Cover

Der Job eines jeden Reapers ist es, der Menschheit Frieden zu bringen, indem er die Toten von ihrem Fluch auf Erden befreit und zu dem Allmächtigen schickt. Aber was passierte, wenn ein Reaper das Gegenteil tut? Was ist, wenn der Reaper die Seelen der Lebenden zu dem Allmächtigen schickt und dieser zu ignorant ist um es einzusehen? Dann stürzt sich die Welt in Chaos, Hass und Misstrauen. Und in so einer Welt lebe ich.

D.


„Adeth Black. Was soll ich nur mit machen? Du schläfst in meinem Unterricht-“
„Nicht nur in Ihrem, Miss Loot.“
„Und wenn du mal wach bist passt du nicht auf!“
„Es tut mir Leid, Miss Loot.“
„Das hoffe ich doch! Wann kommen deine Eltern wieder, Adeth?!“
„Ich weiß es nicht, Miss Loot, aber meine Schwester ist da.“
„Elif? Hm. Ich möchte mit ihr heute Nachmittag sprechen.“
„Ja, Miss Loot. Ich werde es ihr ausrichten, Miss Loot.“
„… Du kannst jetzt gehen.“
Gott im Himmel! Das Schließen der Tür hinter mir war wie Musik in meinen Ohren. Wunderbar. Diese Frau alias meine verschrumpelte, nichtsnützige einfach nur nervende Miss Loot, die wahrscheinlich nur auf Erden war um das Leben der Schüler zur Hölle zu machen, war alles andere als angenehm. Ich stieß mich von der Tür ab und ging Richtung Ausgang. Aber ich hatte es nicht eilig. Ich war so oder so schon zu spät dran, also würde es nicht ändern, wenn aus einer Stunde Verspätung eine Stunde und zwanzig Minuten wurden.
Die Sonne strahlte mir entgegen, als ich aus dem Albtraumverursacher von Teenagern und Kindern heraus trat. Was für ein Horrorkabinett. Wenn einem nicht schon die abgebröckelte Fassade unserer Schule für disziplinierte und guterzogene junge Damen, wie, ja schon wieder, Miss Loot immer reklamatierte, abschreckte dann würde es spätestens das Innere tun. Statt hoch gereinigte Klassenräume, einer eins A Kantine und netten Lehrern, wie es das Prospekt der Schule versprach hatten wir in sich zerfallene Schultische, eine schmutzigem stinkende und fettige Kantine und übelgelaunte und unterbezahlte Lehrer, die wahrscheinlich so mies gelaunt waren, weil sie nicht genug Geld bezahlen. Im Großen und Ganzen war die Schule ein großer Scheißhaufen und auf diesem Haufen thronte Mister Groosé, wie eine Fliege. Mister Groosé war der Schuldirektor und genauso wie die Schule: Sein Jacket zerfiel, wenn er sie trug, er war schmutzig, fettig und stank und immer übelgelaunt und vor allem unterbezahlt, wie er es zu jeder Gelegenheit förmlich an die Eltern mitteilte. Nur seine Augen waren alles Andere als die genannten Adjektive. Die waren schön und fesselnd. Ich konnte mir gut vorstellen, dass unser bierbäuchige Direktor mal ein Frauenschwarm war- bevor er den Job als Direktor angenommen hatte.
Seufzend ging ich um den letzten Block herum, steckte die Hände in die Jackentasche und sah mich unauffällig um. Seit einigen Tagen verfolgte mich jemand. Er war auf jeden Fall männlich und roch gut. Woher ich das weiß? Nun, als er mal an einer Ecke gelehnt hatte, an die ich später vorbei gelaufen bin roch es verdächtig gut nach frisch gewaschener Wäsche, Lavendel und Vanille. Hmhmm. Lecker. Ganz im Gegensatz zu dem Geruch des Chinaimbisses unter der Wohnung von meiner Schwester und mir. Dieser stank nach Fett. Fett und fertig Nudeln. Wie immer verzog ich die Nase, als ich die Haustür aufschloss und die knarrenden Treppen nach oben stieg. Wir wohnten direkt an einer großen Hauptstarße und der nähe war auch eine Bahnstation. Generell wohnten Elif und ich immer dort, wo viel los war. Es durfte nie leise um uns herum sein, nie durften wenig Leute in unserer Umgebung sein. Sonst würden sie mich holen. Zusammen mit meiner Schwester. Keiner würde davon kommen.
Die Tür quietschte, als ich sie mit meiner Fußspitze auftrat. Elif schloss nie ab, solange ich nicht im Haus war. Reine Vorsichtsmaßnahme, obwohl sie mir nicht ganz logisch erschien. Aber ich hatte nie weiter darüber nachgedacht, denn schließlich war Elif der Schlaukopf. Besagte Schwester hockte, als ich die Wohung betrat und die Tür hinter mir schloss, an dem Küchentisch und blätterte die Zeitung durch. Sie sah nicht einmal auf, als ich zu ihr kam und über ihre Schulter linste.
„Was liest du da?“
„Etwas über einen Wissenschaftler, der den Nobelpreis gewonnen hat.“
„A-ha.“
Uninteressantes Zeug. Langsam zwengte ich mich aus meinem abgetragenen Trenchcoat, lies ihn achtlos zu Boden fallen und marschierte zielbewusst zum Kühlschrank. Mein Magen hing mir schon zu den Kniekehlen.
„Gib’s was zu essen?“
„Wenn du dir was machen willst, dann ja.“
Ich grummelte etwas und steckte meinen Kopf in die Kälte.
