Die Überlebende
War es schon immer so, ohne dass es ihr bewusst gewesen wäre? Die Frage beschäftigte sie bereits seit einiger Zeit. Sie stand am Fenster und sah hinaus. Ihr Blick fiel auf die öde Landschaft, die hier das Bild prägte. Kilometerweit nicht als Staub. Doch dieses „Nichts“ gefiel ihr. Nur gefiel es ihr nicht mit ihm.
Unterbrochen wurden ihre Gedanken von einem herannahenden Fahrzeug. Sie wusste, dass es Stewie sein würde. Ihr Magen zog sich zusammen.
Noch bevor die Autotür hinter ihm zuklappte rief er bereits nach ihr. Pflichtbewusst ging sie ihm entgegen.
„Sieht so die Begrüßung für den geliebten Ehemann aus?“ hörnte er sie und zog sie gewaltsam an sich, wobei seine Hände ihren Hintern umfassten. Angewidert befreite sie sich. „Ich habe Dustin mitgebracht. Sieh zu das du dich in die Küche schwingst. Wir sind ausgehungert.“ stellte Stewie, der mit richtigen Namen Steward Garvin Donovan hieß, fest. Seiner Familie gehörte die halbe Gegend. Doch während seine Geschwister und Eltern aufrechte freundliche Personen waren, so war Stewie in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil. Er war aggresiv, laut und meistens betrunken. Jedoch zeichnete er sich durch seine Schönheit aus. Sein Gesicht glich dem
eines griechischen Gottes und stand im völligen Widerspruch zu seinem Wesen. Jeder, der ihn kennenlernte, war begeistert von seinem Charme und seiner Energie. Nur die wenigstens lernte seine andere Seite kennen. Auch sie selbst war ihm vor Jahren verfallen. Sein Lächeln und sein Charisma hatten sie damals völlig in seinen Bann gezogen. Doch schon kurz nach ihrer Hochzeit, zeigte er sein zweites Gesicht, aber da war sie bereits gefangen in der Ehe, in einem Leben mit ihm, aus dem es kein Entkommen gab. Niemand ahnte etwas von ihrer Qual. Von ihrem Leben in der Hölle. Nur die Zeiten in den denen er sich herumtrieb, mit seinen Kumpeln oder irgendwelchen Frauen hatte sie Ruhe. Sie wusste, dass jeder von seinen Affären wusste und die Leute über sie sprachen und sicher auch ein gewisses Mitleid für sie empfanden. Aber sie war einfach nur froh, wenn er nicht da war.
Während sie in der Küche Essen für die beiden Männer zubereitete, überlegte sie bereits wie sie vorgehen würde, da sie nicht mit einer weiteren Person gerechnet hatte. Obwohl es keine Seltenheit war das er irgendwelche fremde Männer mitbrachte, vor denen er sie dann demütigte oder ihren Körper anbot wie eine Ware.
Mit äußerster Konzentration bereitete sie das Essen
zu und deckte dabei den Tisch. Die beiden Männer kamen lärmend in die Küche. Da Dustin ihr bereits aufmunternd zublinzelte, war ihr klar, dass ihr Ehemann wieder mal irgendwelche Versprechungen gemacht hatte, die ihre Person betrafen. Hielt sie sich nicht daran, schlug er sie bis zur Bewusstlosigkeit, sodass sie wochenlang nicht das Haus verlassen konnte, damit niemand ihre Wunden sah.
Sie stellte den Männern die gefüllten Teller auf den Tisch und sah ihnen beim Essen zu. Mit Freude stellte sie fest, dass es ihnen schmeckte und füllte die Teller nach. Sie selbst as nichts, sondern betrachtete lediglich die beiden Männer dabei.
„Stewie, siehst du heute noch nach dem Traktor? Du weißt, dass ich mich ohne ihn nicht um die Ernte kümmern kann.“ Auf Donovan-Country, wie dieses Land genannt wurde, bauten sie Wein an, um deren Ernte sie sich mit einigen Hilfsarbeitern für gewöhnlich allein kümmerte. Der Wein, den sie hier herstellten, war qualitativ sehr hochwertig und erzielte auf dem Markt gute Preise. Sie wusste, dass Steward diesbezüglich kein Risiko eingehen würde, da mit diesem Wein auch sein Ruf stieg oder fiel. Sie sah, dass sein Freund bereits Ermüdungserscheinungen zeigte, doch noch genug vom Gespräch mitbekam, um Stewie zu ermuntern den Traktor zu reparieren, während er selbst sich ein wenig hinlegen würde.
Mürrisch erhob sich Stewie um sein Werkzeug zu holen. Auch er war recht angeschlagen und es ließ sich erkennen, dass ihm Schwung fehlte um sich beherzt ans Werk zu machen oder sie zu piesacken.
Sie versicherte sich, dass Dustin tief und fest schlief, bevor sie nach draußen zu Stewie ging. Sie hörte den Motor des Traktors bereits, als sie sich der Scheune näherte, die sich gut hundert Meter vom Haus entfernt befand. Stewie lag unter dem Traktor und schlief. Wie gut, dass sie immer genug Schlafmittel im Haus hatte, dachte sie bei sich, bevor sie ein Loch in den Tank des Traktors schlug und mit Hilfe von etwas brennbarer Flüssigkeit ein Streichholz entzündete, bevor sie die Scheune lächelnd verließ.
Wieder stand sie am Fenster und sah hinaus in die öde Landschaft. Sie lächelte. Niemand würde ihr mehr wehtun. Nun war sie die arme bedauernswerte, aber reiche Witwe im Hinterland.
Tag der Veröffentlichung: 28.01.2009
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