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Einleitung

Es ist eine harte Welt, eine Welt voller Schmerz und Trauer, voller Einsamkeit und Bitterkeit, ohne Liebe und Hoffnung, ohne Licht und voller Schatten, aber damals wussten wir das nicht. Wir sind Ariake und Nichirin. Schon früh wurden wir von unserer Mutter getrennt, so früh, dass wir uns nicht einmal mehr an sie erinnern können, darum ist es auch gar nicht mal so schlimm. Schliesslich hatten wir noch uns.

Wir sind nun bald zwölf Monate alt. Anscheinend ist das ein grosses Ereignis, denn es kommen immer wieder fremde Leute zu uns, nicht die die uns füttern, es sind andere. Jeden Tag immer wieder andere. Sie kommen in unseren Käfig, streicheln uns und spielen mit uns. So schlimm ist das eigentlich gar nicht, auch wenn wir uns anfangs etwas gegen die plötzliche Nähe gesträubt hatten. Irgendwann hatten sie uns Halsbänder angelegt und uns in einen anderen Käfig verfrachtet. Er ist zwar etwas kleiner, doch dafür sind wir in einem Raum mit vielen anderen Käfigen in denen ebenfalls junge Katzen sind.

Zu Anfang hatten wir uns gefreut, doch sie waren sehr ängstlich und abneigend, ja sogar fast aggressiv. Das machte uns unsicher. Es kamen immer noch Leute die uns besuchten, doch sie spielten nicht mehr mit uns, streichelten uns nicht mehr. Meistens wurden wir an unseren Halsbändern gepackt und aus den Käfigen gezerrt um begutachtet zu werden. Die Leute gingen wieder ohne, dass etwas geschah und das machte uns Angst. Mit jedem Tag mit dem wir länger in diesem neuen Käfig waren, wuchs unsere Angst und unser Misstrauen.

Nichirin verkroch sich meistens hinter Ariake, denn er war der Mutigere von uns beiden. Doch auch bekam es immer öfters mit der Angst zu tun, bis er schliesslich einen der Wärter, die uns nach draussen zerren wollten um uns einem Fremden zu zeigen, biss. Dafür wurde er geschlagen und in einen anderen Käfig gesteckt. Doch wir wurden wieder zusammengelassen nachdem wir zwei Tage lang so jämmerlich nacheinander geschriene hatten, dass sie es nicht mehr ausgehalten hatten.

Wir freuten uns immer weniger auf unseren zwölften Monatstag. Die Tage wurden trist und es kamen immer mehr Leute, es waren meistens Männer die eine abscheuliche Aura hatten und sich unsere Nackenhaare nur schon bei ihrem Geruch aufrichteten. Wir versuchten nicht mehr mit den anderen Kätzchen durch die Gitterstäbe zu spielen. Meistens hatten wir uns aneinandergepresst in die hinterste Ecke des Käfigs verkrochen, in der Hoffnung, dass uns dort niemand erreichen mag. Welch ein Irrglaube.

 

Am Tag unseres zwölften Monatstags wurde unser Käfig aus den Reihen der anderen herausgezogen und auf einen Wagen gestapelt, der schon mit dutzenden anderen Käfigen gestapelt war. Wir konnten das Klagen der anderen Kätzchen hören. Die meisten schrien nach ihren Müttern oder Geschwister. Warum sie uns zusammengelassen hatten, dass wussten wir nicht.

Der Wagen fuhr durch die langen Gänge die in schummriges Licht gehüllt waren. Die Fahrt kam uns so unendlich lange vor, besonders, weil wir nicht wussten wohin es ging. Doch wir sollten es schon bald wissen, denn nach einer Weile bremste das Fahrzeug und wir wurden wieder abgeladen. Die Oberseite unseres Käfigs wurde geöffnet und Männer griffen uns an unseren Halsbändern. Erst versuchten wir uns zu wehren, doch sie waren deutlich stärker und schafften es schliesslich uns herauszuziehen. Zwar liessen sie nun von unseren Halsbändern ab, machten jedoch kurze Stricke an diese, damit wir nicht wegrennen konnten.

