Der sechsjährige Ben hatte sich sehr auf Weihnachten gefreut. Obwohl er ein Einzelkind war und abseits des Dorfes wohnte, verstanden es seine Eltern, das Weihnachtsfest immer zu etwas Besonderem werden zu lassen.
Gewöhnlich machten sie einen langen Spaziergang durch den Schnee, dann erzählten sie sich Geschichten und gaben sich Geschenke. Am Baum brannten echte Kerzen. Das war ganz toll, denn Bens Freunde hatten alle elektrische Kerzen.
In der Weihnachtszeit hatte er mit seiner Mutter immer viel gebastelt und das Haus war gemütlich und warm. Stets duftete es nach Keksen und Ben konnte jeden Tag Schlitten fahren. Es machte ihm nichts aus, dass es so früh dunkel wurde und kalt war. Er liebte es, die Türen in seinem Adventskalender zu öffnen und ein Pfefferkuchenhaus zu basteln.
Weil Bens Elternhaus so dicht am Waldrand stand, kamen manchmal zutrauliche Hirsche und Rehe, die er mit Stroh fütterte und dann mit seinem Fernglas von seinem Kinderzimmerfenster aus beobachten konnte. Einmal war sogar ein Fuchs gekommen, das war aufregend gewesen.
Mit seinem Vater hatte er dieses Jahr sogar eine Krippe gebaut, die unter den Baum gestellt werden sollte. Alles war perfekt.
Kurz vor Weihnachten geschah dann etwas Unerwartetes. Ben brachte wie immer die Post herein. Der handschriftliche Brief war ihm gleich aufgefallen. Er stach zwischen all den Rechnungen hervor. Neugierig drehte er den Umschlag um.
Ursula Grabenhorst
stand mit geschwungenen Buchstaben darauf. Wer war Ursula Grabenhorst? Diesen Namen hatte er noch nie gehört. Schnell brachte er den Brief seiner Mutter, die gerade in der Küche stand und kochte.
"0h, ein Brief von Tante Ulla!", rief sie fröhlich und zog eilig ihre roten Topfhandschuhe aus. Sie riss den Brief auf und überflog ihn hastig.
"Super, Tante Ulla kommt Weihnachten zu uns! Schon morgen wird sie bei uns sein! Das ist zwar sehr kurzfristig, aber es wird irgendwie gehen!", rief sie aus.
Augenblicklich war Ben eingefallen, wer Tante Ulla war. Sie war die alte, nörgelnde Tante von Mama, die alleine in Frankfurt wohnte und ganz selten bei ihnen war.
„Nein, ich will nicht, dass Tante Ulla Weihnachten dieses Jahr mit uns feiert!“, rief Ben entsetzt aus.
„Tante Ulla ist einsam. Sie hat keine Kinder und jedes Jahr nimmt sie einer ihrer Verwandten Weihnachten auf. Dieses Jahr bin ich anscheinend dran. Sei nett zu ihr, sie ist eine arme, alte Frau!“, erklärte die Mutter streng. Dabei guckte sie Ben böse an. Ben schluckte. Er konnte sich noch vage an Tante Ulla erinnern. Sie war schon einmal zu Besuch gewesen und hatte an allem herumgenörgelt. Außerdem war sie früher Deutschlehrerin gewesen, das konnte nichts Gutes bedeuten. Zu
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Dörte Müller
Bildmaterialien: Dörte Müller
Cover: Dörte Müller
Tag der Veröffentlichung: 11.11.2017
ISBN: 978-3-7438-4119-2
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für alle Tante Ullas dieser Welt!