Der Ball kam mit wahnsinniger Geschwindigkeit auf mich zugeflogen. Ich verschränkte meine Hände ineinander und schlug mit voller Kraft zu, als er auf mich herabschoss. Er flog zurück und ich nahm den leichten Schmerz in meinen Händen kaum wahr. Der Volleyball landete einige Zentimeter vor der Outline, noch im Inneren des Feldes. Es stand 26 zu 24. Wir hatten gewonnen!
Der Pfeifton ertönte und kündigte das Ende des Spieles an.
Leute applaudierten und meine Teamkollegen liefen auf mich zu und umarmten mich. Alle schrien durcheinander und ich wusste nicht, wie mir geschah. Ich lachte und wurde hoch gehoben.
Wie bei jedem Turnier gab es hinterher noch eine Party. Sie wurde auch Afterplay Party genannt und wurde von den Gewinnern des Volleyballturnieres gegeben. Ich muss zugeben, meistens war mein Team der Veranstalter der Party…
Und mit diesem Spiel hatten wir uns offiziell zu den Volleyballmeisterschaften von Europa qualifiziert, weshalb einige Talentscouts anwesend waren. Es war ein großes Spiel gewesen mit vielen Zuschauern.
Sogar meine Eltern waren gekommen. Nur mein großer Bruder Ryan hatte es nicht geschafft. Aber ich verzieh es ihm, seine Frau Ally lag immerhin gerade in den Wehen.
Meine Freundin Lilly zog mich zur Seite und umarmte mich.
„Emma du warst einfach klasse! Komm, gehen wir uns umziehen!“, rief sie und schleifte mich hinterher.
Ich folgte ihr in ihr Haus, das gleich neben dem Volleyballplatzes unseres Ortes stand. Die Räume waren dunkel, da Lillys Eltern Urlaub in Amerika machten. Lilly war ein Einzelkind und ihre Eltern interessierten sich einen feuchten Dreck für sie. Deshalb hatten meine Eltern sie inoffiziell adoptiert. Lilly kam eigentlich immer zu uns. Falls sie einmal nicht kam machten Mum und Dad sich Sorgen. Das Mädchen war wie eine Schwester für mich.
„Los komm! Marcus kann es sicher kaum erwarten dich zu sehen!“, rief sie und lief voraus in ihr Zimmer. Grinsend folgte ich ihr. Marcus war unser Teamchef und einer der hübschesten Typen bei uns in der Gegend. Der einzige Nachteil war, dass er eine Freundin hatte. Eine aufgeblasene Ziege namens Lissa. Blond, zickig, magersüchtig. Ich hatte keine Ahnung, was er an ihr fand, aber hey! Ich hatte nicht das Recht ihm vorzuschreiben, welche Frauen er toll finden sollte. Der Junge war 19! Er konnte wohl auf sich selbst aufpassen.
Lilly war bereits dabei ihren Kleiderschrank auf den Kopf zu stellen.
Sie hielt ein rotes kurzes Kleid hoch und warf es mir zu. „Deines“, meinte sie, drehte sich um und suchte weiter.
Das Kleid war traumhaft. Rote Seide mit schwarzen Blumenranken am Saum und am Ausschnitt des Kleides. Es war Trägerlos und ging mir bis zu den Knien.
Ich zog es ohne Wiederspruch an und setzte mich dann vor Lillys Spiegel um mich zu schminken. Meine Haare ließ ich offen. Sie fielen mir in leichten Wellen bis zu meinen Ellbogen. Es hatte Jahre gedauert, bis sie so lang waren, wie ich sie haben wollte.
„Fertig?“, fragte Lilly nach einiger Zeit. Sie sah wunderschön aus. Sie trug einen kurzen Jeansrock, ein hellrotes, trägerloses Top und hohe Schuhe. Ihre Haare hatte sie zu einem langen Zopf geflochten, den sie sich über ihre linke Schulter hängen ließ.
„Na los, gehen wir!“, rief ich und hakte mich bei ihr unter. Wir verließen Lils Haus und folgten der lauten Musik und den ausgelassenen Rufen.
Als wir die Party erreichten brachen alle in lautes Gejohle aus.
„Auf Emma! Die uns zu den Europameisterschaften gebracht hat!“, rief Tom. Er spielte ebenfalls in unserer Mannschaft. Tom hob ein Glas und alle anderen taten es ihm gleich.
„Auf Emma!“, riefen sie und applaudierten erneut.
Ich lachte und verbeugte mich.
Lilly zog mich zu der Bar und bestellte zwei Tequila. Für Teammitglieder waren die Getränke gratis. Eine tolle Erfindung, fand ich.
Tom kam auf mich zu getorkelt. Er war nicht mehr ganz nüchtern und hielt sich an meinem Arm fest.
„Süße, du warst heute einfach unglaublich!“, nuschelte er mir ins Ohr und gab mir einen Kuss auf die Wange.
„Und du bist nicht mehr ganz nüchtern, Süßer“, meinte ich daraufhin lachend.
„Ich bin sowas von nüchtern“, lachte er und umarmte Lilly, die sofort zu lachen begann.
Ich beobachtete die beiden.
Als sich plötzlich zwei starke Arme um meine Mitte legten zuckte ich zusammen.
„Ich bin so froh, dass ich dir vor zwei Jahren die Chance gegeben habe in unserem Team anzufangen“, flüsterte mir jemand ins Ohr. Ich drehe mich um und sah in Marcus´ lachendes Gesicht.
„Ach ja? Nach zwei Wochen wolltest du mich doch eigentlich wieder aus dem Team werfen, oder nicht?“, konterte ich grinsend.
Ich konnte mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich heimlich das Gespräch zwischen ihm und unserem damaligen Teamchef Logan belauscht hatte. Marcus wollte mich wieder aus dem Team haben, weil er meinte, dass ich einfach nicht dazu passen würde. Aber Logan war anderer Meinung. Er wollte mir noch Zeit lassen bis zum meinem ersten richtigen Volleyballspiel. Und dort haben wir dann dank mir 24 zu 8 gewonnen. Ich musste lachen bei dem Gedanken.
„Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst“, sagte er leise und zog mich in eine Umarmung.
„Du warst heute super“, nuschelte er in meine Haare.
Ich genoss seine Umarmung und spürte die leichte Hitze, die mir in die Wangen stieg.
„So toll war ich jetzt auch nicht. Ich habe einen Schlag total vermasselt“, meinte ich und hoffte, dass er das leichte Zittern in meiner Stimme nicht bemerkte.
„Da war ja Lilly zur Stelle. Außerdem kannst du nicht immer alle Bälle spielen. Lass den anderen doch auch mal einen Schlag übrig“, meinte er grinsend und löste sich aus der Umarmung.
Ich streckte ihm die Zunge raus und griff nach meinem Glas. Ich leerte es in einem Zug und verzog kurz das Gesicht.
Marcus lachte. „Los komm, ich gebe dir einen aus“
„Wir müssen ja überhaupt nichts bezahlen, du Dummkopf“, lachte ich.
„Genau deshalb kann ich es mir auch leisten, Em“, grinste er.
Bei der Bar reichte er mir meinen Drink und wir lehnten uns gegen die Wand eines Hauses, etwas abseits der Party.
„Also, wann geht’s nach Italien?“, fragte ich ihn und nippte an meinem Getränk.
Er leckte sich über die Lippen und dachte nach.
„In zwei Tagen“, meinte er dann leise.
Ich nickte und sah ihn an. Die Europameisterschaften waren dieses Jahr in Italien. Es war einfach Wahnsinn, dass mein Team dort dabei sein durfte. Uns wurde alles bezahlt. Das Hotel, die Reise, einfach alles. Außerdem hatten wir dazwischen immer wieder Zeit zum Ausruhen und Entspannen.
„Du kannst gerne noch jemanden mitnehmen, wenn du möchtest“, meinte Marcus plötzlich.
Verwirrt sah ich ihn an.
„Warum?“, fragte ich irritiert. Wen sollte ich denn mitnehmen?
„Naja, keine Ahnung. Deinen Freund?“, meinte er.
Ich blies die Luft aus.
„Wenn ich einen hätte würde ich ihn mitnehmen“, meinte ich trocken.
Marcus grinste.
„Ich muss nur wissen, ob ich dich mit allen anderen in ein Zimmer stecken kann oder ob du ein Doppelzimmer alleine brauchst“
„Ich brauch ein Doppelzimmer, auch wenn ich niemanden mitnehme“, lachte ich. „Mein Volleyball schläft bei mir“
Marcus grinste.
„Also doch vergeben“, meinte er.
Er stieß sich von der Wand ab.
„Schade“, meinte er noch und ging mit einem Grinsen zurück zur Party.
Wieso musste dieser Typ immer in Rätseln sprechen! Was hatte er damit wieder gemeint?
Die Schmetterlinge in meinem Bauch tanzten wild herum und ich brauchte noch einen Moment in der Dunkelheit, bevor auch ich mich auf den Weg zurück machte. Ich durfte mich nicht in Marcus verknallen. Er war vergeben. Hatte eine Freundin!
Mit einem Seufzen stürzte ich mich in die Menschenmenge und entdeckte an einem Stehtisch Liam, Kathy, Anna und Justin. Alle spielten auch bei mir im Team und begrüßten mich lautstark, als ich zu ihnen trat.
„Na euch geht’s anscheinend auch schon ziemlich gut“, lachte ich.
Liam legte mir einen Arm um die Schulter und drückte mir einen Kuss auf die Wange.
„Weißt du Emma“, nuschelte er und schwankte bedrohlich. „Ich habe dich schon immer geliebt, aber heute, als du diesen verdammten Ball geschossen hast, hab ich beschlossen dich zu heiraten“, nuschelte er.
Ich musste lachen. Liam war ziemlich betrunken.
Auch die anderen lachten und gratulierten mir zu meinem gelungenen Schlag.
Justin holte Getränke für uns alle und kurze Zeit später spürte ich die bekannte Wärme in meinem Bauch. Es war gerade mal Mitternacht und die Party war in vollem Gange. Immer wieder kamen Leute auf mich zu und gratulierten mir. Liam hatte den ganzen Abend über seinen Arm um meine Schulter gelassen und wenn ich ehrlich war genoss ich das Gefühl.
Lissa sah ich öfters herumirren und nach jemandem, vermutlich Marcus, Ausschau halten.
Erst so gegen zwei Uhr sah ich Marcus kurz, mit Lissa am Arm. Allerdings war ich da schon zu betrunken um mir Gedanken über meinen Teamchef zu machen.
„Komm mal mit Emma, ich muss dir etwas zeigen“, flüsterte Liam mir ins Ohr und zog mich weg von der Party in die dunkle Nacht hinein. Ich folgte ihm bereitwillig. Vor seinem Haus blieb er kurz stehen und deutete mir, leise zu sein.
Er schloss die Haustür auf und führte mich die Treppe hinauf in sein Zimmer. Ich war schon öfters hier. Liam war einer meiner besten Freunde. Wir kannten uns schon seit dem Kindergarten. Er war auch mein erster fester Freund. Auch wenn es nicht geklappt hatte mit der Liebe, waren wir noch immer super gute Freunde.
In seinem Zimmer angekommen musste er sich kurz an der Tür abstützen um nicht zu fallen. Er schwankte beträchtlich, als er auf sein Regal zuging und eine schwarze Mappe herauszog.
Ich betrachtete ihn derweilen. Er trug eine lange, verwaschene Jeans, ein dunkelblaues Hemd, das ihm offen über dem flachen Bauch hing. Er sah einfach umwerfend aus mit seinen schwarzen, verwaschenen Haaren und seinen hellen, blauen Augen.
Mit einem Lächeln kam er auf mich zu. Liam zog mich aufs Bett und legte mir die schwarze Mappe auf den Schoß.
