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Menschenschicksal



Peter



„Siehst du die Sterne am Himmel?“
„Nein, wie sollte ich auch?“
„Sie sind so wunderschön…“
„Ich kann sie nicht sehen!“
„Sie lassen mein Herz strahlen…“
„Hörst du mich? Ich kann sie nicht sehen!“
„Sie fallen zu Boden und decken dich zu…“
„ICH KANN SIE NICHT SEHEN! Die Straßenlaternen überstrahlen das Licht der Sterne!“


Es ist ein täglicher Kampf. Ein Kampf den man immer wieder neu beschreiten muss. Niemand sucht sich sein Schicksal heraus, versucht es aber auch nicht abzulehnen. Ich kann nichts wirkliches gegen mein Leben tun, dass will ich auch nicht. Wieso auch? Denkt ihr wirklich, dass das Leben auf der Straße so schrecklich ist, das ihr es selber verabscheut? Denkt ihr, ich wäre selbst Schuld an meinem Leben? Denkt ihr, ich beneide euch? Nein, auch wenn ich weiß, das ich nicht so lebe wie ihr und es auch nicht kann, weil mir die Mittel dazu fehlen und ich weiß, das wenn ich so leben würde, schnell wieder auf die Straße abrutsche. Doch es ist mir egal was ihr denkt. Ich weiß wie ich fühle, was ich will und wie ich überleben kann. In gewissen Teilen habe ich sogar Vorteile gegenüber euch. Ich verstehe Dinge anderes, ich weiß wie ich Probleme lösen kann, ohne auf die Methoden von euch zurück zu greifen, ohne an Geld oder sonstiges zu denken, nur durch reines verstehen…

Ich sitze hier, schon lange, versuche die Tage zu zählen, doch hab ich schon lange damit aufgehört. Was nützt mir schon die Zeit, in meinem Leben? Ich brauche sie eh nicht.
Hier wo ich bin ist es dunkel, nass und kalt. Eine kleine Gasse in Richtung dem Nichts. Ein kleiner Unterschlupf, bei dem ich Tag für Tag und Nacht für Nacht zuflucht suche. Mich mit anderen treffe und in die Sterne schaue. Sie beobachte, sie lerne zu verstehen. Manchmal stell ich mir die Frage wie ich hier her kam? Was dazu führte, das ich in der Gosse endete? Ein verdreckter Körper, der die große Stadt nur um einen mehr verpestet, auf ihrer zarten Haut liegt und sich nicht rührt.
Langsam öffne ich die Auge, schon lange ist der Tag angebrochen. Ich sollte versuchen Geld zu sammeln, um auch diesen Tag zu überstehen. Also rappel ich mich auf. Ich rieche Dreck. Ich weiß, das ich der Verursacher bin, doch für frische Kleidung habe ich kein Geld. Nur für den nächsten Schuss muss das Geld langen. Eine Sucht, die mich über Wasser hält.
Langsam gleite ich an meinen Körper entlang. Meine zerfetzten Klamotten fühlen sich schmierig an. Meine einstige braune Jeans war inzwischen schwarz verfärbt. Viele Löcher musterten sie. Mein Pullover, der in der Nacht so wuschlig warm war, ist nur noch eine Illusion. Versuche meine Ärmel nach hinten zu Krempeln, anderes geht es gar nicht mehr. Dann laufe ich los, hebe unterwegs eine leere Dose auf und wische sie mit einen meiner Ärmel aus, damit sie das Geld nicht verschmutzt. Ich gehe weiter, immer in Richtung der lauten Straße, auf der sich so viele Menschen tummeln. Wie oft ich schon dort saß und wartete, manchmal vergeblich

