Ich hörte die Kirchenglocke läuten, als wir auf dem Weg zu dieser waren. Das schwarze Kleid passte sich meinem schlanken Körper an und das Schwarze Trauergesteck hielt meine Haare oben. Mit wässrigen Augen starrte ich auf den Boden, den Blumestrauß vor mir gehalten und darauf achtend, dass mir das Gesteck nicht aus den Haaren rutschte, lief ich auf die Kirche zu. Das Läuten verhallte nach wenigen Minuten, die mir vorkamen wie Stunden. Neben mir lief meine beste Freundin, die trauernd geradeaus ins nichts schaute.
,,Lynn?“ Fragte ich vorsichtig. Ihre einzige Reaktion war ein zucken mit ihrer Wimper. ,,Ich vermisse ihn auch.“, Meinte Ich daraufhin und senkte den Blick wieder in Richtung Boden. Lynn schwieg jedoch weiter vor sich hin. Wir erreichten die Kirche und traten hinein. Ich spürte wie ich begann zu zittern, nicht vor Kälte, nicht vor Angst, nein, vor Trauer und Wut. Ich schaute einmal durch die Kirche und hörte dann wie Lynn anfing zu schluchzen. Ich warf ihr einen sanften Blick zu, ehe ich sie in den Saal führte und wir uns in die erste Reihe setzten. Ich nahm sie einmal in den Arm um ihr, ein paar beruhigende Worte zu zuflüstern, währenddessen schaute ich zu, wie der Pfarrer der Kirche nach vorne aufs Podest trat. Um uns herum saßen noch viele andere Menschen in schwarzer Kleidung und Frauen mit Trauergesteck im Haar. ,,Wir alle kannten Hr. Mckenzie gut.“ Fing der Pfarrer an. ,,Bitte, nennen sie ihn doch Luca!“ Fiel ihm eine Brünette Frau ins Wort. Mama. Der Pfarrer nickte nur und fuhr mit der Zeremonie fort. ,,Er war ein freundlicher, aufgeschlossener Mensch ohne Probleme...“ Bei diesen Worten setzten meine Nerven aus und Tränen rannten meine Wangen hinunter. Ich beruhigte mich nur langsam wieder, als die Zeremonie schon fast beendet war. ,,Um Luca die letzte Ehre zu erweisen, dürfen sie nun noch ein paar Andenken in den Sarg legen.“ Mit diesen Worten verließ der Pfarrer das Podest und einige Menschen standen auf, um Blumen in den Sarg zu legen.
Nachdem alle gegangen waren und nur Lynn und Ich noch da waren, atmete ich flach ein und aus, ehe ich zum Sarg nach vorn ging. Lynn stellte sich neben das Podest und wartete geduldig dort. Ich schaute gequält und mit Tränen in den Augen zum Sarg hinunter. Luca war so blass und seine Sommerbräune war komplett verflogen. Sein Brünettes, sonst so perfekt gestyltest Haar war voller Spliss und er roch auch nicht mehr nach seinem, Lieblings Parfüm. ,,Ich hasse dich dafür das du mich verlassen hast.“ Schluchzte ich und wischte mir mit der Hand meine Tränen aus dem Gesicht. ,,Aber, du kommst jetzt an einen besseren Ort, da bin ich mir sicher.“ Sie biss sich mit Druck auf die Unterlippe um nicht noch einmal weinen zu müssen. ,,Ich werde dich vermissen, Bruderherz.“
Mit den Worten legte Ich den weißen Blumenstrauß in den Sarg hinein und dazu noch eine goldene Kette mit einem Herz daran. Es war nur die Hälfte eines Herzens, Ich trug die andere. Ohne weitere Worte zu verlieren, ging ich zu Lynn hinüber und folgte ihr aus der Kirche. Wir versuchten die Nerven zu behalten, als wir die Straße hinunter liefen. Lynn schaute die ganze Zeit auf den Boden, was ich ihr allerdings nicht verübeln konnte. Ihre ganze Wimperntusche war verschmiert, genauso wie meine, aber einer musste ja ein Auge auf die Straße haben. Ich gähnte ein bisschen, welches aber von einem erneuten Schluchzer abgelöst wurde. Ich wollte nicht mehr weinen! Zurückbekommen würde ich ihn sowieso nicht, da konnte ich so viel heulen wie ich wollte. Er war tot, damit musste ich jetzt leben, oder?
