Cover

Leseprobe

Cole Mitchell

 

 

Bad Boys of Vancouver 4

 

Summer Alesilia

Impressum

 

© Summer Alesilia

1. Auflage - Dezember 2021

 

Buchsatz: Summer Alesilia

Covergestaltung: Massimo Pedicillo

Lektorat und Korrektorat: Vivian Valentine, Grace C. Node, Marina Ocean

 

Summer Alesilia

c/o Autorenservice Gorischek

Am Rinnergrund 14/5

8101 Gratkorn

Österreich

 

summeralesilia@gmail.com

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Jede Wiedergabe, Vervielfältigung und Verbreitung auch von Teilen des Werks oder von Abbildungen, jede Übersetzung, jeder auszugsweise Nachdruck, Mikroverfilmung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen und multimedialen Systemen bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers.

 

Über die Autorin

Summer Alesilia ist das Pseudonym einer in Deutschland lebenden Autorin. Mit ihrer Familie wohnt sie in der Nähe von Ulm. Sie hat schon immer gerne gelesen, der Gedanke, selbst ein Buch zu schreiben, kam ihr erst 2017.

Sie liebt es, Leidenschaft, Herzschmerz und Liebe aufs Papier zu bringen. Ebenso Cliffhanger, Dramatik und spannende zwischenmenschliche Beziehungen. Selten passt ihre Geschichte in nur ein einziges Genre, oft ist es eine komplexe Mischung. Von zarter Liebe bis harte Obsession ist bei ihr alles vertreten. Ob es immer ein Happy End für die Protagonisten sein muss?

Wenn sie nicht schreibt oder liest, schaut sie gern Serien und Filme oder unternimmt etwas mit ihrer Familie.

Ihre Ideen nimmt sie so gut wie immer aus alltäglichen Situationen, die Orte ihrer Geschichten kennt sie teilweise aus erster Hand.

Hauptberuflich ist sie wie die Protagonistin ihres Debütromans in der Männerbranche tätig.

Wie ihr Name andeutet, ist sie ein Sommermensch, liebt das Meer und das mediterrane Lebensgefühl. Dies lässt sie auch in ihre Geschichten einfließen.

Über die Story

Hier spielen wir nach meinen Regeln, verstanden Schneewittchen?!

 

Cole Mitchell hat die Schnauze gestrichen voll von den Weibern! Von der Freundin betrogen, schwört er dem weiblichen Geschlecht ab und wird zu dem Bad Boy von einst. Damit nicht genug, könnte das neue Jahr nicht beschissener starten, denn bereits sein erster Flug wird ein wahrer Höllentrip: Der Absturz mit seinem Helikopter und der bildschönen Alexis Moreau in den verschneiten Bergen Kanadas macht die Katastrophe perfekt. Leider war die letzte Begegnung mit ihr alles andere als erfreulich.

 

Eingeschneit in einer Hütte muss sich Cole mit der zickigen Schönheit auf engstem Raum arrangieren. Gar nicht so leicht, denn dieser sexy Vamp ist pure Sünde und bringt seinen eisernen Vorsatz gehörig ins Wanken. Aber verdammt, er ist auch nur ein Mann.

 

Wird sie ihn von seiner festgefahrenen Meinung zur High Society abbringen oder erfüllt sie das Klischee der verwöhnten, reichen Zicke und er behält recht? Aber vielleicht ist es auch alles egal, da er ohnehin mit seiner vorlauten Klappe alles zerstört hat.

 

Band 4 der Bad Boys of Vancouver Reihe – eine spannende, emotionale und außergewöhnliche Love-Story

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für die Besten, der Besten

Vivian, Grace und Marina

 

&

 

Für den Kreativsten, der Kreativen

Massimo

 

»Fuck!«, brülle ich und merke, wie erneut Zorn in mir aufwallt. Wenn noch eine weitere dumme Bemerkung oder armselige Ausrede kommt, werde ich mich vergessen.

»Es tut mir leid! Aber du warst nie da … und … er schon.«

»Sei doch einfach still! Das ist nur eine Ausrede. Du wusstest genau, worauf du dich einlässt, als du mich kennengelernt hast«, blaffe ich sie an.

»Ja, das wusste ich, aber auf Dauer war es scheiße.«

»Und deswegen springst du mit dem Nächstbesten in die Kiste?«, schreie ich aufgebracht.

»Hör auf, so zu brüllen!«, kontert dieses weibliche Wesen, von dem ich eigentlich dachte, dass ich sie in- und auswendig kenne. Während sie sich abwesend durch die blonden schulterlangen Haare fährt und dabei wässrige Augen bekommt, muss ich mir eingestehen, dass ich offenbar nicht den Hauch einer Ahnung hatte, wer diese Frau wirklich ist, und das, obwohl ich eine Beziehung mit ihr führe, führte, korrigiere ich mich im Stillen.

»Ich schreie so lange es mir passt. Oder denkst du, ich hätte nicht allen Grund wütend zu sein?« Niedergeschlagen schüttelt sie den Kopf. »Pack deinen Kram und verschwinde. Hau ab, geh einfach! Wenn ich Sonntagabend zurückkomme, will ich von dir hier nichts mehr sehen.«

Ihr entsetzter Gesichtsausdruck ist mir scheißegal. Noch vor wenigen Stunden war das anders. Allerdings wusste ich da noch nichts von ihrem Verhältnis mit diesem reichen Penner. Erst vor ein paar Monaten war sie zu mir gezogen, weil wir uns beide einig waren, dass das zwischen uns etwas Ernstes ist. Was zum Teufel ist bitte schiefgelaufen, dass sie mit diesem Typen ins Bett gegangen ist? Aber es war kein unüberlegter Ausrutscher, den ich möglicherweise noch hätte verzeihen können. Nein, sie haben es immer und immer wieder getrieben. Meistens dann, wenn ich einen Einsatz hatte. Natürlich verstehe ich, dass es auf Dauer frustrierend ist, wenn man nur selten am Wochenende gemeinsam Zeit verbringen kann. Aber letzten Endes ist es genau dieser Job, der mir ein gutes Leben ermöglicht. Sie fand ihn auch cool, mochte die Vorstellung, was ich steuern konnte und gab damit bei ihren Freundinnen an. Irgendwann fing sie an, sich an meiner Abwesenheit zu stören, weil ich sie nicht jedes Mal zu einem Event begleiten konnte und sie allein gehen musste. War ihr so langweilig dort, dass sie sich einen Neuen, einen aus ihren Kreisen, gesucht hat? Einen mit einem großen Auto und mickrigem Schwanz. Die Antwort kenne ich inzwischen. Fast muss ich ironisch auflachen bei der Vorstellung zu seiner Ausstattung. Dass ich unter der Woche größtenteils zu Hause war, oft für uns kochte und einen Großteil der Hausarbeit erledigte, hat sie nicht zu schätzen gewusst. Zumindest kommt es mir jetzt so vor. Im Nachhinein wird einem wohl so manches klar. Wenigstens sollte ich ihr zugutehalten, dass sie es mir gestanden hat. Auch wenn ihr Verhalten alles andere als anständig ist.

»Ist das dein Ernst? Du wirfst mich raus?« Ihre Mimik wirkt aufgewühlt und verletzt.

Wütend fahre ich zu ihr herum. »Nein Schatz, du darfst natürlich gern noch hierbleiben und zum Ficken zu ihm fahren!« Ich könnte nicht ironischer sein, aber meine Wortwahl sowie ihre Gefühle sind gerade das Letzte, was mich interessiert. Durch die Tatsache, sich weiterhin mit diesem Steven, Stewart, Stan oder wie auch immer dieser Arsch heißt, zu verabreden, hat sie ihre Entscheidung getroffen. Unsere Beziehung hat sie dafür weggeworfen. Als sie anfängt zu schluchzen, bringt sie das Fass zum überlaufen.

Bevor ich noch etwas tue, was ich bereue, verlasse ich lieber die Wohnung. Ich höre noch, wie sie, ›Warte Cole!‹, ruft, bevor die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss fällt und das Geräusch auf der Etage widerhallt.

***

Mit meinem Kumpel Aidan sitze ich in unserer Lieblingsbar. Er war es, bei dem ich nur eine halbe Stunde später aufgeschlagen bin. Und er war es, der mich nach einem langen und emotionsgeladenen Gespräch ins Black Days geschleppt hat. Draußen wird es immer herbstlicher und es riecht nach Regen.

Mein Blick verschwimmt zusehends, was mich keineswegs wundert, bei der Menge an Whisky, die bereits meinen Körper geflutet hat. Mit jedem Schluck wird die Realität, dass ich bald in eine leere Wohnung zurückkehre, weniger schlimm und deprimierend.

»Machst du uns noch einen?«, frage ich Ella, die hinter der Theke steht und mich in den letzten Minuten mehrmals kritisch beäugt hat.

»Darling, vielleicht solltest du zwischendrin ein Wasser trinken«, schlägt sie vor. »Ich fürchte, wenn du so weitersäufst, liegst du in einer halben Stunde auf dem Boden oder im Krankenhaus.«

Ich sehe sie an und mein Blick wandert über ihre blonde Mähne, die mich leider sofort wieder an Chloé erinnert. Nein, ich werde ihren Vorschlag ignorieren und weitertrinken.

»Spinnst du? Das verdünnt nur den guten Whisky und zum Schluss werde ich heute noch mal nüchtern.« Meine Zunge fühlt sich bereits träge an.

Sie hebt eine Augenbraue, greift jedoch an die Flasche und befüllt kopfschüttelnd Aidans und mein Glas. Als ich danach greifen will, legt sie ihre Handfläche darauf.

»Was ist passiert, dass du dich so erbarmungslos volllaufen lässt?«

»Willst du nicht wissen!«, brumme ich.

Sie schnaubt verächtlich. »Ich habe aber doch gefragt!«

Einen Moment starre ich sie an und wäge ab, ob ich mich mit ihr auf eine Debatte einlassen soll. Als Stammgast in ihrer Bar haben wir schon das ein oder andere tiefschürfende Gespräch geführt und ich weiß, wie sie tickt. Leider kennt sie mich viel zu gut, was mir jetzt zum Verhängnis wird. Ich höre Aidan hämisch Lachen. Dieser Blödmann!

»Meine Freundin meinte, sie muss sich von einem anderen flachlegen lassen!«

»O fuck, das ist scheiße. Chloé heißt sie, richtig?«

Ich nicke ihr einmal zu und blaffe dann aber: »Ach nee, was du nicht sagst.« Schnell ziehe ich das Glas unter ihrer Hand hervor und trinke es mit einem Schluck aus. Provokant knalle ich es auf den Tresen und sage: »Vollmachen!«

Witzigerweise zögert sie nun nicht mehr und befüllt es direkt erneut. Jedoch zieht sie ein weiteres hervor und lässt auch in dieses die bernsteinfarbene Flüssigkeit laufen. Aidan sieht schweigend zu.

»Was wird das?«, erkundige ich mich leicht lallend bei ihr und ärgere mich über meine unkooperative Zunge.

»Halt die Klappe und trink aus«, sagt sie und hält mir ihren Schnaps vor die Nase.

Ich könnte schwören, dass es zwei sind, die vor mir schweben. Aidan hebt sein unangetastetes Glas und stößt unsere an. Reaktionslahm sehe ich zwischen den beiden hin und her, zucke dann mit den Schultern und kippe mir auch diesen in den Rachen. Das Brennen nehme ich kaum wahr und die anderen, nicht erwünschten Gefühle verschwimmen in einem trüben Mix aus Gleichgültigkeit. »Zum Glück muss ich heute nicht mehr fliegen«, gebe ich von mir und lache. Eigentlich ist es nicht lustig, aber ich lache trotzdem.

»Wir sollten öfters zusammen trinken, Ellalein!«

»Vergiss es Cole! Ich werde nicht zu meinem besten Kunden, es reicht, wenn du regelmäßig kommst. Aber wir können uns gern mal in der Trinkfestigkeit messen.«

»Herausforderung angenommen! Wann hast du Zeit?« Kopfschüttelnd wendet sie sich ab und kümmert sich um die Bestellung, die sie von ein paar Tischen weiter erreicht. Ich wende mich an Aidan, der ein amüsiertes Grinsen im Gesicht hat.

»Mach doch Ella oder eine andere Schnecke klar. Ersetze Chloé am besten direkt, sie ist es nicht wert.«

Skeptisch mustere ich meinen Freund. Ich weiß, dass er das so machen würde. Aber ich kann das nicht. Es liegt noch nicht mal an der Lust oder Ähnlichem. Wie wahrscheinlich fast jeder Mann liebe ich Sex, aber eben nicht mit der Nächstbesten und nicht nach so einem herben Schlag in den Magen. Und die Freundschaft mit Ella wegen eines Ficks aufs Spiel setzen, will ich erst recht nicht. Ich mag sie dafür zu sehr. Sie ist attraktiv, keine Frage. Und möglicherweise wäre sie nicht mal abgeneigt, denn auch sie ist schon eine Weile Single. Aber hier bleibe ich meinen Prinzipien treu. Und nicht zuletzt habe ich erst einmal genug von Frauen. Sie können mir gestohlen bleiben! Heute trinke ich mir den Verstand weg und danach sehe ich weiter.

***

Völlig gerädert und mit rasenden Kopfschmerzen wache ich auf und weiß nicht, wo ich bin und wann jetzt überhaupt ist. Meine Augen bekomme ich wegen des grellen Lichts nicht auf, aber ich bemerke herrlichen Kaffeeduft, der sich mit einer interessanten, fruchtig-frischen Note vermischt. Selbst nach einem Moment des Überlegens erinnere ich mich nicht an den Ausgang des vergangenen Abends. Doch plötzlich höre ich neben mir einen langen Atemzug und spüre eine Bewegung. Alarmiert drehe ich mich um und sehe durch einen kleinen Lidschlitz in die Richtung, aus der das Geräusch kam.

Da liegt Ella! Big Shit!

Mein nächster Blick geht automatisch unter die Bettdecke, jedoch tragen wir beide Kleidung. Zwar nur wenig, aber immerhin. Allerdings sieht ihr Hintern in dieser kurzen Hose recht knackig aus. Ich fürchte, um eine unangenehme Frage komme ich nicht herum. Langsam richte ich mich auf und sehe mich im Raum um. Vermutlich sind wir bei ihr, aber da ich noch nie bei ihr war, kann ich das nicht mit Sicherheit sagen. Seufzend greife ich mir an die Nasenwurzel und reibe mir im Anschluss über das Gesicht. Sicherheitshalber sehe ich noch mal hin, aber es ist immer noch Ella. Ihre blonden Haare liegen in wilden Wellen auf dem Kissen und verströmen diesen blumigen Duft. Sie hat ihre Augen geschlossen und ihre gesamte Mimik wirkt entspannt. Ich kann nicht leugnen, dass sie überaus attraktiv ist. Bin ich vielleicht doch schwach geworden? Vermutlich hat sie außer diesem einen Whisky nichts getrunken, denn wenn sie arbeitet, trinkt sie nicht. Einen Moment betrachte ich sie noch, dann fasse ich an ihren Oberarm und rüttle sie sanft. Unerwartet schnell dreht sie sich auf den Rücken und öffnet ihre Augen.

»Hey Schnapsleiche!«, begrüßt sie mich und streckt sich. Sie wirkt fit und putzmunter. Im Regelfall bin ich das morgens auch, aber ich ahne, dass das heute definitiv nicht der Fall sein wird. Ich bin total im Eimer und das nicht nur, weil ich es offenbar mit dem Alkohol übertrieben habe.

»Morgen«, nuschle ich und lasse mich zurück auf die Matratze fallen.

Sie beugt sich über mich und grinst mich schadenfroh an. »Und, wie fühlst du dich? So wie du aussiehst, extrem beschissen!«

Missbilligend verziehe ich das Gesicht. »Sag mir lieber, warum ich in deinem Bett liege! Ich liege doch in deinem Bett, oder?«

Sie fängt an zu lachen. Und auch, wenn sich dadurch meine Kopfschmerzen verstärken, gelingt es mir nicht, nicht mitzulachen. Verdammt, ihr fröhliches Gelächter ist echt ansteckend.

»Nein, ich habe dich natürlich in die Wohnung meiner Mutter geschleppt«, bringt sie zwischen ihrem Gekicher hervor.

»Sehr witzig. Mein Schädel fühlt sich an, als würde dort jemand mit einem Presslufthammer arbeiten und ich kann nicht klar denken.«

»Das wundert mich nicht. Du hast den Rest der Flasche allein geleert. Aidan war so schlau, irgendwann aufzuhören.«

Sie sieht mich eindringlich und besorgt an. »Du wolltest nicht heim und dann bist du fast im Sitzen eingeschlafen. Ich habe Aidan vorgeschlagen, dass du bei mir pennst, da ich nur einen Block von der Bar entfernt wohne. Kannst du dich nicht mehr erinnern?«

Langsam schüttle ich den Kopf, während ich versuche, in diesem etwas zu finden, das ihre Aussage bestätigt.

»Und was ist noch passiert, als wir hier waren?«, frage ich vorsichtig.

Sie sieht mich verwirrt an. »Was genau meinst du?«

»Na ja, haben wir … hatten wir Sex?«

Ihr Gesicht erhellt sich, dann kichert sie erneut und ich befürchte schon das Schlimmste.

»Spinnst du? Dazu wärst du wohl kaum noch in der Lage gewesen. Aber es war witzig dich auszuziehen.«

Erleichtert atme ich aus und sie schüttelt belustigt den Kopf. »Kannst du aufstehen? Meine Mitbewohnerin hat dem Geruch zufolge Kaffee gekocht.«

»Du hast eine Mitbewohnerin?«, denke ich laut.

