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Düsterer Nebel lag über der Straße, nirgendwo brannte ein Licht. Es wunderte mich nicht, da das nächste Haus weit ab von dem Rest der Häuser lag. Irgendwo in dem Wald den ich nun betrat. Halloween, ein schauriges Datum. Eigentlich wollte ich mit meinem älteren Bruder auf Süßigkeitenjagd gehen, doch er wollte lieber ein bisschen Zeit mit dem Fernseher verbringen. Da ich mir extra ein Kostüm zugelegt hatte, wollte ich mir den Spaß auf keinen Fall entgehen lassen.
So ging ich den feuchten Weg entlang, eine Gänsehaut auf den Armen. Die Kälte kroch unter meine Kleidung, die Bäume warfen im silbernen Mondlicht einen langen Schatten ab.
Der Rucksack auf meinem Rücken war fast voll mit Naschereien, es sollten aber noch mehr werden.
Der einzige Grund warum ich überhaupt auf dem Weg zu der alten Hütte im Wald war, war mein Bruder.
Er hatte mir extra viele Süßigkeiten versprochen, wenn ich zur alten Hütte ging.
Obwohl ich bereits 14 Jahre war, erschauerte ich, als ich an die Hütte dachte.
Sie lag mitten im Wald, war halb verfallen, und niemand wusste, ob in der Hütte jemand wohnte. Und genau das sollte ich herausfinden.

Der tiefschwarze Umhang umwehte meine Füße. Fast wäre ich über eine hervorstehende Baumwurzel gestolpert.
Ich hatte keine Ahnung wie weit ich gegangen war, ich spürte meine Füße nicht mehr, bis ich die Hütte entdeckte. Rauch stieg aus dem Schornstein.

Ich ging näher und klopfte zögernd an die Tür.
Irgendwo hinter mir vernahm ich ein rascheln.
Erschrocken versuchte ich etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Vergeblich.
In Gedanken beruhigte ich mich und drehte mich wieder zur Tür.
Fast wäre mir ein Schreckensschrei entflohen.
Vor mir stand eine kleine alte Frau, sie schien nett, jedoch gebrechlich zu sein. Sie stützte sich mit ihren dünnen Armen auf einen uralten Stock.
"Was kann ich für dich tun?", ihre Stimme klang anders als ich erwartet hatte. Sie klang, als hätte sie gerade eine Schachtel Zigaretten geraucht.
"Naja, es ist Halloween, und..."
Ich verstummte unter ihrem Blick. Ihre Augen waren das einzige lebhafte an ihr. Und selbst die Augen wirkten tot.
"Da dachtest du, dass du Süßigkeiten sammeln gehen könntest! Komm herein mein Junge!" Ihre Stimme brach mitten im Satz und sie musste sich erst räuspern bevor sie weitersprechen konnte.
Meine Nackenhaare sträubten sich bei dem Gedanken das Haus zu betreten. Doch ich wollte nicht unhöflich sein und unterdrückte so meinen Instinkt.

Im Haus roch es muffig und es war kalt. Kaum wärmer als draußen. Ich zitterte.
Die Frau hinkte langsam vor mir in einen Raum der unbeleuchtet war.
Sie beachtete die Dunkelheit nicht, sondern ging in das nachtschwarze Zimmer hinein.
Zögernd blieb ich stehen, unsicher ob ich ihr folgen sollte.
Plötzlich hörte ich ein röchelndes Geräusch, als ob jemand ersticken würde, zumindest stellte ich mir das Geräusch so vor.
Meine gute Erziehung übertraf das schreckliche Gefühl, dass mir befahl wegzulaufen.
Ich folgte ihr in den schwarzen Raum und blinzelte.

