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Der Tag

Dies war ein Tag, der ein Leben lang in meinem Gedächtnis bleiben sollte. Fertig angezogen stand ich da und immer wieder zupfte jemand an mir herum. Doch keiner schaute mich wirklich an. Jeder war in Wirklichkeit mit sich selbst beschäftigt, doch spürte ich immer wieder diese mitleidigen Blicke, die man auf mich warf. Eigentlich fehlte mir jegliche Vorstellung von dem, was nun passieren sollte. Und in meiner Haut fühlte es sich deswegen gerade gar nicht gut an. 

 

Wir fuhren mit dem Auto und ich saß hinten, während so langsam eine komische Angst im mir hoch kroch. Am Ziel angekommen stiegen alle aus und es waren Unmengen von Menschen, die sich hier versammelt hatten. Auf einem Weg von lauter kleinen Kieselsteinen gingen all diese Leute nacheinander entlang. Nichts um mich herum nahm ich sonst weiter wahr und ging still neben meiner Mutter her.

 

An einem kleinem Gebäude blieben wir für einen Augenblick stehen. Für einen kleinen Moment blickte ich auf und konnte einige kleine Fenster erkennen, die alle gekippt waren. Es fühlte sich an, als wenn meine Mama Kraft sammeln mußte, um durch diese Tür zu gehen.  

Unser Frühling geht fort

Durch einen schmalen Gang ging sie zum letzten Raum. Ich bewegte mich direkt hinter ihr. Als sie in diese Kammer hinein entschwunden war, stand die Tür noch einen Spalt offen, doch man konnte nichts erkennen. Meine Wahrnehmung reichte nicht mehr ganz aus, das ich sagen könnte, ob noch jemnad neben mir stand. Es war mir alles unheimlich und fühlte sich nicht richtig an. Doch es war Wirklichkeit, dies konnte man mit Leib und Seele spüren.

 

 Hinter der Tür hörte ich sie Luft holen, ein schweres ein und aus atmen. Dann drängte sich ein darauf folgendes Wimmern zu meinen Ohren und in mir stieg unendliche Angst auf, bis ich den Aufschrei von ihr in mir aufnahm. Er war nicht sehr laut, alles war hier irgendwie gedämpft. Dieser stille tiefe Schrei ging mir nicht nur unter die Haut, nein bis tief in die Knochen konnte ich es spüren. Ich zittere, doch ich weinte nicht. Diese Angst die in mir aufstieg, lähmte mich vollkommen und ich empfand es als das schlimmste was ich je erleben musste.

 

 Ich stand mit wackeligen Beinen dort und wartete darauf, das sie wieder heraus kam. Zu ihr hinein, traute ich mich nicht. Nie in meinem Leben empfand ich so eine Unsicherheit, die Welt lag gerade vor mir in Schut und Asche. Nichts war mehr so , wie es vorher war.

 

  Meine Mutter schrie mit ihrem ganzem Herzen auf denn in diesem Moment verlor sie  gerade einen Teil ihrer Seele. Dieser Teil ging nun mit ihrem Kind, von dem sie sich am heutigen Tag verabschieden musste. Mein Bruder lag hinter dieser Tür, der älteste von uns, gerade mal vierzehn Jahre hat er nur auf dieser Erde  verweilen dürfen. 

 

 Mein Blut gefror in meinen Adern, weil ich mich doch so plötzlich allein fühlte. Von dem Moment an als ich vor einigen Tagen von der Schule nach Hause kam, da öffnete mir meine Mutter mit rot verheulten Augen die Wohnungstür, schloss mich unendlich fest in ihre Arme und redete solche Sachen wie: " Dein Bruder ist nun im Himmel - von uns gegangen - weilt nicht mehr unter uns. " Kein einiziges Wort verstand ich von dem was sie sprach. Es waren Worte die in der Luft hangen und keinen Sinn ergaben, sie waren in dem Moment unbegreiflich. 

