können.

 

„Was hast du mit unserer Tochter gemacht?“ schreit meine Mum, dabei stehen Ihr die Tränen in den Augen.

„Ich habe nichts mit Ihr gemacht“

„Wenn nichts passiert wäre, dann würde Sie sich nicht so verhalten. Als was ist im November passiert? Sag es du weißt es und Johanno auch.“

„Ach der kleine Versager der weiß gar nichts.“

„Wie hast du unseren Sohn gerade genannt?“

„Versager, genau so wie seine Mutter.“

„Nimm das sofort zurück.“ So wütend habe ich Mum noch nie gesehen und Vaters Worte tun mir in der Seele weh.

„Gar nichts werde Ich.“ Er will gerade die Küche verlassen, als ich mir das nicht länger ansehen kann. Ich gehe in die Küche und trete vor Ihn.

„Johanno geh bitte.“ Sagt meine Mum zu mir aber ich ignoriere Sie.

„Sag Mum endlich was du mit Julia gemacht hast, was du uns drohst und das ich mich gar nicht geprügelt habe.“

„Geh mir aus dem Weg.“

„Nein. Sag das du meine Schwester Vergewaltigt hast. Gib es endlich zu.“

Mum sieht aus als müsste Sie an meinen Worten ersticken. Sie wird sehr blass und muss sich erstmal setzen.

„Das wird Konsequenzen für dich haben mein Sohn. Dein Schwester wollte es doch auch.“ Mit diesen Worten verlässt er die Küche und schließt sich in seinem Arbeitszimmer ein.

 

Den ganzen Abend hören wir nichts mehr von Ihm und Mum versucht zu Verdrängen was Sie eigentlich schon längst wusste.

„Hanno was hast du gesehen?“

„Alles Mama.“

„Es tut mir leid, ich war so Blind ich hätte es sofort merken müssen.“ Sie weint

„Du hast keine Schuld Mama. Doch was passiert jetzt mit Julia?“

„Sie wird in die Psychiatrie gehen, Sie hat 10 Kilo abgenommen. Am Donnerstag wird Sie entlassen und am Freitag früh muss ich Sie in die Psychiatrie bringen. Sie will das du uns begleitest.“

„Ja Mama. Guten Nacht“

Ich stehe auf und gehe in mein Bett obwohl ich fast die ganze Nacht kein Auge zumache. Ich spüre das noch viel schlimmere Dinge vor uns liegen werden, als das was bis jetzt passiert ist.

 

Als ich am nächsten Tag von der Schule nach Hause komme ist meine Mum schon zuhause und sitzt mir einer dunkelhaarigen Frau am Esszimmertisch. Ich begrüße meine Mum und die Frau und will in mein Zimmer gehen.

„Johanno setzt du dich bitte zu uns?“ Ich gehorche und setzte mich wortlos dazu.

°Hallo Johanno ich bin Frau Schilling von der Familienhilfe. Ich würde dir gerne ein Paar fragen stellen. Du brauchst keine Angst zu haben, es passiert nichts schlimmes und Antworte bitte ehrlich, deine Mutter hat mir schon erzählt was vorgefallen ist.

„Gehst du gerne zur Schule?“

„Ja“ antworte ich etwas erstaunt, okay Sie will erst mein Vertrauen gewinnen.

„Hast du ab und zu mal Ärger in der Schule?“

„In letzter Zeit komme ich mit meinen Lehrern nicht mehr so gut zurecht und streite mich öfter mit Klassenkammeraden. Ich kann mich einfach nicht mehr Konzentrieren.“

„Könnte das an den Vorfällen in letzter Zeit liegen?“

„Ja bevor das passiert ist war ich sehr gut in der Schule.“

„Also sind deine Noten auch schlechter geworden?“

„Ja“ gebe ich zu.

„Würdest du mir bitte erzählen was du gesehen hast.“ Sie lächelt dabei.

„Ich weiß nicht.“

„Bitte Johanno.“ Sagt meine Mutter

„Okay. Es war ein kalter Tag Mitte November Mum hatte Spätschicht, ich sahs in Julias Zimmer und wir haben Monopoly gespielt. Ich wollte unbedingt noch mal spielen aber es war schon 21 Uhr und ich hätte schon seit 30min im Bett sein müssen, als Vater nach Hause kam. Schnell bin ich nach unten in mein Zimmer gerannt und habe so getan als würde ich schlafen. Ich war gerade eingeschlafen als ich einen Schrei von oben hörte. Ich erkannte sofort das der Schrei von Julia kommt und schlich mich nach oben. Ihre Zimmertür stand einen winzigen Spalt offen und da sah ich das….“ Mir kullert eine Träne die Wange runter, dieses Bild in meinem Kopf macht mich zu fertig.

„Ist gut Johanno mach erstmal eine Pause und erzähl uns dann was du gesehen hast.“

Ich atme tief durch und erzähle weiter. „Ich sah wie Vater auf Ihr kniete, er hatte nichts an außer ein T-Shirt. Julia wendete sich unter Ihm aber Sie hatte keine Chance. Tränen kullerten Ihre Wange runter. Denn schreien konnte Sie nicht mehr, er hielt Ihr den Mund zu. Dann lies er endlich von Ihr ab und ich rannte schnell wieder in mein Zimmer in der Hoffnung dass mich niemand bemerkt hat. Und das ist leider nicht nur einmal passiert.“

„Das hast du sehr gut gemacht Johanno. Dein Vater wird über dieses Gespräch erstmal nicht Informiert. Erst muss Julia erzählen was passiert ist bevor es zur Anzeige kommen kann. Wir hoffen aber das, dass in den nächsten Wochen passiert und Sie sich einer Psychotherapeutin anvertraut“

„Aber Vater wird mich…“ Ich kann den Satz nicht vollenden.

„Dein Vater wird in den nächsten Wochen nicht zuhause sein. Er ist vorübergehend bei einem Freund eingezogen.“ Ich beginne zu lächeln.

„Aber was ist wenn er mir trotzdem auflauert?“

„Ich werde dich jeden Tag zur Schule bringen und auch wieder abholen. Ich bin die nächsten 4 Wochen Krankgeschrieben.“

„Okay Mama.“

Die Frau verabschiedet sich und ich bin wirklich erleichtert.

 

Am nächsten Tag holen wir Julia aus dem Krankenhaus. Sie sieht sehr fertig aus, am Abend sitzen wir kurz allein im Wohnzimmer.

„Hanno ich werde es erzählen müssen und dann …“

„Und dann wird alles gut werden. Du musst es erzählen, weil Sie es wissen.“

„Wer ist Sie?“

„Ich konnte bei einem Streit unserer Eltern nicht mehr und habe es Vater vor den Kopf geknallt das er das getan hat. Gestern war eine Sozialpädagogin von der Familienhilfe da, Mum hatte es Ihr erzählt und ich musste es Ihr auch erzählen. Vater wohnt momentan bei einem Freund und Mum ist 4 Wochen Krank geschrieben. Wenn du erzählt hast was passiert ist kann es zu einer Anzeige kommen und er bekommt endlich was er verdient.“

Julia kann erstmal gar nichts sagen. Doch Sie umarmt mich und scheint erleichtert.

„Danke mein kleiner.“ Sagt Sie nach einer ganzen weile.

 

Vor dem nächsten Tag haben wir alle Angst. Schon früh am Morgen fahren wir los, Jule hat den ganzen Tag noch kein Wort gesagt. Die fahrt geht ans andere Ende von Leipzig. Als wird an der Klinik ankommen gehen wir nicht in das große Hauptgebäude sondern in ein kleineres Nebengebäude. Ich kann Julias Angst spüren, Mama auch und Sie nimmt Ihre Hand. Doch ich spüre auch Mums Unsicherheit.

 

Nach der Anmeldung wird Julia in Ihr Zimmer gebracht. Ein gar nicht mal so kleines 2-Bett Zimmer, im anderen Bett sitzt ein Mädchen etwa so alt wie Julia. Sie ließt ein Buch und hört Musik.

 

Plötzlich packt mich Julia am Arm, schaut mich mit großen Augen an und flüstert mir ins Ohr „Ich habe Angst“ Gerne würde ich Ihr sagen, dass Sie keine Angst haben braucht, dass alles gut wird doch das kann ich nicht. Deshalb sage ich nichts, sondern lächle Sie nur an.

 

Etwas später kommt eine etwas ältere dickliche Frau ins Zimmer.

„Guten Morgen, mein Name ist Dr. Zink. Würden Sie mir bitte folgen.“

Und so laufen wir Ihr alle drei hinterher. Julia und Mum gehen mit Ihr ins Untersuchungszimmer ich warte draußen. Nach etwa 30min kommen die beiden wieder raus und Julia sieht nicht glücklich aus. Wir gehen zurück in Julias Zimmer und packen Ihre Sachen aus. Der Schrank ist ganz schön groß, ich hoffe das hat nichts zu bedeuten. Als wird gerade fertig sind kommt eine Junge Frau ins Zimmer Sie setzt sich auf einen freuen Stuhl.

„Hallo, ich bin Frau Fuchs und ab jetzt deine Psychotherapeutin.“ Sagt Sie zu Julia. Ihre Stimme klingt freundlich und aufgeschlossen doch trotzdem hat Julia Angst. Sie nimmt und wieder mit und ich bleibe wie vorhin schon vor der Tür sitzen.

Nach ca. 15 min kommt Mum aus dem Zimmer.

„Und?“ frage ich Sie.

„Naja, Jullia hat Angst vor Ihr und traut sich nicht wirklich etwas zu sagen.“

Nach 30 min kommt Julia raus und scheint erleichtert zu sein.

Wir gehen zurück in Ihr Zimmer, das andere Mädchen ist jetzt weg.

Julia setzte sich erleichtert auf Ihr Bett und sagt: „erstmal geschafft für Heute oder?“

„Ich denke schon“ sagt Mum.

Als wir nach einer ganzen weile gehen wollen, klopft es erneut an der Tür. Ein junger Krankenpfleger kommt rein.

„Hallo Julia, ich muss dir noch Blutabnehmen.“ Er tritt an Ihr und bereitet alles vor.

„Zieh mal bitte deine Jacke aus.“ Sagt er freundlich doch Julia bewegt sich nicht, Sie schaut Ihn nur ängstlich an.

„Ich will nicht“ protestiert Sie.

„Ich kann dich ja verstehen, aber es muss sein und so schlimm ist es nicht, versprochen.“

Jetzt setzte sich Mum zu Julia aufs Bett, schiebt behutsam Ihren Ärmel nach oben und beruhigt Sie. Plötzlich fängt Julia an zu schreien.

„Ganz ruhig, ich zieh die Nadel raus.“

„Tut mir wirklich leid. Ich lass dich jetzt erstmal in Ruhe wir versuchen es später noch einmal.“

Er geht und ein Paar Minuten später gehen wir auch, nach einer langen Verabschiedung. Mum verspricht das wir morgen wieder kommen. Zuhause angekommen, gibt es endlich Mittag. Den ganzen Tag sitzen wir schweigend beisammen. Mir ist etwas unwohl zu Mute, es ist so schrecklich Still. Julia ist nicht da, Vater auch nicht zum Glück und meine ist einfach nicht mehr Sie selbst. Ich mache mir große sorgen um Sie. Ich weiß das ich jetzt sehr stark sein, muss egal was Passiert.

Kapitel 5: Das ende ist so nah.