„Pizza ist noch im Tiefkühlfach.“
Ich grummelte wieder und schloss die Kühlschranktür, nur um die Tiefkühlfalchtür zu öffenen. Mir lächelte beinahe eine halbe Salamipizza mit extra Käse entgegen.
Während ich die Pizza in den kleinen Ofen schob hatte Elif die Zeitung geschlossen und sah mich lächelnd an. Als ich es sah musste ich zurück lächeln. Sie war schon immer so gewesen, meine liebe Schwester. Durch ihre goldenen Locken und den sturmgrauen Augen war sie für mich immer der Inbegriff eines Engels gewesen. Sogar ihre Lippen waren schön geformt und nicht zu dünn. Hohe Wangenknochen, ein schlanker Körperbau und eine kleine Stupsnase rundeten das Engelsaussehen ab.
„Wie war die Schule?“
„Scheiße wie immer,“ seufzte ich und lehnte mich gegen die Anrichte.
„Aber heute war sie noch schlimmer als sonst.“
„Das sagst du jeden Tag. Wann war sie denn mal nicht schlimm?“
„Am ersten Tag?“
Elif kicherte. Ich musste auch lachen. Es freute mich, dass Elif anscheinend einen guten Tag hatte. Aus ihrem Kichern wurde ein leises Lachen. Ganz leise, versteht sich. Sie war ein ziemlich leiser Mensch. So wie ich. Ich mochte keinen großen Trubel, bevorzugte das Stille. Aber das durfte ich nicht haben. Elif warf einer ihrer gelockten Haarsträhnen über die Schulter und sah mich wieder auffordernd an.
„Was?“
„Du hast vergessen zu erwähnen, dass Miss Loot mit mir sprechen will.“
„Tz, du weißt es jetzt ja.“
„Darum geht es nicht, Adeth und das weißt du ganz genau!“
Ach, ich habe vergessen zu erwähnen, das mein Schwester Engelchen ein weißer Reaper ist. Sie ist im Auftrag von Gott unterwegs und sammelt die Seelen der Verstorbenen ein. Nun, dass war sie zumindest einmal. Jetzt war sie etwas viel Gefährlicheres. Etwas, was man nicht nachts begegnen wollte und da dachte man doch, dass Black Reaper im Dunkeln gruselig waren. Aber als White Reaper, was sie einmal war, konnte sie Gedanken lesen, wenn man sie nicht abschirmte. Und diese Gabe hatte sie, leider, behalten. Als Reaper bekommt man wirklich alles. Ruhm, Anerkennung, und so weiter. Außer eine Bezahlung. Aber seit einem Jahr arbeitet sie nicht mehr für den großen Herrn oben im Himmel. Sie rennt vor ihm weg. Zusammen mit mir. Manchmal plagen mich deswegen immer noch Schuldgefühle, aber Elif lächelt mich dann nur an und sagt, dass alles gut werden würde. Er würde sie nicht kriegen; uns nicht kriegen.
„Ja, also. Miss Loot will mit dir sprechen.“
„Danke, Adeth. Aber das habe ich schon. Wie ich hörte hast du wieder im Unterricht geschlafen?“
Ich zuckte mit den Schultern. Wen interessierte exogene Kräfte? Solange ich wusste, dass es Erdbeben, Wirbelstürme und Tsunamis gab war doch alles in Butter. Elif knirschte mit den Zähnen. Das konnte ich auch aus drei Meilen Entfernung hören und es war niemals ein gutes Zeichen. Ich stellte mich seelisch schon einmal darauf ein, dass ich mit einem roten Hintern und drei bis vier neuen blauen Flecken ins Bett gehen würde.
Ungeduldig hockte ich mich vor dem Ofen und sah dem Käse zu, wie er langsam schmolz. Ging das nicht etwas schneller?! Ich hörte leise Schritte hinter mir und sah auf. Elif sah mir entgegen und ihre Augen waren zu Schlitzen verengt. Oh, noch ein schlechtes Zeichen. Heute hatte sie wohl doch nicht ihren guten Tag.
„Du stinkst, Adeth.“
„Wirklich? Hm.“
Ich schnupperte demonstrativ an meinem Arm. Ich roch nach Fertignudeln. Und vielleicht nach Kreide. Elif kam neben mir in die Knie, packte mich am Nacken und zog mich ganz dich zu ihr ran. Ihre Augen fixierten meine. Ugh. Ich hasste diesen Blick so sehr. Dieser dringende Blick, dass ich etwas sagen sollte, was ich eigentlich nicht sagen wollte. Aber Elif wusste nach gut über zwölf Jahren, wie sie mit mir umzugehen hatte. Sie hatte es gelernt, als ich nach drei Jahren wieder nach Hause gekommen war. Als der Geruch von Blut und Schweiß mit dem Geruch vom frischen Babypuder und Shampoo sich vermischte. Elif hatte in dem Moment gewusst, dass wir nicht weiter auf dem Land leben konnten. Und da war sie zarte sechs Jahre alt gewesen- zwei Jahre älter als ich. Jetzt, mit ihren einundzwanzig Jahren, hatte sie mich fest im Griff. Wortwörtlich.
Ich wich ihrem Blick schuldbewusst aus und kaute auf meienr Unterlippe herum. Das tat ich immer, wenn ich nervös war. Elif starrte mich weiter an. Im Ofen bruzelte meine Pizza vor sich hin, bekam schon schwarze Ränder. Doch Elif ließ mich nicht los.
„Du stinkst, Adeth,“ wiederholte sie seelenruhig und weitete ihre Augen ein Stück.
