Inhaltsverzeichnis
Liebe Kinder!
Ich bin Ringo, das Rentier. Ich lebe in Norwegen. Dort gibt es ganz viel Schnee im Winter und es ist unglaublich kalt. Aber die Luft ist sehr klar und ich liebe es, wenn die Flocken fallen. Die Welt sieht aus wie mit Puderzucker übergossen. Ich habe viele Freunde: das Eichhörnchen Elly
und die zwei Spatzen Stan und Sam.
Tagsüber tollen wir durch den Schnee und freuen uns über die Wintersonne. Doch es wird schon sehr früh dunkel und da kommen wir alle zusammen in einer gemütlichen Höhle. Dort sitzen wir am Lagerfeuer und erzählen uns Geschichten.
Ihr könnt euch vorstellen, dass das sehr gemütlich ist. Die Geschichten habe ich für euch in diesem Buch gesammelt und wenn es bei euch bald kalt und dunkel draußen wird, könnt ihr sie lesen.
Viel Spaß bei den Geschichten und Märchen wünscht euch euer
Ringo
Alina bei den Riesen
Alina war ein zauberhaftes, junges Mädchen mit langen, blonden Haaren. Sie lebte mit ihrem Vater in einer einsamen Hütte abseits des Dorfes und erledigte den Haushalt für ihn. Ihre Mutter war sehr früh gestorben und der Vater musste jeden Tag mit den Ziegen auf die Alm.
Alina liebte ihr einfaches Leben. Manchmal ging sie hinab ins Dorf und traf sich mit ihren Freundinnen. Viele Jünglinge aus dem Dorf waren in sie verliebt und versuchten, ihr Herz zu erobern. Doch bisher hatte es noch keiner geschafft, denn Alina hatte immer viel zu tun und war mit der täglichen Arbeit ausgefüllt. Sie kochte Käse und konnte ihn sehr gut zubereiten. Dann verkaufte sie den Käse auf dem Markt im Dorf.
Ihr Herz schlug allein für den Sohn des Goldschmiedes. Er hieß Hans. Doch Hans war irgendwann spurlos verschwunden. Man vermutete, dass er von zu Hause abgehauen war, da sein Vater sehr streng war und ihn oft schlug. Alina dachte noch oft an ihn und hoffte sehr, dass er irgendwo ein besseres Leben angefangen hatte.
Manchmal hoffte sie, dass er zurückkommen würde, denn sie hatte immer das Gefühl gehabt, dass er sie ebenso mochte. Leider war das nicht passiert und Alina versuchte, den Gedanken an ihn zu verdrängen, so gut es ging.
Und doch hörte sie nie auf zu hoffen und zu wünschen. Immer, wenn sie ein vierblättriges Kleeblatt fand, schloss sie die Augen und wünschte sich Hans zurück. Dann pustete sie das Blatt in den Wind und es trug ihre Wünsche in die Welt.
Wenn ihr eine Wimper ausging, tat sie dasselbe. Sie pustete die Wimper weg und dachte mit aller Kraft an ihren Hans. Oft war der Gedanke so mächtig, dass sie ihn vor sich sah und sein freundliches Lachen hörte.
Jeden Abend, nachdem ihr alter Vater ins Bett gegangen war, trat sie vor ihre Hütte und blickte in den Sternenhimmel. Wenn sie eine Sternschnuppe sah, schloss sie die Augen und wünschte sich Hans herbei.
Einmal hatte sie ihr Vater dabei beobachtet.
"Er kommt nicht zurück, du musst ihn vergessen!", hatte er sanft gesagt und seine warme Hand auf ihre Schulter gelegt.
Das Leben war einfach und hart. Alina mochte den Wechsel der Jahreszeiten. Die Stürme im Herbst und die blühenden Blumenwiesen im Frühjahr. Im Sommer ging sie in den Bergseen baden und im Winter fütterte sie mit ihrem Vater die Tiere im Wald.
Nur vor einer Sache hatte Alina schreckliche Angst. Das waren die Riesen, die manchmal ihr Unwesen trieben. Wenn sie durch die Wälder streiften, bebte die Erde und die Berge wackelten. Manchmal fielen Bäume um, denn die Riesen waren nicht zimperlich. Die Menschen fürchteten sich vor ihnen und sie hatten keine Idee, wie sie mit ihnen fertig werden konnten. So hatte sich Generation für Generation an die Riesen gewöhnt und gelernt, mit ihnen zu leben.
