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Kapitel 1
Vergängliches Leben
Al starrte zum Fenster hinaus. Es war bereits Nacht, die Dunkelheit hatte eingesetzt.Wie ein schwarzer Schleier schien sie alles zu verschlingen,nichts konnte sich ihr entziehen,unterbrochen nur gelegentlich vom grellen Licht eines Autoscheinwerfers. Ein Blick auf die Uhr,
die von seinem Handgelenk hing, Viertel vor Zehn.
Auch im Zimmer war es inzwischen stockfinster .
Die leuchtenden Ziffern warfen ein schmales Licht an die Wand .Er erhob sich von der Fensterbank und durchschritt langsam den Raum .Das leise, knarrende Geräusch der Schuhsohlen hallte bei jedem Schritt von den Wänden wieder.Tip, Tip, Tip .Plötzlich stieß er mit dem Bein gegen etwas Hartes, das einfach so da zu stehen schien. Leises Fluchen:"Scheiß Ding "und er hielt sich einen Moment lang den schmerzenden Fuß.Dann ging es langsam weiter.Als das Ende des Raumes erreicht war, blieb der Mann einen Moment stehen und lauschte in die Dunkelheit. Totenstille .Die rechte Hand schnellte in Richtung des leuchtenden Schalters vor ihm.Grelles Licht blendete seine Augen .Al blinzelte kurz.Ein großes Zimmer baute sich um ihn herum auf ,die Wände waren in hell oranger Farbe gestrichen.Von der Größe und Form der Umgebung her hätte man meinen können,sich in einer Art Ballettsaal zu befinden. Durch die Einrichtung jedoch verschwand dieser Eindruck schnell.An den Wänden hingen Porträts, mittelalterliche Burgherren starrten voller Hochmut auf Al herab .Der Mann verzog den Mund, er schien diese Gemälde nicht besonders zu mögen .Ja, seinem Blick nach bestand sogar eine gewisse Abneigung, welche auch zugleich durch ein abfälliges Schnaufen bestätigt wurde. Auch der Rest des Zimmers war eher seltsam eingerichtet.Links in der Ecke stand ein großer, alter Eichenschrank .Die Türen hatten fast mittelalterliche Züge, nach oben hin endete er kirchturmartig -spitz.
Doch noch etwas anderes erregte seine Aufmerksamkeit .Das Gesicht leuchtete plötzlich, es schien als hätte er sich diesen Blick bis zum Schluss dieser, nun ja nennen wir es Besichtigung, aufgehoben. Es war ein Bett, ein sehr großes sogar, welches aber im Gegensatz zum Rest des Raumes nicht den Eindruck machte, aus einer anderen Zeit zu kommen. Mit der leuchtend blauen Farbe bestrichen, sah es sogar ziemlich neu aus.Al starrte auf das Bett. Sein Blick ähnelte in diesem Moment einem kleinem Jungen,der ein Geschenk auspacken durfte.Auf den Kissen lag ein Mädchen, offenbar tief schlafend.Sie trug ein weißes Nachthemd.
Ihre Haut war seltsam blass,
wie eine kalte Winternacht.Das feuerrote Haar hing ihr bis zu den Schultern.Unseren Freund erinnerte sie auf seltsam anmutende Art an einen Schmetterling.Das wunderschöne Gesicht mit der Stupsnase, welches durch ihre blauen Augen nur noch mehr zur Geltung kam,hinterließ in ihm ein Gefühl der Zufriedenheit.
