Haarstäubend
Von der Wortbedeutung her steht
haarsträubend
für erstaunlich,
unerhört und ungeheuerlich und viele weitere Adjektive.
Ich widme mich ausschließlich dem Haar.
Ein Thema mit vielen Tabus.
Ich werde mal behutsam einige davon lüften.
Fangen wir doch mal in der Kindheit an.
Bei Neugeborenen ist der normale Haarzyklus in der Kopfhaut noch nicht "eingerichtet" und so verliert es in aller Regel nach der Geburt mehr Haare, als nachwachsen können. Es braucht ca. ein Jahr, bis dieser Zyklus stabil geworden ist.
Spätestens bis zum zweiten Geburtstag sprießen die Haare wieder, wenn auch nicht unbedingt in der gehabten Form und Farbe. Wie sich Beschaffenheit und Farbe in dieser Zeit entwickeln, wird von den Genen gesteuert und ist von außen nicht beeinflussbar.
Außer man färbt seinem Liebling die Haare mit den Resten von Mutters teurer Haarfarbe.
Aus einem Rotschopf wird oft ein bräunlicher Kopf, ein anfängliches Blond weicht schon mal einem Rot.
Sucht man in den Babynasen oder Babyohren nach Haaren – Fehlanzeige.
Von Intimbehaarung in den ersten Lebenswochen habe ich ebenfalls noch nichts gehört.
Manche stolzen Muttis klemmen ihren Töchtern schon mit wenigen Monaten die Haare mit Spangen zusammen und haben keine Ahnung von der sogenannten Fontanelle.
Im Normalfall wird also aus dem liebenswerten kleinen Glatzkopf ein pussierliches Kleinkind mit schicker Haarpracht.
Der Haarzyklus in der Kopfhaut ist eingerichtet und noch weiß keiner, wann die Glatzenbildung losgeht.
Als Kind will man sein Taschengeld aufbessern und da sind die Nasenhaare von Opa eine sichere Einnahmequelle. Auch aus den Ohren lassen sich einige Cents herausschneiden. Mein Vater war so eitel, er zahlte recht gut für das Entfernen der grauen Haupthaare.
In der Pubertät wechseln die Frisuren der Jugendlichen oft häufiger als die Jahreszeiten.. Da geht es von Pferdeschwanz über Schulterlang und Bob zum modischen Kurzhaar und wieder zurück. Jede Phase wird von verschiedenen Farben und Strähnchen begleitet. Auch die männlichen Jugendlichen sind davon nicht völlig ausgenommen.
Meine Mutter erzählte mir mal 1950 von einem Burschen, der wunderbare extrem kurze Haare hatte, über die sie so gern mit ihrer Hand strich.
Diese Bemerkung führte fast zu einer Katastrophe. Ich ließ mir eine Glatze schneiden, um meiner Mutter und der staunenden Umwelt zu imponieren.
Der Friseur hatte zunächst Angst vor Konsequenzen seitens meines Vaters (er war auch ein selbständiger Handwerksmeister) – aber diese Saison ging vorbei.
In der Schule saß ein hübsches Mädchen neben mir, eine Susanne mit langen blonden Haaren , auch an den Unterarmen, die imponierten mir sehr.
Damals war bei den Jungs Scheitel fast Pflicht, so wie heute kaum ein junger Mann ohne Haargel auskommt.
Von rasierten Beinen habe ich in dieser Zeit nie etwas gehört.
Das Wort von der Intimrasur war mir noch unbekannter.
Allerdings nicht der Menschheit:
Schon im Altertum war es in verschiedenen Kulturen üblich, sich die Schambehaarung zu entfernen.
In den frühen Hochkulturen in Mesopotamien und Ägypten war die Entfernung von Körperhaaren bekannt. Vor 4000 bis 3000 v. Chr. wurden Haarentfernungsmittel aus Harzen, Pflanzenextrakten, Eselsfett, Fledermausblut und Pech verwendet. Auch geschliffene Steine und Muscheln wurden zur Haarentfernung verwendet. Wie grausam!
Im alten Ägypten gehörte ein haarloser Körper zum Schönheitsideal. Frauen entfernten sich die Augenbrauen sowie die Körperbehaarung einschließlich der Schamhaare. Die Menschen rasierten sich eine Glatze und trugen aufwändige Perücken. Neben der Ästhetik spielte damals auch die Hygiene eine entscheidende Rolle. Ohne Körperbehaarung war es für Parasiten wie Läuse oder Milben schwieriger, sich festzusetzen, so dass die Verbreitung von Krankheiten eingedämmt wurde.
Doch wieder zurück ins Jahr 2010:
Heute gibt es nicht nur Perücken und Haarteile, sondern auch Extensions (aufwändige Haarverlängerungen).
Aber selbst reiche Männer und Frauen können nicht gegen die Natur mit ihrem Geld antreten.
Wenn das so einfach ginge, hätte z.B. Prinz William auch keinen Glatzenansatz zu beklagen.
Wer traurigerweise sein Haupthaar infolge einer Chemotherapie verliert, hat heute gute Chancen, seine alte Haarpracht wieder zu erlangen.
Über Bärte und ihre Träger könnte man ein gesondertes Buch schreiben.
Wer ein Haar in der Suppe finden will, hat meist eines dafür parat.
Für manchen Leser war es vielleicht haarsträubend, also im Wortessinn erstaunlich, unerhört oder gar ungeheuerlich?
Wem sich erst jetzt die Nackenhaare sträuben, der kann das Büchlein getrost zuklappen.
Er ist am Ende angekommen.
Texte: Der Teil über Enthaarung im Altertum wurde vom Autor aus Wikipedia übernommen.
Tag der Veröffentlichung: 03.12.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
den vielen Leuten gewidmet, die mit ihren Haaren Probleme haben