Als sich Günter Habermann für eine Hotelkarriere entschloss,
hätte er eigentlich wie so viele seiner ehemaligen Kollegen Versicherungen oder Finanzdienstleistungen verkaufen
können. Er versuchte es kurz in der Werbebranche und landete dann sofort in einem 4 Sternehotel – als Kofferträger.
Nach dem Pagen ist der Hoteldiener die unterste Stufe einer solchen möglichen Karriere. Die übrigen Empfangsmitarbeiter, also alle die hinter dem Tresen stehen, sind in der Regel ausgebildete Hotelfachleute. Auch die haben natürlich von der Pike auf gelernt, was es heißt, dem Gast seinen Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten.
Der geneigte Leser kennt sich natürlich in einer Hotelhalle aus.
Irgendwie sind die alle ähnlich und miteinander vergleichbar.
Sie unterscheiden sich nur im Luxus, in der Ausstattung, in der Größe und in der Anzahl der qualifizierten Mitarbeiter, die dort ihren Dienst versehen.
Hier soll nur die Rede von 4 Sterne- und 5 Sternehotels sein.
Und zwar von solchen Häusern, die einen Portier (Concierge), einen Empfangschef und einen Empfangsdirektor haben.
Schnell merkte Günter Habermann, der natürlich mit seinen zwei Diplomen überqualifiziert war, worauf es bei diesem Job ankam. Höflichkeit, Freundlichkeit, Schnelligkeit, Ortskenntnis, Sprachen und vor allem Diskretion.
All das brachte er mit und baute es in den ersten Monaten seiner Tätigkeit aus.
Nach einem Jahr bekam er bereits in einem 5 Sternehotel der Hauptstadt, die Chance als Portier zu arbeiten.
Die Loge teilte er sich mit einem Chefconcierge und zwei weiteren Portiers.
Sie waren für den Einsatz der Pagen, Hoteldiener und Wagenmeister zuständig und hatten auch ein Auge auf die Telefonzentrale zu werfen.
Dass man für freundliche und höfliche Dienstleistungen TIP(Trinkgeld) bekommen kann, war Habermann nicht unbekannt.
Aber das buchstäblich alles seinen Preis hat, ernüchterte ihn zunächst in den ersten Tagen.
Wenn ein extravaganter Gast um Mitternacht für seine weibliche Begleitung Hundert gelbe Rosen verlangte, hatte er damit keine Probleme. Ein Telefonat und der Strauß war in 15 Minuten in der Halle. Vom Blumenhändler bekam er 20 % auf den Verkaufspreis, vom Gast 50 Euro in die Hand. Solche Provisionszahlungen klappten mit Ärzten und Apothekern, mit Theaterkassen, mit Taxiunternehmern, mit Dolmetschern, mit Masseuren, mit Restaurantbesitzern (insbesondere mit Nobelrestaurants).
Für die Firmen, die Stadtrundfahrten anboten, war es selbstverständlich, dass der Vermittler 20 % des Ticketpreises als Provision erhielt.
Sie können sich vorstellen, dass diese Concierges ein wahres Netzwerk von Verbindungen in ihren privaten Laptops gespeichert haben.
Da wird auch manchmal geldgierig vorausschauend gepokert.
So ist es eine Tradition, dass das Fußballpokalendspiel immer in der Hauptstadt stattfindet. Aber keiner weiß im Voraus, welche Mannschaften sich da gegenüberstehen werden. Je gefragter die Karten dann sind, desto höher die Schwarzmarktpreise.
Andererseits kann der , der zuviel davon geordert hat, schnell auf seinen Kosten sitzen bleiben.
Obwohl die Generalmanager der Top-Hotels in vielen Interviews immer wieder betonen, dass sie keine Prostitution in ihren Häusern fördern oder dulden würden, konnte sich Habermann über viele Jahre vom Gegenteil überzeugen.
Solcherart ins Geschäft reingewachsen, war es nur natürlich, dass unser Günter Habermann einen schnellen Karrierestart hinlegte. Nach vier Jahren als Concierge
wurde ihm in einem neueröffneten Hotel die Position eines Empfangsdirektors übertragen. Den Job bekam er, weil der dort eingesetzte Generalmanager ihm total vertraute. Dort ging es nicht mehr um Klimpergeld, was die Taschen ausbeulte, sondern um handfeste Provisionszahlungen von Reiseveranstaltern, um Bettenauslastung und Personalreduzierung. Weil Habermann besser als die meisten seiner Kollegen des Konzerns war, stieg er ins Verwaltungsmanagement auf.
Nachdem er sich als Boss in der preopening-Phase für neue Häuser in der Schweiz und in den USA bewährt hatte, ist Habermann seit zwei Jahren mit dem Aufbau eines international aufgestellten Kreuzfahrtunternehmens beschäftigt.
Vom Tellerwäscher bzw. vom Kofferträger zum Millionär ist also eine reale Entwicklungschance.
Abschließend sei noch erwähnt, daß Habermann, der anfangs auch von den vielen fleißigen und ehrlichen Mitarbeitern des Empfangs , des Houskeepings,der Restaurants und Bars und der Küchen geachtet wurde,
später von genau diesen Mitarbeitern wegen seiner Skrupellosigkeit gefürchtet und sogar gehaßt wurde.
Die wahren Helden in diesen Nobelherbergen sind die vielen Zimmermädchen, Küchenmitarbeiter und Kellner, die freundlichen Mitarbeiter am Empfang.
Übrigens, wenn sie nach einigen Tagen Hotelaufenthalt dem Zimmermädchen ein Trinkgeld geben wollen, legen Sie es nicht bei der Abreise liebevoll aufs Kopfkissen , dann steckt es garantiert die I.Hausdame oder II. Hausdame ein, sondern drücken sie das Trinkgeld direkt dem Zimmermädchen in die Hand.
All das sollte nur ein flüchtiger Blick hinter die Kulissen einer Nobelherberge sein.
Tag der Veröffentlichung: 13.07.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
den vielen namenlosen Hotelmitarbeitern gewidmet