„Wo warst du vor der Schule?“
„…“
„Adeth, antworte.“
„Im Park,“ murmelte ich und Elif ließ mich los. Schnell öffnete ich den Ofen, holte meine Pizza heraus, stand auf und legte sie auf den Blechteller ab, die mir Elif zuvor rausgelegt hatte. Sie stand um einiges eleganter auf und beobachtete mich, als ich mir schon ein Stück von der noch kochendheißen Pizza abriss und sie mit in den Mund steckte. Wie ihr wahrscheinlich bemerkt habt, sind Elif und ich wie Tag und Nacht. Sie ein Engelchen und ich, mit den geraden, schwarzen Haaren, dem seitlichen Pony und den eisblauen Augen, ein kleiner Teufel. Ihre Haut hatte auch so einen schönen Olivton, während meine so weiß wie der Morgennebel war. Außerdem war sie höflich, edel und immer freundlich, während ich mich meistens wie ein Mann aufführte. Meine kleine Körpchengröße half mir natürlich nicht, mich sonderlich weiblicher zu fühlen.
„Wieso warst du schon wieder im Park, Adeth?! Wenn sie dich finden, dann bin ich nicht da, um dir zu helfen.“
„Ich hab noch dein Messer,“ schmatze ich fröhlich und riss mir gleich noch ein Stück Pizza ab.
Normalerweise schenkt man seiner kleinen Schwester zum sechsten Geburtstag einen Teddy. Oder eine Puppe mit rosa Schleifchen im Haar oder vielleicht ihren ersten Lippenstift. Ich bekam von meiner Schwester ein rasierscharfes Messer und von meiner Mutter eine Ohrfeige dafür, dass ich ihre Tochter war. Nett. Sie nannte mich auch nie Adeth, so wie Elif. Sie nannte mich immer nur Missgeburt oder der Fehler. Hab ich nicht eine nette Mutter? Aber zum Glück war sie nicht mehr hier. Nicht mehr bei uns. Sie lebte jetzt mit Levid zusammen, den ich eigentlich zu gut für sie fand und Elif fand ihre Mutter zu schade für ihn.
„Ein Messer wird sie aber nicht abhalten können, Ad. Wenn sie dich auch nur wittern…“
Besorgt ging Elif aus der kleinen Küche heraus, machte noch fünf oder sieben Schritte, bevor sie schon im Wohnzimmer angelangt war und sich auf das Sofa fallen ließ, welches ächzend unter ihrem Gewicht nachgab.
„Tun sie nicht! Keiner wird meinen Geruch unter der täglichen Schicht von Fertignudeln, Schweiß und Kreide riechen, Elf. Also beruhige dich.“
Meine Schwester nagte kurz an dem Nagel ihres Mittelfingers herum. Dann schloss sie erschöpft die Augen.
„Dich zu beschützen ist nicht leicht Adeth. Schon ohne deine Selbstmordversuche.“
„In den Park zu gehen ist kein Selbstmordversuch.“
„Wohl mehr ein Ruf nach Aufmerksamkeit. Du könntest genauso gut ein Neonschild um deinen Hals hängen, wo drauf steht: Hier bin ich und einen Pfeil der auf dich zeigt.“
Ich grinste und kam mit meiner halb aufgegessenen halben Stück Pizza zu Elif ins Wohnzimmer und ließ mich vor ihr auf den Boden plumpsen. Sie öffnete ihre Augen nicht.
„Ach komm schon. Jetzt entspannt dich et- Was war das?“
Elif blinzelte träge und sah sich im Raum um. Nichts passierte für einige Sekunden, dann begann das Licht zu flackern.
„Beruhigen, ja?“ zischte sie mir zu, bevor sie ihr T-Shirt anhob und ein langes Messer zum Tageslicht beförderte. Ich klopfte mich nach meinem Eignen ab, doch fand es nicht.
„Mein Messer…!“
„Scht!“
Energisch presste meine Schwester mit die Hand auf den Mund und deutete mit einer Kopfbewegung, dass sich etwas im Eingang befinden musste. Mein Herz pochte ganz normal weiter, nur meine Hände fingen an zu zittern. Leise pirschte sich Elif zur Wand vor. Sie warf mir danach einen bedeutungsvollen Blick zu. Ich schüttelte den Kopf und hob ertappt meine Hände. Kein Messer. Elif grunzte leise. Einen Laut, den sie nicht hätte tun sollen, denn von hinter der Ecke schoss ein schwarzes Ungetüm hervor. Es landete geschmeidig auf unserem Sofatisch und kauerte sich dort zusammen. Auf dem ersten Blick sah es aus wie Golum, aus Der Herr der Ringe. Auf dem zweiten Blick glich es noch etwas viel Schlimmeren: Einem Vampiren.
Im Kopf hat man immer das Bild von einem blutrünstigen Dracula, mit zurück gegelten Haaren, schwarzen Augen, blasser Haut und spitzen Eckzähnen. Oder, anchd er neusten Definierung von Stefanie Meyer, sind Vampire doch total gutaussehend und glitzern in der Sonne. Tja, diese Vampire nicht. Sie haben so lange Eckzähne wie Sebelzahntiger und rußschwarze Haut. Ihre Augen sind so rot wie brodelnde Lava und ihre Fingernägel sind weiß wie Schnee. Und sie sind abartig dünn, sodass jedes Magermodel stolz auf sie sein konnte. Man sah jede einzelne Rippe und jede einzelnen Wirbel ihrer Wirbelsäule. Zum Glück bedeckten sie ihren nackten Körper mit einem flattrigen Umhang. Leider muss ich gestehen, dass ich nicht wegsehen konnte, als der Vampir an mir vorbeigeschossen war und sein Genital entblößt hatte. Ich hatte es mir, um ehrlich zu sein, größer vorgestellt. Nicht, dass ich darüber öfters nachdachte oder so.
