Persönliches Logbuch des Captains, Sternzeit 8943.5:
Wir sind auf dem Weg zur Erde, um neue Besatzungsmitglieder an Bord zu nehmen. Ich halte nichts von dieser Order, doch sie kommt vom Oberkommando persönlich. Eines der neuen Mitglieder ist die Tochter von Admiral Bonelly. Ein verwöhntes Töchterchen, das durch den Einfluss des hochgestellten Vaters auf die Enterprise kommt. Spock sagte dazu nur mit einem angedeuteten Kopfschütteln, ich solle keine voreiligen Schlüsse ziehen. Und wieder einmal habe ich das Gefühl, dass mein Erster Offizier mehr weiß als ich. Na, wir werden sehen.
Unser Hauptinteresse gilt aber der Vulkanierin, die wir zusätzlich an Bord nehmen. Unsere Order hierzu lautet, sie nach Vulkan zubringen. Dieser ganze Auftrag erscheint mir verwirrend. Spock hüllt sich in Schweigen. Wenn ich ihn auf unseren Befehl anspreche, gibt er mir die ausweichende Antwort: »Warum sollte der Erste Offizier mehr wissen als der Captain?« Wie soll ich gegen eine solche Logik angehen?
Kirk zog die Schultern hoch und beendete die Logbucheintragung mit den Worten: »Es wird Zeit, wir erreichen die Erde und ich muss mich noch frisch machen. Mr. Spock und Dr. McCoy werden mich begleiten, um unsere neuen Gefährten und Gefährtinnen zu begrüßen.«
Es ertönte ein hoher Pfeifton und die Luke schwang auf. Captain Kirk trat vor. Sechs Kadetten standen aufgeregt vor ihm, nein, sieben; im Hintergrund stand noch jemand. Sarah Bonelly schaute sich aufmerksam, mit Neugierde im Blick, um. Nacheinander musterte sie die Anwesenden mit einem durchdringenden Blick. Sie schien alles in sich aufzusaugen und zu speichern. Als sie bemerkte, dass ihr neuer Captain sie musterte, schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln. Gegen seinen Willen verlor er sich in diesem, beinahe hätte er sogar zurückgelächelt. Es dauerte nur Sekunden, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle.
Er setze eine strenge Miene auf und wandte sich an die jungen Kadetten: »Willkommen an Bord«, erklang seine wohlklingende Stimme, in der man immer eine gewisse Autorität vernahm. »Hier an Bord gilt ein ungeschriebenes Gesetz: jeder wird gleich hart arbeiten und niemand wird bevorzugt behandelt.« Unbewusst musterte er das siebte Mitglied.
War es seine Absicht, die jungen Leute sofort einzuschüchtern? Nein, das war nicht seine Art, aber er war so überwältigt von Sarah, dass er auf eine brüske Art reagierte.
»Erschreck sie nicht gleich, Jim«. Leonard McCoys sanfte Stimme ertönte, und er richtete warme Willkommensgrüße an die Kadetten mit dem verschmitzten Hinweis: »Unter seiner rauen Schale steckt ein weicher Kern.«
Ein verhaltenes Lachen ertönte und die Neuankömmlinge entspannten sich etwas.
»Das sagt der Richtige«, erwiderte Kirk. »Meine Damen und Herren, lassen Sie sich durch die weiche Tour des lieben Doktors nicht täuschen. Wenn der Doktor irgendetwas erreichen will, schafft er es auch. Das werden Sie spätestens bei Ihrem ersten Besuch auf der Krankenstation merken.«
Spock stand gelassen mit auf dem Rücken verschränkten Händen neben seinen beiden Freunden und bemerkte am Rande, wie das verbale Gefecht zwischen dem Captain und dem Doktor der Enterprise, die Aufregung der neuen Mitglieder schwinden ließ. Er verhielt sich völlig ruhig, obwohl er derjenige war, der nie ein Streitgespräch mit McCoy ausließ. Seine Aufmerksamkeit war ganz auf die Besatzungsmitglieder vor ihm gerichtet. Sein Interesse galt vor allem Kadett Bonelly, bei der sein Blick nun angekommen war. Er schaute ihr direkt in die dunklen Augen. Mit seiner emotionslosen Logik ging er daran, sie zu analysieren: „Ihre Haltung ist stolz und sie zeigt eine natürliche Würde und innere Ruhe. Ihr Blick ist offen und ehrlich und voller Spannung, was die Zukunft bringen wird und... sie lächelt. Typisch menschlich. Bin ich enttäuscht? Sie sollte doch eigentlich wie eine... Deine Gedanken führen zu weit.“
Sarah fühlte den Blick des berühmten ersten Offiziers der Enterprise auf sich ruhen und wandte sich ihm zu. Sie war wie hypnotisiert von diesem Blick, der ihr durch und durch ging. Kein Wort von Kirk und McCoy drang mehr in ihr Bewusstsein. Ihre Gedanken waren auf ein neues Gefühl in ihrem Innern gerichtet.
„Was geschieht mit mir? Noch nie habe ich so einen intensiven Blick gefühlt. Der Vulkanier scheint mir tief in meine Seele zu schauen. Was fühle ich? Dieser Mann fasziniert mich, noch nie hat mich jemand so interessiert. Warum ausgerechnet ein Vulkanier? In mir brennt ein Feuer..."
Unmerklich fing Sarah an zu zittern, es war mehr innerlich als äußerlich. Als sich die anderen Kadetten in Bewegung setzten, zuckte sie zusammen. Sie riss sich von Spocks verwirrendem Blick los. Plötzlich überkam sie ein Gefühl des Verlustes, sie hatte das überwältigende Verlangen, immer in diese geheimnisvollen dunklen Augen schauen zu wollen.
Auch in Spock breitete sich langsam ein Feuer aus, das immer heißer wurde. Als der Blickkontakt abriss, spürte auch er einen Verlust. Das Fieber brach aus.
Der Captain persönlich brachte die jungen Offiziersanwärter zu ihren Kabinen. Sarahs war die letzte. Als sie davorstanden, sprach er sie an: »Wie geht es Ihrem Vater?« Eine simple Frage, die aber so viel offenbarte. Wissend lächelte sie ihn an und wieder spürte Kirk ein Gefühl, das sich nicht beschreiben ließ. Was gefiel ihm so an ihr? Waren es die dunklen Haare? Er bevorzugte meistens blond. War es ihr festes, energisches Kinn? Er stand auf zarte Frauen. Doch zweifelsohne hatte sie schöne, feine Gesichtszüge und diese braunen Augen waren einfach umwerfend, gerade wenn sie so strahlten wie jetzt.
„Pass auf, Jim, alter Junge, lass dich nicht von schönen Augen bezirzen, mögen sie auch noch so ausdrucksvoll sein", gab er sich selbst den Befehl.
In seine Gedanken hinein sprach sie mit einer melodischen Stimme, die ihn noch mehr zu verzaubern drohte: »Ihm geht es sehr gut.«
Sie versuchte gar nicht erst, ihn von seinem Vorurteil abzubringen. Dass sie fähig war, wollte sie ihm nicht durch Worte, sondern allein durch Taten beweisen.
»Zu Ehren der neuen Besatzungsmitglieder wird ein Empfang gegeben, an dem auch die Angehörigen teilnehmen. Also machen Sie sich frisch und kommen Sie dann auf das Freizeitdeck!«
»Zu Befehl, oh Captain, mein Captain.« Sie konnte den leichten Hauch von Ironie nicht aus ihrer Stimme heraushalten und auch ihre Haltung zeugte von Ironie, sie stand jetzt stramm.
Kirk musterte sie von oben bis unten mit einem leicht verärgerten Gesichtsausdruck. Aber plötzlich wurde sein Blick aus den haselnussbraunen Augen weich, und er grinste über ihren gutmütigen Spott. »Sie zitieren Walt Whitman? 1863?«
»Nein, es ist aus dem Jahr 1865.«
»Ah ja, wenn ich mich recht entsinne, widmete er es Abraham Lincoln. Haben Sie auch ein Faible für Literatur?«
»Ja, Sir.« Sie stand immer noch stramm.
Er setzte sein spitzbübisches Lächeln auf. »Strammstehende Frauen sind mir am Liebsten. Sie geben mir ein Gefühl der Überlegenheit. Also, machen Sie sich fertig.«
Sie wandte sich ab, um sich umzuziehen.
»Ach ja, bevor ich es vergesse«, richtete er noch einmal das Wort an sie: »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Kadett.«
Überrascht konnte sie nur noch ein »Danke« flüstern, und schon war er verschwunden. Nachdenklich betrat sie ihre Kabine.
Genauso nachdenklich verließ Jim sie. Fast hätte er seinen alten Freund McCoy über den Haufen gerannt. Dieser konnte sich gerade noch in Sicherheit bringen.
