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Verkehrt rum in der Rallye

 

 

 

 

 

 

Verkehrt rum in der Rallye

 

 

 

Geschichten, die man nicht erfinden kann

 

 

 

von

 

 

Anna Alesig

 

 

 

 

 

 

Schussfahrt ins Singledasein

 

Ist Minz-Schokolade tödlich?

 

Ein Rühman-Film – ein Ärmel

 

Der rettende Apfel

 

Keine dänischen Kronen dabei

 

Wo ist Paderborn?

 

Tomatensaft muss nicht sein

 

Wenn Eskimos Rosamunde singen

 

Nichts aus der Dose

 

Kein Eis am anderen Ufer

 

Milzbuckel auf Rab

 

90 Kerzen fürs Cholesterin

 

Gibt’s im Paradies Kamele?

 

Letzter Schokoriegel in New York

 

„Gute Besserung“ von Joe Cocker

 

Verkehrt rum in der Rallye

 

Sechs Spiegeleier zum Frühstück

 

Das Flugzeug mit der Stricktür

 

Der Kopf ist härter, als man denkt

 

Katzenbrei in der Backe

 

Gambas am Montmartre

 

Idylle mit Pferdefuß

 

Mit 200 Richtung Acker

 

Das ist nicht normal

 

 

 

 

Schussfahrt ins Singledasein

 

Ich hasse Schnee. Immer wenn wir einen Sommerurlaub am Meer planten, schwärmte mein Freund mir von einem zünftigen Winterurlaub vor: von schneebedeckten Bergen, die in der Sonne glitzern, vom Après-Spaß beim Jagertee. Tee? Tee hasse ich auch.

 

„Ich kaufe Dir eine Topausrüstung und Du kannst Dir den schönsten Skianzug aussuchen“, lautete sein letzter Köder-Versuch. „Wir werden eine Mordsgaudi zusammen haben.“ Was tut man nicht alles aus Liebe!

 

Ausstaffiert wie Prinzessin Caroline von Monaco in St. Moritz, stand ich wenige Wochen später auf dem Idiotenhügel in Sölden. Schneepflug – stundenlang übte ich diesen blöden Schneepflug. Umringt von kichernden Kindern, die es sehr viel schneller drauf hatten, als ich mit Anfang Dreißig. Mein Freund war in einem Profi-Kurs und tummelte sich schon drei Tage lang auf anspruchsvollen Buckelpisten. Nachdem ich mich dann auch an einem flachen Hang ausprobierte, meinte er: „Morgen fahren wir rauf nach Sölden. Das schaffst Du schon!“ Wir hatten Bilderbuchwetter und ich war gespannt auf die schneebedeckten Berge, die unter einem stahlblauen Himmel in der Sonne glitzern.

 

Vom Skilift abgesprungen standen wir auf einem kleinen Plateau. Ich versuchte den Hang zu erspähen, aber ich sah nur ein einziges Nichts. Vornüber gebeugt zeigte sich eine steile und lange Abfahrt. Auf die Frage: „Wie soll ich denn hier runter kommen?“, antwortete mein Freund: „Das schaffst Du schon. Du wirst sehen, das wird eine Riesengaudi! Ich muss jetzt zu meinem Kurs. Wir sehen uns heute Abend.“ Noch bevor ich tief Luft holen konnte, war er weg. Als die ersten Tränen abgewischt waren, wurde mir klar: Mit einem Schneepflug ist es hier nicht getan. Zu Fuß runtergehen mitten durch die vorbeipreschenden Könner ging auch nicht. Ich beugte mich wieder leicht vor und sah – wenn auch verschwommen –, dass es am Ende der Piste bei der Berghütte wieder bergauf ging. Verzweifelt redete ich mir ein: „Das müsste eigentlich klappen.“ Ich nahm meine beiden Stöcke unter die Arme und fuhr den Hang geradeaus runter. Den um mich herum wedelnden Skifahrern rief ich wie ein Papagei stets wiederholend und lauthals zu: „Ich kann nicht Skifahren, ich kann nicht bremsen! Vorsicht!“

 

Mit einem atemberaubenden Tempo und dauernden Warn-Rufen vor mir selbst schoss ich den Hang hinunter und in den Gott sei Dank weichen Schneehügel am Ende der Piste. Ich schnallte die Skier mit zitternden Knien ab, rammte sie in den Schnee, ging in die Hütte, und zog eine Schachtel Zigaretten. Drei Monate hatte ich nicht geraucht. Nach drei Zigaretten trat ich den Heimweg an.

 

Am späten Nachmittag stürzte mein Freund mit puterrotem Kopf und völlig außer sich in unser Pensionszimmer: „Wo warst Du. Ich hab‘ den ganzen Hang nach Dir abgesucht! Hab‘ mir dann doch Sorgen gemacht, ob Du da heil runter kommst!

 

Ich – gerade frisch geduscht, aufgebrezelt und beim Make-up-Finish – kommentierte seine Fragen nur mit einem “Ja, ja!“ und verließ unsere Pension in Richtung Rosenfest. „Schenkt man sich Rosen in Tirol“ – trällerte ein Seppelhosensänger.

Von meinem Freund habe ich mich getrennt, die Skiausrüstung eingemottet. Schnee und Tee hasse ich heute noch.

 

 

Ist Minz-Schokolade tödlich?

 

Meine Mutter versprach mir immer ein Micky Maus-Heft, wenn wir zu unserer Zahnärztin ein paar Dörfer weiter fuhren – manchmal gab es auch Fix und Foxi. Die Aussicht darauf verwandelten die kommenden schwarzen Stunden in ein leichtes Mausgrau. Ich hatte schon im zarten Alter von vier Jahren grottenschlechte Zähne, einen butterweichen Zahnschmelz, der die gefräßige Karies ständig zu einem Stelldichein einzuladen schien. Wenn andere Kinder Schokolade oder Kekse knabberten, aß ich Schwarzbrot mit Quark und regelmäßig Kalktabletten.

 

Im mit düsteren Eichenstühlen bestückten kleinen Wartezimmer war er wieder: dieser ätzende Zahnarztgeruch. Dann die drohenden Worte: „Der Nächste bitte!“ „Na, dann wollen wir mal schauen.“ Dieses scheinheilige Gerede! Beim Schauen blieb‘s ja doch nicht. Unsere Zahnärztin fand bei mir immer was zu reparieren oder zu richten.

 

Wenn ich den Stuhl endlich verlassen durfte, kam der erlösende Satz: „Siehste, war doch gar nicht so schlimm. Und jetzt darfst Du Dir was aussuchen!“ Die unterste Schublade ihres leicht vergilbten Instrumentenschranks kannte ich wie meine Westentasche. Sie beherbergte Püppchen, Autos und Teddybärchen aus Kunststoff. Billigkram eben. Aber ich war

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 15.02.2016
ISBN: 978-3-7396-3792-1

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