Cover

Der Freitod einer Palme

Kurt, ein Freund aus alten Tagen, pflegte oft zu sagen „auch ein Schweineherz kann bluten“. So geht es mir heut. Gerade am Geburtstag meines Vaters, beschäftigt mich der Freitod einer Palme.
Viel liest man über die Befindlichkeit anderer Menschen, von Hunden und Katzen, ja selbst von Goldfischen. Selten äußert sich aber ein Autor über die Befindlichkeit von Pflanzen. Ich berücksichtige bei dieser Aussage natürlich nicht die biologische Fachliteratur.
Sicher hört man schon mal, „die Rose mickert so dahin“ oder „mein Apfelbaum will dieses Jahr wohl gar nicht tragen“. Was ich meine, ist die total einfühlsame Pflanze, die dem Menschen mehr als nur ein Zeichen gibt.

Im Mittelmeerraum ist es üblich, dass die Promotoren von Ferienhäusern auch gleich die Erstgartengestaltung realisieren und dabei die Wünsche der späteren Eigentümer berücksichtigen. Nach dem Motto:
„Ist der Garten noch so klein
ne schicke Palme passt schon rein.“
Darüber hinaus geht es natürlich um die zweckmäßige gesamte Außengestaltung: Wege, Hecken, Kiesbett und eben Bäume.
Von Palmen hört man, sie zerstören mit ihren Wurzeln unterirdisch verlegte Rohrleitungen, Kabel – ja können Mauern und sogar Häuser zum Einsturz bringen.
Alternativ kann man sich natürlich auch für Zitruspflanzen entscheiden.
Ich hatte mich zu diesem frühen Zeitpunkt für einen Apfelsinenbaum entschieden und habe das bis heute nicht bereut. Andere bevorzugen, wie gesagt Palmen und sind ebenso überzeugt, dass sie die richtige Wahl getroffen haben.


Ein Bekannter von mir stutzt sein Kopfhaar mit einem Haarschneideset von ALDI durch eigene Hand und ohne zusätzliche Kosten, gönnt aber seiner Palme einen professionellen Palmenfriseur.

Ein anderer guter Freund nennt die prächtigste Palme weit und breit sein eigen.
Wir genossen Jahr für Jahr den Schatten, den sie uns spendete, und tranken manch Glas Rotwein unter ihren Wedeln. Dennoch blieb uns und der Palme nicht verborgen, dass dieser Freund oft unwillig nach längerer Abwesenheit die vielen nachgewachsenen Palmenwedel stutzen und entsorgen musste.

Das ist wirklich eine schwere Arbeit und man kann sich leicht dabei verletzen.
Im letzten Jahr muss zwischen dem Freund und der Palme irgendetwas vorgefallen sein.
Ich bin mir nicht sicher, was es war. Es war vielleicht lediglich die Art des Palmenbeschnitts und die dabei geäußerten Worte. Etwas hatte die Palme auf die Palme gebracht. Erwähnen will ich noch, dass der liebe Freund alle seine Pflanzen in ein automatisches Beregnungssystem einband – mit Ausnahme der Palme. Die hat natürlich ihr eigenes Versorgungssystem und holt sich das Wasser notfalls von weither.

Als Chronist mache ich Fotos. Die Palmenwedel machten schon seit Wochen einen verärgerten und welken Eindruck. Am Dienstag erstellte ich noch ein Vergleichsfoto mit der Nachbarpalme und mailte es meinem Freund.

Dieses Foto, mit einem hämischen Text versehen, gab möglicherweise den Ausschlag.
In der Nacht zum Mittwoch stürzte sich diese Palme mit Unterstützung einer Windböe in den Palmenfreitod. Ich mache mir riesige Vorwürfe.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 10.09.2009

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /