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Amalia und der Zauberspiegel

 

Was vorher geschah

 

Irgendwo in einer Höhle nicht fern vom mächtigen Schloss braute eine dunkle Gestalt ein waberndes Gebräu zusammen. Hässliche Kröten quakten in der Dunkelheit, tausend Augen glotzten irgendwo ins Leere. Die Gestalt fing mit rauer Stimme an zu singen:

 

Zauberspiegel

Zeig mein Gesicht!

Zauberspiegel

Verlass mich nicht!

Zauberspiegel

Verkehrte Welt!

Zauberspiegel

Ich bin entstellt ...

 

„Es ist vollbracht!“, sagte sie und trank das Gebräu in einem Zug aus. Dann schüttelte sie sich. Augenblicklich wurde die dunkle Gestalt hell, fast weiß und glänzend. „Jetzt fehlt nur noch der Zauberspiegel!“, murmelte das Wesen vor sich hin. Dann blätterte es in einem dicken, fast zerfallenen Buch und klopfte dreimal mit einem Stab auf einen großen Stein. Es zischte und blitzte. Plötzlich stand ein großer, glänzender Spiegel mitten in der schwarzen Höhle. Das Wesen klatschte in die Hände. „Geschafft!“, rief es aus und bewunderte sich in seinem Meisterwerk. Lange blonde Haare schmiegten sich um den Körper der Gestalt wie ein langer Schal. Tiefblaue Augen blickten in die Ferne.

„Ich bin wirklich die hübscheste Fee, die ich je gesehen habe!“, flüsterte das Wesen und freute sich über die gelungene Arbeit.

 

 

„Jetzt muss ich mich nur noch an dem König rächen. An diesem verflixten Glückspilz, der im Gegensatz zu mir alles im Leben erreicht hat. Doch wie räche ich mich an ihm?“ Das Wesen schritt mit langsamen Schritten in der Höhle auf und ab. Schließlich blieb es stehen. Im Kerzenschein sah man seine Augen aufblitzen. „Ich hab` s!“, rief es aus. „ Ich nehme ihm seine Frau und schenke ihm dafür eine hässliche Tochter.“

Damit war das Schicksal besiegelt. Oder doch nicht?

 

... und so beginnt die Geschichte

 

Es war einmal eine sehr warmherzige Prinzessin. Sie hieß Amalia und sie wohnte mit ihrem Vater, einem mächtigen König, in einem riesigen Schloss auf einem großen Berg. Amalias Mutter war bereits bei ihrer Geburt gestorben und so wuchs das Mädchen ohne sie auf.

Amalia war im ganzen Schloss sehr beliebt, weil sie so ein freundliches und offenes Wesen hatte. Sie liebte Tiere über alles und spielte jeden Tag mit den Rehen und Vögeln, die sie gezähmt hatte und die ihre besten Freunde waren. Manchmal ging sie mit ihrem Vater auf die Jagd, doch er musste ihr versprechen, nichts zu schießen. Ihr Vater erfüllte ihr diesen Wunsch sehr gerne, denn auch er war gutherzig und friedliebend.

Es hätte alles so schön sein können in Amalias Leben, doch eine Sache versuchte man ihr so gut es ging zu verheimlichen: Amalia war unbeschreiblich hässlich. Kein Mensch konnte sich erklären, wo diese Hässlichkeit her kam. Ihre Mutter war eine ausgesprochen hübsche Königin gewesen und auch der König glänzte durch sein äußeres Erscheinungsbild, das auf vielen Bildern für die Ewigkeit festgehalten worden war.
Doch, arme Amalia! Lag ein Fluch auf ihr? War ihre unglaubliche Hässlichkeit einfach nur ein Fehler der Natur? War alles ein böser Zufall?

Ihre Nase war riesig, ihre Ohren standen weit vom Kopf ab, sie hatte gelbe Haut und einen langen, dünnen Hals. Ihr Haar war dünn und schwarz und stand wirr vom Kopf ab.

Eine Fee hatte zum Glück Mitleid mit diesem hässlichen Mädchen gehabt und dem König zur Geburt seiner Tochter einen Zauberspiegel geschenkt. Allerdings hatte sie gesagt: „Dieser Spiegel darf niemals zerstört werden. Wenn das geschieht, wird Amalia etwas Schreckliches widerfahren. Sie kann nur gerettet werden, wenn der Spiegel wieder zusammengeklebt ist.“

Der König weihte alle Diener und Hofdamen in das große Geheimnis ein und alle wollten mithelfen, das Unglück zu verhindern.
Wenig später hatte der König neu geheiratet. Eine auffallend hübsche Frau mit blonden. langen Haaren. Keiner wusste so genau, woher diese Frau eigentlich kam. Sie war auf einmal da gewesen. Besonders nett war sie nicht, aber das hatte der König zu spät bemerkt. Aber wenigstens hatte er jetzt jemanden, der bei königlichen Festen neben ihm saß und der Platz war nicht mehr leer.

 

 

Mit Amalia verstand sich die neue Gemahlin des Königs auch nicht. Sie mied das Mädchen, wo es nur ging. Und Amalia war froh darüber, denn sie konnte ihre Stiefmutter nicht ausstehen.

Immer, wenn Amalia in den Spiegel blickte, sah sie wunderschön aus. Ihr Haar war voll und lang, ihre Haut von einem edlen Weiß und ihre Ohren klein und enganliegend. Sie war eine wahre Schönheit in diesem Spiegel.

 

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Dörte Müller
Bildmaterialien: Dörte Müller
Cover: Dörte Müller
Tag der Veröffentlichung: 02.04.2016
ISBN: 978-3-7396-4785-2

Alle Rechte vorbehalten

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