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Vollmond. ICE 1514

Auf der grünen Wiese,
Fohlen staunen in den Teich,
auf die Fohlen staunt der Laich,
Hänschen küsst Luise.

Schwere Wolken segnen,
Zöllner fragen nach Gepäck,
Slips lachen aus dem Versteck,
Regentropfen regnen.

Hecken fliegen vorbei,
Häuser fliegen ebenso,
Fliegen brummen auf dem Klo,
still stehen Huhn und Ei.

Möwen auf dem Klärsee,
Transwaggon nach Irgendwo,
Intercity sowieso,
hoch lebe Aas, juchhe.

Plastik in den Abfall,
der Bahnsteig gähnt menschenleer,
Schienenstrang vom Zuge schwer,
Lautsprechers Widerhall.

Schwebend geht´ s heim zur Burg,
es schwanken froh die Sinne,
schwankend im Netz die Spinne,
schwebend der Dramaturg.


„Fritz, woher kommst Du? Du bist doch schon ewige Zeiten und drei Tage im Säuferhimmel. Na, und! Was heißt hier: Na, und? Was willst Du von mir? Was soll ich für Dich tun? Was? Was willst Du? Ein Protokoll soll ich für Dich schreiben? Lach. Lach. Lach. Ein Protokoll für den Säufer-Fritz? Was soll ich denn dort hinein schreiben? Wodka, Wodka, Wodka und nochmals Wodka? Oder Spiritus und Autobenzin färben die Augen so schön dunkel? Lach. Ein Protokoll soll ich für Dich schreiben!“

Ein Glück, dass die Blase mich drückt. Ansonsten hasse ich es, wenn ich so mitten in der Nacht aufstehen muss, weil die Blase mich dazu quält. Raus aus dem Bett. Raus aus der molligen Kuschelwärme. Tapps. Tapps.Tapps. Brrr. Brrr. Brrr. Der Toilettendeckel ist wieder nicht nach unten geklappt. Nun lehnt er hier so aufrecht an die Kachelwand. Armer Toilettendeckel. Kein Deckel heute Nacht auf der Brille. Meine Liebste duldet eine solche Schlamperei nicht. Der Deckel gehört runter auf die Brille. Jawohl. Wohl so. Richtig so. Und schon gar nicht kommt in Frage, dass auch noch die Brille hochgeklappt am Deckel, und der an die Kachelwand gelehnt, steht. Dann ist das nackte Toilettenbecken zu sehen. Du schaust direkt in das lupenreine Wasserloch. Auweia. Auweia. Auweia. Heute Nacht, wo mich die Blase so treibt, bin ich doch dankbar, dass der Deckel schon hoch gelehnt steht. Tapps. Tapps. Tapps. Brrr. Brrr. Brrr.

Da fällt mir ein. So auf dem Weg zurück in die Federn. Was ja auch als hervorragende praktische Leistung zu loben ist, das ist die Erfindung, die Toilette ins Haus zu holen. Ja, wirklich. Das meine ich total ernst. Ich erinnere mich noch gut an meine Kindheit, die steht jetzt im Alter wie gestern da, da stand das Toilettenhäuschen draußen. Mitten auf dem Hof über einer Kuhle. Im Sommer umsummten deinen Allerwertesten die Fliegen und im Winter fror dir das Wasser an der Leitung fest, wenn so eine Sitzung mal länger dauerte. Und wie viele Tageszeitungen daran glauben mussten. Auch die vom Nachbarn. Der konnte sich schon dieses Schmirgelpapier auf der Rolle leisten. Ich will nicht mehr daran denken, wenn die Tageszeitungen schon alle gelesen waren. Obwohl? Obwohl wir alle etwas gebildeter waren. Vielleicht wäre das eine Anregung für die Bildungsministerkonferenz. Nein, nicht für die Minister, nicht für die, die lernen nicht mehr, sondern „fürs zu Lernen für unsere Kinder“. Zurück zur Kälte. Die war echt Brrr, Brrr, Brrr. Da hast Du dir nachts lieber das Wasser durch die Augen weg gedrückt. Und auch die Wohnung hatte keine achtzehn Grad in der Nacht. Sie war eiskalt, so mit Eisblumen am Fenster und der restliche Tee auf dem Tisch gefroren und Mutter? Mutter stand erst um Fünfe kurz auf, um den Küchenherd schon mal anzuschmeißen, dann zurück in die Federn. Und wenn Vater dann von den kalten Füßen wach wurde, dann ging es heiß her. Woher ich das weiß? Ich schlief im gleichen Zimmer. In der Wohnstube wurden erst, wenn nicht nur sonntags, am späten Abend die Kacheln gewärmt. Brrr. Brrr. Brrr. Der Tee. Habe wohl heute über Tag zuviel von dem sooohooo gesunden Brennnesseltee getrunken. Der treibt und treibt und treibt. Mit der Ladung hätte ich auf keinen Fall die Nacht durchgestanden. Fritz hat mich einmal, so mit voller Absicht, in die Brennnesseln gestoßen.

