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Etwas fehlt immer

Defizite im Alltag

Wer ist schon restlos zufrieden?
Bei wem läuft alles perfecto?

Geht es Ihnen nicht auch so: Man hat gerade den großen Einkauf beendet,
schon stellt man fest, dass nicht eine Zwiebel im Haus ist.
Fast so schlimm sind die kleinen Schußlichkeiten: man will Kaffee oder Tee aufgießen und schüttet das kochende Wasser in die leere Kanne.
Bei einem fehlenden Ei hilft schnell die Nachbarin aus.
Die hat ja auch nie Zucker im Haus. So etwas festigt die Freundschaft unter Nachbarn.
Peinlich wird es, wenn zum Mohnkuchen eingeladen wird und keiner findet einen Krümel Mohn in seinem Kuchen.
Man könnte in den Boden versinken, wenn nach dem Ruf: “Ober zahlen!“ die Suche nach Geld oder Kreditkarte erfolglos verläuft.
Geschlechtsspezifische Unterschiede kommen hinzu:
Fehlender Nagellackentferner kann eine Frau schon unruhig machen,
fehlende Dübel oder Dichtringe machen den Heimwerker nervös.

Bei uns Autoren ist ein schlimmer Zustand erreicht, wenn die Worte fehlen.
Nein, ich meine nicht die Sprachlosigkeit schlechthin. Ich denke an z.B. fehlende Reimworte.
Neulich traf ich einen Kollegen, der mir auf die Schnelle etwas Gereimtes vorlegen wollte: Nach einer Minute schob er mir stolz seinen Zettel rüber:
„Ich fragte mich, was es wohl solle.
Worin besteht jetzt meine Rolle?
Ich trink nie mehr als eine Molle.
Mein Liebesleid ist schon sehr dolle“
Ich blickte etwas abwesend auf den Zettel und dann aus dem Fenster und fragte schließlich: „Macht sie schon wieder Ärger Deine Olle?“

Jetzt legte er los mit Oswald Kolle
Beschrieb seine Gefühle wie ein Glas Wolle …
Ich legte einen 5 Euroschein auf den Tisch und sagte: „Ich ruf Dich an“
Diesen Irren will ich nie wieder sehen.

Manchmal bekomme ich auch ganz ernstzunehmende Leseproben.
Mit der Bitte um meine ehrliche Meinung.
So bekam ich gestern ein offenes Kuvert mit einem ausgerissenen Blatt, darauf stand:

„Man konnte ihre Tränen nicht sehen, sie liefen innen hinter die hohlen Wangen direkt ins Tränendepot.
Von der dauernden Welle ihres Haares hingen nur Strähnchen fett und strohig zugleich über Ohren und Stirn. Nervös trommelten ihre langen Fingernägel auf die Tischplatte und berührten fast den übervollen Aschbecher.
Von draußen das leise Klirren des Frostes.“

Ich suchte nach dem Absender der Zeilen. Vergeblich - etwas fehlt immer.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 15.11.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Allen vergeßlichen Mitmenschen gewidmet

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