Inhaltsverzeichnis
Der Esel und die Tiere
Lennox macht sich auf den Weg
Der Esel und der Frosch
Falsche Richtung
Bei den Kühen
Lennox und Oma
Esel vermisst
Freunde
Gute Freunde findet man nicht am Wege.
(Deutsches Sprichwort)
Auf einer kleinen Farm lebte ein Esel.
Der Esel war ganz allein und führte ein trauriges Leben. Der Esel konnte sich nicht mehr erinnern, wie lange er schon auf der Farm lebte und wer ihn dorthin gebracht hatte.
Auch an seine Eltern und an sein Leben vor der Farm konnte er sich nicht erinnern. Das war alles schon so lange her.
Manchmal träumte er von einer großen Eselfamilie.
Dann rannte er mit seinen Geschwistern um die Wette und spielte Verstecken. Doch leider wachte er immer wieder auf und war wieder alleine.
In anderen Träumen wanderte er in einem fremden Land durch enge Gassen.
Es war heiß und staubig. Doch der Esel fühlte sich wohl, denn er wusste, dass abends im Stall jemand auf ihn wartete.
Jedes Mal, wenn er aus seinen Träumen erwachte, fühlte er sich noch viel einsamer als zuvor. Er wollte so gerne dazugehören und fasste eines Tages einen mutigen Plan.
Alle Tiere auf der Farm wollte er fragen, ob er ein Teil der Gemeinschaft sein durfte.
Als er versuchte, Anschluss bei den Pferden zu finden, lachten sie ihn nur aus.
„Hahaha, du siehst so komisch aus. Dich wollen wir nicht!“
Traurig gesellte sich der kleine Esel zu den Schafen. Tapfer versuchte er, ein wenig zu lächeln.
Auch hier fiel er auf, weil er nicht so schönes, weiches Fell hatte wie sie.
„Wieso bist du so grau?“, fragte ein Schaf.
„Das kann ich nicht erklären, ich habe mir mein Fell nicht ausgesucht!“, antwortete der Esel und zog weiter.
Auch bei den Hühnern fand er keine Freunde.
„Wieso hast du nicht so einen schönen gelben Schnabel wie wir?“, fragten sie neugierig.
„Ich weiß es nicht, ich habe nun einmal nur dieses Eselgesicht!“, erklärte der Esel verlegen.
„Aber ich kann schreien!“, fügte er hoffnungsvoll hinzu und rief laut: „IAH, IAH!“
Die Hühner bekamen so einen Schreck, dass sie vor Angst davon flatterten und sich im nächsten Misthaufen versteckten.
Da ging der Esel weiter zu den Schweinen.
„Warum siehst du so traurig aus?“, fragten die Schweine ihn.
„Keiner will mich haben, ich bin ganz allein!“, erklärte der Esel und fing an zu weinen.
„Bei uns kannst du bleiben!“, sagte ein dickes Schwein und die anderen grunzten aufmunternd.
So verbrachte der Esel einen Morgen im Schweinestall. Am Nachmittag gingen alle auf die Weide. Die Weide bestand nur aus Schlamm. Da es ein sehr heißer Tag war, warfen sich die Schweine fröhlich in den Matsch und wälzten sich hin und her.
„Das macht Spaß!“, riefen sie fröhlich. Doch der Esel konnte nicht verstehen, was daran so toll sein sollte. Verwundert stand er daneben und sah dem lustigen Treiben zu.
„Versuch es doch auch einmal, das macht Spaß!“, rief ein kleines Ferkel.
Da fasste der Esel seinen ganzen Mut zusammen und warf sich auch in den Matsch. Doch sein schönes graues Fell verklebte und er fühlte sich sehr unwohl.
Schnell verabschiedete er sich von den Schweinen und lief zu einem kleinen See.
Dort nahm er ein erfrischendes Bad und traf auf eine Entenfamilie.
„Darf ich mit euch schwimmen?“, fragte er.
Die Enten sahen sich verwirrt an und wussten nicht so recht, was sie sagen sollten.
„Du darfst!“, antwortete schließlich der Entenvater und so schwamm der Esel hinter den Enten her.
Ach, was war er glücklich!
Die Sonne schien, die Blumen blühten und die Schmetterlinge flatterten fröhlich durch die Luft.
Er hatte das Gefühl, endlich ein Teil einer Familie zu sein.