»Was ist denn mit dir los, Jim?«, fragte er ihn hintergründig. »So zerstreut, und diesen Blick kenne ich doch. Du hast dich doch nicht etwa von diesen Augen in Bann ziehen lassen?«
Jim kam zu sich, straffte seine Gestalt und sah seinen Freund mit einem gefährlichen Funkeln in den zusammengekniffenen Augen an. »Du bist zwar mein Freund und Arzt, aber das geht dich nichts an.«
»Oh, entschuldige, ich wollte nur ein bisschen witzig sein.« McCoy machte ein unschuldiges Gesicht, wobei es Falten schlug. Seine blauen Augen blitzten amüsiert auf.
Jim konnte ihm nicht böse sein. »Du immer mit deinen schlechten Witzen.«
Unauffällig wie immer, gesellte sich Spock zu ihnen. »Ich muss mich mit Ihnen über unser neues Mitglied Miss Bonelly unterhalten, Captain.«
McCoy stöhnte auf, und ernst sagte er: »Noch einer, den es erwischt hat. Ich glaube, ich sollte auf meine Krankenstation gehen und auf liebeskranke Patienten warten. Jaja, Liebesleid ist das schlimmste Leid. Leider habe ich noch kein Mittel dagegen gefunden. Was haben wir uns da nur für ein Früchtchen an Bord geholt?« Mit diesen Worten rauschte er an ihnen vorbei und war auch schon verschwunden. Die Bitterkeit seiner Worte hing noch in der Luft.
Spock hob fragend eine Augenbraue: »Ich verstehe nicht...«
»Macht nichts, Spock. Auch ich verstehe unseren Doktor nicht immer.« Doch Kirk konnte sich ein leises Lächeln nicht verkneifen. Aber sofort darauf wurde er wieder ernst und wandte sich seinem ersten Offizier aufmerksam zu. »Was haben Sie auf dem Herzen, Mr. Spock?«
Der großgewachsene Vulkanier setzte gerade zu einer Erklärung an, als sie einen leisen, aber unüberhörbar summenden Ton vernahmen.
Kirk ging zum nächsten Interkom-Anschluss und haute mit der Faust leicht auf den Knopf. »Hier Kirk.«
Sofort erklang Uhuras sanfte Stimme: »Uhura hier, Sir.«
»Was gibt es Lieutenant?«
»Eine Botschaft von Starfleet Command, Sir.«
»Ich komme sofort auf die Brücke. Kirk Ende.« Er unterbrach die Verbindung und schaute seinen Freund an. Obwohl er sehr neugierig war, was Spock mit ihm über Sarah zu besprechen hatte, dachte er zuerst an die Pflicht. »Spock, Sie müssen warten.«
»Ich verstehe, Captain.« Sein Erster Offizier verstand immer, und Kirk konnte sich jederzeit auf seinen besten Freund verlassen. Gemeinsam gingen sie auf die Brücke, Spock wie immer an seiner Seite. Auf der Brücke angekommen, ging der Vulkanier sofort auf seinen Posten an der Wissenschaftskonsole, während Kirk sich auf seinen Kommandosessel niederließ.
»Geben Sie die Nachricht rein, Lieutenant Uhura.«
Als Sarah ihre Kabine betrat, bemerkte sie die spärliche Einrichtung nicht. Sie dachte nur an diesen ungewöhnlichen Mann, James T. Kirk. Ihre Koffer waren schon gebracht worden und sie machte sich daran, sie auszupacken. Ihre Freizeitsachen spiegelten ihren Charakter wieder. Da waren Kleider mit fröhlichen, hellen, aber auch welche mit dunklen, melancholischen Farben. Beide Launen vereinten sich in ihr. Ob sie sich immer vertrugen, blieb ein Rätsel.
Sie nahm das eingerahmte Foto ihres Vaters aus einem der Koffer und stellte dieses auf den Schreibtisch. Liebevoll schaute sie es an. Ihr Vater, den sie liebte, aber auch manchmal verfluchte. Der versuchte, ihr das Leben angenehmer zu machen, ihr dadurch aber noch mehr Probleme verschaffte. Plötzlich erstarrte sie.
Leise vernahm sie eine eindringliche Stimme in ihrem Kopf: „Que ce da? Wer bist du? Wo bist du?"
Sarah stöhnte auf und presste ihre Hände an die Schläfen. Was hatte diese Stimme zu bedeuten? Wer war in ihrem Kopf? Und wieder hatte sie das Gefühl, dass eine Hälfte ihres Ichs fehlte. Seit sie ein Kind war, sprach die Stimme auf vulkanisch zu ihr. Die junge Frau hatte sich schon immer zu diesem Volk und seiner Kultur hingezogen gefühlt. Irgendetwas zog sie magisch an, schreckte sie aber auch gleichzeitig ab. Sie hatte niemals gewagt, einen Fuß auf Vulkan zu setzten, hatte aber wie unter Zwang, die schwierige Sprache erlernt und es war ihr leichtgefallen. So sprach sie diese nun genauso gut wie ihre Muttersprache.
Sarah sollte noch erfahren, wie eng ihr Schicksal mit dem des Planeten Vulkans verbunden war.
»Hallo Jim«, vernahm Kirk die Stimme seines alten Freundes Admiral Richard Lingen.
»Richard. Es muss ja sehr dringend sein, wenn sich so ein hochgestellter Würdenträger persönlich bei uns meldet. Was ist passiert... oder was wird passieren?« Kirk hielt sich nie lange mit Höflichkeitsfloskeln auf.
»Passiert ist schon viel zu viel, auch wenn es schon lange zurückliegt. Was als nächstes passieren wird, ist, dass ihr nach Vulkan fliegt, um euren Passagier T´Saar dort hinzubringen. Was dann geschieht, hängt von dir und deiner ausgezeichneten Crew ab. Alles Weitere wird dir dein erster Offizier Mr. Spock erklären, er ist über alles im Bilde. Viel Glück, Jim! Das Schicksal einer ganzen Welt liegt in deiner Hand. Lingen Ende.«
Jim bekam keine Chance zu antworten. Für einen Augenblick blieb alles ruhig auf der Brücke. Alle Blicke waren auf Kirk und Spock gerichtet. Spock war während der Ansprache des Admirals an die Seite seines Captains getreten. Kirk schaute seinen Freund, der wie immer gelassen neben ihm stand, erwartungsvoll an. Dieser erwiderte den Blick mit einer Ruhe, um die ihn der impulsive Kirk schon so manches Mal beneidet hatte.
»Also, das war die persönliche Nachricht, die sie vor einiger Zeit bekommen haben?!« Es war mehr eine Feststellung denn eine Frage.
»Ja, da muss ich Ihnen wohl Recht geben. Ich bitte um eine Konferenz im Besprechungsraum. Es sollten alle ranghöchsten Offiziere zugegen sein.«
Kirk drehte seinen Stuhl sofort zu Uhura um. »Lieutenant, bitten Sie alle Offiziere in den Besprechungsraum. Sofort!«
Wie in Trance lag Sarah auf ihrem Bett. Sie versank ganz in ihren Gedanken. Nur so konnte sie die seelische Pein ertragen, die ihr die Stimme zufügte. Ihr Blick war in sich gekehrt, sie atmete ruhig und entspannt. Diese Technik der vollkommenen Ruhe hatte sie von einer Vulkanierin gelernt. T´Pie war ihre Amme aus Kindertagen gewesen, und sie hatte der jungen Frau alles, was Sarah jetzt über die vulkanische Kultur und Sprache wusste, beigebracht.
Die alte Vulkanierin hatte ihr immer gesagt, dass sie eine besondere Gabe der Telepathie besaß. Viel mehr als es eigentlich üblich war bei Menschen. Sarah empfand eine innige Liebe zu ihrer Amme und sie hatte gespürt, dass diese ebenso für sie empfand. Auch wenn T´Pie es nicht oft zeigte.
Spock und Kirk betraten gerade den Besprechungsraum, als sie auch schon McCoys Stimme hörten. Mürrisch wie immer beschwerte er sich über die plötzliche Unterbrechung seiner sehr wichtigen Studien. Wahrscheinlich hatte er gerade wieder einen saurianischen Brandy genossen. Scotty musste die Schimpftirade über sich ergehen lassen und schaute zerknirscht die Eintretenden an. Kaum bemerkte der Doktor Spock, ließ er auch schon von dem Chefingenieur ab und stürzte sich auf sein neues Opfer. Scotty schickte ein Dankgebet gen Himmel.
»Spock, Sie schauen so schuldbewusst drein, Ihnen haben wir ja wohl diese Konferenz zu verdanken. Und wenn sie nicht so wichtig ist, dass wir die Erde retten müssen, dann Gnade Ihnen Gott!«
Spock widmete seine Aufmerksamkeit ganz Pille und blieb völlig ernst, als er erwiderte: »Es geht diesmal nicht um die Erde, sondern um die Rettung Vulkans. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, heute einmal logisch denkende Vulkanier zu retten, Doktor.«
Pille schaute Spock an, und er kannte seinen Freund lange genug, um zu wissen, dass es ihm sehr ernst war mit diesen Worten. Sofort verflog seine Wut, denn es ging darum, Leben zu retten. Jede Art von Leben war McCoy heilig. Er konzentrierte sich jetzt ohne den geringsten Missmut ganz und gar auf Spock.