„Ich spür meine Finger nicht mehr“, meinte er achselzuckend und grinste mich an.
Ich strich mit den Fingern über die Mappe und öffnete vorsichtig den Deckel. Zum Vorschein kamen Fotos. Fotos von mir beim Volleyball spielen, von Liam beim Surfen, von allen anderen Spielern bei Turnieren oder Partys.
Verwundert sah ich ihn an.
„Du bist heute seit genau zwei Jahren in unserem Volleyballteam und hast uns zu den Europaqualifikationen gebracht“, meinte Liam grinsend.
Ich konnte es nicht fassen. Er hatte es sich tatsächlich gemerkt, wann ich ins Team gekommen bin? Nicht einmal ich hatte mir das Datum gemerkt.
Fassungslos blätterte ich das Album durch. Es waren viele Fotos von Liam und mir. Auch als wir noch jünger waren. Wir beide in der Hauptschule, bei einem Ausflug in den Zoo. Dort gab es einen Fotoautomaten und wir hatten nichts Besseres zu tun als blödsinnige Fotos zu machen. Ich musste lachen, als ich ein Foto entdeckt, auf dem Liam nur in Boxershorts durch die Nacht lief. Das war ein böser Streich gewesen. Er hatte in meiner Unterwäsche herumgewühlt und als Strafe dafür musste er einen kleinen Lauf durch den Ort machen.
Ich umarmte ihn und flüsterte ihm ins Ohr: „Danke, du bist der Beste“
Er grinste und meinte „Ich weiß“
Ich musste gähnen und lehnte mich an ihn.
„Wie wärs, schläfst du heute bei mir?“, fragte er.
Ich nickte nur, zu müde um noch klar denken zu können. Ich hatte schon lange nicht mehr bei Liam geschlafen. Das letzte Mal war, als wir noch ein Paar waren.
Mein bester Freund verschwand kurz aus dem Zimmer, vermutlich um Zähne zu putzen oder zu duschen. Ich nutzte die Gelegenheit und zog mir das Kleid vom Körper. Da ich nicht in Unterwäsche schlafen wollte, lieh ich mir eine alte Jogginghose und ein T-Shirt von Liam. Dann kuschelte ich mich in Liams Bett und befand mich bereits im Halbschlaf, als Liam ins Zimmer kam und zu mir unter die Decke schlüpfte. Er zog mich an sich und warm in seinen Arm gekuschelt schlief ich sofort ein.
„Morgen, Schatz“, flüsterte mir jemand ins Ohr.
Ich war zu müde um zu reagieren und drehte mich auf die andere Seite, um weiter zu schlafen. Mein Kopf machte sich bemerkbar und ich wollte überhaupt nicht wissen, was ich gestern getan hatte…
„Schon okay, ignorier mich ruhig, ich kann damit leben“, lachte jemand. Die Decke wurde kurz angehoben und ein eisiger Lufthauch fuhr mir über die nackten Arme.
Ich hasste diesen Kerl, wer immer das auch war.
„Em, ich geh runter frühstücken. Meine Mum hat gesagt, dass jemand aus dem Volleyballteam für mich da ist.“, flüsterte mir jemand ins Ohr und verließ darauf das Zimmer.
Ich drehte mich auf den Rücken. Mann! Jetzt war ich wach! Welcher Idiot redet am Morgen schon so viel?? Ich setzte mich vorsichtig auf und sah mich im Zimmer um.
Ah, eindeutig Liams Zimmer. Gott sei Dank!
Langsam stand ich auf. Ich sah vermutlich furchtbar aus, aber hey, es war mir egal. Ich war nur bei Liam, da konnte ich theoretisch auch nackt rum laufen (nicht, dass ich es machen würde)
Ich suchte draußen Liams Bad und fand es nach kurzer Zeit da Liam ein sehr informatives Schild mit der Aufschrift „Liams Bad“ an der Tür angebracht hatte.
Ich wusch mir mein Gesicht und stellte wieder einmal fest, dass ich nach Partys schlimmer aussah, als eine übergewichtige Frau nach einer Geburt von Zwillingen.
Ich ging seufzend hinunter in die Küche. Dort traf ich Liams Mum.
„Guten Morgen“, murmelte ich.
„Guten Morgen Emma.“, erwiderte Liams Mum erfreut „Schön dich wieder einmal zu sehen!“.
„Ja, find ich auch“, nuschelte ich.
„Liam ist im Esszimmer. Jemand vom Volleyballteam ist da und sie besprechen irgendetwas über eure Reise nach Italien. Super Schuss übrigens, ich habs im Fernsehen gesehen.“
„Wie? Unser Spiel war im Fernsehen?“, fragte ich verblüfft.
„Oja, weil ihr ja in die Meisterschaften gekommen seid“, lächelte Liams Mum.
Ich nickte und konnte es gar nicht fassen. Wo bitteschön waren die Kameras gewesen?
Ich verließ die Küche und suchte das Esszimmer. Als ich es gefunden hatte stürmte ich hinein.
„Liam, hast du gewusst, dass…“, begann ich und erstarrte, als ich Marcus am Tisch sitzen sah.
„Morgen Emma“, meinte Liam. „Auch schon wach?“, er grinste.
„Hey Emma“, sagte auch Marcus, nachdem er mich kurz gemustert hatte. Er sah nicht gerade erfreut aus mich zu sehen. Naja, ich hatte ja auch immer noch Liams Sachen an.
„Hey…“, erwiderte ich. „Äh… stör ich?“, fragte ich.
„Nein, nein, setz dich“, antwortete Liam und rückte mir einen Stuhl neben sich zurecht.
Ich setzte mich.
„Also Marcus, wegen Italien. Was wolltest du erzählen?“
Marcus sah mich an und räusperte sich, ehe er sich wieder Liam zuwandte.
„Ja, wegen der Zimmer. Tom, Justin, Anna, Kathy, Lilly, Emma, du und ich fahren mit. Sollten wir alles Zweierzimmer buchen oder wie sollten wir sie einteilen?“, fragte er.
„Naja, Anna und Tom beziehen ein Zimmer gemeinsam. Bei den anderen ist es eigentlich egal. Wir drei Jungs und die drei Mädels vielleicht?“, fragte er und sah mich dabei an.
Ich zuckte nur mit den Schultern. Was mich gerade beschäftigte war die Tatsache, dass Marcus vermutlich dachte, ich hätte nur bei Liam geschlafen, um mit ihm zu schlafen. Hört sich irgendwie verwirrend an…
Oh Mann, der dachte sicher wir wären jetzt ein Paar oder so. Dann konnte ich doch nie mit ihm zusammen sein.
„Warum fährt Lissa eigentlich nicht mit?“, fragte Liam plötzlich.
Ach ja genau, Marcus hatte ja eine Freundin. Also konnte ich trotz Liam nicht mit Marcus zusammen sein. Ach Gott, dass Leben war aber auch kompliziert.
„Sie wird nicht mitfahren“, sagte er trocken.
Fragend sah ich ihn an. Lissa war sonst immer irgendwo in Marcus´ Nähe. Sie war wie ein Hund. Ein blonder Hund. Ein Golden Retriever ;)
„Okay“, meinte Liam. „Dann würde ich es so machen. Außer es ändert sich noch irgendein Beziehungsstatus. Aber ich glaube in zwei Tagen eher nicht mehr“, grinste Liam.
„Hm… Zwei Tage können lang sein. Die Nächte dafür umso kürzer“, murmelte Marcus und erhob sich. Verwundert sah ich ihn an. Was hatte er denn bitteschön damit gemeint. Dachte er wirklich zwischen mir und Liam lief etwas. Oh nein, bitte nicht!
„Gut, ich werde dann mal gehen. Viel Spaß euch zwei noch“, meinte Marcus und verließ den Raum.
„Danke, den werden wir haben“, erwiderte Liam und brachte Marcus noch bis zur Haustür. Ich blieb wie fest gefroren auf meinem Stuhl sitzen und starrte an die Wand.
„Em, alles in Ordnung?“, fragte Liam als er zurückkam.
Ich schüttelte den Kopf. Verdammt, warum mussten solche Missverständnisse immer dann passieren, wenn ich sie absolut nicht brauchen konnte???
„Marcus denkt, dass wir beide heute Nacht miteinander geschlafen haben“, meinte ich trocken.
Liam sah mich geschockt an.
„Wieso sollte er das denken?“, fragte er und ließ sich neben mich auf einen weiteren Stuhl fallen.
„Naja, weil ich komplett verschlafen mit deiner Hose und deinem T-Shirt in deinem Esszimmer aufgetaucht bin“, sagte ich.
Liam schüttelte den Kopf.
„Hm… Naja, ist doch nicht so tragisch, oder?“, meinte er.
Ich sah ihn an und er begann zu grinsen.
„Für mich ist es nicht schlimm, aber für dich schon, weil du nämlich ziemlich in Marcus Sullivan verknallt bist“, sagte er.
„Das stimmt doch überhaupt nicht“, rief ich wütend aus.
„Und wie das stimmt“, meinte Liam. „Man kennt es dir so richtig an. Keine Sorge, ich erzähle es niemandem und sage Marcus beim nächsten Training dass da nichts zwischen uns läuft“.
Erleichtert sah ich Liam an.
„Danke“, hauchte ich und umarmte ihn.
„Kein Problem Em. Komm, wir gehen jetzt frühstücken“, sagte er und zog mich hoch.
„Hey Lil, wo bist du?“, fragte ich mein Handy während ich mir eine kurze Jogginghose anzog.
„Hey Süße! Bei Kathy“, antwortete mir mein Handy.
„Was macht ihr?“
„Film schauen, Nägel lackieren und Popcorn essen. Willst du rüber kommen?“, fragte die kleine Lil in meinem Handy.
„Nee danke. Ich hab mich nur gewundert wo du steckst. Sind die anderen auch da?“, fragte ich.
„Justin, Tom und Anna. Marcus ist vermutlich bei Lissa und wo Liam ist weißt du wohl am besten“, lachte Lilly ins Telefon.
„Ach Lil, du glaubst doch nicht auch dass Liam und ich zusammen sind, oder?“, seufzte ich.
„Nein natürlich nicht! Ihr seid best friends forever! Wer glaubt das denn?“
„Marcus…“
„Und wie kommt er auf die absurde Idee?“
„Naja, er hat mich heute Morgen bei Liam gesehen.“
„Ja und? Du bist doch immer bei ihm.“
„Ich hatte Liams Hose und sein T-Shirt an und kam komplett verschlafen in den Raum“, erzählte ich leise.
„Oh shit. Naja, passiert ist passiert, da kann man halt nichts machen“, meinte Lilly optimistisch.
„Du bist ja auch nicht in Marcus ver…“
„Sags nicht Emma!“, rief Lilly.
„Was?“
„Kathys kleiner Bruder lauscht. DAVID!!!! RAUS AUS DER LEITUNG“, schrie Lilly.
„Man!“, ertönte Davids Stimme.
„Lil, ich geh joggen. Bis später“
„Ciao Süße“
Pubertierende Jungs waren echt das Letzte!
Seufzend warf ich mein Handy aufs Bett und holte mir noch ein grünes Top. Danach band ich mir meine Haare zusammen und verließ mein Zimmer.
„Mum ich geh raus!“, rief ich durchs Haus und trat aus der Haustür.
Ich lief die Straße entlang in den naheliegenden Wald. Die Sonne schien und es war herrlich warm draußen.
Ich lief den Waldweg entlang und genoss die Wärme auf meiner Haut. Es war warm heute, aber trotzdem nicht allzu heiß. Ich liebte solches Wetter. Man konnte getrost mit kurzer Hose aus dem Haus gehen, musste aber nicht im Schatten bleiben, aus Angst einen Sonnenstich zu bekommen.
