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Rettungsdienst Organisation und Einsatztaktik



Krankentransport und Rettungsdienst blicken in Deutschland auf eine lange Vergangenheit zurück. Der Beginn des Rettungswesens beläuft sich auf den Anfang des 19. Jahrhunderts. Die Versorgung von Verunglückten sowie erkrankter Personen wurde hauptsächlich den Krankenhäusern übertragen. Der Transport wurde aber mehr oder weniger vom Patienten selbst organisiert. Mitte der 40-er Jahre nahm die Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu und es wurde ein Konzept zur Reorganisation des Rettungswesens in Deutschland entwickelt. Aber erst in den 70-er Jahren kam es im Krankentransport und Rettungsdienst zu entscheidenden Veränderungen. Wo früher der schnelle Transport in die Klinik im Vordergrund stand, ging man nun dazu über, eine erste notfallmedizinische Versorgung direkt an der Einsatzstelle vorzunehmen. Wichtige Weiterentwicklungen im Rettungswesen waren vor allem der Aufbau von Rettungsleitstellen, die Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen. Bis heute wird immer wieder nach Wegen und Lösungen gesucht, um den Rettungsdienst in seinen Strukturen weiter zu optimieren. Im Vordergrund steht dabei:



-Stärkung der Qualifikation des RD-Personals,
-Förderung eigener Kompetenzen
-Europäische Normung für den Rettungsdienst
-Aufbau des Digtalfunks


Notfallrettung und Krankentransport bilden in der heutigen Zeit den Schwerpunkt im Rettungsdienst. Bei der Notfallrettung handelt es sich ausschließlich um Primäreinsätze, was beinhaltet, dass der Notfallpatient direkt von der Einsatzstelle in die geeignete Zielklinik verbracht wird. Sekundärtransporte sind Transporte, wo der Patient bereits in einer Klinik versorgt wurde und nun in eine andere Einrichtung verlegt wird. Diese Transporte können mit allen zur Verfügung stehenden und dem Krankheitsbild angepassten Fahrzeugen durchgeführt werden.

Aufgaben und Strukturen des Rettungsdienstes

Zu den Aufgaben des Rettungsdienstes gehören die Notfallrettung und der qualifizierte Kranktransport, wobei es jedoch im Rettungsdienst zwei grundlegende Strukturen gibt. Zum einen die Personalstruktur und zum anderen die Fahrzeugstruktur.

Zur Personalstruktur gehören
-Notarzt (NA)
-Rettungsassistent (RA)
-Rettungssanitäter (RS)
-Rettungshelfer (RH)

Jeder Notfallpatient hat einen Anspruch auf (präklinische) ärztliche Versorgung. Einsatzindikationen für den Notarzt sind länderspezifisch bzw. in einer Empfehlung der Bundesärztekammer geregelt.

Indikationskatalog für den Notarzteinsatz

Bei Verdacht auf fehlende oder deutlich beeinträchtigte Vitalfunktion ist der Notarzt einzusetzen:

Bewusstsein:reagiert nicht auf Ansprechen und Rütteln, SHT, Intrazerebrale Blutung, Vergiftungen, Koma
Atmung: ausgeprägte oder zunehmende Atemnot,
Atemstillstand, Asthmaanfall, Lungenödem, Aspiration
Herz / Kreislauf: akuter Brustschmerz, ausgeprägte oder zunehmende Kreislaufinsuffizienz, Kreislaufstill-stand, Herzinfarkt, Angina pectoris, Herzrhythmusstör-ungen, hypertone Krise, Schock
Sonstige Schädigungen mit Wirkung auf die Vitalfunktionen, schwere Verletzung, schwere Blutung,
starke akute Schmerzen, plötzliche Lähmungen (halbseitig), Thorax-/Bauchtrauma, SHT, größere Amputationen, Verbrennungen, Frakturen mit deutlicher Fehlstellung, Pfählungsverletzungen, Vergiftungen


Notfallbezogene Indikationen
-schwerer Verkehrsunfall mit Hinweis auf Personenschaden
-Unfall mit Kindern
-Brände/Rauchgasentwicklung mit Hinweis auf Personenbeteiligung
-Explosions-, thermische oder chemische Unfälle,
-Stromunfälle mit Hinweis auf Personenbeteiligung
-Wasserunfälle, Ertrinkungsunfälle, Eiseinbruch
-Maschinenunfall mit Einklemmung
-Verschüttung
-drohender Suizid
-Sturz aus Höhe (≥ 3 m)
-Schuss-/ Stich-/ Hiebverletzungen im Kopf-, Hals- oder Rumpfbereich
-Geiselnahme und sonstige Verbrechen mit unmittelbarer Gefahr für Menschenleben
-unmittelbar einsetzende oder stattgefundene Geburt
-Vergiftungen