»Wer hätte sonst die Maschine einschalten können?« Sie verdreht die Augen. »Kommst du jetzt? Vielleicht kriegen wir dich mit Koffein wieder fit!«

***

Typisch für den Oktober regnet es. Am Abend stolpere ich vom Regen durchweicht, aber halbwegs rehabilitiert in meine Wohnung. Die Kopfschmerzen sind beinahe weg, dank der Fürsorge von Ella und ihrer Mitbewohnerin Mary.

Die heiße Dusche hatte Wunder gewirkt und so fühlte ich mich eine Stunde nach dem Aufwachen endlich weniger elend. Die nette Gesellschaft der beiden Frauen und das leckere Mittagessen dort hatten ihr Übriges getan.

Als ich meine Bude betrete, ist die teilweise gute Laune direkt wieder verpufft. Zum Glück finde ich mein Appartement leer vor. Auf eine erneute Diskussion und den damit einhergehenden Tränenausbruch sowie den Beschuldigungen habe ich absolut keine Lust. Es wurde alles gesagt und ich habe nicht vor, Chloé hinterherzulaufen.

Ein gutes Jahr Beziehung weggeworfen. Wofür?

Für sie habe ich mich vom Bad Boy zum Nice Guy verändert. Nicht weil sie es wollte, sondern ich. Es hat sich richtig angefühlt, es zu tun. In meine Wohnung habe ich sie gern einziehen lassen. Das Appartement in Gastown zur Grenze nach Downtown war mehr als günstig gelegen für ein junges Paar, wie wir es waren. Ein paar Schritte in eine beliebige Richtung und wir waren mitten im Geschehen. Ob Bar, Meer, Nachtclub oder Restaurant. Selbst der Stanley Park war theoretisch fußläufig zu erreichen. Mit dem Auto waren es keine zehn Minuten. Ich verdiene genug Geld, um ihr nicht auf der Tasche zu liegen und kann ein angenehmes Leben führen. Auch war unser Sex gut — sehr gut sogar — und wir hatten keinerlei Probleme im Bett. Aber vielleicht lag es an ihrer Grundeinstellung. Meine Ex stammt aus einer reichen und einflussreichen Familie und weiß nicht, was es bedeutet, für ihr Geld arbeiten zu gehen. Sie muss es definitiv nicht und kann mehr oder weniger in den Tag hineinleben. Hier eine Gala, da ein Geschäftsessen und hin und wieder ihr Gesicht in die Kamera der Presseleute halten. Das Einzige, was man mir vorwerfen kann, ist, dass ich am Wochenende zu Einsätzen musste und wir nichts unternehmen konnten. Flexibilität gehört einfach in gewissem Masse zu meiner Arbeit. Allerdings ist der Großteil geplant. Und es gab auch dienstfreie Wochenenden. Wir gingen einmal die Woche gemütlich essen, wir besuchten Bars, sahen uns Filme im Kino an und unternahmen alles, was man eben in einer Beziehung macht. Ich war glücklich; ich glaubte, sie war es auch. Klarer Fall von ›falsch gedacht‹.

Während ich durch die Räume laufe und nachdenklich meinen Kram betrachte, fasse ich einen Entschluss für meine Zukunft.

Fakt eins: Ich habe die Schnauze voll von Frauen. In der nächsten Zeit können sie mir gestohlen bleiben.

Fakt zwei: Die Nächste, die ich in mein Leben lasse, sollte auf keinen Fall so eine verwöhnte, reiche Tussi sein, die nicht zu schätzen weiß, was sie an mir hat.

Ach ja, und last but not least, Fakt drei: Vorbei mit dem netten Typ und willkommen zurück Arschloch Cole.

FCKNG New Year

 

Genervt sehe ich auf die Uhr. Wie ich es hasse, zu warten. Aidan verspätet sich nur selten, da er weiß, dass mich das stresst. Aber heute, an einem Tag, an dem ich aufgrund seiner grandiosen Abendpläne gezwungen bin, etwas zu tun, das ich eigentlich nicht will, nervt es mich richtig. Als ich dann eine Schneeflocke vor meinem Gesicht tanzen sehe, glaube ich an eine Verschwörung. Ich hasse Schnee und Eis! Das ist der Moment, in dem ich mich frage, weswegen ich überhaupt mit ihm befreundet bin. Ich stehe hier komplett rasiert, parfümiert und bis zur Unterhose durchgestylt und warte auf ihn.

Ella hatte mich seit heute Nachmittag in der Mangel. Wie eine tollwütige Kosmetikerin ist sie über mich hergefallen. Aidan und sie haben sich verbündet und gedroht, mir mein Leben zur Hölle zu machen, wenn ich mich weiterhin so gehen lassen würde.

Seit Wochen tat ich meine Arbeit für die ich bezahlt wurde, aber zu mehr konnte ich mich nicht aufraffen. Meine wöchentlichen Barbesuche bei ihr waren das Highlight. Allerdings wären diese kein Spaß gewesen, wenn sie mich nicht mit Alkohol versorgt hätte. Ich genoss es, mich mit ihr zu unterhalten und dabei einiges an Schnaps zu vernichten. Dass ich im Anschluss bei ihr übernachtete, hatte sich seit der Blackout-Nacht vor rund zwei Monaten eingebürgert. Ein Ritual unter Freunden.

Endlich biegt Aidan um die Ecke. Wir begrüßen uns mit einer männlichen Umarmung. Kurz betrachte ich seine dunklen Haare, die er aufwendig gestylt hat. Seine Augen haben die typische Form der kanadischen Ureinwohner und lassen seine Wurzeln erahnen. Zusammen mit seiner restlichen Erscheinung ergibt sich ein attraktiver Kerl. Wenn ich dachte, dass ich viel Parfüm auf meinem Körper trage, dann toppt mein Kumpel das um Längen. Fast muss ich husten.

»Das wurde aber auch Zeit!«

»Ich wurde aufgehalten«, erklärt er und blickt mich skeptisch an. »Zieh nicht so eine Fresse. Heute wird gefeiert und du stellst dich den Singlefrauen zur Verfügung. Verstanden?«

»Nerv mich nicht!«, motze ich ihn an und ernte nur sein dämliches Grinsen, welches mit einer hochgezogenen Augenbraue ergänzt wird.