Lynn und ich schwiegen noch eine ganze Weile und liefen nur neben einander her, bis wir an ihrem Haus ankamen. Groß, weiß und ein schöner grauer Zaun darum. ,,Bye." meinte sie nur knapp und verschwand auch schon aus meinem Blickfeld. Eigentlich sollte cih sauer auf sie sein, aber dies blieb wie erwartet aus. Ich konnte ihr nur wirklich schlecht übel nehmen, dass sie keine Lust hatte zu Reden, schließlich war Luca nicht nur mein Bruder, sondern auch ihr Freund gewesen, erst dadurch hatte ich sie ja überhaupt erst kennengelernt! Ich seufzte leise, ich sollte mich auch weiter auf den nach Hause Weg machen. Mit einer Miene wie Zehn Tage Regenwetter lief ich bis zum Ende der Straße und öffnete unsere Gartentür, die glücklicherweise offen war. Ich schloss sie hinter mir und ging zur Haustür. Sie war ebenfalls offen, was mich nun doch etwas stutzen ließ. Ich öffnete sie und schloss sie sogleich wieder. Meine Mum war noch nicht da, doch ein anderes paar Schuhe stand im Flur und Wut kam in mir hoch. Ich warf meine Schuhe in eine Ecke und rannte unsere Kellertreppe hinunter. Zwei Türen. Eine zum Zockerzimmer meines zweiten Bruders, die andere führte zu unserer Wäschekammer. Ich öffnete die erst genannte Tür und sah meinen Bruder dort vor seiner Playstation sitzen und zocken. Innerlich kochte ich, als ich ihm die Kopfhörer von den Ohren zog.
,,Hey!" meinte er entrüstet und nahm mir die Kopfhörer gleich wieder ab. ,,Hast du nichts besseres zu tun als mich zu nerven? Und warum siehst du so depressiv aus?" Fragte er misstrauisch und legte seine Kopfhörer neben sich auf den Tisch. ,,Sag mal, Spinnst du eigentlich? Luca ist tot und dich interessiert es nicht mal!" Ich hatte vielleicht noch nicht erwähnt, dass meine beiden Brüder sich gehasst haben. Jeder von ihnen wollte besser sein als der andere und mittlerweile hatten sie nicht mal mehr ein Wort miteinander geredet. ,,Was kann ich dafür wenn er zu blöd zum Auto fahren ist?" Meinte er todernst und funkelte mich leicht an. ,,Wie kannst du so etwas sagen, er ist dein Bruder!" Ich versuchte meine Tränen zurückzuhalten. ,,Falsch! Er WAR, mein Bruder." Ok, das war zu viel für mein zerbrechliches Gemüt. ,,Weißt du, ich wünschte es hätte dich erwischt!" Feuerte ich weinend zurück. Er schaute mich kurz an, ohen jegliche Veränderung seiner Mimik. ,,Dann hätte ich zumindest nicht mehr mit ihm und dir unter einem Dach leben müssen!" Erwiderte er eiskalt. Ich musterte ihn kurz mit Tränen in den Augen, die sich langsam einen Weg über meine Wangen bahnten. Mir fiel auf, dass er seit langer Zeit mal wieder ein T-Shirt trug. Ich kniff die Augen zusammen als ich einige Narben an seinen Armen ausmachen konnte. ,,Sag mal, Finn?" Meine Stimme wurde leiser und brach am Ende des Satzes ab. ,,Hm?" Ohen mir eine wirkliche Beachtung zu schenken, spielte er einfach weiter auf seiner Konsole. ,,Ritzt du dich eigentlich noch?" Ich beschloss lieber direkt zu fragen, anstatt um den heißen Brei zu reden. Ich spielte nervös mit meinen Fingern, als ich seinen verachtenden Blick auf mir spürte und er den Kontroller zur Seite legte. Er erhob sich aus seinem Sitzsack und funkelte mich leicht an. ,,Verdammt Joyce! Nein, tue ich nicht und jetzt hau ab!" Mit einem Mal stieß er mich in Richtung Tür und schubste mich raus in den Keller. ,,Jetzt lass mcih endlich in Ruhe!" Forderte er noch wütend von mir, ehe er die Tür vor meiner Nase zu knallte und von innen abschloss.