Der Notarzt hat die Aufgabe der ärztlichen Erstversorgung von lebensbedrohlichen Notfällen. Hierbei bedient er sich der Ausstattung des Rettungstransportwagens (RTW), um direkt am Patienten arbeiten zu können.
Der Rettungsassistent ist der Teamführer auf dem RTW. Seine Aufgabe ist bundesweit einheitlich im Rettungsassistentengesetz geregelt.
Sie soll ihn befähigen, am Notfallort bis zum Eintreffen des Arztes die erforderlichen lebensnotwendigen Maßnahmen bei Notfallpatienten durchzuführen. Die Herstellung der Transportfähigkeit von Notfallpatienten sowie die Aufrechterhaltung der lebenswichtigen Körperfunktionen während des Transportes gehören ebenfalls zu den Aufgaben eines Rettungsassistenten.
Landesspezifisch unterschiedlich sind Ausbildung und Aufgaben von Rettungshelfern und Rettungssanitätern geregelt.

Aufgabe des Rettungssanitäters ist das Vorbereiten und Durchführen der Einsätze im Rahmen des Krankentransportes und Rettungsdienstes. Er ist als Teamführer im Krankentransport und als Fahrer im Notfalleinsatz eingesetzt.

Der Rettungshelfer besetzt als Fahrer gemeinsam mit einem Rettungssanitäter oder Rettungsassistenten den Krankentransportwagen. Somit liegt die Hauptaufgabe des Rettungshelfers in der Durchführung von Krankentransporten

Zur Fahrzeugstruktur gehören :
-Krankentransportwagen (KTW)
-Rettungstransportwagen (RTW)
-Notarzteinsatzfahrzeug (NEF)
-Notarztwagen (NAW)
-Rettungstransporthubschrauber (RTH)

Grundsätzlich sind in der als Richtlinie dienenden Euronorm DIN EN 1789 vier Typen von Krankenkraftwagen definiert,
•Typ A1 – Krankentransportwagen (für einen Patienten)
•Typ A2 – Krankentransportwagen (für einen oder mehrere Patienten)
•Typ B – Mehrzweckfahrzeug / Notfallkrankenwagen
•Typ C – Rettungstransportwagen


Der RTH ist das geeignete Transportmittel, einen Notfallpatienten schonend und schnell zu transportieren.

Der NAW rückt zu Patienten aus, bei denen schon im Vorfeld klar ist, dass ein Arzt an der Einsatzstelle benötigt wird. Im eigentlichen Sinne handelt es sich beim NAW um einen Rettungstransportwagen mit erweiterter Ausstattung, bei dem zur ursprünglichen Besatzung noch ein Notarzt mit an Bord ist.

Das NEF ist ein Fahrzeug, das den Notarzt zur Einsatzstelle bringt. Es führt Materialien zur erweiterten präklinischen Versorgung von Notfallpatienten mit, die eine ärztliche Hilfe benötigen.

Der RTW wird dazu verwendet, Notfallpatienten zu transportieren und ihre Versorgung sicherzustellen.

Der KTW ist für den Krankentransport gedacht und dient dazu, alle Patienten, die keine Notfallpatienten sind, zu transportieren und während des Transportes fachgerecht zu betreuen. Hierzu zählen auch Patienten, die unter den besonderen Bedingungen einer Infektionserkrankung zu transportieren sind.

Der Rettungsdienst als Glied der Rettungskette

Der Begriff „Rettungskette“ beschreibt insbesondere die Bedeutung der Laienhelfer in der Ersten Hilfe. Je besser die ersten beiden Glieder der Kette durch Ersthelfer ineinander greifen, umso besser können Patienten, wenn sie in die Hände des professionellen Rettungsdienstpersonals übergeben werden, fachgerecht weiterversorgt werden.