»Vielleicht solltest du dich mal zusammenreißen. Wie lange willst du Chloè noch hinterherheulen?«

»Ich heule nicht! Ich habe im Moment einfach keinen Bock auf Frauen.«

»Du musst sie ja nicht gleich heiraten, aber irgendwann muss man wieder in den Sattel steigen.«

»O bitte, fange nicht mit deinen Cowboy-Weisheiten an, die sind so abgedroschen wie die alten Schwarz-Weiß-Western, die du immer anschaust.«

Aidan lacht herzlich und ich stimme mit ein. Über unsere dummen Witze und Wortgefechte kann ich immer lachen, auch wenn sie teilweise auf meine Kosten gehen. Mit einem heran gewunkenen Taxi steuern wir unser Ziel an. Den ultimativen Partytempel Red Continental in Vancouver, berühmt für seine wilden Nächte.

Die Location ist riesig und auf mehreren Ebenen verteilt. Über zehn Bars, drei Outdoorbereiche und fünf Dance Areas warten darauf, besucht zu werden. Ich frage mich nur nach wie vor, warum ich dorthin geschleppt werde. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir in Ellas Bar im kleinen Kreis ins neue Jahr feiern können.

Eine halbe Stunde später halten wir vor dem Partytempel, der in neonblau und grellrot angestrahlt wird. Wenigstens ist die Musik, die nach außen dringt, gut und nach meinem Geschmack. Nach einer halben Ewigkeit in der bescheuerten Warteschlange passieren wir endlich den großen Eingangsbereich und sondieren zuerst die Lage. Aidan schleife ich sofort zur ersten Bar und ordere zwei Whiskys. Klirrend stoßen wir an und kippen uns den Schnaps in den Rachen. Während unseres Aufenthalts am rot beleuchteten Tresen stößt mich mein Freund mehrfach in die Rippen, um mich auf Frischfleisch aufmerksam zu machen. Ich nicke anerkennend und tue so, als hätte ich Interesse. Alle sind mehr als attraktiv, aber keine reizt mich. Der Großteil lächelt uns offen und freundlich zu, was darauf schließen lässt, dass sie einem Gespräch nicht abgeneigt wären. Ich danke Gott dafür, dass Aidan die Entscheidung, sich eine zu angeln, nicht überstürzt und erst alle Möglichkeiten abchecken will. Mehr Zeit für mich, um ungeschoren aus der Sache herauszukommen, beziehungsweise um mich abzuschießen.

Noch schlimmer als Silvester waren nur die Weihnachtsfeiertage. Meine Mom und auch sämtliche Freunde wollten, dass ich sie besuche. Irgendwann bin ich einfach nicht mehr ans Telefon gegangen. Aber nach der heutigen Nacht kann es nur besser werden.

Kurz nach dem ersten Schnaps findet ein weiterer seinen Weg in meinen Magen. Dass die Musik gut ist, hellt meine Stimmung auf. Auch das Beobachten der anderen Leute amüsiert mich größtenteils. Allerdings sinkt meine Laune in den Keller, als ich diesen Idioten Scott Tyrell sehe. Er trägt die Montur des Clubs und die Aufmachung lässt darauf schließen, dass er hier Türsteher ist. Zum Glück bin ich ihm nicht schon beim Betreten begegnet. Zu gut kann ich mich an unsere letzte Begegnung vor einigen Jahren erinnern. Ich frage mich bis heute, weswegen er den Befehl verweigert hat. Die unehrenhafte Entlassung hat er sich selbst zuzuschreiben. Zwar ist es mir egal, denn wir sind alles andere als Freunde, aber so aus dem Dienst entlassen zu werden, ist bitter.

Mir war es wichtig, meinen Pilotenschein zu machen, und dann als Berufspilot zu dienen. Und das habe ich auch, bis mich vor eineinhalb Jahren eine Privatfirma abgeworben hatte. Die Rettungs- und Sucheinsätze sowie die Kameradschaft beim Militär waren eine unglaubliche Erfahrung, allerdings reizte mich die neue Herausforderung. Langfristig und vernünftig gedacht, hatte die ungefährlichere Arbeit bei Red Maple Helicopters für sich gesprochen. Und so war ich nun bei Vancouvers Adresse Nummer Eins für Helikoptereinsätze angestellt. Alles, was Rang und Namen hat, fliegt mit uns. Ob ein Schauspieler zu einer Preisverleihung will oder ein Politiker zu einem Gipfel muss, ist dabei unerheblich. Im Grunde fliegt die Firma jeden Einsatz, wenn er gut bezahlt wird. Regelmäßig werden wir zu Filmdrehs gerufen oder sind bei Spezialeinsätzen dabei.

Ich blinzle und reibe mir über die Augen, um die Arbeit zu vergessen. Auch wenn ich keine große Lust habe, möchte ich meinem Kumpel den Abend nicht verderben. Aidan hat uns einen weiteren Drink bestellt. Nachdem wir diesen vernichtet haben, laufen wir weiter durch den Club. Auf der Galerie bleiben wir stehen und sehen auf die tanzende Menge hinab. Früher habe ich auf solchen Partys die Sau herausgelassen, aber inzwischen bin ich einunddreißig und irgendwie bringt mir das Ganze nichts mehr. Vielleicht hätte ich mit Chloé Spaß gehabt, denn ich liebte es, wie sie sich bewegte. Sie konnte gut tanzen und hat mich nicht nur einmal dazu animiert, es ihr gleichzutun.

Abermals schüttle ich den Kopf und verdränge die Gedanken an etwas, das längst Vergangenheit ist.

Plötzlich fällt mein Blick auf eine glänzende schwarze Mähne. Langes glattes Haar bewegt sich um einen Körper, der mich schlucken lässt. Die Taille ist schmal, die Hüfte wohlgeformt und ihre Oberweite groß und prall. Das Kleid, das sie trägt, liegt so eng an, dass wenig der Fantasie übriggelassen wird. Es sieht wie ein Designerstück aus und auch der funkelnde Schmuck an Ohren und Hals sieht teuer und edel aus. Sie hat einen sonnengebräunten Teint und wirkt wie eine Mischung aus Russin und Latina. Als ich meine Augen von ihr losreißen kann, bemerke ich, dass ungefähr ein weiteres Dutzend Männer in ihrer Nähe sie anstarren.