Doch dann hingen die langen Äste einer großen Trauerweide ins Wasser und die Enten mussten sich ducken, um hindurch zu schwimmen. Der Esel hatte keine Chance. Er war einfach zu groß und passte nicht durch den Tunnel.
„He, wartet, ich passe hier nicht durch! Gibt es vielleicht einen anderen Weg?“, rief er den Enten hinterher.
Doch die hörten ihn nicht mehr und schwammen einfach weiter.
Jetzt war der Esel wieder allein.
Traurig machte er sich auf den Rückweg, denn es war schon Abend geworden und er musste wieder rechtzeitig zur Farm zurück. Der Bauer wunderte sich sicher schon, wo er war.
Der achtjährige Lennox hatte keine Lust, seine Oma Hilde zu besuchen.
„Ich will meine Osterferien nicht in diesem verlassenen Kuhdorf verbringen! Es ist so langweilig dort!“, tobte er herum. „Alle meine Freunde fliegen irgendwo in den Süden und ich muss nach Windhausen!“
„Aber Lennox, du weißt doch, dass Papa und ich dieses Jahr viel arbeiten müssen. So eine Gastwirtschaft führt sich nicht von alleine!“, hatte Mama ihm erklärt. Die Eltern von Lennox waren die Inhaber vom Blauen Ochsen, einer gut gehenden Gastwirtschaft am Rhein. Und gerade in der Osterzeit war immer sehr viel Betrieb dort und die Eltern hatten alle Hände voll zu tun. Oma Hilde war Mamas Mutter und sie lebte weit weg in einem kleinen Dorf am Harzrand.
Lennox hatte seine Oma schon ein Jahr nicht mehr gesehen und der Opa war vor vielen Jahren gestorben.
„Oma Hilde wird mit dir viel unternehmen. Sie hat Zeit! Ihr könnt mit der Harzquerbahn fahren, auf den Brocken wandern und in den Sehusathermen baden. Du schwimmst doch so gerne!“, hatte die Mutter Lennox erklärt.
„Ich schwimme aber nur gerne im Freibad. Therme hört sich so an wie etwas für alte Leute!“
Lennox freute sich kein bisschen auf die Ferien und muffelte nur noch herum.
Endlich war der Tag der Abreise gekommen und die Eltern waren erleichtert.
„Die Fahrt wird ihm gut tun. Er wird völlig verändert zurück kommen!“, sagte der Vater.
„Hoffentlich hast du recht!“, seufzte die Mutter, die die ewigen Nörgeleien des Sohnes schon nicht mehr hören konnte.
Lennox wurde in Bonn in den Zug gesetzt und musste in Hannover einmal umsteigen. Die Mutter hatte dem Schaffner Bescheid gesagt, dass er ein Auge auf Lennox haben sollte, denn es war seine erste Reise ganz alleine.
Lennox war sehr aufgeregt, doch er wollte cool wirken und zeigte seine Aufregung nicht. Ganz lässig verabschiedete er sich von seinen Eltern und suchte sich einen freien Sitzplatz. Die Eltern standen noch so lange auf dem Bahnsteig, bis der Zug losfuhr. Jetzt kullerten die Tränen aus Lennox Augen und als der Vater noch ein bisschen mit dem anfahrenden Zug mitlief und Lennox ihn schließlich aus den Augen verlor, musste er erst mal ein Taschentuch aus seiner Jackentasche ziehen.
Er setzte sich ans Fenster und starrte hinaus.
Ob ihn Oma Hilde abholen würde?
Würde er sie überhaupt erkennen?
Tausend Fragen gingen ihm durch den Kopf, während die Landschaft an ihm vorbeisauste.
Der kleine Esel lief quer über die Felder. Dabei dachte er an die Tiere, die auf der Farm lebten.
Würden sie ihn überhaupt vermissen, wenn er nicht mehr zurück kommen würde? Er hatte keine Freunde dort. Nur der Bauer würde sich vielleicht fragen, wo der Esel steckte.
Warum brauchte der Bauer ihn eigentlich? Darüber hatte der Esel noch nie nachgedacht.
Ab und zu transportierte er etwas, aber das war eigentlich nicht viel. Die anderen Tiere hatten alle eine Aufgabe.
Plötzlich blieb der Esel stehen.
