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Der Vaterschaftstest

Ich wurde schon so oft in meinem Leben belogen.
Jetzt, wo ich das Geld dazu habe, will ich die ganze Wahrheit wissen.
War mein Vater wirklich mein Vater?
Hat meine Mutter mich wirklich auf die Welt gebracht?
Bin ich tatsächlich mit meinem Bruder verwandt?

Dieses Fragenpaket wiegt schwer und wird in meinem Alter viele Kosten verursachen.
Ich schrieb an Molli Geißen von RFL. Die haben dort jahrelange Erfahrungen mit solchen Recherchen. Es dauerte nicht lange, da kam ein Team von RFL in mein Haus.
Freundlich fingen sie unaufgefordert an, eine Homestory zu drehen.
Bevor ich mein Einverständnis geben konnte, waren Scheinwerfer installiert, Raummikros überall angebracht. Im Waschkeller richteten die sich ihr Tonstudio ein.
In meinem Wintergarten fand ein Interview nach dem anderen mit meinen Nachbarn statt. Peinlich wurde es mir, als sie meinen alten Mathelehrer, Herrn Bläsing nach meinen schulischen Leistungen befragten. Der mittlerweile 93 jährige Bläsing spielte die ganze Zeit mit seiner goldenen Taschenuhr Jojo und fragte den Reporter, ob er wisse, dass er, Bläsing anno1945 die Zahl Pi erfunden habe. Als Beweis zeigte er stolz ein Foto seines Hauseingangs mit der Ehrenhausnummer 314.
Mich hatte Bläsing gar nicht mehr erkannt und faselte immer etwas von einem Informationshonorar, was ihm zustände und ich solle ihm eine Tasse Pfefferminztee bringen – aber plötzlich.
Der Aufnahmeleiter war ein cooler Typ von Mitte 30. Er hatte übrigens mein after shave von Pilot water und er merkte sofort, dass wir gleich rochen.
Obwohl er mein Sohn hätte sein können, redete ich mit ihm auf Augenhöhe.
Der Redakteur kam erst am fünften Drehtag und brachte ein dickes Kuchenpaket von der Tanke mit.
Es ging gar nicht mehr um meine eingangs erwähnten Fragen.
Wie nebenbei bat er um einige Gegenstände, die zweifelsfrei meinem vermeintlichen Vater zuzuordnen seien. Das überraschte mich nicht. Es war aber dennoch nicht ganz einfach. Schließlich lebte mein Vater seit 1975 nicht mehr. Ich hatte aber noch ein Taschenmesser von ihm und eine Zahnbürste, mit der er seine Münzsammlung auf Hochglanz brachte. Das sollte reichen. Dass ich noch das Hörgerät meiner 2002 verstorbenen Mutter aufbewahrte, brachte mir weitere Pluspunkte vom Sender ein.
Auch mein Bruder bezieht seit zwei Jahren keine Sozialleistungen mehr. Sie hatten ihn auf seinen Wunsch in der Karibik seebestattet. Aber seine guten, kaum getragenen Turnschuhe waren in meinem Besitz – auch das sollte reichen.
Die Aufnahmen waren beendet. Mit mir wollte man live im Studio reden und bei der Gelegenheit auch die entsprechenden Resultate des Instituts Eugenius offen legen.

Die Fahrt nach Berlin verging wie im Fluge.
Bei RFL ging es zu, wie in einer Hotelhalle.
Die Neuangereisten bekamen einen Begrüßungsdrink. Nach 5 Minuten kam Molli Geißen persönlich mit offenen Armen auf mich zu. Ich fühlte mich echt wohl.
Molli sagte gleich zu mir, „Hab keine Angst vor den Kameras. Du bist ein Naturtalent.“
Wir fahren im Bus zum Studio.
Nach kurzem Trailereinspiel setzte Molli die lockere Unterhaltung mit mir fort. Da liefen schon die Kameras und bei einigen Studiogästen die bestellten Tränen.
Ich vergaß fast, warum ich eigentlich hier war.
Das Gespräch berührte dann doch noch meine Kindheit in den ersten Nachkriegsjahren.
Ich wurde ein wenig sentimental und hatte einen Frosch im Hals.

Dann wurde Dr. Weber vom Eugeniusinstitut gerufen.
Beifall brandete auf. Der seriös wirkende Dr. Weber öffnete auf Mollis Verlangen
spannungsvoll ein Kuvert nach dem anderen.
Danach stand zu 99,45 % fest, mein Vater komme als Vater in Frage. Bei meiner Mutter lagen die Prozentzahlen im vergleichbaren Bereich. Etwas abweichend dann doch das Ergebnis bei meinem Bruder.
Die laute Studiomusik signalisierte uns allen, die Sendung war abgedreht.
Molli umarmte mich und sagte noch mal, “ du bist ein Naturtalent“
Ich zückte meine Brieftasche und wollte die Kosten für die sicher teuren Recherchen und die drei Gutachten des Instituts begleichen, da sagte Molli Geißen: „ Ja richtig, jetzt kommen wir zum wichtigsten Teil. Bist du einverstanden, wenn wir dir 4.500 Euro geben?
Steuerfrei natürlich?“
Mir verschlug es die Sprache und ich steckte das Geld wortlos in die Brusttasche meiner Jacke. Molli sagte abschließend zu mir: „Bei dir stimmt einfach alles, die location und die angeborene Lockerheit. Die nächsten Aufnahmen bei dir machen wir zu einem ganz anderen Thema. Ich schick dir noch das Drehbuch. Die Storys mit Senderdrehbuch bringen allerdings nur 4 Riesen.“

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 01.09.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Warum soll ich gerade diese Erfahrungen für mich behalten? Allen Zweiflern gewidmet

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