Der Vampir kauterte also auf unserem Tischlein herum und gab keuchende Geräusche von sich. Das Ding ist, dass man bei Vampiren ganz leise sein musste. Leise und langsam. Schnelle und hektische Bewegung nahmen sie, wie fliegende Insekten, schneller wahr als langsame. Deswegen bewegte sich Elif im Seitwärtsschritt ganz langsam auf den Vampiren zu, das Messer über ihren Kopf erhoben. Der Vampir achtete nicht auf sie und die Gefahr, die sie eventuell für ihn darstellte. Er achtete mehr auf meine pulsierende Schlagader an meinem Hals.


E

.


„ADETH! DUCKEN!“
Diese Warnung kam etwas zu spät. Bevor ich mich ducken konnte hatte meine Schwester schon mit dem Messer ausgeholt und es auf den Vamipren geworfen, der sich wieder rum auf mich geworfen hatte, sodass ich mich auf den Boden geworfen habe. Wie ihr merkt lieben wir alle drei etwas zu werfen. Jipie. Der Boden fühlte sich hart unter mir an und das 200 kg Gewicht auf mir war auch nicht gerade so weich wie das Frotteehandtuch, welches ich immer benutzte und mein Gesicht abzutrocknen. Mit scharfen Klauen griff der Vampir nach mir, schlug mit beinahe seine beinahe dreißigzentimeter langen Hauer in den Hals, doch ich konnte ihn an den Schultern packen und auf armlänge von mir weghalten. Das Messer ragte aus seinem Rücken heraus, steckte anscheinend zwischen zwei Wirbeln, aber das brachte einen Vampiren ja nicht davon ab eine Mahlzeit zu sich zunehmen. Zum Teufel auf, mich würde so ein kleines, spitzen Ding auch nicht davon abhalten meine verdienten Nudeln mit was-weiß-ich Sauce zu essen. Da fällt mir ein, ich habe wieder Hunger. Die Pizza hat nicht gereicht. Defenetiv nicht. Und ich wusste nicht, ob ich glücklich darüber sein sollte, dass mein lautes Magenknurren meinen Arsch rettete. Denn als mein geliebtes und leeres Organ auf seine eigene Art und Weise nach Essen verlange horchte der Vampir erstaunt auf und starrte mich mit großen, glühenden Augen an. Für einen Moment kam es mir eigentlich ganz süß vor, so einen kleinen Vampiren als Haustier zu halten und ihn zu dressieren. Ich würde ihn Spookie nennen. Aber das war nur ein Augenblick so, bevor er wieder die Zähne fletschte und mich in Stücke zerreissen konnte. Meine Schwester kam ihm aber zuvor. Sie packte ihm am Kragen, zog ihn zu sich und stieß mit einem neuen Messer zu. Ein sauberer Schnitt durch den Hals und der Kopflose Körper fiel leblos neben mir zu Boden. Böse funkelte meine Schwester zuerst den Vampiren und dann mich an.
„Dein Messer, Adeth! Wie oft denn noch, bevor du es lernst?!“
„Solange du da bist…“ erwiderte ich grinsend, doch damit konnte ich ihr kein Lächeln auf die Lippen zaubern. Frustriert warf sie den Kopf in irgendeine Ecke von unserem kleinen Wohnzimmer und ließ das blutverschmierte Messer wütend zu Boden fallen.
„Ich werde aber nicht immer da sein, Adeth! Irgendwann werde ich erwischt und dann musst du alleine klar kommen! Und ich habe kein Bock das Ma und Pa hier auftauchen und dich zurück nach-“
Elif zögerte kurz und sah mich betreten an, „du-weißt-schon-wo hinbringen.“
Lässig zuckte ich mit den Schultern und stand langsam vom Boden auf. Nun, ich versuchte es so lässig wie möglich zu machen, denn mein Rücken tat ja vielleicht mal weh!
„Ma und Pa werden mich schon nicht wieder nach unten holen, Elif. Das wird nicht noch einmal vorkommen.“
„Es wäre heute fast passiert,“ murmelte sie erstickt und ehe ich mich versah fand ich mich in einer engen Umarmung wieder.
„Ich will dich nicht noch einmal verlieren, Adeth…“
Ein normaler Teenager, mit normalen Teenaerverstand hätte die Schwester jetzt weggedrückt und sich beschwert, wie erwachsen man doch sei und man keine Liebkosungen mehr bräuchte. Ich hingegen drückte Elif genauso fest an mich, wie sie mich. Ich wollte sie auch nicht noch einmal verlieren, wobei mir die Erinnerung daran, dass wir uns je verloren hatten, fehlten. Es war nur ein schwarzes, klaffendes Loch in meinem Kopf. Hätte ich nicht die typischen Narben am Rücken und an den Armen von einem typischen Black Reaper hätte ich ihr den Vpgel gezeigt. Was? Ich soll ein Black Reaper sein? Haha, du spinnst doch Elif! Nur weil du ein White Reaper bist, muss ich doch kein Black sein!