Zu den Sofortmaßnahmen gehören bei jedem Notfall (Erkrankung/Verletzung/Vergiftung) in erster Linie der Eigenschutz. Die eigene Sicherheit kann oft mit einfachen Maßnahmen gewährleistet werden . Das Absichern der Unfallstelle bei Verkehrsunfällen durch Einschalten der Warnblinkanlage und das Aufstellen des Warndreiecks in einem ausreichenden Abstand zum Unfallort sowie das Tragen von Sicherheitshandschuhen und evtl. einer Sicherheitsweste. Dieses sind alles Maßnahmen, die zum Eigenschutz des Ersthelfers dienen.


Nachdem die eigene Sicherheit und die Sicherheit Dritter gewährleistet ist, kann mit den Sofortmaßnahmen am Patienten begonnen werden. Ein weiterer wichtiger Punkt bei den Sofortmaßnahmen ist das Erkennen der Situation und das Absetzen des Notrufes ( 112 ) . Keine Sofortmaßnahme führt zum Erfolg, wenn fachliche Hilfe nicht oder erst verzögert angefordert wird. Deshalb ist die rechtzeitige Alarmierung von professionellen Kräften unerlässlich.

Der Notruf (112) sollte folgende Punkte beinhalten:
-Wo geschah es ( Ort/Ortseil, Straße Hausnummer, Stockwerk) ?
-Was geschah (Unfallsituation)?
-Wie viele Verletzte (Anzahl der Verletzten / Erkrankten / Betroffenen)?
-Welche Art von Verletzungen (was sieht man?)?
-Warten auf Rückfragen - wichtig - der Leitstellendisponent beendet den Notruf.

Nachdem professionelle Hilfe angefordert wurde, werden die bereits eingeleiteten Maßnahmen, wie Betreuung, Wärmeerhaltung, evt. Anlegen von Verbänden, bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes fortgesetzt.
Umstehende – auch z.B. Angehörige und Arbeitskollegen – sind nach Möglichkeit in die Versorgung zu integrieren.


Bei der Übergabe des Patienten an das Rettungsdienstpersonal wird dieser in der Regel den Ersthelfer um weitere Hilfe, entsprechende Auskünfte über den Unfallhergang, das bisherige Verhalten sowie den Zustand des Patienten und die bereits ergriffenen Hilfsmaßnahmen bitten. Nach professioneller Versorgung des Patienten am Einsatzort wird der Patient in der Regel in ein nächstgelegenes und geeignetes Krankenhaus gebracht.

Im Krankenhaus findet dann eine intensive ärztliche Versorgung des Patienten statt. Dies kann ein langwieriger Prozess aus Operationen, Therapien und Untersuchungen sein, an dessen Ende jedoch die Genesung des Patienten steht.


Organisation einer Rettungswache

Anzahl, Standard und Ausstattung von Rettungswachen wird von der sich aus dem Landesrecht ergebenden Aufsichtsbehörde (in NRW ist dies die zuständige Bezirksregierung) des Rettungsdienstes festgelegt.

Durch zusätzliche personelle und materielle Ausstattung kann die Anerkennung als Lehrrettungswache erfolgen, wenn zudem eine hinreichende Anzahl an Notfalleinsätzen gewährleistet werden kann.

Eine Rettungswache sollte mindestens folgende Voraussetzungen erfüllen:

-Fahrzeuggarage,
-Aufenthaltsraum,
-Ruheraum oder Räume für die diensthabende Besatzung Büro für Verwaltungsangelegenheiten,
-Desinfektionsraum / Desinfektionseinrichtungen
-Lagerraum

Für Personal müssen noch Toiletten, Duschen und Umkleidemöglichkeiten vorgehalten werden.


Unter hygienischen Gesichtspunkten ist die Trennung in einem schwarz-weiß-Bereich unerlässlich, das heißt der Weiß-Bereich ist grundsätzlich mit Einsatzbekleidung oder genutzter Ausstattung zu betreten.
Ansprechpartner auf einer Rettungswache sind:

-der Wachleiter: er ist zuständig für den internen und organisatorischen Ablauf der Wache
-der Lehrrettungsassistent: er ist Ansprechpartner für alle Ausbildungsangelegenheiten vom Rettungshelfern, Rettungssanitätern und Rettungsassistenten und ist für die Durchführung und Organisation von (Pflicht-) Fortbildungen auf der Wache verantwortlich.
-der Desinfektor: ist der Fachmann für Fragen im Bereich der Hygiene und Desinfektion von Personal, Geräten und Fahrzeugen.
-MPG – Beauftragter: Er ist als beauftragte Person der Hersteller von Medizinprodukten für die Einweisung von Anwendern und Instandhaltung der Geräte und Fahrzeuge zuständig

Wachleiter, Lehrrettungsassistent Desinfektor und MPG - Beauftragte sind die Personen, die in gemeinsamer Zusammenarbeit und organigraphisch festgelegter Zusammenarbeit mit dem Träger des Rettungsdienstes für den reibungslosen Ablauf auf einer Rettungswache sorgen.


