Cover

Leseprobe

 

 

 

 

 

 

 

Summer Alesilia

 

 

 

Forbidden Pleasure

Verbotener Genuss

 

 

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Lova

Dante

Viggo

Lova

Dante

Lova

Danksagung

Weitere Bücher

Sozial Media

Über die Autorin

Summer Alesilia ist das Pseudonym einer in Deutschland lebenden Autorin. Mit ihrer Familie wohnt sie in der Nähe von Ulm. Sie hat schon immer gerne gelesen, der Gedanke, selbst ein Buch zu schreiben, kam ihr erst 2017.

Sie liebt es, Leidenschaft, Herzschmerz und Liebe aufs Papier zu bringen. Ebenso Cliffhanger, Dramatik und spannende zwischenmenschliche Beziehungen. Selten passt ihre Geschichte in nur ein einziges Genre, oft ist es eine komplexe Mischung. Von zarter Liebe bis harte Obsession ist bei ihr alles vertreten. Ob es immer ein Happy End für die Protagonisten sein muss?

Wenn sie nicht schreibt oder liest, schaut sie gern Serien und Filme oder unternimmt etwas mit ihrer Familie.

Ihre Ideen nimmt sie so gut wie immer aus alltäglichen Situationen, die Orte ihrer Geschichten kennt sie teilweise aus erster Hand.

Hauptberuflich ist sie wie die Protagonistin ihres Debütromans in der Männerbranche tätig.

Wie ihr Name andeutet, ist sie ein Sommermensch, liebt das Meer und das mediterrane Lebensgefühl. Dies lässt sie auch in ihre Geschichten einfließen.

 

Über die Story

Noch nie hat sich Verbotenes so gut angefühlt …

 

Lova ist unzufrieden – mit sich, ihrer Ehe, ihrem Leben. Ausgerechnet in einem Kochkurs trifft sie auf den geheimnisvollen Dante, der längst vergessene Sehnsüchte in ihr weckt.

 

Der gut aussehende und selbstbewusste Mann spürt die Anziehung zu Lova sofort. Sie weckt eine verborgene Begierde in ihm.

 

Doch da ist noch etwas anderes. Etwas aus seiner Vergangenheit scheint ihn einzuholen – Dinge, die er vor langer Zeit vergraben und vergessen hat.

 

Als beide die Verstrickungen ihrer Vergangenheit erkennen, ist es bereits zu spät, und sie stecken tief in einem Strudel aus verbotener Lust und gefährlichem Verlangen.

Impressum

 

© September 2022

Copyright by Summer Alesilia

Buchsatz: Summer Alesilia

Covergestaltung: Massimo Pedicillo (NessunoMass)

Lektorat und Korrektorat: Vivian Valentine,

Bianca & Ann-Kathrin

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

 

 

Summer Alesilia

c/o Autorenservice Gorischek

Am Rinnergrund 14/5

8101 Gratkorn

Österreich

 

summeralesilia@gmail.com

 

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Jede Wiedergabe, Vervielfältigung und Verbreitung auch von Teilen des Werks oder von Abbildungen, jede Übersetzung, jeder auszugsweise Nachdruck, Mikroverfilmung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen und multimedialen Systemen bedarf der ausdrücklichen Genehmigung.

 

 

 

 

 

Nichts wie erwartet

 

 

Verweile nicht in der Vergangenheit, träume nicht von der Zukunft. Konzentriere dich auf den gegenwärtigen Moment.

Buddha

 

Dante

»Hallo in die Runde, mein Name ist Dante, ich bin dreiunddreißig Jahre alt und da ich sehr gern koche, mir aber langsam die Ideen ausgehen, habe ich mich zu diesem Kochkurs angemeldet.«

Ich schicke ein Schmunzeln an die Kursleiterin, woraufhin sie mir freundlich zunickt.

»Vielen Dank. Ich freue mich, einen Mann in unserer Gruppe begrüßen zu können. Wie du siehst, sind Männer in der Minderheit.«

Ein paar verhaltene Lacher sind zu hören. Sie macht eine auffordernde Handbewegung an die Frau neben mir, um ihr zu signalisieren, dass nun sie an der Reihe ist.

Insgesamt sitzen noch weitere sieben Personen an dem großen Tisch im vorderen Bereich der Großraumküche. Die etwas ältere Dame neben mir stellt sich als Agneta vor. Nachdem diese kurz erläutert hat, weswegen sie hier ist, geht es im Uhrzeigersinn weiter.

Der ältere Herr neben ihr stellt sich als Agnetas Ehemann vor. Neben diesem bin ich der einzig weitere Kerl in diesem Kurs. Es macht mir nichts aus, ganz im Gegenteil: Normalerweise genieße ich es, der Hahn im Korb zu sein.

Als Nächstes stellt sich eine, auf unscheinbare Weise, hübsche Frau vor. Ihr langes dunkelbraunes Haar trägt sie zu einem schlichten Pferdeschwanz gebunden. Sie ist nicht geschminkt, etwas schlampig gekleidet und wirkt auch sonst nicht sonderlich auffällig. Das Shirt, das sie trägt, ist verwaschen und mit dem Totenkopfaufdruck würde ich dieses eher bei einem Teenager erwarten. Trotzdem hat die Frau etwas Besonderes an sich, das ich nur schwer beschreiben kann.

Sie räuspert sich, denn Arno, also Agnetas Mann, hat seine Vorstellung beendet.

»Hallo, ich bin Lova, dreiunddreißig, und meine Mutter dachte wohl, ich hätte an einem Kochkurs Freude. Sie hat mich einfach angemeldet und ihn mir zum Geburtstag geschenkt.«

Interessiert haftet mein Blick auf ihr. Lova ist kein gewöhnlicher Name, deswegen habe ich auch das Gefühl, ihn schon einmal gehört zu haben, komme aber nicht darauf in welchem Zusammenhang. Die Leiterin bedankt sich auch bei ihr und so geht es weiter, bis sich alle vorgestellt haben.

Dann erhalten wir noch eine kurze, allgemeine Anweisung, bevor wir zum praktischen Teil kommen. Das Menü beziehungsweise das Thema des heutigen Abends hört sich schon sehr spannend an. Adventure of Africa. Da es insgesamt fünf Kurseinheiten geben wird, werden wir eine fantastische kulinarische Weltreise antreten. Es wird also essenstechnisch alles andere als langweilig. Die anderen Kursteilnehmer wirken alle unkompliziert und scheinen nicht mit einem Stock im Hintern hierhergekommen zu sein. Es könnte also Spaß machen.

Unsere Leiterin, die Fria heißt, zeigt auf diese Lova und mich. »Könnt ihr kurz mitkommen, ich bräuchte Hilfe mit den Zutaten.« Ich folge ihr in den Kühlraum und auch die braunhaarige Frau tritt ein. Fria drückt jedem von uns eine gefüllte Klappbox in die Hand und folgt uns ebenfalls mit einer weiteren Kiste. Als wir wieder bei den anderen sind, und sie die ihre abgestellt hat, klatscht sie auffordernd in die Hände.

»So, jetzt dürft ihr euch einen Partner aussuchen und zusammen euer Menü kochen. Die Rezepte befinden sich an den Halterungen neben dem Herd. Bei Fragen oder Problemen einfach bei mir melden. Ich werde immer zwischen den Gruppen pendeln, um euch Tipps und Ratschläge zu geben. Viel Spaß bei einer kulinarischen Exkursion durch Afrika.«

Umgehend entsteht Stimmengewirr. Lova steht unverändert an der Box und sieht sich unsicher um. Ihre Augen haben etwas Faszinierendes, denn sie hat smaragdfarbene Akzente in dem hellen Braun ihrer Iriden. Erste Paarungen finden sich zusammen, weswegen ich schnell und intuitiv reagiere.

»Hast du Lust mit mir ein Team zu bilden oder möchtest du lieber mit einer Frau kochen?«

Ihr Kopf dreht sich mit einer überraschten Mimik zu mir. »Ähm, Dante, richtig?«

Ich nicke.

Sie wirft einen flüchtigen Blick zu den anderen. »Ja, warum nicht. Außerdem scheint es so, als haben sich bereits alle Pärchen gefunden«, antwortet sie, jedoch ohne sonderliche Begeisterung in ihrer sonst angenehmen Stimme.

»Du musst nicht, ich kann mich auch mit Agneta zusammentun, dann könntest du Arno haben. Vielleicht bringt das ein wenig Pep in deren Ehe.« Ich grinse sie herausfordernd an.

Sie scheint meinen kleinen Scherz nicht verstanden zu haben, denn sie wedelt nur abwehrend mit den Händen. »Nein, schon gut, lass uns zusammen kochen.«

Wir begeben uns zu den Rezepten und studieren eine Weile die Zutatenliste sowie die Zubereitung in Stillschweigen.