Eine neue Woche neues Glück, es ist Montag der 28.01.2004 und ich bin wie immer ist, so als wäre nichts passiert in der Schule. Als einer meiner Klassenkameraden Jonas auf mich zu kommt. Er schubst mich und zeigt dann mit dem Finger auf mich und brüllt. „Deine Schwester ist eine Irre. Sie ist in der Klapse.“ In mir steigt so viel Hass auf wie nie zuvor, ich bringe dich um, niemand redet so über meine geliebte Schwester. „Woher weißt du das?“ Ich springe auf Ihn und reiße Ihn zu Boden, die halbe Klasse steht um uns und es werden immer mehr. „Von meinem großen Bruder du Idiot.“ Ja beleidige mich nur, aber nicht meine Jule. Ich schlage mit voller Kraft auf Ihn ein immer wieder und wieder, längst habe ich alles um mich herum ausgeblendet. Nach einer Weile rührt er sich nicht mehr unter mir, super so habe ich keinen widerstand. Ein letzter Schlag mitten in seiner hässliche Fresse und dann werde ich von unserem Sportlehrer Herr Tim, von hinten gepackt und weg gezogen. Eine Lehrerin die ich nicht kenne kniet neben Jonas, scheiße der bewegt sich wirklich nicht mehr. Ich bin erschrocken über mich selbst und beginne zu weinen und zu schreien. Alle anderen Schüler sind mittlerweile verschwunden. Als ich mich nicht mehr wirklich wehre, sondern nur noch weine und völlig aufgelöst bin lässt Herr Tim mich los und ich folge Ihm ins Lehrerzimmer. Kurze Zeit später kommt unserer Klassenlehrerin Frau Bayer zu mir. Sie ist seit der ersten Klasse unsere Klassenlehrerin also schon seit 3 Jahren. Sie sieht wirklich schockiert aus, als Sie vor mir sitzt beginnt Sie zu reden, doch ich kann Sie kaum wahrnehmen. Dann nimmt Sie mich vorsichtig am Arm. „Johanno verstehst du mich?“ Ja ich verstehe Sie, will ihr antworten doch ich bringe kein Wort hervor. Noch immer rollen Tränen weine Wangen hinunter, mein Knie Blutet sehr stark, doch ich spüre keinen schmerz, ich stehe noch immer zu sehr unter Schock. Habe ich Jonas umgebracht? Ich bin ein Monster, wieder beginne ich zu schreien. Jetzt nimmt Frau Bayer mich in den Arm und verspricht mir dass alles gut wird. Nichts wird je wieder gut werden, es Klopft an der Tür und Mum kommt ins Lehrerzimmer, wie lange sitze ich schon hier. Ach egal, die beiden setzen sich an einen Tisch und ich versuche Ihrem Gespräch zu folgen. Meine Mum scheint ganz aufgelöst zu sein.

„Was ist denn nur passiert?“

„Bis jetzt weiß ich nur das Johanno seinen Klassenkammeraden Jonas zusammen geschlagen hat. Die beiden waren zwar noch nie die besten Freunde aber Feinde waren Sie auf gar keinen fall. Johanno hat Jonas immer wieder mit dem Kopf auf den Boden geschlagen, so dass er bewusstlos wurde. Der Notarzt meinte, das er noch nicht genau sagen kann wie schwer die Verletzungen sind aber er wird durchkommen. Da er im Krankenwagen zum Glück wieder das Bewusstsein erlangt hat und auf einfache fragen antworten konnte. Doch was mir fast noch mehr sorgen macht ist Johanno. Ich kenne Ihren Sohn nur als einen lieben, sehr pflichtbewussten ordentlichen Schüler. Er ist immer pünktlich, hat noch nie geschwänzt, hatte bis vor kurzen sehr gute Noten und war noch nie in eine Schlägerei verwickelt. Anne hat mir erzählt das Jonas zu Ihm gesagt hat, entschuldigen Sie mir diese Worte ich wiederhole nur was Sie zu mir gesagt hat. Das seine Schwester eine Irre sei, dabei ist Johanno wohl völlig ausgerastet.“ Mum sitzt schweigend da und hört sich den Vortrag an, als ich diese Worte von der Lehrerin noch mal höre, lässt mein Schuldbewusstsein etwas nach. Doch Frau Bayer redet weiter. „Ist in letzter Zeit bei Ihnen etwas vorgefallen, dass sich Johanno so verändert hat? Ich habe Ihn schon einmal darauf angesprochen doch er ist mir ausgewichen immer wieder und wieder.“

Jetzt ergreift meine Mutter das Wort.

„Bei uns zuhause ist es im Moment nicht so ganz einfach, es gab einen Vorfall, es ist jetzt egal was und seine Schwester ist wirklich in der Psychiatrie. Johanno hängt sehr an Ihr und lässt nichts über Sie kommen.“

„Okay, wird werden das natürlich alles berücksichtigen. Aber trotzdem wird Johanno Konsequenzen zu erwarten haben. Wahrscheinlich wird er von der Schule verwiesen werden, was mir aber sehr leit tun würde. Ich versuche mich dafür einzusetzen das er nur die Klasse wechseln muss unter der Voraussetzung das Johanno einen Psychotherapeuten besucht. Am besten nehmen Sie Ihn und fahren mit Ihm erstmal zu seinem Arzt, seine Verletzungen müssen versorgt werden.“

„Ich danke Ihnen“ Meine Mum steht auf geht zu mir, nimmt mich an der Hand und zieht mich hoch.

„Tschüß Frau Kiel, Tschüß Johanno.“

„Tschüß Frau Bayer“ sagt Mum und wir gehen.

 

 

Als wir endlich im Auto sitzen, versuche ich zu realisieren was gerade passiert ist. Bei dem Versuch breche ich wieder in Tränen aus. Ungeachtet meiner Gefühle sagt Mum zu mir: „Du hast etwas sehr schlimmes getan, das weißt du doch ich kann dir gar nicht richtig böse sein, weil ich weiß warum du es getan hast. Es ist eine sehr schwere Zeit für uns, ich kann mir gut vorstellen das in dem Moment als Jonas das zu dir sagte all die Bilder wieder in dir hochkamen und du das wahrscheinlich gar nicht wolltest.“

„Es tut mir so leid.“

„Wir fahren erstmal zu Dr. Unger dein Bein sieht übel aus.“

Dr. Unger ist unsere Kinderärztin doch, irgendwie habe ich Angst, ich kann nicht genau sagen warum.  Nach einer Weile im Wartezimmer, werden wir ins Behandlungszimmer gerufen und ich bleibe erst einmal an der Tür stehen. Dr. Unger schaut mich mit verwunderten blicken an. „Hallo Johanno setz dich doch erstmal auf die Liege.“ Meine Mum schaut mich fordernd an, was wo soll ich mich hinsetzen? Ach bestimmt auf die Liege, also mache ich das mal, mein Bein tut weh, ich humple ein bisschen. „Was ist denn da passiert, kleiner Unfall?“ Ich möchte Ihr einfach nicht antworten auch wenn das unhöflich ist. „Nein er hat sich geprügelt oder besser gesagt er wurde gereizt und hat dann jemanden verprügelt.“ Wirft meine Mum ein. „Oh“ Sie scheint etwas fassungslos.

Sie desinfiziert meine Wunden, verbindet Sie und ich bekomme eine Spritze. Normalerweise hätte ich protestiert, doch es ist mir total egal.

„Hast du so was schon öfter gemacht?“ fragt Sie mich, doch ich will nicht antworten.

„Johanno hörst du mir zu?“

Jetzt sagt meine Mum wieder was. „Er hat seit dem Vorfall nicht geredet außer mir ein sehr leises „es tut mir Leid“ zugeflüstert.

„Okay er scheint unter Schock zu stehen. Johanno wie viele Finger zeige ich dir?“ Sie hält Ihre Hand hoch doch ich schaue gar nicht hin. Ich halte diese stechenden Blicke nicht länger aus, sie sind schlimmer als der schmerz und das Schuldgefühl.

„Fünf“ sage ich, obwohl ich zum Fenster schaue, nach einer ganzen Weile.

„Nicht ganz, noch mal und jetzt schau mich bitte an. Wie viele Finger zeige ich jetzt?“

„Fünf“

„So kommen wir nicht weiter. Was ist dein Lieblingsfach in der Schule?“

Oh man was hat Sie gefragt? Egal einfach was antworten: „Nudeln mit Tomatensoße“

Dr. Unger schaut fragend zu meiner Mutter. „Erzählen Sie mir bitte ganz genau was passiert ist.“

Also beginnt meine Mum ganz vorn, vorne was mit meiner Schwester passiert ist, was ich gesehen habe und schildert den Vorfall von heute so wie die Lehrerin es getan hat. Dr. Unger hört sich die Sache ganz geduldig an, stellt hier und da eine Zwischenfrage und sagt dann:

„Das hört sich alles gar nicht gut an, ich glaube es wäre besser wenn Johanno erstmal nicht mit Ihnen nach Hause kommt, sondern erstmal etwas ruhe findet und Zeit die Sache zu verarbeiten. Außerdem wird die Polizei Ihm fragen stellen, auf der er in seiner momentanen Verfassung nicht Antworten kann. Ich werde sofort in der Kinder- und Jugendpsychiatrie anrufen.“ Sie geht raus und kommt nach ca. 5 min wieder.

„Okay, können Sie Johanno selbst dorthin bringen?“

„Ja, wann denn?“ antwortet meine Mum

„Am frühen Nachmittag, also nur wenn Sie damit einverstanden sind.“

„Ich glaube auch, dass es besser ist.“

Wieso werde ich nicht gefragt? Was soll der scheiß ich will nicht auch in die Klapse. Aber ich habe Jule Mut gemacht und jetzt muss ich da eben auch durch. Dr. Unger setzt sich neben mich und erzählt mir, dass ich keine Angst haben brauche und das ich noch genügend Zeit habe Zuhause ein Paar Sachen zusammen zu packen.

 

Wir verlassen die Praxis und als wir wieder Zuhause sind, wird mir erstmal klar was jetzt gleich mit mir passiert. Ich habe Angst.

 

Mum kommt mit einer Reisetasche mit in mein Zimmer und packt mir Sachen ein. Ich sitze nur regungslos da und umklammere meinen Stoffenbären „Timbo“. Der muss auch unbedingt in die Tasche und was zu malen und zu lesen. Nach 15min ist schon alles eingepackt, Mum zählt laut noch einmal auf ob alles drin ist. Dann geht Sie ins Wohnzimmer und kommt mit einer Packung Gummibärchen und einer Tafel Schokoade zurück und packt sie noch in meine Tasche. Es sieht so als würde es jetzt gleich los gehen, ich frage mich die ganze Zeit ob ich wohl Jule sehen darf, wenn nicht schleiche ich mich einfach zu Ihr.

 

„Komm Hanno wir müssen uns beeilen es ist schon 13:00 Uhr“ und der wohl verstörenste Montag in meinem bisherigen leben, dass es noch viel schlimmer kommen wird wusste ich zum Glück noch nicht. Die fahrt in die Klinik an den Mauern unserer Stadt dauert eine gefühlte ewigkeit. Erst Anmeldung und dann werde ich so wie Jule 4 Tage zuvor auf mein Zimmer gebracht, Mama und die schwester bereden etwas zum Glück kann ich nicht hören was es ist.