„Ich werde nicht zurückkehren. Keiner wird mich vermissen, ich bin wie Luft für alle!“
Als er diesen Gedanken gefasst hatte, schlug sein kleines Eselherz schneller. Plötzlich stand er vor einer ganz anderen Frage: Wo sollte er hin? Was sollte er tun?
„Ich werde mir im Wald einen Unterschlupf suchen und dort übernachten. Vielleicht fällt mir ja morgen etwas ein, was ich machen kann!“
Im Wald war es angenehm kühl. Der Esel freute sich über das erste Grün der jungen Buchen und atmete die frische Waldluft ein. An einem kleinen Tümpel machte er Halt und trank erfrischendes Wasser.
Herrlich!
Das tat gut! Dann betrachtete er sein Spiegelbild im Wasser. So hässlich wie die anderen Tiere immer sagten, sah er eigentlich gar nicht aus. Er fand sich sogar ganz niedlich.
Zwei kecke Frösche beobachtete ihn dabei.
„Was macht ein Esel wie du bei uns im tiefen Wald? Solltest du nicht in deinem Stall stehen?“, fragte der große Frosch verwundert.
„Ich ziehe durch die Welt und suche meinen Platz im Leben!“, antwortete der Esel.
„Na dann viel Spaß bei der Suche. Ich bin froh, dass ich nicht von meinem Seerosenteich weg muss. Das ist meine Heimat. Hier leben all die anderen Frösche!“, erklärte der große Frosch stolz. Der Esel nickte.
„Ich kann dich verstehen, doch ich habe keine Heimat. Keiner mag mich und keiner vermisst mich!“, erzählte der Esel traurig.
„Das glaube ich nicht!“, entgegnete der Frosch. „Du wirst bestimmt vermisst! Jeder wird vermisst!“
„Du weißt nicht, wie es bei mir zu Hause ist!“, erklärte der Esel. „Alle Tiere haben eine Familie oder Freunde. Ich leider nicht, denn ich bin der einzige Esel!“
„Dann musst du dir eine Farm suchen, wo auch andere Esel sind!“, schlug der Frosch vor.
Der Esel horchte auf. Das war die Idee!
„Vielen Dank, großer Frosch! Warum bin ich nicht schon früher darauf gekommen?“, freute sich der Esel und lief davon.
Doch wo sollte er diese Eselfarm finden? Er hatte keine Ahnung.
Der Bauer war inzwischen ganz aufgeregt. Sein kleiner Esel war nicht im Stall. Er suchte ihn überall und rief verzweifelt: „Esel! Esel, wo bist du?“
Erst da fiel ihm auf, dass er gar keinen richtigen Namen für den Esel hatte. Er schämte sich dafür und wollte sich einen guten Namen für den Esel auszudenken, wenn er wieder da war.
Lennox war inzwischen in Hannover angekommen. Er war erleichtert, denn eine Station hatte er jetzt schon geschafft. Die Fahrt war eigentlich gar nicht so schlimm gewesen, wie er befürchtet hatte. Die alte Frau gegenüber hatte ihm Schokolade angeboten und von ihren Enkeln erzählt.
In Bielefeld war sie leider ausgestiegen.
Jetzt musste er auch aussteigen und auf Bahnsteig drei wechseln. So viele Menschen liefen hier herum! Alle wirkten abgehetzt und müde.
Lennox musste an seine Eltern denken, die auch immer so außer Atem wirkten und keine Zeit für irgendetwas hatten.
Auf Gleis drei ging es ruhiger zu. Hier warteten nur noch wenige Leute. Lennox hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch. Über was sollte er mit Oma Hilde den ganzen Tag reden? Er kannte sie ja kaum.
Er holte sein Handy aus der Hosentasche und fing an, eines seiner Spiele zu machen. Der Zug rollte ein und Lennox ging hinter den Leuten her. Zum Glück hatte er schnell einen Platz gefunden und konnte sein Spiel weitermachen. So verging die Zeit wenigstens schneller.
Dann fuhr der Zug los. Lennox bekam es kaum mit, weil er so vertieft in sein Spiel war. So einen hohen Punktestand hatte er noch nie! Es war einfach klasse!
„Die Fahrscheine bitte!“, hörte er plötzlich eine Stimme.
Lennox schrak zusammen. Es war nur der Schaffner. Schnell kramte Lennox seine Fahrkarte hervor und hielt sie dem Schaffner hin.