Mittlerweile hatten sich alle Offiziere um den Tisch gesetzt. Spock wie immer an seinem Computer. Niemand konnte diesen besser bedienen als der Vulkanier. Die beiden, Lebewesen und Maschine, bildeten eine Einheit, mit deren Hilfe die Enterprise so manche Gefahren überstanden hatte.
Außer dem Vulkanier und seiner Maschine - McCoy hatte einmal behauptet, er wisse manchmal nicht, wer was war - waren da noch Chefingenieur Montgomery „Scotty" Scott, Chefarzt Leonard „Pille" McCoy, die schöne Kommunikationsoffizierin Lieutenant Nyota Uhura, der junge Navigator Pavel Chekov, der asiatische Steuermann Hikaru Sulu, und am Kopf des Tisches Captain James Tiberius Kirk.
Hier saßen die besten Crewmitglieder der Sternenflotte. Kirk war sich dessen voll bewusst, und er wusste sie ausgezeichnet einzusetzen. Bei ihm ging kein Potenzial verloren, jeder hatte seinen Platz. Im Laufe der Jahre waren sie zu einer untrennbaren Einheit zusammengewachsen. Nun richteten sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf den ersten Offizier Mr. Spock.
Der auf den ersten Blick dürre Vulkanier, dessen Körper aber bei genauerem Hinsehen nur aus harten Muskeln bestand, fing an zu sprechen und von da an war die Geschichte nicht mehr aufzuhalten. Wieder einmal wurden die Menschen und die Vulkanier, die Impulsivität und die rationale Logik auf eine harte Probe gestellt, denn alleine konnte keine der beiden Rassen das Problem lösen.
»Die Fäden um Vulkan ziehen sich enger zusammen, und ein Faden beginnt hier auf der Enterprise. Sarah Bonelly ist sogar ein Hauptfaden... und er kann Vulkan zum Verhängnis werden.«
Die Offiziere schauten sich an. Es kam nicht oft vor, dass Spock in Metaphern sprach, es klang wie ein böses Omen. Diese Überraschung mussten sie erst einmal verdauen. Dann kam der Augenblick, als ihnen endlich die Bedeutung der Worte Spocks ins Bewusstsein drangen. Und in diesem Erschrecken kam Captain Kirks rettende Stimme. Sie fühlten seine tröstende Präsenz und sie alle waren sich gewiss, hier stand ein Mann, der niemals aufgab. Er hatte sie oft durch seine Hartnäckigkeit aus so mancher Gefahr gerettet.
»Mr. Spock, erklären Sie genauer, was meinen Sie damit? Wie kann ein einzelner Kadett so wichtig sein?« Er wusste genauso wenig wie die anderen, nur Spock konnte Licht in die Angelegenheit bringen.
Und Spock erklärte: »Vor 5.000 Erdenjahren war Vulkan primitiv. Wir Vulkanier waren Krieger, wie auch sonst hätten wir auf einem so harten und grausamen Planeten überleben können? Die Bewohner führten Kriege untereinander und rotteten sich fast gegenseitig aus. Auch die Erde hat so eine Vergangenheit, doch bei uns war es gänzlich anders. Wenn Vulkanier fühlen, dann fühlen sie mit ihrem ganzen körperlichem und seelischem Potenzial. Vor so vielen Jahren genügte es deshalb nicht, dass sie sich nur von einem Gefühl, dem kriegerischen, lossagten. Nein, um sich zu retten, mussten sie sich von allen Gefühlen lösen.
Kein Gefühl tritt alleine auf: Lieben geht nicht, ohne zu hassen, der Ehrgeiz kommt nicht ohne den Neid aus, Frieden geht nicht, ohne Krieg zu führen.«
Spock redete sich in Trance, und alles um ihn herum blieb still. Seine Kameraden hatten ihn in der Vergangenheit nur in diesem Zustand erlebt, wenn er sich mit einem anderen Lebewesen verbunden hatte. Doch diesmal war es anders, ganz anders. Es sah aus, als ob er mit sich selbst verbunden wäre, wie mit seinem innersten Ich, dem Krieger, der fühlte. In seinen Augen war eine unbändige Wildheit zu sehen, die vor so langer Zeit nur zwei der anwesenden Crewmitglieder miterlebt hatten. Mit Schrecken erinnerten sich Kirk und McCoy an diese Episode, auf die sie gerne verzichtet hätten. Spock jetzt so zu sehen, beschwor diese Bilder wieder herauf.
Dem Vulkanier war bewusst, dass er sich ihnen offenbarte. Aber hier saßen seine treuesten Freunde, denen er schon oft sein Leben anvertraut hatte, so wie sie ihres oftmals in seine Hände gegeben hatten. Sie waren seine Heimat, und mit ihnen war er schon viele Jahre verbunden. Er liebte sie, auch wenn er es nie zugegeben hätte.
Die Crewmitglieder der Enterprise blieben stumm und ahnten, welche Ehre ihnen zuteilwurde. Sie öffneten ihre Herzen für einen Mann, den sie liebten und der aus ihren Herzen niemals mehr wegzudenken war. Sie nahmen sein Geschenk an.
Spock durchlebte die Vergangenheit seiner Vorfahren und er fühlte sich nicht allein, denn jeder, der ihm teuer war, begleitete ihn auf seiner Reise. Er ließ mit seinen Worten, Vulkan auferstehen:
Die Anwesenden sahen ein Schlachtfeld, übersät mit Toten. Doctor McCoy stöhnte auf. Wie oft schon hatte er den Tod siegen sehen? So viel Verschwendung an Leben. Aber sie mussten ihren Weg gehen, wie jedes vernunftbegabte Wesen. Der Weg war hart und lang, doch wie hart und wie lang sollte diese stolze Rasse noch erfahren, denn Spock war erst am Anfang.
Über dem Feld des Todes erschien ein Gesicht. Sie konnten die Präsenz eines beeindruckenden Mannes spüren. Es war Surak, der bedeutendste Philosoph in der vulkanischen Geschichte. Deutlich hörten sie, was er zu sagen hatte:
»Vulkan ging einen beschwerlichen Weg des Krieges. Was ihr hier seht, ist die Zukunft unseres Volkes, denn der Weg kann und wird nur in Vernichtung enden. Und keiner wird mehr übrig sein, der die Toten begräbt und beweint. Kein Name wird als Sieger verzeichnet werden können, außer der des Krieges. Seht! Seht genau hin, wohin euch der Hass führt. Wo aber ist die Liebe? Wie weit kann ein Vulkanier gehen aus Liebe? Soweit, dass er zerstört aus Liebe, das Leben seiner Brüder und Schwestern vernichtet aus Liebe.
Ich sage euch: Liebe ist ein Gefühl, das niemals stärker sein wird als der Hass. Denn immer bringt Liebe die Eifersucht und den Neid mit sich. Dies aber schürt das Feuer des Hasses. Ich sehe nur eine Möglichkeit, der endgültigen Vernichtung zu entgehen. Schwört allen Gefühlen ab. Hört mir zu und sprecht mir nach!«
Das Schlachtfeld verschwand, und sie sahen vor ihrem geistigen Auge nun Millionen von Vulkaniern, die alle zu einem Mann hinaufschauten. Sie bewegten sich wie in Trance, sie ruhten in sich selbst, aber doch war ihre Aufmerksamkeit auf Surak gerichtet, der sie verzauberte, so wie die anwesenden Offiziere auf der Enterprise von Spocks Stimme verzaubert waren.
»Ihr dürft euch nicht von euren Gefühlen leiten lassen. Verschließt sie ganz tief in euch und lasst sie niemals hinaus, denn sonst werdet ihr zu wilden Ungeheuern und das wäre euer Untergang.«
Jim, Pille, Scotty, Chekov, Sulu und Uhura, sie alle wurden Zeugen des ersten „Kolinahr". Jeder Vulkanier sagte sich von seinen Gefühlen los. Diejenigen, die nicht dazu bereit waren, verließen Vulkan und schlugen einen anderen Pfad ein. Vulkan aber kam endlich zum Ende eines Weges, doch ein anderer begann. Ein Weg in Einsamkeit und Gefühllosigkeit, aber - sie überlebten. Und im Laufe der nächsten Tausenden von Jahren fanden sie immer wieder zurück zu ihrer Philosophie, die Surak sie gelehrt hatte.