Aber leider war es so. Ich hatte nun mal diese scheiß Narben. Sie waren pechschwarz, weswegen man sie auch für Tatoos halten könnte und erstreckten sich beinahe über meinen ganzen Oberarm und Rücken. Sie sahen aus wie Dornen. Und sie hoben sich perfekt von meiner blassen Haut ab. Elif hatte weiße Narben, schneeweiße. Sie hoben sich zwar auch von ihrer Haut ab, aber sie hatten nicht die Form von Dornen. Eher von schönen Kreisen und Kringeln.
Meine Schwester schlürfte betreten zum Sofa und lies sich darauf nieder, bevor sie mit der Fußspitze die ausgestreckte Hand des toten Vampires anstupste. Langeweile.
„Wir müssen wohl wieder umziehen,“ murmelte sie. Ich stieß einen resignierten Seufzer aus.
„Och nöööö. Ich fand’s hier so schön.“
„Hm, ich auch.“
„Wohin denn? Genug Geld für ne neue Großstadt haben wir nicht.“
„Du könntest Ma und Pa fragen…“
„Nie wieder, Elif! Du weißt, was das letzte Mal passiert ist! Außerdem… Außerdem kann ich ihnen nichts mehr anbieten. Meine verrottete Seele haben sie ja schon.“
Missmutig ging ich zu der Ecke mit dem abgetrennten Kopf, hob ihn hoch und ging zum Fenster, wo ich ihn mit einem, wenn ich mich selber loben darf, gut Schwung, womit sogar mein ehemaliger Sportlehrer zufrieden gewesen wäre, wegschmiss und er irgendwo im Gebüsch landete damit irgendein Penner ihn irgendwann mal finden konnte- wenn die Sonne nicht schneller war und ihn nicht schon verbrannt hatte.
„Das stimmt.“
Elif runzelte die Stirn und sah aus dem Fenster. Ich wusste nicht wieso, aber es schien, als ob ihre Haare die Farbe des Sonnenuntergangs annehmen würden.
„Sag, Adeth.“
„Wasn?“
„Denkst du, wir sollten trotzdem hier bleiben?“
Lächelnd sah sie sich an, bevor sie sich eine weitere blonde Strähne hinters Ohr schob. Perplex sah ich sie an, legte den Kopf schief.
„Wie kommst du zu diesem Sinneswandel?“
„Ich mag’s hier. Und ich-“
Es klingelte. Das Ringen war so laut, dass es mich fast von den Füßen warf. Wenn man daran gewöhnt es, dass alles leise sein sollte, trotz Autolärm und Bahn, dann war so ein schrilles Klingel doch ungewöhnlich. Vorallem, da wir niemals Besucher hatten. Nie, niemals. Abgesehen von jetzt.
Misstrauisch erhob sich Elif, doch ich bedeutete ihr mit einer Handbewegung sich wieder zu setzten. Das würde ich jetzt mal regeln. Auf leisen Sohlen schlich ich durch die kleine Wohnung, wobei ich einen kleinen Raststopp bei meinem auf den Boden liegenden Trenchcoat machte und mein Messer in die Hand nahm. Noch einmal wollte ich nicht auf den Boden landen.
Vor der Tür stand zum Glück kein Vampir. Auch kein Elf, Zwerg oder sonst irgendein Monster, was mich hätte mitnehmen können. Nur ein Junge. Und er starrte mein Messer an.
„Hallo…“
„Adeth? Wieso hälst du ein Dreimetermesser in der Hand?“
„I-ich habe geschnitten.“
Schnell schob ich das Messer samt Hand hinter meinen Rücken.
„Schnittlauch.“
Der Junge hob skeptisch die Augenbrauen, erwiderte jedoch nichts. War ja auch eine dumme Ausrede. Schnittlauch. Wir hatten nicht einmal Schnittlauch.
„Ah-ja. Nun, kann ich rein kommen?“
Der Junge lächelte mich auffordernd an und ich trat nur widerwillig beiseite.
„Adeth?! Wer ist da?!“
„Sky!“
Ich hörte etwas rumpeln. Dann noch etwas poltern und dann kam schon eine verlegend lächelte Elif um die Ecke. Sky trat durch die Tür und lächelte meiner Schwester freundlich zu. Er wollte etwas sagen, doch Elif war schneller.
„S-Sky! W-Was machst du denn hier?“
„Und woher kennst du unsere Adresse?“
Ich sprach leise, aber nicht lautlos. Sky sah mich blinzelnd an. Dann lächelte er.
„Ich habe die Adresse von deiner Lehrerin, Adeth. Sie war so frei.“
„Hm.“
„Adeth, bitte. Jetzt hör auf so böse zu gucken. Ich will euch nichts Böses- immer noch nicht.“
Ich verengte kurz die Augen, pustete mir noch eine Strähne aus dem Gesicht bevor ich demonstrativ an dem weißhaarigen Jungen vorbei ging und in die Küche. Ich sagte zu seinem Versuch, den Hass in mir zu mildern, nichts. Nichts Böses will er uns- HA! Das ich nicht lache. Er verfolgt uns nur schon seit über sieben Jahren und beschmutz meine Familie mit seinen nicht-erfüllenden-Aufgaben. Er war ein Crosser. Und ich konnte Crosser nicht leiden. Ob es jetzt daran lag, dass in mir reines Black Blut floss, oder weil ich generell etwas gegen Verräter hatte war mir egal. Nur der lodernde Hass in meinem Herzen zählte, den ich verspürte, wenn ich ihn sah.