Praktikum im Rettungsdienst

In den Landesrettungsdienstgesetzen ist definiert, über welchen Ausbildungsstand das eingesetzte Personal verfügen muss, um die verschiedenen Rettungsmittel besetzen zu können.

Aufgaben vom Rettungshelfer/in können durch eine/n Rettungssanitäter/in oder eine/n Rettungsassistenten/in übernommen werden, jedoch nicht umgekehrt (Mindestqualifikationen sind gesetzlich geregelt)

Während des Praktikums sollte der Praktikant neben Eigeninitiative und Interesse an der Arbeit im Rettungsdienst die ihm übertragenen Aufgaben sorgfältig und zuverlässig ausführen. Die Integration in das Team der Rettungswache ist neben einer engen Zusammenarbeit mit dem Lehrrettungsassistenten für ein erfolgreiches Praktikum unerlässlich. Ein Ausbildungsnachweisheft wird durch die Rettungsdienstschule zur Dokumentation der Ausbildung zur Verfügung gestellt.


Schnittstelle zu den Einheiten des Sanitätsdienstes

Die mit der sanitätsdienstlichen Betreuung beauftragten Hilfsorganisationen können auch mit der rettungsdienstlichen Absicherung dieser Veranstaltungen beauftragt werden. Dieses aber nur innerhalb der behördlichen Auflagen, einer Abstimmung mit dem Träger des Rettungsdienstes und im Rahmen ihrer Möglichkeiten.
Hierdurch werden rettungsdienstliche Standards auch bei Großveranstaltungen sichergestellt.

Die Mitarbeiter halten mittelbaren Kontakt zu den Teilnehmern der Veranstaltung.

Eine im Vorfeld durchgeführte Gefährdungsanalyse liefert neben besonderen Gefahrenpunkten auch Auskunft über vorzuhaltende Rettungsmittel und Einsatzkräfte sowie spezielle Versorgungseinrichtungen.
Übergabestellen an den Rettungsdienst sind im Vorfeld ebenso festzulegen, wie eine gegenseitige Erreichbarkeit (Telefon / Funk , 2m-/ 4m-Band).


Rettungsdienstsysteme

In Deutschland gibt es verschiedene Rettungsdienstsysteme. Wir unterscheiden in Stationssystem, Rendevouz-System und RTH-System. Jedes Rettungssystem birgt jedoch Vor- und Nachteile in sich.

Stationssystem
Beim Stationssystem befindet sich die Besatzung des RTW mit dem Notarzt auf der Rettungswache. Bei einer Alarmierung fahren sie gemeinsam zur Einsatzstelle.

Rendevouz-System

Beim Rendevouz-System befinden sich Rettungsdienstpersonal und Notarzt nicht zusammen auf einer Wache. Im Falle eines Einsatzes fährt der RTW zur Einsatzstelle und das NEF rückt aus, um den Notarzt abzuholen, der sich in der Regel im Krankenhaus aufhält. Beide Fahrzeuge treffen sich dann an der Einsatzstelle.


RTH-System

Das RTH-System nimmt im Rahmen der Rettungsdienstsysteme eine besondere Rolle ein. Sowohl von der Ausstattung als auch vom medizinischen Personal ist der RTH mit dem Notarztwagen fast identisch. Jedoch im Bezug auf Abmessungen und Platz müssen erhebliche Abstriche gemacht werden. Eine Forderung besteht darin, dass während des Fluges der Notfallpatient versorgt werden kann. Dazu muss der Oberkörper des Patienten zugänglich und der Patient vital stabil sein. Das RTH-System gleicht dem Stationssystem, da Pilot, Rettungsassistent/in und Notarzt/ärztin gleichzeitig den Standort verlassen.

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Texte: (c) by JÖWI-Verlag & Medienservice
Tag der Veröffentlichung: 18.05.2009

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