„Ja, Fritz, das kann ich Dir ungeschminkt ins Protokoll schreiben. Du Saftarsch, Du! Das vergesse ich Dir nie und nimmer und ewig nicht. Nein. Nein. Nein. Wie ich so über und über von den Brennnesseln verpickelt war…und das Jucken, Jucken, Jucken, Kratzen, Kratzen, Kratzen und immer mehr Jucken und Kratzen bis zum Bluten und länger. Du hast extra gewartet. Lache nicht. Jetzt doch nicht mehr. Jetzt kannste es ja zugeben. Ja, du hast gewartet, bis ich nur noch die Badehose anhatte, ja dort an dem See, und dann…Schwups…

…Ha, ha, he…Das schreibe ich Dir auch in Dein Protokoll. Deiner Brigitte habe ich jeden einzelnen Brennnesselpickel -so ein paar Jahre später- wieder und wieder ab geliebt. Direkt unter Deinen Augen, wie man so sagt, Du Hirsch. Du hast nichts gemerkt. Was mir einerseits wirklich und wahrhaftig leid tat. Andererseits hätte ich bestimmt nur einen Pickel geschafft, hättest Du es frühzeitig oder gleich gewusst.

Ha. Ha. Ha. Dann habe ich die vielen ab geliebten Pickel der Hermine hinterbracht. Dieser listigen Schluderhexe. Sie hat es Dir mit Hochgenuss unter die Nase gerieben. Wow. Da war sie noch so schön rosa und immer nüchtern. Dass Du dann die Brigitte so schrecklich verbeult hast, hätte ich mir denken können. Habe ich vielleicht auch. Auf jeden Fall war ich Euch beide los. Mal sehen, Fritz, vielleicht schreibe ich auch noch ins Protokoll, dass ich es war, der Dir die Polizei auf den Hals gehetzt hat, Dich vor den Kadi gebracht und Dich in den Suff getrieben hat. Ha. Ha. Ha.“

Die Müllabfuhr. Oh, liebe Müllmänner, oh. Heute Morgen bin ich für euren polternden Lärm so richtig dankbar. Der Fritz, der wollte mir gerade an die Gurgel gehen. Das konntet ihr vielleicht nicht ahnen oder gar wissen, oder? Ja, vielleicht habt ihr in euren Reihen doch einen, der einen Fritz und eine Brigitte kennt oder gekannt hat und der sich sagte: So, jetzt lasse ich die leere Mülltonne mal ordentlich knallen, dann wacht dieser schrullige Miesepeter, der sich auch noch Schriftsteller nennen will, dort oben im Hochparterre auf. Und dann ist er gerettet! Nun, mein lieber Müllmann, dass du mich einen schrulligen Miesepeter nennst, will ich dir noch verzeihen, aber diese schräge Bemerkung auf den Schriftsteller? Gut, für heute. Da herrschen Notbedingungen, und vieles ist erlaubt. Mir läuft immer noch der Angstschweiß in das kuschelige rote Spannbettlaken. Aufgeraut. Hm. Hm. Hm. Es speichert die Wärme so angenehm kribbelig. So, jetzt gehe ich erst einmal die Blase entleeren. Der Müllmann auf dem Hinterhof hört dann meine Toilette rauschen und ist mit seinem Tagewerk zufrieden.

„Ja, Fritz. Es mag ja sein, dass ich Dir alle Chancen vermasselt habe. Wenn Du es unbedingt willst, dann schreibe ich es Dir mit weißer Farbe auf Deine versoffene Nase. Nein, nicht ins Protokoll. Was willst Du? Was soll ich Dir dafür hundert Mal ins Protokoll schreiben? Hundert Mal? Du versoffener, toter Spinner:

Fritz springt aus dem Stand fünf Meter hoch!!!

Mit drei Ausrufungszeichen. Wieso drei? Und nicht fünf? Ha. Ha. Ha.

Fritz springt aus dem Stand fünf Meter hoch!!!!!

Und was noch, bitte?????

Nichts? Nur das? Und sonst gar nichts? Das ist Dein Protokoll? Und dafür kommst Du extra aus dem Säuferhimmel zu mir? ...


Hm. Hm. Hm. Lecker. Es duftet so herb durch alle Ritzen. So gemütlich. Es klappern die Tassen. Pling, Pling, das Besteck. Bestimmt hat sie schon die drei Kerzen auf dem Frühstückstisch angezündet. Und der arabische Kaffee lockt und das Käsebrötchen wartet gemeinsam mit der Ingwermarmelade. Hm. Heute kein Ei. Nein, nicht jeden Tag ein Ei. Meine Liebste passt auf mich auf. Jawohl, fast so wie Fritz…

Protokoll

Fritz, ach Fritz, du altes Luder,
mal mein Henker, mal mein Bruder.

Wollt´ mir jemand an den Kragen,
braucht´ nur laut ich: Fritz! zu sagen.

Kauft´ ich mir zum Schlecken ein Eis,
nahmst du es fort, wie den Milchreis.

Fasste jemand mein Fahrrad an,
setzt´ du ihm rote Ohren an.

Wollt´ ich mal ein Mädchen fesseln,
schubstest du mich in die Nesseln.

An deiner Frau zahlt´ ich zurück,
da suchtest du im Suff dein Glück.

Und scheint der Mond mein Fenster voll,
dann nehme ich´ s zu Protokoll:

Fritz, ach Fritz, du mein hehres Pfand,
springst hoch fünf Meter aus dem Stand.

Aua. Aua. Ah, so ein Mist. Ich bekomme den Kopf nicht gerade. Aua. Aua. Mist. Da habe ich mir doch ganz schön arg das Genick verlegen. Ich komme mit diesem neuen Kopfkissen doch noch nicht so gut zurecht. Wird schon werden. Meine Liebste hat auch ´ne längere Zeit gebraucht. Dann ist es aber toll, sagt sie. Wieso zupft sie mich so?

„Hallo, hallo, mein Herr! Ihren Fahrausweis bitte…und Ihre Bahncard. Danke…Bitte.“

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Tag der Veröffentlichung: 14.11.2008

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