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Einleitung

Dieses Reisetagebuch habe ich 1972 über unsere Reise nach Indien und Nepal geschrieben. Während der Reise hatte ich meine Eindrücke in einem Notizheft festgehalten. Zu Hause habe ich es auf meiner mechanischen Kofferschreibmaschine getippt.

Ich habe es hier so übernommen, wie es damals geschrieben wurde. Vieles ist heute sicher anders, aber irgendwie ist es ja auch ein Stück Geschichte.

Als wir diese Reise machten war ich 23 Jahre alt. In diesem Alter hat man noch einen anderen Blick auf Menschen als mit 70 Jahren. Dies wird am Kapitel „Der Senior“ ersichtlich, wo ich von einem 50-jährigen berichte. Er war der Senior der Gruppe und wir waren erstaunt, was er noch alles unternehmen kann. Er erschien uns uralt und ein Wunder, dass er noch so eine strapaziöse Reise auf sich nahm. Heute würde ich das anders sehen. Von 70 auf 50 Jahre zu sehen ist ein Blick in Richtung Jugend. Damals war es umgekehrt.

Wir reisten mit sehr kleinen Leinenkoffern im schottischen Karomuster. Sie waren kleiner als heutiges Handgepäck. Wir kamen damit 4 Wochen durch. Unsere Hauptkleidung waren weiße Leinenanzüge, die uns Lorlis Oma geschneidert hatte. Ein grobes Leinen, das wir auch nicht bügeln mussten. Zu Beginn der Reise war es noch weiß. Bei der Ankunft in Wien dann schon grau.

 

Die Reise war billig. Air India flog mit ihren ersten zwei Boeing 747 und suchte dazu Testpassagiere. Wir hatten uns gemeldet und mussten als Gegenleistung jeden Tag einen Bericht schreiben. Auch für uns war dieser Flug beeindruckend. Wir blickten erst auf einen Flug von London nach Paris zurück. So gesehen sind auch die Schilderung der Flüge ein historisches Zeugnis.

Aus heutiger Sicht betrachtet ist vieles ganz anders, aber für uns war es damals ein Abenteuer, das leider der mitreisende Senior nicht überlebte. Er hatte während der Reise alles gegessen und scheute vor Nichts zurück. In Wien erkrankte er und im Spital fanden sie nicht was ihm fehlte. Leider verstarb er.

Vorwort

Vorerst planten wir unsere Reise nur zu zweit durchzuführen. Wir hatten schon alle Unterlagen bereit und mit einer indischen Studentenorganisation Kontakt aufgenommen, da bot sich von einem österreichischen Studentenreisebüro die Teilnahme an einer Studienreise, die ungefähr dieselbe Route wie der von uns geplante Trip umfasste.

Bei näheren Erkundigungen stellte sich heraus, dass es nur zwölf Personen waren, die an der Reise teilnahmen. Auf Grund der geringen Beteiligung und der lockeren Reisebedingungen fassten wir den Beschluss hier mitzumachen.

Vom Studenten-Reisebüro wurden die Flüge reserviert und in jeder Stadt ein Führer für je eine Besichtigungsrundfahrt bezahlt. Die gesamte Zeit stand jedem Mitreisenden zur freien Verfügung. Man konnte selbst Besichtigungen und Ausflüge unternehmen und war an keine Gruppe gebunden. Diese Individualität wurde nur dadurch eingeschränkt, dass sich alle Gruppenmitglieder zum Weiterflug in die nächste Stadt sammeln mussten, um so die Vergünstigungen eines Gruppenfluges in Anspruch nehmen zu können.

Die Reise war von Air India gesponsert. Dadurch war sie billig. Es waren erste Flüge mit einer Boeing 747 der Air India. Als „Testpassagier“ mussten wir jeden Tag einen Fragebogen ausfüllen und Dinge bewerten. Aber das war es wert.

 

Die Mitreisenden waren ausschließlich junge Leute. Es bildeten sich unter der kleinen Gruppe von zwölf Personen nochmals Untergruppen, die dann Aktionen setzten. So waren drei Tiroler immer gemeinsam unterwegs, zwei fertige Akademiker und eine Familie, die auch immer im eigenen Kreis Fahrten unternahmen. Wir gehörten einer Gruppe an, die wir vielleicht näher vorstellen möchten. Es waren dies ein blondes Mädchen namens Romana Luksch, mit dem Senior der Gruppe – ihrem Vater -, einer Dolmetschstudentin, die ihr Studium als Lehrerin finanzierte und wir beide, Hannelore und ich.