Sie kannten ihn schon viele Jahre, gingen gemeinsame Wege, doch niemals zuvor verstanden sie ihn besser als in diesem Augenblick. Spock hatte ihnen Einblick in seine Welt verschafft, und sie alle schämten sich, denn manchmal machte Spock sie mit seiner unerbittlichen, gefühllosen Logik verrückt. Nun wussten sie, dass es sein Selbsterhaltungstrieb, aber vor allem sein Beschützerinstinkt war, der ihn dazu trieb. Jeder von ihnen schreckte davor zurück, sich vorzustellen, was geschehen würde, wenn er den Krieger in sich herausließe.
Vor einigen Jahren waren Kirk und McCoy Zeuge geworden, was es hieß, wenn Spock ungewollt die Kontrolle über sich verlor. Wie lange war es her? Und ihnen wurde klar, dass die sieben Jahre fast schon um waren. Spock näherte sich seinem „Pon Farr". Erschrecken zeigte sich in ihren Gesichtern und voller Entsetzen schauten die beiden besten Freunde sich an. Jim hob einen Finger an die Lippen und bedeutete seinem Freund, zu schweigen.
Spock war noch nicht am Ende seiner Reise auf gedanklicher Ebene angekommen. Wieder zeigte sich ihnen das Bild Vulkans, aber diesmal war es ein Bild des Friedens. Wie viele Jahre später? Vielleicht Tausend. Sie wurden Zeuge einer Geburt. Die Mutter lag ruhig auf ihrem Lager. Es musste sich um eine sehr bedeutende Familie handeln, denn im Hintergrund sahen sie schattenhaft die Hohepriesterin.
Es war die mächtigste Position Vulkans, die immer mit einer Frau besetzt wurde. Diese Frau hatte das meiste Sagen auf Vulkan, so war es in der Vergangenheit und so war es auch heute noch, wie Kirk am eigenen Leib erfahren hatte.
Zwei Männer, die als Krieger gekleidet waren, schlugen ihre Stöcke zweimal kurz hintereinander gegen einen Gong, dann kam eine kurze Pause und dann folgten wieder zwei kurze Schläge. Es entstand eine mystische Atmosphäre.
Die Gebärende auf dem Lager ertrug die Schmerzen der Geburt mit einem leisen Stöhnen. Mehr kam nicht über ihre Lippen. Eine kleine Frau war zwischen ihre Beine gebeugt und zog das Kind aus ihrem Leib hervor und reichte es, nachdem sie die Nabelschnur gekappt hatte, dem Vater. Er hob es dem Nachthimmel entgegen und ließ es von T´Khut, ihrem heiligen Mond, segnen.
Die junge Mutter war erschöpft, doch plötzlich stieß sie einen langen Schrei aus. Die Geburt war noch nicht zu Ende, sie gebar Zwillinge. Auf den Gesichtern aller anwesenden Vulkanier zeichnete sich Überraschung ab. Noch niemals war so etwas in der Geschichte Vulkans vorgekommen. Es lag nicht in ihrer genetischen Veranlagung. Beide Kinder jedoch waren kräftig und schrien aus vollem Halse, auch sah man äußerlich keine Missgeburten. Man konnte sie für zwei gesunde Neugeborene halten, wenn nicht die Schmerzen der Mutter gewesen wären. Es musste sich um etwas ganz Besonderes handeln - oder um etwas besonders Furchtbares...
Die Reminiszenzen einer vergangenen Zeit erfüllten weiterhin den Raum. Sie zeigten zwei Kinder, vielleicht zehn Jahre alt, auf ihrem Streifzug durch eine trockene und ungemütliche Gegend. Sie gingen nie zu weit, zu gefährlich war die Wüste. In ihr gab es nicht genügend Wasser und sie wurde beherrscht von wilden Tieren.
Es wuchs nicht viel auf Spocks Heimatplaneten, hier und dort gab es Sträucher, die anpassungsfähig genug waren, um mit wenig Wasser aus dem Untergrund auszukommen. Zwar war das vulkanische Volk längst in der Lage, die trockene Erde fruchtbar zu machen und so den gesamten Planeten zu verändern, doch niemand hatte den Wunsch dazu. Es gab riesige Landwirtschaften über ganz Vulkan verteilt, das reichte zum Leben. Aber ansonsten akzeptierte jeder Bewohner seinen Heimatplaneten wie er war, schließlich waren sie durch ihn geprägt worden. Auch hier stand die Philosophie der „Beherrschung des Bestehenden" im Vordergrund.
Die beiden Jungen sahen einander sehr ähnlich. Aber etwas unterschied sie äußerlich. Der eine Junge trug Kleidung mit einer schlichten, unscheinbaren Farbe, fast schon sanft. Der andere aber trug die Farbe des Krieges, des Hasses und Zornes, rot und schwarz beherrschten das Erscheinungsbild. Der sanftere der beiden hieß Sator.
Spock übermittelte für die Übersetzung des Namens Bilder von Eintracht und Liebe. Der andere Junge hieß Sandock, hier wurden die Bilder kämpferischer. Doch als die Bedeutungen ineinander überflossen, ergab es ein Bild der Harmonie, da sie sich gegenseitig die Waage hielten, das eine konnte ohne das andere nicht existieren. Würde diese Harmonie die beiden retten können?
Je älter Sandock wurde, desto aggressiver war er gegenüber den anderen Kindern. Bald schon wurde er von allen gemieden. Sator, den alle liebten, jedoch für schwach, für zu emotionell hielten, schaute seinen Bruder mit Nachsicht an. Er hatte das Böse längst in ihm erkannt. Doch er war der Überzeugung, dass man Böses nie mit Bösem vergelten sollte, sondern nur mit Güte. So kam es, dass die beiden immer öfters ohne die Gesellschaft anderer in die Wüste gingen.
Jahre waren vergangen, die beiden zählten nun vierzehn Sonnenumläufe. An diesem Tage waren sie trotz aller Vorsicht und trotz der Ermahnungen der Erwachsenen, weiter als je zuvor in die Wüste vorgedrungen. Eigentlich hätten sie sich bereits auf dem Heimweg machen müssen, um vor der Dunkelheit wieder zuhause zu sein.
Sator wollte gerade seinen Bruder darauf aufmerksam machen, als er plötzlich hörte, wie Sandock seinen Namen rief und ihn zu einer Stelle winkte. Neugierig trat er näher und sah sich einem tiefen Abgrund gegenüber. Er sah fasziniert hinunter. Etwas weiter unter ihnen befand sich eine Höhle mit einem Vorsprung und Sandock drängte darauf, hinunterzusteigen.
Da Vulkanier von Natur aus neugierig waren, gab Sator nach und sie machten sich an den Abstieg. In den Felsen waren Treppen gehauen, die es ihnen ohne Schwierigkeiten ermöglichte, zur Höhle zu gelangen. Sie drangen immer weiter in die Dunkelheit vor, bis sie einen hellen Lichtschein sahen. Verwundert darüber, wo dieser herkam, gingen sie ihm entgegen. Sie kamen zu einem riesigen Hohlraum, der unheimlich war. Dieser übte aber eine seltsame Faszination auf die beiden Brüder aus.
Sie erforschten die Höhle, dabei stießen sie auf einen Altar. Noch nie hatten sie etwas Vergleichbares gesehen. Es war das erste Mal, dass sie mit einer Gottes-Religion in Kontakt gerieten. Es gab keine Aufzeichnungen der Gelehrten Vulkans, nichts deutete darauf hin, dass ihr Volk jemals eine Religion angebetet hatten. Sie brauchten keinen Gott oder Götter, sie hatten die Lehren Suraks und danach lebten sie.
Aber wo kam dann der Altar her? Hinter diesem stand ein großes Götzenbild in Form eines Sehlats, der sich aufrichtete und Feuer spie. Seine Augen leuchteten in einem matten Rot. Als die beiden vor ihm standen, erstrahlten die Augen zu einem funkelnden intensiven Rot, und plötzlich konnten sie sich nicht mehr bewegen. Eine Stimme erklang, die lange zum Schweigen verdammt war, aber nichts von ihrer Kraft eingebüßt hatte: »Endlich! Endlich seid ihr gekommen, um mich zu befreien, meine Kinder. Ich musste lange auf euch warten, doch nun seid ihr da. Ich werde euch nicht mehr loslassen.«
Der Anfall war vorbei, und Sarah erwachte aus ihrer Erstarrung. Verwirrt schaute sie sich um und wusste erst gar nicht, wo sie sich befand. Nach einer kurzen Orientierung ging sie in die kleine Badekabine und machte sich frisch. Auspacken konnte sie später noch. Niemand sollte auf dem Empfang ihren kleinen Anfall bemerken. In ihren Gedanken beschäftigte sie sich mit der Stimme, die sie schon seit ihrer Kindheit hörte und nicht wusste, was sie bedeutete. Plötzlich wurden ihre Gedanken auf ein anderes Thema gelenkt, das sie stark durcheinander brachte.