„Hanno, du musst erst einmal auf eine geschlossene Station, nur für ein paar Tage bis es dir besser geht und du dich von dem Schock erholt hast.“

Ich hoffe sehr mich verhört zu haben doch so ist es nicht, wir stehen vor einer verschlossenen Tür. Die Schwester klingelt und von Innen öffnet sich die Tür. Ein junger Pfleger lächelt mich an. Die Tür schließt sich hinter mir und mir wird ganz schlecht, ich glaube ich hätte Dr. Unger zuhören müssen, dann wäre es bestimmt anders gelaufen. Okay es ist zu spät, beruhige dich. Ich werde in ein 2-Bett-Zimmer gebracht, an einem kleinen Tisch sitzt ein Junge er ist schon viel größer als ich. Der Pfleger durchsucht meine Sachen und mich nach gefährlichen gegenständen und verlässt uns dann. Ich stehe einfach nur im Raum rum, so verloren fühle ich mich. Fühle ich überhaupt noch etwas? Ich weiß nicht wie viel Zeit vergeht bis es an der Tür klopft. Ein Arzt, Dr. Tale betritt das Zimmer und nimmt uns beide mit, in ein kleines Zimmer außerhalb dieses Gefängnisses. Er erklärt mir ganz behutsam warum ich erst einmal in einer geschlossenen Station untergebracht bin, und untersucht mich. Er wartet auf eine Reaktion von mir, doch ich habe schon längst abgeschaltet und bin in Geanken bei Jonas und bei Julia die 2 Etagen über mir ist und nichts davon weiß. Ich glaube es ist besser wenn Mum es Ihr erstmal nicht sagt. Der Arzt und meine Mum unterhalten sich noch eine ganze Weile, ich habe einfach keine Lust und Kraft den beiden zuzuhören. Als wir endlich wieder im Zimmer sind, muss ich es los werden. „Mama ich habe Angst.“

„Ich weiß mein Schatz, alles wird gut du musst nur jetzt sehr sehr stark sein.“

„Wirst du Jule es erzählen?“

„Das du hier bist ja, was passiert ist nicht. Ich werde jetzt noch mal zu Ihr hoch gehen. Wir sehen uns am Mittwoch. Ich habe dich sehr lieb.“

„Tschüß Mama“

„Tschüß mein Schatz“

Sie verlässt das Zimmer und ich bleibe alleine zurück. Okay der andere Junge ist auch da aber ich möchte noch nicht mit Ihm reden. Nach einer weile kommt er zu mir.

„Hallo, ich bin Flo und du?“

„Hallo, ich heiße Johanno, seit wann bist du hier?“

„Seit heute morgen, ziemlich Öde hier. Sei froh das der Psychologe heute schon weg ist.“

„Ja, darauf hätte ich jetzt wirklich keine Lust mehr. Wie alt bist du?“

„11 und du?“

„Ich bin 8 Jahre alt.“

Ich schaue auf meine Armbanduhr es ist schon halb 4 und langsam bekomme ich echt Hunger, mal schauen wann es Abendessen gibt. Es klopft an der Tür eine Schwester betritt den Raum.

„Hallo Ihr beiden, ich bin Schwester Kathrin. Ich muss euch beiden noch Blutnehmen.“

Flo setzte sich ins Abwehhaltung ins Bett und ich habe das dringende Bedürfnis mich unter Decke zu verstecken. Zu Glück geht Sie zu erst zu Flo, der nach guten zureden mitmacht. Ich habe mich jetzt wirklich unter der Decke verkrochen.

„Johanno du brauchst keine Angst zu haben, alles halb so schlimm.“ Angst ist es weniger ich habe einfach genug für Heute. Ich lasse mir die Decke nicht wegnehmen.

„Nagut dann komme ich nachher noch mal. Ab Morgen drüft Ihr beiden auch an den Therapien teilnehmen.“

Sie verlässt das Zimmer. Geschafft Sie ist weg.

 

Ich nehme mir mein Buch und lese, Flo malt etwas und endlich gibt es Abendessen mein Magen knurrt schon. Nach dem Abendessen vergeht die Zeit ziemich schnell, wir sind 12 Kinder auf der Station und wir spielen Gesellschaftsspiele um 9 Uhr ist schlafenszeit. Irgendwie bin ich auch Müde, doch die Gedanken wollen mich nicht so ganz loslassen. Irgendwann schlafe ich dann ein und schon früh um halb 7 werden wir geweckt, das ist ja schrecklich denk ich mir. Erstmal wird mir Blut abgenommen, Sie sind zu zweit da kann ich mich nicht wehren, dann Frühstücken und wir und haben Ergotherapie, ich säge einen Bären aus. Nach der Ergortherapie kommt eine etwas älterer Mann auch mich zu, ich habe ihn kurz nach dem Frühstück schon im Schwesternzimmer  gesehen, das ist komplett verglast und von da drinnen kann man jeden Winkel des Aufenthaltsraumes sehen. Ich komme mir irgendwie vor wie ein Tier im Käfig, ein gefährliches Tier, weggesperrt.

„Hallo ich bin Herr Ullrich, dein Psychotherapeut kommst du bitte mit mir mit?“

„Ja, okay“ Wieder folge ich Ihm, langsam hab ich die Schnauze voll davon und auch das immer die Tür hinter mir abgeschlossen wird.  Wir setzen uns an einen kleinen runden Tisch und irgendwie habe ich keine Lust, ich will nach Hause. Ich will zu Julia.

„Also du bist Johanno, würdest du mir bitte ein bisschen was über dich erzählen. Einfach was dir so einfällt.“

„Ich heiße Johanno und bin 8 Jahre alt.“

„Es gibt doch bestimmt noch mehr über dich zu erzählen.“ Er lächelt mir dabei zu und macht einen auf super nett und verständnisvoll.

„Ich habe eine 5 Jahre ältere Schwester, Julia. Sie ist auch hier, also 2 Etagen weiter oben. Ich möchte zu Ihr.“

„Ja das habe ich schon gehört aber solange du hier auf der Station bist kann ich dir das leider nicht erlauben Sie zu sehen. Wenn du dann auf einer offenen Station bist ist das kein Problem und so besser du mitmachst umso schneller kommst du dort hin.“ Okay neuer Plan, ich erzähle dem was er hören will und ich bin hier weg, hört sich gut an.

„Gehst du gerne zur Schule?“

„Ja“

„Okay, was ist dein Lieblingsfach?“

„Mein Lieblingsfach ist Sport.“

 

„Kommst du gut mit deinen Klassenkammeraden zurecht?“

„Wollen Sie darauf hinaus warum ich Jonas zusammen geschlagen habe?“

„Ja, du bist ein kluger Junge. Aber versuche mir bitte einfach auf meine Fragen zu Antwworten.“

„Er hat gesagt dass meine Schwester eine Irre ist, ich konnte mich nicht beherrschen. Meine Schwester ist mir sehr wichtig und nein ich habe so etwas noch nie gemacht. Ich habe auch noch nie soviel hass gefühlt. Naja außer…“

„Außer was?“ er schaut mich dabei fragend an.

„Nichts“

„Ich denke schon, dass es wichtig ist. Hat es mit deinem Vater zu tun?“

Verdammt woher weiß der das, naja bestimmt wegen Julia, ich springe auf und balle die Fäuste.

„Ich glaube es ist besser, wenn wir dieses Gespräch später weiter führen. Ich sage Pfleger Paul Bescheid, er geht mit dir an die Boxwand, da kannst du deine Gefühle rauslassen. Okay?“

„Ja“ flüstere ich

 

Nach dem ich mit Pfleger Paul boxen war, geht es mir nicht wirklich besser. Ich beginne mich zu hassen. Ich umarme meinen Teddy, Moment mal was hat der denn da im Ohr? Oh Gott Julias Rasierklinge, Sie muss sie vor Mum in meinem Teddy versteckt haben. Wenn Ihr das half, dann könnte es doch sein, das es mir auch hilft. Aber es ist falsch, ich betrachte die Klinge und hoffe, dass niemand reinkommt. Ich gehe mit Ihr ins Bad, das Badezimmer lässt sich zwar nicht verschließen aber wird schon gut gehen. Ich setzte mich in die Dusche und schiebe meinen linken Ärmel nach oben, ich habe zwar keine Ahnung wie man das macht aber so schwer kann es ja nicht sein. Mein Puls steigt, ich fühle mich als müsste ich Platzen. Soviel Hass, soviel Wut, so viele schmerzen, ich projiziere alles auf mich und setzte an. Erst ein kleiner Vorsichtiger Schnitt, es beginnt etwas zu bluten. Meine Gedanken kreisen nur noch darum, und ich setzte ein zweites mal an. Diesmal drücke ich richtig auf und schrecklich viel Blut fließt meinen Arm hinunter. Ich fühle gar nichts mehr, keinen schmerz einfach nichts. Vor mir, dass blutige Fleck wird immer größer, ich kann nicht aufhören hinzusehen, trotzdem beginne ich zu zittern. Ich weiß nicht wie lange ich da sitze und plötzlich klopft es an der Tür, ich zucke völlig zusammen und erst jetzt wird mir bewusst, was ich gerade angestellt habe. Tränen fließen über meine Wangen.

„Johanno, alles okay?“

Ich antworte nicht, versuche mich nur ganz klein zu machen.

Die Tür geht auf, als sein blick auf mich fällt kann ich richtig spüren wie er zusammenzuckt.

„Johanno was hast du getan? Wo hast du die Rasierklinge her.“

„Ich, Ich hab die in meinem Teddy gefunden. Ich hab die da nicht rein“ Stammle ich leise vor mich her.

Er rennt raus und ruft sofort Schwester Lena. Die beiden binden meinen Arm ab und Pfleger Paul setzt mich auf mein Bett, ich bin geschockt von mir selbst. Wie konnte ich nur?

Schwester Lena geht raus und ruft den Arzt Dr. Tale. Dann spült Sie die Dusche aus.

„Hallo Johanno“ begrüßt mich Dr. Tale

„Hallo“ antworte ich ganz leise, noch immer kann ich meine Tränen kaum kontrollieren.

„Ich schaue mir erstmal deinen Arm an, dann reden wir darüber.“

Pfleger Paul macht mir den Verband wieder ab und erst jetzt sehe ich wie tief das ist, es klafft ca. 1 cm auseinander.

„Oh das sieht nicht gut aus, dass soll ich ein Chirurg ansehen.“ Sagt er zu mir.

„Binden Sie es bitte wieder ab, ich kümmere mich um einen Transport in die Uni Klinik.“

 

Dann ging alles ganz schnell, Schwester Lena fährt mit in die Notaufnahme und dann geht alles ziemlich schnell. Der Arzt schaut sich kurz meine Wunde an und sagt mir dann nur, dass es genäht werden muss und ich jetzt eine Betäubungsspritze bekomme. Ich bekomme schreckliche Angst, ich habe mal gehört dass, das sehr weh tut. Der Pfleger und Schwester Lena halten meinen Arm während der Arzt mir die Spritze gibt und ich wünsche mich an einen anderen Ort um es irgendwie durchzuhalten. Danach werde ich in einen anderen Raum gebracht und muss mich auf eine Liege legen, ich fühle mich einsam und hoffe das es nicht zu sehr schmerzt. Es kommt mir ewig vor, als der Arzt die Wunde näht, ich spüre genau wie er den Faden durchzieht und teilweise tut es echt weh. Ich kralle mich an dem Laken fest, mit dem ich zugedeckt wurde und beiße ganz fest meine Zähne zusammen. Als es endlich vorbei ist, ist mir etwas schwindelig und ich laufe unsicheren Schrittes mit Schwester Lena wieder aus der Notaufnahme, auf dem Weg zurück in die Psychiatrie sage ich kein Wort.