»Wie wollen wir es aufteilen?«, erkundige ich mich bei ihr.

»Für diesen Eintopf, sollten wir zuerst das Fleisch und sämtliches Gemüse schneiden. Oder was denkst du?«

»Sehe ich genauso.«

»Fria, wo finden wir nachher die speziellen Gewürze wie Bockshornklee, Kardamom und Kreuzkümmel?«

»Die Gewürze, die wir nur für die heutigen Gerichte benötigen sind in eurer Box und die gewöhnlichen wie Salz, Pfeffer, Paprika und dergleichen findet ihr hier an der Seite im Gewürzschrank. Haben das auch die anderen Gruppen gehört?«

Einige zustimmende Laute sind zu hören.

In einträchtigem Schweigen beginnen Lova und ich mit der Vorbereitung. Mit jeder Minute, die vergeht, revidiere ich meine zuvor gefasste Meinung. Spaßig geht anders. Aus den anderen Teams höre ich Unterhaltungen und sogar gelegentliches Lachen. Ich hätte wohl doch Agneta als Partnerin nehmen sollen. Offenbar trifft das Motto, je oller, desto doller, tatsächlich bei ihr zu, positiv gemeint natürlich.

Ich versuche es mit einem lockeren Gespräch bei meiner Kochpartnerin. »Du hast also diesen tollen Kurs als Geburtstagsgeschenk bekommen?«

Sie sieht zu mir herüber, während sie die Paprika in Streifen schneidet und seufzt dann leise. »Ja, meine Mutter war scheinbar der Meinung, dass ich zu selten unter Leute komme.«

»Also liegt es nicht an deinen Kochkünsten?«

»Vermutlich nicht«, antwortet sie und schickt ein zögerliches Lächeln hinterher. Na also, es geht doch!

Schmunzelnd schneide ich das Rindfleisch in kleine Würfel.

»Und was ist mit dir? Kannst du kochen?«, fragt sie und nickt auf mein Schneidebrett, auf dem ich gekonnt das Fleisch zerteile.

»Ja, doch. Leider bin ich in letzter Zeit echt ideenlos und brauche neuen Input«, erkläre ich. »Ich koche gern, auch wenn ich meistens allein esse.«

Sie sieht mich forschend an und greift sich eine Zwiebel, die sie zu schälen beginnt.

»Du bist also nicht verheiratet, oder so?«

»Nein, bin ich nicht. Ich weiß auch gar nicht, ob das etwas für mich wäre. Man kann doch auch mit jemandem glücklich sein, ohne dieses Stück Papier, das zwei Personen der Form halber unterschreiben.«

Sie hält kurz in ihrer Bewegung inne und sieht mich nachdenklich an. »Da hast du wohl recht. Genauso ist es kein Garant, dass man glücklicher ist, wenn man dies Stück Papier unterzeichnet hat.« Sie zuckt mit den Schultern.

Mit mehr unverfänglichem Small Talk setzen wir die Zubereitung fort. Gemeinschaftlich braten wir das Fleisch an, und als wir die exotischen Gewürze in den Topf zu den Zutaten geben, breitet sich ein Hauch von Afrika direkt vor uns aus. Gemüse und Flüssigkeit sind schnell ergänzt, jetzt heißt es nur noch, köcheln lassen, bis die Fleischwürfel zart sind.

In der Zwischenzeit bereiten wir noch den Beilagendip zu, der aus saurer Sahne und verschiedenen Kräutern und Gewürzen besteht. Fria hat uns zuvor erklärt, dass man diesen zu dem Eintopf reichen kann. Außerdem müssen wir noch den Teig für ein Fladenbrot kneten und diesen in einer Pfanne backen. Inzwischen gehen uns die Handgriffe leichter von der Hand und wir ergänzen uns gut. Lova kann ich mit meiner lustigen Art ein wenig aus ihrem humorlosen Schneckenhaus locken. Wenn sie lacht, sieht sie gleich viel hübscher aus. Es ist schade, dass sie sich gehen lässt, denn sie ist sehr schlank und hat sicher eine tolle Figur unter diesem Schlabberlook. Selbst ohne Schminke, oder gerade deswegen, kommen ihre wundervollen Augen gut zum Vorschein. Auch wenn man zweimal hinsehen muss, um das zu erkennen. Sie haben einen warmen Braunton, der sich mit einem intensiven Grün vermischt und ihrem Blick dadurch etwas Katzenhaftes verleiht.

Das Gefühl sie zu kennen, verlässt mich die ganze Zeit nicht, wird sogar noch stärker, je länger wir zusammen kochen und plaudern.

Nach einer Stunde und mehreren kurzen Stippvisiten von Fria, ist unser Essen fertig. Ich glaube, es ist uns gut gelungen, und ich freue mich auf das Probieren von allen Speisen. Der Plan ist, mit allen Gerichten eine Art Buffet zu erstellen. Jeder probiert von allem. Die Rezepte werden uns in einer Mappe mitgegeben und nach jeder Kurseinheit ergänzt.

»Es sieht alles so köstlich aus«, sagt Lova, als sie sich neben mich stellt und auf die Speisen der anderen Teams blickt. »Was wirst du als Erstes kosten?«

Ich tippe mir mit dem Zeigefinger ans Kinn und schaue noch einmal über sämtliche Gerichte. »Ich denke, ich beginne mit dem, was wir gezaubert haben. Und du?«

»Das hatte ich auch vor und gleich danach probiere ich dieses.« Sie zeigt auf die Auflaufform, in der sich Hackfleisch befindet, das in Mangosoße gebacken wurde und aromatisch-fruchtig und intensiv-würzig duftet.

Der Abend geht mit anregenden Gesprächen, ungezwungenem Lachen und köstlichem Essen zu Ende. Leider viel schneller als ich es mir gewünscht habe. Es hat sich noch zu einer lustigen Runde entwickelt und auch meine Kochpartnerin kam ein wenig aus sich heraus. Sie scheint die anfängliche Schüchternheit und Zurückhaltung überwunden zu haben, was mich für sie freut.

***

Spät abends liege ich in meinem Bett und lasse den Tag Revue passieren. Auch wenn ich jetzt müde bin, war meine Joggingrunde in der Dämmerung ausgesprochen gut.

Beim Laufen bekomme ich den Kopf frei und ich liebe es, am Ufer des Göta entlangzulaufen. Überhaupt liebe ich Göteborg und die gesamte Provinz Västra Götalands län. Der niederländische Stil der Stadt und die grünen Alleen sind einmalig. Die aufgeschlossene Art der Bewohner ist toll und es gibt immer wieder Neues zu entdecken. Die Luft am Fluss ist klar und schmeckt bereits salzig. Manchmal laufe ich sogar bis zur Küste, denn die Fernsicht ist schlichtweg die Beste. Die vielen vorgelagerten Inseln mit den Windkrafträdern sind sowohl von Weitem als auch von Nahem ein toller Anblick.

Trotz des intensiven Sports beschäftigen sich meine Gedanken erstaunlich viel mit dieser Lova, bei der ich es für höchstwahrscheinlich halte, sie zu kennen oder ihr zumindest einmal begegnet zu sein. Mein Personengedächtnis ist in der Regel sehr gut, aber bei ihr habe ich nach wie vor keine Ahnung bei welcher Gelegenheit wir uns begegnet sein könnten. Aber warum erinnert sie sich nicht? Zumindest hat sie nichts gesagt. Hätte ich sie fragen sollen? Vielleicht hätte sie Licht ins Dunkel bringen können.

Morgen bei der Arbeit muss ich fit sein und sollte endlich schlafen. Die Verantwortung ist groß und ich nehme sie sehr ernst. Schließlich hängt mein Leben und eine Menge Geld davon ab.

Für Übermorgen nehme ich mir direkt die nächste Sporteinheit vor. Sobald ich eine Weile keinen Sport mache, werde ich nervös. Ich brauche ihn als Ausgleich, als Ventil. Entweder das, oder das andere. Aber da mir dazu jemand Entscheidendes fehlt, bleibt mir nur der Sport.

Ohne die körperliche Fitness könnte ich meinen Beruf nicht vernünftig ausüben. Das Training ist sowohl notwendig als auch zum Vergnügen. Zusätzlich zu dem Fitnesscoaching, das uns mein Arbeitgeber ermöglicht, betreibe ich diverse Sportarten. Ein Urlaub am Strand ist schön, aber ich brauche auch Abwechslung und Abenteuer. Und diese kombiniere ich gern mit meinem Erholungsurlaub.

Jedoch eine Frau, die das mitmacht, ist schwierig zu finden. Das ist wohl auch einer der Gründe, weswegen ich aktuell wieder Single bin.

