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Chloe Prolog


Meine Hand lag an seiner Brust und ich spürte, wie sein Herz ungestüm schlug, nicht vor Angst, nein, da war noch was anderes.
Da nahm ich seine Hand und legte sie an meine Halsschlagader, damit auch er spürte, wie mein Herz im selben Takt schlug – es folgte einer Melodie, wurde schneller, verlor sich im Rausch, sprunghaft, setzte aus, bis die Musik vollendet wurde; ein Orchester der Gefühle.
Ich hatte nie gewusst, dass auch Menschen den Hunger nach einer Seele besaßen.
Doch dieser Hunger, den ich nicht richtig wusste zu beherrschen, konnte ihm noch gefährlich werden.
Gefährlicher als je einer wissen konnte.
Als je einer spüren sollte.


Erstes Kapitel


Beunruhigt schob ich das Essen, was ich nie anrühren würde, hin und her, als ich vorsichtig nach Sebastians Seele tastete. Wütend funkelte er mich an, als er den Zugriff auf seine Gedanken bemerkte. Er war sauer, zu Recht, denn einfach in seine Gefühlswelt einzutreten, war wie in ein Zimmer zu platzen, indem es gerade zur Sache ging.
Doch ich war besorgt, denn heute war er schlecht gelaunt und somit leicht anfällig für die verschiedenen Seelen, die hier umherwanderten. Besonders gerade, als ein hübsches Mädchen an uns vorbei lief und dessen Seele nach Zimt und Keksen schmeckte, zumindest die Spur in der Luft, die sie hinterließ.
Yasmine, seine Freundin – oder eher ewige Partnerin, bemerkte sein Verlangen und drückte seine Hand fest, um ihn zu beruhigen.
<Wag es nicht, Sebastian>, murmelte ich, obwohl er älter und unser Clanführer war.
Nervös schielte ich zu einer Gruppe von Schülern rüber, nicht dass sie etwas von unserem Gespräch mitbekamen.
Ich seufzte und zog mir die Kapuze tiefer in die Augen, damit man die auffallende Schwärze mit den roten Pupillen nicht sah, dann eilte ich hinaus.
Ich stand kurz davor auszurasten, da ich durch meine Gabe, oder eher dem Fluch, das Verlangen jeder Person in dem Raum zu spüren, sehr beansprucht wurde.
Es regnete draußen, ein feines Nieseln, welches die Welt grau und emotionslos wirken ließ. Ich drehte mich wieder um und ging den langen Flur entlang, gedankenverloren. Plötzlich flammte ein Verlangen nach Schmerz auf, genauer gesagt, mein Schmerz. Unvorbereitet traf mich eine Faust im Magen, als ich um die Ecke bog.
Ein Junge packte mich an der Kehle und drückte mich an die Wand, ich zischte zwischen zusammengebissenen Zähnen.
Das alles passierte innerhalb einer Sekunde. Ich konnte mich nicht wehren, dann schob der Junge mir die Kapuze vom Kopf und blickte mir in die Augen.
Er grinste. <Ich wusste doch, dass du eine von den Seelenfängern bist, Kleine, und auch noch etwas Besonderes! Normalerweise habt ihr doch orangene Augen, nicht wahr? Ich muss sagen, ich war ein wenig überrascht>
Ich zischte wieder und legte so viel Verachtung hinein, wie ich konnte, doch – vergeblich, er lachte nur.
<Lass mich raten wie alt du bist, mit siebzehn eine Seelenfängerin geworden, oder? Wie lange das wohl her ist?>, fragte er spöttisch und sein Griff an meinem Hals verstärkte sich.
<Sag du es mir einfach, Kleine>
Mühsam presste ich eine Antwort heraus. <Geht dich nichts an Arschloch>
Wieder lachte er gehässig, und sein Knie drückte schmerzhaft in meinen Bauch.
Ich keuchte. <Einen… einen Monat>
Der Druck verringerte sich, ich seufzte erleichtert auf, dann antwortete er.
<Ah, noch ein Frischling – und heute zur Tarnung auf diese Schule gekommen, was? Merk dir das: Die Jäger. Wir regieren diese Stadt, schützen sie und ihr Monster habt hier nichts zu suchen. Verstanden? Und merk dir meinen Namen, denn du wirst ihn noch weinen, wenn du um dein Leben flehst: Damien>
Ich tastete nach seiner Seele um ihn zu beeinflussen, doch sie entzog sich mir – er merkte es, seine Augenbrauen zogen sich nachdenklich zusammen.
<Wie heißt du, Kleine?>, flüsterte er geschockt.
<Ein Name, den DU dir merken solltest: Chloe, Chloe Sign>, sagte ich und zwang mich zu einem Grinsen.
Damien nickte, ließ mich los und wischte sich die Handflächen an seiner Jeans ab und ging, blieb dann stehen, als habe er was vergessen.
<Ach ja- wir werden uns wieder sehen, Chloe> Es klang gleichzeitig wie ein Versprechen, nicht nur wie eine Drohung.

