Tanzteeplaudereien
Einblicke in ein Hamburger Balzlokal
Sie tanzen sich ins kleine Glück
links/rechts nach vorn
und links zurück.
Von hanseatischer Zurückhaltung ist hier wenig zu spüren.
Die Körper suchen sich und sie finden sich auch.
Man ist höflich, geht doch aber schnell auf Kurs Abschleppvorgang.
Hier hat keiner Zeit zu verlieren.
Kaum einer der Tänzer ist unter 70.
Alle blicken auf ein langes erfülltes Leben zurück.
Die Musik wird von Kaeptn Hannes aufgelegt. Er scheint der jüngste zu sein.
Er hat im doppelten Sinn ein Herz für die Oldies.
Ihm fällt immer wieder etwas Neues ein, wie er die Mannschaft in Schwung bringt.
Mit dem Verkauf von Tombolalosen bringt er neue Tanzpaarkonstellationen aufs Parkett und erfreut die Herzen der potenziellen Gewinner.
Die Anzüge und Tanzkleider sitzen bei den meisten etwas stramm.
Das war sicher vor 20 Jahren etwas anders. Da saß diese Garderobe lockerer.
Überwiegend kennt man sich und grüßt sich auch an diesem Nachmittag mit Moin Moin.
Selten ruft Hannes zur Damenwahl auf, meist ist es Sache der Herren, sich ihre Tanzpartner zu suchen.Ich sitze direkt an der Tanzfläche und schnappe so manche Konversation auf:
“Mein Name ist Karl. Ich will kein langes Federlesen machen - ich bin 73 Jahre alt. Seit drei Jahren bin ich Witwer und finanziell unabhängig. Nun suche ich wieder eine neue Bindung. Ich habe hier gleich um die Ecke eine Eigentumswohnung. Oft bin ich aber in meinem spanischen Ferienhaus.”
Dergestalt von einer ganzen Lebenswelle überrollt antwortet seine feingliedrige Tanzpartnerin:
“ Na mal langsam mit de jungen Pferde” , sie lässt kurz seine linke Hand los und zupft sich dabei den eingelegten Spitzenkragen zurecht.
Ihre Tochter Sonja hatte ihr eingeschärft:
Nur keine neue Bindung. Tanzen kannst du ruhig gehen, damit du mal auf andere Gedanken kommst. Aber ich will nicht, dass sich hier ein Fremder in unserem Haus breitmacht.
Hanseatisch würdevoll und etwas steif stellt sie sich im Gegenzug vor:
„Mein Name ist Ursula Bronkhorst, mein Mann war leitender Schauermann hier im Hafen. Auch ich lebe alleine und habe mich mal heute raus gewagt. Manchmal habe ich das Gefühl, als falle mir die Decke auf den Kopp. Da muss ich einfach unter Leute. An einer neuen Beziehung bin ich aber nicht interessiert." Bei diesen Worten lässt sie ihren Adlerblick ringsum schweifen und taxiert blitzschnell mögliche andere Tanzpartner.
Im Grunde wollen sich alle deutlich verbessern und suchen einen sicheren Liegeplatz für die altersschwache Barkasse, die in ihrer Körperkarkasse steckt.
Machen wir einen Sprung in diesen kalten Februartag.
Ursula Bronkhorst, zu der Karl mittlerweile Uschi sagen darf, hat sich bei den letzten Tanzteenachmittagen nicht abgeneigt gezeigt, doch etwas Nähe aufkommen zu lassen.
Sie war noch nie in Spanien und eine Reise mit Karl in dessen dortiges Ferienhaus scheint ihr sehr reizvoll. Auch ihre Tochter hat gegen eine solche Reise nichts mehr einzuwenden.
Karl hatte sie schon fest ins Boot geholt und sie heute zu einer Flasche Rotwein überreden können. Beide waren aufgeregt, wie Teenager. Ihr fiel zweimal die silberne Kuchengabel vom Tisch, was Karl jovial übersah. Beim Öffnen der „Rioja Reserve 2002“ krümelte ihm etwas Kork in die Flasche, was sie wiederum geflissentlich nicht bemerkte.
Die Pläne für die Reise nahmen Gestalt an.
Um das Buchen der Flüge sollte sich Uschis Tochter kümmern. Sie arbeitet im Reisebüro Kreutzer. Karl sagte großzügig: „Vor Ort hast du dann freie Kost und Logis. Du brauchst nur die typischen Frauenarbeiten zu erledigen, wie Kochen und Saubermachen und hast auch ein Mitspracherecht bei der Bildauswahl und der Bepflanzung.“
„Du suchst wohl eine billige Putze, die alles durchfeudeln soll“ entgegnete sie etwas pikiert.
Da das Ferienhaus über zwei getrennte Schlafzimmer verfüge, brauche sich auch keiner vom anderen bedrängt fühlen. Natürlich wollte Karl auch Zärtlichkeit und Nähe – aber er konnte warten. Das hatte er ja wohl in den zurückliegenden Jahren bewiesen.
Nach dem ersten Glas Rotwein nahm Uschis Gesicht eine sommerliche Färbung an und sie wurde immer gesprächiger. Übereinstimmend bemerkten beide, dass man ganz gut zusammen passe.
Beim Abschied ,immer noch ohne Kuss, versprach sie, sich gleich telefonisch zu melden.
Er räumte das Speisezimmer auf und pfiff „ In Hamburg sind die Nächte lang“.
Als nach einer knappen Stunde das Telefon klingelte und Uschi sich wie versprochen meldete, fragte Karl etwas frech: „Na, meine Liebe, bist du heil angekommen und hast du dich auch nicht gestoßen?“
Sie war ein wenig irritiert und entgegnete,“Was soll das denn heißen?“
„Na ich meine ja nur – nach vier Gläsern Rotwein hast du auch nicht mehr den sichersten Eindruck gemacht.“
Ein Wort gab das andere.
Fazit: Aus Karl und Ursula wird nun doch kein Paar. Mal sehen wie sich die Dinge weiter entwickeln.
Bildmaterialien: Coverfoto vom Autor
Tag der Veröffentlichung: 07.02.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Die Geschichte wurde zufällig in Hamburg angesiedelt. Etwaige Ähnlichkeiten mit den handelnden Personen sind möglicherweise beabsichtigt.