Meine Augen brauchten eine Weile bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
"Alles in Ordnung?", fragte ich leise und hörte meine Stimme, die rau und ängstlich klang.
Es gab keine Antwort sondern nur ein weiteres Röcheln. Es kam von der anderen Zimmerseite, der Teil, zu dem nicht einmal ein bisschen Licht aus dem Vorraum vordrang.
Ohne über irgendetwas zu stolpern schaffte ich es an das andere Ende des Zimmers zu gelangen.
Ich tastete mit der Hand nach der Frau, bekam jedoch nur etwas Kaltes in die Finger.
Eine Badewanne.
Ich drehte mich um und versuchte irgendwo die alte Frau zu entdecken, konnte sie jedoch nirgends ausmachen.
Erschrocken keuchte ich auf, als die Tür ins Schloss fiel und die Dunkelheit das Zimmer verschlang.
Fast gleichzeitig umfasste etwas Starkes, Kaltes meine Hand und ich konnte einen Schrei nicht mehr unterdrücken.
Ich versuchte mich loszureißen, doch dieses etwas war zu stark.
Ich schrie und hörte meinen Herzschlag.
Bumbum,bumbum.
Ein gleichmäßiger, aber doch viel zu schneller Rhytmus.
"Still Junge! Die Fledermäuse brauchen auch ihre Ruhe!" Es war die alte Frau die meine Hand umklammerte, doch ihre Hand kam aus der Badewanne.
"Gibt es hier Licht?", fragte ich.
Die Hand löste sich von meiner und reichte mir eine Laterne.
Ich zog ein Feuerzeug hervor, manchmal hatte es ja doch etwas gutes wenn man Raucher war, und entzündete die kleine Kerze.
Das Licht war nicht hell, aber immerhin etwas.
Ich beugte mich über den Badewannenrand und hielt die Laterne höher, so dass ich mehr erkennen konnte.

Scheppernd zerbrach die Laterne auf dem Steinboden und ich war zu entsetzt um zu schreien.
Die Badewanne war voll roter Flüssigkeit und auch auf den weißen Vorhängen rundherum waren blutige Händeabdrücke zu sehen.
Blut.
Meine Gedanken kreisten um das eine Wort, ich konnte nicht reagieren, mein Körper war wie versteinert.
Sterne klitzerten vor meinen Augen, die Füße drohten unter mir zusammenzubrechen.
Nur langsam konnte ich mich zwingen aufzustehen.
Die Frau war vergessen, ich wollte nur weg aus diesem Badezimmer.
Meine Gedanken konzentrierten sich nur auf meine Füße.
Langsam kam das Gefühl meines Körpers wieder zurück und ich stürmte aus dem Haus.

Ohne mich umzudrehen rannte ich so schnell ich konnte, fiel auf die Knie, spürte einen stechenden Schmerz, doch ließ mich davon nicht aufhalten.
Keuchend rannte ich, bis ich die Hauptstraße erreicht hatte. Selbst als ich den Asphalt unter meinen Turnschuhen spürte, hielt ich nicht an.
Den pulsierenden Schmerz in meiner Seite ignorierte ich, genauso wie den Schmerz in meinem Knie.
Erst als ich die Lichter des Dorfes sehen konnte, rannte ich ein bisschen langsamer.
Was ich jedoch bereute.
Hände umfassten meine Taille und rissen mich zu Boden. Ich versuchte gegen den Körper anzukämpfen und schrie.
"Hey, hey, ich bin es Schwester!", vernahm ich eine mir bekannte Stimme.
Nach einer Weile wurde mir bewusst, dass mein Bruder mit mir redete und die warmen Hände um meinen Körper seine waren.
Mir war nicht bewusst gewesen, dass ich eine ganze Weile weg gewesen war.
Er musste mich gesucht haben.

Ich gab den Widerstand auf und keuchte: "Da war eine Frau, in der Hütte! Blut...überall!"
Er strich mir beruhigend über die Stirn und seufzte:
"Ich hätte mit dir mitgehen sollen. Du bist ja doch noch ein Kind! Oh mein Gott, deine Stirn ist ganz heiß! Du hast Fieber! Komm, ich bringe dich nach Hause!" Dankbar ließ ich mich von ihm stützen.
Ich schaffte es nicht nach Hause, ohne mich vorher zu übergeben.
Als ich schließlich unsere Wohnung betrat, sperrte ich die Haustür dreimal ab und drehte alle Lichter an.
Ich wusch mich in der Küche und mied das Badezimmer. Da ich nicht alleine bleiben wollte, bat ich meinen Bruder bei mir zu bleiben, erklärte ihm jedoch nicht den Grund.
Noch viele weitere Nächte träumte ich von der Frau und wachte jedes Mal schweißgebadet auf.
Meine Familie schrieb es dem Fieber zu, doch ich bin mir bis heute nicht sicher, ob die Frau nicht wirklich existiert hatte.

Tagelang hatte ich nachgegrübelt, was mit der Frau geschehen war als ich aus dem Haus gerannt bin. Ich konnte keine Lösung finden, da ich bis heute noch keine Theorie habe, was damals im Haus geschehen war.
Eines jedoch ist geblieben.
An jedem 31.Oktober sperre ich die Türen ab und überprüfe mehrmals die Fenster.
Niemals drehe ich das Licht aus oder verlasse die Wohnung.

Und wenn es bei dir in der Nähe auch eine Hütte gibt, vielleicht triffst du dort auch dieselbe Frau?

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Tag der Veröffentlichung: 29.10.2010

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