Unvermittelt schallt Aidans Stimme in mein Ohr. »Die ist hotter as hell, die solltest du dir schnappen.«

Entgeistert sehe ich sein dreckiges Grinsen und verdrehe die Augen, als ich seine Worte verarbeitet habe. Es kotzt mich an, dass er mich beim Starren erwischt hat. Genau das wollte ich nicht, denn eigentlich sehe ich mich nicht nach etwas Fickbarem um. Frauen können mir nach wie vor gestohlen bleiben. Vor allem solche wie Chloé. Reiche verwöhnte Mädchen, die denken, die Welt würde sich ausschließlich und exklusiv um sie drehen. Aber in einer gesunden Beziehung sollte doch auch jeder noch sein eigenes Ding machen können.

»Keinen Bock auf Gezicke«, grummle ich und drehe mich um, damit ich nicht in Versuchung komme, nochmals hinzusehen. »Und die sieht aus, als wäre sie eine Dramaqueen.«

»Ich wiederhole: Du musst sie ja nicht gleich heiraten!« Vehement schüttle ich den Kopf. »Herrgott Cole, lass dir endlich das Hirn herausvögeln und dann wird sich auch der Rest wieder einrenken. Deine Laune ist langsam nicht mehr auszuhalten.«

»Ich will nicht!«, belle ich ihn an und würde mich am liebsten verdrücken.

»Du bist so bockig und ein dämlicher Idiot dazu.«

»Und du nervst tierisch! Ich bin mal frische Luft schnappen — allein!«, lasse ich ihn wissen und verschwinde in der Menge. So schnell es die vielen Menschen zulassen, laufe ich die Wendeltreppe nach unten und sehe mich suchend nach dem nächsten Outdoorbereich um. Endlich kann ich den stickigen Club verlassen und trete in die Kälte der Silvesternacht hinaus. An einer freien Stelle lehne ich mich an die Wand und frage mich, ob das eben wirklich nötig war.

Mein Kumpel meint es nur gut, aber er versteht nicht, dass ich im Moment eine Auszeit von allem, hauptsächlich aber von Frauen brauche. Mit geschlossenen Augen stehe ich da und versuche das Chaos in meinem Kopf zu ordnen. Dieses Durcheinander, welches Chloé hinterlassen hat, und das ich seit Monaten nicht schaffe aufzuräumen.

»Hast du zufällig Feuer?«, fragt mich unvermittelt eine Stimme von rechts. Schnell öffne ich die Lider und blicke in zwei intensivgrüne Iriden. Schwarzes Haar umrahmt ein fein geschnittenes, weibliches Gesicht mit hohen Wangenknochen. Ihr fruchtiger Duft verwirbelt für einen Moment jeden Gedanken in meinem Kopf.

»Ähm, nein. Ich meine ja«, stammle ich herum. Sie hebt die Zigarette mit ihren eleganten Fingern an ihre Lippen — an ihre vollen und sündigen Lippen — und sieht mich auffordernd an.

»Augenblick«, murmle ich und suche das Feuerzeug eilig in meiner Hosentasche. Ich finde, was ich suche und gebe ihr Feuer. Sie zieht den Rauch in ihre Lungen und stößt ihn nach einem Moment wieder aus. Ein dezentes Seufzen ist zu hören, dann lehnt sie sich an die Wand neben mich.

»Danke. Und, rauchst du auch?«, fragt sie mich und wir sehen uns an.

»Aufgehört«, antworte ich schlicht.

»Habe ich auch«, antwortet sie grinsend und nimmt demonstrativ noch einen Zug.

»Und warum stehst du nun rauchend neben mir?«

»Ich musste mich gerade über etwas aufregen«, sagt sie ausweichend und mustert mein Gesicht einen Moment.

»Und das war so schlimm, dass du rückfällig geworden bist?« Ich lache leise.

»Schlimm nicht, aber ich bin es leid, immer nur auf mein Äußeres reduziert zu werden.« Ich kann nicht verhindern, dass ich ihren Körper scanne.

»Ernsthaft?«, höre ich ihre Stimme, die nun einen verärgerten Unterton aufweist.

»Sorry, wenn ich ehrlich bin, aber was erwartest du bei diesem Kleid? Deine Möpse springen einen ja förmlich an.«

Sie schnappt nach Luft. »Punkt eins: Ich trage dieses Kleid, weil es mir gefällt! Und Punkt zwei: Nur weil ich etwas anziehe, das nicht an mir schlabbert, heißt das nicht, dass ich leicht zu haben bin oder mich jeder anfassen darf.« Sie inhaliert ein weiteres Mal den Rauch und stößt ihn zornig wieder aus.

»Da stimme ich dir zu! Dein Aussehen gibt niemandem das Recht, dich anzugrapschen. Aber leider vermittelst du durch eine solche Aufmachung genau diesen Eindruck.«

»Ihr Männer seid alles Arschlöcher. Ich kenne dich zwar nicht und doch weiß ich, nach wenigen Worten, dass auch du so ein Typ bist. Dabei siehst du sympathisch aus, und ich hatte Hoffnung auf ein normales Gespräch. Aber da lag ich wohl falsch.« Aufgeregt zieht sie an ihrer Zigarette und wirft sie dann halbgeraucht auf den Boden.

Ihr aufgebrachter Blick trifft mich, worüber ich mich innerlich amüsiere. Aber in Wahrheit bin ich sauer. Sie stempelt mich ab, und das kann ich nicht leiden. Als sie gehen will, halte ich sie mit einem Griff um ihren Unterarm auf und wirble sie herum.