Im Wald war es schön kühl, die Bäume warfen lange Schatten auf den Trampelpfad und die Vögel sangen fröhlich vor sich hin. Ich lief langsam den Weg entlang, als mich plötzlich etwas Hartes an der Schulter traf.
Ich drehte mich um und bemerkte einen Tannenzapfen am Boden liegen. Wer bitte schön warf mit Tannenzapfen nach mir?
Suchend sah ich mich um.
„Na du?“, fragte eine Stimme und Marcus trat hinter einem Baum hervor. Ich hatte ihn wegen den tiefhängenden Ästen nicht gesehen.
„Was machst du denn hier?“, fragte ich verwundert.
„Die Wärme genießen“, lachte er. „Und du?“
„Na joggen. Nur dass ich nicht damit gerechnet habe das mich jemand ernsthaft verletzten möchte.“
„Ernsthaft verletzten?“, fragte er.
„Na du hast einen Tannenzapfen nach mir geworfen!“, rief ich gespielt empört.
Ich freute mich Marcus hier im Wald zu sehen. Nur wäre es mir lieber wenn ich nicht komplett verschwitzt in einer alten Jogginghose vor ihm stehen würde.
„Oh Entschuldigung!“, grinste er.
„Das ist Körperverletzung. Ich könnte dich eigentlich anzeigen“, meinte ich.
„Das wär echt schade, dann könnte ich nicht mit nach Italien fahren“.
„Tja, kann man nichts machen“. Ich sah auf meine Uhr. Es war bereits sechs Uhr und ich sollte um acht zu Hause sein. Da ich noch vor hatte bis zum See zu laufen und dort eine Runde schwimmen zu gehen, musste ich mich beeilen.
„Ich muss leider weiter“, sagte ich verlegen.
„Kann ich mitkommen?“, fragte er.
„Wenn du willst“, sagte ich gleichgültig und freute mich innerlich umso mehr.
Ich lief weiter und mir war klar dass Marcus ein besserer Läufer war als ich, doch dass er so schnell war wusste ich auch nicht.
„Na, schon müde?“, fragte er scheinheilig, nachdem wir zwanzig Minuten nebeneinander hergelaufen sind.
„Nein“, japste ich und versuchte das Stechen in meinem Bauch zu ignorieren.
„Okay. Wo wollen wir eigentlich hin?“, frage er.
„Zum See“, stöhnte ich und lief weiter.
„Sollen wir Pause machen?“, fragte er besorgt.
Ich schüttelte den Kopf und kämpfte mich weiter voran.
Als wir nach einiger Zeit an einer Gabelung rechts abbogen konnte ich den See schon glitzern sehen.
Es war nur ein kleiner See mitten im Wald aber trotzdem war ein kleines Stück Wiese rund um das Wasser auf dem man bequem liegen konnte.
„Wow“, meinte Marcus und ließ sich ins Gras fallen.
„Mhm“, sagte ich und setzte mich ebenfalls. Das war vielleicht anstrengend gewesen! Dafür freute ich mich jetzt umso mehr aufs Wasser.
Schnell zog ich mein Top und die Hose aus und rannte ins Wasser. Gott sei Dank hatte ich zu Hause schon meinen Bikini angezogen.
Das Wasser spritzte und war eiskalt. Schnell schwamm ich ein paar Züge und tauchte dann kurz unter um mich vollkommen zu akklimatisieren. Algen streiften meine Knöchel und ich grub ungewollt meine Zehen in den Schlamm, als ich mich vom Boden abstieß.
Marcus hatte sich ebenfalls T-Shirt und Hose ausgezogen und kam zu mir ins Wasser. Er hatte nur seine Boxershorts an und bei diesem Anblick musste ich mich wirklich zusammen reißen.
„Scheiße ist das kalt“, rief er.
„Tja, kannst ja wieder raus gehen wenn es dir zu kalt ist“, meinte ich grinsend.
„Sagt das Mädchen mit den blauen Lippen“, rief er.
Ich presste meine Lippen zusammen. Sie waren sicher nicht blau. So lange war ich noch nicht im Wasser. Dieser miese Lügner.
„Mir ist nicht kalt“, sagte ich und schwamm weiter. Bald hatte ich die Mitte des Sees erreicht und stellte zufrieden fest dass Marcus weit hinter mir war. Vielleicht war er der bessere Läufer, aber ich war die bessere Schwimmerin.
Ich grinste und als ich die andere Seite des Sees erreicht hatte ließ ich mich ins Gras fallen. Die Sonne tat so gut auf der Haut.
Nach einiger Zeit kam auch Marcus und ließ sich schnaufend neben mich fallen.
„Na, müde?“, fragte ich sarkastisch.
Marcus sah mich böse an.
„Ich freu mich auf Italien“, sagte ich nach einiger Zeit des Schweigens.
„Oh ja ich mich auch. Aber das mit der Zimmereinteilung müssen wir noch regeln.“
„Ich dachte ein Doppel und zwei Dreierzimmer“, meinte ich.
„Es gibt nur Doppelzimmer. Entweder wir verkuppeln noch jemanden oder ein Mädchen muss bei einem Jungen schlafen“, lachte er.
„Ich bin fürs verkuppeln. Lilly und Justin. Aber innerhalb von zwei Tagen?“
„Beinahe unmöglich“
Ich seufzte. „Bei Lilly ist nichts unmöglich“, meinte ich.
Marcus sah mich verwirrt an. Aber was auch immer er nicht verstanden hatte, er behielt es für sich. Gott sei Dank, denn ich wollte eigentlich nur die Sonne genießen und keinem 19-jährigen Teenager das Wort „unmöglich“ erklären.
Die Wärme der Sonne nahm bereits ab und ich musste noch mindestens eine dreiviertel Stunde nach Hause laufen, weshalb ich mich seufzend aufsetzte.
Marcus lag neben mir, den Kopf auf den Ellbogen abgestützt und sah mich an.
„Was machst du da?“, fragte ich belustigt.
„Na, ich seh dir zu“, antwortete er gelassen.
„Und wieso machst du das?“
„Die siehst so hübsch aus mit den Locken“, grinste er.
Ich fasste mir an die Haare. Shit, ich hatte sie heute Morgen doch extra noch geglättet.
„Ich sehe sicher total schlimm aus“, meinte ich verunsichert.
Marcus lachte. „Ich mach dir ein Kompliment und du bemerkst es nicht einmal“.
Ich stand unter Schock…
„Nein…Ich meine, ich hab nicht…“, stotterte ich.
Marcus grinste. „Schon in Ordnung, das üben wir noch. Ich muss jetzt los. Aber es war schön mit dir zu joggen. Bis Morgen zum Training“, sagte er und stand auf. Er joggte rund um den See zu seinen Klamotten und verschwand dann im Wald.
Was genau war da gerade passiert??? Hatte MARCUS mir da gerade etwa ein Kompliment gemacht?? Oh mein Gott! Ich glaube ich muss sterben. Aber er hatte doch eine Freundin.
Verwirrt stand ich auf und machte mich auf den Heimweg.
Auf den Weg zum Sportplatz kam mir Lissa entgegen. Ihre blonden Locken hatte sie zu einem Dutt mitten auf ihrem Kopf geknotet. Ich persönlich finde, dass es wie ein Vogelnest aussieht, aber ihr gefiel es anscheinend. Oder aber sie hatte heute noch nicht in den Spiegel gesehen. Was eher unwahrscheinlich war. Wie hätte sie sonst ihre Augen mit schwarzem Edding umranden können?
Lissa blieb vor mir stehen und sah mich kühl an.
„Hey“, sagte ich und wollte an ihr vorbei.
„Stehen bleiben, Bitch“, sagte sie.
Verwundert sah ich sie an. Was hatte sie da eben gesagt?
„Jetzt hör mir mal genau zu, du Volleyballkatastrophe. Ich hab hier eine Message von Marcus für dich. Er will dich nicht mehr sehen! Er hat eine Freundin und eine läufige Hündin, wie dich kann er da nicht gebrauchen. Jeder hier merkt, dass du voll in ihn verknallt bist, aber weißt du was? Ich bin seine feste Freundin. Ich bin diejenige, die er liebt. Die einzige, mit der er den Rest seines Lebens verbringen will. Du bist vielleicht gut in Volleyball, aber das heißt noch lange nicht, dass du Marcus so nerven musst“, sagte sie frostig.
Ich verstand nichts mehr.
„Also halt dich von Marcus fern. Genau das soll ich dir von ihm ausrichten. Er HASST es, wenn du ihm immer so auf die Pelle rückst. Am besten wäre es, du würdest das Team verlassen, aber er traut sich nicht, dir das zu sagen. Immerhin ist Liam ja dein allerbester Freund und Marcus ist vielleicht stärker als er, aber Liam ist immerhin Liam. Egal, behalt deine Dreckfinger einfach bei dir“, endete sie und ging an mir vorbei.
Ich war zu perplex um irgendetwas zu sagen. Hatte sie mich gerade beschimpft?
Aber ich konnte es nicht glauben, dass Marcus das alles von mir denken könnte. Gestern hatte er doch noch gesagt, dass ich hübsch wäre.
Wütend band ich meine Haare zusammen, die ich heute extra gelockt hatte. Bin ich wirklich so schlimm?
Langsam ging ich weiter. Dachte er das wirklich von mir?
Den restlichen Weg über dachte ich über Lissas Worte nach. Als ich dann am Volleyballplatz ankam waren die anderen bereits am Trainieren. Ich war wieder einmal zu spät dran.
„Emma, wo bleibst du denn? Komm her und beeil dich mal ein bisschen“, rief Marcus verärgert.
Er war wütend. Weil ich zu spät gekommen war, oder weil ich ihm gestern „auf die Pelle“ gerückt war, wie Lissa es ausdrückte?
Ich zog mir meine Jacke aus und stellte mich zu Lilly.
Marcus hatte Aufschlag und der Ball flog mit wahnsinniger Geschwindigkeit auf die andere Seite. Lilly schlug ihn fehlerfrei zurück. Marcus hatte damit gerechnet, dass Lilly den Ball ganz nach hinten schlagen würde, weshalb er ihn abfing und zurückschlug.
Als der Ball auf mich zugeflogen kam verfehlte ich ihn und er traf seitlich meine Hand. Autsch, das tat weh.
Das restliche Training verlief mies. Als wir nach einer Stunde völlig erschöpft und deprimiert aufhörten, begann Marcus zu schimpfen.
„Leute, das kann doch nicht wahr sein! Jetzt haben wir es so weit geschafft und ihr versagt komplett. Strengt euch mal ein bisschen an. Macht nicht immer dieselben Schläge. Die Gegner wissen mittlerweile, wo ihr hinschlagen werdet. Lilly, du zielst immer ganz nach hinten und Emma, du spielst den Ball viel zu hart direkt in die Mitte des Feldes und das immer. Es wird Zeit, dass frischer Wind in unser Team kommt“, sagte Marcus und verschwand kopfschüttelnd unter der Dusche.
Was sollte das denn jetzt bedeuten? Frischer Wind? Hatte Lissa recht und er wollte mich wirklich aus dem Team werfen? Das hatte beinahe so geklungen.
„Man hat der heute schlechte Laune“, raunte Anna und schnappte sich ihre Tasche. „Gut dass wir morgen nach Italien fahren“, meinte Kathy und die beiden verließen den Platz.
„Schatz, du warst heute echt scheiße“, grinste Liam und umarmte mich.
„Vorsicht“, schrie ich und zuckte zurück.
Meine Hand brannte vor Schmerzen und war blau geschwollen.
„Oh shit!“, rief Liam. „Hoffentlich ist die nicht gebrochen.“, meinte er.
Er brachte mich zu sich nach Hause, weil das näher war.