 

Als wir wieder auf der Station ankommen nimmt Herr Ullrich mich sofort mit in sein Büro.

„Ich habe deine Schwester gefragt ob Sie die Klinge in deinem Teddy versteckt hat, ohne Ihr zu sagen was passiert ist und du hast Glück Sie hat bestätigt, dass Sie es war und du nichts davon wusstest. Trotzdem hättest du die Klinge sofort abgeben müssen und mit uns über deine Gefühle sprechen müssen. Hast du dich vorher schon mal verletzt?“

„Nein“ sage ich und blicke zu Boden.

„Okay, ich hoffe du hast daraus gelernt und wenn du das nächste Mal dieses Bedürfnis hast dann sag uns bitte bescheid. Hast du schon einmal etwas von Skills gehört?“

„Nein“

„Skills in Fertigkeiten die du einsetzt wenn du das Verlangen hast dich selbst zu verletzen um deinen Druck auf Harmlose Art und weiße abzubauen. Boxen, malen, Musik hören, kalt duschen das sind alles Skills. Ich möchte, dass du eine Verhaltensanalyse schreibst, in der du genau beschreibst was du gefühlt hast und wie es dir danach ging. Später werden wir das dann zusammen auswerten.“

„Okay“

„Gut jetzt kannst du dich erst einmal ausruhen. Pfleger Christoph zeigt dir dann wie das mit der Verhaltensanalyse funktioniert.“

 

Als ich endlich wieder zurück im Zimmer bin, haue ich mich erstmal ins Bett. Flo schaut mich mitleidig an. Ich habe echt genug für Heute. Doch langsam wird mir bewusst, was die wirkliche Konsequenz aus meiner tat ist, ich werde noch viel länger hier in der geschlossenen bleiben müssen. Dieser Gedanke macht mir Angst, ich wünsche mir, dass mein Herz zu schlagen aufhört, weil ich nicht weiß wie ich das alles überstehen soll. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 6: Einsam wie nie zuvor

Die Tage vergehen und sitze immer noch hier drin, es ist schon der 12.02. 2 Wochen sind seit dem Vorfall vergangen, ich würde gerne wissen wie es Jonas geht, das Schuldgefühl plagt mich ziemlich dolle.  Ich bin gerade in Gedanken versunken, als die Tür sich öffnet, mich trifft es wie der Schlag da steht mein Vater und hinter im Herr Ullrich. „Hallo Johanno, ich möchte mit dir reden.“ Sagt mein Vater und kommt dabei auf mich zu. Er und Herr Ullrich setzen sich an den Tisch und ich setzte mich wieder willig dazu.

„Johanno, dein Vater möchte mit dir reden, du brauchst keine Angst haben ich werde dabei bleiben.“ Beginnt Herr Ullrich das Gespräch aber ich habe keine Lust mit ihm zu reden.

„Ich weiß, dass ich etwas sehr schlimmes getan habe mein Sohn. Ich kann diese Sache nicht wieder rückgängig machen aber ich kann wenigstens versuchen es nicht noch schlimmer zu machen.  Ich werde die ganze Sache zu geben und meine Strafe absitzen, so dass Julia nicht noch Aussagen muss und sich erholen kann. Ich weiß auch, dass es unmöglich sein wird das wir so weiter machen wie vorher, deswegen habe ich mir eine eigene Wohnung gesucht und Mama und ich werden erst einmal Abstand von einander gewinnen. Doch Ihr seit mir sehr wichtig, deshalb ist es mir sehr wichtig den Kontakt zu dir nicht zu verlieren.“

„Wir sind dir wichtig? Wenn wir dir wichtig wären hättest du das Julia nicht angetan.“ Schrei ich ihn an und springe vom Stuhl auf.

„Beruhige dich Johanno und setz dich bitte wieder hin“ sagt Herr Ullrich trocken. „Ich glaube, dass dein Vater die Wahrheit spricht.“ Fährt er fort.

„Danke Vater dass du wenigstens dazu stehst.“ Bringe ich gerade noch hervor.

„Bitte denke darüber nach.“ Dann steht er auf und geht.

Ich bleibe mit Herr Ullrich im Zimmer zurück.

„Wie geht es dir jetzt?“

„Ich weiß nicht so recht was ich denken soll, aber zu Jule darf er nicht oder?“

„Nein natürlich nicht, aber ich habe mit der Psychotherapeutin deiner Schwester gesprochen und du darfst 30min mit Julia reden.“

„Echt?“

„Ja“ er grinst dabei

Ich springe wieder auf und freue mich. „Wann?“

„Jetzt, aber nur wenn du möchtest.“

„Klar möchte ich.“

 

Wir verlassen diese schreckliche Station und gehen zu Julia in Ihr Zimmer. Sie ist gerade allein und sitzt am Tisch und schreibt etwas.

„Hanno“ Sie beginnt zu lächeln und wir nehmen uns in den Arm. Sie sieht blass aus und ich habe das Gefühl, dass Sie immer dünner wird.

„Jule, ich bin so froh dich zu sehen“ Am liebsten möchte ich Sie gar nicht mehr loslassen und ich glaube Sie mich auch nicht. Wir setzen uns auf Ihr Bett und schweigen einen Moment.

„Wie geht es dir mein kleiner?“ dabei lächelt Sie mich schwach an.

„Geht schon und dir?“

„Geht schon“

„Was hast du da gerade geschrieben.“

„Ach nur eine Verhaltensanalyse, dass ist…“

„Schon gut ich weiß was das ist.

Sie schaut mich mit großen Augen an. „Woher weißt du das?“

„Ich bin eben nicht besser als du.“ Jetzt müssen wir grinsen.

„Ich muss gegen Vater nicht Aussagen, meine Thera hat gesagt er hat schon alles gestanden.“

„Ja ich weiß“

„Woher weißt du das?“

„Er war bei mir und hat es mir gesagt, obwohl ich nicht mit ihm reden wollte.“

„Oh man der traut sich was.“

„Ja, aber wenigstens sieht er es ein“

„Ach er will doch nur mit einer milderen Strafe davon kommen.

„Meinst du wirklich?“

„Ach klar unser Vater ist nicht blöd. Aber jetzt was anderes, bist du wirklich in der geschlossenen und wenn ja warum. Mum wollte damit nicht so ganz raus rücken.“

„Ja, aber es war nix schlimmes“

„Nix schlimmes, ja ne ist klar. Los erzähl schon.“

„Nein, irgendwann vielleicht einmal, aber nicht jetzt. Ich wünsche mir das du schnell gesund wirst und einfach alles gut wird.“

„Es wird schon werden.“ Sagt Sie zu mir, aber an Ihrer Tonlage kann ich erkennen das Sie selbst nicht daran glaubt. Wir umarmen uns.

„Johanno komm bitte, wir müssen jetzt wieder.“ Fordert mein Therapeut mich auf.

„Machs gut kleiner“

„Tschüß Jule“ Ich folge Herr Ullrich, doch wir gehen nicht sofort zurück in das „Gefängnis“ sondern erst in sein Büro.

 

„Setz dich bitte Johanno“ Ich setze mich, doch ich fühle mich unwohl.

„Wie fühlst du dich jetzt?“

„Ich weiß nicht so genau“ Lüge ich Ihn an.

„Versuch es bitte zu beschreiben“

„Zerrissen“ Dabei blicke ich aus dem Fenster

„Du hängst sehr an deiner Schwester oder?“

„Ja“

„Wir werden nächste Woche mit deiner Mutter, deiner Schwester und Ihrer Therapeutin ein Gespräch führen wie es mit euch beiden weiter geht. Was wünscht du dir?“

„Das alles wieder gut wird.“

„Du weißt, aber das es nie wieder wird wie früher oder?“

„Ja“

„Johanno ich möchte ehrlich zu sein. Du bist für deine 8 Jahre schon sehr reif, du weißt schon ganz genau worauf es ankommt und kannst das klar formulieren. Kannst du dir erklären warum das so ist?“

„Nein“

„Mmh, ich denke schon, dass du das weißt.“

„Ja ich weiß es, tut mir sehr leid für diese Lüge, aber ich möchte nicht darüber reden.“

„Das ist in Ordnung, ich werde dich zu nichts zwingen. Du musst bereit dazu sein, doch bis jetzt sind wir in deiner Therapie noch nicht weit gekommen. Ich habe sogar den Eindruck das du dich immer weiter zurück ziehst.“

„Ich….“ Ich schlucke

„Du?“

„Ich hab Angst“

„Wovor hast du Angst?“

Ich möchte nicht mehr reden, einfach meine Ruhe und so beginne ich zu schweigen.

„Vielleicht war das Heute ein bisschen zu viel für dich. Ich bringe dich auf Station zurück, aber ich habe ein bitte an dich. Male mir ein Bild auf dem zu sehen ist wovor du Angst hast. Glaubst du, du schaffst das?“

Ich nicke und es geht endlich ins Zimmer zurück.

 

Es ist Dienstag 13.02.2004, nicht mal mehr ganz 3 Monate dann werde ich 9 Jahre alt. Ich vermisse meine Schule, wenn ich auf der offenen bin habe ich auch Unterricht hat man mir gesagt, doch ich würde lieber zurück in meine Schule. So tun als wäre alles wie immer, doch dafür ist es schon längst zu spät. Heute Nachmittag will Mum endlich mal wieder zu Besuch kommen, ich vermisse Sie sehr. Doch ich tröste mich, denn Flo ist auch noch hier und wir werden langsam richtig gute Freunde. Mein Magen knurrt erst 10:00 Uhr, ich muss zur Ergo-Therapie und danach gibt es Mittag. Ich habe gar keine Lust irgendwas zu machen, also male ich einfach ein Mandala aus mit dem Gedanken ganz wo anders.

 

Endlich ist es 14:00 Uhr, Mama kommt zu Besuch wir Unterhalten uns über die schöneren Dinge des Lebens. Ich weiß, dass es Ihr auch nicht gerade gut geht. Ich frage mich wie lange Sie noch stark ist. Doch lange kann Sie leider nicht bleiben, da Sie auch noch zu Jule will.  Ich versuche einfach nur noch hier drin zu Überleben und erzähle nur das wichtigste. Die Therapien gehen mir langsam echt auf die Nerven. Es ist Abend und ich sitze mit Tine im Aufenthaltsraum und schau die Simpsons als sich die Stationstür öffnet. Jule und eine blonde Pflegerin betreten die Station, meine Schwester hält sich den Arm. Sie sieht so verdammt verloren aus, ich stehe auf und will zu Ihr rennen. Doch da fängt Pfleger Christoph mich auch schon ab.

„Lassen Sie mich los, ich will zu Jule.“

„Jetzt nicht.“ Er schiebt mich behutsam in mein Zimmer und schließt die Tür hinter mir.

„Bitte“ Ich versuche nach Ihm zu schlagen und habe Tränen in den Augen.

„Ganz ruhig großer, wir setzen uns jetzt erstmal hin okay.“ Etwas wieder willig setze ich mich wieder an den Tisch. Flo schaut mich etwas verwirrt an.

