Inhaltsverzeichnis
Perrito in Spanien
Die Hundefänger kommen
Liebe auf den ersten Blick
Meine neue Familie
Frohe Weihnachten
Ein kleiner Zeichenkurs
Liebe Kinder,
ich bin Perrito, ein Mischlingshund. Ich möchte euch meine Geschichte erzählen: von meinem Leben in Spanien und wie ich nach Deutschland kam.
Von meiner großen Liebe und von dem schrecklichen Leben im Tierheim. Außerdem möchte ich euch noch von einem ganz besonderen Weihnachtsfest erzählen und wie es kam, dass ich anfing, an den Weihnachtsmann zu glauben.
Aber der Reihe nach.
In mir ist alles drin, vom Schäferhund bis zum Dackel. Perrito ist Spansich und bedeutet „kleines Hündchen“.
Wieso ich einen spanischen Namen habe, wollt ihr vielleicht wissen. Das ist ganz einfach: Ich habe viele Jahre in Spanien gelebt. Genauer gesagt habe ich in Pontevedra gelebt. Pontevedra liegt im Norden von Spanien, in Galizien. Dort lebte ich mit meiner großen Familie auf den Straßen und in den engen Gassen. Wir sind herumgetollt den ganzen Tag. Wenn ich Hunger hatte, und das war besonders morgens der Fall, lief ich immer zu Senora Garcia. Sie hat im Garten Wäsche aufgehängt und mich schon erwartet.
„Perrito!“, rief sie immer. „Mein süßer Perrito!“
Sie war es eigentlich auch, die mir meinen Namen gegeben hat. Ich liebte Senora Garcia über alles. Sie schenkte mir Wurst und alle Essensreste, die sie hatte. Das reichte meist für den ganzen Tag, es waren herrliche Zeiten.
Tagsüber stromerten wir durch das kleine Dorf. Im Sommer waren oft Touristen da, die nach Santiago pilgerten. Hinter denen sind wir immer alle kläffend hergelaufen. Manche mochten uns und haben uns gestreichelt, einige hatten Angst vor uns. Diese Leute hatten immer ein Spray in der Tasche, damit haben sie uns angesprüht. Wir mussten höllisch aufpassen und einmal habe ich auch eine Ladung abbekommen. Ich musste mich erst mal unter einen Busch setzen, weil mir die Augen so gebrannt haben. Nach einer Weile ist es aber wieder besser geworden und am Abend hatte ich den Vorfall schon fast vergessen.
Oft sind wir im Sommer auch an den Strand gelaufen. Dort haben wir uns im Sand gewälzt oder wir haben uns in die Wellen gestürzt. Ich hatte keine Angst vor dem Wasser, denn ich war schon als ganz kleiner Welpe im Meer.
Du kannst dir vorstellen, ich war ein richtig glücklicher Hund. Irgendwie dachte ich immer, mein Leben würde so weiter gehen. Morgens zu Senora Garcia laufen und den Rest des Tages herumtollen. Wir Hunde hatten so viel Freiheit. Streit gab es natürlich auch, aber wir haben uns immer wieder vertragen. Manchmal haben wir auch nur zum Spaß miteinander gekämpft. Die Leute in dem Dorf mochten uns Hunde eigentlich auch. Besonders die Alten, die in der Mittagszeit oft im Schatten auf dem Marktplatz saßen.
Ein alter Mann hat mich oft gestreichelt und mir eine Wurst mitgebracht. Irgendwie bekam ich immer mehr zu essen als die anderen Hunde. Wahrscheinlich lag das an meinem traurigen Blick. Diesen Blick hatte ich schon immer, obwohl ich glücklich war.
Jeden Abend, wenn ich mit Einbruch der Dunkelheit nach Hause kam, sang uns meine Mutter ein wunderschönes Lied. Sie hatte es von ihrer Mutter gehört und gelernt und meine Oma von ihrer Mutter. Das Lied musste schon sehr, sehr alt sein.
Perrito,
mein Hündchen,
schlaf ein
die Engel werden bei dir sein
Sie wachen über den Schlaf
denn du warst immer ganz brav
Wenn dich einmal Sorgen plagen
Schau zu den Sternen,
such den großen Wagen
Ich sitz auf ihm
und winke dir zu
schließ deine Augen
und komm zur Ruh!