„Da muss dringend Eis drauf“, sagte er.
Ich durfte jetzt nicht verletzt sein. In 5 Tagen sind doch die großen Spiele.
„Was wenn ich nicht spielen kann?“, fragte ich mit weinerlicher Stimme.
„Ist ja gut Süße, wenn du willst fahren wir ins Krankenhaus und lassen sie röntgten und auch wenn du nicht spielen kannst, ist das doch nicht schlimm. Es kommen sicher wieder Meisterschaften“.
Ich wusste, dass er mich nur aufmuntern wollte, aber mir war auch klar, dass wir vermutlich nur einmal die Chance hatten bei den Europameisterschaften mit zu spielen.
Liam brachte mir eine Packung gefrorener Erbsen und gemeinsam fuhren wir ins Krankenhaus.
„Weißt du, wenn ich jetzt verletzt bin, bin ich raus aus dem Team. Marcus sucht sich jemand neues, der für mich einspringt. Alle werden so begeistert von dem neuen Mitglied sein und ich bin vergessen“, sagte ich. Ich konnte ihm meinen Verdacht nicht sagen, dass Marcus mich aus dem Team werfen wollte. Das würde Liam nicht glauben.
„Ach komm schon. Du bist unsere beste Spielerin!“, meinte Liam.
„Jeder ist ersetzbar“, erklärte ich ihm mit Grabesstimme.
„Du nicht“, meinte er und lächelte.
Wir kamen ziemlich schnell im Krankenhaus an und obwohl der Schmerz langsam ab ebte konnte ich ihn noch immer deutlich spüren.
Schnell landete ich in der Erstaufnahme und man schickte mich direkt zum Röntgen.
Als die Befunde fertig waren holte mich der Arzt wieder in sein Zimmer.
„So Emma, wir haben hier die Röntgenbilder. Sieht gar nicht so schlimm aus. Ein kleiner Riss ist im Knochen zu sehen“, er deutete mit einem Stift auf einen schwarzen, kleinen Strich auf meiner Knochenhand. „Eigentlich nichts schlimmes, aber du solltest die Hand zwei Wochen ruhig halten und dann wieder zur Nachuntersuchung kommen“, meinte der ältere Herr.
„Aber ich hab ein wichtiges Volleyballspiel in fünf Tagen!“, protestierte ich verzweifelt.
„Tut mir Leid, aber das musst du leider absagen. Wenn deine Hand nicht verheilt, müssen wir sie schienen oder gar operieren“, antwortete mein Arzt.
Noch deprimierter als vorher verließ ich das Krankenzimmer.
„Und?“, fragte mich Liam besorgt.
Ich erklärte ihm meine beschissene Lage und er war zu tiefst betroffen.
„Verdammt! Und das ausgerechnet jetzt!“, rief er.
„Wie soll ich Marcus das nur beibringen. Der killt mich doch“, seufzte ich.
„Naja, theoretisch ist er schuld. Er hatte den Ball immerhin geworfen, der dich getroffen hat“, antwortete Liam.
„Ach komm schon, er kann jetzt wirklich nichts dafür. Er konnte ja nicht wissen, dass ich ihn verfehlte“, verteidigte ich Marcus.
„Aber er hat ziemlich fest geschlagen. Eigentlich macht man so etwas innerhalb des eigenen Teams nicht. Er war wohl sauer“.
„Wieso sollte er sauer gewesen sein?“, fragte ich.
„Weil du zu spät gekommen bist“.
Ich seufzte.
„Aber doch nur weil mich seine idiotische Freundin auf dem Weg zum Sportplatz beschimpfen musste“, meinte ich verlegen. Eigentlich wollte ich ihm gar nicht davon erzählen.
Er sah mich fragend an.
Jetzt blieb mir wohl nichts anderes mehr übrig als ihm die Geschichte zu erzählen.
Liam war nicht gerade begeistert von Lissas Aktion.
„Glaubst du wirklich, dass Marcus Lissa vorschickt um dich los zu werden?“ fragte Liam ungläubig.
„Naja, wer weiß“, antwortete ich. Tief in meinem Inneren glaubte ich zwar nicht daran, aber die Zweifel blieben doch.
„Du musst ihm auf jeden Fall sagen, dass du dir weh getan hast“, erinnerte mich Liam.
„Auf gar keinen Fall! Dann hat er doch genau das was er wollte! Er kann mich aus dem Team werfen und ist mich für immer los“, protestierte ich.
„Ich bin zwar noch immer der Meinung, dass Lissa das alles nur frei erfunden hat, aber wenn du meinst. Aber wie willst du vertuschen dass du deine Hand nicht bewegen kannst?“, bezweifelte Liam.
„Du musst mir einfach die Bälle abnehmen“, sagte ich hoffnungsvoll.
Liam schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht. Ich kann dich doch nicht immer decken.“
„Doch. Wenn ich meine Position wechsle und weiter hinten stehe. Du stellst dich in die Mitte und machst einfach ein paar Schritte nach hinten, wenn es kritisch wird“, erklärte ich ihm hoffnungsvoll.
„Na gut, wir können es ja einmal probieren“, stimmte er zu.
„Danke, du bist der Beste“, rief ich und fiel ihm um den Hals.
„Sind alle da?“, brüllte Marcus über den Bahnhof.
„Wer nicht da ist soll sich melden!“, meinte Kathy und grinste.
Marcus schüttelte nur den Kopf.
„Gut, dann geht’s los“, meinte er und stieg in den Zug. Wir hatten reserviert, weshalb wir schnell unseren Platz fanden.
Ich landete in einem Abteil mit Anna, Kathy und Lilly. Die Jungs waren in einem anderen Abteil.
„Seit wann machen wir denn Geschlechtertrennung?“, fragte Lilly.
„Geschlechtertrennung? Was ist das denn für ein Wort?“, fragte ich grinsend.
„Ein total cooles“, meinte Lilly beleidigt.
„Okay“, lachte ich.
„Anna, wieso sitzt du nicht bei deinem Schatz“, zog Kathy sie auf.
Anna lachte. „Na, weil ich nicht dauernd an ihm dran hänge. Mann, meine Cousine macht vielleicht einen Aufstand. Ihr Freund hat mit seiner Ex-Freundin geredet, als sie gemeinsam in der Disko waren. Sie wollte dann eine Paartherapie mit ihm machen. Naja, er war da nicht so begeistert. Im Endeffekt hat er Schluss gemacht und hat jetzt was mit ihrer besten Freundin am Laufen. Meine Cousine hat das allerdings noch nicht geschnallt. Sie glaubt noch immer, dass ihre Freundin ihren Ex nur ausforscht.“
„Armes Ding“, lachte Kathy.
„Was läuft da eigentlich zwischen dir und Justin?“, fragte Anna Lilly.
Lilly wurde sofort rot.
„Ähm… Nichts?“, nuschelte sie. Leider ließ sie es wie eine Frage klingen, was für Anna natürlich sofort eine Bestätigung war.
„Also läuft da doch was. Schlaft ihr gemeinsam in einem Zimmer?“, fragte Anna.
„Natürlich nicht“, rief Lilly entsetzt.
„Aber wieso nicht?“, fragte sie.
„Weil wir nicht einmal zusammen sind“
„Na und? Sag Marcus er soll euch so einteilen, dass du bei ihm schläfst, dann kommt ihr sicher zusammen“, grinste Anna.
„Du spinnst doch“, sagte Lilly genervt. Ihr schien dieses Gesprächsthema nicht gerade zu gefallen.
„Nur weil du mit Tom zusammen bist muss das nicht heißen, dass ich mit Justin zusammenkommen muss“, schimpfte Lilly.
„Nein, das heißt es nicht, aber du magst ihn offensichtlich und es wäre doch cool, wenn du mit ihm zusammenwärst. Dann wär ich mit Tom zusammen, du mit Justin, wir verkuppeln Emma mit Liam und Kathy bekommt Marcus. Dann hätten wir ein Volleyballteam mit lauter Pärchen“, lachte Anna.
Wieso wollte sie mich mit Liam verkuppeln? Wusste sie nicht, dass ich Marcus wollte??
„Aber Marcus hat doch Lissa“, warf Lilly ein und warf mit einen kurzen Seitenblick zu.
„Ja und? Er kann doch trotzdem etwas mit Kathy anfangen. Ich glaub sowieso, dass das zwischen ihm und Lissa nicht mehr lange hält. Marcus steht eher auf unscheinbare Mädchen. So wie Kathy oder Emma. Sorry ihr zwei, aber ihr seid halt nicht die auffälligsten“, meinte Anna.
Anna wusste wirklich nicht, dass ich in Marcus verknallt war. Wieso wusste es dann Lissa? War es für sie so offensichtlich.
Ich beugte mich zu Lilly. „Sag mal, sieht man mir an, dass ich in Marcus verknallt bin?“, flüsterte ich ihr ins Ohr.
Lilly schüttelte den Kopf.
„Wenn du es mir nicht gesagt hättest, hätte ich es nicht bemerkt“, flüsterte sie zurück.
„Nicht flüstern!“, rief Anna. „Ihr könnt uns alles erzählen“, meinte Kathy.
Lilly lachte. „Geheimnis“
Anna verzog ihren Mund. „Ihr seid so verdammt gemein“
„Jaha, wir wissen und genießen es“, lachte ich.
„Und wie ist das bei dir so Emma? Was läuft zwischen Liam und dir?“, fragte sie scheinheilig.
„Gar nichts“, lachte ich.
„Aber du hast doch bei ihm übernachtet, oder etwa nicht?“, fragte Anna.
„Ja hab ich, aber das heißt nicht, dass da etwas zwischen uns läuft“, meinte ich.
„Ein Mädchen übernachtet nicht einfach so bei einem Jungen. Das ist Gesetz“, rief Anna. Oh man, die konnte nerven!
„Welches Gesetz?“, fragte ich verwundert.
„Mädchengesetz“, meinte sie.
„So was gibt’s?“, fragte ich.
„Jup“
„Kenn ich nicht“
„Mensch Emma“, rief Anna.
„Leute, wir sind da“, meinte Lilly und schob unsere Wagon Tür auf.
Unsere Jungs standen bereits am Gang und grinsten uns an.
„Was ist denn mit euch los?“, fragte ich sie.
„Nichts, nichts“, lachte Justin.
Verwundert sah ich Liam an. Er grinste nur.
Als wir am Bahnsteig standen und Richtung Taxihaltestelle gingen fragte ich Liam aus.
„Habt ihr euch einen Porno angeschaut, oder was ist los mit euch“, fragte ich ihn.
„Kein Porno. Es ist nur so, dass wir direkt im Abteil neben euch gesessen sind und man durch den Belüftungsschacht eure Gespräche gehört hat“, grinste Liam.
„Also laut dem Mädchenhandbuch sind wir beide jetzt zusammen, oder wie ist das?“, lachte er und legte mir einen Arm um die Schulter.
„Oh nein!! Weiß Justin jetzt, dass Lilly total verknallt in ihn ist?“, fragte ich meinen besten Freund flüsternd.
„Jap. Und er hat sich wahnsinnig gefreut“, grinste Liam.
„Er hat sich gefreut?“, fragte ich verständnislos.
„Na, Justin ist schon seit einiger Zeit in Lilly verknallt. Er hat Marcus wirklich gefragt, ob er Lilly nicht mit ihm gemeinsam in ein Zimmer legen kann. Aber Marcus meinte, dass er das ohne Lillys Zustimmung nicht entscheiden konnte.
Naja, jetzt hat er ihre Zustimmung. Indirekt“, lachte Liam.
„Oh man, das ist ja super! Ich würde mich so für die beiden freuen“, lachte ich.
