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Kirtisch

 

Dass ich mich auch in Bayern wieder arbeitslos melden musste, störte mich weniger als zu meiner Zeit in Hamburg.. Dort war ich immer so hin und her gerissen, zwischen dem was ich tatsächlich konnte (da hatte ich Zweifel an mir und in mich!), und dem, was ich machen wollte. Psychisch war ich auch reichlich angeschlagen, und hatte im Lauf von wenigen Jahren die Kontrolle über so wichtige Mechanismen des Alltags verloren. Allerdings so richtig Fuß gefasst, was das Berufliche anging, hatte ich nach dem Weggang von Data2000 nicht. Denn eigentlich war diese Arbeit genau das, was ich am liebsten gemacht habe. Diese nicht ganzen zwei Jahre, die ich dort war, hatten mir wirklichen Spaß gemacht. Es war die Mischung aus Dienstleistungen, dem Service am Kunden und dem Produktiven in der Druckerei. Ich kann schon sagen, dass ich damals sehr viel gelernt habe. Gerade in der Vielfältigkeit der Produkte kannte ich mich nachher sehr gut aus, und war somit in der Lage ausführliche und vor allem kompetente Beratungsgespräche zu führen. Es gab einige Kunden, die mich wirklich mochten und sich auf mich als Verkäufer verließen. Ein paar meiner Kolleginnen haben das allerdings anders gesehen, denn sie hatten nichts anderes zu tun, als immer wieder meiner Arbeit zu torpedieren. Ich glaube heute würde man das Mobbing nennen. Doch letztendlich ließ ich mich von all dem nicht beeinflussen, und machte meinen Job. Sogar mit Resultaten, die eben diese Kolleginnen, noch mehr auf die Palme brachten.

 

Bei einer Sache wollten sie mich bei dem Management eines Auftraggebers vorführen, doch dieser Schuss ging komplett nach hinten los. Denn letztendlich bekam ich noch mehr Privilegien zugesprochen und hatte Möglichkeiten, mich ziemlich frei auf dem Firmengelände zu bewegen (ich bekam einen speziellen Dienstausweis ausgehändigt), was sie so nicht geschafft hatten. Ich freute mich dagegen diebisch über diesen Erfolg! Irgendwann beruhigte sich das Ganze wieder, und wir arbeiteten wieder normal miteinander. Aber so ist das, wenn man als einziger Mann alleine mit Frauen arbeitet. Nicht, dass es mich extrem gestört hätte, aber gerade die ersten ein, zwei Tage nach einem Wochenende, waren da oft – ich nenn es mal vorsichtig – anstrengend. Da hatte ich dann doch hin und wieder das Gefühl, als wäre ich das personifizierte Böse in ihren Augen. Dann wurde der Unmut über eventuelle Schieflagen und sexueller Unausgeglichenheit in deren Beziehungen an mir ausgelassen. Frauen können da ja so gemein sein Zumindest Verhielten sie sich mir gegenüber oft sehr sonderbar und teilweise richtig übellaunig. Das endete meistens in einem sinnlosen Rumgemaule über Kleinigkeiten. Da passte dann gar nichts. Mein Parfüm roch zu streng, warum ich in den Mittagspause denn immer auswärts essen würde, wurde ich gefragt, ob ich zu viel Geld hätte, was meine damalige Freundin denn dazu sagen würde, dass ich „ständig“ so rumflirten würde… und so weiter und so weiter.. Aber mich haben all diese Erfahrungen auch geschult, würde ich behaupten. Geschult insofern, als dass ich gelernt habe, mich von solchen Attacken, solchem Missmut schnellstmöglich zu distanzieren. Das klappte zwar nicht immer reibungslos, aber ich konnte irgendwann erkennbare Grenzen setzen. Später gab es sogar Momente, in denen ich Spaß daran hatte, „meine“ Mädels bewusst zu provozieren und auf die Palme zu bringen. Mir fielen dazu immer wieder die entsprechenden Maßnahmen ein. Allerdings glaube ich, dass sie dann doch froh und auch erleichtert waren, als meine Kündigung bekannt wurde.

 

Ein paar Jahre später erfuhr ich dann über Umwege, dass das ganze Team auseinander gebrochen sei. Angeblich wurde alles anders, als ich dann tatsächlich weg war. Es wurde nicht mehr so viel gelacht, jeder versuchte nur noch dem anderen ans Bein zu pinkeln, die ganze Arbeit machte einfach ohne mich nicht mehr so viel Spaß. Dann änderte sich zudem noch was in der Chef-Etage, und unsere Abteilung büßte einige ihrer Privilegien ein. Bis dato waren wir immer ein wenig das Steckenpferd vom Geschäftsführer. Der war sich nicht zu schade, uns mal eine Ladung Pizza auszugeben, als er uns dabei erwischte, wie wir spät in der Nacht noch im Laden standen, um abertausende Seiten an Jahresberichten einer Bank zu drucken. Nachbearbeitung und vier Flaschen Sekt inklusive. Das war einer der besten Tage, die ich dort erlebt hatte.

 

Es schien sich etwas zusammen zu brauen und ich fasste den Entschluss, mich in nicht allzu ferner Zukunft von der Firma zu trennen. Angestachelt von meinem Vater – er nannte das immer ein Ermuntern - distanzierte ich mich immer mehr von der Überzeugung, dass ich es bei Data doch zu etwas bringen könnte. Angeblich stand ein gesundheitlicher Aspekt im Vordergrund. Doch heute glaube ich, dass mein Vater der Meinung war, ich würde mich dort unter Wert verkaufen. Immer wieder sah er mich in der schreibenden Zunft erfolgreich sein. Wie wohl ich mich aber fühlte, bei dem was ich bei Data machte, sah er nicht. Die Entscheidung, die ich dann fällen sollte, prägte mein ganzes weiteres Leben in erheblichem Maße und war nicht unbedingt zu meinem besten. Es dauerte Jahre, bis ich mich von diesem Schritt erholen sollte. Zurückblickend kann ich sogar sagen, dass ich heute immer noch daran zu arbeiten habe. Ich war im Begriff eine so wichtige Selbstständigkeit aufzugeben, denn ich verdiente gutes Geld, hatte Spaß beim Job und tolle Freunde um mich herum. Damals war das so. Wie sehr ich dann aus der Bahn geworfen werden sollte, habe ich nicht geahnt.