Spock ließ ein heißes Feuer in ihr brennen, sie brauchte nur an ihn zu denken. Sie wollte sich besonders hübsch für ihn machen, obwohl ihr durchaus klar war, dass man vulkanische Männer nicht verführen konnte. Aber sie hatten einen besonderen Sinn für Ästhetik, und den wollte sie erfüllen.
Fünfzehn Jahre lang sah und hörte man nichts von Sandock und Sator. Sporr, ein Götze aus den alten Tagen Vulkans, hatte sie in seiner Gewalt. Sie fristeten ihr Dasein so viele Jahre ohne eigenen Willen. Die fremde Macht zwang ihnen eine Ausbildung auf, in der sie ihre immensen telepathischen Kräfte perfektionieren sollten. Sporr hatte sie vollkommen in seiner Gewalt und er formte sie so, wie er sie haben wollte.
Sie waren zu willenlosen Puppen geworden, aber umso gefährlicher und gnadenloser in ihrer Machtlosigkeit, etwas dagegen unternehmen zu können. Ohne eine Wahl zu haben, taten sie alles für ihren Meister. Ihre Augen blickten ins Leere, doch in Sators stahl sich ab und an eine vereinzelte Träne. Sein sanftes Wesen hielt das Böse, das von ihm Besitz ergriffen hatte, nicht aus. Seine Seele wurde aufgefressen und es würde nicht mehr lange dauern, dann zerbrach er vollends daran.
Aber nicht nur, dass die beiden Brüder von Sporr lernten, er lernte auch von ihnen. Aus ihren Gedanken stahl er sich die Informationen über einen neuen, friedlichen Planeten. Was aus Vulkan geworden war, erfreute ihn ganz und gar nicht. Mit Hilfe der Männer, die aus den Jungen geworden waren, würde er Angst und Schrecken verbreiten. Der Befehl Sporrs lautete, das vulkanische Volk mit Schrecken und Terror den Lehren Suraks zu entreißen.
Und tatsächlich, Suraks Philosophie galt bald schon nichts mehr und überall breiteten sich abermals Kriege und Vernichtung aus. Die jahrhundertelange Disziplin der Vulkanier zerbröckelte, das Ungeheuer in ihnen wurde wieder freigesetzt. Zweihundert Jahre hielt die Schreckensherrschaft Sporrs an und niemand war fähig, sich gegen ihn aufzulehnen.
Bis der Körper Sators zusammenbrach. Dieser hörte einfach auf, zu existieren. Seine Seele konnte das Leid nicht mehr ertragen, das er gezwungen war, anderen zuzufügen. Äußerlich war er noch immer ein junger Mann, durch Sporr vor dem Alter geschützt. Doch die jahrhundertelange Folter seines zarten Gemütes, das ganze Elend, dass er bewusst miterlebt hatte, half ihm dabei, sich von seinem Körper zu lösen. Er war endlich frei.
Sandock, der zugänglicher für Sporrs Bösartigkeit war, und es dem alten Gott so erst ermöglicht hatte, Besitz von ihnen zu ergreifen, folgte in diesem entscheidenden Moment seinem Bruder. Er lehnte sich gegen seinen Meister auf. Auch er verließ seinen Körper, er wollte nicht mehr die Marionette eines Götzen sein. Nun konnten sie endlich gegen Sporr vorgehen. Auf geistiger Ebene verstärkte sich ihre Macht um ein Vielfaches. Sie setzten dem Gott schwer zu. Ihr Kampf dauerte mehrere Jahre an, doch dann war es so weit, sie bezwangen ihn. Aber zu mächtig war dieses alte Wesen aus einer längst vergangenen Zeit, sie konnten ihn nicht gänzlich vernichten, also mussten sie ihn zurück in seine Höhle lassen.
Sie teilten der Hohepriesterin das Geheimnis seiner Macht mit. Sporr brauchte Zwillinge, um sich zu manifestieren und Macht zu erlangen. Nun konnten sie nichts mehr tun. Vulkan musste seine Wunden selbst behandeln. Sator und Sandock zogen sich auf den Berg „Seleya" zurück, ihre „Katra" war dort am besten aufgehoben. Es bedeutete endlich wieder Frieden für den Planeten. Doch wie lange würde dieser anhalten?
Zweitausend Jahre ging alles gut, dann aber fing das Unheil von neuem an. Ein Zwillingspärchen wurde geboren. Das eidetische Gedächtnis der Vulkanier und die gedankliche Verbindung, die sie untereinander hatten, ermöglichte es ihnen, die Vergangenheit bewusst aufzunehmen. Von Generation zu Generation wurde sie so weiter gegeben. Kein Wissen ging jemals verloren, und so wussten auch die Eltern der neugeborenen Zwillinge um die Tragödie, die vor so vielen Jahren geschehen war. Aber was hätten sie tun sollen? Die Logik konnte ihnen hier nicht helfen, denn sie waren liebende Eltern. Sie wollten nicht wahrhaben, dass so etwas Fürchterliches sich wiederholen würde. Es war unlogisch, an Götzenbilder zu glauben, die alle Zweitausend Jahre erschienen, um Chaos und Furcht zu verbreiten. Das redeten sie sich jedenfalls ein.
Da sie nicht zu den angesehensten Familien gehörten und nur bescheiden und sehr abgelegen lebten, erfuhr niemand von den Zwillingen. Das Unheil nahm seinen Lauf. Wieder fand Sporr die Möglichkeit, sie zu sich zu holen und in seine Gewalt zu bringen. Fünfzehn Jahre später brach erneut das Unheil über Vulkan herein. Überall herrschten Angst und Schrecken bei einem völlig rational denkenden Volk. Doch wo waren die Seelen Sators und Sandocks?
Spocks Gedanken drangen weiter vor, weg von dem Schauplatz der Vernichtung, hin zu einem friedlichen Ort hoch oben auf dem Berg Seleya. Die Gedanken seiner Freunde begleiteten ihn. Sie alle bangten um die Zukunft Vulkans, so gefangen waren sie in der Geschichte, obwohl sie bereits tausende von Jahre zurücklag - oder etwa nicht?
Die Crew bemerkte nicht, wie sie in die Vergangenheit integriert wurde. Längst war es zu spät, sich zurückzuziehen, sie wurden ein Teil Vulkans.
Und plötzlich hörten sie Sators Stimme in ihren Köpfen: „Willkommen Spock. Du hast lange gebraucht, um dich deinen Freunden anzuvertrauen und herzukommen. Es wäre bald zu spät gewesen."
Es war ein bedrückendes, aber auch faszinierendes Gefühl, körperlos zu sein. Sie existierten nur auf gedanklicher Ebene und konnten so selbst die Gesetze von Raum und Zeit überwinden. Während ihre Körper noch auf der Enterprise, weit in der Zukunft, waren.
Kirks Stimme erklang in den Köpfen der Anwesenden, obwohl er nicht sprach: „Ich verstehe das hier alles zwar nicht, aber ich vertraue auf Spock. Also, wie können wir helfen, wo wir doch eigentlich an einem ganz anderen Ort und vor allem in einer ganz anderen Zeit sind?" Seine Stimme kannte keine Töne, sie existierte auf einer Ebene, die niemand verstand.
„Mein Bruder und ich haben uns mit Spock verbunden, um eure starke Gemeinschaft hierher zu holen. Nur durch seine gefestigte Bindung mit euch, konnte das gelingen. Sporr ist stärker als je zuvor. Wir kommen alleine nicht gegen ihn an, deshalb benötigen wir Hilfe", erklärte Sandock jetzt. „Aber zuerst müsst ihr euch von sämtlichen Zweifeln befreien. Wenn ihr dazu in der Lage seid, dann folgt mir."
Plötzlich fühlten sie eine andere Präsenz, gefährlich und explosiv. Sporr schleuderte ihnen seine geballte Kraft entgegen, die sie auseinanderriss. Die beiden Brüder richteten ihre Aufmerksamkeit auf den Götzen und kämpften unerbittlich gegen ihn an.
Spock hatte dadurch Zeit, sich mit den Zwillingen zu verbinden und ihnen so zur Flucht aus ihren Körpern zu verhelfen, wie es einst Sandock und Sator gelungen war. Verstärkt konnten sie jetzt gegen den Götzen vorgehen, bis dieser besiegt war.
Wieder einmal konnte Vulkan gerettet werden, doch auch diesmal mussten sie den Gott in seiner Höhle zurücklassen. Solange er keine Zwillinge mit hohem geistigem Potential fand, hatte der Planet Ruhe vor ihm. Wie lange würde es diesmal dauern, bis das nächste Zwillingspaar geboren wurde? Und hatten die Eltern dann die Entschlossenheit zu handeln? Diese Fragen klangen in den Köpfen der Freunde. Die Gedanken kehrten in ihre Körper zurück. Spock löste ganz langsam und vorsichtig die mentale Verschmelzung. Erstaunt schauten sich alle um.
»Das war doch nicht real?«, hörten die Crewmitglieder Uhuras verwirrte Stimme.
