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4. und abschließendes Kapitel:


Es kam, wie es kommen musste. Die Blinddarmentzündung wurde akuter.
Dr. Heberle war mit mir und Tinchen mit der OP-Vorbereitung beschäftigt.
Wie so oft in seinem Leben übernahm er ungefragt die Führung.
Unsere Patientin wurde von ihrem Wurmfortsatz befreit und war schon einen Tag später relativ schmerzfrei auf einer Liege an Oberdeck zu sehen. Noch war sie schwach aber über ihr Gesicht huschte ein glückliches Lächeln als sie mich sah.
„Herr Doktor, Sie haben mir das Leben gerettet.“
„So schnell stirbt es sich nicht an Bord“ sagte ich scherzend. „Richtig danken können Sie Dr. Heberle, der hatte bei der OP die sicheren Chirurgenhände“.

Die Nachricht von der „Gemeinschafts-OP“ machte schnelle Runde an Bord. Überall gab es zufriedene Reaktionen.
Sollte ich denn wieder einmal glimpflich davon kommen?
Ich ging in meine Kabine und überlegte mir verschiedene Ausstiegsszenarien.
Richtig befriedigend war keine dieser Lösungen.
Ich hörte den Kapitän im Kabinengang husten und schon stand er in meinem kleinen Reich.
„Doc, Sie kommen heute nach dem Lunch in meinen Salon und bringen gleich den Heberle mit.“ Was hatte das zu bedeuten? Kam jetzt das schreckliche Ende?
Um 14:30 Bordzeit stand ich mit Heberle vor dem Kapitänssalon.
Über Lautsprecher vernahmen wir seine dröhnende Stimme: „Kommen Sie rein, das Schott ist offen.
Auf einem geschnitzten Konferenztisch mit Muschelintarsien war ein Silbertablett mit Champagner und Kristallgläsern, zwei himmelblauen Medaillenkästchen und eine kleine Ledermappe in der gleichen Farbe.
Ohne seine Zigarre aus der Hand zu legen, begann der Kapitän eine joviale und freundliche Rede:
„Meine Herren, ich habe Sie zu mir gebeten, um Ihnen beiden den Dank der Reederei zu übermitteln. Dr. Heberle, Sie haben sich in besonderem Maße einsatzbereit erwiesen. So etwas findet unsere ganze Anerkennung. Ich darf Ihnen ein Bonuszertikat in Leder überreichen, womit Sie fünf Schiffsreisen auf einem Kreuzfahrtschiff ihrer Wahl aus der Flotte von Worldline Oversea unternehmen können.“
In den Medaillenkästchen waren goldene Kreuzfahrtschiffe. Eine kreative Idee des Reeders.
Der Kapitän spielte mit einem Knopfdruck Beifall ein (eine kleine Spielerei von Reini, wie ich ihn mittlerweile nennen durfte)
Der Kapitän wandte sich an Dr. Heberle: „So, mein Lieber, ich glaube Sie können zufrieden sein. Grüße an die verehrte Gattin.“ Er stand auf und gab dem pensionierten Arzt die Hand und sagte zu mir gewandt, „wir beide habe noch etwas zu arbeiten“
Nachdem sich die Salontür mit einem elektronischen Knarren geschlossen hatte, stellte sich der Kapitän hinter mich, legte mir seine Pranke auf die Schulter und begann sein unerwartetes Geständnis:
Ich hätte gedacht, Johnny, du kommst von alleine drauf. Mit dem Generalschlüssel konnte ich dir jederzeit unbemerkt einen der BookRix-Glückskekse aufs Kopfkissen deiner Koje legen.
Das war sozusagen eine stille Post für dich. Natürlich, hatte ich dich und die anderen BookRixer längst alle enttarnt. Aber ich muss und werde für meine eigene Tarnung weiterhin sorgen. Du wirst von mir auf Long Beach Island in Ehren von Bord verabschiedet.
Dort steigt Jana zu, eine junge Ärztin (auch aus unserer Familie)
Sie wird deinen Job hier auf Probe übernehmen. Der Reeder ist einverstanden und will auf alle Fälle jeden Imageschaden vermeiden.
Nun zu mir. Du dachtest immer, ich wäre der junge Computerspezialist aus Bremen. Das war ich auch. Mein Studium hatte ich mir als Kellner und Friseur verdient. Aber mir fehlte einfach der Kick. So heuerte ich vor 15 Jahren auf einem asiatischen Kreuzfahrer als Steward an und avancierte schnell zum Chefsteward. Ich machte Kohle ohne Ende und kam auf die Idee, mir in London ein gefälschtes Kapitänspatent zu kaufen. Alles lief wie am Schnürchen - besser als bei dir. Mit der Zeit habe ich auch keine Bedenken, diesen Job auszuüben. Meine nautischen Kenntnisse habe ich mir als Autodidakt angeeignet. Ich glaube selbst der Reeder ahnt etwas von meiner wahren Identität.
Der weiß aber auch, dass ich über die Herkunft seines märchenhaften Vermögens im Bilde bin.
Eine Hand wäscht die andere.
Ich habe deiner Verlobten Juli ein Flugticket nach Long Beach Island geschickt.
Fürs erste könnt ihr ja dort die Strandbar eines Bekannten von mir übernehmen.
So Doktor, das ist die hora de adios (die Abschiedsstunde)
Er drückte kurz meine Schulter und wandte sich ab zum großen Bulley.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 31.05.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
meinem Kapitän dem ich viel zu verdanken habe

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