Nachdem ich noch ein wenig auf den sozialen Netzwerken unterwegs gewesen bin, lege ich mein Handy beiseite und gebe dem Bedürfnis nach Schlaf nach.

 

Lova

Am Morgen werde ich, wie meistens, durch meinen Golden Retriever Rüden Jack geweckt. Ich kraule seinen Kopf und blicke in seine Knopfaugen. Meine Gedanken wandern, genau wie gestern Abend, zu dem Kochkurs. Bereits während des Kochens habe ich mich immer wieder gefragt, woher ich diesen Dante kennen könnte. Aber ich erinnere mich an nichts, was mich mit ihm verbindet. Der einzige Hinweis ist, dass wir im gleichen Alter sind, was mir aber nicht wirklich weiterhilft. Ob er ein Bekannter meines Mannes ist? Ein Kunde?

Nachdem ich meine Tochter im Bad höre, stehe ich schließlich auf. Müde tappe ich in die Küche und schalte als Erstes die Kaffeemaschine ein. Jack ist mir gefolgt und wartet darauf, dass wir uns die Beine bei einer schnellen Morgenrunde vertreten und er sein Geschäft erledigen kann. Zunächst setze ich mich jedoch mit einer dampfenden Tasse an den Tisch.

Svea kommt fertig gestylt in die Küche, und ich muss mir eine spitze Bemerkung verkneifen. Sie kratzt hart an der Grenze zu overdressed. Es ist nicht so, dass ich ihren Aufzug nicht verstehen könnte, denn ich war damals genauso wie sie. Allerdings hat mich das Leben eines Besseren belehrt. Das habe ich ihr bereits unzählige Male erklärt, aber so richtig verstanden hat sie es bislang nicht. Vielleicht muss sie die Lektion auch auf die harte Tour lernen. Sie ist jetzt fünfzehn, also nur wenig jünger, als ich es war. Damals, als ich angetrunken und aufgetakelt auf einer Party Mats über den Weg gelaufen bin. Leicht unzurechnungsfähig hatten wir Sex in dem Auto seines Kumpels und das Ergebnis, dieses kurzen, fragwürdigen Vergnügens sitzt nun mir gegenüber am Frühstückstisch. Zweifelsfrei liebe ich sie, aber die Umstände hätten besser sein können. Frühe Schwangerschaft, schmerzvolle Geburt, Heirat und Hauskauf. Nun bin ich dreiunddreißig und hocke zu Hause im Gammellook herum. Mats ist bereits aus dem Haus und wird wohl auch nicht zum Abendessen nach Hause kommen. Kurzum: Mein Leben ist nicht besonders aufregend.

Der Kochkurs, auch wenn ich zunächst keine große Lust dazu hatte, bringt etwas Abwechslung in mein Leben. Und dieser Dante, der beschäftigt seit gestern ständig meine Gedanken. Er erinnert mich an jemanden, dass Gefühl werde ich nicht los, egal was ich mache.

Als meine Tochter das Haus verlassen hat, um zur Schule zu gehen, laufe ich mit dem verbliebenen Familienmitglied die obligatorische Morgenrunde. Als wir wieder zu Hause sind, bekommt er sein sehnlich erwartetes Frühstück und ich mache mir einen weiteren Kaffee. Dabei überlege ich, was ich nachher bei meinem Wocheneinkauf besorgen soll.

Am späten Vormittag fahre ich zum Supermarkt und kaufe alles Wichtige, um eine weitere Woche nicht zu verhungern. Am Nachmittag wird Svea nach Hause kommen und nachdem sie ihre Hausaufgaben erledigt hat, sich wie meistens mit ihren Freundinnen treffen. Seit einiger Zeit sind auch Jungs dabei. Ich hoffe sehr, dass sie vernünftig ist, befürchte aber genau das Gegenteil. Leider erinnert sie mich allzu oft an mich selbst in dem Alter. Ohne nennenswerte Vorkommnisse geht dieser Tag zu Ende und als mein Mann verdammt spät heimkommt, liege ich bereits auf dem Sofa und schaue fern. Allerdings achte ich nicht auf das Programm, denn ich lese lieber nebenbei in einem Buch.

Ich mag es, mit den Geschichten in andere Welten abzutauchen, Abenteuer und Dramen zu erleben. Am meisten liebe ich Geschichten mit einem Happy End, dazwischen sinnliche Momente und Spannung. Die Gewissheit, dass am Ende alles gut wird für die Protagonisten, ist etwas Schönes.

Die Zeiten, in denen ich aufgesprungen und Mats in die Arme gefallen bin, sind, wenn sie einmal vorhanden waren, lange vorbei. Eigentlich leben wir nur noch nebeneinander her. Wir sehen uns zu oft, um uns zu trennen und zu selten, um uns zu lieben oder eine echte Ehe zu führen. Vielleicht hält uns nur noch unsere Tochter zusammen. Bis vor etwa drei oder vier Jahren war es anders, doch irgendetwas hat sich seither verändert. Irgendwann hat er einfach aufgehört mich zu sehen. Mich und das, was ich bis dahin für diese Beziehung getan habe. Der Sex, den wir hin und wieder haben, läuft auch nur nach dem Standardprogramm ab und sorgt meist nur auf einer Seite für Befriedigung.

»Hallo«, murmelt Mats und prüft, ob Essen für ihn bereitsteht. Ich höre, wie er die Mikrowelle einschaltet, Hände wäscht und dann um die Ecke schaut. Sein Blick ist nur oberflächlich, bewusst angesehen hat er mich lange nicht mehr. Mats sieht müde aus, denn seine Tage sind lang und er steht andauernd unter Strom. Wenigstens verdient er genügend Geld, um uns ein gutes Leben zu ermöglichen.

Mein Halbtagsjob bringt ein wenig Abwechslung in mein Leben. Ich arbeite nachmittags für ein paar Stunden die Woche in einem kleinen Buchladen. Ich packe die neu gelieferte Ware aus oder sortiere Bücher ein. Noch mehr liebe ich es, die Verkaufsflächen neu zu gestalten, Kärtchen zu gelesenen Büchern zu schreiben und sie so zu bewerben; oder mich mit Kunden über die Neuerscheinungen oder deren Empfehlungen zu unterhalten.

Und obwohl ich einiges erlebt habe, überkommt mich oft das Gefühl, nicht richtig gelebt zu haben. Dabei kann ich nicht definieren, was genau ich verpasst habe. Eine Teenagerschwangerschaft stellen sich viele schwierig vor, in Wirklichkeit ist es noch viel kraftraubender, als jegliche Vorstellung. Dennoch möchte ich mein Kind nicht missen, aber die Umstände in den ersten Jahren hätten definitiv angenehmer sein können.

Ich lege mein Buch auf die Seite und sehe zu Mats hinüber. Er setzt sich gerade an den Esstisch und beginnt das aufgewärmte Abendessen zu verspeisen.

»Schmeckts dir?«, frage ich.

Überrascht sieht er auf und nickt dann. »Is’ gut! Hab den ganzen Tag nichts Richtiges gegessen.«

»Dann guten Appetit.«

Er brummt und schaufelt gierig die Köttbullar mit Reis in seinen Mund.

Als er nach dem Essen zu mir aufs Sofa kommt und ständig meinen Hintern begrapscht, weiß ich, dass er heute mal wieder Lust auf Sex hat.

»Gehst du mit mir duschen? Ich bin total verschwitzt«, murmelt er und fährt mit einer Hand unter meinen Pulli. Ich habe es vor Langem aufgegeben, ihn anzumachen. Zu oft wurde ich abgewiesen. Im Endeffekt hatten wir nur Sex, wenn er es wollte.

Als ich nicht antworte, steht er auf, nimmt mir das Buch aus der Hand und zieht mich auf die Füße.

»Jetzt kommt schon!«, fordert er mich auf und grinst mich an. »Ich hatte heute viel Stress. Ich werde dafür sorgen, dass wir beide entspannt sind.«

***

Das Wasser der Dusche prasselt auf meinen Rücken, während ich mit dem Gesicht zur Wand stehe, mich an dieser abstütze und Mats geräuschvoll in mich stößt. Es ist nicht schlecht, aber richtig geil, ist etwas anderes. Wenigstens hat er sich die Mühe eines kurzen Vorspiels gemacht. Auch jetzt finden seine Finger meinen Nippel und zwirbeln ihn, während eine Hand zu meiner Perle gleitet. Gerade als die Lust anfängt, sich warm in mir auszubreiten, stöhnt Mats hinter mir laut auf und spritzt ab. Ich stöhne auch, leider frustriert in diesen Moment. Nur Sekunden später trennt er unsere Verbindung.