»Ich musste Ihnen das antun, zu viel steht auf dem Spiel.« Spocks Stimme klang noch ernster, als es sonst der Fall war, und nur seine engsten Freunde erkannten die Besorgnis in seiner Mimik.
»Aber das ist doch schon alles solange her und bereits geschehen. Sandock und Sator… sie haben doch gewonnen… oder nicht, Mr. Spock?« Flehentlich sah die Kommunikationsoffizierin ihren Vorgesetzten an.
Spock seinerseits schaute sie fast schon mitleidig an und schüttelte nur den Kopf.
»Natürlich werden wir helfen, wo wir nur können«, erklang Kirks zuversichtliche Stimme. »Doch nun müssen wir uns fertigmachen und den Empfang hinter uns bringen. Ich bitte um Galauniformen, und morgen früh sehen wir uns hier wieder… Ach ja, und kein Wort über diese Angelegenheit, sie ist Top-Secret. Verstanden?« Dann wandte er sich besorgt an seinen ersten Offizier: »Spock, Sie werden sich ausruhen!« Die Stimme seines Captain ließ keinen Zweifel zu, dies war keine Bitte, es war ein Befehl.
Der Vulkanier wirkte gedankenlos und erschöpft, und ohne ein Wort des Protestes zog er sich dankbar zurück.
Captain Kirk ging nachdenklich zu seiner Kabine, um sich umzuziehen. Trotz der erlittenen mentalen Strapazen freute er sich tatsächlich auf Sarah.
Sarah war fertig angezogen, sie hatte sich für ein sehr exotisches Outfit entschieden. Blumen waren in ihr Haar geflochten und ein weites, sehr buntes Gewand umwallte ihre schlanke Figur. Die junge Frau hatte nicht viel Make-up aufgelegt, denn sie schien von innen heraus zu glühen. Sie fand ihre Wangen waren dadurch schon mehr als genug gerötet. Die Kadettin trat auf den Korridor und ging in Gedanken versunken auf den Turbolift zu. Sarah bemerkte nicht, wie dieser sich öffnete. Plötzlich stieß sie mit jemandem zusammen.
Nicht sehr erschrocken schaute sie auf, unbewusst hatte sie längst seine Präsenz gespürt. Spock schaute auf sie herab und hielt sie fest, länger als nötig. Auch er war viel zu sehr in Gedanken versunken gewesen, und seine Erschöpfung trug nicht gerade zu seiner Aufmerksamkeit bei. Als er ihren Blick sah, da wusste er, dass er verloren war. Die Zeit blieb stehen für zwei so unterschiedliche - und doch so ähnliche Wesen.
Ihre Erinnerungen vermischten sich. Spock wollte sich wehren, aber es war längst zu spät. Zu spät für sie beide. Leise schloss sich der Turbolift hinter ihnen und fuhr ohne Passagiere weiter seine einsamen Runden durch die riesige Enterprise.
Sarah nahm Spock in ihre Erinnerungen auf, so wie er sie in seine aufnahm. Völlig bedingungslos und selbstverständlich. Er sah sie, als kleines Mädchen zum ersten Mal die Schönheit einer Landschaft bewundern. Er stand daneben und schaute zu, wie sie sich darüber freute. Das Mädchen von eins sah zu ihm auf. Die Kleine integrierte und personifizierte den Vulkanier in ihren Erinnerungen. Und der sonst so kühle Mann freute sich mit ihr…
Die Gedanken überschnitten sich, er gab einen Teil seiner Erinnerungen preis. Nun sah sie ihn, wie er als kleiner Junge mit seinem heißgeliebten Kalat spielte. Diesmal war Sarah die stumme Beobachterin. Er schaute zu ihr auf und lächelte. Ein kleiner Vulkanier, der keine Scheu zeigte vor der eigentlich fremden Person, die sie war...
Dann ihre Trauer, als sie die geliebte Mutter verlor, kaum zehn Jahre alt. Er spürte ihren tiefen Schmerz und übernahm die Stelle des tröstenden Bruders in ihren Gedanken ein, ein Fels in ihrem Leid…
Er nahm Abschied von seiner Heimat, sie stand an seiner Seite, diesmal war sie seine Stütze in einer Wehmut, die ihn zu verschlingen drohte…
Er sah T´Pie in ihren Gedanken und die Liebe zu der Kultur und Sprache Vulkans, die sie durch ihre vulkanische Amme erfuhr…
Sein erstes Pon Farr. Die Hoffnung starb, dass er vielleicht diesen Teil seiner vulkanischen Gene nicht geerbt hatte, doch das vulkanische Feuer war zu stark. Er nahm Sarah in Gedanken als seine Bindungspartnerin an, und sie wurde Zeugin eines Liebesaktes, bei dem sie selbst die Hauptrolle spielte…
Sie durchlebten die Szenen ihrer Vergangenheit in sekundenschnelle. Das Feuer der beiden breitete sich in ihren heißen Körpern aus. Mit unbändiger Kraft hob er sie auf seine starken Arme. Ihr machte die Gewalt nichts aus, denn auch sie war in diesem Moment so stark und so wild. Sarah konnte nicht mehr klar denken. Die Tür ihrer Kabine schloss sich hinter ihnen.
Kirk sah sich um, aber er konnte Sarah nicht entdecken, das enttäuschte ihn. Stattdessen trat ihr Vater Admiral Bonelly auf ihn zu, um einen Plausch mit ihm zu halten. Natürlich würde es um seine Tochter gehen, das Übliche.
»Kirk, mein Junge, wie wäre es, wenn wir Einen zusammen trinken?« Bei diesen Worten haute er Jim erst einmal kräftig auf die Schulter.
Das hatte dieser eigentlich nicht erwartet. Leicht pikiert lächelte er den Admiral an. Nur schwer konnte er dem Wunsch widerstehen, ihn nach seiner Tochter zu fragen, also ging er, ohne ein Wort zu sagen, mit ihm zur Theke. Der junge Captain staunte darüber, wie gut er sich mit dem älteren Admiral unterhielt. Dieser hatte eine robuste Art, die auf eine bestimmte Art charmant war.
Nachdem sie einen bis mehrere Drinks hatten, sagte Bonelly: »Kirk, ich hoffe, Sie glauben nicht, dass Sarah durch meinen Einfluss auf die Enterprise gekommen ist.«
Jim schaute ein wenig beschämt drein und wollte erst leugnen, aber er konnte den Admiral nicht anlügen, deshalb antwortete er: »Ich muss gestehen, ich habe mit diesem Gedanken gespielt, Sir.«
Bonelly reagierte keineswegs gekrängt, sondern stellte nur richtig: »Dem ist nicht so und Sie können einem alten Seebären wir mir ruhig glauben, wenn ich sage, dass meine Tochter es ohne meine Hilfe geschafft hat. Nicht ein Mal durfte ich intervenieren. Ich gebe zu, ich war des öfteren versucht, mich über ihren Wunsch hingwegzusetzen, aber ich hatte Angst vor ihrem Zorn. Schon als Kind war sie sehr eigen, wenn es darum ging, etwas aus eigener Kraft schaffen zu wollen. Und nach der Akademie wollte sie auf das beste Schiff der Sternenflotte. Auf das Ihre, Captain.«
Damit war die Sache aus der Welt geschafft, und sie prosteten sich zu. Verstohlen ließ Kirk den Blick über die Anwesenden gleiten, noch immer war von Sarah nichts zu sehen.
Da trat McCoy an seine Seite und fragte unschuldig mit diesem hinterhältigen Grinsen, das er immer aufsetzte, wenn er ein diebisches Vergnügen bei einer Sache hatte: »Suchst du etwa mich?«
Ärgerlich schaute Jim seinen Freund an, da ertönte Bonellys Stimme: »Leonard, wie geht es Ihnen? Wir haben uns ja lange nicht gesehen.«
Pille war hoch erfreut, als er den Admiral bemerkte. »Freut mich, Sie endlich einmal wiederzusehen, Tobias.«
Kirk war erstaunt. Woher kannten die beiden sich? McCoy bemerkte Kirks Blick und erklärte: »Wir haben uns vor Jahren auf dem Planeten Kantux kennengelernt.« Und zu Bonelly sagte er: »Ich freue mich, dass wir Ihre Tochter an Bord haben. Wo ist sie übrigens?«
»Meine Tochter hat ihren eigenen Kopf. Wenn ich sie heute nicht sehe, dann verabschiede ich mich morgen von ihr.«
Der Doktor bestellte die nächste Runde. Er wollte mit dem Admiral auf alte Zeiten anstoßen. Jim nahm die Gelegenheit wahr und schlich sich davon. Auf der Suche nach Sarah schlenderte er umher. Die Besatzungsmitglieder grüßten und tranken ihm zu. Es herrschte eine lockere Atmosphäre. Und doch strahlte ihr Captain zu jeder Zeit eine Autorität aus, die seine Untergebenen eine respektvolle Distanz zu ihm einhalten ließen. Es war spät geworden und ein anstrengender Tag lag vor ihm, also ging er in seine Kabine.
