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Heute führt mich meine Wohnungssuche in den Kreuzberg.
Noch vor Jahren war Kreuzberg ein eigenständiger Berliner Stadtbezirk, Anfang der 90er Jahre gab es den verwaltungsmäßigen Zusammenschluss Friedrichshain/Kreuzberg. Für Nichtberliner sei kurz angemerkt, dass vom Brandenburger Tor aus entlang der Wilhelmstraße (Zentrum alter und neuer Macht) der Weg direkt in den Mehringdamm führt und da beginnt Kreuzberg.


Die erste Wohnung, die ins Auge fällt, ist eine 2 zimmerige zum „Dumpingpreis“ von 496 ¤ warm. Die eingestellten Bilder halten eher ab, als dass sie Interessierte anziehen würden. Ich suche weiter und bin froh, in der Willibald-Alexis-Straße fündig zu werden.
Hier wohnte Mutters Stiefschwester Lucie. Vor 50/60 Jahren war es eine ruhige und saubere Gegend. Die Fotos zur angebotenen renovierungsbedürftigen Wohnung sehen aus wie Dokumente nach einem Bombenangriff. Die Enttäuschung ist perfekt.
Ich ziehe mich erschreckt zurück in meine Erinnerungen:
Ganz in der Nachbarschaft ist der eigentliche Kreuzberg. Und wie an den Berg geschmiegt verläuft die Hagelbergstraße. In der Nummer 43 so erinnere ich mich wohnte Käthe mit ihrer Schwester. Käthe war mit meiner Mutter vor dem Krieg Kuchenverkäuferin zuletzt in einer Bäckerei in der Zossenerstr. Direkt gegenüber der Marheinekehalle. Käthe verwöhnte mich in dieser Bäckerei vor knapp 60 Jahren mit handgeschlagener Sahne und Erdbeertorte bis zum Abwinken.
Noch spannender als die Bäckerei und die kleine Hinterstube war für mich die Wohnung der beiden Schwestern. Es war so eine kleine gemütliche Wohnung im Seitenflügel. Man betrat ohne Flur sofort eine Wohnküche mit Speisekammer und Fensterbank. Dahinter lag ein so genanntes Berliner Zimmer in dem die Schwestern
schliefen. Alle Erinnerungen konzentrieren sich auf diese Wohnküche mit der herrlich gemütlichen Kautsch auf der ich noch viele Jahre ausruhen und in einem Riesenberg von bunten Illustrierten blättern durfte.
Ich erinnere mich an Pfifferlinge und Rühreier und an Kreuzberger Taschengeld, das mir die Schwestern heimlich zusteckten.
Heutiges Fazit: Mit einer Seniorenkarte der BVG werde ich sicher den Kreuzberg besuchen aber nie dort eine Wohnung anmieten.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 06.03.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Etappen meiner Wohnungssuche führen mich zurück bis in meine Kindheit und lassen mich zwangsläufig an Verwandte, Freunde und Nachbarn erinnern.

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