Er gibt mir einen flüchtigen Kuss, wäscht sich eilig und verpasst mir anschließend einen Schlag auf den Hintern. Und schon verschwindet er aus der Dusche, ohne ein weiteres Wort.

Als er endlich das Badezimmer verlassen hat, wasche ich mich gründlich. Ich weiß nicht warum, aber ich fühle mich dreckig. Und das nicht auf die positive Art. Leider ist das meistens so. Nachdem wir miteinander geschlafen haben, manchmal fickt er mich auch nur triebgesteuert, fühle ich mich benutzt, fast ausgebeutet. Allzu oft ist das Vergnügen einseitig, aber nach wie vor habe ich die Hoffnung, dass er sich beim nächsten Mal besser um meine Belange kümmert. Ich weiß nicht warum, aber in den letzten Jahren scheint es ihm immer bedeutungsloser geworden zu sein, dass ich nicht zum Höhepunkt komme. Früher hat er sich mehr Mühe gegeben. Manchmal werde ich den Verdacht nicht los, dass ich nur noch dazu da bin, dass er seinen Frust an mir abbaut. Lieblos und egoistisch ist der Sex und das nicht erst seit gestern. So wie eben sehen wir uns dabei oft nicht mal mehr an. Aber selbst in Stellungen, in denen es anders ist, schließt er die Augen und stößt oft nur hart und ungehalten in mich. Ohne Gefühle. Ohne Liebe.

Später im Bett, Mats schläft bereits selig, denke ich erneut an früher. Gekuschelt haben wir schon ewig nicht mehr. Es fehlt mir Nähe und Zuneigung. Dennoch nehme ich jedes Häppchen, das er mir gibt. Mir ist bewusst, wie armselig und traurig das alles ist und dennoch kann ich ihm nicht meine Meinung sagen.

Ich greife mein Handy und lenke mich ab. Frustriert scrolle ich durch einige Accounts von meinen Freunden und stalke diese ein wenig; es lenkt mich ab.

Mit einem Schlag trifft mich die Erkenntnis. Völlig unvermittelt fällt es mir ein: Dante Månsson. Dieser sechzehnjährige, pummelige Wuschelkopf, den alle gehänselt haben – mich eingeschlossen. Kurz wird mir schlecht bei der Erinnerung. Ob er es weiß? Aber er hat nicht so gewirkt, als wüsste er etwas, war völlig entspannt und vor allem nett zu mir. Ich spüre, wie mir bei der bloßen Vorstellung von ihm die Hitze in die Wangen schießt. Unruhig rutsche ich im Bett herum und weiß nicht, was ich diesem Wissen anfangen soll. Mats regt sich neben mir, weswegen ich fast vollständig unter die Bettdecke abtauche. Mühsam schaffe ich es, meine Gedanken zu beruhigen. Schon im nächsten Moment tippe ich seinen Namen ins Handy. Ich werde fündig und blättere eifrig durch seine Bilder. Mit jedem werden meine Augen größer, bis ich schließlich ein völliges Nervenwrack bin.

Bei dem Bild, das ihn von hinten in einer Badehose zeigt, habe ich Herzrasen. Dieser Rücken macht mich fix und fertig. Wie kann sich jemand so sehr verändern, so unglaublich gut aussehen?

Von seinen Speckröllchen ist nichts mehr zu sehen, dafür wölben sich andere Dinge an ihm. Ein breiter, stark definierter Rücken mit ausgeprägten Muskelsträngen.

Das Nächste in der Serie ernüchtert mich.

Es zeigt ihn in den Armen einer blonden Frau, offenbar an der gleichen Stelle wie das vorherige Badehosenbild. Natürlich ist er vergeben, wie soll es bei so einem Mann auch anders sein?

Nachdem ich mir sein gesamtes Profil angesehen und mir jedes Foto von ihm eingeprägt habe, lege ich mein Handy weg.

Wie soll ich jetzt noch einschlafen?

***

Am nächsten Tag im Buchladen kann ich mich kaum konzentrieren. Auf der einen Seite bin ich übermüdet, mein Schlaf war so kurz und unruhig, wie seit Langem nicht mehr. Und auf der anderen Seite sind meine Gedanken mit etwas, oder besser gesagt mit jemandem, beschäftigt. Ständig denke ich an Dante und was ich ihm zu Schulzeiten angetan habe. Und je länger ich grüble, desto mehr Details fallen mir ein, für die ich mich schäme.

Als ich eine kurze Kaffeepause mache, schnappe ich mir mein Handy und schreibe ihn kurzentschlossen an. Ich werde ihn nächste Woche wiedersehen und will mich entschuldigen. Aber was ist, wenn er sich überhaupt nicht erinnert? Schlafenden Hunde soll man bekanntlich nicht wecken.

So ein Quatsch! Solche Gemeinheiten kann man nicht vergessen, da bin ich mir sicher. Ich klicke also sein Profil an und dann auf das Symbol für Privatnachrichten.

Lova: Hallo Dante, ich weiß nicht, ob du dich erinnerst, aber wir kennen uns von der Schule. Weißt du, wer ich bin? Liebe Grüße

Am liebsten wäre es mir, wenn er den Text sofort lesen und antworten würde, aber gleichzeitig habe ich Angst vor seiner Reaktion.

Ich erinnere mich an eine Situation von damals. Mein Gedächtnis sagt mir, es war eine der ersten Begegnungen mit Dante, wenn nicht sogar die Erste überhaupt.

 

Er sitzt allein im Pausenhof, während die meisten in Gruppen zusammenstehen, sich unterhalten oder sogar heimlich rauchen. Er schreibt irgendetwas auf, kritzelt immer wieder in einen Block hinein. Meine Freundinnen und ich machen uns aus der Ferne über ihn lustig, denn er sieht aus, wie ein schwarzhaariger Pudel, mit dem lockigen, dunklen Haar. Seine Figur ist stämmig und er ist nicht besonders groß.

Eine meiner Freundinnen hat dann die glorreiche Idee, ihn anzuquatschen, was sie auch tut. Wir folgen ihr, bleiben aber mit etwas Abstand stehen. Sie unterhält sich mit ihm und deutet mehrfach auf den Block. Verlegen klappt er ihn zu und legt ihn auf die andere Seite. Ohne zu überlegen, nähere ich mich, nehme ihn und werfe einen Blick hinein. Neben komisch klingenden Namen befinden sich dort auch Zeichnungen von Fantasiewesen. Eine Überschrift verkündet etwas von Rollenspielideen und Charakteren. ›Ein durchgeknallter Fantasynerd‹, denke ich mir und fange an zu lachen. Für jedermann hörbar verkünde ich auf dem Pausenhof die Namen seiner ausgedachten Figuren. Inzwischen haben sich ein paar Schaulustige um uns herum versammelt und gackern bei jedem genannten Namen.

Dante ist inzwischen aufgestanden und nähert sich mir mit einem hochroten Kopf, um mir den Block abzunehmen. Da er kaum größer ist als ich, schafft er es nicht sofort. Meine Freundinnen verarschen ihn nebenbei verbal. Ich behaupte, dass er in eine seiner, wohlgemerkt viel zu sexy gezeichneten Figuren, verknallt ist und sich bei der Vorstellung, wie sie für ihn strippt, einen runterholt. Nach wenigen Augenblicken schafft er es, mir den Block abzunehmen und brüllt uns an, dass wir ihn in Ruhe lassen sollen. Danach stampft er davon. Wir lachen noch Minuten später über ihn.

 

Das war aber nicht das einzige Mal, denn ab da wurde er mindestens einmal die Woche von uns heimgesucht und aufs Übelste provoziert und verarscht.

Bei diesen Erinnerungen schäme ich mich jetzt so sehr, dass ich es nie in Worte fassen könnte.

Durch das Hereintreten einer Frau, die zu meiner Lieblingskundschaft zählt, gelingt es mir endlich, nicht mehr darüber nachzudenken. Der restliche Nachmittag fliegt, dank vieler Kunden, nur so an mir vorbei. Für den Abend habe ich mir vorgenommen, eines der neu erlernten afrikanischen Gerichte zu kochen. Die ersten Rezepte haben wir bereits in der Mappe mit nach Hause bekommen. Ich freue mich darauf und hoffe, dass ich es gut hinbekomme. Zu Hause angekommen, beginne ich direkt mit den Vorbereitungen. Ich höre, dass Svea mit einer Freundin in ihrem Zimmer ist und gehe nach einer Weile nach oben.

Nachdem ich angeklopft habe und hereingebeten wurde, verkünde ich ihnen den Essensplan für den Abend und lade ihre Freundin auch ein. Beide reagieren mit dieser typisch teenagermäßigen Begeisterung: Schulterzucken und genervter Gesichtsausdruck.