„Und ihr habt wirklich alles gehört?“
„Ja. Marcus hat nur gelacht, als Anna den Vorschlag mit den Pärchen gemacht hat. Er meinte aber, dass es ziemlichen Streit geben wird, wenn irgendjemand dann auseinander geht. Der Ex-Partner ist dann immerhin trotzdem noch im Team.“
„Tja, zwei offizielle Pärchen haben wir ja schon im Team.“, meinte ich.
Wir erreichten den Taxistand und unsere Taxis standen auch schon.
Wie es der Zufall wollte, kamen Lilly, Justin, Liam und ich ins selbe Taxi. Die beiden schwiegen sich an, wobei Justin aber ziemlich nah an Lilly heranrückte. Die Arme ahnte überhaupt nicht, dass Justin total in sie verknallt war.
Wir erreichten ziemlich schnell den Flughafen und als wir im Flieger saßen, waren nur zwei Stunden vergangen. Wir flogen nicht lange nach Italien. Höchstens eine Stunde. Die Ankunft am Flughafen war sehr anstrengend. Es war bereits neun Uhr abends und der Flughafen war voll mit Leuten. Anscheinend wollte jeder noch unbedingt heute das Land verlassen. Alle Hinweisschilder waren auf Italienisch ausgeschrieben und es war nicht einfach bei den Menschenmassen den Ausgang zu finden. Aber wir schafften es.
„Wie passen nur so viele Leute in ein einziges Gebäude?“, fragte Lilly müde.
„Leute, hier sind unsere Taxis. Beeilt euch ein bisschen“, rief Marcus leicht genervt.
„Nur keinen Stress“, rief Liam. Er zog mich ins selbe Taxi, in das auch er einstieg. Tom setzte sich nach vorne und Marcus nahm rechts von mir Platz.
Oh. Mein. Gott.
„Anstrengender Tag“, meinte Liam.
Ich nickte nur.
„Was machen wir heute noch Prinzessin?“, fragte er mich.
„Prinzessin?“, grinste ich. „Das letzte mal hast du mich so genannt, als wir noch ein Paar waren“, lachte ich.
„Ist doch ein schöner Spitzname“, meinte er.
„Hey Marcus, was ist jetzt eigentlich mit den Zimmern?“, fragte Liam.
Marcus sah Liam leicht verärgert an.
„Da Lilly und Justin in einem Zimmer schlafen, geht es sich perfekt aus. Emma schläft bei Kathy und du bei mir“, sagte er.
Liam nickte.
„Gut. Also Em, ich hol dich dann in einer Stunde ab“, meinte Liam.
„Was willst du denn noch machen?“, fragte ich verwundert.
„Keine Ahnung. Hier wird es schon irgendwo einen Club geben, in dem wir feiern können“
Marcus räusperte sich.
„Ich will euch wirklich nicht den Abend verderben, aber morgen ist pünktlich um 8 Uhr Training“, sagte er.
Ich starrte auf meine Hand. Die letzten paar Trainingsstunden hatte ich ziemlich schlecht gespielt und wurde oft von Marcus beschimpft. Ich schob es einfach auf meine Nervosität.
„Keine Sorge, ich pass schon auf, dass Emma nicht zu viel trinkt“, lachte Liam.
„Pünktlich um 8 vor dem Hotel am Strand. Denkt einfach dran“, entgegnete Marcus und starrte aus dem Fenster.
„Hey Emma, hat Liam dich schon eingeweiht?“, fragte Tom.
„Kommt ganz drauf an“, meinte ich.
„Na, das im Zug“
Ich lachte. „Oja, das weiß ich schon“
„Interessant wäre nur, was Lilly und du geflüstert habt, das haben wir nämlich nicht gehört“, grinste Tom und drehte sich zu mir um.
„Ihr seid solche Spanner“, entgegnete ich und schüttelte grinsend den Kopf.
„Ach komm schon, du kannst uns alles erzählen“, lachte Liam und machte Kathys Stimme nach.
„Ach, halt den Mund! Ich geh gleich nicht mit dir weg“, lachte ich.
Liam legte mir den Arm um die Schulter und zog mich zu sich.
„Na, das werden wir dann schon noch sehen“
Schnell erreichten wir das Hotel. Es war sehr schön und modern eingerichtet. Kathys und mein Zimmer war groß, hatte einen Balkon mit Blick auf den Strand und das Meer. Wir hatten eines der schönsten Zimmer bekommen.
„Ich bin so verdammt müde“, meinte Kathy erschöpft.
„Ich eigentlich auch, aber ich hab Liam versprochen, dass ich noch mit ihm weg gehe“, entgegnete ich.
„Also ich würde das nicht mehr schaffen. Ich geh jetzt dann schlafen.“
„Sag mal, ist eigentlich etwas interessantes passiert bei euch im Taxi?“, fragte ich.
„Wegen Lilly und Justin? Naja, er hat ihr erzählt, dass Marcus sie gemeinsam in ein Zimmer eingeteilt hat und ob sie etwas dagegen hätte“
Ich lachte. „Wie hat sie reagiert?“
„Sie ist rot geworden und hat nur den Kopf geschüttelt“, lachte Kathy.
„Die Arme“, meinte ich.
„Ach, so schlimm war es gar nicht, jetzt wird wenigstens was aus den Beiden. Sie werden es nicht aushalten, gemeinsam in einem Zimmer zu sein. Jeder sieht, dass Justin total in Lilly verknallt ist. Nur sie halt nicht“
„Ich habs ehrlich gesagt auch nicht gemerkt“, meinte ich.
„Naja, jetzt weißt du es.“, entgegnete Kathy und verschwand im Badezimmer.
Ich nutzte die Gelegenheit und suchte mir ein passendes Outfit für heute Abend heraus. Nichts Besonderes, nur einen schwarzen Faltenrock und ein kurzes, dunkelrotes Top. Ich glaubte nicht, dass Liam noch groß weg gehen wollte. Nur vielleicht einen Cocktail trinken. Innerhalb einer halben Stunde war ich fertig angezogen und um halb 11 holte Liam mich von meinem Zimmer ab.
„Können wir los?“, fragte er.
„Jeder Zeit“, nickte ich.
„Du siehst toll aus“, sagte er lachend.
„Danke“, entgegnete ich.
Wir gingen hinunter und trafen in der Lobby auf Tom, Justin und Marcus.
„Ihr geht noch weg?“, fragte Tom verwundert.
„Ja, aber nicht lange“, antwortete Liam und zog mich aus dem Hotel.
„Wie geht’s deiner Hand?“, fragte er.
„Nicht so besonders. Sie tut verdammt weh.“
„Naja, beim Spiel kannst du Schützer tragen, dann wird sie ein bisschen gestützt. Du musst nur aufpassen, dass Marcus nicht herausfindet, dass du dir wehgetan hast. Er würde dich nicht spielen lassen“, meinte Liam.
„Ach komm, ich hab in letzter Zeit eher nicht so das Gefühl, dass er sich besonders dafür interessiert, was ich mache“, entgegnete ich.
„Naja, er kümmert sich gerade um jeden. Immerhin hat er vor einer Woche mit Lissa Schluss gemacht“
„Nicht wirklich, oder?“, rief ich laut aus.
„Doch. Deshalb ist Lissa auch so sauer auf dich gewesen. Sie hat irgendwie mitgekriegt, dass du etwas von ihm willst und dachte automatisch, dass er sie wegen dir verlassen hat“, meinte Liam.
„Wieso sagst du mir das erst jetzt?“, lachte ich erfreut. Gab es für mich vielleicht doch noch eine Chance?
„Ich wollte es dir vorher nicht sagen, weil die Anderen die ganze Zeit mitgehört haben. Marcus hat es mir gestern erzählt, als Lissa wieder einmal am Volleyballplatz aufgetaucht ist, als nur wir vier Jungs gespielt haben.“
„Das ist wirklich eine sehr erfreuliche Nachricht“, lachte ich.
„So und jetzt gehen wir feiern“, lachte er und zog mich in einen Club.
Wir kamen ohne Probleme hinein und Liam bestellte gleich Drinks für uns. Es waren viele Jugendliche in der Bar, die sich laut unterhielten und zur lauten Musik tanzten. Es war ein tolles Feeling hier.
Mein Cocktail schmeckte einfach wahnsinnig gut. Liam zog mich zu einem Tisch. Dort saßen zwar schon Leute, aber wir setzten uns einfach dazu, weil sonst nichts mehr frei war.
„Sorry, may we?“, fragte er auf Englisch.
Die anderen nickten nur und lächelten uns an.
Es waren 3 Jungs und 2 Mädchen, etwa in unserem Alter.
„Do you speak german?“, fragte ein Junge in gebrochenem Englisch.
Liam nickte und lachte.
„Sprecht ihr auch Deutsch?“, fragte er.
„Ja. Wir sind hier auf Urlaub. Und ihr?“, fragte er.
„Wir haben hier eine Volleyballmeisterschaft“, lachte Liam. „Ich bin übrigens Liam und das ist Emma“, meinte er und deutete auf mich.
„Ich bin Michael, das sind Sarah, Verena, Lukas und David“, stellte Michael sie der Reihe nach vor.
Die Anderen winkten uns zu und sagten ebenfalls Hallo.
Liam unterhielt sich eine Zeit lang mit Michael und Verena, während ich mit den anderen redete.
„Wann seid ihr angekommen?“, fragte Sarah mich.
„Heute, erst vor ein paar Stunden“, antwortete ich.
„Und dann geht ihr noch weg? Ich bin am ersten Abend vor Müdigkeit beinahe umgefallen“, lachte sie.
„Müde bin ich schon, aber Liam wollte noch weg gehen“, lachte ich.
„Seid ihr zusammen?“, fragte Lukas mich.
„Nein“, lachte ich, „ Wir sind nur sehr gute Freunde. Liam ist wirklich mein allerbester Freund.
„Ach so ist das. Wir dachten schon, ihr seid zusammen. So, wie Liam immer den Arm um deine Hüften legt“, lachte Lukas.
Er sah verdammt gut aus, dunkle verstrubbelte Haare, grüne Augen und einen muskulösen Körper. Er war um einiges größer als ich, und ich bin auch nicht gerade die Kleinste.
„Das ist euch aufgefallen, obwohl wir gerade mal zehn Minuten hier sind?“, fragte ich entgeistert.
„Naja, Sarah ist es aufgefallen. Ihr fallen die kleinsten Details auf, die andere übersehen“, meinte David und schlang ihr den Arm um die Schultern.
„Die beiden sind das glücklichste Paar ever. Niemand kann sie toppen“, meinte Lukas kopfschüttelnd.
„Und Michael und Verena sind auch zusammen?“, fragte ich.
„Nein, die beiden sind Geschwister. Michael hat zuhause eine Freundin. Und Verena ist glücklicher Single“, entgegnete er.
„Und du?“, fragte ich.
„Single“, lachte er.
„So ist das also“, meinte ich grinsend.
„Gehen wir tanzen?“, fragte Lukas und zog mich von meinem Stuhl. Ich hatte nichts dagegen und ließ mich ohne Wiederstand mitziehen.
Es war toll mit Lukas zu tanzen. Er konnte es wirklich ausgezeichnet. Wir lenkten vermutlich einige Blicke auf uns, naja, Lukas´ Ausstrahlung war schon bemerkenswert. Viele Mädchen starrten ihn schmachtend an. Und ich hatte die Ehre mit ihm zu tanzen. Bei dem Gedanken wurde mir warm. Aber noch lieber wäre es mir, wenn Marcus an seiner Stelle wäre.
Nach einiger Zeit gesellten wir uns wieder zu den anderen. Liam und Verena waren ebenfalls tanzen gegangen. Die anderen saßen vor ihren Getränken und schienen sich prächtig zu amüsieren.
„In welchem Hotel seid ihr?“, fragte Michael mich.
