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Sommer der Liebe - Psychothriller (Prequel + XXL-Leseprobe)

 

 

Sommer der Liebe

 

Psychothriller

 

Prequel

 

 

 

 

Impressum

 

1. Auflage, 2021

Redaktion & Lektorat: Elke Seitz

© 2021 Michael Seitz, Wien – alle Rechte vorbehalten.

MIZZI Verlag/Wien, 2021

www.michaelseitz.at

 

 

 

Jede Flucht hat ihre Gründe. Ein befreundeter Professor aus Santa Monica verschaffte mir die Stelle in dem Staatsgefängnis in Texas. Das war 2012. Anlass war die Exekution eines geistig behinderten Mörders. Natürlich kann man in einer solchen Situation auch anders entscheiden. Egal was ein Mensch getan hat, ich bin ein entschiedener Gegner der Todesstrafe. Haben Sie jemals einer Hinrichtung beigewohnt?

Nein?

Dann seien Sie froh.

Im Laufe meiner Zeit in Texas, Huntsville Unit, hatte ich viermal das fragwürdige Vergnügen live dabei zu sein. Ich bin Psychologe, eigentlich Profiler. Ursprünglich habe ich in Los Angeles beim FBI meine Fertigkeiten als Fallanalytiker trainiert. Irgendwann lief jedoch mein Visum aus. Und eigentlich war ich auch damals noch nicht bereit, in meine Heimatstadt Wien zurückzukehren. Und eigentlich hätte der Anblick eines Mannes in der Todeskapsel mich abschrecken müssen. Eigentlich … Wahrscheinlich wäre es ein Gebot der Vernunft gewesen, alles stehen und liegen zu lassen und heimzukehren. Spätestens nach der ersten Hinrichtung.

„Ich kehre heim zu Mama und Papa“, lauteten die letzten Worte jenes Mannes, der als Erster vor meinen Augen durch den Staat Texas ermordet wurde. Natürlich mit der Giftspritze.

Zuvor hatte Hummy sich einen Hamburger, eine Portion Kelloggs Frosted Flakes und Marshmallows als letzte Mahlzeit bestellt. Lediglich den Burger hat er zur Hälfte übrig gelassen. Er aß mit einem Appetit, als gäbe es wirklich was zu feiern. Und ich habe mich wirklich gefragt, wie man in einer solchen Situation auch nur einen einzigen Bissen hinunterbringt. Ich leide an Migräne. Selbstredend hatte ich die letzten anstrengenden Tage vor der Hinrichtung kiloweise Schmerztabletten in mich hineingeschaufelt, um diese ganze Prozedur bis zum Schluss durchzustehen. Hummy in seinen letzten Momenten allein zu lassen, wäre mir nur wie ein weiteres Verbrechen von vielen vorgekommen. Nachdem er sein Mahl beendet hatte, legte er seine Hand auf die meine und fragte mich nach seinen Eltern und seinen Geschwistern. Ich versicherte ihm, dass seine beiden großen Schwestern draußen vor dem Gebäude warteten und für ihn beteten. Er drückte mir einen Kuss auf die Wange, was wohl ein Zeichen von Dankbarkeit war. Ich frage mich, ob er mich auch geküsst hätte, wenn er von meiner Homosexualität gewusst hätte. Oder spielt das für einen Mann, der noch dreiundfünfzig Minuten zu leben hat, überhaupt eine Rolle? Manche Todeskandidaten sollen sich ja in solchen Situationen auch Prostituierte als Begleitung gewünscht haben. Das erzählt man sich hier in Huntsville. Überhaupt erzählt man sich ziemlich viel zwischen diesen Mauern mit all den harten Jungs, die in ihren Zellen Sitzen und sich über den großen Gang hinweg über ihre Verfahren und Prozesse unterhalten, die sich ständig austauschen über irgendwelche Anwälte, Berufungsverfahren und Aufschübe. Dreißig Minuten am Tag darfst du in den Hof – und wenn du Glück hast, darfst du mit einem der anderen nach draußen. Anfangs spielen die Männer noch Basketball. Irgendwann erstirbt auch dieses sportliche Interesse. Die Jungs unterhalten sich. Lassen sich einfach nur die Sonne ins Gesicht scheinen. Und so verschwimmen die Jahre in der Erinnerung. Anfangs waren die meisten von ihnen dagegen, sich mit mir zu unterhalten. Wer will schon großartig was mit einem Psychoonkel zu tun haben? Angst und Depression legt man sich hier als Feigheit und Schwäche aus. Zwischen diesen Mauern weint man nur, wenn einer der Jungs abgeholt wird, um in die Isolationszelle gebracht zu werden. Diese befindet sich über einen Gang etwa dreißig Meter vom Haupttrakt entfernt. Darin verbringt der Delinquent dann die letzten vierundzwanzig Stunden. Eine Stunde vorher wird er in den Vorraum geführt, wo er in einer winzigen Zelle seine Henkersmahlzeit zu sich nehmen und ein Telefonat führen kann. Am Ende führen die Freiwilligen unter dem Personal hier ihn in die Todeskapsel, wo er auf der Pritsche festgeschnallt wird. Freiwillige gibt es immer für diesen Job, nach Freiwilligen muss niemals gesucht werden. Und selbst der Gouverneur lässt es sich nicht nehmen, der Exekution werbewirksam vom Zuschauerraum aus beizuwohnen. Das kommt davon, wenn man den Menschen zu viel Demokratie ermöglicht. Wenn man in einem Land wie Deutschland oder Österreich eine Umfrage zur Todesstrafe durchführt, stimmt auch jeweils eine knappe Mehrheit dafür.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 21.03.2021
ISBN: 978-3-7487-7786-1

Alle Rechte vorbehalten

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