Inhaltsverzeichnis
Der Frühling
ist ein Luftballon
lautlos und leicht
schwebt er in den Himmel
um dann sanft auf der Erde zu landen
Er ist die Palette eines Malers
eine Explosion von Farben
die ineinander verlaufen
Eine Melodie
die du lange nicht mehr gehört hast
Er ist die aufgehende Sonne
nach langer, dunkler Nacht
Der Frühling
ist wie ein Geschenk,
das du endlich auspacken darfst
Maja und ich
„Du wirst dich mit Maja anfreunden, egal ob du willst oder nicht!“, hatte meine Mutter gesagt und energisch meine Kinderzimmertür zugeschlagen. Ich war echt verzweifelt. Meine Cousine Maja war die schrecklichste Person, die ich kannte. Obwohl sie fast genauso alt war wie ich (sieben Jahre), konnte ich einfach nichts mit ihr anfangen. Sie hatte immer irgendein Buch dabei und las und las und las. Ihre brauen glatten Haare waren kinnlang und sahen immer so aus wie eine eng anliegende Badekappe. Ich hatte nur schreckliche Erinnerungen an Maja.
Als sie drei Jahre alt war und uns mit ihren Eltern besucht hatte, hatte sie auf meinen Kinderzimmerteppich gepinkelt. Den Fleck haben wir nie mehr richtig herausbekommen und ich muss immer noch mit den Umrissen leben. Als sie fünf war, hat sie in einem unbeaufsichtigten Moment meinen Barbies die Haare abgeschnitten und sie alle in hässliche Punker verwandelt. Die Erwachsenen haben nur gelacht und gemeint, das wäre doch alles sehr originell. So einen Einfall hätte eben nur Maja haben können.
Bei Familienfesten wurde immer davon erzählt, dass Maja hochbegabt sei. Sie hätte schon vor der Schule lesen können und sie spielte schon Beethoven auf dem Klavier. Außerdem schrieb sie Gedichte über den Frühling. Das war doch sehr seltsam und nicht normal für Kinder in unserem Alter!
Ich wurde ständig mit Maja verglichen und kam dabei natürlich schlechter weg. Ich fand Maja immer nur ätzend. Und das schlimmste war, dass ich sie jedes Jahr zu ihrem Geburtstag anrufen musste. Wie ich diese Anrufe hasste! Ich wusste nie, was ich mit ihr reden sollte. Meistens verliefen die Anrufe immer nach dem selben Schema.
„Hallo!“
„Hallo!“
„Alles Gute zum Geburtstag!“
„Danke!“
„Feierst du?“
„Nein!“
„Tschüß!“
„Tschüß!“
Und jetzt sollte Maja die gesamten Osterferien bei uns verbringen! Nicht nur einen oder zwei Tage, nein, es sollten die ganzen Ferien sein. Etwas Schlimmeres hätten sich meine Eltern nicht ausdenken können! Meine beste Freundin Katja war mit ihren Eltern auf Mallorca. Meine Mutter fand das toll.
"Ist doch super, dann hast du noch mehr Zeit für Maja!"
Maja, Maja, Maja! Ich hörte immer nur Maja. Es war so schlimm, dass ich meine Stoffbiene Maja auf den Dachboden verfrachtete, weil ich auch sie nicht mehr sehen konnte.
„Majas Eltern haben Probleme, sie lassen sich wahrscheinlich scheiden!“, hatte meine Mutter mir erklärt. „Damit sie Zeit für sich haben und über alles in Ruhe reden können, habe ich vorgeschlagen, dass Maja die Osterferien bei uns verbringt!“
Ich hatte getobt und geschrieen, als ich die Nachricht gehört hatte. „Das kannst du nicht machen, es sind meine Ferien!“, hatte ich meine Mutter entsetzt angebrüllt.
„Ich hätte einfach etwas mehr Verständnis von dir erwartet!“, hatte meine Mutter enttäuscht geantwortet. Dann hatte sie türknallend mein Kinderzimmer verlassen.
Mit düsteren Gedanken schmiss ich mich auf mein Bett und heulte in die Kissen.
Plötzlich spürte ich eine Hand auf meinem Rücken. Meine Mutter war zurückgekommen und nahm mich in die Arme. Leise redete sie auf mich ein.
„Jetzt beruhige dich doch, Johanna! Maja ist wirklich schlimm dran, wenn Tante Doris und Onkel Gerd sich scheiden lassen. Da wollen wir ihr wenigstens ein schönes Osterfest machen. Ich habe schon einige Überraschungen gekauft, die ich im Garten verstecken werde!“
Ich schniefte in ein Taschentuch, das mir meine Mutter reichte.
„Da ist noch etwas ...!“, fing sie plötzlich wieder an. „Tante Doris hat gesagt, Maja glaubt noch an den Osterhasen, bitte verrate nicht, dass es ihn nicht gibt!“ Mir stockte der Atem.
„Was? Sie glaubt mit sieben noch an den Osterhasen?“, rief ich spottend aus.
Wenige Stunden später hupte auf unserem Hof bereits der bläuliche Opel Astra meiner Tante Doris. Maja war angekommen.
Meine Mutter hatte inzwischen eine Matratze neben mein Bett gelegt. Da sollte Maja zwei Wochen schlafen. Maja hatte mich kaum begrüßt und hatte sich gleich in einen Fernsehsessel gesetzt.
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Dörte Müller
Bildmaterialien: Dörte Müller
Cover: Dörte Müller
Tag der Veröffentlichung: 15.05.2016
ISBN: 978-3-7438-0353-4
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