Ich liebte dieses Lied über alles in der Welt und ahnte damals noch nicht, dass es mir einmal sehr helfen würde.
Eines Tages, irgendwann im August, passierte dann etwas ganz Schreckliches, was mein ganzes Leben mit einem Schlag verändert hat.
Ich war gerade zu Senora Garcia gelaufen und hatte eine leckere Wurst bekommen. Ich ahnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass es meine letzte Wurst war und dass es überhaupt das letzte Mal war, dass ich sie gesehen habe.
Gerade wollte ich auf den Marktplatz laufen, da wurde mir von hinten ein großes Netz übergeworfen. Ich erschrak furchtbar und ehe ich wieder klar denken konnte, wurde ich in einen großen LKW geschmissen. Dort waren schon einige andere Hunde, viele von ihnen kannte ich. Sie sahen mich verängstigt an und ein alter Mischlingsrüde sagte: „Perrito, dich hat es also auch erwischt!“
„Wie, was meinst du?“, fragte ich verwirrt.
„Wir sind in die Fänge der grausamen Hundefänger geraten. Hast du noch nie von ihnen gehört? Sie bringen uns weit weg in Tierheime und dort müssen wir für den Rest unseres Lebens bleiben, wenn uns keiner nimmt!“
Ich war erschüttert. Noch nie hatte ich von Hundefängern gehört. Keiner von unserer Familie hatte davon gehört. Das war ja entsetzlich! Ich starrte in die Dunkelheit und der LKW setzte sich in Bewegung. Wir fuhren über das holprige Kopfsteinpflaster und luden auf der Fahrt immer mehr Hunde ein. Es wurde furchtbar eng und einige von uns machten ihr Geschäft. Ich fühlte mich immer elender und bekam Hunger. Doch wir bekamen kein Futter oder Wasser. Es war ein ganz schreckliches Erlebnis und ich ahnte, dass schlimme Zeiten auf mich zukommen würden.
Irgendwann muss ich eingeschlafen sein. Ich träumte von Galizien, von unserem Strand und von meinen Geschwistern.
Dann wachte ich auf. Ich bekam einen riesigen Schreck, weil ich aus meinem schönen Traum erwacht war. Es hatte einen Ruck gegeben. Ein Mann machte die Klappe auf und ich starrte nach draußen. Kalte Luft drang zu uns in den LKW, alle Hunde waren müde und schlapp. Draußen war es dunkel, geisterhaft streckten die Bäume ihre Zweige in den Himmel. Ich hatte keine Ahnung, wo wir waren. Schließlich war ich ja nie von zu Hause fort gewesen.
Da durchzuckte mich ein Gedanke: Flucht! Doch die Klappe wurde sofort wieder geschlossen. Wahrscheinlich wollten die Leute nur gucken, ob wir alle schliefen.
Weiter ging die Fahrt. Ich konnte nicht mehr richtig einschlafen und grübelte.
Wieso taten die Menschen das?
Was hatten wir verbrochen?
Irgendwann, ich hatte mein Zeitgefühl verloren, sollten wir alle aussteigen. Es war immer noch oder schon wieder dunkel. Wir wurden mit Stöcken in einen großen Stall getrieben und jeder bekam eine Box zugewiesen. Dort gab es dann endlich Wasser und ein bisschen Fleisch. Gierig würgte ich alles hinunter. Dann war mir schlecht und entsetzlich kalt. Es gab keine Decken oder Stroh. Wenn das so weiter gehen sollte, war ich verloren, das wusste ich jetzt schon.
Da merkte ich, dass mich jemand beobachtete. Ich schaute mich um. Durch das Gitter hindurch konnte ich in den anderen Käfig schauen. Eine kleine weiße Hündin sah mich traurig an.
„Willkommen im Gefängnis!“, sagte sie mit leiser Stimme. „Ich bin Maggie und wer bist du?“
„Mein Name ist Perrito. Sag, Maggie, wie lange müssen wir hier bleiben?“
„Das hängt davon ab, ob du eine Familie findest. Manchmal kommen Leute vorbei, die sich einen Hund nehmen. Aber an mir geht jeder vorbei. Ich bin schon ewig hier!“
Mir wurde ganz schlecht.