<Sebastian?>, murmelte ich, als Yasmine am Klavier saß und ihrem Bruder Jacques zu spielen beibrachte. <Was?!>, antwortete er genervt, und schaute von seinem Buch auf.
<Was sind die Jäger?> Sein Blick weitete sich. <Wo hast du denn das aufgeschnappt?>
<Ich.. heute hat… da war.., ach egal>, stotterte ich, dann wurde mir klar, dass es besser war, Geheimnisse zu haben, und sei es vor dem Clanführer.
Sebastian verdrehte die Augen. <Egal, das sind Unsterbliche, wie wir, jedoch jagen sie uns und trinken Blut, jedoch nur während Menschen schlafen, wie Mückenstiche sieht das dann aus – unbemerkt, sie schaden aber auch keinen. Und sie denken, wir verdienen es nicht auf der Welt zu existieren, weil wir – nun ja – ihnen doch eher schaden, wenn wir ihre Seelen ‚essen’> ich kannte die Antwort auf meine nächste Frage schon.
<Gibt es sie auch hier?>
Er nickte und ich bemerkte einen seltsamen Glanz in seinen orangenen Augen.
<Sie haben sich meine Mutter geholt>
Ich erinnerte mich daran, wie Sebastian mich in seinem Clan aufgenommen hatte, denn ich war ‚aufgewacht’ und eine Seelenfängerin gewesen, wusste nicht wer mein Erschaffer war, der als Elternteil galt. Er hatte mich direkt gefunden, kaum hatte ich mein Bewusstsein erlangt, war er da gewesen und gesagt: Wir sind deine Familie, wenn du willst.
Ich konnte daher nicht nachvollziehen, wenn die Person, die einen sozusagen aufgezogen hatte, starb.
Stille umfing uns wieder, und Sebastian vertiefte sich wieder in sein Buch.
<Sebastian?>, wiederholte ich, wie zu Anfang des Gesprächs.
<Was ist denn jetzt wieder, du Bastard?>, grinste er mich an und verdrehte die Augen.
<Ich hab dich gern, wollte ich nur mal sagen>, grinste ich zurück.
<Jetzt werd nicht sentimental, Schwester>





Zweites Kapitel


Ich blickte in den Spiegel und beobachtete die Fremde, die mich neugierig ansah, in die unergründlichen schwarzen Augen mit dem roten Leuchten in der Mitte.
Ich fuhr mit den Fingern über das Glas, über das Gesicht.
<Wer bist du, Chloe?>, fragte ich mich selbst und wusste instinktiv, dass der junge Jäger Damien Recht hatte: Wir waren Monster.
Wie konnte ich nur die Seelen von schutzlosen Menschen nehmen, wenn ich selbst meine behalten durfte, war das gerecht?
Ich schlug mit der Faust in die Scheibe; sie splitterte unter dem dumpfen Aufprall, Blut tropfte runter und auf den Boden, bildete dort einen schönen Vergleich zwischen dem schmerzenden Rot und dem sauberen weiß der Fliesen.
Meine nackten Füße küssten die Scherben auf dem Boden, als ich aus dem Zimmer schritt. Plötzlich ertönte ein Schrei.
<Chloe, was hast du gemacht?>, kreischte Yasmine aufgebracht und hob mich hoch; sie war so viel stärker als ich, da sie schon 50 Jahre eine Unsterbliche war.
<Ich habe versucht mich zu finden>, antwortete ich wahrheitsgemäß, während sie mich zu Sebastian brachte.
Eine schallende Ohrfeige traf mich im Gesicht. <Chloe, du unterstehst meinem Clan, du darfst das nie wieder machen!>, schrie Sebastian mich an, welcher der Grund für das schmerzende Pochen an meiner Wange war.
Dann bewies ich, dass ich unabhängig war.
Ich sah das Küchenmesser aus den Augenwinkeln, nahm es und schnitt mir mit einem spritzenden Geräusch, einer raschen Bewegung, die Kehle auf.
Sebastian fing mich auf, als ich zusammenbrach.
<Du Vollidiotin, du kannst nicht sterben, so einfach!>, schrie er, während der Schnitt sich schloss und Tränen aus meinen Augen rannten.






Impressum

Texte: [C]Bild und Text bei
Tag der Veröffentlichung: 23.06.2011

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