Das Fieber des Pon Farr klang ab, und der Verstand gewann die Oberhand. Spock hatte die Augen geöffnet, er lauschte dem ruhigen Atem Sarahs. Der Vulkanier suchte keine Entschuldigung für das, was passiert war. Er war eigentlich noch nicht an der Zeit gewesen. Er hätte noch ein paar Monate Zeit gehabt.
„Um genau zu sein, fünf Monate, zwölf Tage und dreizehn Stunden“, dachte er nicht ohne eine gewisse Ironie.
Doch ihr erstes Pon Farr hatte seins in dem Moment ausgelöst, als sie ihn bei der Begrüßung angeblickt hatte. Sie hatte nie gelernt, mit diesen Gefühlen umzugehen und so hatte sie ihn praktisch angesteckt. Darauf war er nicht vorbereitet gewesen, deswegen traf ihn keine Schuld, rein logisch gesehen. Doch tief in seinem Inneren plagte ihn sein schlechtes Gewissen.
Die Uhr zeigte sechs Uhr in der Früh an. Es wurde Zeit zu der nächsten Besprechung zu gehen. Und diesmal würde es um Sarah gehen. Er wollte, dass sie dabei war, sie hatte ein Recht darauf. Sanft berührte er sie an der Schulter und sofort überflutete ihn eine Welle von Gefühlen. Er musste sich beherrschen, er brauchte alle seine ungetrübten Sinne. Sarah bewegte sich und langsam setzte sie sich auf.
„Wow, was für eine Nacht, das ist mir ja noch nie passiert“, dachte sie erstaunt. Sarah war bestimmt kein Mensch von Traurigkeit, und Spock war nicht ihr erstes Mal, aber so völlig die Kontrolle zu verlieren, das war neu für sie. Er war schon aus dem Bett und in der Badekabine. Verschlafen hatte sie noch einen Blick auf seinen schlanken, muskulösen Body werfen können.
„Kein Wunder, dass ich ihn nicht von der Bettkante geschupst habe.“ Sie grinste leicht anzüglich vor sich hin.
Spock ließ ihr die Zeit, sich zu sammeln. Sie bereute die Nacht nicht, verstohlen lächelte sie vor sich hin. Aber sie kannte das Tabu des Pon Farrs und sie konnte sich denken, wie er sich fühlen musste. Sie stand auf, und in dem Moment kam er aus der Nasszelle. Nackt stand sie vor dem korrekt gekleideten, in seiner Andersartigkeit schönsten Mann, den sie jemals gesehen hatte. Schelmisch schaute sie zu ihm auf. Er hatte sich wieder vollkommen in der Gewalt, er blickte sie nur an. Ohne ein Wort zu sagen, verstanden sie sich auch so. Sarah ging in die kleine Kabine, um sich fertig zu machen. Er ließ sie allein, mit der Gewissheit, dass sie immer in seinen Gedanken sein würde.
Es war so weit, mit dem Eintreffen von Sarah Bonelly, die auf Spocks Wunsch an der Sitzung teilnehmen würde, waren sie vollständig. Er klärte Sarah mit Hilfe der mentalen Gedankenverschmelzung auf. Sie alle waren erstaunt, griff er doch nur im äußersten Notfall zu diesem Mittel. Die Situation musste also sehr kritisch sein.
Als er die gedankliche Verbindung beendete, bildete Spocks Stimme wieder den Mittelpunkt: »Sporr wurde mit jedem Erwachen stärker und meinem Volk war bewusst, er durfte nicht mehr auferstehen. In der Zeit bis heute wurden noch zwei Zwillingspaare geboren. Wir sind friedliebende Bewohner des Alls geworden. Jede Art der Gewalt verabscheuen wir. Doch die Gefahr, die von Sporr ausging, war zu groß. Vulkan geriet in Panik, die Bewohner sahen Kriege und abermals Verwüstung voraus. Was sollten sie also tun? Es schien nur eine Möglichkeit zu geben… so wurden Vulkanier zu Kindesmördern.«
Spock verstummte beschämt, das Entsetzen hing greifbar in der Luft. Rational denkende Lebewesen, die das Leben als höchstes Gut erachteten und jegliche Gewalt vermieden, gerieten vor einem Kind in Panik, wussten keine andere Möglichkeit als Mord. Und wieder verlangte der Opferstein auch auf dieser, wie in der Vergangenheit auf so vielen Welten vorher, ein Blutopfer.
Alle sahen, wie es in Spock arbeitete, aber er hatte sich schnell wieder in der Gewalt. »Man hielt es für logisch, so zu handeln. Das Wohl von Vielen wiegt schwerer als das Wohl von Einzelnen – oder eines Einzelnen. Die Kinder waren eine zu große Gefahr, also tötete man sie, kurz und schmerzlos. Mit dieser Schande lebten wir Vulkanier, und rühmten uns des Friedens auf unserem Planeten.« Hörten die Anwesenden in Spocks Stimme einen leisen Zynismus? Bitterkeit erfüllte die Luft, sie hüllte ihn ein. Sarahs Gedanken kämpften sich zu ihm vor und gaben ihm zu verstehen, dass es zu der damaligen Zeit die einzig logische Möglichkeit war.
Das löste ihn aus seiner geistigen Erstarrung, und er konnte mit ihrer Hilfe fortfahren: »Die Zeit verstrich, und das letzte Zwillingspaar wurde vor genau zwanzig Jahren geboren. Wieder wurde der Ruf nach Tötung laut. Doch wir hatten uns weiterentwickelt, ein Mord kam nicht mehr in Frage. Die Oberen des Wissenschaftsrates kamen zu der Übereinkunft, dass ein Kind bei den Eltern bleiben durfte, während das andere äußerlich verändert wurde. Zu der damaligen Zeit war auf Vulkan ein menschlicher Botschafter auf einer Mission. Er war jederzeit auf Vulkan willkommen und sie vertrauten ihm. Die Wissenschaftler gaben dem vulkanischen Kind menschliches Aussehen und mit Chemikalien veränderten sie auch das Blut, es würde von nun an rot bluten. Sie übergaben das Mädchen dem Admiral, und er ließ sich auf dem entlegenen Planeten Kantux stationieren. Eine geringere Schwerkraft des Planeten ließ niemanden Verdacht schöpfen, warum das Kind, das aufgewachsen war in dieser Schwerkraft, stärker als andere Menschen war. Über die Jahre wurde es nur von Ärzten behandelt, die eingeweiht waren, und die Krankenakte wurde auf die menschliche Anatomie ausgelegt. Das Mädchen selbst, das heute eine zwanzigjährige junge Frau ist, hatte keine Ahnung. Auch sie war getäuscht worden. Die nötige psychische Ausbildung, damit sie sich vor den Emotionen der anderen Lebewesen abschirmen konnte, bekam sie durch ihre Amme T´Pie. Diese ging freiwillig mit ihr ins Exil, dankbar allein dafür, dass T´Shara leben durfte.« Ohne dass er es bemerkte, benutzte Spock ihren vulkanischen Namen T´Shara. Langsam dämmerte es den Offizieren, wer gemeint war. Deshalb also hatte Spock auf Sarahs Anwesenheit bestanden. Endlich kam Licht in die Angelegenheit.
Und schon sprach der erste Offizier der Enterprise es aus: »Ihr scheint es zu ahnen, könnt es aber noch nicht glauben. Ja, Admiral Bonelly nahm das vulkanische Kind in seine Obhut und nannte es fortan Sarah. Er und seine Frau zogen sie zu der jungen Frau, die nun hier vor uns sitz, heran. Nun fehlt die zweite Hälfte, die zusammen ein Ganzes ergeben. T´Saar wird heute noch an Bord der Enterprise kommen. Sie ist vor kurzem in alles eingeweiht worden und möchte so schnell wie möglich ihre Schwester kennenlernen. Sie ist Adjutantin des hiesigen vulkanischen Botschafters. Auf meinem Heimatplaneten ist es seit kurzer Zeit zu Unruhen gekommen, die beträchtliche Ausmaße angenommen haben. Die Bevölkerung bricht in Panik aus und die Wissenschaftler nehmen an, dass es mit Sporr zusammenhängt. Er scheint plötzlich eine Macht entwickelt zu haben, die es ihm ermöglicht, Unruhen zu verbreiten ohne die Hilfe eines Zwillingspaares. Vielleicht will er sie auch nur zu sich locken und unser Täuschungsmanöver ist gescheitert. Wir haben fünf Tage Zeit, T´Shara und T´Saar auf Sporr vorzubereiten und sie auszubilden. Irgendwelche Fragen?«
Alle sahen Sarah an, während sie Spock bewegungslos anstarrte. Die junge Frau war sehr gefasst, längst hatte sie etwas geahnt. Gewissheit bekam sie in der letzten Nacht, in der Spock nicht alle Fakten vor ihr geheim halten konnte. Sie hatte eine Zwillingsschwester, das war also die Stimme in ihrem Kopf. Bald sollten die Qualen aufhören. Sie konnte es gar nicht mehr erwarten, ihre Schwester zu sehen. Um sie nicht länger warten zu lassen, standen die Offiziere auf und gingen zur Tür.
