Klassentreffen
Wie freute ich mich auf diesen Tag.
Sollte es doch ein Wiedersehen mit alten Schulkameraden geben, die ich nahezu ein halbes Jahrhundert nicht wieder sah.
Tausend Fragen schwirrten in meinem Kopf herum:
Würde ich jeden der Anwesenden wieder erkennen?
Werden die anderen mich überhaupt erkennen?
Wie haben sich meine alten Schulkameraden beruflich orientiert?
Was wird man über ihre familiäre Situation erfahren?
Würde es Schwätzer geben, die alle Aufmerksamkeit auf sich lenken wollten?
Wie würde dieser Tag, dieses Treffen überhaupt ablaufen?
Was werden neben Gesprächen, Fotos, Essen und Drinks für Eindrücke vorherrschen?
Gleich an der Eingangstür stand der baumlange
Tom Bola und verkaufte chinesische Glückskekse mit nichts sagenden Sprüchen im Keksbauch.
Ich kaufte zwei und blickte mich aufmerksam in der Runde um:
Der elegante Herr mit den alkoholgefärbten Wangen hat Gesichtszüge wie Mario –
Ja, es ist Mario Nette, ein Kumpel aus alter Zeit.
Ich überlegte kurz, ob ich jetzt schon meine Digitalkamera auf ihn richten sollte, aber ich ließ sie noch brav stecken.
Die nette Blonde dort mit dem ausladenden Busen sieht aus wie Anna Fischer.
Ich höre gerade, sie hat inzwischen eine eigene Apotheke und ist zum dritten Mal verheiratet und heißt nun Anna Bolika.
Mittlerweile machte der Diskjockey lautstark auf sich aufmerksam und stellte sich kurz vor: „Mein Name ist Rod Weiler – ich bin Ihnen sicher von Funk und Fernsehen bekannt. Rufen sie mir ruhig den gewünschten Musiktitel zu und ich werde machen, was sich machen lässt.“
Wanda Schuh war all die Jahre unverheiratet geblieben und stürzte beim Klang der ersten Takte gleich auf eine Gruppe rauchende ehemalige Mitschüler zu.
Sie wählte den überraschten Axel Schweiß als ersten Tanzpartner und zog die Blicke aller auf sich.
An der Bar entdeckte ich einen wirklichen Gentleman.
Wir begrüßten uns förmlich. Er sagte sofort Johnny zu mir und ich wusste noch immer nicht wo ich ihn hinstecken sollte. Er sah aus, wie aus dem Ei gepellt – da fiel mir auch sein Name ein:
Dieter Dotter
Mein alter Schachfreund Peter Silie hatte schlohweißes Haar und rückte unentwegt mit der Zunge sein bewegliches Gebiss zurecht. Die kleine Conny Fere wich nicht von seiner Seite und ich erfuhr erst kurz vor Schluss der Veranstaltung, dass die beiden verheiratet waren.
Dr. Bernhard Diener hat als einziger meiner ehemaligen Mitschüler die Beamtenlaufbahn eingeschlagen. Er verteilte unentwegt Visitenkarten, die er aus einer prallgefüllten Handgelenktasche hervorzauberte.
Einer der inzwischen alten Männer tippte mir neckisch auf die Schulter.
Es war Reiner Hohn, der bei uns in der Band damals Schlagzeug spielte.
Ich habe ihn sofort an seiner goldenen Kette erkannt.
In seinem Schlepptau hatte er einen jungenhaften Typen zu dem er laufend „Aber Rudolf!“ sagte. Da erkannte ich ihn auch, es war Rudi Mente`re von dem ich früher immer die Matheaufgaben abschreiben durfte.
Der einzige von allen, der sich kaum äußerlich verändert hatte, war der kleine Franz Brandwein. Er trug Sandalen und zuckte wie früher mit seinem linken Auge.
Spät am Abend wollte ich noch einige Fotos machen, z.B. von Frank Reich der in Paris eine Karriere als Banker hinlegte. Aber meine mitgeführten Akkus waren leider leer.
Als ich am Morgen ein wenig die Orientierung verlor, hakte mich ein junger Türke unter. Er sagte: „Ich soll hier meine Mutter abholen. Vielleicht kennen Sie sie? Ach so, Sie wissen ja gar nicht wer ich bin, Izmir Übel - meine Mama heißt Vera.
Texte: Fotos konnte ich leider nicht machen - meine Akkus waren leer
Tag der Veröffentlichung: 24.03.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
meinen realen Klassenkameraden der 50/3 gewidmet
Die Namen mußte ich verfremden