Nur noch um die Kurve, dann müssten die Menschen schon vor mir auftauchen. Ich höre ihr lachen, ihre Schuhe auf die Straßen klacken, ihre Stimmen, die sich unterhalten, durch die Luft schweben. Höre die Straßenbahn, wie sie versucht zu verlangsamen, da sie den leichten Abhang hinunter fährt.
Immer noch ist es dunkel, ich habe das Ende der Gasse noch nicht erreicht, höre aber schon, neben den Geräuschen der Stadt, Wasser plätschern. Ich schaue hinauf, sehe das von dem hohen Gebäude der gestrige Regen tropft und hart zu Boden fällt. Laufe daran vorbei, bleibe aber dennoch neben einer großen Pfütze stehen. Sehe mein Spiegelbild. Schrecke zusammen. Wie ich nur aussehe. Einst so stark und hübsch und nun alt und dürr. Mit meinen 20 Jahren sehe ich aus wie 29, kommt das vom Schuss? Wahrscheinlich. Schnell laufe ich zu dem Wasser hinüber. Lasse mir es in die Hände gleiten und spüle es sofort meine trockene Kehle hinunter. Ich genieß es, wer weiß wann ich das letzte mal einen Schluck Wasser zu mir genommen habe. Dann noch schnell einen Schwall des Kalten in mein Gesicht gleiten und rubbel mir den Dreck daraus hervor. Meine Haare müssen leider darauf verzichten, denn die Pfütze ist schon verbraucht. Doch bald wäre auch sie dran, heut Abend gehe ich zum Brunnen, drüber im Park. Ich gleite mir durch das fettige Haar, um es mir ein wenig zurecht zu legen und steige dann wieder hoch und gehe weiter auf die Straße zu und erreichte sie schließlich. Ich zucke zusammen und verschwinde schnell wieder in die Dunkelheit, als das Licht meine Augen streift. Nach einiger Zeit treten ich wieder hervor. Ich schaue mich um, so viele Menschen. Ich sehe einen Mann, er starrt mich verwirrt und angewidert an. Sein maßgefertigter Anzug verrät mir zu welcher Gruppe Mensch er gehört. Obwohl ich nur ein einfacher Mensch bin, starren mich viele an, als ob ich ein verunstaltetes Wesen wäre, was nur auf Eckel und Widerwertigkeit trifft.

Der Lärm der Stadt lässt mich schauern, lässt mich erzittern. Wie gern wäre ich jetzt wo anderes. Irgendwo, wo ich so sein kann wie ich bin, ich so leben kann und Abends ruhig in die Sterne schauen kann, denn sie sind das letzte Schöne das mir geblieben ist.
Ich entferne mich nicht weit von meiner Gasse, sitze normalerweise direkt daneben, auf den kalten Boden. Heute ist es nicht anders. Ich stelle mich darauf ein lange hier zu sitzen und zu warten auf Menschen die mich finanzieren. Indessen Händen mein Tag liegt. Die harten Steine schmerzen mit der Zeit und ich fühle, wie meine Knie schon wund sind. Kurz blicke ich den Abhang hinab, sehe das große Einkaufszentrum, sehe Menschen, darunter, Gleichgesinnte. Ein Mann, er sitzt nicht weit von mir, vielleicht 100 Meter. Ich höre leise, wenn auch nur schwer, seine Klänge der Gitarre. Höre wie er die Seiten mit seiner rauen Hand schwingen lässt, ich kenne ihn. Oft höre ich ihm Abends zu. Seine Musik ist schön, fast so schön wie die Sterne. Er sing von seinem Leben, von dem Schmerz, der Angst, aber auch von seinen gesammelten Erfahrungen, die Leute schmeißen ihm Geld zu, in den Gitarrenkoffer, der vor ihm liegt. Vielleicht sollte ich mir auch eine Gitarre zulegen. Nein, früher spielte ich Keyboard, aber jetzt nicht mehr. Wie auch?

Inzwischen sind ein paar Stunden mehr vergangen, die Dose vor mir füllt sich langsam mit Geld. Ich schütte sie aus, zähle nach. Mit dem Geld vom Vortag gerade mal 25 Euro. Aber das reicht für den nächsten Schuss, um die Nacht zu überstehen. Ich stelle die Dose wieder hin, warte noch einige Minuten um dann los zu gehen. Lasse nur noch kurz meine Blicke umher schweifen. Eine Frau kommt auf mich zu. Ein weißer, sauberer Kittel ragt unter ihrer dicken Jacke hervor, der Wind ist kalt. Ihr blondes kurzes Haar streift ihr durchs Gesicht. Sie bückt sich und schmeißt mir 4 Euro in die Dose. Kurz blickt sie mir ins Gesicht. Ich schaue sie an, bedanke mich, doch sie richtet sich ab und läuft weiter. Meine Augen verfolgen sie, einen schnellen Blick wagt sie noch über ihre Schulter, doch sie sieht mich nicht mehr.
Ich stehe auf, die Dose lasse ich stehen. Gleite durch die Masse von Menschen, die mich sofort verschluckt, aber dennoch einen großen Kegel um mich lässt, als ob ein Tier über die Straße läuft, das niemand zu nahe kommen will. Das bin ich gewohnt, ich kann es ihnen auch nicht verübeln.
Ich schaue auf den Boden vor mir, weiß das dort nichts liegt, kann aber nicht anders. Ich kenne den täglichen Weg. Weiß, das ich ein einhalb Stunden hin und zurück brauche.
Nachdem ich Rich getroffen habe und ihm das Geld für die Spritze gab, ging ich sofort zurück. Der Brunnen müsse heut einmal ausfallen. Morgen dann. Vielleicht.
Nun sitze ich wieder auf meiner kleinen Matratze in der Gasse, die Dunkelheit ist schon da, lässt mich zittern, frieren, gleich wäre es besser. Ich strecke meinen Arm aus, spanne den Gürtel um meinen Oberarm und setzte die Spritze an. Ich schaue weg, kann meinen Arm nicht sehen, die blauen Flecken und vielen Stiche lassen mich würgen. Dennoch setzt ich an und steche fest zu. Ich spüre wie die Nadel in mich eindringt und spritze die durchsichtige Flüssigkeit durch die Nadel in meine Venen. Schnell löse ich die Spannung des Gürtels und verfalle sofort in einen Rausch, ein Rausch der mich beruhigt, mich erlöst.
Später am Abend öffne ich meine Augen, schaue hinauf in den Himmel, sehe die Stern tanzen.