„Ähm, ich glaube Bolonia, oder Blomia oder so“, meinte ich.
„Hey genial, wir wohnen nur wenige Hotels weiter, dann sehen wir uns“, meinte Sarah.
„Cool, dann können wir gemeinsam einmal Volleyball spielen“, lachte ich.
„Ich bin schlecht in Volleyball“, meinte Lukas. Er hatte den Arm um meine Schulter gelegt und ich saß an ihn gelehnt da. Es war ein schönes Gefühl.
„Ich lerne es euch schon, keine Sorge“, lachte ich.
„Aber du bist sicher eine fabelhafte Spielerin“, meinte Sarah.
„Sie ist die Beste“, meinte Liam. Er hatte sich wieder zu uns gesetzt, Verena hielt er an der Hand. Ach, ich mochte Alkohol, jeder wurde lockerer und mutiger.
„Hey Emma, es ist fast zwei. In sechs Stunden sollen wir am Strand Volleyball spielen“, meinte Liam.
„Und dann geht ihr am Abend weg?“, fragte Verena entgeistert.
„Na klar. Sonst würden wir doch zu überhaupt nichts mehr kommen“, lachte ich.
„Aber ich glaube, wir sollten wirklich gehen“
„Na gut Leute, wir sehen uns dann zum Volleyball spielen“, meinte ich und umarmte sie nach der Reihe.
„Bis dann“, sagten sie und Liam und ich verließen den Club.
„Verena hat ein Auge auf dich geworfen“, lachte ich.
„Wirklich?“, fragte Liam grinsend.
Ich nickte.
„Und was ist mit Lukas?“, entgegnet Liam lachend.
„Nichts, was soll denn sein?“, grinste ich.
„Nett sind sie, das muss man ihnen lassen“, sagte er und wir schlenderten schweigen die Promenade entlang. Die Lichter der Hotels glitzerten und ab und zu kamen wir an einem Club oder einem Lokal vorbei, in dem Menschen feierten oder einfach nur einen Cocktail tranken.
„Schön ist es hier. Hier gefällts mir“, sagte ich.
„Stimmt. Und wir sind jetzt für eine Woche hier. Das wir super“, lachte Liam.
Schnell erreichten wir unser Hotel. Nur unten in der Lobby brannte noch Licht. Ein junger Portier ließ uns herein.
Wir bedankten uns freundlich und gingen auf unsere Zimmer.
„War schön mit dir heute“, meinte ich und lächelte Liam an.
„Danke für deine Gesellschaft“, lachte er.
„Schlaf gut“
„Du auch“
Leise öffnete ich die Zimmertür. Kathy schlief bereits und ich machte mich auch leise Bett-fertig. Schon nach wenigen Minuten war ich eingeschlafen.
„Emma, steh endlich auf“, schrie mir jemand ins Ohr und rüttelte mich an der Schulter.
„Lass mich“, murmelte ich. Ich wollte noch überhaupt nicht aufstehen. Ich war verdammt müde.
„Na komm, steh auf, es ist halb acht!“, rief sie und zog mir die Decke weg.
Wiederwillig stand ich auf. Die Müdigkeit stand mir ins Gesicht geschrieben, ich hatte rote Augen und einen Polsterabdruck im Gesicht.
Außerdem hatte ich heute Nacht blöderweise auf meiner verletzten Hand geschlafen, weswegen sie jetzt schmerzhaft pochte.
Ich zog mir eine kurze schwarze Jogginghose und ein dunkelrotes Trainingstop an. Ich sah anscheinend ziemlich fertig aus, denn als ich am Frühstückstisch erreichte grinsten Lilly und Justin mich an.
„Du siehst aber frisch aus“, lachte Justin.
„Und du siehst durchgevögelt aus“, erwiderte ich kalt, worauf Justin errötete. Ups, wollte ich jetzt nicht, dachte ich sarkastisch.
„So freundlich heute Morgen“, lachte Liam und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
„Wofür war der denn?“, lachte ich und steuerte aufs Buffet zu. Es gab hier wirklich alles!! Verschiedene Brötchen, Käse und Wurst aller Art, Müsli, Eier, Obst und noch viel mehr.
„Danke dass du gestern noch mitgekommen bist“, flüsterte er mir ins Ohr.
„Kein Problem, das war es echt wert.“, sagte ich und griff nach einem Frühstücksei. Liam stellte sich neben mich und streifte aus Versehen meine Hand.
Ich zuckte zurück und verzog kurz das Gesicht.
„Oh Gott, tut mir Leid“, rief er sofort aus, dämpfte aber seine Stimme und blickte ängstlich zu den anderen zurück. Diese hatten aber nichts bemerkt.
„Tut es wirklich so weh?“, fragte er besorgt.
„Ich hab heute Nacht drauf gelegen.“
Liam schüttelte den Kopf.
„Nimm zum Training nachher Schützer für die Handgelenke“, meinte er noch und befüllte weiter sein Tablett.
Ich seufzte und tat es ihm gleich. Das könnte eine äußerst anstrengende Woche werden.
Als wir beim Tisch ankamen, waren die anderen schon fast fertig mit frühstücken.
„Wie war es gestern noch?“, fragte Tom.
„Interessant“, meinte Liam und lächelte mich an.
„Oh ja. Liam hat sich bestens amüsiert“, zog ich meinen besten Freund grinsend auf.
Liam schnaufte. „Nur ich? Du etwa nicht, oder wie“, antwortete er sarkastisch.
Ich lachte.
„Habt ihr Leute kennen gelernt?“, fragte Lilly interessiert.
Ich nickte nur, weil ich gerade einen Bissen Käsebrot im Mund hatte.
„Und sind sie nett?“, fragte Lilly weiter.
„Na klar, sonst hätten wir nicht mit ihnen geredet“, antwortete Liam.
„Oder getanzt“, warf ich ein, als ich runtergeschluckt hatte und grinste Liam an.
„War toll gestern Abend“, sagte er noch und änderte das Thema auf den heutigen Trainingsplan.
Marcus erklärte ihm, dass wir bis elf Uhr spielen würden und dann frei hatten. Um sechs Uhr trafen wir uns dann wieder, weil es dazwischen zu heiß zum Trainieren war.
„Nehmt euch Wasserflaschen mit. Und Kopfwehtabletten, wer sie braucht“, meinte Marcus und grinste mir zu. Ich schüttelte den Kopf und lächelte zurück. Wie versprochen hatte Liam darauf geachtet, dass ich nicht zu viel getrunken hatte. Sehr zum Vorteil von meinem Kopf. Der musste jetzt immerhin drei Stunden glühende Hitze überstehen.
Wir frühstückten zu Ende und ich lief noch einmal kurz auf mein Zimmer, um mir meine Armschützer und eine Wasserflasche zu holen. Die Armschützer waren eigentlich keine richtigen Schützer, wie man sie beim Rollschuh fahren trägt, sondern eher starker Stoff, der das Gelenk schützte. Beim Volleyball waren sie erlaubt, wenn man dem Schiedsrichter erklärte, wieso man sie tragen musste.
Marcus warf mir zwar einen verwirrten Blick zu, als er mich damit sah, sagte aber nichts weiter dazu.
„Okay, also wir gründen zwei Teams. Justin, Lilly, Kathy und Liam gegen Anna, Emma, Tom und mich“, erklärte er.
Wir spielten auf einem für uns reservierten Volleyballplatz am Strand, direkt vor dem Hotel, neben der Promenade.
Die Sonne schien unerbittlich vom Himmel und mir wurde schnell heiß.
Wir waren alle in guter Form, nur ich vermasselte einen Wurf, wegen meiner Hand. Ich hatte mir geschworen, dass ich beim Training noch nicht alles geben würde und beim Turnier dafür jeden Schmerz riskierte.
„War wohl zu viel für dich gestern“, rief mir Justin zu, als ich wieder einen Schlag versaute, nur weil ich mit meiner verletzten Hand aufschlagen musste.
„Ja, klar“, lachte ich, um meine Wut über meinen versauten Schlag zu vertuschen.
Wir spielten eine Stunde lang ohne Pause und der Schweiß rann mir in Bächen über die Haut.
Viele Menschen spazierten an der Promenade entlang und sahen uns kurz zu.
Einige blieben sogar stehen um unser kleines Match zu beobachten.
Mich persönlich machten die vielen Zuschauer überhaupt nicht nervös, Marcus anscheinend schon.
Er warf sich aus Versehen gegen mich und wir fielen beide in den warmen Sand.
Seinen Körper auf mir zu spüren war ein absolut berauschendes Gefühl. Die Hitze stieg mir sofort ins Gesicht und ich hoffte, dass es so aussah, als ob mein roter Kopf von der Sonne kam.
„Entschuldige Emma“, nuschelte er und rollte sich von mir runter.
„Heute so stürmisch“, entgegnete ich um meine Verwirrtheit zu überspielen.
Er grinste und setzte sich auf.
„Hey Marcus, anscheinend kannst du die Finger überhaupt nicht mehr von Emma lassen“, ertönte Kathys Stimme.
„Wenn ihr wollte können wir gerne Zimmer tauschen“, erwiderte Liam und lachte.
Marcus stand auf und streckte mir seine Hand entgegen. Er lächelte verlegen und half mir hoch.
„Sorry…“, setzte er wieder an, doch ich schüttelte nur lachend den Kopf.
„Kein Problem, immer wieder gerne“, entgegnete ich und klopfte mir den Sand von den Sachen. Vielleicht hatte ich mich jetzt ein bisschen zu sehr aus dem Fenster gelehnt und mit ihm geflirtet, aber er schien anscheinend nichts dagegen zu haben den er lachte.
Das Training verlief ansonsten gut. Um elf Uhr waren wir alle so erschöpft, dass wir sofort unter die Dusche sprangen.
Nach dem Mittagessen, das wir noch im Hotel bekamen, gingen wir an den Strand. Lilly und ich suchten uns zwei Liegen nebeneinander.
„So, jetzt erzähl mal. Was war gestern los?“, fing ich an.
Lilly wurde auf der Stelle rot.
„Naja, Marcus hat uns anscheinend wirklich ins selbe Zimmer gesteckt…“, begann sie, verstummte danach aber.
„Und weiter?“, fragte ich sie fordernd.
„Tja, es gibt nur ein Doppelbett“, erzählte Lilly lächelnd.
„Das heißt ihr seid jetzt offiziell zusammen?“, freute ich mich.
„Ja. Nein. Keine Ahnung“, stotterte meine beste Freundin.
„Hat er dich geküsst?“
Lilly nickte.
Ich sprang von meiner Liege auf und umarmte sie.
„Weißt du, die Jungs haben gestern unser Gespräch im Zug mitangehört und Justin hat sich total gefreut, als er erfahren hat, dass du in ihn verknallt bist. Liam hat es mir später erzählt“, sagte ich.
„Oh man. Und mir ist richtig schlecht geworden, als er im Taxi so zu mir gerückt ist. Ich dachte, ich drehe gleich durch“, berichtete sie mir.
Ich musste lachen.
„Ich habs an deinem Gesichtsausdruck gesehen“, antwortete ich.
„Na los, gehen wir schwimmen“, sagte Lilly und wir liefen zum Meer. Es war eisig kalt, aber schön klar.
Wie kleine Mädchen kreischten wir, als wir mit Anlauf ins kalte Wasser liefen. Die salzigen Tropfen spritzten uns ins Gesicht.
Wir ließen uns fallen und saßen lachend im Meer.
Wir bespritzen uns gegenseitig mit Salzwasser und schwammen weiter hinaus bis zur roten Boje, die die Grenzlinie zeichnete.
Wir spielten herum, tauchten unter und bewarfen uns mit Sand vom Meerboden.