„Schließ die Tür,“ maulte ich noch, bevor ich meinen Kopf wieder in den Kühlschrank steckte und versuchte, mich vor dem Schmalzigengesülse zu schützen, was gleich zwischen den beiden losgehen würde. Sky war ein Arbeitskollege von Elif und wohnte ein paar Blocks weiter von hier. Er war achtzehn, ein Jahr jünger als meine Schwester und ein Jahr älter als ich. Schlecht sah er nicht aus, so war das nicht. Sein weißes Haar passte sich seiner blassen, makellosen Haut an und seine großen, kindlichen hellbraunen Augen sahen aus wie geschmolzene Schokolade.
„Was machst du hier, Sky?“
„Ich wollte nur fragen, wieso du heute nicht im restaurant warst.“
„Ich war… krank.“
„Krank? Geht’s dir besser?“
„J-Ja danke…“
Ich holte meinen Kopf aus der Kälte und spitze die Ohren. Elif war heute nicht bei der Arbeit gewesen? Meine Elif White? Was zur Hölle?! Meine Schwester würde sich lieber alle ihre Haare einzelnd ausreißen, als nicht zur Arbeit zu erscheinen. Schließlich brauchten wir doch das Geld. Mit verschränkten Armen trat ich um die Ecke und lehnte mich gegen die Wand.
Sky hatte seine Hand besorgt auf ihre Schulter gelegt, doch Elif sah beschämend zu Boden. Und war hochrot. Irgendwie süß, aber um ehrlich zu sein war ich in diesem Punkt mehr Teenager als Realer.
„Seit ihr fertig? Ich wollte heute nämlich noch was essen.“
Hatte ich süß gesagt? Ich nehme es feierlich zurück. Sobald ich den Satz ausgesprochen hatte schoss mir Elif ihren berühmten Todesblick zu.
„Das kannst du doch jetzt auch noch, oder?“ zischte sie zwischen den Zähnen hervor, sodass sie mehr einer Schlange als einem menschlichen Wesen glich. Sky lächelte nur gequält.
„Ladies, wirklich…“
„Halt dich da raus, Sky,“ knurrte ich. Ich hatte immer schlechte Laune, wenn er da war. Noch schlechter, als wenn ich von einem Vampiren zu Boden geworfen wurde und fast ausgesaugt wurde. Und das musste mal einer schaffen. Ich hob meinen Mantel von Boden auf, steckte das Messer wieder in einer der großen Taschen. Dann zog ich sie über und klappte den Kragen hoch.
„Man sieht sich.“
„Adeth, warte…“
Elif’s Todesblick verschwand. Jetzt sah sie wie meine besorgte Engelsschwester aus, doch es interessierte mich nicht. Ich wollte weg und zwar sofort. Weg von Sky. Weg von Elif. Weg, weg, weg. Und nicht zu vergessen: Weg von der kopflosen Leiche.
„Ich will weg, Elif.“
Sie streckte ihre Hand nach mir aus, doch drückte sie dann, statt mich damit aufzuhalten, an ihre Brust und seufzte. Sky hielt den Mund. War auch besser für ihn. Aber sein Blick verfolgte mich. Diese grünen Augen lagen wie ein Kilo Blei auf mir. Ohne mich zu verabschieden trat ich über die Schwelle der noch offenen Tür und machte mich auf den Weg- wohin auch immer. Hinter mir fiel die Tür klackend ins Schloss. Ich vergrub meine Hände so tief wie es ging in den Hosentaschen und hüpfte die Wendeltreppen hinunter. Sky Jones. Pff. Ein Schleimer war er. Ein verdammter Schleimer, der meine Schwester nur benutzte. Wegen ihm blieben wir hier. Ein Teil von mir war dankbar. Ich hasste Umzüge. Der anderer Teil verfluchte ihn. Denn, wenn wir hier blieben, dann würden bald mehr als Vampire auftauchen, als man zählen konnte. Und darauf war ich nicht besonders scharf. Aber vorallem hasste ich ihn, weil er nicht menschlich war. Sky Jones war, wie ich, ein Black Reaper und somit mein Bruder.


A.


Er war nicht ganz mein Bruder. Ein Halbbruder. Und er war nicht mal ein ganzer Reaper.
Aber zuerst die Brudersache: Jeder von der Reaper- Art ist irgendwie mit einem anderen verwand, da wir alle von der gleichen Mutter stammen: Nemesis, Göttin der Rache. Jedoch muss man innerhalb der Spezies Reaper zwischen zwei Arten entscheiden: Black und White Reaper. Black Reaper sorgen dafür, dass die Seelen der Verstorbenen in die Hölle kommen und White Reaper sorgen dafür, dass sie zu Gott kommen. Natürlicherweise sollte man dann meinen, dass sie sich hassen. Was ja auch richtig ist. Nur Elif ist eine Ausnahme. Und Sky. Sie sind Crosser, was heißt, dass sie die Seite gewechselt haben, obwohl sie entweder eine Mischung zwischen Nemesis und dem Teufel oder Nemesis und Gott sind. Elif ist nun ein Gray Reaper, in der Lage Seelen in die Hölle und in den Himmel zu bringen. Sky ist auch einer. Nur ich bin ein reiner Reaper. Da meine Schwester zuerst ein White Reaper war, tendiert sie immer eher dazu, die Seelen in den Himmel zu schicken. Und Sky tut genau das Gegenteil, obwohl beide über die Seelen urteilen sollen. Schließlich tragen wir nicht umsonst schwarze, beziehungsweise weiße Kutten und eine Sense.