„Junger Mann, ich muss dir sagen, du bist hier falsch. Das ist der Zug nach Hildesheim!“
Lennox ließ vor Schreck sein Handy fallen. Laut krachte es auf den dreckigen Boden. Es war bestimmt kaputt.
„Und was mache ich jetzt?“, fragte er verwirrt.
„Du steigst an der nächsten Haltestelle aus und fährst nach Hannover zurück!“, erklärte der Schaffner. „Soll ich jemanden benachrichtigen, dass du später kommst? Wer holt dich denn ab?“
„Meine Oma Hilde!“, antwortete Lennox und hob sein Handy auf. Ein großer Riss ging quer durch das Display.
Was für ein schrecklicher Tag!
Der kleine Esel hatte inzwischen mehrere Bauernhöfe begutachtet und musste feststellen, dass nirgends andere Esel wohnten.
Bei einem Bauernhof war er mit einigen Kühen ins Gespräch gekommen, die sich geduldig seine Sorgen anhörten.
Schließlich meinte eine Kuh:„Du bist eben etwas ganz Besonderes. Sei nicht traurig, dass es hier in Deutschland so wenig von deiner Sorte gibt. Ich glaube, in Spanien würdest du mehr Glück haben!“
Der kleine Esel blickte traurig auf. Viele Vögel hatten sich auf einer Stromleitung versammelt und bildeten eine lustige Gemeinschaft.
"Wäre ich nur ein Teil von ihnen!", seufzte der Esel.
„Wie soll ich denn nach Spanien kommen und andere Esel treffen?“, fragte er verzweifelt. Er wusste, dass es aussichtslos war.
Es war inzwischen dunkel geworden und der Mond stand hoch am Himmel. Zwei Eulen kuschelten sich eng aneinander. Der Esel seufzte und dachte: "Die Eulen haben es gut ...!"
In dieser Nacht blieb der kleine Esel bei den Kühen im warmen Stall und träumte, dass er einen Freund gefunden hatte. Doch leider war es nur ein schöner Traum gewesen.
Lennox war schließlich mit drei Stunden Verspätung bei seiner Oma angekommen. Oma Hilde hatte tausend Ängste durchgestanden und war überglücklich, ihren Enkel in die Arme schließen zu können.
Im Garten bekam er eine Tasse Kakao und konnte sich erst mal ausruhen und Omas Haustiere bewundern.
"Ich wusste gar nicht, dass du einen Hund und eine Katze hast!", sagte er überrascht.
"Der Hund heißt Max und die Katze heißt Moritz. Sie vertragen sich sehr gut!", erklärte die Oma. Lennox konnte mit Tieren nicht so viel anfangen. Etwas unbeholfen streichelte er über das Fell des Hundes. Max wedelte mit dem Schwanz vor Freude und sprang an Lennox hoch. Lennox fand das merkwürdig.
„Mein Handy ist kaputt, ich weiß gar nicht, wie ich die zwei Wochen hier überstehen soll!“, jammerte er.
„Ich habe mir schon tolle Sachen ausgedacht, du wirst dich bestimmt nicht langweilen!“, versprach Oma Hilde.
Lennox fand alles jetzt schon unerträglich. Es roch nach Gülle und in der Ferne hörte er, wie ein Hahn krähte.
„Ich dachte, Hähne krähen immer morgens!“, sagte er muffelig.
„“Manchmal krähen sie auch am Abend, dann gibt es gutes Wetter!“, erklärte die Oma. „Schau doch, der schöne Sonnenuntergang! So etwas siehst du in der Stadt nicht!“
„Bei uns haben wir das auch! Da stehen bloß ein paar Häuser davor, aber das finde ich nicht schlimm!“, sagte Lennox und setzte sich vor den Fernseher.
„Der Fernseher geht nicht!“, erklärte die Oma."Er ist schon seit Jahren kaputt!“
Lennox fühlte sich ganz elend.
„Und warum lässt du ihn nicht reparieren?“, fragte er verzweifelt. „Was machst du denn dann abends?“
„Ich lese sehr viel, wenn ich alleine bin. Oder ich mache meine Kreuzworträtsel in der Hoffnung, dass ich einmal etwas gewinne. Wir können aber auch Monopoly spielen!“, schlug die Oma vor.