„Das tut mir so leid für dich, Maggie! Dabei kann ich das gar nicht verstehen, du bist doch so süß!“, sagte ich. Ich musste gar nicht lügen, ich fand sie wirklich süß. Maggie lächelte ein bisschen.
„Vielen Dank! Das hat mir noch keiner gesagt!“
„Ich würde dich sofort hier heraus holen!“, sagte ich und dann schob ich meine Pfote in ihren Käfig.
„Ich dich auch!“, sagte Maggie und legte ihre Pfote auf meine. Dann sang ich ihr mein Einschlaflied, das ich schnell auf ihren Namen umdichtete.
Maggie,
mein Hündchen,
schlaf ein
die Engel werden bei dir sein
Sie wachen über den Schlaf
denn du warst immer ganz brav
Wenn dich einmal Sorgen plagen
Schau zu den Sternen,
such den großen Wagen
Ich sitz auf ihm
und winke dir zu
schließ deine Augen
und komm zur Ruh!
"Das ist ein wunderschönes Lied!", sagte sie leise. Sie hatte Tränen in den Augen.
"Ja, meine Mutter hat es mir immer vorgesungen!", erzählte ich. Maggie lächelte sanft. Dann schliefen wir ein.
Maggie und ich verlebten traurige Tage im Tierheim. Wir waren froh, dass wir uns gefunden hatten und ich erzählte ihr viel von meiner Zeit in Spanien. Sie hörte zu und ihre Augen bekamen dabei einen ganz besonderen Glanz.
Maggie hatte schon einmal versucht, aus dem Tierheim abzuhauen, doch sie war wieder eingefangen worden.
„Einmal hatte der Wärter meine Käfigtür nicht richtig zugemacht. Da bin ich heimlich herausgehuscht und habe ich mich auf dem großen Gelände unter einem Busch versteckt. Du musst wissen, unsere kleinen Käfige sind alle noch einmal in einem ganz großen Käfig eingezäunt. Ich wollte mich unter dem Zaun durchbuddeln und habe die ganze Nacht gearbeitet. Doch morgens ist dann der Wärter gekommen und hat mich wieder in meinen Käfig gesteckt.“
Das Leben im Tierheim war einfach grausam. Wir froren den ganzen Tag und bekamen wenig zum Fressen und zum Trinken. Die ganze Zeit jaulten unsere Mitbewohner oder sie bellten stumpfsinnig vor sich hin.
Viele von uns waren krank und schliefen. Außerdem stank es schrecklich. Ich vermisste das Meer und den Strand. Am allermeisten aber meine Familie.
Ach, wie sehnte ich mich nach ihnen!
Ob sie auch in einem Tierheim gelandet waren?
Oft war ich so verzweifelt, dass nur Maggies Anwesenheit mich aufheitern konnte.
Sie war mir eine große Stütze. Jeden Abend vor dem Einschlafen sagen wir das Hundelied und sahen dabei in den Sternenhimmel. Ich suchte den großen Wagen und hoffte, dass meine Oma darauf sitzen würde. Ich war mir sicher, dass sie mich in meinem Elend sehen konnte. Doch helfen konnte sie mir nicht. Trotzdem ahnte ich, dass ich auch irgendwann auf dem Wagen sitzen würde. Vielleicht sogar mit Maggie. Dann hätte die Quälerei ein Ende.
Aus Wochen wurden Monate. Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen. Immer seltener träumte ich noch von Spanien und von meinem alten Leben. Die Bilder wurden immer verschwommener und kleiner und ich hatte Angst, dass sie irgendwann ganz verschwinden würden.
An einem Morgen kam eine Familie. Es waren hin und wieder Leute gekommen, die einen Hund suchten. Doch das kam nicht oft vor. Meist gingen die Leute schnell an uns vorbei. Doch an diesem Morgen blieb ein Mädchen vor meinem Zwinger stehen.
„Oh, ist der süß!“, rief sie aus. Ihre Geschwister kamen herbei und schließlich auch die Eltern. Alle fanden mich unglaublich süß.
„Das ist unser Hund Nummer 312. Er kommt aus Spanien!“, erklärte der Wärter. Ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass ich Hund 312 war. Ich war doch Perrito!
Die Zwingertür wurde aufgemacht und die Kinder streichelten mich.
Das tat gut!