Ich seufzte leise. Das war alles so unfassbar kompliziert...
Wütend und gekränkt zu gleich lief ich die Kellertreppe wieder nach oben, nur um direkt mein hübsch eingerichtetes Zimmer zu gehen. Ich verschloss von innen und ließ mich auf mein weiches Bett fallen. Wieso war die Welt eigentlich so verdammt übel? Wieso konnte nicht ein anderer aus dem Leben gerissen werden, sondern unbedingt mein Bruder? Ich stieß einen frustrierte Schrei aus und ließ mein Gesicht in mein Kissen sinken. Eine ganze Weile lag ich einfach da, mit dem Gesicht im Kissen, ohne Regung und ohne Laut, bis es an meiner Zimmertür klopfte. Ich hob leicht den Kopf und schaute zur Tür. ,,Was ist?“ Rief ich so laut ich konnte und ließ meinen Kopf wieder sinken. ,,Schätzchen, Da ist jemand für dich an der Tür!“ Ich stieß einen genervten Seufzer aus und stand dann langsam auf, meine Gelenke knackten ein wenig und als ich auf die Uhr sah, wurden meine Augen groß. Es waren ganze zwei Stunden vergangen in denen ich nur rumgelegen hatte? Krank.
Ich schlurfte langsam zu meiner Zimmertür und drehte den Schlüssel im Schloss, ehe ich die Tür öffnete und den Kopf hinaus steckte. ,,Wer ist es?“ Fragte ich schroff, aber meine Mutter sah mich nur freundlich an. ,,Er meinte er heißt Aiden, du kennst ihn, oder nicht?“ Ich seufzte genervt. ,,Er geht in meine Klasse und ich hasse ihn!“ Meine Mutter machte ein leicht erstauntes Gesicht. ,,Aber Joy, er sieht doch wundervoll aus und scheint durchaus sehr nett zu sein.“ Ich schüttelte leicht den Kopf. ,,Das täuscht! Er ist ein furchtbarer Macho und macht jedes Mädchen an, Ich weiß nicht mal woher er weiß das ich hier wohne!“ Feuerte ich zickig zurück und erntete den tadelnden Blick meiner sonst so sanften Mutter. ,,Du gehst jetzt nach unten und sagst diesem netten Jungen Hallo!“ Kommandierte sie mich streng, so dass ich gar keine anderer Wahl hatte als die Treppe hinunter zu stolpern und zur Haustür zu gehen, in der tatsächlich Aiden stand.
,,Was willst du von mir?“ Fragte ich giftig und lehnte mich leicht an die Wand. ,,Darf man nicht mal sein Beileid aussprechen? Schließlich hast du deinen Bruder verloren!“ Ich kniff meine Augen leicht zusammen und zischte leise. ,,Was geht dich das an? Du mochtest ihn nicht mal!“ Natürlich hatte Aiden ihn nicht gemocht, schließlich hatte Luca mich immer vor ihm bewahrt. ,,Wer sagt denn, dass ich ihn nicht gemocht habe?“ Fragte Aiden gespielt freundlich, was man ihm schon auf den ersten Blick ansah. ,,Bist du gekommen um mich weiter daran zu erinnern, oder wolltest du was wichtiges?“ Lenkte ich das Thema um und ging zur Tür. Er griff sich in den Nacken und lächelte etwas. ,,Glaub mir, wenn ich Geschwister hätte und einen von ihnen verlieren würde, wäre ich jetzt genauso wie du drauf.“ Ich knurrte leicht wütend. ,,Gut, dann tschüss!“ Mit einem Mal schlug ich die Tür vor seiner Nase zu und ging zurück zur Treppe.