Genervt trat ich eine Dose gegen eine Mauer und vergrub meine Hände noch weiter in den Taschen. Der Plan umzuziehen kam mir auf einmal doch nicht so abwägig vor, mit Sky im Nacken. Wie man schon gemerkt hatte und wie ich es immer wieder gerne wiederhole: Ich hasse Sky Jones. Er denkt, er wäre etwas Besseres als ich, nur weil ich rein geblieben bin und nicht so feige war und vor dem Teufel weggerannt bin. Andererseits wären wir jetzt auch nicht auf der Flucht, wenn ich weggerannt wäre. Dafür hasse ich ihn auch. Klüger gewesen zu sein als ich- damals, zumindest. Heute war er einfach nur ein verliebter Trottel, der auf meine ältere Schwester stand. Und als jüngere Schwester hatte ich die Aufgabe diese Liebe mit allen Mitteln zu sabotieren. Ich würde ihm zeigen, was es hieß, sich mit einem waschechten Teufelsbrut auseinander zusetzten. Vom Teufel abzustammen hatte auch seine Vorteile.
„Hey, Mädel.“
Mit stechenden Augen sah ich hoch und begegnete den Blick eines Jungen. Ich bemerkte sofort, dass er ebenfalls ein Reaper war. Man erkannte Reaper immer an den Augen. Das linke Auge leuchtete immer etwas stärker, als das Rechte. Seine leuchteten wie weiße Schokolade. Lecker.
„Was?“ gab ich genervt zurück und ging an ihm vorbei, doch er packte mich am Oberarm und zerrte mich zurück.
„Lass los!“
„Du bist doch’n Blacky, nich‘?“
„Ich bin was?“
„Na, nen Blacky.“
Auf meinem gespielten ratlosen Blick verdrehte der Junge die Augen.
„Jetzt stell dich net so an. Du bist ein Reaper. Und dazu noch ein Schwarzer.“
„Kommt darauf an, wer fragt.“
„Ich.“
„Und du bist?“
„Lloyd Faun. Ebenfalls Reaper.“
„Ein Crosser?“
„Nope. Ich bin ein reiner, schwarzer Reaper.“
Ich beäugte ihn noch kurz, bevor ich mich kurz umsah und nach seiner Hand griff, die meinen Oberarm nach etlichen Minuten endlich los gelassen hatte.
„Lass uns woanders reden, Lloyd. Nicht hier auf der Straße.“
„Vor wem haste Angst? Die Mortals bekommen eh nichts mit.“
„Nein. Aber um sie mache ich mir auch keine Sorgen.“
Lloyd verengte seine Augen und es schien mir, als bedachte er mich mit einem prüfenden Blick. Dann nickte er.
„Zu dir oder zu mir?“
„Bäh,“ stieß ich zwischen den Zähnen angewidert hervor und ließ ihn los. Natürlich ging ich dann, demonstrativ, noch ein paar Schritte zurück, sodass ich genügend Abstand zwischen uns beiden brachte.
„Ganz sicher nicht zu dir, wenn deine Wohnung genausp käsig ist wie dein Anmachspruch.“
Darauf lachte Lloyd nur und streckte mit seine Hand entgegen.
„Was lässt dich vermuten, dass ich ne Wohnung habe?“
Nun war es an mir, den Jungen vor mir prüfend zu mustern. Das ausgewaschene Karohemd, die abgetragenen Jeans und die zotteligen, roten Haare. Und der sollte nicht in einer kleinen Wohnung leben wie Elif und ich? Wenn das stimmte, war die Welt wirklich unfair.
„Stimmt. Sicherlich wohnst du unter ner Brücke, hm?“
Beleidigt zog Lloyd seine Hand zurück, steckte sie in seine Jackentasche und machte auf den Absatz kehrt.
„Zu mir also,“ war alles was er sagte, bevor er die Straße entlang ging und um die nächste Ecke bog.

„Hier.“
Lloyd stellte mir ein Glas Wasser vor die Nase, bevor er sich gegenüber von mir hinsetze und die Beine überschlug. Wir befanden uns in seinem Esszimmer, was auch als Esssalon gelten könnte, so hoch, breit und lang wie der Raum war. Also war die Welt doch unfair. Lloyd hatte nämlich nicht nur ein Stock in einer Wohnung, sondern gleich zwei. Und das in einem drei-Stock-Gebäude, was hieß, dass ihm ein Drittel der Wohnung gehörten. Bastard. Letztenendes wusste ich jedoch nicht, wieso ich überhaupt hier saß. Ich hätte weggehen können. Einfach so. Aber ich bin ihm gefolgt aus Neugier, was er mir wohl zu erzählen hätte. Gedankenverloren nippte ich an dem Wasser, bevor Lloyd anfing zu sprechen.
„Ich bin, also wie du, ein schwarzer Reaper.“
„Und was macht ein Blacky hier?“
„Nach Seelen suchen. Es gibt keine bessere Stadt dafür.“
„Verstehe…“
Lloyd sah mich noch einige Sekunden an, dann seufzte er resigniert und fuhr sich durch die Haare. Er wirkte irgendwie verstreut und nicht wirklich bei der Sache, was mir mehr als nur komisch vorkam und mich ziemlich misstrauisch machte.
„Was ist denn?“
„Nichts, du… bist nur anders.“
„Anders? Na, dass ist doch eine schöne Art ein Mädchen anzumachen.“
„Wer sagt denn, dass ich dich anmachen will?“
„Na, wozu schleppst du mich sonst in deine Luxusvilla?“
„Du wolltest doch nicht auf der offenen Straße reden. Wie heißt du überhaupt?“
„Rate,“ gab ich einfach nur frech zurück und zog beide Augenbrauen hoch, wie er es mir nachtat. Jedoch eher skeptisch und amüsiert, als frech, so wie ich.