 

 In einem weißen mit Blumen geschmückten Sarg lag unser Oberhaupt und meine Augen starrten darauf während wir in dieser kleinen Kapelle saßen und der Pfarrer seine Rede hielt. Der Rest von meiner Mama der noch da war, schluchzte vor sich hin und alle rund herum machten es in unterschiedlichen Abständen, die einen lauter, die anderen etwas leiser. In einem Alter von acht Jahren musste ich lernen das unser Leben auf dieser Erde manchmal von sehr kurzer Dauer sein konnte. Das was ich den ganzen Tag spürte war unglaubliche Angst, so wie ich sie nie zuvor kennen gelernt hatte.

 

 An dem Tag vor diesem schrecklichen Schicksal, amüsierten wir uns alle ganz normal, hatten gespielt, gelacht, getobt und Unsinn gemacht. Es war ein ganz normales Leben. Niemand hatte eine Ahnung davon das sich alles so ändern sollte. Wie konnte es sein, das ich ihn einfach so nicht mehr sehen, fühlen und hören konnte. 

 

  Dann plötzlich traten Männer an meines Bruders Sarg und sie hoben diesen hoch und alle Menschen die hier an diesem Tag versammlet waren, liefen hinter den Tragenden hinterher. Ich folge meiner Mutter, die nicht mehr dieselbe war, seit dem sie aus dem Raum gekommen war. Etwas in ihr schien leer und in mir fühlte ich es auch "diese Leere". Das Leben hatte sich ganz plötzlich geändert! 

 

 Im Tiefschlaf sollte es passiert sein. Nach Aussage des Arztes war unser Bruder an Erbrochenem im Schlaf erstickt. Eine Diagnose die wir nicht fassen konnten, doch das ist es was fesgestellt wurde.

 

 Wir standen unmittelbar vor einer ausgehobenen Grube und dort ließen sie meinen verstorbenen Bruder hinunter. Die Blumen die wir in den Händen hielten, warfen nun alle auf den Sarg mit runter. Ich stand nun am Grab und sah, wie sie fiel, die Blume, hinunter auf den weißen mit Blumen geschmückten Sarg, mein letzter Gruß an meinem großen über alles geliebten Bruder.

 

 Es war meine erste Beerdigung auf der ich stand und sie machte mir große Angst. Alle wimmerten um mich herum, ich nahm alles wie durch eine Glaswand auf. Ich war hier, doch fühlte es sich an, als stünde ich auf einem anderen Stern. 

 

 Den Tag, den wir nie vergessen werden. Es mag wohl sein, das die Zeit es irgendwann erträglicher macht, doch verheilen wird es wohl niemals.

 

 Eine Mutter

hatte vier Kinder

den Frühling,

den Sommer,

den Herbst

und den Winter.

 

An diesem Tag verloren wir ihn für immer

 

                                                              " Unseren Frühling".

 

 

Das Leben geht weiter

Die Erde dreht sich unbeirrt weiter.

 

Für uns scheinen die Tager düsterer als jemals zuvor.

 

Alles fühlt sich nicht mehr so an, wie es einmal war. 

 

 

Es ist so das nun alles das erste Mal ist.

 

Das erste Mal Weihnachten

 

ohne ihn.

 

Das neue Jahr

 

ohne ihn.

 

Das erste Mal Ostern

 

ohne ihn. 

 

Das Pfingstfest

 

ohne ihn.

 

Jeder Tag,

jede Woche und

jeden neuen Monat

 das erste Mal ohne ihn.

 

Er fehlt uns jede Sekunde,

Minute,

Stunde,

Tage,

Wochen,

Monate und

jedes Jahr.

 

Es ist ein Loch, was wir in unserem Herzen tragen und es wird auf ewig eine schmerzende Narbe bleiben.

 

 

 

Eine Ehefrau sagte einmal:    das es sehr schwer ist seinen geliebten Ehemann zu verlieren.

Doch als Mutter sprach sie:    ist es viel schwerer sein Kind zu verlieren, denn ein Teil deiner Seele geht mit.

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 24.04.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für all jene die diesen Schmerz kennen, wünsche ich das sie eine Kraft finden werden, um dieses erdulden zu können.

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