Die Strecke Hinterbrühl nach Venedig bin ich auf zwei Mal gefahren. Eigentlich wollte ich die Strecke in einem Stück 2014 fahren. Das ergab sich dann nicht. Ich fuhr also nur eine Tagesstrecke von der Hinterbrühl nach Bruck an der Mur. Von dort mit dem Zug wieder heim. Erst im April 2015 konnte ich die Strecke weiterführen. Mit dem Zug nach Bruck, meinem letzten Etappenende. Von dort schaffte ich den Rest. Am ersten Tag bis Sankt Lambrecht, wo ich im Stift Sankt Lambrecht nächtigte und liebevoll von Abt Otto betreut wurde. Von hier fuhr Ich dann weiter bis Arnoldstein. In einer Nebenvilla des Gasthauses in Arnoldstein verbrachte ich eine ruhige Nacht und startete mit einem großartigen Frühstück. In Udine wurde ich von der Cousine Theos erwartet. Sie besorgte mir eine nette Pension in der Stadt und den Abend verbrachten wir bei zwei Flaschen Südtiroler Weins.
Der letzte Tag war verregnet und eine schlechte Strecke. Unmittelbar nach Udine begann es zu regnen und hörte bis Venedig nicht mehr auf. Im Gegenteil vor Venedig begann es dann wahrlich zu schütten. Auch die Straße war schlecht. Ein Großteil führte mich auf eine Schnellstraße, wo die LKWs an mir vorbeibrausten. In Venedig musste ich im Hotel alles trocknen.
Ein Abenteuer war die Rückfahrt mit dem Zug. In Venedig verkaufte man mir keine Fahrkarte, weil ich ja mit der „ausländischen“ ÖBB fahre. Hannelore kaufte letztlich ein Ticket in Wien, fotografierte es und mailte es. Letztlich wurde ich aber kein einziges Mal nach einer Fahrkarte gefragt.
Es war eine interessante Strecke. Tarvisio – Udine war die schönste Etappe. Sie führte auf der Trasse einer aufgelassenen Eisenbahn. Über Brücken und durch Tunnels.
Hinterbrühl, April 2015
Heute habe ich die erste Etappe meiner Vendig-Radfahrt gemacht. Ich stand schon vor 7 Uhr auf. Hannelore musste auch zu einem Termin. Wir frühstückten und nach ½ 8 fuhr ich weg. Zuerst durch Mödling, wo der Berufsverkehr voll im Gang war. Mit dem Fahrrad kam ich aber zwischen den stauenden Autos ganz gut durch.
Es war ein sonniger Tag. Entlang des Wiener Neustädter Kanals war es teilweise schattig. Das tat ganz gut. Ich fuhr zuerst an Weingärten vorbei. Der Kanal hat viele Kleinkraftwerke, die jetzt wieder reaktiviert werden. An mehreren Kraftwerken sah ich Montagetrupps, die neue Maschinen einbauten und auch die kleinen Häuschen renovierten. So wird alte Technologie wieder neu verwendet.
Da Landschaft war sehr schön. Die Luft war frisch und rein. Ich radelte Richtung Süden.
In Kottingbrunn führte der Weg durch einen Park mit mehreren Teichen.
Vor Wiener Neustadt wurde die Landschaft baumlos und flach. Ich fuhr in die Ebene hinein. Die Sonne konnte mir jetzt auch an und erst jetzt merkte ich, dass ich meine Kappe zu Hause vergessen hatte.
Der Weg führte an einem Schießplatz des Bundesheeres vorbei. Es wurde gerade geschossen. Ich musste den Kopf nicht einziehen. Ich ging davon aus, dass dementsprechende Sicherheitseinrichtungen gegeben waren.
Dann der Wiener Neustädter Flughafen. Hier gibt es auch eine kleine Flugzeugfabrik. Sie bauen Sportflugzeuge mit einem oder zwei Motoren. Mehrere Dutzend weißer neuer Flieger standen vor den Produktionshallen.
Schon von weitem sah man die Stadt und den herausragenden Dom. Obwohl Wiener Neustadt eine sozialistische Stadt ist, hat man das Katholische und die Kirche als Zentrum gewahrt. Kein Lagerhaussilo überragt den Dom. Ich fuhr in die Stadt hinein. Direkt im Zentrum und direkt gegenüber vom Dom kehrte ich in einem Kaffeehaus ein. Ich bestellte mir Kaffee, eine Torte und Apfelsaft. Ich hatte einen ½ Liter geordert, man brachte mir aber einen Viertelliter. Das war natürlich zu wenig. Immerhin war ich schon zwei Stunden geradelt. Aber trotzdem beachtlich, dass man so schnell in Wiener Neustadt ist. Es waren genau 40 Kilometer von zu Hause.
Ich fotografierte den Dom. Er ist ein schöner gotischer Bau.
Wiener Neustadt ist eine Provinzstadt. Es gibt zwar alle bekannten Geschäfte diese sind aber generell kleiner als in Wien.