„Was hast du gerade Gefühlt als deine Schwester die Station beteten hat?“

„Ich habe Angst, denn irgendwas schlimmes muss passiert sein. Bitte sagen Sie es mir.“

„Ich weiß auch nicht was passiert ist. Nur das deine Schwester zu uns auf die Station kommt und das ich dich beruhigen soll.“

„Wann darf ich zu Ihr?“

„Wenn deine Schwester sich erholt hat.“

„Ich wollte gerade nicht auf Sie einschlagen aber es..“

„Ist schon okay, wollen wir an die Boxwand?“

„Ja, bitte“

Als wir von der Boxwand zurück kommen, fühle ich mich etwas erleichtert und da seh ich Jule vorm Fernseher sitzen. Als Pfleger Christoph im Schwesternzimmer verschwunden ist gehe ich zu Jule und setze mich neben Sie. Sie sieht heute noch viel blasser aus als gestern.

„Hanno, mein kleiner“

Ohne etwas zu erwidern nehme ich Sie in den Arm und bemerke den dicken Verband unter Ihrem Pullover.

„Was ist passiert?“

„Nix schlimmes“ Versucht Sie mich zu beruhigen. Ich schiebe meinen Ärmel nach Oben und zeige Ihr die Narbe an meinem Arm. „Sowas?“

„Ja, so was. Lass das bitte Hanno.“

„Du auch Jule.“ Jetzt lachen wir, obwohl es absolut nichts zu lachen gibt.

 

Pfleger Christoph muss uns beobachtet haben und kommt zu uns.

„Na Ihr beiden. Julia hier ist eine Verhaltensanalyse du weißt wie man die schreibt?“

„Ja“

„Gut, du kannst dir Zeit lassen damit.“ Dann geht er endlich wieder und wir sitzen schweigend nebeneinander.

 

Am nächsten Tag wird geklärt das Jule auch in der geschlossenen bleiben muss. Es ist schlimm, aber gemeinsam stehen wir das durch, hoffe ich zumindest. Am Nachmittag kommt Mum und als erstes müssen wir drei ein Gespräch mit Herr Ullrich führen, was wir beide allerdings nicht wussten ist, das unsere Mum bevor Sie zu uns kam schon mit Ihm geredet hat, über Jules schwere Selbstverletzung und vor allem darüber, dass wenn wir beide diese Klinik verlassen nicht wieder nach Hause zurück kehren werden. Mum meint Sie sei nicht in der Lage sich um zwei Kinder wie uns zu kümmern, da Sie selbst starke Probleme habe in letzter Zeit habe. Also werden wir in einem Psychisch gestütztem Wohnheim für Kinder- und Jugendliche untergebracht. Natürlich müssen wie beide vorher Stabil genug sein und wie lange das dauert weiß keiner. Meine letzte Hoffnung stirbt in diesem Moment, Jule ist schon lange nur noch körperlich Anwesend.

 

Ich fühle mich hintergangen und allein, obwohl ich nicht alleine bin und dort mit Jule zusammen hinziehe. Es ist als hätte man gerade einen Teil von mir getötet. Als wir wieder auf Station sind, setzt sich Mum noch einmal zu uns.

„Bitte versteht mich doch. Ich will doch nur euer bestes und ich kann mich nicht ausreichend um euch kümmern.“

„Lass es bitte Mum.“ Ich steh auf und geh ins Zimmer zurück.

 

Die nächsten Tage sind sehr quälend, Mum kommt uns nicht mehr besuchen und Herr Ullrich versucht ständig mit mir über meine Gefühle zu reden und mir zu erklären warum sich unsere Mutter dafür entschieden hat und das Ihr diese Entscheidung auch nicht leicht gefallen ist.

 

Kapitel 7: Ich muss dirchhalten

Jetzt bin ich schon über 3 Wochen hier eingesperrt, Jule erst eine doch ich sehe oft wie Sie weint. Ich werde jetzt für uns beide Stark sein, egal wie viel Kraft es mir kostet. Statt mit zur Musik Therapie zu gehen, habe ich mal wieder ein Gespräch mit Herr Ullrich, das erste diese Woche und hoffentlich auch das letzte.

 

„Worüber möchtest du heute mit mir reden?“ fragt er mich. Achtung er ändert seine Taktik, denke ich mir nur, also spiele ich einfach mit. Ich will endlich raus aus der geschlossenen, hier kann ich zwar bei meiner Schwester sein aber mehr auch nicht.

„Über meine Mutter“

„Möchtest du beginnen zu erzählen?“

„Ja, also Sie haben mir letzte Woche erklärt warum unsere Mutter sich dafür entschieden hat uns nicht mehr oder angeblich vorübergehend nicht zuhause haben möchte, aber ich glaube nicht das es Vorübergehend ist. Ich kann verstehen, dass es auch zu viel für Sie ist und Sie damit nicht klar kommt und Angst hat, dass Sie Zuhause mit uns überfordert ist. Mit Julias Essstörung, meinen Wut Attacken und unserer Selbstverletzung, das Sie einfach Angst hat das schlimmeres passiert, was Sie nicht Verantworten kann und deshalb möchte, dass wir betreut werden. Aber 2 Sachen kann ich leider nicht nachvollziehen, wieso macht Sie selbst keine Therapie und woher ist Sie sich sicher, dass wir unser Verhalten mit dieser und einer weiterführenden Therapie nicht in den Griff bekommen und es für uns nicht doch besser wäre bei Ihr aufzuwachsen als Familie. Ich bin zwar erst 8 Jahre alt und kann wahrscheinlich noch gar nicht Verstehen warum Erwachsene manchmal so handeln wie Sie handeln, aber eins würde ich sehr gerne wissen in wie fern haben Sie unsere Mutter bei dieser Entscheidung unterstützt haben, denn wie ich aus unserem Gespräch letzte Woche erfuhr hat Sie zuerst mit Ihnen darüber geredet. Ich fühle mich etwas überrumpelt und ich glaube nicht nur ich, sondern Julia auch. Und wenn ich das richtig mitbekommen habe, ist dieses Betreute Wohnen auch nicht gleich um die Ecke, das würde also bedeuten, dass wir die Schule wechseln müssen, unserer Freunde nicht mehr oder selten sehen können. Wir müssen also unser Leben verlassen und ein neues beginnen nur weil unser Vater unser alters Kaputt gemacht. Ich habe es mir nicht ausgesucht, das gesehen zu haben was ich gesehen habe und Julia hat bestimmt nicht drum gebettelt Missbraucht zu werden. Also müsste dann nicht unser Vater die Stadt verlassen und unsere Mutter zu uns halten. Wie gesagt vielleicht bin ich einfach noch zu klein um diese Gründe zu verstehen, aber Vater sagte erstmal Abstand gewinnen. Also gehe ich davon aus, dass die beiden sich gar nicht wirklich getrennt haben und es nur eine Frage der Zeit ist bis die beiden sich Versöhnen, geht ja auch gut wenn die Kinder erstmal aus dem Weg geschafft sind, entschuldigen Sie wenn das etwas streng Formuliert ist, aber ich fühle mich nun mal abgeschoben und verraten.“

Herr Ullrich kann erstmal gar nichts sagen und schaut mich nur mit großen Augen an.

„Hab ich was Falsches gesagt?“

„Nein Johanno das war sehr gut, ich brauche nur einen Moment, denn deine Aufzählung war sehr komplex und wie ich es dir schon mal gesagt habe bist du sehr weit für dein Alter was ich gerade an deiner Erzählung wieder festgestellt habe. Ich antworte dir zuerst auf die Frage in wie fern ich eure Mutter bei dieser Entscheidung unterstütz habe. Eure Mutter kam zu mir mit den Zweifeln, dass Sie Angst hat nach eurer Entlassung nicht gut genug für euch Sorgen zu können. Das Sie nicht weiß wie Sie mit euren Selbstverletzungen und den Aggressionen umgehen soll. Ich habe Ihr gesagt, das es Familienhilfen gibt und Ihr beide eine Weiterführende Ambulante Therapie machen werdet, also dass Ihr als Familie nicht allein gelassen werdet. Allerdings sehe ich es Problematisch, dass sich eure Mutter nicht von eurem Vater trennen möchte und Sie in Erwägung zieht nach einer Auszeit wieder mit Ihm zusammen zu ziehen und das für dich und vor allem für deine Schwester nicht zumutbar ist länger mit eurem Vater zusammen zu leben. Da Ihr immer wieder an euer Trauma erinnert werdet. Also musste ein Kompromiss gefunden werden und so haben wir uns auf dieses Psychisch gestützte Wohnheim geeinigt.“

„Wie kann eine Mutter, von der ich dachte, dass Sie Ihre Kinder über alles liebt wieder auf den Mann einlassen der Ihrer Tochter so etwas angetan hat?“

„Dafür kann es sehr verschiede, auch für Außenstehende nur sehr schwer nachvollziehbare Gründe geben.“  

„Können Sie es nachvollziehen? Kennen Sie den Grund?“

„Dazu kann und darf ich mich nicht äußern Johanno.“

„Ach man, wie würden Sie sich fühlen in meiner Situation?“

„Das ist eine sehr Interessante frage, ich glaube ich würde ähnlich fühlen wie du. Ich wäre wütend, würde mich verstoßen und verraten fühlen, ungeliebt, allein, vielleicht schuldig. Kommt das nah dran?“

„Ja, aber wieso sollte ich mich schuldig fühlen? Ich habe doch nichts falsch gemacht oder?“

„Nein hast du nicht, das ist auch sehr gut, dass du das so siehst. Viele Kinder Projizieren es auf sich und müssen zudem noch mit Schuldgefühlen klar kommen, obwohl Sie nichts falsch gemacht haben. Weißt du was Projizieren ist?“

„Ja weiß ich.“

„Wovor genau hast Angst?“

„Wissen Sie ich hänge an meiner Mutter, meiner Schwester und auch einmal an meinem Vater, für den ich jetzt nur noch hass empfinde. Doch nun werden wir auch von unserer Mutter verstoßen und nun beginne ich auch Sie zu hassen. Dabei ist hass kein Gefühl, welches man für eine Person haben sollte und schon gar nicht für seine eigenen Eltern. Ich habe Angst allein zu sein, ich habe Angst meine Ziele völlig zu verlieren, ich möchte einmal Studieren, so wie der große Bruder meines besten Freundes.“

„Ich würde dir diese Ängste gerne nehmen, doch leider kann ich dir nicht sagen ob du/ Ihr zu euren Eltern zurück kehren werdet, diese Entscheidung liegt zwar nicht jetzt aber bestimmt später einmal bei euch/ dir. In diesem Betreuten Wohnen werdet Ihr mit anderen Kindern und Jugendlichen in einer Art WG´s zusammen wohnen, in jeder Wohnung ist Tag und Nacht eine Betreuerin mit Psychologischer Grundausbildung anwesend. Immer 4 WG´s teilen sich eine Therapeutin. Du wirst mit 3 anderen Kindern in etwa deinem alter zusammen wohnen. Du wirst dort aber wahrscheinlich nicht wohnen bleiben bis du Erwachsen bist, deine Schwester wahrscheinlich schon.“

„Also ist das ein Kinderheim für verrückte?“

Jetzt beginnt er zu lachen. „Ja es ist ein Kinderheim, aber würdest du dich verrückt bezeichnen?“

Ich betrachte meinen Arm bevor ich antworte. „Ein bisschen vielleicht“

Jetzt lachen wir beide, doch Angst habe ich trotzdem.

„Über was möchtest du noch reden?“

„Über nichts mehr, ich muss damit jetzt erst einmal klar kommen.“

„Okay, du hast das wirklich sehr gut gemacht.“

 

Als ich endlich wieder in meinem Zimmer bin versuche ich das Gespräch von eben zu Verdrängen, aber mir wird klar, dass ich ab jetzt so ziemlich auf mich allein gestellt bin.