 

Dann dauerte es nicht lange, und bat ich um ein Mitarbeitergespräch bei der Geschäftsleitung. Mein Chef ahnte nicht, worum es gehen würde. Vorsorglich hatte ich zu Hause schon eine Kündigung vorbereitet, die in einem Umschlag in meiner Jackettasche steckte. Ich erklärte ihm, dass wir endlich eine Regelung finden müssten, was meinen Urlaub anging, selbiges galt für mein prallgefülltes Überstundenkonto von über hundertfünfundsechzig Stunden. In all der Zeit, die ich dort gearbeitet hatte, gab es kaum Gelegenheit, dass ich wirklich hätte Urlaub nehmen können. Stattdessen habe ich fast jedes zweite Wochenende, also Samstag und Sonntag, durchgearbeitet. Es kann auch wieder hin und wieder vor, dass ich weit nach Mitternacht noch mal zu unserem Auftraggeber nach Hamburg Fuhlsbüttel fuhr. Wir sprachen ausführlich und sehr ruhig über diese Probleme, und dann gab er mir immer wieder zu verstehen, wie gerne er mich als Mitarbeiter behalten würde. Mittlerweile war auch bei ihm angekommen, welchen wirklich guten Kontakt ich zu den unterschiedlichsten Kunden unterhielt. Doch zu einer wirklichen Einigung sollten wir bei dieser ruhigen Unterhaltung nicht kommen, was ich sehr bedauerlich fand. Er gab mir immer wieder ein tolles Feedback, und einen Moment lang schwankte ich mit meiner Entscheidung. Denn wenn Resortleiter anriefen, und sich für die gute und professionelle Zusammenarbeit mit mir bedanken, macht mich das schon stolz. Vielleicht war das auch einer der Gründe, warum ich einen „richtigen“ Mitarbeiterausweis des Verlagshauses bekam. Ich konnte damit günstig in der Kantine essen, und nicht die vollen Preise wie meine lieben Kolleginnen sie bezahlten. Doch das Angebot, was mir am Ende gemacht wurde, fand ich als unzureichend. Zwar wollte man mir etwas mehr Gehalt zahlen – es war glaube ich 500 D-Mark brutto, was ich mehr bekommen sollte. Mir war das zu wenig, und außerdem wollte ich ja mal richtig Urlaub machen. Im Gegenzug sollte ich mehr Verantwortung in einem neuen Aufgabengebiet übernehmen. Das sollte aber so nicht infrage kommen, also zog ich den Umschlag mit der Kündigung aus der Tasche und verabschiedete mich höflich. Der Chef ließe sich aber nicht nehmen, mich vielleicht noch drei Wochen lang immer wieder telefonisch zu kontaktieren, um mich vielleicht doch noch zurückzugewinnen. Die erste Zeit, in der ich von diesem Laden weg war, fühlte sich dann tatsächlich wie Urlaub an. Ich genoss die Zeit, endlich mal was für mich machen zu können. Schon lange war ich nicht mehr beim Training gewesen, was mir schon sehr fehlte.

 

Doch dann kam irgendwie alles zusammen, und ich machte mir das Leben unnötig schwer. Ich war so blauäugig gewesen, zu glauben, ich würde schnell wieder beruflichen Anschluss finden. Doch das sollte sich als absoluter Irrglaube herausstellen. Auch der finanzielle Einschnitt, der sich einstellte, traf mich dann mit voller Härte. Ich war nie der typische Sparer, weswegen meine finanziellen Polster auch ziemlich schnell aufgebraucht waren. Das erste Mal mein Leben musste ich mich richtig arbeitslos melden. Es fühlte sich beschissen an! Das Geld reichte natürlich vorne und hinten nicht, aber ich kann irgendwie klar. Zum Glück gab es ja, Papa! Was dann kam hätte ich so nie für möglich gehalten. Denn der Absturz, der folgte, war kaum auszuhalten. Über Umwege hatte ich erfahren, dass man unter Umständen bei Zeitarbeitsfirmen ganz gut unterkommen könnte. Ich schickte also meine Bewerbungsunterlagen zu einer namhaften Agentur in Hamburg und wurde tatsächlich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Es dauerte nicht lange, und es stellte sich heraus, dass sich mein Vermittler als ein richtiges Arschloch outete. Er versuchte mich irgendwie zu vermitteln, steckte mich – wohl aufgrund meiner Vorkenntnisse – in einen großen Kopierladen. Was mich da dort erwartete hatte allerdings überhaupt nichts mit dem zu tun, was ich bei meinem vorigen Arbeitgeber hatte tun dürfen. Ich hatte nichts mit der Produktion zu tun, nichts mit Kunden, sondern ich durfte in einem dunklen Lager Werbebroschüren konfektionieren. Ich war ein Hilfsarbeiter und so fühlte ich mich jetzt auch, denn ich wurde herablassend behandelt. Dann wurde ich in

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 18.04.2017
ISBN: 978-3-7438-0842-3

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Sie war schon speziell, meine Pferdefrau. Und wenn ich an Gandalf denke, dann wird mir warm ums Herz. So ein klein wenig.

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