Wie lange war ich nicht mehr gestreichelt worden. Doch während sie mich streichelten, spürte ich Maggies traurigen Blick. Ich fühlte mich wie zerrissen! Ich konnte doch Maggie nicht verlassen! Gleichzeitig wollte ich unbedingt, dass die Familie mich hier heraus holte.
Doch wie sollte ich ihnen klar machen, dass ich ohne meine Maggie nicht leben konnte?
Alles ging unheimlich schnell und das kleine Mädchen nahm mich auf den Arm. Sie hieß Anna. Die Eltern unterzeichneten Papiere und die Kinder jubelten.
„Einen Hund, wir haben einen Hund!“
Ich sah Maggie an. Ihr Blick sagte alles und brach mir das Herz. Ich jaulte vor Kummer und Maggie ebenso.
„Was hat der Hund?“, fragte Anna erschrocken.
„Er ist verliebt in diese weiße Hündin!“, lachte der Wächter. Ich fand das gar nicht lustig.
„Dann müssen wir den weißen Hund auch nehmen!“, rief Anna. Ich liebte sie jetzt schon.
„Nein, das geht nicht. Wir haben nur Platz für einen Hund!“, erklärte die Mutter streng.
Und so verließ ich mit meiner neuen Familie das verhasste Tierheim und musste meine große Liebe zurück lassen.
Wir fuhren lange Zeit in einem großen Auto. Die Kinder waren sehr laut und die Mutter schimpfte die ganze Zeit, was aber nichts nützte. Ich glaube, sie war sehr gestresst.
Endlich kamen wir an. Das Haus und der Garten waren echt klasse. Ich hatte sogar schon ein Körbchen und frisches Futter stand für mich bereit.
Doch ich bekam keinen Bissen herunter.
„Was ist mit dem Hund? Wieso frisst er nicht? Normalerweise freuen sich Hunde immer, wenn sie aus dem Tierheim kommen!“, bemerkte der Vater.
Anna sah mich besorgt an.
„Ich mache mir Sorgen. Er vermisst seine Freundin!“, sagte sie. Damit hatte sie genau recht.
Anna streichelte mich und kraulte mich hinter dem Ohr.
„Bitte friss doch, Wuschel!“
Ja, mein neuer Name war Wuschel. Ich mochte ihn nicht so sehr, doch ich mochte Anna.
So sehr ich auch wollte, ich bekam keinen Bissen herunter. Meine Familie brachte mich nach drei Tagen zum Tierarzt.
„Er hat Kummer! Wissen Sie, was er erlebt hat?“, fragte der Arzt, den ich übrigens sehr nett fand.
„Er war verliebt!“, erzählte Anna.
„So ein Quatsch. Das gibt es nicht bei Hunden!“, sagte die Mutter energisch.
„Doch, durchaus!“, stimmte der Tierarzt Anna zu. „Ich glaube, Sie müssen auch den anderen Hund adoptieren!“
Ich verstand jedes Wort und wedelte eifrig mit dem Schwanz.
„Mama, bitte!“, flehte Anna. Doch die Mutter blieb bei ihrem Nein.
Jetzt aß auch Anna nichts mehr. Das konnte ich kam ertragen, denn ich wollte doch, dass es ihr gut ging.
„Du kannst uns nicht erpressen. Wir haben einen Hund und das ist mehr als genug. Wenn du nicht mehr isst, geben wir diesen Hund auch wieder weg!“, schimpfte der Vater.
Oft träumte ich schlecht. Ich träumte, dass die Wärter vom Tierheim hinter mir her waren. In anderen Nächten war es besser. Dann sah ich Maggie vor mir und wir waren wieder zusammen.
In einer Nacht erschien mir sogar ein kleiner Engel.
"Perrito, hab Geduld, alles wird gut!", versprach er mir.
Aber nichts wurde gut. Ich dachte sogar über Flucht nach.
Als Anna am folgenden Tag zur Schule ging, sah ich ihr tief in die Augen. Ich hatte mir fest vorgenommen, abzuhauen und ins Tierheim zu laufen.
"Drück mir die Pfoten, ich schreibe heute Mathe!", flüsterte Anna mir ins Ohr. Ich nickte unmerklich und da wurde mir klar, dass ich das Mädchen nicht verlassen konnte.