In der kleinen Gruppe war es immer günstiger ein Auto zu mieten. So war es immer voll besetzt und rentabel.

 

Wir fanden die Reise äußerst günstig, denn es wurden die Vorteile einer Gruppe genützt, ohne sich den Nachteilen einer Gruppe unterwerfen zu müssen. Es gab nur anfänglich Schwierigkeiten, als sich der mitreisende Familienvater für die Gruppe verantwortlich fühlte. Er versuchte unter seiner Obhut die Gruppe zu führen. Dies wurde aber bereits am zweiten Tag des Unternehmens geklärt und er ging mit seiner Familie seine Wege und wir die unseren.

Die Anreise führte uns von Wien über Zürich und Kairo nach Delhi. In Delhi blieben wir eine Woche. Von dort unternahmen wir einen größeren Ausflug per Flugzeug nach Jaipur, eine eintägige Autobusreise nach Fatehpur Sikri und Agra und kleinere Fahrten in die umliegenden Dörfer. Mit Indian Airlines kamen wir nach Katmandu, der Hauptstadt Nepals. In Nepal blieben wir wieder eine Woche. Hier wurden Ausflüge in kleinerem Rahmen mit PKWs in Orte des Katmandutales und in Gebirgsdörfer im Himalaya unternommen. Eine Gruppe versuchte sogar zur chinesischen Grenze, die nur sechzig Kilometer von Katmandu entfernt ist vorzudringen, aber die Witterungsbedingungen waren zu schlecht und die Fahrt scheiterte.

Von Katmandu ging es dann über Benares und Delhi nach Bombay, der letzten Station unserer Reise.

Nach fünf Tagen verließen wir Bombay. Auch in Bombay wurden Fahrten in die nähere Umgebung unternommen, so eine Fahrt durch den Dschungel zu den Kanheri Caves.

Über Kuwait kamen wir nach Rom, wo wir noch eine Woche Badeurlaub machten.

 

 

Ankunft Delhi – Vishwa Yuvak Kendra

Als wir in Delhi das Flugzeug verließen, glaubten wir anfänglich, die Herkunft der heißen Luft käme aus den Antriebsdüsen des Flugzeugs. Aber rasch wurden wir eines Besseren belehrt. Trotz der Ventilatoren in der Ankunftshalle – die einem europäischen Kleinstadtbahnhof entsprach – kamen die 50 Grad im Schatten (bei einer Luftfeuchtigkeit von über 80 Prozent) zum Durchbruch. Auch dann, wenn neben uns eine Inderin im Pelzmantel stand.

Dass ein echter Inder niemals mutwillig ein Tier – und sei es noch so klein – umbringt, zeigte sich bei der Zollkontrolle Der Zöllner warf mir einen vernichtenden Blick zu, als ich einen Käfer zertrat.

An der Decke der Flughafenhalle rotierten riesige Ventilatoren. Sie sahen aus, wie Propeller von ausrangierten Flugzeugen. Ihre Wirkung war nur die, dass sie die glühenden Luftmassen durcheinander rührten. Die Hitze wurde aber nicht gemildert.

Die Zollabfertigung erschien bei diesen Temperaturen wie eine Ewigkeit. Aber in der weiteren Folge dieser Reise erkannten wir, dass jede kleinste Formalität zur wichtigen Amtshandlung wird. Überall bekamen wir Formulare vorgelegt; bei der Polizei, im Hotel, in der Stadt und auch beim Besuch eines Schwimmbads.

Mit einem Autobus, der so heiß war, dass er glühen hätte müssen, wurden wir abtransportiert. Der alte Kasten gab mehr her, als wir dachten. In rasanter Fahrt ging es in die Stadt hinein. In Indien fährt man links und deswegen erschien uns die Fahrt doppelt unheimlich.

An den Straßenrändern standen Hütten, von denen wir anfangs gar nicht glauben konnten, dass hier Menschen wohnten. Es waren fensterlose Überdachungen, die etwas über einen Meter hoch waren. Abfall und Dreck der Bewohner lag davor und sie saßen mitten drinnen. Der Schmutz schien sie nicht zu stören. Kinder spielten im braunen Rinnsal.

Im Anschluss an die Slums folgten Neubauten. Das Botschafterviertel. Hier lag auch unser Hotel, dessen Namen für einen Europäer unaussprechlich war: Vishwa Yuvak Kendra.

Wie tote Fliegen wurden wir durch die gellende Hitze ins Hotel gebracht. Das Zimmer entsprach ganz und gar nicht den Ansprüchen eines Europäers, denn als solcher hat man es nicht gern, in der Bettwäsche des vorigen Gastes zu schlafen.