Sarah schaute hoch und begegnete dem nun sanften Blick ihres Bindungspartners. Seine Gedanken flüsterten ihr zu: „Es wird Zeit, Liebes, sie wartet auf dich."
Dankbar lächelte sie ihn an und erhob sich ebenfalls, um an seiner Seite ihre Schwester T´Saar zu begrüßen.
Der Augenblick war gekommen, sie standen sich gegenüber. T´Saar hob die Hand zum vulkanischen Gruß. Ihr Gesicht war unbewegt und sie hatte sich vollkommen in der Gewalt, während die Anwesenden Sarah anmerkten, wie sie sich fühlte. Die beiden sahen fast identisch aus, sah man von den spitzen Ohren und den arroganten Gesichtszügen der Vulkanierin ab.
Sarah konnte nicht anders, sie trat auf ihre Schwester zu und umarmte diese. Sofort entstand eine mentale Verbindung, ihre Gedanken wurden eins. Beide durchlebten die Kindheit der jeweils anderen, die sie doch in ihren Träumen die letzten zwanzig Jahre über bereits miterlebt hatten. Nur waren es keine Träume, sondern das Aufblitzen der Gedanken des fehlenden Teils eines Ganzen gewesen. Langsam lösten sie sich voneinander.
T´Saar wandte sich auf vulkanisch an Spock: »Sie sind der Bindungspartner meiner Schwester und sollen unser Lehrer sein. Sie wissen über alles Bescheid und wir begeben uns in ihre Hände, Sen Spock.« Sie redete ihn mit der Ehrenbezeichnung eines Lehrenden bei ihrem Volk an und brachte ihm allerhöchsten Respekt entgegen. Indem Spock den Kopf leicht neigte, nahm er die Ehre an.
»Es wird Zeit, wir haben schon viel zu viel davon verloren.« Mit diesen Worten wandte er sich an den Captain der Enterprise. »Ich werde mich fünf Tage mit T´Shara und T´Saar zurückziehen. Niemand darf uns stören, da wir uns völlig auf der gedanklichen Ebene befinden werden. Sator und Sandock werden uns helfen.« Damit wandte sich Spock ab, die beiden jungen Vulkanierinnen folgten ihm.
Die nächsten Tage waren hart für die beiden Frauen, während die Zeit des Nichtstuns und der Warterei Kirk wiederum verrückt machte. Er war gereizt und angespannt und lief in seiner Kabine auf und ab. Er war ein Mann der Taten und nur rumzusitzen, gefiel ihm ganz und gar nicht. Dann endlich erreichten sie Vulkan.
Kirk und McCoy begleiteten Spock und die beiden Schwestern auf den Planeten. Und obwohl sie auf alles vorbereitet waren, traf sie der Anblick, der sich ihnen bot, mit voller Wucht. Die friedliche Atmosphäre war wie weggeblasen, stattdessen spürten sie Panik. Sie verschlossen ihre Herzen vor der schlimmen Verwüstung und ließen sich auf dem Weg zu Sporrs Höhle nicht aufhalten.
Sator, Sandock und das andere Brüderpaar warteten schon und waren bereit. Zusammen betraten sie die Höhle und trafen auch schon auf den erstarkten Sporr. Der Kampf war hart, denn das gedankliche Potential des alten Gottes war bedrohlich angewachsen. Er versuchte die beiden Frauen in seine Gewalt zu bringen, aber ihre Vorbereitung war zu gut gewesen, sie blockten ihn ab.
Sporr hatte nun drei Zwillingspaare gegen sich und dazu Spock, der sich mit seinen beiden besten Freunden verband, um aus ihrer Vereinigung Kraft zu schöpfen. Sie umkreisten den Götzen und hielten ihn fest. Plötzlich klinkte sich Spock mit Kirk und McCoy aus, er hatte eine Idee.
»Captain, die Götzenstatue, es muss die „Vrekatra" sein.«
Kirk verstand nicht und Spock erklärte: »Die Vrekatra ist ein besonderer Behälter, in dem die Katra, die Selbstsphäre eines Vulkaniers, nach seinem Tod eine Ewigkeit ruhen kann. Ohne diesen Behälter ist die Katra verloren. Jim, wir müssen die Höhle zerstören!«
So nah an der Höhle waren die Gegner Sporrs noch niemals gekommen, denn nur die willenlosen Bruderpaare hatten sie jemals betreten. Doch vergaßen sie, sobald sie sich von ihrem Peiniger gelöst hatten, den Standort der Behausung des Götzen und auch den Inhalt der Höhle. So konnten sie niemals irgendjemanden dort hinführen, um die unsterbliche Katra des Feindes zu zerstören. Nur die Führung der Zwillingsschwestern, die von Sporr angezogen wurden, hatte es ihnen ermöglicht, diesen wichtigen Ort zu finden.
Der höchstdekorierte Captain der Sternenflotte handelte sofort. Er nahm seinen Kommunikator und rief die Enterprise: »Uhura, auf mein Zeichen hin, soll Sulu zwei Torpedos auf die Koordinaten meines Kommunikators feuern. Ich werde mich mit Spocks Gerät melden. Gleichzeitig müssen Sie fünf Personen hochbeamen. Kirk Ende.«
Mehr gab es nicht zu sagen. Der Captain des Flaggschiffes der Föderation vertraute darauf, dass seine Leute den Befehl, ohne diesen zu hinterfragen, befolgen würden. Er legte seinen Kommunikator auf das Götzenbild, von dem er nun wusste, dass es ein Behälter war – für was auch immer, das er nicht verstanden hatte, aber laut Spock es überlebenswichtig war - und trat zu den anderen. Mittlerweile hatten sich auch die Schwestern aus der Verbindung gelöst. Sporr versuchte an diese heranzukommen, doch die vier verbliebenen Seelen beschäftigten ihn zu sehr und schirmten ihn ab, so dass er nicht an ihnen vorbeikam.
»Wir müssen uns beeilen, lange können sie Sporr nicht mehr aufhalten.« Zu fünft rannten sie aus der Höhle und die Treppen hinauf. Kirk schrie im Laufen in Spocks Kommunikator: »Jetzt, Lieutenant, Feuer.«
Die Torpedos schlugen ein und über eine Stunde mussten die Menschen und die Vulkanier auf der Enterprise warten, bis sie etwas hörten. Spock erstarrte plötzlich.
»Spock, was ist? Hat es geklappt?«, ungeduldig wie eh, setzte Pille ihm zu. Kirk legte seine Hand auf dessen Schulter und bedeutete ihm zu schweigen.
Als wieder Leben in die dunklen Augen des hochgewachsenen Vulkaniers kam, grinste dieser fast. »Es ist vorbei. Wir haben es geschafft. Die Seele Sporrs hat keine Rückzugsmöglichkeit mehr, sie ist verschwunden. Sandock und Sator bedanken sich und werden jetzt wieder ihren Frieden auf Seleya finden.«
Sarah fiel es nicht schwer, sich an ihren neuen Namen zu gewöhnen. Schließlich war sie mit den fremden Gedanken aufgewachsen, mit denen sie sich schon früh identifiziert hatte. Die junge Frau hatte lange überlegt, wie ihre Zukunft aussehen soll. Auf der Enterprise konnte sie fürs erste nicht bleiben, denn ihre neugefundene Familie hatte Vorrang. So entschied sie sich, die nächsten Jahre auf Vulkan zu verbringen. Ihr Studium an der vulkanischen Wissenschaftsakademie würde sie sehr in Anspruch nehmen, da war sie sich sicher. Auch war sie sich sicher, nach dieser Ausbildung wieder zur Sternenflotte zurückzukehren. Vielleicht sogar auf die Enterprise.
Nun hatte T´Shara sich von Spock verabschiedet. Sie hatte die Bindung gelöst und ihn somit von allen Verpflichtungen, die eine solche Verbindung mit sich brachte, entbunden. Sie blieb auf Vulkan, um ihre Familie und ihr Volk persönlich kennenzulernen. Spock aber gehörte zur Enterprise und dessen Crew. Sie würde ihn nie vergessen, und sie war dankbar für die kurze Zeit mit ihm. Die junge Frau schloss ein Kapitel ihres Lebens, um ein Neues zu beginnen.
Tag der Veröffentlichung: 05.01.2016
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Mit Kirk & Co. bin ich aufgewachsen und ich hoffe, dass ich meinen Lieblings-Charakteren mit dieser Geschichte gerecht werde.