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Anonyme Segler auf der Santa Gorch

Santa Gorch

Der internationale Verband der anonymen Segler hatte auch in diesem Jahr wieder zum gemeinsamen Erlebnisurlaub aufgerufen.
Die Santa Gorch, ein Dreimaster aus Hamburg war Ziel und Urlaubsparadies zugleich.
Als sich die anonymen Segler an einem geheimen Ort in der Karibik trafen, wurden sie von Barkassen erwartet und auf das Riesensegelschiff gebracht. Jeder Teilnehmer durfte als Gepäck nur einen Seesack und einen Brustbeutel mitbringen.
Schon die Überfahrt war ein Erlebnis, musste doch jeder Urlauber aus der Barkasse über eine Strickleiter ohne fremde Hilfe das Deck der Santa Gorch erreichen.
Die See verhielt sich freundlich. Alle Erlebnisurlauber erreichten ihr angestrebtes Ziel ohne große Mühe.
An Bord herrschte ein paramilitärischer Ton. Oberbootsmann Gerd Focker brüllte jeden Ankömmling “bordgerecht” zusammen. Sein Gehilfe, ein gewisser Peter Hein heftete jedem Teilnehmer sein Namensschild an die Schwimmweste.
Alle anonymen Segler wurden für leichte bis mittelschwere Bordarbeiten eingeteilt.
Ich hatte das Glück, Obermaat Feudel zugeteilt zu werden. Ein ruhiger rothaariger Junge aus Flensburg, der alle halbe Stunde “na denn” zu mir sagte. Wir waren an Oberdeck für Sauberkeit zuständig. Oberdeck schrubben, Schiffsglocke polieren, Reling nachspannen usw.
Die mitgereisten Urlauber, die in die Takelage gejagt wurden, beneidete ich nicht.
Es dauerte auch nicht lange, dann kletterten die Ersten wieder runter und baten kreidebleich um Zuteilung zu einem anderen Team.

Beim Käptensdinner wurde ich für 15 Minuten an die Back des Kapitäns gerufen.Ich sollte BookRix Gedichte aufsagen. Ich kam mir vor, wie in meiner Kindheit, als ich an Weihnachten gezwungen wurde, irgendwelche Verse vorzutragen.
Meine Zunge war wie gelähmt. Der Käpten faselte etwas von Kielholen und schubste mich mit lautem Lachen wieder von seinem Tisch.
Da war ich erst mal bedient und ging zur Kombüse und ließ mir “für den Kapitän” Spiegeleier mit Krabben machen und aß sie natürlich allein.

Ich teilte mir eine winzige Kajüte mit drei anderen Männern. Dadurch, dass wir alle täglich anders eingeteilt wurden, kamen wir kaum ins Gespräch. Nur nachts sah ich manchmal, wie ein ängstliches Zucken über ihre erschöpften Gesichter huschte.
Einer, ein Sachse aus Leipzig, prahlte eines Tages, dass er nie seekrank würde.
Er wurde aber auch nie in der Takelage gesehen, sondern schraubte so oft er konnte an einem der beiden Schiffsdiesel herum. Er kaute ewig an einem Stück Trockenbrot herum – offenbar sein Geheimrezept gegen die tückische Seekrankheit.

Ein seemännischer Offizier erklärte mir geduldig die Arbeitsweise eines Sextanten.
Früher dachte ich immer Sextanten seien weibliche Liebesdiener an Bord.
Alle weiblichen anonymen Segler wurden nicht in die Takelage geschickt, sondern gewissermaßen gezwungen, zu jeder Tages- und Nachtzeit als Backschafter beim Stammpersonal zu Diensten zu sein. So dauerte es nicht lange, bis regelrechte Sexorgien veranstaltet wurden.
Meine diesbezüglichen Beweisfotos wurden vom Sicherheitsoffizier, Kapitänleutnant Schnüffler, konfisziert.
Auch musste ich mir alle Erinnerungen auf meiner biologischen Festplatte speichern.Kaleu Schnüffler warf meinen Laptop im hohen Bogen in die Bilge.

Heute wurde der Segeltörn auf Weisung von ganz oben ruckartig abgebrochen.
Ich hörte etwas von einem Untersuchungsausschuss des Wehrbeauftragten ...

Am Ende meiner Reise war ich um 3 kg leichter und um einige Erfahrungen reicher.

Ahoi von der Santa Gorch.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 18.02.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
allen Freunden der Seefahrt gewidmet

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