Noch am selben Abend bekam Anna heftige Bauchschmerzen. Die rechte Seite tat ihr weh. In der Nacht wurde es sehr schlimm. Da ich in ihrem Zimmer schlief, bekam ich alles mit. Ich lief zum Elternschlafzimmer und bellte so lange, bis alle wach waren. Jetzt erst bekam die Eltern mit, dass es Anna so schlecht ging. Sie fuhren sie ins Krankenhaus und sie konnte gerade noch gerettet werden. Ihr Blinddarm war nämlich geplatzt.
„Wuschel, das war ganz großartig!“, sagten sie alle. Leider durfte ich Anna im Krankenhaus nicht besuchen, doch ich wartete sehnsüchtig auf ihre Rückkehr.
Langsam wurde es kälter draußen und es wurde auch früher dunkel.
Ich mochte den Herbst nicht. Oft kamen wir nass vom Spaziergang zurück und ein kalter Wind wehte mir um die Ohren. Einmal hatte es sogar schon geschneit!
Vielleicht lag es daran, dass ich plötzlich krank wurde. Ich wurde immer schwächer und schwächer und mochte bald nichts mehr essen und trinken. Ab und zu musste ich husten. Ich schlief sehr lange und träumte die verrücktesten Dinge. Ich träumte, dass ich wieder in Spanien war und dass die Tierfänger mich schnappen wollten. Natürlich träumte ich auch von Maggie und dem Tierheim.
Alles ging irgendwie ineinander über.
Irgendwann wachte ich auf und sah das Gesicht meines Tierarztes über mir.
„Wuschel ist sehr krank, er hat eine Lungenentzündung!“, sagte er und guckte ganz besorgt. Ich bekam eine Spritze und schlief wieder ein.
Viele Wochen mussten vergangen sein, denn als ich aufwachte, war überall Schnee.
„Er hat die Augen aufgemacht!“, rief Anna überglücklich.
„Oh, Wuschel, ich bin so froh! Heute ist Heiligabend und du bist wieder gesund! Das habe ich mir so gewünscht! Der Weihnachtsmann hat es wohl gehört. Hast du auch einen Wunsch, Wuschel? Dann schließe die Augen, denke an den Weihnachtsmann und an deinen Wunsch. So habe ich es auch gemacht."
Natürlich hatte ich einen Wunsch. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass meine Maggie wieder bei mir ist. Wenn Annas Wunsch sich erfüllt hatte, dann müsste sich mein Wunsch doch auch erfüllen! Ich schloss die Augen und stellte mir einen Weihnachtsmann vor.
Dann dachte ich an Maggie. Anna drückte ganz fest die Daumen für mich.
"So!", rief sie nach einigen Minuten. "Ich hoffe, du hast dir etwas Schönes gewünscht. Jetzt komm ins Wohnzimmer, alles sieht ganz weihnachtlich aus! So etwas hast du bestimmt noch nie gesehen!"
Anna hatte recht.
Ich sah mich um. Wow, alles hatte sich verändert. Im Wohnzimmer stand ein großer Baum mit vielen bunten Kugeln.
Der sah wirklich toll aus! Gleich lief ich darauf zu und hob mein Bein.
„Nein!“, schrien alle im Chor und ich zuckte zusammen.
„Wuschel, du musst nach draußen, wenn du dein Geschäft erledigen willst!“, erklärte Anna aufgeregt. Sie machte die Haustür auf und weiße Flocken flogen mir entgegen.
Brr, war das kalt! Ich erledigte mein Geschäft so schnell ich konnte und lief dann wieder in die warme Stube.
Unter dem Baum lagen viele Pakete.
Ob für mich auch etwas dabei war?
Dann ging die Haustür auf und Oma und Opa kamen herein. Sie wurden von allen stürmisch begrüßt und auch ich sagte ihnen „Hallo“. Sie fanden mich ganz süß, nur Oma hatte ein bisschen Angst vor mir.
„Beißt er auch nicht?“, fragte sie immer und immer wieder. Ich musste innerlich lachen, denn ich hatte noch nie erlebt, dass jemand vor mir Angst hatte. Ich wollte besonders nett zu ihr sein und kuschelte mich an ihre Beine. Ihre Strumpfhose war ganz rau, doch das schreckte mich nicht ab.
Alle setzen sich an den großen Tisch und aßen etwas ganz Leckeres. Es duftete herrlich und mir war ganz schwindelig vor Glück. Anscheinend war das aber nicht für mich vorgesehen, ich bekam mein übliches Hundefutter.