 

Die Tage vergehen und ich werde innerlich unruhig, ich nehme an allen Therapien teil, rede immer brav mit Herr Ullrich und meine Wut wird auch weniger. Ich möchte endlich raus aus der geschlossenen, bei Jule wird es wohl noch etwas länger dauern.

 

Es Mittwoch der 28.02.2004, endlich ist es soweit ich kann die geschlossene verlassen. Ich bin überglücklich doch ich habe auch Angst, jetzt liegen noch ein Paar Wochen Therapie vor mir bevor mein völlig neues Leben beginnt. Doch eine andere Station bedeutet auch, ein anderer Therapeut. Ich ziehe eine Etage über der geschlossenen in ein 2-Bett-Zimmer zu einem Jungen Namens Tim. Er ist schon 12 Jahre alt, aber trotzdem verstehen wir uns gut. Ich habe kaum meine Sachen in den Schrak gepackt das klopft es an der Tür. Eine Junge Blonde Frau betritt den Raum.

 

„Hallo, du musst Johanno sein. Ich bin Frau Fenchel deine neue Therapeutin.“

„Hallo“

„Kommst du bitte mit mir mit.“

„Ja“ und so folge ich Ihr.

Ihr Büro ist viel größer und freundlicher gestaltet als das von Herr Ullrich.

„Wie geht es dir?“

„Gut, ich bin froh nicht mehr eingesperrt zu sein.“

„Das glaube ich dir, 4,5 Wochen sind eine lange Zeit. Hast du jetzt etwas auf dem Herzen?“

„Nein“

„Okay, dann reden wir über den Therapie verlauf. Also du wirst min. 6 aber in der Regel nicht mehr als 12 Wochen hier verbringen. Vormittags von 8:00 - 12:00 Uhr ist Unterricht, danach finden die Therapien statt die du auch schon von der anderen Station kennst. Tim wird dir alles zeigen. Solltest sich dein Zustand wieder verschlechtern musst du mir das Unbedingt mitteilen. Wir werden in der Zeit an deinem Selbstverletzenden Verhalten, deinen Wut ausprüchen arbeiten. Sowie über die aktuelle Situation so das du dann stark genug für das Wohnheim bist. Mit deinen Eltern werden wir auch noch mal zusammen reden und ich möchte, dass du einen IQ-Test machst. Ist das okay für dich?“

„Ja das ist okay.“

„Hast du noch Fragen?“

„Nein“

„Gut, dann lass ich dich jetzt erst einmal in Ruhe.“

 

Ich gehe wieder auf mein Zimmer zurück und erst jetzt begreife ich meine Freiheit und beginne mich zu freuen. Die Tage vergehen hier viel schneller und ich komme mit den Pflegern, den Mitpatienten und Frau Fenchel gut zurecht. Doch dann kommt der Tag an dem meine Eltern zu Gespräch kommen. Mutter und Vater, beide zusammen ich habe schreckliche Angst, doch ich muss mich dem jetzt stellen. Frau Fenchel, hat war versucht mich darauf vorzubereiten, doch als Sie beide vor mir sitzen trifft es mich hart.

 

„Guten Tag Herr und Frau Kiel, schön das Sie hergekommen sind. Ich bin Frau Fenchel die Therapeutin Ihres Sohnes.“

„Guten Tag, warum haben Sie uns her gebeten?“

„Ich möchte, dass Sie Johanno erklären warum Sie sich dafür entschieden haben Ihn und seine Schwester Julia in ein betreutes Wohnen zu geben, anstelle sich Zuhause um die beiden zu kümmern. Johanno kann Ihre Entscheidung nicht nach vollziehen, er hat Angst nie wieder nachhause zu dürfe. Er hängt sehr an Ihnen Frau Kiel. Johanno möchtest du das Gespräch weiter führen?“

„Ja. Mama ich möchte verstehen warum du dich gegen uns und für Vater entschieden hast. Ich habe lange drüber nach gedacht aber mir fällt kein Grund ein, warum du den Menschen der deiner Tochter so etwas angetan hast in dein Leben zurück holst. Ich weiß das du Vater sehr liebst, doch ich dachte du liebst uns genauso.“ Diese Worte kosten mir sehr viel Kraft und ich habe große Mühe meine Tränen zurück zu halten. Ich will doch nur dass alles wieder gut wird.

„Ich weiß, das meine Entscheidung sehr schwer zu verstehen ist aber ich habe Angst, dass ich mich nicht genügend um euch kümmern kann und Ihr noch weiter abrutscht.“

„Das erklärt aber nicht warum du dich nicht von Vater trennst und es nicht versuchst.“

„Du bist zu klein um das zu Verstehen.“

„Ich bin zwar klein aber ich Verstehe es ganz genau.“

„Nein, denn ich bin wieder Schwanger und ich möchte nicht, dass das Kind ohne seinen Vater aufwachsen muss. Außerdem bin ich nicht in der Lage drei Kinder allein groß zu ziehen.“

Es verspricht mir die Sprache „Aber dafür nimmst du in kauf das 2 Kinder ohne Ihren Vater und Ihre Mutter aufwachsen müssen, spielst heile Welt und beginnst neu nur weil Ihr es bei den ersten beiden Verbockt habt. Wisst Ihr Überhaupt was es für mich bedeutet abgeschoben zu werden? Wie ich mich dabei fühle? Ich habe Angst, es gefällt mir nicht ein neues Leben beginnen zu müssen nur weil du dich nicht in der Lage fühlst und wenn es bei dem dritten auch daneben geht schiebt Ihr das dann auch ab?“ Meine Wut steigt extrem.

„Wir schieben euch nicht ab, wir werden euch regelmäßig besuchen.“

„Aber Ihr habt es gar nicht vor mich wieder nach Hause zu holen?“

Sie antwortet mir nicht.

„Gib mir jetzt endlich eine Antwort auf meine Frage“ brülle ich meine Mutter an.

„Johanno beruhige dich.“

„Nein werde ich nicht.“ Ich springe auf.

„Julia wird nicht zurück nach Hause können und für dich wird es auch besser sein.“ Antwortet meine Mutter nach einer weile.

„Einen scheiß weißt du was besser für mich ist, Hauptsache du bist uns los. Ich will euch nicht mehr sehen. Dann werde ich eben mein eigenes Leben leben, wenn Ihr mich abschiebt. Wir schaffen das auch ohne euch.“ Ich verlasse den Raum.

Frau Fenchel rennt mir sofort hinter her.

„Johanno bleib stehen.“

„Nein, ich hab die schnauze voll.“ Ich beginne zu rennen und schaue nicht auf meinen weg, plötzlich renne ich Pfleger Christian in die Arme.

„Langsam großer.“ Dann scheint er zu sehen das Frau Fenchel mir hinter her ist und er hält mich fest.

„Johanno, ich kann verstehen das du wütend auf deine Eltern bist aber….“ Sagt Frau Fenchel doch ich lasse Sie nicht ausreden.

„Achja, können Sie die Entscheidung meiner Eltern nach vollziehen? Können Sie es verstehen warum Sie so Handeln? Finden Sie es gut?“

„Nein, auf alle drei Fragen, aber wir müssen die Entscheidung deiner Eltern akzeptieren. Es wird sehr schwer für euch werden. Trotzdem möchte ich das du mir jetzt zurück folgst.“

So gehe ich etwas unfreiwillig mit Ihr wieder ins Büro.

„Möchtest du noch etwas sagen Johanno?“

„Nein“

„Sie Frau oder Herr Kiel?“

„Nein“

„Gut, dann möchte ich jetzt das Wort ergreifen. Wie Ihnen bestimmt schon mitgeteilt wurde, werden Ihre Kinder nur bis Sie komplett Stabil sind in diesem Wohnheim bleiben. Bei Julia wird das nach Aussagen von Herr Ullrich, wohl bis zu Ihrem 18 Lebensjahr und darüber hinaus andauern und dann kann Sie selbst entscheiden. Bei Johanno ist das hoffentlich etwas anders, nach seiner Stabilisierung wird entschieden wo er Leben wird. Normalerweise würde er dann wieder zu Ihnen ziehen, wenn Sie das aber ablehnen wird geschaut wo er untergebracht wird. In einem anderen Kinderheim oder bei einer Pflegefamilie, mit hoher Wahrscheinlichkeit wird Ihnen das Sorgerecht für die beiden entzogen aber das muss eine Familiengericht entscheiden. Haben Sie noch fragen?“

„Nein, es ist alles geklärt“ antwortet mein Vater

„Auf wiedersehen“ sagt Frau Fenchel

„Auf wiedersehen“ Antwortet meine Mutter und die beiden gehen.

 

Ich stehe auf und möchte gehen.

„Johanno du bleibst hier.“

„Okay“ Ich setze mich wieder, meine Hände sind zu Fäusten geballt, ich möchte schreien. Meine Anspannung ist nicht zum Aushalten.

„Atme tief durch.“ Ich folge Ihren Anweisungen

„Versuch mir zu beschreiben was du jetzt fühlst.“

„Ich bin traurig und wütend. Ich habe Angst,, fühle mich ausgestoßen. Ich hasse mich, ich hasse meine Eltern.“

„Was möchtest du jetzt tun?“

Ich schweige

„Was wirst du jetzt tun wenn du gleich raus gehen darfst?“

Ich schweige wieder und blicke zu Boden.

„möchtest du dich schneiden?“

Ich nicke und schäme mich dabei.

„Ich werde Pfleger Christian bitten dich nicht aus den Augen zu lassen bis deine Anspannung gesunken ist und Dr. Tale informieren. Wie hoch ist deine Anspannung jetzt?“

„100“ Ich habe mit den Tränen zu kämpfen.

„Weine wenn dir danach ist, es kann auch schon helfen, oft besser als wenn du dich selbst verletzt.“

Ich schlucke, ich möchte nicht weinen und nur einzelne Tränen kullern mir über die Wangen.

„Es muss wirklich sehr schwer für dich gewesen sein, selbst für mich war es schwer zu ertragen, aber du bist ein starker Junge.“

„Ich habe keine Zukunft mehr.“

„Doch Johanno die hast du, weil du eine sehr schlaues kleines Kerlchen bist. Du wirst deinen Weg gehen, auch wenn zweifellos klar ist das du es immer schwerer haben wirst als andere Kinder in deinem alter.“

„Kann schon sein“ Ich wische mir Tränen weg und versuche zu lächeln, doch es gelingt mir nicht.

„Wenn du möchtest darfst du jetzt gehen, aber erstmal nicht nach draußen und Christian wird auf die aufpassen.“

„Ja bitte.“

Sie läuft mit mir zu Schwestern Zimmer.

„Christian passt du bitte auf Johanno auf. 100“

„Ja klar“ er kommt zu mir

„Möchtest du dich ein bisschen auspowern?“

Ich nicke.

„Warte noch kurz, bis ich mit Dr. Tale gesprochen habe.“ Der steht im Schwesternzimmer und ich kann nicht hören was Sie zu ihm sagt. Es kommt mir vor als zittere ich am ganzen Körper ich steh total neben mir.

„Johanno kommst du bitte rein?“ ruft Frau Fenchel und ich gehe unsichern Schrittes ins Schwesternzimmer.

„Hallo Johanno, ich möchte dir ein Beruhigungsmittel geben damit du dich schneller entspannst.“

„Nein, ich will nichts.“ Antworte ich etwas trotzig.