,,Und? Was wollte Aiden?“ Hörte ich die Stimme meiner Mutter hinter mir fragen. ,,Nichts besonderes.“ Entgegnete ich nur und lief die Treppe eiligst nach oben, um mich wieder in meinem Zimmer einzusperren. Den Schlüssel warf ich auf meinen kleinen Schreibtisch, auf dem auch einige Schulbücher und mein Laptop standen. Ich öffnete danach eines meiner Fenster und setzte mich auf das Fensterbrett, wie ich es immer tat, wenn ich nachdenken musste. Ich stützte mein Kinn auf meine Knie und schaute in die orange Abendsonne. Sie war so wundervoll und fast jedes Mal schaute ich sie mir an. Oft saß ich mehrere Stunden einfach nur auf diesem schmutzigen Fensterbrett und starrte zur Sonne, wenn sie unterging. Ich hob mein Kinn wieder und spielte mit meinen dunklen Haarspitzen um meine Nervosität zu unterdrücken. Meine Hände zitterten leicht, nicht, weil es kalt war, sondern weil ich so Nervös war und voller Trauer und Wut. Trauer, weil ich gerade einen meiner liebsten Brüder verloren hatte, Wut, weil es meinen anderen Bruder am Arsch vorbeiging das er tot war und nervös, weil mich das ganze einfach innerlich auffraß. Als mir das Zittern meiner Hände zu viel wurde, ließ ich sie sinken und lehnte meinen Kopf an den Fensterrahmen. Früher hatte ich immer Angst hinunter zu fallen, aber mittlerweile saß ich so oft und so lange hier oben, dass ich mich vollkommen daran gewöhnt hatte und es nur noch genoss hier oben in der Sonne zu sitzen.
Und am meisten genoss ich aber die grandiose Sicht auf Vancouver. Die vielen Häuser und Menschen, dazu das leise Brummen der Automotoren und das zwitschern vereinzelter Vögel. Es war einfach wundervoll und ließ mich das ganze Theater beinahe vergessen. Ein normaler Mensch der gerade jemand besonderes verloren hatte, würde sich die Augen ausheulen und schreien und kreischen, aber so was konnte ich nicht. Mir wurde beigebracht schnell über Dinge hinweg zu kommen, egal wie schlimm es war.
Das hatte mein Dad mir beigebracht, bevor er uns verlassen hatte. Also, eigentlich hatte er ja nur Mum verlassen und durch eine jüngere ersetzt, aber seit dem habe ich den Kontakt zu ihm so gut es ging unterbunden. Auch wenn er mein Vater war, wollte ich nicht mit einem Mann unter einem Dach Leben, der eine Frau durch eine Andere ersetzt hatte. An dem Tag hatte ich gelernt, was Männer für Idioten waren und das sie einfach keinen Skrupel besaßen. Da hatte ich mir geschworen, mich nie wieder zu verlieben, egal wie heiß und nett mein männliches Gegenüber sein würde. Meine letzte Beziehung ging nach zwei Jahren in die Brüche, da wir uns einfach auseinander gelebt hatten und er sich auch Recht schnell eine neue Freundin gesucht hatte.
Ich schob diesen Gedanken so schnell ich konnte wieder beiseite. Ich wollte jetzt bestimmt nicht an meinen Ex denken, ich wollte ihn einfach nur aus meinem Kopf verbannen, nichts weiter. Ein leises Gähnen entwich mir und ich warf noch einen Blick zur Uhr. Es war noch gar nicht mal so spät, es würde wohl gleich erst mal Essen geben. Die Uhr sagte 18:10 Uhr, normalerweise wäre ich jetzt noch draußen unterwegs, aber darauf hatte ich heute wirklich keine Lust gehabt.