Als die Familie im Wohnzimmer saß, nutze ich die Chance. Ich schlich mich unbemerkt in die Küche. Auf dem Tisch stand noch ein kleiner Rest. Vorsichtig zog ich an der Tischdecke. Ich weiß, ich hätte es nicht tun dürfen, doch ich konnte einfach nicht widerstehen. Mit einem lauten Knall krachte der Teller herunter und zersprang in tausend Stücke. Ich bekam furchtbare Angst und lief davon. Schnell versteckte ich mich unter einer Kommode.
„Wer war das? Meine schöne Ente!“, rief die Mutter und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Morgen wollte ich doch einen Auflauf von den Resten machen!“
„Das war sicher euer Hund!“, meinte die Oma.
„Wuschel, wo bist du?“, rief Anna. Ich wagte mich nicht aus meinem Versteck, denn ich war mir sicher, dass sie mich ins Tierheim zurück bringen würden. Und alles nur wegen einer Weihnachtsente! Ich war verzweifelt!
Anna heulte.
„Was ist, wenn Wuschel nach draußen gelaufen ist? Hoffentlich ist er nicht abgehauen, das Hoftor stand offen!“
Ich konnte Annas Tränen nicht länger ertragen und kroch unter der Kommode hervor.
Anna umarmte mich stürmisch und bestrafte mich zum Glück nicht.
Auch die anderen waren trotz des Vorfalls nett zu mir.
„Mach das nicht wieder!“, sagte die Mutter streng, aber das war auch alles.
Wir saßen alle im Wohnzimmer und die Kinder spielten Weihnachtslieder auf der Blockflöte. Das hörte sich etwas schräg an, aber es war eigentlich egal. Ich genoss die Wärme und die Gemeinschaft in der Familie. Es war so gemütlich, dass ich es kaum fassen konnte.
Nur Maggie fehlte mir natürlich und ich dachte daran, wie sie wohl Weihnachten im Tierheim verbringen würde. Dort ist der Heiligabend nichts besonderes. Man bekommt kein spezielles Futter und auch keine extra Auslauf. Viele Hunde merken gar nicht, dass Heiligabend ist!
Nach dem Flötespielen wurden die Geschenke ausgepackt. Ich bekam einen Kauknochen, den ich sehr gut gebrauchen konnte. Außerdem schenkte man mir ein neues Fell für mein Körbchen.
„Anna, jetzt kommt noch eine besondere Überraschung!“, sagte der Vater plötzlich. Alle schauten zu ihm. Dann ging die Tür auf und ich traute meinen Augen nicht.
Maggie kam herein! Sie hatte eine Weihnachtsmütze auf und strahlte. Anna jubelte und ich raste auf Maggie zu. Es war einfach wunderbar, sie wiederzusehen.
„Maggie wird jetzt bei uns bleiben! Wir haben sie vorhin abgeholt!“, erklärte die Mutter.
Was soll ich noch sagen? Alles war perfekt und mein größter Wunsch war in Erfüllung gegangen.
Und so fing ich an, an den Weihnachtsmann zu glauben.
Rudolph hat es satt. Jedes Jahr muss er den Schlitten des Weihnachtsmannes ziehen und der wird immer schwerer. So beschließt er, eines Nachts den weihnachtlichen Rentierstall zu verlassen und in die Welt hinauszuziehen. Ob die Entscheidung richtig war?
Ein weihnachtliches Buch für Groß und Klein mit Mal - und Basteltipps.
Dörte Müller, geboren und aufgewachsen im Harz, denkt sich für ihr Leben gern Geschichten aus.
Hat die Sommer ihrer Kindheit an der Ostsee verbracht.
Spielte in ihrer Jugend mit einer Freundin auf Dorffesten Akkordeon.
Hört gerne Hits aus den Achtzigern und Bruce Springsteen.
Findet, dass Santiago de Compostela in Galizien ein magischer Ort ist.
Kann immer Nudeln essen und mag löslichen Kaffee.
Läuft jeden Tag sechs Kilometer am Rhein entlang. Träumt davon, am Meer zu leben und Aquarelle zu malen.
Texte: Dörte Müller
Bildmaterialien: Dörte Müller
Cover: Dörte Müller
Tag der Veröffentlichung: 18.09.2017
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