Mats kommt erstaunlicherweise genau dann nach Hause, als das Essen fertig ist. Nach mehrmaligem Rufen kommt meine Tochter mit ihrer Freundin an den Tisch, an dem Mats bereits sitzt und auf seinem Handy herumtippt. Als ich mit der Auflaufform an den Tisch komme, recken alle interessiert die Köpfe und schnuppern. Skeptische Blicke treffen mich, was ich nicht nachvollziehen kann. Ich fand dieses Hackfleisch in Mangosoße einfach köstlich und hoffe, es schmeckt ihnen auch. Da es Dante und auch die anderen Kursteilnehmer ebenfalls sehr gelobt haben, gehe ich davon aus, dass es ein Gericht ist, das allgemein guten Anklang finden wird.

Nachdem ich jeden Teller bestückt habe, beginnen alle zu essen.

»Was ist das denn für eine seltsame Zusammenstellung?«, beschwert Svea sich und auch ihre Freundin kaut argwöhnisch, sagt aber nichts. Als Mats dann auch anfängt zu meckern, platzt mir, untypisch für mich, der Kragen. Mit Schwung schiebe ich den Stuhl zurück und stehe auf.

»Kann man euch jemals etwas recht machen?«, stoße ich aufgebracht aus, nehme meinen Teller und verlasse den Essbereich. Sauer und enttäuscht setze ich mich allein an den kleinen Küchentisch. Obwohl ich damit gerechnet habe, dass mir keiner folgt, um sich nach mir zu erkundigen, verletzt es mich trotzdem. Frustriert esse ich allein zu Ende, lasse die Küche so wie sie ist und schnappe mir mein Buch und Jacks Leine.

Noch immer aufgebracht verlasse ich mit meinem Hund das Haus und steuere auf den naheliegenden Park zu. Jack springt in unmittelbarer Nähe herum, spielt mit allem, was er findet. Mit Wut im Bauch setze ich mich hin, beginne zu lesen und versuche mich zu beruhigen. Ich hoffe, die Geschichte kann mich ablenken. Natürlich ist Lesen nicht die Lösung, aber in solchen Momenten, in denen ich nicht weiß, warum ich mir überhaupt die Mühe mache, hilft es mir.

Es ist nicht nur wegen des Essens, es geht um vieles mehr. Das gerade war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Langsam, aber sicher habe ich die Schnauze voll von diesem Theater.

Das Gefühl von Vertrautheit oder Liebe fehlt mittlerweile vollkommen zwischen Mats und mir. Manchmal weiß ich nicht, was er in mir sieht: Seine Köchin, seine Putzfrau, seine Prostituierte oder doch nur noch die Mutter seiner Tochter? Es ist unglaublich frustrierend. Klappen liebevolle Beziehungen nur in Büchern?

Erst als es zu kalt ist, um in der dünnen Jacke draußen zu sitzen, gehe ich heim. In der Küche sieht es noch so aus, wie ich sie verlassen habe. Lediglich ihr eigenes Geschirr haben sie weggeräumt. Warum bin ich noch mal heimgekommen?

***

Meine Tochter scheint in ihrem Zimmer zu sein, Mats ist fort. Wohin weiß ich nicht – es ist mir aber ehrlich gesagt auch egal. Mein Handy liegt unverändert in der Ecke der Küchenzeile und ein kleines blinkendes Licht verrät mir, dass eine Nachricht auf mich wartet.

Ich öffne sie und augenblicklich wird mir flau im Magen. Sie ist von Dante Månsson. Schnell setze ich mich und tippe die Nachricht an. Es lädt ewig, zumindest kommt es mir so vor. Als sich endlich der Text öffnet, schließe ich die Augen. Ich traue mich nicht, die Worte zu lesen. Warum habe ich jetzt nur so eine Angst vor seiner Antwort?

Nachdem ich mich gesammelt habe, luge ich vorsichtig auf das Display.

Dante: Liebe Lova, erst wusste ich nicht, woher ich dich kenne. Dein Hinweis hat mir aber auf die Sprünge geholfen. Lange ist es her ... Gruß

Diese Worte, diese genialen und vermutlich wohlüberlegten, neutralen Worte. Ich weiß nun so viel wie vorher, also im Grunde nichts. Warum konnte er nicht einfach schreiben: Ich weiß, wer du bist, du blöde Kuh. Oder: Ich erinnere mich, lass mich in Ruhe.

Ich überlege, ob ich antworten oder auf die kommende Woche warten soll. Vor lauter Unruhe schenke ich mir ein Glas Wein ein und trinke dieses viel zu schnell. Da ich nicht weiß, was ich erwidern soll, lasse ich es. Zweimal habe ich einen Text eingetippt, aber nach erneutem Lesen wieder gelöscht. Egal wie ich es formuliert habe, alles hörte sich billig und dumm an.

Müde, beschwipst und mit leichten Kopfschmerzen gehe ich kurz vor Mitternacht ins Bett. Mats ist immer noch nicht da.

Ich habe bereits fest geschlafen, als Mats nicht gerade leise nach Hause kommt. Erst als er ins Schlafzimmer eintritt, beginnt er zu schleichen. Dachte er tatsächlich, ich wäre noch wach?

Ihn umhüllt ein merkwürdiger Duft, der zu mir dringt, als er sich neben dem Bett stehend auszieht. Ich kann ihn nicht klassifizieren, aber es spielt keine Rolle. Sicher war er etwas trinken oder bei einem Freund. Vielleicht auch beides oder aber etwas gänzlich anderes. Nachdem er noch ins Bad gegangen ist, kommt er ins Bett und ich schlafe wieder ein.

 

Dante

Seit vergangener Woche geht mir diese Nachricht nicht mehr aus dem Kopf. Sie hat nicht geantwortet. Aus Angst oder Gleichgültigkeit? Absichtlich habe ich die Mitteilung vage formuliert und ihr dadurch keinen Hinweis auf meine Erinnerung gegeben. Nach wie vor bin ich entsetzt, was aus diesem rücksichtslosen It-Girl geworden ist.

Angenommen habe ich, dass sie nach wie vor gestylt bis zum kleinen Zeh ist. Vielleicht das Anhängsel eines erfolgreichen Geschäftsmannes, der vor Geld und Macht nur so strotzt, aber das genaue Gegenteil ist der Fall.

Im nächsten Moment kommt mir der Gedanke, dass sie mich ebenfalls anders in Erinnerung hat; und ich ein anderes Bild als damals abgebe. Hin und wieder treffe ich damalige Schulkameraden und erkenne sie alle ausnahmslos wieder, nur bei ihr war das nicht der Fall. Die mir entgegengebrachten Reaktionen schwanken von völliger Verblüffung bis zu erfreutem Respekt. Aber diese Art von Anerkennung brauche ich nicht. Inzwischen bin ich der, der ich bin und habe mein Leben voll im Griff.

Trotz all der Veränderungen in meinem Dasein kann ich die Ereignisse meiner Jugend nicht vollkommen abschütteln. In ruhigen Momenten, wie jetzt, höre ich ihre gehässigen Worte im Kopf:

»Fetti, sei froh, wenn du überhaupt mal eine Frau abbekommst.«

»Wenn nicht, zeichnest du dir eine.«

»Lebe ruhig weiter in deiner Fantasiewelt, denn dort kannst du alles machen. Ganz im Gegensatz zur realen Welt.«

Ich konzentriere mich wieder auf die Gegenwart, als der Wind auffrischt und mir das Haar in die Stirn weht. Langsam lasse ich meinen Blick über die Landschaft gleiten. In rund einhundertvierzig Metern Höhe ist die Sicht uneingeschränkt, die Luft klar und ich fühle mich frei.

Aus einiger Entfernung kommt eine Wolkenfront näher, was mich veranlasst, mein Diensthandy zu checken. In diesem Moment empfange ich eine Meldung. Es ist eine Wetterwarnung, die sagt, dass ich bald absteigen muss. Aber ich bin ohnehin fertig, lediglich die Nachkontrolle ist noch zu erledigen. Die Reparatur war leicht, dennoch gilt auch hier die Pflicht, alles sorgfältig zu kontrollieren. Als ich kurz darauf fertig bin, klettere ich abwärts.

Am Boden, im Dienstwagen erledige ich alle Formalitäten und schicke den Bericht an den Betreiber. Es wird nicht lange dauern, dann wird das Windkraftrad wieder seinen Dienst tun. Als ich in die Zentrale fahre, beginnt es zu tröpfeln. In der nächsten Zeit ist Regenwetter angesagt, deswegen wird mehr Büroarbeit an der Tagesordnung stehen. Aber da mein Job teilweise vom Wetter abhängig ist, kann ich nichts anderes tun. Allerdings sehe ich es als willkommene Abwechslung. Die Aufgabenliste für die weiteren Tage ist bereits vorhanden und sobald es das Wetter erneut zulässt, bin ich wieder auf allem, was es zu besteigen und reparieren gibt.