Wie erwartet rief meine Mutter schon wenige Minuten später zum Essen. Langsam stieg ich vom Fensterbrett und schloss meine Zimmertür auf. Den Schlüssel steckte ich in meine Jeanstasche und lief die Treppe hinunter, nachdem ich meine Tür angelehnt hatte. Am Tisch, unten in der Küche saßen bereits mein Bruder Finn, meine Mum und... ein Fremder Kerl? ,,Sag mal, Mum... wer ist das?“ Fragte ich mit einem Misstrauischen Blick auf den Typen im Hemd. ,,Ach Schätzchen, dass ist Jackson, ich kenne ihn von der Arbeit.“ Ich kniff leicht meine Augen zusammen. Meine Mum hatte noch nie einen Typen von ihrer Arbeit mitgebracht, wen lernte man im Krankenhaus schon kennen? Vielleicht war er irgendein kranker Patient oder so was! ,,Er ist Arzt und eine Abteilung über mir!“ Verkündete sie freundlich und stellte das Essen auf den Tisch. Spaghetti mit irgendwas. ,,Finn, was sagst du denn dazu?“ Fragte ich etwas wütend auf meine Mum. ,,Was soll ich davon halten?“ Entgegnete er und machte sich ein paar Spaghetti auf seinen Teller. ,,Mum, ihr seit aber nicht..“ ,,Schatz, wir wollten es dir später sagen!“ unterbrach sie mich mit sanfter Miene. ,,Ach ja? Wann denn, wenn ich verheiratet seit oder was?“ Fauchte ich sie wütend an und sie zuckte leicht in sich zusammen. ,,Joy, jetzt glaub mir doch, wir wollten es dir früh genug sagen!“ Versuchte sie mir zu erklären. ,,Vergiss es Mum! Ich Hab echt kein Hunger mehr und geh’ lieber wieder hoch, ehe ich deinem netten Macker hier aufs Hemd kotze!“ Ich war Jackson einen feindlichen Blick zu und lief einfach schnellen Schrittes aus der Tür, bis zur Haustür und einfach raus.
Das war wirklich nicht zu glauben. Wie konnte mir meine eigene Mutter eine solche Beziehung so lange vorenthalten? Wahrscheinlich wollte sie auch nur, dass ich mit Aiden rede, damit ich auch endlich wieder eine Beziehung hatte, aber nicht mit mir! Sie würde schon noch sehen was sie davon hat, wenn sie mir ihren neuen
Macho unbedingt vorenthalten musste!
Mittlerweile lief ich schon etwa 30 Minuten durch Vancouver ohne Plan und Ziel, wo ich überhaupt hinwollte. Ich war mittlerweile auch schon umgezogen, da ich nicht unbedingt mit Trauergesteck im Haar und einem schwarzen, depressiven Kleid herum laufen wollte. Meine dunkelbraunen, glatten Haare flossen nun über meine Schultern und ich lief in ein paar Chucks, einer Jeans und einem schwarzen Top herum. Es war wunderbar warm, weshalb ich keine Anstalten gemacht hatte, eine Jacke mitzunehmen. Ich überlegte fieberhaft, was ich tun könnte, aber mir wollte wirklich nichts anfangen. Ich wollte nicht nach Hause, soviel stand fest, aber einen anderen Ort, den ich aufsuchen konnte, wusste ich nicht. Seufzend ließ ich meinen Kopf hängen und lief weiter den Bürgersteig entlang, der mich bis zu unserem wundervollen Park führte. Das Gras Sprieß aus dem Boden heraus und einige Bienchen summten herum, als sie die schönen, bunten Blumen bestäubten. Ich lächelte mit leicht schräg gelegtem Kopf und setzte mich auf eine Parkbank. Nachdenklich spielte ich mit meinen Fingern und starrte auf diese. Wieso war mein Leben eigentlich so furchtbar kompliziert? Was würde denn als nächstes kommen? Wovor ich mich wohl am meisten fürchtete, war das Mum diesen Jackson heiraten würde, dass wäre grauenhaft! Oder, was wäre, wenn Finn plötzlich mit einer Freundin nach Hause kam? Dann wäre ich ja die einzige in meiner Familie die ein Single wäre! Das wäre ja peinlich! Selbst meine 40-Jährige Mum bekam noch einen einigermaßen gut aussehenden Typen ab und ich? Ich würde wohl einsam und allein zusammen mit 20 Katzen sterben.
