Aus dem Leben eines Qualitäters - 9490 Tage in Aktion
Was ist ein Qualitäter?
Das sind die Leute, die in den letzten Jahrzehnten nicht nur in Industriebetrieben, sondern auch in Krankenhäusern, Verwaltungen, Universitäten und nahezu allen Organisationen benannt wurden um ein „Qualitätsmanagementsystem“ aufzubauen.
Das primäre Ziel war und ist hierbei nach außen hin, also zu den Kunden, zu zeigen wie systematisch man arbeitet und wie gut strukturiert alles abläuft. Gleichzeitig wird den Kunden suggeriert besonders hochwertige, edle Produkte oder Dienstleistungen zu erhalten, eben mit hoher Qualität.
Dies ist schon das erste und grundlegende Missverständnis: Qualität bedeutet im modernen Stil nicht besonders gut sondern „den Anforderungen entsprechend“. Entscheidend ist hierbei also herauszufinden was der Kunde wirklich benötigt und ihm genau dies zu geben aber auch nicht mehr.
Früher war es allgemein üblich ein Produkt so gut wie möglich herzustellen und Generationen von Handwerkern und Forschern sahen in der Verbesserung des Produktes ihre Lebensaufgabe und ihre „Berufung“.
Der Kunde schaffte sich Gegenstände meist in der Absicht an, diese ein Leben lang zu benutzen. Deshalb mussten die Artikel qualitativ hochwertig und von möglichst langer Lebensdauer sein. Beispielsweise hatte ein Arbeiter nur zwei Paar Schuhe, eines für die tägliche Arbeit, das andere für den Kirchgang am Sonntag sowie für Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen. Sie waren aus dickem Leder und mussten schon mal mehrere Jahre eingelaufen werden, bevor sie einigermaßen bequem zu tragen waren. Dafür hielten sie halt auch ein Leben lang.
Der moderne Konsument möchte zunächst mal ein Einkaufserlebnis haben, genannt Shopping. Unabhängig von dem Produkt, will er den Kaufvorgang an sich genießen, möglichst mit Gleichgesinnten. Er ist also sehr wählerisch und nutzt auch diverse Preisvergleiche, wie sie z.B. das Internet ermöglichen. Geiz ist geil ist ein Lebensmotto geworden. Man kauft also oft das billigste (nicht preiswerteste) Produkt und freut sich über das „Schnäppchen“.
Demgemäß müssen von den Produzenten die Produkte gestaltet werden, also mehr Optik und weniger Lebensdauer, sonst sind die niedrigen Preise nicht zu machen.
Die Konsumenten stört die minderwertige Qualität der Ware nicht, da bei Verschleiß eben ein neues Shopping-Erlebnis ansteht mit neuem Glücksgefühl.
Um die Abläufe in den Betrieben und bei den Dienstleistern auf dieses bewusst niedrige Niveau einzustellen bedarf es also keiner Genies sondern pragmatisch veranlagte Mitarbeiter.
Beauftragt werden mit dieser Aufgabe meist Schreibtischtäter. Man erwartet also gar nicht die großen praktischen Verbesserungen im Sinne einer „lernenden Organisation“ oder als Teil des „kontinuierlichen Verbesserungsprozesses“ wie es uns die Japaner schon vor Jahrzehnten mit ihrem KAIZEN vormachten.
Die Beauftragten selbst sehen ihre Aufgabe schon sehr wohl als einen realen Eingriff in die Organisation und nennen sich somit oft selbst als Qualitäter, um ihren Anspruch der Tat zum Ausdruck zu bringen.
Die folgende Erzählung ist in Form eines satirischen Tagebuches beschrieben. Nur die ironisch distanzierte Darstellung kann den Blick auf die oft aberwitzige Realität von Produzenten und Konsumenten erträglich gestalten. Gewinnmaximierung und die damit notwendige künstliche Erzeugung von Bedürfnissen sind die Grundlagen dazu und in unserer Gesellschaft tief verankert.
Der Qualitäter streift in seiner Funktion wie ein Wanderer eine Vielzahl von Abteilungen, die Teil dieser Wertschöpfungskette sind, ohne dass Wert hier als humanistisches Ideal verstanden wird sondern eben rein materiell.
Somit beginnen die Erzählungen mit den „Problemen eines Forschers“ und beschreiben später Ereignisse in Produktion und diversen Stabsabteilungen.
Tag 203 Probleme eines Forschers Teil 1: Innovationen
Die klassische Forschung ist in großen Firmen streng hierarchisch strukturiert. Das heißt, der neue Chemiker von der Universität wird zunächst als Laborleiter eingesetzt in der Hoffnung, dass er neue Ideen und ein aktualisiertes chemisches Synthesewissen einbringen kann. Dies ist zwar schon lange nicht mehr der Fall, da im Gegensatz zur Industrie an den Universitäten immer noch Grundlagenforschung betrieben wird, die nur in den seltensten Fällen in eine konkrete Anwendung umgemünzt werden kann.
Der Gruppenleiter, selbst auch Naturwissenschaftler, sammelt alle Ergebnisse und berichtet diese in visualisierter Form, also oft als Powerpoint Folien o.ä. an seinen Abteilungsleiter, der die Ergebnisse, in weiter verdichteter Form z.B. an die Bereichsleitung referiert.
Manchmal kommt es vor, dass Hierarchien übergangen werden. Dies ist aber nicht gern gesehen, da es die vorgegebene Ordnung im Unternehmen stört. So wagte ich es einmal nach ca einem Jahr die Ergebnisse von anwendungstechnischen Tests bei einem Kollegen nachzufragen. Arbeitseifer ist schon gern gesehen und sicher ist es interessant zu erfahren, ob sich die neue Synthese auch in einem
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 04.03.2015
ISBN: 978-3-7368-8204-1
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