Nach einem Männerabend mit meinem Freund Viggo komme ich in mein Haus zurück. Kaum allein daheim erinnere ich mich an Lova. Morgen werde ich sie wiedersehen und ich bin mehr als gespannt, wie das Aufeinandertreffen sein wird.

Das fehlende Selbstbewusstsein von früher habe ich kompensiert, es hat viel Arbeit gekostet. Sie hingegen scheint einiges von ihrem Selbstvertrauen eingebüßt zu haben. Werde ich es genießen, zu sehen, wie peinlich berührt sie ist und um Worte kämpft? Höchstwahrscheinlich.

Die Neigung, Macht auszuüben, kann ich nur schwer unterdrücken. Viel zu sehr genieße ich es, sie auszuleben. Natürlich immer drauf bedacht, keinen Schaden anzurichten. Denn der Verantwortung in diesem speziellen Bereich bin ich mir sehr wohl bewusst. Bevor meine Gedanken eine fragwürdige Richtung einschlagen, nehme ich mein Smartphone zur Hand und durchforste das Internet nach Routen für den gemeinsamen Abenteuerurlaub mit meinem besten Freund Viggo.

***

Nach einem entspannten Arbeitstag im Büro befinde ich mich auf dem Weg zum Kochkurs. Leichtes Kribbeln spüre ich im Bauch und verfluche die Vorfreude, jemand Bestimmten sehr bald in Verlegenheit zu bringen.

Ich betrete die Küche und sehe mich um. Sofort macht sich Enttäuschung bei mir bemerkbar, denn Lova ist weit und breit nicht zu sehen. Wird sie etwa kneifen? Sollte das der Fall sein, kann sie sich auf eine gepfefferte Nachricht gefasst machen.

Mit weniger guter Laune als sonst begrüße ich die anderen Kursteilnehmer und setze mich zu der Gruppe an den Tisch.

Kurz vor knapp stürmt Lova herein, entschuldigt sich eilig für ihre Verspätung und setzt sich dann mit hochrotem Kopf auf den einzig freien Platz neben mich.

Fria erklärt uns, dass das heutige Motto Born in the USA sein wird, und wir uns auf überraschende Gerichte freuen dürfen. Ich bin gespannt, was Amerika außer Burger und Spareribs noch zu bieten hat.

Immer wieder spüre ich Lovas Blick auf mir, ignoriere sie aber bewusst. Sie soll ruhig noch ein wenig schmoren. Diese Frau hat mich als Teenager gedemütigt, damit habe ich also jegliches Recht auf meiner Seite.

Nach ein paar Minuten wissen wir, dass wir Gerichte aus New Orleans, Texas, Virginia und eines aus der Gegend der Thousend Island kochen werden. Frias Einleitung lässt meinen Magen freudig knurren.

Grinsend sehe ich zu Lova hinüber und frage: »Und? Kochen wir wieder zusammen?«

Sie sieht mich erschrocken an und schafft es nicht, mir in die Augen zu sehen. »Wenn du willst?«, stellt sie stattdessen die Gegenfrage und überlässt mir damit die Entscheidung.

Ich beuge mich ihr etwas entgegen. Sofort nehme ich ihren zarten Duft wahr. Er erinnert mich an Birnen und Johannisbeeren, die von intensiv duftenden Blumen umgeben sind.

»Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen«, antworte ich und sehe sie gespannt an. Ja, ich genieße ihre Reaktion sehr. Sichtlich nervös spielt sie mit einer Haarsträhne ihrer ellenlangen, dunklen Mähne. Neugierig betrachte ich ihre Hand. Zum ersten Mal fallen mir ihre zarten, feingliedrigen Finger bewusst auf. Die Nägel sind unlackiert, relativ kurz, aber gepflegt.

Meiner Meinung nach muss eine Frau nicht mit Make-up, Schmuck und Kleidung aufgetakelt sein, aber ich finde dunkelrot lackierte Finger- oder Zehennägel sehr attraktiv. So wie andere auf High Heels stehen, was ich in gewissen Stunden und Situationen ebenfalls tue, finde ich Nagellack geil. Kurz blitzt ein verruchtes Bild von ihrer Hand an meinem Schwanz in meinem Kopf auf, welches ich einen Moment genieße, dann aber artig verdränge.

Lova murmelt ein »Okay«, und wendet sich dem Rezept zu. Sie versucht sich an einer professionellen Fassade, aber ich sehe, dass es innerlich brodelt.

»Wie teilen wir es heute auf?«, frage ich sie.

»Bestimmst du«, schiebt sie mir wiederholt die Entscheidung zu.

Ich würde mich belügen, wenn ich sagen würde, diese Zurückhaltung spräche mich nicht an. Einem bestimmten Nerv, der inzwischen tief in mir verwurzelt ist, ist dies sehr recht. Es entspricht meinem Charakter, Entscheidungen zu treffen und diese auch durchzusetzen, notfalls auch energisch. Langsam, aber sicher finde ich Gefallen in ihrer Art.

Eilig räuspere ich mich und sage: »Ich bereite das Brunswick Stew zu und du kümmerst dich um das Brot.«

Sie nickt und macht sich wortlos an die Arbeit. Fuck! Das ist für mich … alles andere als gut!

In der nächsten Stunde bereiten wir unser Gericht zu und harmonieren, trotz ihrem eisigen Schweigen gut.

Wie beim letzten Mal stellen wir die fertigen Gerichte auf unser Buffet und betrachten die unterschiedlichen Speisen. Da ich mich freue, dass ich sie in Verlegenheit gebracht habe, beginne ich gut gelaunt ein Gespräch mit Agneta und Arno. Ich finde beide mit ihrer offenen Art sehr sympathisch.

Wir unterhalten uns über ihr Gericht und sie erzählen mir, wie sie es zubereitet haben. Ohne Lova anzusehen, spüre ich ihren Blick auf mir und weiß, dass sie mich beobachtet. Frias Stimme verkündet, dass wir uns bedienen und die erlangten Eindrücke kundtun sollen.

Gemütlich futtere ich mich durch unsere kulinarischen Erzeugnisse und bin beeindruckt, wie lecker die USA sein können. Als nichts mehr in meinen Magen passt, lehne ich mich mit einem wohligen Seufzen zurück.

»Lova? Was sagst du zu unserem heutigen Essen?«, frage ich so laut, dass es auch die anderen hören können. Da sie sich bisher nicht geäußert hatte, finde ich es nur gerecht, wenn sie es jetzt nachholt. Sie sieht auf und leckt sich über die Lippen.

»Hm, also, am besten hat mir das, was du gekocht hast, geschmeckt. Dieser Hühnereintopf war absolut köstlich. Aber das Jambalaya war auch nicht ohne. Ein solches Reisgericht habe ich noch nicht gegessen. Ich finde, dass man mit den Erfahrungen hier einige bekannte Gerichte gut variieren könnte. Allerdings muss ich sagen, dass meiner Familie eins der Gerichte aus der letzten Woche leider nicht so geschmeckt hat.«

Perplex starre ich sie an. Familie?! Diese Tatsache hatte ich nicht auf dem Schirm, ja, noch nicht mal in Erwägung gezogen. Allerdings frage ich mich warum, denn die meisten Mittdreißiger sind verheiratet, haben vielleicht sogar Kinder.

Ungeachtet dessen, werde ich sie nachher ansprechen, denn in jedem Fall möchte ich Antworten. Aufklärungen zu ihrem damaligen Verhalten.

Alle Teilnehmer essen zu Ende, kümmern sich anschließend um das Geschirr und plaudern miteinander. Als die Ersten fertig sind, verabschieden sie sich.

Auch Lova und ich sind kurz darauf fertig und wünschen den Verbliebenen einen schönen Abend. Das letzte Mal bin ich nach ihr gegangen, diesmal gehe ich als Erster, damit ich meinen Plan verfolgen kann. Vor dem Gebäude warte ich. Sie schlendert gedankenverloren die Treppen nach unten und erschreckt sich, als sie durch die Glastür tritt und mich, an die Säule gelehnt, sieht.

»Dante!«, stößt sie atemlos aus und greift sich an die Stelle ihres Herzens.

Ich sehe sie intensiv an und sage: »Ja, genau der.«

Sie mustert mich argwöhnisch und dem Anschein nach weiß sie nicht, ob sie lachen oder sich aufregen soll. Und tatsächlich wäre ich mit beidem zufrieden, aber wie das mit den Frauen oft so ist, tut sie nichts von dem, was man erwartet.