So tief wie ich in meinen Gedanken versunken war, bemerkte ich wie so oft nicht, dass ich Gesellschaft bekam, auch wenn ich nicht unbedingt die ganze Zeit allein sein wollte, war ich über diese Gesellschaft nicht sehr glücklich. ,,Was willst du Aiden?“ Fragte ich giftig ohne ihn anzusehen. Meine Finger waren doch um einiges interessanter als er, fand ich zumindest. ,,Du siehst nicht besonderes glücklich aus.“ Bemerkte er nur und ich konnte auch so spüren wie er lächelte. ,,Und?“ Entgegnete ich nur und sah nun doch leicht skeptisch auf. ,,Erzähl schon, was ist passiert?“ Als ob ich ihm das erzählen würde. Sollte ich ihm jetzt mein Herz ausschütten oder was? ,,Es geht dich nichts an, verstehst du das nicht?“ Murrte ich angesäuert und sah wieder zu meinen Fingern, während ich sein trübes Seufzen vernahm. ,,Darf ich dir etwas zeigen, Joyce?“ Fragte er mich nach einigen Moment des Schweigens. ,,Kommt drauf an, was du mir zeigen willst.“ Meinte ich und schaute wieder auf. ,,Es ist was wirklich wunderschönes, vertrau mir!“ Nein, tat ich nicht. Ich mochte ihn nicht, wie sollte ich ihm dann vertrauen? Andererseits würde ich durchaus gerne aus diesem Park heraus kommen, auch wenn er noch so ruhig und naturgetreu war.
,,Äh, Okay. Ich denke, ich kann mir ja mal ansehen was du mir zeigen willst.“ Stimmte ich dann leicht nervös zu. War das jetzt richtig, oder hätte ich dieses Angebot doch lieber ablehnen sollen? Jetzt war es sowieso zu spät. Er stand auf und griff nach meiner Hand, diese zog ich allerdings zurück. ,,Ich kann durchaus allein aufstehen.“ Maulte ich und erhob mich von der Parkbank, ehe ich knapp hinter ihm den Park verließ. ,,Was willst du mir denn jetzt zeigen?“ Quengelte ich schon nach wenigen Minuten, die wir durch die Stadt gelaufen waren. ,,Bist du wirklich so ungeduldig?“ Fragte er, ohne meine Frage zu beachten. ,,Wenn meine Fragen nicht beantwortet werden, Ja.“ Erwiderte ich und holte nun etwas zu ihm auf. ,,Okay, du sagst mir was du mir zeigen willst und Ich...“ Äh, Ja. Ehrlich gesagt fiel mir gerade nichts ein was ich als Gegenleistung tun könnte. Er grinste etwas. Hm, er schien wohl auf eine Idee gekommen zu sein, allerdings wusste ich schon jetzt, dass ich, was auch immer er sich gerade dachte, dies nicht tun würde. ,,Egal woran du denkst, Nein!“ Er schaute zu mir und setzte sein unschuldigstes Lächeln auf. ,,Woran hab ich denn gedacht, was dich so abschreckt?“ Fragte er unschuldig. ,,Weiß ich nicht, aber ich werde es nicht tun!“ Er hob leicht abwehrend die Hände. ,,Schon gut, ich höre ja auf zu denken!“ Verteidigte er sich und ein flüchtiges Lächeln huschte über meine Lippen, wenigstens hatte er Humor.