Zum Mittagessen tranken wir literweise eiskalte Getränke, konnten aber keinen Bissen essen.

Der erste Nachmittag wurde unter dem Ventilator, am Bett liegend verbracht. Erst am Abend wagten wir uns zu einem ersten Kontaktspaziergang in die Stadt. Eine Rikscha, die wir anheuern wollten, verlangte einen Vorschuss, damit er Benzin tanken könne, um uns zu transportieren. Wir lehnten dankend ab und nahmen den Autobus, was wir aber nur einmal machten, denn als der Chauffeur merkte, dass wir Touristen waren, verlangte er dem Motor das letzte ab und legte sich ins Zeug. Kurven fuhr er so rasant, dass das Blech des vorderen Kotschützers auf der Straße Funken spritzen ließ.

Bei Haltestellen blieb er nicht stehen, sondern fuhr nur langsamer. Die Fahrgäste mussten auf- und abspringen. Als Fahrtrichtungsanzeiger diente ein Eisenpfeil, den der Fahrer von Hand aus bediente. Das wichtigste Instrument für ihn war die Hupe – ein Horn mit einem Gummiknauf. Ein Gummiknauf, wie wir ihn von Krankenhäusern kennen, wenn er bei schlechter Verdauung in den After gesteckt wird um Seifenwasser einzuspritzen. Indem er die Hupe heftig betätigte, durchfuhr er jede Kreuzung, ob sie rot oder grün zeigte, ob ein Polizist sie auf Halt regelte oder ob Fußgeher die Straße überquerten. Mit schmunzelndem Lächeln ließ er uns im Zentrum von Delhi aussteigen. Unser Hotel lag etwas außerhalb im „Diplomaten- und Botschaftsviertel“. Über lehmgestampfte Straßen oder Asphaltstraßen mit riesigen Schlaglöchern, welche die Fahrer aber nicht an ihrem Tempo hinderten, waren wir in wenigen Minuten am Ziel.

Es war Samstag und es arbeitete Niemand. Die Leute lagen im Gras der Parks und die Kinder bettelten Touristen an – so wie an jedem anderen Tag. Ihr Trick war es, Frauen an der Hand zu nehmen und mit gebrochenem Englisch zu sagen „You are my Mama“. Die Kinder hatten weiße Würmer unter den schwarzen Fingernägelspitzen. Sie gebrauchten – wie alle unteren Schichten – anstelle von Klopapier die Finger. Dies hinderte sie aber nicht daran mit den Fingern auch zu essen. Die Lebenserwartung der Inder ist nicht sehr hoch.

Als wir eine Moschee besuchen wollten, ging vor uns ein, im höchsten Stadium an Gelbsucht erkrankter Bettler ins Gebetshaus. Wir trachteten nicht denselben Weg wie er zu gehen. Als wir uns aber im selben Wasserbecken die Füße waschen sollten – wie es sich vor Betreten einer Moschee gehört – zogen wir es liebe vor, die größte Moschee Indiens und der Welt zweitgrößte, nicht zu besichtigen.

Im Bezirk um die Moschee wohnt ein großer Teil der drei Millionen Einwohner Delhis. Als wir mit unserem offiziellen Führer später hierherfuhren, blieb der Bus nicht stehen. Wir durften nicht aussteigen. Der Führer meinte, dass dies besser sei. Auch durften wir nur mit dem Notwendigsten an Bekleidung und Taschen gehen.

Die Häuser der Geschäftsstraßen stammten noch aus der Kolonialzeit der Engländer. Ihr Baustil ist am besten mit einer Hollywood Wildweststadt zu vergleichen. Vorne arkadenartige Gehwege, dazwischen Sand-, Lehm- oder holprige Asphaltstraßen und im ersten Stock ein auskragender Balkon.

Der Verkehr war gering. Die meisten Fahrzeuge waren Omnibusse, schwarz-gelbe Taxis und Rikschas mit und ohne Motorantrieb. Zu den Omnibussen ist zu vermerken, dass es besondere Typen sind: Stockbusse, die wie Sattelschlepper ein eigenes Führerhaus haben, das über ein Gelenk mit dem eigentlichen Personentransporter verbunden ist.

Es gab fast keine Touristen in Delhi. Die Einheimischen bestaunten uns. Viele wollten fotografiert werden: ein weißhaariger Greis mit einem zweirädrigen Pferdekarren, das Ochsenfuhrwerk einer Schar Kinder, der Nussverkäufer und Kinder mit aufgeblähten Hungerbäuchen. Alle wollten sie fotografiert werden ohne nach Trinkgeld zu betteln.