Entlang der 17. Bundesstraße verließ ich die Stadt. Neben der Straße gab es einen Fahrradweg, der aber nach einigen Kilometern weg war und ich musste auf der Straße fahren. Nun, viele Autos fahren hier nicht mehr. Alle haben es heute eilig und verwenden die Autobahn. Die Neunkirchner Allee – so heißt die Straße zwischen Wiener Neustadt und Neunkirchen – war lange die längste gerade Straße Österreichs. Vor dem Bau der Autobahnen auch eine der wenigen vierspurigen Straßen des Landes. Hier konnten Fahrer die Höchstgeschwindigkeit ihres Autos ausprobieren. Hier passiert in meiner Kindheit auch der spektakuläre Unfall mit einem Motorradfahrer. Ein Lastauto hatte Bleche geladen. Eines fiel vom Auto und schnitt einem nachkommenden Motorradfahrer den Kopf ab. Dieser überholte auf seiner Maschine – obwohl er keinen Kopf mehr hatte – den LKW.
In Gloggnitz nahm ich die Umfahrungsstraße. Ein Plan bei der Stadteinfahrt zeigte, dass dies die kürzere Strecke war. Ich sparte damit mehrere Kilometer. Praktisch brauchte ich aber länger, weil die Umfahrungsstraße einen Berg hinauf führte und ich nur langsam und kräfteraubend vorwärts kam. Wäre ich durch die Stadt gefahren, so wäre das schöner und leichter gewesen.
Nach dem Ort traf ich wieder auf die Nebenstraße und hier begann dann ein schöner Radweg. Ich kannte ihn schön, weil ich im Vorjahr – Hannelore war mit Daniel und Karoline in Kärnten auf Badeurlaub – von Gloggnitz aus auf den Semmering gefahren bin.
In Schottwien kam die Sonne immer stärker heraus und es wurde sehr heiß. Ich kaufte in einem kleinen ADEG Geschäft ein: Milchshake, Coca Cola und Äpfel. Jetzt hatte ich das steilste Stück vor mir. Ich hatte es von der letzten Fahrt noch in schlechter Erinnerung. Diesmal ging es mir aber ganz gut. Nur einmal blieb ich stehen und legte mich auf die Bank einer Busstation um auszuruhen und etwas zu trinken.
Mein neues Rad ist doch viel besser als das alte.
In Maria Schutz blieb ich stehen und ging in die Kirche um zu beten. Ich bete in letzter Zeit sehr viel, Wie lange werde ich noch leben? Viele Jahre bleiben nicht mehr. Ich will eine schöne Zeit mit meiner Familie und Hannelore haben. Dafür bete ich, wann immer sich eine Gelegenheit ergibt.
Gegenüber sah man den Schneeberg. Oder war es die Rax? Unten im Tal sah man die Autobahn. Eine hohe Brücke spannte sich über Schottwien. Die Häuser sahen wie Modelle aus.
Ich musste dann unter der Autobahn durch und in Serpentinen die Straße hinauf zum Pass. Beim Ortseingang eine Tafel, die ankündigt, dass heuer im Winter das zehnte Mal ein Schi-Weltcuprennen stattfinden wird.
Bei einer Bank behob ich Geld und in einem Gasthaus am Pass kehrte ich ein. Ich bestellte – ohne in die Speisekarte zu schauen – Spagetti und dazu einen großen Apfelsaft.
Nach dem Essen kaufte ich im gegenüber liegenden Lebensmittelgeschäft ein. Da ich kein Dessert gegessen hatte leistete ich mir eine gute Lindt-Schokolade. Dazu eine große Flasche Mineralwasser, um meinen Flüssigkeitsbedarf ständig nachfüllen zu können.
Die Berge waren grün. Die Schipisten Almflächen.
Eine junge Frau mit viel Gepäck bat ich ein Foto von mir zu machen. Wenn man alleine fährt, kann man sich nur selten fotografieren.
Nun ging es bergab. Leider war der Wind nach dem Pass genau aus dem Süden und blies mir entgegen. So war ich gar nicht so schnell, als ich gedacht hatte. Ich verlor dazwischen meinen Rucksack und richtete ihn wieder ein. Die Passstraße hinunter gab es keinen Radweg. Dabei brachte mich ein Holztransporter auch in eine miese Lage. Er überholte mich. Plötzlich hatte er Gegenverkehr und fuhr an den Rand. Sein Anhänger zwang mich in den Straßengraben. Im nächsten Ort stand er an einer Tankstelle und ich fotografierte das Auto und die Nummerntafel. Theoretisch könnte ich eine Anzeige gegen ihn machen. Aber dann zu Hause will man davon Nichts mehr wissen.
In Spital am Semmering kamen Erinnerungen an den Winter und das Schifahren auf.
An Mürzzuschlag war die Fahrsituation dann wieder besser und Radfahrer wurden auf Nebenstraßen oder Radwege umgeleitet.