Eines Morgens bebte wieder die Erde. Alinas Vater war gerade auf die Alm gegangen und hatte seine Ziegenherde dabei. Alina war zu Hause und putzte das Haus. Dann wollte sie wieder Käse zubereiten und ihn am Nachmittag im Dorf verkaufen. Doch jetzt wackelte der Boden unter ihr. Normalerweise versteckte sich das Mädchen unter einem Tisch, bis das Beben vorbei war, doch heute wollte Alina mutiger sein. Sie wollte sich von den Riesen nicht einschüchtern lassen und hoffte, dass das Beben so wie sonst immer, gleich vorbei sein würde. Also ging sie zum Brunnen vor dem Haus, um Wasser zu holen. Es war ein wundervoller Frühlingsmorgen und Alina war sehr glücklich. Sie hörte Vogelstimmen und sah die ersten Blumen, die ihre Köpfe der Sonne entgegenstreckten. Der Winter war wieder einmal sehr hart gewesen und alle Menschen konnten es kaum erwarten, bis es wieder wärmer wurde.
Gerade, als Alina Wasser schöpfen wollte, legte sich ein großer Schatten über sie. Sie dachte, es wäre eine Wolke. Zu spät sah sie die zwei großen Finger, die sich nach ihr ausstreckten und zu spät begriff sie, dass sie einem Riesen ausgeliefert war. Der Riese packte sie zwischen seinen Daumen und dem Zeigefinder und trug sie vorsichtig in die Höhe. Dann betrachtete er sie aus der Nähe. So ein wunderschönes Mädchen hatte er noch nie gesehen. Anerkennend pfiff er durch seinen hohlen Zahn. Alina hatte unterdessen furchtbare Angst. Ihr Herz klopfte wie wild und sie wusste nicht, was sie tun sollte. Aus lauter Angst rief sie nach ihrem Vater, der sie nicht hören konnte, weil er weit weg auf der Alm bei seinen Ziegen war.
„Vater!“, rief Alina verzweifelt. „Vater!“
Der Riese steckte Alina in seine Manteltasche und stapfte weiter. Seine kleine Tochter würde sich sicher über die neue Spielfigur freuen
Alina wurde in der Tasche hin und her geschüttelt. Es war entsetzlich warm und ihr wurde schlecht. Sie wunderte sich, wohin sie der Riese bringen würde und hatte keine Ahnung, ob sie jemals ihren Vater und das kleine Dorf wiedersehen würde.
„Wäre ich doch bloß vorsichtiger gewesen!“, dachte sie verzweifelt und fing an zu weinen.
Dann fiel sie in einen tiefen Schlaf und erwachte erst, als der Riese sie zu Hause auf den Küchentisch setzte. Alina wusste zunächst nicht, wo sie eigentlich war und konnte sich das alles nicht erklären. Warum stand sie auf einer großen Untertasse? Warum war der Milchkrug plötzlich so riesig? Da fiel ihr ein, dass sie bei den Riesen war! Sie fing an zu zittern vor Angst.
Einige Finger kamen auf sie zu und hoben sie auf. Ein riesiges Auge starrte sie an und sie erkannte eine Nase mit unzähligen Sommersprossen.
„Oh, ist das Mädchen für mich?“, fragte eine Stimme.
„Ja, habe ich heute für dich auf der Wiese hinter dem Wald gefunden. Du kannst es haben!“
Das Riesenkind freute sich unbändig und trug Alina mit sich fort. Es brachte sie zu einem Haus, das in einem großen Zimmer stand. Das Haus sah aus wie ein Pilz und viele Figuren standen im dem kleinen Garten vor dem Haus. Alina sah, dass die Figuren nicht lebendig waren. Sie standen einfach nur da und bewegten sich nicht.
„Bitte lass mich gehen!“, bat sie das Riesenkind, doch das konnte sie nicht hören, weil ihre Stimme viel zu dünn für Riesenohren war.
Das Kind konnte sich offenbar nicht entscheiden, wo es Alina hinstellen wollte. Es überlegte hin und her und änderte ständig den Platz. Endlich hatte das Kind eine Stelle gefunden und setzte Alina auf die Bank vor dem Haus.
„Ich kann hier nicht die ganze Zeit sitzen!“ rief Alina entsetzt aus. „Ich will zurück nach Hause!“
Das Kind wer augenblicklich verschwunden und Alina
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Dörte Müller
Bildmaterialien: Dörte Müller
Cover: Dörte Müller
Tag der Veröffentlichung: 27.01.2017
ISBN: 978-3-7438-1195-9
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