„Doch, wir haben Angst das du dir sonst was tust.“

Ich sage nichts, er reicht mir eine Tablette aber ich nehme Sie nicht und stehe Regnungslos da.

„Okay, wenn du sie nicht nehmen willst, muss ich es dir Spritzen.“

Ich gehe einen Schritt rückwärts, doch ich stoße an Pfleger Christian. Dann geht alles ganz schnell, Christian drückt mich an sich und Dr. Tale schiebt mein Pulli hoch und meine Hose ein Stückchen runter.

„Nicht erschrecken, pickst jetzt.“ Tut ziemlich weh, aber selbst schuld denk ich mir.

 

Pfleger Christian und ich gehen endlich in den Sportraum und ich hüpfe auf einem viel zu kleinen Trampolin ohne ein Wort zu sagen bis mir die Puste aus geht. Dann werde ich in mein Zimmer geschickt und ich mache ein paar Sudokus um mich abzulenken von den Dingen die gerade passiert sind. Nach einer weile ich werde ich müde und schlafe bis zum Abendessen.

 

Ich fühle mich verloren, bin gar nicht richtig anwesend doch ich muss stark sein. Jule ist noch immer in der geschlossenen Sie verletzt sich mit allen was Sie nur findet und nimmt immer mehr ab, ich darf Sie nur ganz selten sehen und dann nur unter Aufsicht für wenige Minuten. Das Licht was einst so in meinem Leben brannte, ist erloschen und ich fürchte es wird sich nie wieder entzünden. Ich versuche mich an die schönen Zeiten zu erinnern, als meine Schwester noch der rettende Anker war, doch dann erwischt mich immer wieder die Realität.

 

Es ist mal wieder Mittwoch, ich bin jetzt seit 2 Wochen auf der offenen Station, es ist okay hier doch es überrollen mich die Ereignisse der letzten Wochen, ich rolle mich in meinem Bett zusammen und weine obwohl ich eigentlich zur Musiktherapie in den Keller müsste. Ich kann nicht genau sagen wie lange ich in meinem Bett liege, bis es an der Tür klopft.

„Johanno, Musik Therapie hat schon angefangen komm.“ Dann sieht Sie mich im Bett liegen und setzt sich neben mich. Jetzt dreh ich mich um, es ist Schwester Maria.

„Och was ist denn los?“

Ich setzte mich auf und wische mir die Tränen aus den Augen.

„Nichts“

„Wegen nichts würdest du aber nicht weinen“

„Schon möglich, können Sie mich allein lassen?“

„Ich weiß nicht so recht.“

„Bitte ich mach auch keinen Blödsinn“

„Nagut ich schau aber in 10-15min noch mal nach dir.“

Sie steht auf und verlässt das Zimmer, endlich bin ich wieder allein.

 

Etwas später klopft es an der Tür Frau Fenchel und Herr Ullrich kommen rein.

„Johanno kommst du bitte mit“ fordert Frau Fenchel mich auf.

Wir gehen in Ihr Büro und ich komme mir hilflos und verloren vor.

„Wie geht es dir?“ fragt Herr Ullrich

„Gut“ lüge ich

„Mmh, deine Augen sind ganz Rot hast du geweint?“ fragt er nun.

„Ja“ sage ich mit gesenktem Kopf.

„Also geht es dir nicht gut?“

„Ja“ gebe ich zu.

„Wie fühlst du dich jetzt?“ fragt Frau Fenchel

„Verloren, Einsam und ich habe Angst“

„Wovor hast du Angst?“ fragt Sie

„Ich denke das wissen Sie, ich möchte jetzt nicht darüber reden.“

„Ja, ich kann es mir sehr gut denken.“

„Aber Sie sitzen doch bestimmt nicht beide vor mir um mich nur zu fragen wie es mir geht oder?“

„Stimmt Johanno, es hat einen anderen Grund, aber ich glaube wie sollten es verschieben, wenn du dich nicht gut fühlst.“ Sagt Herr Ullrich, mit ruhiger Stimme.

„Bitte sagen Sie es mir.“

„Okay, du musst jetzt aber sehr stark sein. Es geht um deine Schwester.“

„Was ist mit Jule?“

„Julia geht es seit du nicht mehr mit Ihr auf der Station bist von Tag zu Tag schlechter. Sie isst kaum, verletzt sich mit allem was Sie nur findet, trinkt so gut wie nichts. Sie kippt fast jeden Tag um. Wir erzählen dir das nur, weil du der letzte halt in Ihrem Leben bist. Eure Mutter war auch bei Ihr und hat Ihr, Ihre Entscheidung mitgeteilt. Für Julia ist der letzte Rest Ihrer Welt zusammen gebrochen so wie für dich. Ich möchte dass du mit deiner Schwester sprichst und Ihr Mut machst, Ihr erzählst wie du damit umgehst. Ich glaube Ihr könnt das nur zusammen schaffen, den du weißt das Ihr zwei jetzt nur noch euch habt.“

„Nur noch uns, heißt das, dass Mutter von Julia und mir jetzt gar nichts mehr wissen will?“

„Ich will ehrlich zu dir sein, eure Mutter gibt dir die Schuld daran dass Sie jetzt keine heile Familie mehr hat. Aber du bist nicht Schuld Johanno, Schuld hat nur euer Vater und für Julia bist du Ihr kleiner Held, du hast alles richtig gemacht.“ Sagt Frau Fenchel, ich merke wie Ihr diese Worte schwer fallen.

Ich bin Sprachlos und beginne zu schreien, ich kann einfach nichts dagegen tun und ziehe meine Beine an meinen Körper und wippe hin und her.

Frau Fenchel steht auf, nimmt mich in den Arm und versucht mich zu beruhigen aber ich schreie weiter. Meine Welt ist jetzt für immer ein Scherbenhaufen. Es dauert nicht lange da betritt Dr. Tale mit Herr Ullrich den Raum, ich frag mich wann der weg gegangen ist mein schreien ist mittlerweile zu einem schluchzen geworden, ich habe keine Kraft mehr und zittre am ganzen Körper. Dr. Tale nimmt sich einen Stuhl und setzt sich genau mir gegenüber.

„Johanno, verstehst du mich?“

Ich schreie jetzt wieder, ich kann einfach nichts dagegen tun. Er soll weg gehen, Sie sollen alle weg gehen.

„Wie verlegen ihn erstmal wieder zu Ihnen auf Station Herr Ullrich, bis er sich beruhigt hat und er bekommt ein Beruhigungsmittel.“ Sagt er zu den beiden Psychotherapeuten.

Frau Fenchel stellt sich vor mich und geht in die hocke bevor Sie anfängt zu reden. Ich bin jetzt total aus der Puste und weine nur noch.

„Johanno, kommst du mit?“ Sie reicht mir Ihre Hand.

Aber ich bewege mich keinen Zentimeter.

„Er hat einen sehr schweren Schock, ich glaube er nimmt uns gar nicht wahr.“ sagt Dr. Tale nach eine weile.

„Und was machen wir jetzt mit ihm?“ fragt Frau Fenchel

„Ich gebe ihm wieder ein Beruhigungsmittel, wen ich mich nicht Irre hat das letztes mal ganz gut geholfen.“

Ich habe keine Ahnung wie viel Zeit vergangen ist, es ist mir ehrlich gesagt auch total egal.

„Es war zu viel für Ihn, ich hätte Ihm das nicht sagen dürfen.“ Sagt Frau Fenchel zu Herr Ullrich.

„Du konntest es Ihm aber auch nicht verschweigen, er hätte es erfahren, spätestens von Julia.“

„Ja da hast du recht, er tut mir leid.“

Dr. Tale kommt wieder rein und Herr Ullrich geht raus.

„Halten Sie Ihn fest, ich möchte nicht, dass er zu sehr erschrickt.“

Och man nicht schon wieder aber ich hab keine Kraft mich zu wehren. Frau Fenchel nimmt mich wieder in den Arm und versucht mich zu beruhigen, es tut weh aber es ist mir irgendwie egal. Die Tür geht wieder auf und Pfleger Paul kommt rein, er nimmt mich vorsichtig und setzt mich in einen Rollstuhl und fährt mich wieder in die geschlossene in ein Zimmer und ich schleppe mich in das Bett und rolle mich ganz klein zusammen. Irgendwann schlafe ich ein.

 

 

Kapitel 8: Wie ein Vogel, mit gebrochenen Flügeln

Als ich erwache und auf meine Uhr schaue ist es schon 16:00 Uhr, oh man da hab ich jetzt mind. 4 Stunden geschlafen denk ich mir, aber aufstehen möchte nicht, weil mir irgendwie komisch ist. Doch irgendwann muss ich auf die Toilette, ich bin etwas wackelig auf den Beinen und als ich zurück ins Bett möchte wird mir plötzlich schwarz vor Augen.

 

Ich wache im Bett wieder auf und eine mir unbekannte Ärztin steht vor mir zusammen mit Schwester Lena die mir gerade Blutdruck misst.

„Hallo Johanno, ich bin Dr. Mayer. Weißt du noch was passiert ist?“

„Ich war auf Toilette und als ich zum Bett zurück gelaufen bin war plötzlich alles schwarz.“

„Okay, wie viele Finger zeige ich dir?“ sie hält Ihre Hand hoch.

„drei“

„Gut, ich leuchte dir mal kurz in die Augen nicht erschrecken. Tut dir dein Kopf weh?“

„Nein“

„Dein Blutdruck ist sehr niedrig, du bekommst gleich eine Tablette dagegen und bleib liegen. Ich schaue später noch einmal nach dir.“

Sie und Schwester Lena gehen raus, kurze Zeit später kommt Lena und gibt mir eine kleine weiße Tablette. Ich schlucke Sie halt was ich schon zu verlieren. Mir ist schlecht und mein Magen knurrt.

 

Zum Abendessen schaffe ich raus, ich wüsste nur gerne wo Julia ist. Also frage ich Schwester Lena.

„Lena, wissen Sie wo Julia ist.“

„Du kannst deine Schwester morgen sehen.“

„Aber…“

„Schau ein bisschen Fernsehen und versuch dann zu schlafen.“

„Okay“

Also früher habe ich auch mal mehr protestiert, aber was solls. Ich schaue TV und gehe früh ins Bett, ich bin total müde. Ich habe einen Leichenähnlichen traumlosen schlaf.

 

Beim Frühstück ist Julia immer noch nicht wieder da, ich will endlich wissen was los ist und ich will hier weg. Herr Ullrich kommt so gegen 10:00 auf mich zu und nimmt mich mit in sein Büro.

 

„Geht es dir wieder besser?“

„Ja“

„Bist du dir sicher?“

„Ja ganz sicher, ich hab mich wieder erholt. Eigentlich wusste ich es ja auch schon, aber das noch mal zu hören war für den Moment zu viel. Darf ich heute wieder hoch?“

„Ja nach dem Mittag essen.“

Ich grinse und dann muss ich es fragen. „Wo ist meine Schwester?“

„Als du gestern runter gekommen bist, musste ich Julia erzählen was passiert ist. Sie hat mir versichert, dass Sie es verkraftet und Sie sich meldet wenn es schlimmer wird aber Sie hat es nicht getan. Kurze Zeit später haben wir Sie reglos auf dem Boden gefunden. Sie hat sich verletzt wir haben außer dieser Station noch 3 Spezielle Zimmer, die 24 Stunden beobachtet werden. Wir haben uns dazu entschieden Julia über Nacht dort unter zu bringen, heute Abend darf Sie zurück wenn alles gut geht. Ihr werdet im laufe der Woche miteinander reden dürfen.“

„Ich wünsche mir nichts sehnlicher auf dieser Welt als das es Ihr endlich besser geht.“

„Du bist ein guter Junge“

 

Endlich darf ich auf meine Station zurück wo ich gleich Frau Fenchel in die Arme laufe.