»Maße es dir nicht an, über mich zu urteilen. Wie du selbst gesagt hast, kennst du mich nicht. Ich war nur ehrlich. Die Welt, so wie sie ist, habe ich nicht erschaffen. Wenn du willst, dass man dich ernst nimmt, dann ziehe dir kein Kleid an, dass sämtliche anwesenden Kerle verrücktmacht, weil sie sich vorstellen, wie sie ihren Schwanz zwischen deinen prallen Arschbacken reiben.«

Sie keucht, dann presst sie ihre Lippen aufeinander. Natürlich starre ich darauf, bevor ich ihr wieder in die Augen sehe. Die Luft zwischen uns knistert aufgeladen. Im Augenwinkel sehe ich, wie sie ausholt, um mir eine Ohrfeige zu verpassen, aber dank meines gut geschulten Rundumblicks und meiner blitzschnellen Reaktion fange ich ihre Hand ab. Dass ich sie belustigt ansehe, macht sie nur noch wütender und sie versucht, mir ihre beiden Arme zu entziehen.

»Lass mich los! Sofort!«, zischt sie, während ihre hochgehaltenen Arme zwischen uns schweben.

»Damit du mir eine runterhauen kannst? Nein, das werde ich nicht. Erst, wenn du dich beruhigt hast und einsiehst, dass ich recht habe.« Weiterhin zappelt sie und versucht freizukommen. Als sie endlich merkt, dass sie es nicht schaffen wird, hört sie damit auf. »Keine Tricks!«, brumme ich dicht vor ihr. Dass mich ihr Duft und die körperliche Nähe gehörig ablenken, verdränge ich weitestgehend. Schließlich ist sie genau der Typ Frau, um den ich einen weiten Bogen machen will.

Sie nickt mit finsterem Ausdruck.

»Und, habe ich recht?«

»Keine Ahnung«, schnauzt sie mich an und weicht meinem eindringlichen Blick aus.

Minimal lockere ich den Griff und sage: »Aber soll ich dir mal was verraten? Ich kenne Frauen wie dich. Dein Kleid und dein Schmuck schreien nach Reichtum. Du wirst den ganzen Tag überlegen, für welche Dummheiten du dein vieles Geld ausgeben kannst, statt etwas Sinnvolles zu tun.«

Mit einer energischen Geste entzieht sie mir eine Hand und versucht mich von sich zu schieben. Kurz bin ich überrascht, und fast wäre mir ihre andere Hand entkommen. Da ich aber nicht scharf darauf bin, einen roten Abdruck im Gesicht zu haben, fange ich ihre freie Hand auf und hefte sie links und rechts neben ihrem Gesicht an die Wand.

»Sag ich doch! Arschloch wie alle anderen. Du weißt nichts über mich, weswegen behauptest du solche Sachen? Willst nicht, dass man vorschnell über dich urteilt und tust es dann selbst. Lächerlich!«

»Stimmt es etwa nicht?«, frage ich dicht vor ihrem Gesicht. Wir starren uns an, dabei huschen ihre Augen über mein Gesicht und kurz bleiben sie auf meinem Mund haften.

»Nein«, haucht sie und verändert damit die Stimmung zwischen uns.

»Dieses Kleid, was den Namen so nicht verdient hat, ist also kein arschteures Designerteil? Und der ganze Schmuck an deinem Körper ist unecht? Und du arbeitest selbst für die Kohle, die du ausgibst?«

»Ja, das tue ich! Ich verdiene mein eigenes Geld und gebe nicht das von meinem Vater oder meinem Macker aus! Du weißt nichts von mir.« Sie ist so aufgebracht, dennoch war der letzte Satz nur noch ein Flüstern, welches ich gerade noch so wahrgenommen habe. Ihre Brust hebt und senkt sich schnell unter ihren Atemzügen.

Jedes Mal berührt ihr Busen meine Rippen und raubt mir zusehends die Kontrolle über die Situation. Ich weiß aktuell nichts zu erwidern und versuche, mich in jeglicher Hinsicht zu beruhigen. Leider versage ich auf ganzer Linie, als ich mich ihrem Gesicht nähere und mir vorstelle, wie sie wohl schmeckt. Und obwohl sie mich vermutlich hasst, kommt sie mir entgegen und berührt mich hauchzart. Dadurch vergesse ich plötzlich sämtliche Vorsätze bezüglich der verhassten Damenwelt und presse den Mund auf ihren. Fordernd gleitet meine Zunge zwischen ihre Lippen. Sie schmeckt nach Vanille und Kirschen und auch etwas nach Rauch. Stürmisch spielt meine Zunge mit ihrer. Die Leidenschaft übernimmt die Kontrolle und blindlings verschlinge ich die namenlose Schönheit vor mir wie ein Wahnsinniger. Es ist, als wenn man Öl ins Feuer gießt, denn mit jeder Erwiderung ihrerseits brenne ich mehr. Zwei Monate ohne Bettsport ist unverkennbar zu lang. Zumindest sieht das mein Körper auf einmal so, und outet sich als dreckiger Verräter, denn mein Schwanz wird bretthart.

Erst als ich einen stechenden Schmerz in meinen Weichteilen spüre, kapiere ich, dass ich ihre Hände losgelassen habe, sie mich ein Stück von sich geschoben hat und mir mit ihrem Bein einen Tritt in die Eier verpasst hat. Ich falle auf die Knie und halte mir fluchend und wimmernd meine Mitte. Mit Tränen in den Augen sehe ich auf und erkenne in ihrem Blick eine Mischung aus Verlangen und Lust, vermischt mit Rachsucht und Schadenfreude.

»Lass mich bloß in Ruhe«, faucht sie mich an und läuft eiskalt davon.

Mir bleibt nur, ihr fassungslos hinterherzusehen.

Minuten später, als der Schmerz sich in ein dumpfes Ziehen verwandelt hat, schaffe ich es, zu Aidan zurückzukehren. Schlauerweise hat er auf der Galerie auf mich gewartet. Er starrt mich finster an, als er meine traurige Gestalt jedoch besser erkennen kann, erhellt sich sein Blick.

»Was ist denn mit dir passiert?« Er beugt sich vor, betrachtet mich eingehend und schnuppert an mir.

»Warum?«

»Weil dein Mund rosa schimmert und du nach Kirschen und Rauch riechst.«

»Alles gut, ich habe mich nur mit jemandem unterhalten.« Ich kann nicht verhindern, dass ich das Wort unterhalten seltsam betone. Aidans Augenbraue schnellt nach oben und er grinst dämonisch.