„Wie schön die Sterne tanzen können…“


Lucy



Immerwider kommt ein Übel nach dem Anderem. Ein Weg, der gegangen werden muss. Auch wenn ich diesen Schmerz in jedem Blick erkenne, so kann ihn dennoch nicht stillen, ihn bekämpfen. Wie auch? Was sollte ich tun? Ich kann nur da sein, da sein für all diejenigen, die wissen wo sie zuflucht finden.

Obwohl ich viele Gedanken an andere Menschen verschwende, so habe ich dennoch nichts für Menschen übrig, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Sie wissen worauf sie sich einlassen, was sie bereit sind zu tun, weil sie diesen Weg eingeschlagen haben. Warum gab ich diesem Mann nur Geld? Was hat mich dazu bewegt das zu tun? Ich weiß es nicht, ob es sein Anblick war, wie er so da saß. So verlassen auf der Straße, so kalt und leer. Ich weiß, dass er das Geld schnell für Alkohol oder sonstige Drogen ausgeben wird, aber ich konnte nicht anders.

Mein Weg ist lang, manchmal zu lange für den Fußgang dorthin. Ich liebe meine Arbeit, doch verfluche ich sie zugleich. Diese Menschen leiden zu sehen, ihre Schmerzen zu spüren. Sie anzublicken und ihnen eine Lüge vorgaukeln, ihnen sagen, dass man sie beschützt, für sie da ist. Dann aber sich eingesteht, dass das, womit man ihnen Mut macht nichts taugt.

Ich laufe weiter, richte meine Blicke nach vorn. Sehe das Zentrum der Stadt vor mir. Die Straßen, die Gebäude, die Menschen, die versuchen ihr Leben zu meistern, ohne jegliche Gedanken daran zu verschwenden, warum. Höre die Vögel zwitschern, ihre Klänge lassen mich einwenig beruhigen. Denk nicht zuviel nach Lucy! Ein leichter Wind streift mich, er ist kalt und trocken. Die Straßenbahn fährt den Abhang hinunter. Dahinter bildet sich wieder diese Traube voller Menschen, die zuvor Platz machte. Bald würde ich die öffentliche Straße erreichen. Ich schweife durch die Masse vor mir. Erblicke eine Mutter, sie hält ihre Kinder fest an der Hand. Sie weiß, das es keine sichere Stadt ist, dennoch flieht sie nicht, sondern versucht eher den Weg noch weiter zu gehen. Bin ich ebenso? Warum gehe ich nicht, kann ich überhaupt von hier verschwinden? Warum stelle ich mir diese Fragen? Ich kenne doch schon längst die Antwort darauf. Ich kann nicht weg gehen. Ich habe mein Leben bestimmt, den Weg selbst beschritten. Ich muss, kann gar nicht anders, jeden Tag diese Schmerzen, diese Schicksale sehen, zusammen gefurcht in kleinen Räumen. Und ich muss da sein, ihre Hand halten und sie beruhigen, ihnen Mut machen. Habe ich denn den Mut um selbst stark zu sein? Ich weiß es nicht, doch ich muss…

Plötzlich höre ich ein scharfes Quietschen neben mir. Schnell blicke ich auf, sehe ein Auto direkt neben mir. Ein Mann schaut mich böse an und schimpft irgendetwas, ich kann es jedoch nicht verstehen. Erst jetzt bemerke ich, das ich auf der Straße stehe. Ich war zu sehr in meinen Gedanken versunken, dass ich nicht wahrnahm, das ich auf die Straße lief. Doch ich habe keine Zeit länger damit zu verbringen und gehe weiter. Das Leben hat mi eine zweite Chance gegeben, doch was soll ich damit. Mein Leben geht dennoch weiter wie bisher. Ich gehe weiter meinen Weg, der mir soviel Kopfweh bereitet.