»Was gibt's?«, fragt sie in einem neutralen Ton.

»Das sollte ich dich fragen. Ich warte bis heute noch auf eine Antwort zu meiner letzten Textnachricht.« Mein Blick wird herausfordernd. Und der ihre entgleist. Meine verschränkten Arme öffne ich und lasse sie locker hängen, dann gehe ich einen Schritt auf sie zu. Sie bleibt wie erstarrt stehen. Exakt diese Situation wollte ich heraufbeschwören. Lova soll sich unwohl fühlen und doch reizt sie etwas in mir, das mich beinahe die Ereignisse von damals vergessen lässt. In diesem Moment kommt diese verfluchte Spiel- und Abenteuerlust durch, die ich gerade jetzt nicht richtig kontrollieren kann. Doch ich sollte sie definitiv in den Griff bekommen, schließlich habe ich etwas vor. Aber die Tatsache, dass sie kein Freiwild ist, macht es nur noch verbotener.

»Also … ich … Dante«, stammelt sie und sieht beinahe verzweifelt aus. Aber auch wenn sie mir fast leidtut, bleibe ich hart. Sie hat mich früher zu oft und zu abscheulich geärgert.

»Ich erinnere mich an jedes einzelne Wort, an jede Situation«, kläre ich sie auf, um ihr die Möglichkeit einzuräumen sich zu verteidigen. Sie schließt die Augen und versucht sich zu sammeln.

»Es tut mir leid. Ich finde keine Worte dafür und ich weiß auch nicht, warum ich früher so war.« Lova presst die Lippen aufeinander und sieht mich an.

Da ich ehrlich gesagt mit Ausreden, Ausflüchten oder gar mit einem Angriff gerechnet habe, bin ich über ihre ehrlichen Worte einen Moment sprachlos.

»Wir sind wohl beide nicht mehr die, die wir einmal waren.«

»Sind wir nicht mehr, ja. Du hast dich zum Positiven verändert und ich … wohl eher zum Negativen.«

Optisch macht sie nicht das aus sich, was sie könnte. Das stimmt leider. Aber der Charakter hat sich eindeutig zum besseren gewandelt. Und das ist für mich das Entscheidende. An allem kann man arbeiten, wobei ich bis auf die etwas liederliche Kleidung kaum etwas bei ihr ändern würde. Sie ist hübsch und hat eine top Figur.

»Das sehe ich anders, aber darum geht es jetzt nicht.« Ich trete noch einen Schritt auf sie zu. »Ich wollte nur wissen, was du dazu sagst. Dein Verhalten den ganzen Abend über und deine Worte jetzt haben mir alles verraten, was ich wissen wollte.«

»Und was genau kam bei dir an?«, fragt sie vorsichtig.

»Dass du es bereust und deine Entschuldigung aufrichtig war.«

Damit sollte ich es gut sein lassen und ihr einen schönen Abend wünschen, aber ich tue etwas anderes. Meine Antwort kommt wie ferngesteuert und etwas zu bestimmend.

»Wenn du noch eine halbe Stunde Zeit hast, lass uns in die nächste Bar gehen und etwas trinken, ein paar Worte über früher plaudern.«

Kurz denkt sie über meine Bitte nach, sieht mich an und nickt dann.

Lova

Wir sitzen in einer kleinen Kneipe, die, passend zum Thema des heutigen Abends, einem amerikanischen Diner nachempfunden ist. Reiner Zufall, da diese die nächstgelegene ist.

Das Schweigen auf dem kurzen Weg war mir unangenehm, aber ich wusste nicht, was ich zu ihm hätte sagen sollen. Mir war nur klar, dass er es sofort wusste, als ich ihn mit meiner Nachricht erinnert hatte. Er hatte nur auf eine Reaktion von mir gewartet. Oft habe ich ein Problem, Dinge persönlich anzusprechen. Von Angesicht zu Angesicht fehlt mir der Mut, per Handy fallen mir solche Dinge bedeutend leichter.

Nachdem ich mir einen Überblick über den Raum verschafft habe, werfen wir einen Blick in die Karte und ich habe meine Auswahl schnell getroffen. Die Bar ist gut besucht für die Wochenmitte, worüber ich sogar froh bin. Genügend Ablenkung durch andere Gäste und ausreichend Hintergrundgeräusche. Es wäre schrecklich, wenn wir hier auch noch allein sitzen würden.

»Was möchtest du trinken?«, erkundigt sich Dante bei mir.

»Ich nehme ein Glas Wein, einen Chardonnay. Was nimmst du?«, frage ich vorsichtig und sehe ihn über die Karte hinweg an.

»Ich bestelle mir ein Sofiero.« Dante legt die Getränkekarte auf den Tisch und sieht mich forschend an.

Seit Beginn des Kochkurses bin ich mehr oder weniger durch den Wind, wegen ihm. Außerdem geht mir sein Satz von heute dauernd durch den Kopf. Er sagte: ›Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen.‹ Die Aussage verstehe ich, aber ich verstehe die Bedeutung dahinter nicht. Er hatte sich bereits an mein früheres Ich erinnert und trotzdem sagte er das.

»Du bist heute so schweigsam«, stellt er fest und sieht mich fragend an.

»Ich weiß nicht, was ich zu dir sagen soll. Du müsstest mich doch hassen.« Das war ehrlich und das, was ich denke.

Er gibt ein Brummen von sich und legt seine Finger vor sich aneinander, ähnlich betender Hände.

Das Auftauchen der Bedienung verhindert seine Antwort, zu der er eben ansetzen wollte. Sie erkundigt sich nach unserem Getränkewunsch. Als sie wieder gegangen ist, spüre ich Dantes Blick auf mir. Es ist schwierig, ihn zu ignorieren. Die Empfindung, die er in mir auslöst, ist auch schwer zu kategorisieren und völlig widersprüchlich.

»Was wolltest du sagen?«, frage ich.

»Dass ich lange gebraucht habe, um das Erlebte zu verarbeiten. Wir waren sechzehn. Du weißt selbst, wie schwierig ein Teenagerleben sein kann. Und die Sprüche von deinen Freundinnen und dir waren nicht ohne.«

»Ich weiß«, murmle ich kleinlaut und sehe ihn betroffen an.

»Erst mit dem Schulwechsel, im Jahr darauf, wurde es besser. Im Gymnasium traf ich Jugendliche wie mich, freundete mich mit ihnen an und konnte mich entfalten.«

»Okay«, sage ich und sehe die Servicekraft auf uns zukommen.

Endlich werden unsere Getränke gebracht. Sofort greife ich nach dem Glas und befeuchte meine viel zu trockene Kehle. Dante schmunzelt, als er das sieht. Er scheint sich ohnehin oft über mich zu amüsieren. Während des Kochens ist mir des Öfteren sein Grinsen oder das dezente Kopfschütteln aufgefallen.

Ich sehe ihm dabei zu, wie er sich seine Flasche nimmt und sie an die Lippen setzt, um zu trinken. Ein nicht unattraktives Bild. Dante hat sich optisch um 180 Grad gewandelt. Ich bin einen Meter siebzig, aber er überragt mich noch mal um einen Kopf. Rücken und Schultern sind doppelt so breit wie meine Statur. Auch ist von seiner Zurückhaltung nichts mehr übrig. Dann flammt die Erinnerung an die Bilder auf seinem Account in meinem Kopf auf und mir wird warm. Er ist echt heiß.

»Du sagtest, du hast Familie«, stellt er meine Aussage von vorhin in den Raum. Jetzt erwartet er sicher, dass ich ihm berichte, wie glücklich ich bin und was für eine tolle Ehe ich führe. Und normalerweise sage ich das zu anderen Menschen auch exakt so. Das ist wie die Frage, nach dem Befinden, da sagt man auch immer: Gut, danke der Nachfrage. Die wenigsten sagen, dass es ihnen schlecht geht oder welche Probleme sie beschäftigen. Genauso verhält es sich mit seiner Frage. Aber auch wenn ich Dante nicht wirklich kenne, habe ich das Gefühl, mit ihm über alles reden zu können.

Und ehe ich mich versehe, sage ich: »Ich … also wir haben eine Tochter, sie ist schon fünfzehn.«

Den Rest kann er sich nun selbst zusammenreimen, und wie ich ihn einschätze, wird er zielsicher schlussfolgern. Ich sehe, wie ihn meine Aussage erleuchtet. Man kann es bei meinem Alter schnell ausrechnen, dass ich mit siebzehn schwanger wurde.

»Oh«, ist alles, was er von sich gibt. Offenkundig hat es ihm zur Abwechslung die Sprache verschlagen. Er nimmt einen großen Schluck aus seiner Flasche, sieht sich im Raum um und scheint meine Info zu verarbeiten oder über etwas nachzudenken. Er sieht nicht mehr so entspannt aus wie zu Beginn des Gesprächs.