Albetrachtet die Augen des Mädchens genauer,etwas stimmte nicht .Sie starrten stumpf und leer nach vorn und plötzlich wusste er es wieder. Kein Leben war mehr darin. Etwas unheimlich trauriges ging von ihr aus.Er lächelte .Immer wieder beeindruckend, der menschliche Wille zu leben .Der Blick ging zu den Fesseln,die an ihrem Handgelenk hingen.Tiefe Gräben zogen sich dort entlang, ein dünnes Rinnsal Blut war auf das Laken gelaufen .Sein Kopf ging ruckartig hin und her. Die Schreie des Mädchens halten noch immer in seinen Ohren wieder, wie das Echo in einer Schlucht, nur gedämpft durch den Knebel in ihrem Mund.Das Bitten und Betteln ,ihre Tränen als der Tod näher kam.Sinnlosigkeit ,dachte Al und schüttelte den Kopf.Er wandte sich ab und starrte für einen Moment auf seine Hände.Sie fühlten sich rissig und trocken an. Jemand hatte mal zu ihm gesagt,alles was du tust und tun wirst steht dort geschrieben.Welch eine Erkenntnis und er wiegte den Kopf nach rechts.Ein Lächeln umspielte nun seine Lippen.Langsam wandte Al sich wieder Richtung Bett. Er streckte die Hand aus und nahm den Arm des Mädchens .Eine Kanüle streckte darin,an dessen Ansatz ein langer Schlauch direkt zu einem Eimer neben dem Bett führte. Dieser war voll mit Blut.Al zog die Kanüle heraus, sofort ergoss sich Blut über das Laken. Klappernd landete das Teil nun auf dem Fußboden. Noch einmal ging sein Blick zu Claire.Mit der Hand durch ihr Gesicht, sogleich durch fuhr ihn eine Kälte.Al trat um das Bett herum,streckte die Finger aus und nahm den Eimer mit Blut, welches darin schwappte. Dann trat er in Richtung Tür. Dort angekommen ging sein Blick noch einmal zurück.Es stimmte also tatsächlich, der Tod war kalt. Er hatte die Wärme gespürt als er den Raum betreten hatte und spürte die Kälte als er ihn verließ.

Matt Davis arbeitete seit zwanzig Jahren bei der Mordkommission von Dallas und doch hatte er in seiner gesamten Laufbahn nicht einmal auch nur an das Wort Routine gedacht. Sicher, es gab immer irgendwo ein Opfer, ob nun grausam verstümmelt und liegen gelassen oder brutal vergewaltigt und erdrosselt. Jedes Mal eine Geschichte, mal mehr mal weniger kompliziert. Aber wenn er in die Augen der Person blickte, die für dasVerbrechen verantwortlich zeichnete,dann war da ein Buch ,unendliche Seiten von denen man mit viel Glück vielleicht eine zu Gesicht bekam.Doch manchmal wäre Matt froh gewesen,auch nur die eine richtig zu verstehen. "Das ist das zweite Kind Heute" murmelte Patricia Connor, seine Partnerin und starrte mitleidsvoll auf die Szenerie vor ihren Augen.Der Detektiv nickte nur“, willst Du Urlaub"? Sie sah ihn etwas pikiert an "und wenn ich zurück komme, haben wir eine ganze Serie von denen hier ?Ne Danke".Patricia verschränkte die Arme ,"frag mich mal , wenn wir den Kerl innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden packen ,was ich stark bezweifle. Matt lächelte nur gequält und fuhr sich durch sein leicht angegrautes Haar." Wie kommst du darauf, dass es ne Serie werden wird"?Er trat näher ans Bett heran und betrachte die weit aufgerissenen Augen des toten Mädchens vor sich .Nachdenkliches Schweigen. "Ich weiß nicht,ist wahrscheinlich nur, wenn sich Jemand so große Mühe gibt".Ihr Blick ging zu dem Schlauch auf dem Boden,"dann muss er entweder sehr viel Hass gegenüber dem Opfer empfunden haben oder“..... "es macht ihm einfach nur Spaß "!!! beendete Matt den Satz und nickte .Die Frau war erst seit kurzem seine Partnerin, mit Dreiunddreißig war sie zwar noch jung, aber dafür schon unheimlich erfahren.“Das Mädchen hieß übrigens Claire, Alter Zwölf ",fügte Patricia hinzu und ihre Hände fummelten an ein paar Papieren herum.“Zwölf" ,wiederholte Matt nachdenklich, während er den Arm des toten Mädchens umdrehte und die Eingrabungen an ihren Handgelenken untersuchte ."Genau wie meine Tochter" murmelte er , beide schwiegen .Um sie herum herrschte reges Treiben mindestens ein Dutzend Beamte der Spurensicherung waren gerade dabei ,den Tatort akribisch abzusuchen . "Was glaubst Du, mit was wir es hier zu tun haben "? fragte Matt.Patricia, die sich jetzt ebenfalls zur Leiche herunter gebeugt hatte schaute nachdenklich drein."Vielleicht irgendwas mit Satanismus? Wobei das gegen die Serientheorie sprechen würde ".“Mhhhh,‘nen Vampir können wir wohl definitiv ausschließen, außer die trinken neuerdings aus Schläuchen".Matt´s Stimme klang fast ein wenig amüsiert. Er wandte sich von der Leiche ab und studierte eine Weile die anderen Menschen im Raum .Das Interessanteste an so einem Tatort war meistens nicht nur das Verbrechen oder die Spuren ,sondern die Menschen drum herum .Wie auch bei den Tätern konnte man auch bei ihnen hinter der gespielten Routine immer wieder interessante Dinge beobachten.Da war z.B. der Mann von der Spurensicherung, der gerade an der Wand neben dem Bett ein paar Blutspritzer untersuchte und etwa jede Minute einmal kurz inne hielt und für Sekundenbruchteile die Augen schloss .
