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Die Kekse der Kanzlerin

Ich spazierte bei diesem herbstlichen Wetter etwas gedankenverloren die geschichtsträchtige Straße Unter den Linden entlang.
Kaum ein Blatt lag auf der Straße. Die BSR (Berliner Stadtreinigung) leistete wirklich
ganze Arbeit.
Zufällig bemerkte ich zwei Personen am Straßenrand, die zwischen zwei
schwarzen Limousinen standen und miteinander redeten. Als ich auf ihrer Höhe
war, wurde er leiser, sah ein wenig bedrückt aus und senkte den Kopf.
Sie sagte laut und entschlossen: "Gehen Sie schon mal rauf und denken Sie über
Ihre Rolle bei dieser Geschichte nach. Ich habe keine Lust, hier auf der Straße mit
Ihnen zu diskutieren.“
Die entschlossene Frau schien die Kanzlerin zu sein. Der Mann, der gerade zusammengestaucht wurde, sah aus wie Kauder.
Er ging ohne sich umzuschauen in einen großen Hauseingang und lief eine pompöse Marmortreppe empor. Etwas drängte mich, diesem Mann zu folgen. Noch auf der Treppe sprach ich ihn an: „Entschuldigung, hätten Sie mal 5 Minuten für ein Gespräch?“ Ohne mich direkt zu beachten sagte er leise: „Kommen Sie, die Zeit nehme ich mir.“
Er steuerte auf eine moderne Sitzgruppe zu und lud mich mit einer Handbewegung
ein, Platz zu nehmen. Ich war über mich selbst erschrocken und überlegte
blitzschnell, was ich wohl mit diesem Mann zu besprechen hätte. Immer wieder werde ich Opfer meiner verrückten Launen. Als ich den Kopf hob und mich zunächst entschuldigen wollte, sah ich weder Kauder noch einen ihm ähnlichen Mann.
Vor mir saß eine attraktive Frau Ende dreißig mit einem taillierten lindgrünen
Kostüm. Ihr höflicher freundlicher Blick entwaffnete mich und machte mich
völlig sprachlos. Sie schien meine Verlegenheit zu bemerken und lud mich ein,
von den Keksen zu nehmen, die in einer Weihnachtsschale auf dem Tisch standen.
„Die hat SIE gebacken“, bemerkte sie stolz. Ich nahm mit meiner größeren rechten Hand wie so oft drei Spekulatius mit einem Mal.
Wo war ich hier?
Was suchte ich mit meinen Jeans in dieser offensichtlich feinen Umgebung?
Hatte man mit mir Besonderes vor?
Wie lange war ich eigentlich schon in Berlin?
Was ist eigentlich mit Kauder?
Während ich darüber nachdachte, krümelten die Spekulatius wie Meeressand durch meine Finger direkt auf meine Bettdecke.


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Tag der Veröffentlichung: 26.11.2009

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