Da mein mentaler Zustand nicht besser wird, nehme ich einen weiteren Schluck von meinem Chardonnay. Gefühlt vergehen Minuten, in denen keiner von uns spricht. Das Schweigen ist mir auch diesmal unangenehm, daher versuche ich mich an ein wenig Small Talk.

»Und du kochst nur für dich, hast du mal gesagt. Demzufolge scheinst du nicht verheiratet zu sein? Aber du wirst doch eine Freundin haben, oder?«

Er sieht mich an und dreht die Flasche in seiner Hand, während er sich seine Antwort überlegt.

»Ich habe immer wieder mal eine, aber für eine längere Zeit hat es nie gereicht.« Er hebt das Bier und trinkt.

»Woran liegt's?«, frage ich nach.

»Vermutlich an meinen extravaganten Hobbys und Freizeitaktivitäten.«

»Die da wären?«, frage ich neugierig.

»Oft bin ich unterwegs. Ich brauche Herausforderungen und den Nervenkitzel. Ob das jetzt Klettern ist, Wasserski fahren oder Canyoning, es kann mir nicht abenteuerlich genug sein. Das ist nicht für jede Frau etwas. Denn entweder muss sie mitmachen oder das Verständnis aufbringen, dass ich häufig unterwegs bin.«

Ich starre ihn an und … bin baff … und neidisch. Sein Alltag ist eindeutig nicht so langweilig wie mein fades Leben, das nur noch aus Kochen, Haushalt und der Arbeit zu bestehen scheint. Gelegentliches Beine-Breitmachen für den Ehemann sollte ich vielleicht nicht unerwähnt lassen. Das letzte Mal, dass wir überhaupt im Urlaub waren, müsste jetzt vier Jahre her sein.

Ich sehe Dante an. Er lächelt zurück und scheint sich mal wieder über mich zu amüsieren.

»Du siehst überrascht aus«, meint er mit einem belustigten Unterton und bestätigt damit meinen Verdacht. »Hast wohl nicht erwartet, dass dieser pummelige Junge von damals jetzt so spannende Dinge tut!«

Er zwinkert mich an und ich spüre ein flaues Gefühl im Magen. Ich hasse mich dafür, weil es total irrational ist, wie ich reagiere. Es liegt aber sicher an der Mischung aus zu schnell getrunkenem Wein und zu vielen Offenbarungen an diesem Abend, welcher total von meiner Routine abweicht.

»Also, dir wird's nicht langweilig«, sage ich, nachdem ich mich wieder gefasst habe und nicke anerkennend mit dem Kopf.

»Nein, definitiv nicht.« Er hält mir seine Flasche entgegen und ich greife mein Weinglas. Vorsichtig tippe ich es an.

»Auf einen netten Abend«, sagt er und ich pflichte ihm bei.

***

Als ich heimkomme, finde ich Mats im Halbschlaf vor dem Fernseher. Er wirft einen Blick auf die Uhr.

»Hallo, warum so spät heute?«, fragt er in neutralem Ton.

»War noch was trinken mit einem der Kursteilnehmer. Ist eine nette Truppe«, antworte ich vage.

»Ach so, schön«, murmelt er und erhebt sich.

»Werde gleich ins Bett gehen, bin müde«, erkläre ich ihm, während ich meine Jacke ausziehe und an den Haken hänge.

»Ich komme mit«, sagt er und drückt auf den Knopf der Fernbedienung.

Wir gehen zusammen in den ersten Stock und ich betrete das Badezimmer, um in meine Schlafkleidung zu schlüpfen. Nachdem ich mir noch das Haar gebürstet und die Zähne geputzt habe, schlüpfe ich neben ihm unter die Decke.

»Baby, komm her«, fordert er mich auf und präsentiert mir seine Erektion, die sich deutlich sichtbar unter dem Stoff seiner Schlafhose abzeichnet. Ich habe im Grunde keine Lust, bin viel zu aufgewühlt und gleichzeitig erschöpft.

»Bin müde«, versuche ich ihn abzuwimmeln.

»Ach komm schon, ich will dich spüren. Mein Tag war stressig, ich brauche dein kleines Döschen.«

Mittels Geste versuche ich ihm absolutes Desinteresse zu signalisieren, aber Mats ist hartnäckig. Als ich mich wegdrehe, schmiegt er sich von hinten an mich und reibt seine Leiste an meinem Po. Nach einem Moment schließe ich die Augen und lasse mich von den aufkommenden Gefühlen mitnehmen.

Seine Hand wandert zu meinen Brüsten und knetet sie, bis sich meine Nippel aufrichten. Eine Gänsehaut wandert über meinen Körper und verstärkt meine Reaktion noch. Nachdem er meinen Nacken mit feuchten Küssen gereizt hat und ich meinen Hintern an seinem Ständer gerieben habe, setze ich mich auf.

Entschlossen schiebe ich sein Shirt hoch, ziehe ihm die Hose herab und betrachte ihn. Er sieht nach wie vor gut aus. Mats war nie einer von diesen schlaksigen Kerlen, aber besonders breit ist er auch nicht. Sein Körperbau ist der eines Athleten. Er hat hellbraunes Haar, braune Augen und einen Schwanz in der richtigen Größe, der optisch ansprechend ist. Schon damals fand ich ihn attraktiv, sonst hätte ich mich wohl kaum auf diese Nummer auf dem Rücksitz seines Wagens eingelassen. Auch heute noch macht er einiges her, aber er könnte sich eben mehr um mich bemühen und nicht alles für selbstverständlich nehmen.

Ich ziehe ebenfalls meine Hose herab und setze mich auf seinen Schoß. Das Pochen zwischen meinen Schenkeln sagt mir, dass mich seine Annäherung und Erscheinung doch nicht völlig kaltlassen. Vielleicht sagt meine Reaktion auch nur, dass ich es dringend nötig habe oder Dante vorher zu intensiv angeschaut habe. Das letzte Mal war sehr unbefriedigend für mich, deswegen sorge ich heute selbst für meinen Orgasmus. Ich sehe auf ihn herab und erkenne ein Funkeln in den Augen. Seine Hände schiebe ich unter mein Shirt und lege sie auf meine Brüste.

»Heute gehst du aber ran«, sagt er staunend.

Nachdem ich ihm mehrere raue Atemzüge durch Kreisen meines Beckens entlockt habe, lasse ich mich auf seinem Schwanz nieder. Zeitgleich mit meinem tiefen Seufzer kriecht auch eine Gänsehaut über meinen Körper und ich schließe die Augen. Voller Verlangen lasse ich mein Becken rotieren und nehme mir, was ich brauche.

Ohne es verhindern zu können, taucht Dante vor meinem geistigen Auge auf. Sein Gesicht am heutigen Abend und die Bilder seines Accounts flackern in schneller Reihenfolge durch meinen Kopf. Ich lasse es zu, denn es wirkt. Innerhalb kürzester Zeit ist es so nass zwischen uns, dass meine Bewegungen unanständige Geräusche erzeugen. Mein Puls beschleunigt sich, als ich immer schneller über Mats’ Schoß rutsche. Sekunden später erlebe ich einen Höhepunkt, der mich ungehalten stöhnen lässt und letztendlich auch meinen Mann mitnimmt.

Völlig außer Atem lege ich meinen Kopf neben seinen und versuche, mich zu beruhigen. Wir liegen eine ganze Weile da, erst als Mats sich regt, erhebe ich mich.

»Was war das denn heute, Baby?«, fragt er mich mit einem Schmunzeln.

Ich zucke nur mit den Schultern. Soll ich ihm sagen, dass mein letzter Orgasmus bedeutend länger her ist als seiner? Nein. Aber das gerade eben war gut. Und nötig, zumindest für mich. Ich frage mich nur, wie ich Dante das nächste Mal gegenübertreten soll. Sicher habe ich mein Gesicht nicht unter Kontrolle, sobald ich an mein Kopfkino denke. Aber Gedankenlesen wird er schon nicht können.

 

Dante

Meinen unschlüssigen Blick, den ich auf das Handy in meiner Hand werfe, bemerkt mein Kollege, der mir schräg gegenüber am PC sitzt, nicht. Soll ich schreiben oder lass ich es bleiben?

Selten bin ich so unentschlossen gewesen wie jetzt. Im Normalfall habe ich kein Problem, die richtigen Worte zu finden. Ein paar lockere, nette Sätze wären schnell getippt. Jedoch ist der Empfänger eine Art Grauzone. Lova ist

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Cover: NessunoMass
Tag der Veröffentlichung: 03.09.2022
ISBN: 978-3-7554-2003-3

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