In Mürzzuschlag erinnerte ich mich auch an meinen winterlichen Spitalsaufenthalt, bei dem ich einen Gips bekam. Erst seit wenigen Wochen ist der Schmerz im Wadenbein weg.
Ich kam durch Orte wie Krieglach, wo man sich an den Volksdichter Peter Rossegger erinnert und Kindberg durch. Hier stand sogar ein großes Bronzedenkmal.
Der Weg führte jetzt mehr am Talrand und ging ständig bergauf und bergab. Oft musste ich neben der Bahn fahren.
Mein Tagesziel war die Stadt Bruck an der Mur. Da kam auch ein Hinweisschild, das sagte, dass es nur mehr einen Kilometer bis zum Bahnhof Bruck sei. Wenige Meter später sagte aber ein weiteres Schild, dass es keine Zufahrt zum Bahnhof gäbe. Was stimmt jetzt? Ich fuhr weiter und als Radfahrer kommt man auch bei Baustellen durch.
Zu Hause hatte ich mir alle Zugverbindungen aufgeschrieben. Jetzt sollte ich einen um zirka 18 Uhr nach Wien haben. Es war 17 Uhr vorbei, Ich ging zum Bahnschalter. Die Dame war sehr nett, meinte aber, dass der nächste Zug, der Räder mitnimmt nach 20 Uhr ginge. Aber da müsse ich auch Glück haben, dass noch Radplätze frei sind. Sie war freundlich und schaute im Computer nach. Letztlich musste ich sogar noch froh sein, dass ich 3 ½ Stunden warten durfte. Die Radkarte gab sie mir und am Automaten – weil es billiger ist – kaufte ich meine Zugkarte.
Was sollte ich jetzt also so lange machen.
Die Stadt war klein. Eine kleine Provinzstadt. Die Leute sprechen einen starken steirischen Dialekt. Ich fuhr durch die Stadt. Die ist sehr klein. Ja, ich fuhr mehrere Male durch. Dann fragte ich einen Mann, wo ich hier ein Bier trinken und ein Gulasch essen könne. Er zeigte mir ein Gasthaus wo ich normal nicht hinein gegangen wäre. Auf der Rückseite war aber dann eine schöne Terrasse über dem Murfluss. Hier bekam ich ein hausgebrautes Bier und ein ausgezeichnetes Gulasch. Das Gasthaus hieß Riegler. Das Bier erfrischte und war angenehm. Der Fluss rauschte unten vorbei. Auf der Terrasse saßen noch drei ältere Frauen, die sich über ihre Hunde unterhielten.
So verbrachte ich einen Teil der Wartezeit. Bevor ich abfuhr fotografierte mich die Wirtin noch vor ihrem Lokal. Ihr kleiner Bub wollte wissen, wie ich da her gekommen sei. Die daneben stehende Großmutter war begeistert, dass man so weit fährt.
Nachher schaute ich mir noch den Hauptplatz an. Ich wollte hier ein Eis essen, das gab es aber nicht. Erst in der kleinen Fußgeherzone dann ein Eissalon. Das Eis war sehr bunt, aber geschmacklos. Ich hatte einen Eisbecher mit grünem (=Apfel), weißem (=Joghurt) und gelbem (=Vanille) Eis. Es kostete nur 3 Euro, war aber nicht mehr wert.
Jetzt fuhr ich gestärkt zum Bahnhof zurück. Mein Zug hatte 30 Minuten Verspätung. Mit einem früheren konnte ich nicht fahren.
Es gab auch keine Lokalzüge, weil diese die Grenze nicht überschreiten. Föderalismus auch bei den Bahnen. In Richtung Süden geht es nur bis zur Kärntner Grenze und im Norden fährt kein Zug auf den Semmering hinauf. Nur bis Mürzzuschlag und in Niederösterreich bis Reichenau.
Die Zugführerin – eine junge Frau – war sehr hilfsbereit. Sie organisierte, dass in Wiener Neustadt ein Personenzug, der nach Mödling fuhr, auf mich wartete.
Dieser Zug kam aus Slowenien und kam bereits verspätet nach Österreich. Ich saß mit zwei Frauen im Abteil. Eine war Musikerin aus Armenien. Sie studiert in Graz und in Wien. Wir unterhielten uns über Musik.
Bald hatten wir den Semmering hinter uns. In Wiener Neustadt stieg ich aus. Mein Zug wartete nur auf mich. Er hatte die Verspätung von zehn Minuten aber schnell eingeholt.
In Mödling radelte ich heim.
Hannelore machte mir einen schönen Empfang: sie hatte – wie zu Weihnachten – die Laternenkerzen in der Einfahrt angezündet. Im Wohnzimmer wartete eine Flasche Sekt und wir tranken auf meine Radreise.
Gumpoldskirchen
Wiener Neustädter Kanal
Kleinkraftwerke am Wiener Neustädter Kanal
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Johann Günther
Bildmaterialien: Johann Günther
Tag der Veröffentlichung: 12.05.2015
ISBN: 978-3-7368-9454-9
Alle Rechte vorbehalten