Lilly schwamm etwa drei Meter vor mir, als mich plötzlich etwas am Knöchel packte und nach unten zog. Ich hielt panisch die Luft an und schlug um mich.
Ich schaffte es mich frei zu strampeln und schwamm wieder nach oben.
„Was…“, schimpfte ich und dreht mich im Kreis. Hinter mit tauchte Marcus aus dem Wasser und grinste mich an.
Wütend bespritzte ich ihn mit Wasser.
„Du bist so gemein“, schimpfte ich.
„Ich weiß“, lachte er und umarmte mich.
Ein Zittern lief mir den Rücken hinunter.
„Vergibst du mir“, flüsterte er mir ins Ohr.
„Wenn es sein muss“, nuschelte ich.
„Es muss unbedingt sein“, erwiderte er lachend.
„Wie wärs, schwimmen wir um die Wette?“, fragte er.
„Ich dachte, wir wissen schon beide, dass ich besser bin“, grinste ich. Bei dem Gedanken, dass er Zeit mit mir verbringen wollte, wurde ich rot.
„Na gut, machen wir es so, wir schwimmen um die Wette, dafür laufen wir auch um die Wette“, schlug er vor.
„Okay“, sagte ich und schwamm los, mit einem Lächeln im Gesicht.
Leider hatte ich nicht damit gerechnet, dass mich meine Hand beim Schwimmen behindern würde, weshalb er mich sehr bald überholte. Verwirrt hielt er inne und blickte zu mir zurück. Er wartete bis ich zu ihm aufgeschlossen hatte.
„Was ist los?“, fragte Marcus besorgt.
„Meine Hand tut etwas weh“, gestand ich ihm.
„Aber doch nicht etwa, weil ich dich heute aus Versehen geschupst habe, oder?“, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf.
„Sondern?“, fragte er und sah mich eindringlich an.
„Ähm… Muss ich dir das erzählen?“, fragte ich leise.
„Emma…“, sagte er, schob seine Hand unter mein Kinn und zwang mich ihm in die Augen zu schauen. Bei seiner Berührung erzitterte ich.
„Nichts schlimmes“, versicherte ich ihm.
„Bist du sicher, dass du es mir nicht erzählen möchtest?“, fragte er leicht gekränkt.
„Sei mir bitte nicht böse. Es ist wirklich nichts Schlimmes“, versicherte ich ihm.
„Okay, aber du kannst mir immer alles erzählen“, sagte er.
„Okay“, versicherte ich ihm. Und weil der Moment gerade so passend war, traute ich mich, seine Hand zu nehmen und sie zu drücken.
Er sah mich kurz verwirrt an, lächelte dann aber und drückte zurück.
„So, und weil wir das jetzt geklärt hätten, hab ich einen Vorschlag. Wer die größte Muschel auftaucht, muss dem anderen heute Abend einen Drink ausgeben“, schlug ich vor, ließ seine Hand los und schwamm einen Meter weg. Ich wolle nicht, dass er spürte, wie meine Hand zitterte.
Marcus nickte und tauchte gleich unter.
Ich tat es ihm gleich und nutze die Zeit unter Wasser um über seinen perfekten Oberkörper nach zu denken. Als ich ihn vorher in der Badehose gesehen hatte, blieb mir kurz die Luft weg. Marcus sah so verdammt gut aus.
Ich biss mir auf die Zunge und tastete den Meeresboden nach Muscheln ab. Aber ich bekam nur kleine Muschelstücke zu fassen.
Nach einigen erfolglosen Versuchen gab ich es auf und wartete, bis Marcus wieder auftauchte.
„Ich finde nichts“, erklärte ich ihm verzweifelt.
„Ich auch nicht“, lachte er.
„Naja, dann bezahlen wir uns halt gegenseitig einen Drink“, entgegnete er lachend.
„In Ordnung“, lachte ich.
„Mir ist kalt, ich schwimme zurück“, erklärte ich ihm. Eigentlich wollte ich viel lieber noch mit ihm hier im Wasser bleiben, aber meine Zähne begannen zu klappern und meine Lippen waren sicher schon blau.
„Okay, ich komme mit“, sagte er und schwamm neben mich.
„Wie war dein Abend gestern?“, fragte er mich.
„Toll. War wirklich ein cooler Club. Zwar ziemlich voll, aber wir haben Leute getroffen, die aus der Nähe kommen“, erzählte ich ihm.
„Tja, heute musst du mit mir weg gehen“, lachte er.
„Ach, muss ich das?“, lachte ich, freute mich insgeheim aber total.
„Ja musst du“, meinte er bestimmend.
„Na gut, wo gehen wir hin?“, fragte ich.
„In die Altstadt. Hier wird es sicher irgendwo einen netten Club geben“
„Okay“, erwiderte ich. In Gedanken überlegte ich schon, welches Outfit ich heute Abend anziehen sollte.
Als wir unsere Liegen erreichten, lagen die anderen bereits faul in der Sonne.
„Na, wo ward ihr beiden denn die ganze Zeit“, meinte Lilly lachend.
„Sport betreiben“, entgegnete ich und wickelte mich in ein Handtuch.
„Welchen Sport“, warf Justin ein.
„Jedenfalls nicht den, den ihr beide gestern betrieben habt“, entgegnete Marcus lachend.
Justin und Lilly wurden gleichermaßen rot.
„Seid ihr jetzt eigentlich zusammen oder nicht?“, fragte ich.
Vielleicht konnte ich Lilly somit endlich aus ihrer Reserve locken.
Lilly sagte nichts dazu. Sie schwieg und lächelte vor sich hin.
Justin ergriff die Initiative, setzte sich zu Lilly und küsste sie.
„Das bedeutet dann wohl ja“, lachte ich und holte meine Sonnencreme aus der Badetasche.
Als Justin sich von Lilly löste, war diese rot im Gesicht und lächelte glücklich.
„Na endlich“, steuerte Liam bei und setzte sich zu mir auf die Liege.
„Wie, ihr habt es alle gewusst?“, fragte Lilly entgeistert.
„Naja, wir haben gestern euer Gespräch im Zug belauscht“, warf Tom reuevoll ein.
Lilly verzog das Gesicht.
„Ihr seid Stalker“, meinte sie.
„Tja, das hat Emma uns auch schon gesagt“, erwiderte Liam.
„Hey Leute, es ist fast sechs Uhr, wie wärs wenn wir Abend essen gehen ins Hotel und dann trainieren“, fragte Kathy.
„Okay, ich glaub, ich war sowieso zu lange in der Sonne“, sagte Lilly.
Hand in Hand mit Justin schlenderte sie den Weg zu unserem Hotel entlang.
Die anderen gingen alle schon vor, nur Liam und ich blieben übrig.
„Was ist da draußen denn passiert?“, fragte er grinsend.
„Nichts dramatisches“, lachte ich und packte meine Badetasche zusammen.
„Wir gehen heute zusammen weg“, erzählte ich ihm fröhlich. Ich freute mich schon ziemlich auf heute Abend.
„Das ist ja klasse. Hast du ihn endlich so weit gebracht“, neckte er mich lachend.
„Nein, er hat mich gefragt“, entgegnete ich.
Zufrieden ging ich neben Liam den Sandweg entlang.
Als wir durch die Tür des Speisesaals traten, saßen alle anderen bereits am Tisch.
„Ich zieh mir noch schnell etwas anderes an“, erklärte ich Liam und sprintete die Treppen hinauf zu meinem Zimmer.
Ich zog mir trockene Unterwäsche und ein leichtes Sommerkleid an. Außerdem kämmte ich noch kurz durch meine Haare, sodass sie mir in sanften schwarzen Locken über die Schulter fielen. Meerwasser hatte eine ganz andere Wirkung auf meine Haare.
Ich setzte mich zu den anderen an den Tisch. Es war nur noch der Platz zwischen Lilly und Marcus frei, weshalb ich mich zappelig auf den Stuhl fallen ließ.
„Ich hab dir Salat bestellt, ich hoffe das ist okay?“, fragte Lilly.
„Klar, danke“, antwortete ich. Sie wusste, dass ich abends nicht mehr so viel aß, weil ich sonst nicht schlafen konnte.
Unser Essen kam schnell. Hungrig machte ich mich über meinen Salat her. Der Teller war riesen groß.
„Wenn du das alles isst, musst du noch eine Runde joggen gehen“, meinte Liam zu mir.
„Wieso? Ist doch bloß Salat“, lachte ich.
„Trotzdem“, entgegneter er.
„Wir trainieren nachher ja sowieso noch, da bau ich das ganze ja wieder ab“, lachte ich.
„Aber du solltest diese riesige Portion Pommes lieber nicht essen. Nicht dass du noch dick wirst, dann mag dich Verena sicher nicht mehr“, zog ich ihn auf.
Liam lachte, wurde aber etwas rot um die Nase.
„Aha, wer ist denn Verena?“, fragte Anna sichtlich interessiert.
„Niemand“, warf Liam viel zu schnell ein.
Ich lachte.
„Macht euch niemals über mich lustig“, erklärt ich ihnen, „Sonst müsst ihr leiden“
Ich lachte und Liam warf mir einen bösen Blick zu. Dann begann er aber plötzlich zu grinsen und mir schwante schlimmes.
„Jaja, Emma, wo wir beim Thema sind“, begann er und lachte böse.
„Weißt du Liam, ich hab dich ganz toll lieb“, warf ich schnell ein.
„Ich weiß Emma, ich weiß“, lachte er. „Ich finde trotzdem, dass die anderen Teammitglieder erfahren sollten, wie toll du tanzen kannst“.
„Nein, ich glaube, dass wollen sie überhaupt nicht wissen“, lachte ich gequält. Ich hasste es, wenn jemand vom weg gehen erzählte.
„Doch, ehrlich gesagt interessiert uns das brennend“, warf Marcus ein.
„Na siehst du“, sagte Liam, „Also Emma hat gestern ganz wundervoll getanzt…“
„Ich tu alles“, warf ich ein.
Zufrieden grinste Liam.
„Sie ist nicht einmal hingefallen“, schloss er und wechselte das Thema.
Erleichtert sackte ich zusammen. Ich weiß, dass ich gestern nichts Verbotenes getan hatte, aber vielleicht würden die anderen es falsch verstehen.
„Das würd mich jetzt aber wirklich interessieren, was du gestern angestellt hast“, flüsterte Marcus mir ins Ohr. Ich wurde sofort rot.
Er sah heute so verdammt gut aus. Der salzige Wind hatte seine Haare getrocknet und sie standen jetzt wirr vom Kopf. Er trug einfache Shorts und ein weißes Hemd. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht es zuzuknöpfen, weshalb ich seine perfekten Bauchmuskeln betrachten konnte. Ich zwang mich, den Blick nicht tiefer als sein Kinn gleiten zu lassen.
„Nur getanzt“, flüsterte ich zurück.
Ich aß meinen Salat, schaffte es aber nicht, den ganzen Teller zu essen.
Beim Training später teilte Marcus mich mit den anderen drei Mädels in ein Team. Jetzt konnten wir endlich zeigen, was wir Mädchen drauf hatten.
Leider vermasselte ich einige Schläge wegen meiner Hand. Ich versuchte einmal, den Ball abzufangen, doch der Schmerz zuckte durch meine Hand. Ich hoffte, dass es niemand bemerkt hatte. Im Endeffekt verlor mein Team 24 zu 26 gegen die Jungs.
„Revanche!“, rief Lilly.
„Emma, was ist los mit dir?“, fragte Anna sichtlich verärgert.
„Nichts. Ist wahrscheinlich einfach nur die Aufregung vor dem großen Spiel“, antwortete ich und rieb mir mein Handgelenk. Es tat höllisch weh. Ich konnte nicht einmal Schmerzmittel nehmen, da ich später noch mit Marcus weg gehen wollte.