"Ich bin müde, ich gehe ins Bett!", entgegnete Lennox und verabschiedete sich von seiner Oma.
"Gute Nacht, mein Junge! Schlaf dich aus, du hattest eine lange Reise!"
Er schlief in dem alten Kinderzimmer seiner Mutter und hatte das Gefühl, dass Oma Hilde hier nichts verändert hatte, seit seine Mutter vor 20 Jahren ausgezogen war.
Verstaubte Kuscheltiere starrten ihn an, an den Wänden hingen alte Poster von Musikgruppen, von denen Lennox noch nie etwas gehört hatte.
"Ich komme mir vor wie in einem Museum!", dachte er, als er unter die Daunendecke krabbelte.
Lange konnte er an diesem Abend nicht einschlafen. Er wälzte sich hin und her und stand schließlich auf, um das Fenster zu öffnen. Der Garten sah im Mondlicht wie verzaubert aus.
Lennox nahm sich vor, morgen früh auf Entdeckertour zu gehen. Dieser Gedanke machte ihn froh. Schließlich schlief er doch ein und träumte von einem Drachen, den er im Garten fand und den er zähmen musste.
Der Bauer hatte den Esel überall gesucht und nicht gefunden. Traurig kehrte er an diesem Abend zurück zu seiner Farm und erzählte alles seiner Frau.
„Warum ist er bloß abgehauen, er hatte es doch gut bei uns!“, sagte sie nachdenklich.
Die anderen Tiere hatten auch bemerkt, dass der Esel nicht mehr an seiner alten Stelle stand.
„Wahrscheinlich ist er verkauft worden!“, vermuteten die Schweine.
„Wer sollte ihn schon kaufen, er hat doch kein schönes Fell!“, überlegte ein Schaf.
„Ich glaube, wir waren ganz schön gemein zu ihm! Er wollte irgendwo dazu gehören!“, sagte der Hahn.
Die beiden Gänsekinder Konrad und Lorenz nickten. Der Hahn hatte recht.
Nachdenklich sahen sich die Tiere an.
„Was machen wir, wenn er nicht mehr wiederkommt?“, fragte ein Huhn.
„Dann habe ich wirklich ein schlechtes Gewissen. Ich habe noch gehört, wie er hinter uns hergerufen hat!“, meldete sich eine Ente zu Wort.
Viele Tiere hatten jetzt Tränen in den Augen.
„Wenn er wiederkommt, nehmen wir ihn auf jeden Fall auf!“, sagten die Schweine.
„Nein, wir nehmen ihn auf!“, riefen die Pferde, die auch ein schlechtes Gewissen hatten.
Lennox war am nächsten Tag mit seiner Oma in die Sehusa Therme gegangen. Leider war die Wasserrutsche wegen Reparaturarbeiten gesperrt und so blieben Lennox nur das warme Becken und der Wasserfall.
Wie langweilig!
Enttäuscht fuhren die beiden wieder nach Hause.
„Keine Sorge, morgen besuchen wir den Baumwipfelpfad in Bad Harzburg, der wird dir gefallen!“, versprach die Oma.
Lennox zuckte mit den Schultern.
„Hier stinkt es schon wieder so!“, bemerkte er.
„Das ist die gute Landluft!“, erklärte Oma Hilde.
„Wollen wir wieder Monopoly spielen?“, fragte sie fröhlich.
Doch an diesem Abend hatte Lennox keine Lust dazu.
„Ich gehe eine Runde durchs Dorf!“, rief er und rannte nach draußen. Oma Hilde wollte ihn begleiten, doch da klingelte das Telefon und sie musste eine halbe Stunde mit ihrer besten Freundin quatschen.
Lennox hatte keine Ahnung, wo er hingehen sollte. Ganz früher war er schon einmal hier im Dorf gewesen, doch er konnte sich kaum noch erinnern.
Er lief die Hauptstraße entlang und ging dann unter einer Brücke durch.
Da erinnerte er sich an einen Scherz, den er früher immer mit seinem Opa an dieser Stelle gemacht hatte.
Laut rief er: „Wie heißt der Bürgermeister von Wesel?“
Das Echo antwortete: „Esel!“
Plötzlich stand er vor ihm. Ein wunderschöner kleiner Esel.
Lennox und der Esel starrten sich an.