Oder Patricia,die gar nicht merkte, dass ihr Gesichtsausdruck immer wieder von wütend zu traurig wechselte. Aber genauso interessant waren natürlich die offensichtlichen Dinge und wenn es nur der junge Polizist war,der mitten im Raum stand und wie gebannt Richtung Bett starrte .Eigentlich dachten alle in diesem Raum dasselbe, nur zeigen tat es jeder auf völlig unterschiedliche Art und Weise."Wieder ein unschuldiges Leben" murmelte Patricia, "Gott möge ihrer Seele gnädig sein“. "Ach komm mir nicht mit dieser Floskel“. Matt verdrehte die Augen, „es trifft immer die Kleinen und Unschuldigen ".Der Detektiv beobachtete den jungen Polizisten jetzt genauer. Die Szenerie,vor seinen Augen schien ihn tatsächlich etwas geschockt zu haben.Immer noch stand er wie angewurzelt da und schaute in Richtung des Bettes. Matt zögerte einen Moment, dann ging er auf den Mann zu. "Wie heißen Sie "? fragte Matt. Der Polizist fuhr erschrocken zusammen und blickte sich etwas verwirrt um."Ich "? sein Gesicht drehte sich hilfesuchend den anderen Polizisten zu. Matt nickte.“Helby Sir"." Mr.Helby , haben Sie die Unterhaltung mitbekommen, die Miss Connor und ich eben geführt haben“? Er fixierte den Mann bei diesen Worten genau. Dieser schüttelte hastig den Kopf, "nein Sir“. Matt lächelte."Die Unschuldigen“,sagte er, ohne auf die kritisch drein blickende Patricia zu achten .Auch einige Andere im Raum hatten von ihrer Arbeit aufgeblickt und beobachteten jetzt die Beiden. " Was glauben Sie denn, warum es immer die Unschuldigen trifft"? und er legte den Kopf schief.“Ich weiß es nicht Sir“, antwortete Helby und zuckte die Achseln.“Och jetzt kommen Sie schon „, maulte der Detektiv." Es ist doch ganz einfach, stellen Sie sich mal,vor Sie wären der Täter" und dabei zog er eine Grimasse." Sie haben die Wahl zwischen Jemandem der vielleicht nicht unbedingt wie Sie ist, aber doch irgendwie gemein, unfreundlich, ein Arschloch halt und dem ,lieben,unschuldigen Nachbarsmädchen,welches jeden Tag freundlich lächelnd grüßt .Was würde Ihnen denn mehr den Kick geben"? Der junge Polizist schaute verwirrt drein. "Keine Ahnung Sir,ich verstehe diese Leute grundsätzlich nicht“. Matt schlug die Hände vors Gesicht und schüttelte den Kopf.Helby errötete, „ naja ", fing er an.... doch er wurde unterbrochen " nein, bitte nicht. Zwei Dinge ",der Detektive trat vorbei an der Spurensicherung zur Tür."Erstens" fing er an, "das Böse hackt sich gegenseitig kein Bein aus, dafür ist es viel zu gerissen und deshalb wird es halt immer die Guten, Unschuldigen treffen, klar"? Helby nickte. "Zweitens "und bei diesen Worten warf er Patricia einen schnellen Blick zu, "sollten Sie sich ‘nen anderen Job suchen, ich glaub das wird nichts mit Ihnen“.Und mit der entsetzten Partnerin im Schlepptau, verließ er zufrieden den Raum.“Musst Du immer die Anfänger ärgern? Was glaubst Du, wie sich das auf deren Moral auswirkt „? schimpfte Patricia, als sie ins Auto stiegen .Aber Matt hörte ihr gar nicht mehr zu, viel zu sehr spukten die Bilder aus dem Haus in seinem Kopf herum.


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Tag der Veröffentlichung: 06.11.2010

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