Nach einigen gescheiterten Fluchtversuchen drückten wir uns so gut es ging aneinander während die beiden Männer uns durch die weitere Tür schleiften. Was sich dahinter befand überforderte all unsere Vorstellungskräfte. Es war ein riesiger Saal mit hellen Lichtern und unzähligen von Leuten. Jedoch konnten wir sie trotz unserer scharfen Augen kaum erkennen, denn das Licht strahlte uns genau in die Augen. Lediglich ihren Geruch konnten wir wahrnehmen. Es roch nach Schweiss, Metall, besonders Gold, es roch nach Alkohol und Haargel, nach Moschus, Wachs und über allem lag der penetrante, beissende Geruch von Unmengen an Parfüm.

Nichirin musste als erstes niesen als wir in die Mitte einer grossen Bühne geschleift wurden. Dort ketteten die Männer uns am Boden an und traten in den Hintergrund. Leises Getuschel erhob sich in der Halle und alle Blicke waren auf uns gerichtet. Ein Mann auf einem Podium ganz in unserer Nähe erhob die Stimme.

„Und nun, ganz exklusiv, ein Geschwisterpärchen, Male, in den Farben Smoke und Creme. Sehr gut geeignet für den Heimgebrauch oder zur Zucht!“

Rufe hallten durch die Halle. Wir hatten die meisten Worte gelernt zu verstehen die um uns herum gesprochen wurden, doch einige Dinge verstanden wir immer noch nicht und so blieb uns nichts anderes übrig als vor Angst zitternd an den Boden gedrückt liegen zu bleiben und abzuwarten was geschehen würde.

„Ist dies das letzte Angebot? Niemand? 800‘000 zum Ersten, zum Zweiten und…“ Der Sprecher machte eine erwartungsvolle Pause bevor er schliesslich rief: „800‘000 zum Dritten! Verkauft an Ian Lowe, herzlichen Glückwunsch!“

Noch während der Sprecher weiterredete, kamen die beiden Männer die uns hereingezerrt hatten und schleiften uns diesmal in die andere Richtung aus der Halle heraus. Wir gingen nur zu gerne mit ihnen. Der Lärm und der Gestank in der Halle bereitete uns Kopfschmerzen. Anstatt in einen weiteren prunkvollen Saal kamen wir in eine tiefe Betonhalle. Kühle Luft schlug uns entgegen.

„Habt ihr einen Transporter da?“, hörten wir den einen Mann rufen und sahen auch bald an wen die Worte gerichtet waren. Zwei hochgewachsene Männer kamen von der anderen Seite der Halle auf uns zu. Der eine hatte schwarzes, etwas längeres Haar, eine viereckige Brille hinter welcher dunkle, beruhigende Augen hervor blitzen. Er hatte ein schmales, etwas kantiges Gesicht und blasse Haut. Der Mann der neben ihm ging hatte eine ähnliche Gesichtsform, doch waren seine Züge gerader, wenn nicht sogar etwas spitziger und seine hellblauen Augen liessen ihn kalt wirken. Seine blonden Haare reichten ihm bis über seine muskulösen, jedoch schmalen Schultern.

„Ja, er steht weiter hinten!“, antwortete der Schwarzhaarige. Die beiden Fremden hatten uns erreicht. Der, der gesprochen hatte, kniete sich vor uns nieder und hielt uns die Hand hin, doch wir wichen bloss beide vor ihm zurück, Ariake liess sogar ein leises Knurren von sich hören.

„Ian, lass die beiden doch. Die sind noch komplett verstört von dem ganzen Trubel hier! Gehen wir erstmal nachhause, ich bin müde!“, grummelte der Andere und stand mit verschränkten Armen daneben.

„Schon okay“, antwortete Ian lachend und stand wieder auf.

Impressum

Texte: © xtreme
Tag der Veröffentlichung: 30.01.2015

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