,,Sind wir jetzt da?“ Fragte ich nach einigen Minuten wieder und er schüttelte wie erwartet mit dem Kopf. ,,Gleich.“ Meinte er jedoch und führte mich bis zu einem Waldrand. Außer dem Park, war dieser Wald hier der einzige Ort, der in Vancouver noch naturverbunden war. ,,Was wollen wir denn hier?“ Fragte ich etwas irritiert. Niemand sonst begab sich in den Wald, er schien für alle anderen wohl irgendwie unheimlich oder so was. ,,Da müssen wir rein, damit ich es dir zeigen kann!“ Es? Es war also kein Mensch! Vielleicht ein versteckter Mutant oder, ein geheimer Bunker mit Waffen. Oder ein Streichelzoo mit Einhörnern! Jedenfalls irgendwas, was um keinen Preis entdeckt werden wollte. ,,Was versteckst du darin?“ Fragte ich etwas neugierig und folgte ihm über den schmalen Waldweg. ,,Wer sagt, dass ich darin etwas versteckte?“ Erwiderte er freundlich und führte mich weiter hindurch. ,,Was ist es? Ein Bunker? Ein Streichelzoo? Ein Mutant?“ Fragte ich weiter und sah mich manchmal etwas um, wenn ich es rascheln hörte. ,,Ein was? Streichelzoo?“ Fragte er verwirrt, stieß aber ein leises Lachen aus. ,,Ja, so mit Einhörnern und so was!“ Er hob eine Augenbraue und sah über seine Schulter zu mir. ,,Na sicher. Ich verstecke einen Streichelzoo mit pinken Einhörnern die auf Regenbögen tanzen.“ Meinte er selbstsicher nach vorn, um nicht gegen einen Ast oder ähnliches zu laufen. Hm, Okay. Einen Streichelzoo oder Mutanten hatte er wohl nicht, Schade eigentlich.
Nach geschätzten 10 Minuten schweigen und laufen, versperrte Aiden mit seinem Arm plötzlich den Weg, so dass ich dagegen lief. Gerade als ich ihn anpöbeln wollte, entdeckte ich wohl das, was er mir zeigen wollte:
Ein blauer, klarer See erstreckte sich meterweit über den Waldboden. Auf ihm trieben glänzende Seerosen und manchmal hüpfte ein Fisch an die Oberfläche. Am Rande des Sees war etwas Schilf, aus dem man es Quaken hörte. ,,Aiden, dass ist..“ Ich musste meinen Satz unterbrechen. Dieser Anblick war einfach so.. Perfekt, dass ich kein weiteres Wort herausbekam. ,,Wundervoll, nicht wahr?“ Damit stahl er mir förmlich die Worte aus dem Mund. ,,Und wie!“ Bekam ich heraus und starrte auf die leuchtende Wasseroberfläche.
,,Wie hast du diesen Ort gefunden?“ Fragte ich noch erstaunt, als wir uns im Gras niederließen, welches um den See wuchs. ,,Es war reiner Zufall!“ Meinte er erfreut und folgte meinem Blick in Richtung Wasseroberfläche. ,,Wieso Zufall, und kein Schicksal?“ Fragte ich neugierig weiter, allerdings ohne ihn eines Blickes zu würdigen. ,,Ich glaube nicht an Schicksale, alles ist Zufall, nicht mehr.“ Beantwortete er meine Frage ganz monoton und ich hob meine beiden Augenbrauen leicht an. ,,Du glaubst nicht an Schicksale? Wieso nicht?“
Er schien zu lächeln, denn seine Stimme wurde sanfter. ,,Wieso sollte ich daran glauben? Ich bezweifle, dass bestimmte Treffen von bestimmten Personen.. Nun ja, geplant sind.“ Einen kurzen Moment fehlten mir die Worte, doch ich fand sie glücklicherweise schnell wieder. ,,Aber, was ist zwischen Romeo und Julia gewesen?“ Erwiderte ich fragend und sah zu ihm. Er rollte leicht mit den Augen. ,,Das ist nichts mehr als ein Musical, da wird nur gespielt.“ Erwiderte er. ,,Aber es basiert auf einer wahren Begebenheit!“ Konterte ich und er schüttelte nur leicht den Kopf. ,,Woher wollen wir das wissen? Niemand von uns war zu dieser Zeit dort.“ Jetzt schwieg ich und dachte darüber nach. Eigentlich hatte er ja recht, treffen von Personen konnten nicht vorhergesagt werden.
Oder?
Tag der Veröffentlichung: 06.06.2014
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich möchte mich schon jetzt bei allen Lesern, Herzern usw. bedanken. Auch bei meinen Freundinnen sehr, da sie mich erst dazu motiviert haben, dass ich hier ein Buch schreibe. ^^