BOOKRIX-Schreibwettbewerb Klirrende Kälte
Augen starren ins Leere. Beinpaare schwirren durch die Einkaufsstraßen. Weihnachten soll das Fest der Liebe sein. Doch ich bin ein Nichts. Arbeit verloren, Hartz IV, dann Probleme mit dem Amt und dann mit dem Alkohol, dem Brennmittel gegen diese Kälte in mir und um mich herum. Niemand glaubt mir. Meine so genannten Freunde sind weg, reden schlecht über mich, haben mich im Stich gelassen. „Sieh selbst zu, wie Du klarkommst“, klingt es noch wie ein Echo in meinem gottverdammten Schädel. Nun sehe ich alles von unten. Wie ein schluchzendes Kind, wie ein wimmernder Hund, wie der klirrende Bürgersteig. Mitleid auf meinem Haupt, das Gedanken lesen kann. Ich fühle mich wie ein Handy ohne Akku, das niemand mehr anruft. Schuhe und Stiefel eilen marschierend vorbei. Die rote Kerze flackert im Wind. Mein Filzhut bleibt leer. Warten. Frieren. Warten. Frieren. Warten. Die Kälte klirrt.
Das Zwei-Euro-Stück liegt dort wie ein Verschluss zum Tresor, zum Geld, Geld, Geld, das ich nicht habe und das mir egal ist. Aber warum bettle ich darum? Politik hat es gebunkert und erzählt uns, daß wir es ändern müssen. Wirtschaft. So unwirklich. Nutzlose Ausbeutung. Sollen sie sich doch alle verraten an diesem Teufelstanz. Mir reichen ein paar Euros, um meine lebensnotwendigen Schnäppchen zu kaufen. Fusel, Kippen, Brot. Meinen Hund habe ich abgegeben. Er tat mir leid, wenn sein warmer Fellkopf auf meiner Schoßdecke lag und er umherschaute mit seinen treuen, traurigen Augen. Ich konnte ihm kein Futter mehr kaufen und keinen Gassilauf bieten. Er ist jetzt bei einem Kumpel, der immerhin eine Mietwohnung hat. Weil er weniger säuft. Aber dafür mehr raucht. Ich bleibe draußen. Wetterfest.
Wenn das taumelnde Treiben hier zwischen Weihnachtsbäumen und Shoppingschmuck vorbei ist, verkrümele ich mich mit Pappkartons, die die Warenhäuser zum Müll gegeben haben. Eine dunkle Hofeinfahrt wird meine Nachtstätte sein. Wenn es dann ruhiger und kälter wird in der Winternacht, dann brauche ich nicht zu beten, um an Weihnachten zu glauben. Jesus wurde in einem Bauernstall geboren und musste um sein Leben kämpfen. Gott hatte er immer an seiner Seite. Ich nehme mein Schicksal auf mich und hoffe auf bessere Zeiten. Der nächste Frühling kommt bestimmt.
Nörd Öro
Kalt
Liegend
Irre ich umher
Raumlos
Rege ich mich nicht
Ein Stern
Naht
Du, der Du umhüllt sitzst
Erstarrst vor Kälte
Kummer kennst Du nicht
Älter werde ich
Liebe tröstet mich
Tod
Erbarme Dich
Somatemoha
Domsheide. Bremen. McDonald's. An der Wand draußen liegen Tüten, Decken, Futternapf. Aldi, Penny, Lidl versammelt vor McDoanld's. Odachlose davor. Was tun sie hier? Jahr für Jahr sitzen, essen und trinken sie hier. Besuch bekommen sie auch.
Gegenüber steht ein Uhrtürmchen. Der Wind weht hier ganz wild. Doch die Obdachlosen kümmert's kaum. Sie hocken wärmend zugedeckt nebeneinander. Das harte Leben ist ihnen ins Gesicht gezeichnet. Blaue Nase. Rotes Gesicht. Trockene Lippen. Klarer Blick? Schauen in dieselbe Richtung wie der Roland, Bremens Stadtpatron. Gen Osten auf das Gericht. Das Jüngste Gericht? Ich wundere mich und frage mich, ob hier eine Kraft waltet, von der ich keine Kenntnis habe. Doch irgendetwas verzaubert mich. Sind Bettler die eigentlichen Krieger? Stille Rebellion der Aufklärung? Ich habe sie gern, denn sie sind da, auch wenn ich verlassen bin.
Somatemoha
Tag der Veröffentlichung: 10.01.2012
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