Allerdings war ihre Geduld nicht zu verachten: Ein Zeitungsverkäufer folgte einem Reiseteilnehmer drei Stunden lang Schritt auf Tritt um ihm eine Zeitung zu verkaufen, die wir gar nicht lesen konnten. Noch dazu war es eine Zeitung, die schon einige Wochen alt war. Seine Geduld machte sich aber bezahlt. Er bekam sein Geld, obwohl wir die Zeitung wenig später wegwarfen.

Die Kinder waren sehr lästig. Sie bettelten ständig um „Money“. Gab man ihnen etwas, so sagten sie nicht „Danke“, sondern „Gib mir noch mehr!“. – „Change Money“ und „No Mama, no Papa, please give me one Rupie“ – diese Worte verfolgten uns in allen Städten. Nicht so am Land. Die Leute waren da noch naiver und freundlich.

Erschöpft kamen wir zum Hotel zurück. Der Ventilator schien uns eine Erleichterung zu bieten, obwohl er keine kühle Luft erzeugte, sondern nur eine Zirkulation der heißen Luft bewirkte. Auch Fächer, die wir bei Air India mitgenommen hatten, zeigten sich als nicht sehr wirksam.

Abendessen wollten wir keines mehr, nur Durst quälte uns. Das dicke Ende kam aber erst: in der ersten Nacht konnte Niemand von uns schlafen. Rast- und ruhelos gingen wir im Zimmer auf und ab. Alle nur denkbaren Variationen wurden getestet um zu Schlaf zu kommen:

  • Fenster offen, Ventilator schnell laufend.
  • Fenster zu. Ventilator schnell laufend.
  • Fenster zu. Ventilator langsam laufend.
  • Fenster offen. Ventilator schnell laufend.
  • Fenster halb offen. Ventilator schnell laufend.
  • Fenster halb offen. Ventilator langsam laufend.
  • Fenster halboffen. Ventilator auf Mittelstufe.
  • Fenster zu. Ventilator auf Mittelstufe.
  • Fenster offen. Ventilator auf Mittelstufe.
  • Fenster zu. Ventilator abgestellt.
  • Fenster offen. Ventilator abgestellt.
  • Fenster halboffen. Ventilator abgestellt.
  • Tür und Fenster offen. Ventilator abgestellt.
  • Auf dem Bauch liegend.
  • Auf der Seite liegend.
  • Am Rücken liegend.
  • Sitzend im Bett.
  • Sitzend auf dem Balkon.
  • Am Fußboden liegend.

Alles war ungünstig, alles war schlecht, aber eines war immer: es war drückend heiß.

Viele Mitreisende durchstanden auch noch die zweite und dritte Nacht schlaflos.

Wir fanden aber ein System: kalt duschen, das Bett direkt unter den Ventilator gestellt und mit dem Leintuch zugedeckt. Unabgetrocknet im Bett. So konnten wir einschlafen und so lange schlafen, bis das Leintuch wieder trocken war. Dann hieß es wieder aufstehen, duschen und sofort schliefen wir wieder ein. Nach einigen Nächten war dieser Wechsel schon eine Routinesache.

Wir hatten uns schon vorgestellt, dass es heiß werden würde, aber dass es so arg sein würde, hatten wir nicht angenommen. Als unser Flugzeug von Genf kommend in Kairo zwischenlandete und der Kapitän eine Außentemperatur von 35 Grad (um Mitternacht) ansagte, glaubten wir schon nicht richtig zu hören, aber die trockene heiße Wüstenluft war doch angenehmer als dieses feuchtheiße Tropenklima.

 

 

Delhi

 

Kaum waren wir in den frühen Morgenstunden eingeschlafen, wurden wir auch schon von Blasmusik geweckt. Es war Sonntag und auf dem großen Platz vor unserem Hotel war Militär mit einer Musikkapelle aufmarschiert. Eine Parade wurde abgehalten. Darauf war es zurückzuführen, dass alle rechtzeitig zum Frühstück erschienen.

Der Speisezettel:

  • Cornflakes
  • Eier (Obwohl wir nie Hühner gesehen hatten. Daher der Schwerz der Gruppe: es seien Eidechseneier)
  • Toastbrote mit Butter und Marmelade
  • Orangen- und Ananasjuice

Die Eier konnte man

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 03.08.2020
ISBN: 978-3-7487-5241-7

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Hannelore war damals meine Freundin. Heute ist sie seit fast 50 Jahren meine Frau und Lebenspartnerin. Viele Reisen habe ich mit ihr unternommen. Diese war eine unserer ersten großen.

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