»Kann es sein, dass du der größte Heuchler zwischen Vancouver und Toronto bist?«

»Wenn du wieder mit deiner Fick-Rede anfängst und mir erzählen willst, dass ich eine flachlegen soll, werde ich nach Hause fahren!«, drohe ich und wische mit dem Handrücken über meine Lippen. Der Blick auf meine Haut verrät mir, was Aidan auf meinem Mund gesehen hat. Ein Schimmer liegt darauf und die Geruchsprobe verrät mir, woher das Kirscharoma kommt.

Mit wenigen Worten berichte ich ihm dann doch von meinem kurzen, schmerzlichen Abenteuer. Zu seinem Glück lässt er es unkommentiert, auch wenn er gar nicht mehr aufhören kann, zu grinsen.

Die nächste Zeit vergeht mit Trinken, Auskundschaften des Areals, und letzten Endes lasse ich mich sogar zum Tanzen animieren. Aber egal, was ich mache, immer wieder tauchen die Bilder von der heißen Schwarzhaarigen auf. Und selbst der Whisky kann den Geschmack von Kirschen nicht verdrängen. Genauso kann ich ihren Duft nach süßen Früchten und wilden Blumen nicht vergessen.

Letztlich landen Aidan und ich wieder an der Bar, an der wir angefangen haben und warten darauf, dass wir auf das neue Jahr anstoßen können. Inzwischen ist Aidan von Beobachten zu Ansprechen, teilweise sogar zu Anmachen, übergegangen. Ich fürchte, ab sofort hat die Damenwelt schlechte Karten. Aber mir soll es recht sein. So fängt er wenigstens kein Gespräch über meine dubiose Unterhaltung mit der Schönen an. Noch immer schmerzt mein Intimbereich. Eins muss ich ihr lassen, sie hat ein wildes Temperament und ordentlich Courage.

Als meine Blase drückt, lasse ich meinen Kumpel an der Bar zurück und suche die Toilette auf. Nachdem ich fertig bin, wasche ich meine Hände und betrachte mich im Spiegel. Für einen Moment versuche ich mir vorzustellen, was Schneewittchen in mir gesehen hat. Meine braunen Haare, die ich sonst kaum style, sind von Ella zur berühmten Elvis-Tolle frisiert worden und ich muss gestehen, dass mir diese Frisur gut steht. Meine Gesichtsbehaarung ist wie immer ein Dreitagebart, den ich nur mit dem Aufsatz des elektrischen Rasierers trimme. Die Lederschnur, die ich stets um den Hals trage, und an der ein kleiner unscheinbarer Anhänger baumelt, erinnert mich an meinen Militärdienst und somit an eine gute Zeit in meinem Leben. Das schwarze Hemd, dessen oberste Knöpfe offen sind, wirkt elegant. Das hellgraue T-Shirt hat einen etwas tieferen Ausschnitt wirkt hingegen lockerer. Ella meinte, ich soll es so tragen, weil es gut aussehen würde. Da es hier ohnehin heiß ist, finde ich die Idee zudem praktisch. Meine breiten Schultern und der trainierte Oberkörper können sich auf jeden Fall sehen lassen, in dem figurbetonenden Stoff. Auch, wenn ich mich in der letzten Zeit öfter habe gehenlassen, bin ich noch recht gut in Form.

Tatsächlich habe ich schon lange nicht mehr so gut ausgesehen.

Hat Schneewittchen also einen Angeber und Aufreißer gesehen? Einen Kerl, den man als Player bezeichnen würde? Möglicherweise ja, und damit liegt sie derzeit nicht mal so falsch. Der jetzige Cole ist zum Arschloch von früher mutiert, aber beim Thema Aufreißen liegt sie absolut falsch. Das allerdings bringt mich zu der Überlegung, dass ich mit Sicherheit ebenfalls im Unrecht bin. Ohne Grund hätte sie sich sonst nicht so aufgeregt. Allerdings kann ich mir meine gnadenlose Ehrlichkeit nicht vorwerfen lassen. Natürlich hat keiner das Recht, sie zu betatschen, aber viele Männer halten sich nicht an die grundsätzlichen Anstandsregeln. Wenn dann noch Alkohol und Feierlaune dazukommen, ist ihnen alles egal.

Wieso um alles in der Welt bin ich eigentlich so heftig über sie hergefallen?

Der Tritt in meine Weichteile war jedenfalls ein klares Statement. Und auch ihre gepfefferte Antwort hat untermauert, was sie von mir hält. Allerdings frage ich mich, weswegen sie mir dann entgegenkam und die letzten Millimeter zu meinen Lippen überbrückt hat. Das alles ist total widersprüchlich und verwirrend.

Ich verlasse die Sanitärräume und biege um die Ecke. Unsanft remple ich an jemandes Schulter. Als ich Aufblicke erkenne ich ein bekanntes Gesicht, brauche aber einen Moment, damit es mir einfällt. Er ist Anwalt, Xavier McLane, wenn ich mich recht erinnere. Ich war einige Male bei ihm in der Kanzlei und hatte mich beraten lassen. Einige Monate später habe ich den Kerl und seinen Anwaltskollegen zu einem dringenden Termin geflogen. Danach noch ein paar weitere Male.

»Hey«, sage ich und mustere ihn kurz. »Alles klar?«

»Alles bestens bei mir. Cole Mitchell, richtig?«

»Genau.« Ich reiche ihm die Hand. »Xavier McLane, ich erinnere mich.«

»Bei dir auch alles fit?«, fragt mich der Anwalt, was ich bejahe.

Allerdings habe ich keine Lust auf längeren Small Talk und sage: »Tut mir leid, mein Kumpel wartet auf mich.«

»Kein Problem, ich habe ohnehin noch was Dringendes zu erledigen.« Er nickt Richtung Toilette und ich grinse.

»Vielleicht sieht man sich beim nächsten Flug.«

»Sicherlich«, antwortet Xavier.

»Machs gut«, rufe ich ihm

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 20.07.2022
ISBN: 978-3-7554-1757-6

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