„Eselchen, was machst du denn hier unter der Brücke?“
Der kleine Esel freute sich. Das erste Mal in seinem Leben hatte er einen Namen bekommen. Vorsichtig ging er auf den Jungen zu. Lennox streckte die Hand aus und streichelte über das struppige Eselfell. Es fühlte sich gut an.
„Eselchen, du gehörst doch irgendwem, ich muss dich zurückbringen!“, sagte er.
Der Esel sah ihn mit seinen großen Augen an.
„Ach weißt du, das hat Zeit! Lass uns den Sonnuntergang bewundern!“, schlug Lennox vor. Und das machten sie dann auch. Sie wanderten auf den einzigen Berg in der Feldmark und setzten sich in das warme Gras. Dann beobachteten sie, wie die Sonne wie ein roter Ball hinter dem Wald versank und alles in ein rötliches Licht tauchte.
Als die ersten Sterne aufblinkten, hörten sie einen Trecker hinter sich. Sie drehten sich um. Der Trecker fuhr auf sie zu und stoppte plötzlich ab. Ein Bauer sprang vom Sitz und rief: „Da ist ja mein Esel!“
„Ich habe ihn unter der Brücke gefunden. Das ist Eselchen!“, erklärte Lennox.
„Er gehört zu meinem Hof, ich muss zugeben, ich habe mich nicht so viel um ihn gekümmert. Das werde ich jetzt ändern!“, sagte der Bauer. „Wo kommst du denn her? Du bist kein Junge aus dem Dorf, die kenne ich alle!“
„Ich verbringe die Ferien bei meiner Oma Hilde. Bis heute fand ich alles furchtbar langweilig!“, erzählte Lennox.
„Dann komm doch jeden Tag deinen neuen Freund besuchen. Meine Frau und ich würden uns sehr freuen und Eselchen sicher auch!“, sagte der Bauer und zwinkerte vielversprechend.
Die restlichen Ferien vergingen wie im Flug. Lennox besuchte Eselchen jeden Tag und verrichtete kleine Arbeiten auf dem Bauernhof.
Lennox fand es witzig, dass Eselchen jedes Mal, wenn er es besuchen kam, an einem anderen Ort auf der Farm anzutreffen war.
Oft graste der Esel mit den Pferden auf der Weide, dann spielte er mit den Hühnern im Hof und schwamm mit den Enten um die Wette. Auch mit den Schafen schien er sich sehr gut zu verstehen. Manchmal wälzte er sich sogar mit den Schweinen im Matsch.
Der Abschied am letzten Tag fiel Lennox schwer.
"Ich komme in den Sommerferien wieder. Ganz bestimmt!", flüsterte er dem Esel ins Ohr.
"IAH, IAH!", antworte der Esel und Lennox hatte das Gefühl, dass er ihn ganz genau verstanden hatte.
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Ich schlage die Augen auf. Es ist kurz vor sechs. Schnell stehe ich auf und ziehe mich an. Es ist ganz ruhig. Ich genieße die Stille, die anderen schlafen noch. Ich weiß, es wird ein anstrengender Tag werden, aber das stört mich nicht. Nachher werden viele Leute kommen, sogar jemand von der Zeitung. Aber der Morgen gehört mir. Mir ganz allein. Es ist mein Tag, ich spüre es. Ich ziehe meine Strickjacke über und gehe hinaus in den Garten. Wir haben einen großen Garten mit vielen Obstbäumen und einer Wildwiese.
Die Sonne steht schon hoch am Himmel, die Hühner unseres Nachbarn gackern und irgendwo in der Ferne höre ich einen Trecker. Vor mir flattern zwei bunte Schmetterlinge und lassen sich schließlich auf den unzähligen Blumen nieder. Es durftet herrlich nach Blüten. Ich liebe den Frühling, das helle Grün der Buchen, die weißen Blüten des Kirschbaumes.
Kurzgeschichten und Gedichte stimmen große und kleine Leser auf den Frühling ein.
Viel Spaß!
Nessie führt ein einsames Leben in Schottland. Das Monster hat schon viel erlebt und erzählt von seiner Vergangenheit. Dann paddeln eines Tages Kinder in einem selbst gebauten Floß auf dem tiefen See ...
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Texte: Dörte Müller
Bildmaterialien: Dörte Müller
Cover: Hintergrund: pixabay.com Zeichnung: Dörte Müller
Tag der Veröffentlichung: 22.04.2019
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