Conrad



Jeden Tag aufs Neue. Jeden Tag fahre ich die Großstadt ab, auf der Suche nach Kundschaft. Ein Mensch, der einen Weg sucht schnell von A nach B zu kommen. Jemand, der bereit ist dafür zu zahlen, das ich sie fahre. Das ist mein Beruf, denn ich bin Taxifahrer. Mein Job ist nicht leicht, doch ich bin gern ein Fahrer. Mir macht es nichts aus einige Stunden in einem kleinen Raum eingesperrt zu sein und immer wieder neue Menschen dabei zu haben. Einige sind recht in Ordnung, doch Andere könnte man schon mal gern einfach rausschmeißen, doch das würde das Geschäft ruinieren.

Ich weiß wie es ist in der Stadt, ich weiß wo man fahren kann und wo man am besten nicht halten sollte. Abends ist es am schlimmsten, dann kommt das ganze Gesindel aus seinen Löchern. Drogenabhängige, Nutten, Schläger und Räuber.

Jeden Tag hört man die Klänge der Stadt auf einem. Die Autos, die Sirenen, die Menschen, die alle samt die Töne der Natur überblenden. Die Smogwolken regnen auf dich ein und die graue Atmosphäre ist bedrückend. Aber man kann nichts machen, man sucht sich ja selbst sein Leben heraus, beschreitet den Weg und blickt öfters kurz zurück.

Ich fahre nun schon einige Minuten, suche immer noch nach Kundschaft. Endlich, jemand streckt seinen Arm hinauf, ruft nach einem Taxi, sieht mich an. Ich ergreife meine Chance und fahre direkt zu ihm, warte bis er eingestiegen ist und fahre dann los. Nachdem er mir gesagt hat wo es hingehen soll fahre ich die Strecke ab, die mir im Gedächtnis ist. Eine kurze Strecke, nur einige Blocks von hier. Ich fahre die Straßen entlang, blicke nach draußen. Sehe die Stadt, jeden Tag aufs neue. Sehe die Menschen an, in jedem Gesicht liegt eine andere Geschichte, ein anderes Leben, ein anderes Schicksal.

Die Straßen sind voll. Die Fußgänge ebenso. Überall wo man hinblickt sind Menschen, Autos. Sie strömen aus jeder Ritze, aus den Tunneln, aus den Geschäften, den Toren und Gängen, Gassen und Winkeln.
Ich kenne die Stadt. Ein sicheres Zuhause kann man sie nicht nennen. Eher einen Vergnügungspark mit vielen Angeboten. Mit Sex, Drogen und Gewalt an der Tagesordnung. Viel hört man davon, auch in den Nachrichten. Ich schaue schon gar keine mehr an, denn jeden Tag ist nur das Gleiche zu hören. Vergewaltigung, Schießereien und Mord. Ein Tag gleich wie der Andere. Aber das ist mir alles egal, solange es mich nicht betrifft. Klar ist es traurig und schwer, doch ich kann nicht für jeden trauern. Ich kann nur immer wieder den Kopf schütteln und ‚Nein’ sagen.

Die Sonne strahlt durch die Windschutzscheibe in das Wageninnere herein. Wenigstens strahlt sie nach dem gestrigen Regen. Die Sonne ist das Einzige was uns daran erinnert woher wir kommen. Das letzte wenig Natur, was uns geblieben ist. Sonst sind nur diese angelegten Parks, die uns ein wenig Wohlfühlatmosphäre geben soll, aber das ist nicht das Gleiche.

Bald bin ich an dem Zielpunkt angekommen. Sehen kurz zur Seite hinaus und begutachte den Fußgang der Menschenmassen, sehe dann wieder auf die Straße. Ich bremse, bremse so stark wie ich kann. Eine Frau steht plötzlich vor meinem Wagen. Sie sieht mich an, verwirrt und leer. Gedankenversunken. Dann geht sie weiter, so als ob nichts gewesen wäre. Was soll ich tun? Ich fahre weiter und schüttle nur den Kopf und sage leise zu mir ‚Nein’.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 24.03.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Gewidmet an Alle die verstehen was ich sagen will...

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