„Hallo, geht es dir wieder besser?“

„Ja“ ich lächle dabei.

„Gut wir reden morgen noch einmal. Denk in 30min an die Gruppentherapie.“

„Ja mach ich“

 

Der 15.3. in einem Monat ist Ostern, hoffentlich wird es weniger schlimm als ich vermute. Ich schleppe mich lustlos durch den Tag, ich mache mir sorgen um Julia. Am nächsten Tag als ich am Schwesternzimmer vorbei gehe, höre ich ein Gespräch von Dr. Tale, Frau Fenchel und Herr Ullrich, sie haben vergessen die Tür komplett zu schließen. Ich stehe so dass mich niemand sieht.

„Es wäre besser wenn wir Julia Kiel in eine andere Klinik verlegen. Die beiden stützen sich zwar aber wir können Julia hier nicht die Therapie geben die Sie braucht und ich vermute das Johanno durch die Angst um seine Schwester gar nicht zur ruhe kommt.“ Sagt Dr. Tale

„Ja das stimmt wohl, aber Johanno hängt extrem an seiner Schwester, eine solche Verbundenheit zwischen Geschwistern habe ich noch nie erlebt.“ Erwidert Frau Fenchel.

„Dem kann ich nur zustimmen, Johanno ist Julias letzter halt im Leben und wenn wir Sie trennen, dann könnte es sein das Julia gar nicht mehr hoch kommt. Anderer Seits, muss ich aber zustimmen ich kann Ihr nicht die Therapie geben die Sie benötigt.“ Sagt Herr Ullrich

„Vielleicht sollten wir Sie zusammen verlegen, nach Dresden, dort gibt es Therapeuten die ich sehr gut kenne die sich hervorragend mit Traumata und Essstörungen auskennen.“ Sagt Frau Fenchel.

„Keine schlechte Idee, aber Ihre Eltern müssten dem zustimmen.“ Sagt Dr. Tale skeptisch

„Ich denke das werden Sie tun, ich hatte mit beiden dieses Gespräch mit Johanno. Ihre Kinder scheinen Ihnen egal zu sein.“ Sagt Frau Fenchel

„Eventuell müssen wir trotzdem warten bis das Jugendamt die Entscheidung über das Sorgerecht getroffen hat.“ Erwidert Herr Ullrich.

„Wir müssen es versuchen. Ich werde dann mit der Klinik in Dresden telefonieren und mit Ihren Eltern“ sagt Dr. Tale.

 

Die drei verlassen das Zimmer, jetzt aber nichts wie weg.

„Johanno warte mal.“ Ruft mir Frau Fenchel hinter her und ich bleibe stehen.

„Kommst du bitte um 13:00 Uhr zu mir?“

„Ja“

„Gut bis dann Sie geht.“

 

Ich will nicht nach Dresden, aber ich will auch nicht von Jule getrennt werden. Ich klopfe an Frau Fenchels Tür und Sie öffnet mir, aber Sie ist nicht allein. Dr. Tale, Herr Ullrich und Julia sind auch da. Ich freue mich tierisch Jule zu sehen und renne Ihr in die arme, oh man ist Sie dünn.

„Du wunderst dich sicher warum ich nicht allein bin.“

„Naja ehrlich gesagt nicht.“

„Oh okay, wir haben uns so entschieden weil es um euch beide geht.“ Erklärt Sie uns.

„Wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass es besser ist wenn Julia diese Klinik verlässt und in eine Spezial Klinik nach Dresden verlegt wird.“ Sagt Herr Ullrich

„Nein“ protestiert Julia

„Diese Klinik hat sich auf Traumata und Essstörungen, sowie Persönlichkeitsentwicklungsstörungen bei Kinder und Jugendlichen Spezialisiert.“

„Ich habe aber alles drei nicht.“ Bockt Julia

„Sei mir nicht böse Schwesterchen aber das sehe ja sogar ich.“

„Möchtest du uns vielleicht verraten wie viel du wiegst Julia und wie groß du bist?

„Nein“

„Darf ich es sagen?“ Fragt Frau Fenchel

„Ich bin 1,57 groß und wiege 36 Kilo“ antwortet Jule ganz leise

„Danke, d.h. du hast einen BMI von 14,8. Du hast starkes Untergewicht. Wie viel wiegst du Johanno?“

„32 Kilo glaube ich und ich bin 1,45 groß.“

„Danke Johanno, fällt dir etwas auf Julia“ fragt nun Herr Ullrich.

„Mein Bruder ist zu schwer?“ antwortet Julia

„Denk noch mal kur drüber nach“

„Okay ich bin vielleicht 2-3 Kg zu leicht“

„Lassen wir das mal so gelten“ schmunzelt Herr Ullrich

„Jule, ich möchte das du nach Dresden gehst, ich wünsche mir nichts mehr als das es dir endlich wieder besser geht. Es tut mir sehr weh, wenn du dir weh tust, wenn du nur noch Haut und Knochen bist. Wir haben doch nur noch uns.“ Ich umarme Sie dabei.

„Allerdings gibt es ein Problem. Wir müssen euch beide dazu trenne, ich weiß das Ihr euch sehr viel kraft gebt, aber die Kollegen in Dresden halten das auch für besser. Wir werden dafür sorgen dass Ihr oft telefonieren könnt. Johanno wenn du soweit bist wirst du ins Betreute Wohnen entlassen, wie besprochen und du Julia wirst nach kommen wenn es dir besser geht. Ich werde dafür sorgen das Ihr beiden nicht in getrennt Einrichtungen kommt.“

„Danke“ sage ich leise, Julia sagt gar nichts.

„Habt ihr beide noch fragen?“ fragt Frau Fenchel

„Wann muss ich dorthin und darf ich Hanno vorher noch mal sehen?“

„Morgen früh, wirst du dorthin gebracht. Wir gehen gleich runter und bereden alles noch einmal. Johanno darfst du Morgen vor der abfahrt noch mal sehen.“ Beruhigt Sie Herr Ullrich.

 

Ich kann zurück in mein Zimmer und flehe das Jule in Dresden wieder auf die Beine kommt. Die ganze Nacht schlafe ich sehr unruhig, ich habe Angst meine Schwester zu verlieren. Sie vielleicht nie wieder zu sehen, mich von Ihr zu entfernen. Es ist der nächste Tag, der 16.3 2004 ich werde diesen Tag niemals vergessen. Am frühen Morgen kommt Schwester Katja auf mich zu und nimmt mich mit zur geschlossenen. Jule kommt raus, Pfleger Paul trägt Ihre Tasche, denn Sie selbst ist viel zu schwach dazu. Wir nehmen uns wortlos in den arm, uns beiden kommen dir Tränen.

„Ich glaub an dich, du schaffst das.“

„Danke kleiner.“

„Ich werde immer bei dir sein, auch wenn du mich nichts siehst.“

„Du bist der beste kleine Bruder den man sich wünschen kann.“ Sagt Sie traurig.

„Komm wir müssen“ sagt Pfleger Paul

Wir umarmen uns ein letztes Mal bevor Sie mit dem KTW nach Dresen gebracht wird.

 

In den nächsten Tagen vermisse ich meine Schwester furchtbar, aber ich weiß, dass es besser für Sie ist. Die Wochenenden sind immer besonders schwer, weil die meisten Kinder am Wochenende nach Hause dürfen, nur ich nicht. Denn ich habe keins mehr, ich beginne wieder zu weinen. Ich möchte nicht fühlen, was ich gerade fühle und ich schlage meinen Kopf so lange gegen die Wand bis es mir besser geht. Mittwoch nach der Ergotherapie liegt in ein Brief auf meinem Bett, er ist von Jule. Ich öffne Ihn und beginne zu lesen.

 

„Lieber Hanno, ich bin gut in Dresden angekommen und in eine geschlossene Station gebracht worden. Wir sind hier aber nur zu 8 und es ist viel gemütlicher als in Leipzig. Stell dir vor gestern haben wir sogar einen kleinen Frühlingsspaziergang mit den Pflegern gemacht. Es hat richtig gut getan mal wieder so viel frische Luft zu schnappen. Ich werde dich nicht allein lassen und Kämpfen, die Psychologin hier ist total nett und die anderen Patienten auch. Kopf hoch kleiner, fühle dich gedrückt. Deine Jule.“

 

Ich bin unendlich glücklich, dass es Jule dort gefällt und habe Hoffnung dass Sie es schafft. Es klopft an der Tür, es ist Frau Fenchel ich folge Ihr wieder brav.

„Na wie geht’s dir Heute?“

„Gut, ich habe einen Brief von Julia bekommen. Es gefällt Ihr in Dresden und Sie schreibt, dass Sie kämpfen wird.“

„Das freu mich sehr, aber du hast dich in den letzten Wochen nur um deine Schwester gesorgt und nicht um dich. Ich möchte, dass du dich jetzt auf die konzentrierst denn du musst auch wieder Stabiler werden.

„Ja, ich weiß.“

„Ich habe dir erzählt, dass du einen IQ Test machen musst. Fühlst du dich jetzt bereit dazu?“

„Jetzt? Okay ich denke schon“

„Gut“

Wir gehen zusammen zu einer Frau die mit mir den IQ Test macht, dann lässt Frau Fenchel mich allein und ich muss mich ganz schön Konzentrieren. Dieser Test dauert 6 Stunden, aber ich darf zwischendurch eine Pause machen. Trotzdem ganz schön anstrengend und ich bin extrem froh als ich fertig bin. Danach spiele ich mit Tim und Jan Tischtennis und versuche abzuschalten.

 

Es ist der nächste Morgen, schon wieder Donnerstag. Wie die Zeit vergeht nach Musik Therapie, Gruppentherapie und Mittagessen muss ich wieder zu Frau Fenchel.

„Hallo Johanno. Möchtest du wissen was bei deinem Test gestern raus gekommen ist?“

„Ja gerne, hat ganz schön angestrengt und meine Konzentration hat ziemlich nachgelassen.“

„Das glaube ich dir. Trotzdem hast du einen IQ von ca. 136 Glückwunsch, dachte ich mir das du sehr Intelligent bist.“

„Oh okay“

 

Nach dem ich diese Info habe gehe ich mit Tim Fußball spielen.

„Was wollte den Frau Fenchel vorhin von dir?“ fragt er mich

„Ach nur wegen dem dämlichen IQ Test gestern.“

„Und wie schlecht warst du?“ schmunzelt er

„136, gibt schlimmeres“

„Boar Krass. Ich hab nur 113.“

„Naja so Krass ist das nun wieder auch nicht.“ Wir lachen und spielen ganz normal weiter.

 

Die Tag vergehen und schon wieder ist eine Woche vorbei, ich bin jetzt schon 1 Monat auf dieser Station und so langsam hab ich keine Lust mehr.

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 28.01.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch, allen Menschen die immer an mich geglaubt haben und es auch immer noch tun. Ich danke euch dafür. Und den Menschen die nie an mich glaubten und nie an mich glauben werden, durch euch habe ich einen ansporn weiter zu machen und es euch zu zeigen.

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