„Rosemarie.“
„Nö.“
„Rosalie?“
„Nein.“
„Rose?“
„Was hast du mit diesem Namen?“
„Welchen?
„Rose.“
„Für mich siehst du aus wie eine wie eine Blume. Und Rosen mag ich am Liebsten.“
„Nun, ich heiße aber Adeth Black.“
„Die Adeth Black?“
„So weit ich weiß gibt es nur eine,“ murmelte ich und trank wieder einen Schluck Wasser, bevor ich weiter sprechen konnte. Oder wollte. Doch Lloyd sprach zuerst.
„Das ist ja mal was.“
„Wieso?“
„Nun, man spricht viel über dich da unten.“
Darauf antwortete ich nicht, obwohl ich mir sehr gut vorstellen konnte, dass sie sich ihre widerlichen Mäuler über mich zerissen. Adeth Black, zusammen mit einem Gray Reaper unterwegs. Oha. Was ist wenn sie uns betrügt? Bla, bla, bla. Außerdem war ja noch die Sache.
„Ist ja auch egal. Wie gesagt, ich bin also ein Blacky,“ äffter er meinen Ton verschmitzt nach und faltete die Hände. Sie waren ganz glatt, keine Schwielen. Nichts.
„Du bist erst seit kurzem ein Reaper, oder?“
Diesmal war er es, der nicht sofort antwortete. Diese Konservation war wirklich nur ein Frage-Antwort-Spiel. Ganz amüsant, aber nicht wirklich etwas, was ich im Moment gebrauchen könnte. Ich sollte zurück zu Elif um zu sehen, ob Sky sie noch am Leben gelassen hat oder sie durch seine Schleimerei erstickt hat, so wie mich. Fast.
„Ich bin vor zwei Jahren gestorben.“
„Du Glücklicher.“
Ich schob das Glas zwischen meinen Händen hin und her. Diese waren rissig und voller roter Stellen, die sich sehr von meiner weißen Haut abhoben. Lloyd sah mich lange an, seine Augen lagen fest auf meinen. Sein Blick erinnerte mich etwas an den von Elif, durchdringend und unlösbar. Es sei denn man wandte den Kopf ab, was ich auch tat. Wieso brachten mich die Leute immer dazu, dass ich mich schlecht fühlte? Ich konnte doch nichts dafür, dass dieser Junge gestorben war, oder?
„Tut mir Leid,“ murmelte ich trotzdem. Lloyd schüttelte den Kopf und schloß die Augen.
„Nicht so schlimm. Jeder muss mal sterben.“
„Und wieso bist du bei… nun, bei dem gelandet?“
Ich stampfte kurz auf den Holzboden auf. Lloyd sah zu Boden, bevor er begriff was ich meinte. Wieso er bei dem lieben Herrn Teufel gelandet war.
„Ich habe meinen Vater geötet.“
„Oh.“
Na holla, dass war doch mal was. Noch lange nicht so schlimm, was die anderen Black Reaper in ihrem Leben vor dem Tod gemacht haben, aber immer hin. Das verdiente vielleicht eine Bronzemedaillie.
„Du?“
„Zu persönlich,“ entgegnete ich scharf. Er mochte mir zwar vertrauen, aber für mich war er nur ein Fremder mit einem Namen.
„Ich sollte gehen.“
„Ich wollte doch mit dir reden.“
„Wir reden.“
„Ich wollte mit dir über die Reaper reden.“
Auffordernd sah ich ihn an.
„Ich bin noch nicht lange hier. Ich habe bis jetzt gerade mal fünf Seelen gesammelt und er drängt mich. Und zwar sehr.“
„Verständlich.“
Er schnaubte. In seinem Blick lag eine unausgesprochene Frage, die ich mit einem Grinsen beantwortete.
„Und ja, ich muss zu allem meinen Senf dazu geben.“
„Freut mich, dass es nicht Ketchup ist,“ seufzte er bei dem Versuch frech und sarkastisch zur gleichen Zeit zu sein. Ich kaufte es ihn allerdings nicht wirklich ab. Ob es daran lag, dass er es einfach nicht konnte, oder an der Trauer in seinen Augen, dass wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass er ein großen Problem hatte.
„Das Ding ist," fuhr er fort und sah mir dabei nicht in die Augen (Frechheit!), "dass wenn ich ihm keine zweihundert Seelen bis Jahrende liefere, er…"
Lloyd brach ab und wuschelte ich durch seine roten Locken. Ich wusste, dass er fluchte. Elif zerzauste sich auch immer die Haare, wenn sie genervt war. Meistens immer von mir.
„Er wird meine Schwester umbringen lassen.“
Okay, ich wusste, dass der Teufel keine Gedult hatte. Und Vergeben war auch nicht in seinem Vokabular vorhanden, aber das war sehr hart. Hart und unfair. Ein neuer Reaper könnte doch unmöglich so viele Seelen sammeln. Irgendetwas an diesem Lloyd musste besonders sein.
„Und was hat das mit mir zu tun?“ fragte ich und trank wieder einen Schluck Wasser, aber nur, um etwas zu tun.
„Ich will, dass du mir hilfts.“


Impressum

Texte: Dieses Buch gehört: Joycelyn Brooks.
Tag der Veröffentlichung: 24.06.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme diese Geschichte meiner Lektorin Evi K. und Rittersport für die seelische Unterstützung. Und meinem Frosch, der hoffentlich bald zum Prinzen wird.

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