„Reiß dich zusammen“, erwiderte Anna steif. „Bei der Meisterschaft können wir uns das wirklich nicht leisten“, meinte sie.
Ich nickte nur.
„Hey Emma“, rief plötzlich jemand meinen Namen. Ich drehte ich um und auf der Promenade standen Sarah, Verena, Lukas, David und Michael.
„Hey“, rief ich erfreut und rannte auf sie zu.
Auch Liam grinste und rannte zu ihnen.
„Was macht ihr denn hier?“, fragte ich sie.
„Wir dachten, wir sehen mal vorbei und überzeugen uns davon, ob Liam gestern wirklich die Wahrheit gesagt hat. Dass du so gut spielst meine ich“, lachte Lukas.
„Leider spiele ich gerade ziemlich schlecht“, entgegnete ich deprimiert. Ich hatte absolut nicht damit gerechnet, dass es so hart werden würde.
„Ich stell euch mal kurz vor. Hey Leute“, rief ich die anderen, die sofort zu uns rüber geschlendert kamen. Ich konnte nicht erkennen, ob sie sauer waren, weil wir das Training unterbrochen hatten, oder ob es ihnen egal war. Letztere hoffte ich.
Ich stellt sie einander vor, doch so richtig konnten sie sich nicht anfreunden. Naja, Liam und ich kannten sie halt auch schon besser.
„Hey, freut mich euch kennen zu lernen“, sagte Verena.
„Ebenfalls“, grinste Tom.
Anna sah ihn warnend an, doch Tom nahm sie nur in den Arm.
„Leute, was macht ihr heute Abend?“, fragte Michael.
„Noch nichts“, antwortete Liam grinsend und stellte sich neben Verena.
Oh, was lief da zwischen meinem besten Freund und Verena.
„Wie wärs wenn wir gemeinsam weg gehen?“, fragte Lukas. Er meinte alle, sah aber nur mich an.
Ich dreht mich leicht zu Marcus, der nicht gerade begeistert schien, dass Lukas und die anderen aufgetaucht sind.
„Ich kann heute nicht, bin schon verabredet“, sagte ich fest und lächelte.
„Schade“, meinte Lukas nur.
Als ich wieder zu Marcus sah, grinste er mich an.
Oh Gott, ich liebte sein Grinsen.
„Du bist verabredet?“, fragte Liam verwirrt.
Ich nickte nur und grinste ihn an. Er verstand sofort und fragte nicht weiter. Im Endeffekt wars das mit unserem Training. Es hatte auch niemand mehr Lust, weiter zu spielen. Anna war noch immer sauer auf mich, wegen meinem „Nervositätsproblem“, wie ich ihr weiß machen versuchte.
Wir gingen alle gemeinsam Eis essen. Italienisches Eis war einfach köstlich.
„Was hast du denn heute noch vor?“, fragte Lilly flüsternd, während wir durch die Altstadt schlenderten.
„Ich gehe mit Marcus weg“, antwortete ich leise.
Lilly lachte. „Wie hast du das denn geschafft?“, fragte sie.
Ich zuckte nur lachend die Schultern.
Lukas verstand sich anscheinen prächtig mit Kathy, denn die beiden lachten in einer Tour. Und was Liam und Verena anging, tja, das war so eine Sache. Die beiden waren einfach verschwunden. Ich hatte versucht, ihn anzurufen, aber ging nicht ran. Tja, ich wollte ihnen den Tag nicht verderben und sagte den anderen, sie seien zurück zum Strand gegangen.
Auch ich machte mich bald auf den Weg zurück zum Hotel. Lilly und Justin begleiteten mich Händchen haltend.
„Wisst ihr was? Ich finds toll, dass ihr beide endlich zusammen seid“, gestand ich den beiden.
Justin lachte. „Ach komm Emma, hast du nicht schon lange gewusst, dass ich total in Lilly verschossen bin? Ich dachte Liam hat es dir gesagt?“
„Ähm, nein ehrlich gesagt, weiß ich es erst seit dem Zeitpunkt, als Liam mir das mit dem Zug gebeichtet hat“, sagte ich.
„Liam hat es für sich behalten? Das freut mich. Für mich seid ihr beide, irgendwie noch immer ein Paar. Ich dachte, ihr erzählt euch alles“, sagte er.
„Nein, er sagt mir sehr wenig, ehrlich gesagt. Bei den meisten Sachen komme ich selbst dahinter, aber dass du Lilly magst wusste ich wirklich nicht. Sie hat mir natürlich erzählt dass sie total und überhaupt in dich verliebt ist. Aber das war auch schon alles. Liam hab ich das natürlich nicht gesagt. Mädchensache“.
„Danke Emma“, warf Lilly dankend ein.
„Ehrensache“, entgegnete ich.
Wir hatten das Hotel erreicht und ich holte mir noch meinen Zimmerschlüssel, während die beiden schon in ihr Zimmer gingen.
Am Empfang traf ich auf einen Portier, mit blonden Haaren.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte er höflich.
„Nummer 203 bitte“, antwortete ich.
Er reichte mir den Schlüssel und ich joggte hinauf in mein Zimmer. Es war erst früher Abend und ich beschloss noch eine Runde laufen zu gehen.
Ich holte mir meine Sportsachen und joggte am Strand entlang. Laufen im Sand war ziemlich anstrengend, aber gut für die Ausdauer. Ich schaffte es aber nicht weit. Ich war ziemlich schlecht im Laufen, das wusste ich nur zu gut.
Wenig später betrat ich völlig verschwitzt mein Zimmer und stieg unter die Dusche. Ich ließ meine Haare nass und von der warmen Sommerluft trocknen.
Als ich kurz mein Handy checkte bemerkte ich eine Nachricht von Marcus.
Gespannt öffnete ich sie.
Ich hol dich um halb zehn ab.
Oh, dann hatte ich nur noch eine Stunde Zeit.
Nach langem Hin und Her entschied ich mich für ein dunkelrotes T-Shirt mit Spaghettiträgern, das in leichten Falten fiel. Dazu eine kurze schwarze Jeans mit Glitzersteinen und Ballerinas. Ich schminkte mich nur dezent, da es in Clubs meistens so heiß war, dass sowieso alles wieder verläuft.
Um punkt halb zehn klopfte es an meiner Zimmertür.
Ich öffnete und Marcus stand davor. Er trug eine dunkelblaue Jean, ein grünes Hemd und seine Haare hatten den verwuschelten Schlafzimmerlook, den ich so sehr liebte.
„Fertig?“, fragte er und lächelte mich an.
„Jederzeit“, lachte ich und schloss meine Zimmertür ab.
„Du siehst toll aus“, flüsterte er mir ins Ohr.
Ich hauchte ein „Danke“.
Wir gingen in die Innenstadt. Ich wusste ehrlich gesagt nicht wirklich, was ich sagen sollte, aber mit der Zeit, wurde es einfacher. Wir fanden immer wieder ein Thema, das uns beide interessierte.
„Der Club sieht gut aus, oder?“, meinte er und zeigte auf ein Gebäude, vor dem Lichtscheinwerfer aufgebaut waren. Viele junge Menschen gingen ein und aus.
Ich nickte und wir traten ein.
Es war sehr laut und eng, aber so hatte ich wenigstens einen guten Vorwand, um seine Hand zu nehmen. Marcus begann zu lächeln.
Er besorgte uns zwei hochprozentige Getränke. Ich musste mir sowieso etwas Mut antrinken, sonst würde ich diesen Abend nicht überleben. Die ganze Zeit schon war mir leicht schlecht. Seine Anwesenheit machte mich verrückt. Er roch so verdammt gut nach Erdbeeren.
Seine Hand war warm und ich drückte mich etwas näher an Marcus, in der Hoffnung, dass er es nicht bemerkte.
„Wie geht’s deiner Hand?“, fragte Marcus, als wir zwei freie Plätze ganz hinten gefunden hatten.
Ich zögerte kurz, dann zeigte ich ihm einen erhobenen Daumen. Allerdings mit der gesunden Hand.
„Bist du sicher? Beim letzten Training sahst du nicht gerade glücklich aus“, erwiderte er hartnäckig.
„Es geht schon. Ich weiß, wann ich nicht mehr spielen sollte. Und ich liebe Volleyball“, antwortete ich. Er durfte einfach nicht erfahren, dass ich litt. Marcus würde mich niemals spielen lassen.
„Willst du mir wirklich nicht sagen, was du hast?“, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf.
„Okay“, sagte er und lehnte sich zurück.
Mist, hatte ich ihn jetzt verärgert? Fieberhaft überlegte ich mir ein Gesprächsthema.
„Gehen wir tanzen?“, fragte Marcus und ich war froh darüber. Ich nickte und er zog mich zur Tanzfläche.
Es lief ein mir unbekanntes Lied. Irgendein Meshup vom DJ, der im Club auflegte.
Aber der Rhythmus war einfach genial. Ich musste nicht groß über meine Bewegungen nachdenken. Ich tanzte von ganz alleine. Und das absolut geniale an diesem Club war, dass er so voll war, dass Marcus sehr nah bei mir tanzte. Wie immer war er perfekt. Er tanzte hervorragend. Es sah aus, als ob er das öfters machte.
Der Alkohol wirkte langsam. Ich fühlte mich gut. Und mutig. Ich legte meine Arme um Marcus´ Hals. Er schien nichts dagegen zu haben, denn seine Hand lag bald auf meiner Hüfte. So tanzten wir weiter bis wir müde wurden. Es war ein absolut geniales Gefühl, in so nah bei mir zu spüren. Ich wusste nicht, ob es auf Gegenseitigkeit beruhte, aber ich genoss diesen Moment.
Als wir wieder an die Bar traten, war ich völlig außer Atem und gerötet im Gesicht. Das wusste ich, da es sich ziemlich warm anfühlte.
Wir tranken noch gemeinsam einen Tequila.
„Es ist schon ziemlich spät. Sollen wir gehen?“, fragte Marcus.
Ich nickte. Eigentlich war ich schon ziemlich müde, aber ich hatte den Abend so sehr genossen, dass es mir überhaupt nicht aufgefallen ist.
Marcus nahm wieder meine Hand und zog mich aus dem Club.
Die kühle, frische Luft draußen war toll. Sie kühlte mein erhitztes Gesicht.
„Gehen wir über den Strand zum Hotel?“, fragte Marcus.
„Gerne“
Der Strand war dunkel und menschenleer. Das Meer schlug in sanften Wellen an den Strand.
Ich zog meine Schuhe aus und ging barfuß.
Marcus hielt noch immer meine Hand. Ich hatte absolut nichts dagegen, es war ein so schönes Gefühl.
„War toll heute“, meinte ich.
„Absolut. Wiederholungsbedürftig“, antwortete er.
„Bestimmt“
„Danke, dass du mitgegangen bist“, sagte Marcus. In der Dunkelheit konnte ich sein Gesicht nur erahnen, doch ich drückte kurz seine Hand.
„Danke, dass du mich eingeladen hast“, antwortete ich. Er drückte meine Hand zurück.
Wir schlenderten den Strand entlang. Vor einer Woche hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich einmal in so einer romantischen Situation mit Marcus landen würde.
„Weißt du, dass ich echt froh bin, dass Logan mich damals überredet hat, dich im Team zu behalten“, flüsterte er plötzlich und blieb stehen. Er nahm meine zweite Hand in seine und lächelte mich an. Oh. Mein. Gott.
„So gut spiele ich doch gar nicht“, meinte ich bescheiden. Ich hoffte wirklich, dass es so dunkel war, dass er mein rotes Gesicht nicht erkennen konnte.
„Das meine ich gar nicht“, flüsterte er und zog mich näher an sich.
„Nicht?“, fragte ich verwirrt. Seine Nähe war verwirrend. Er war verwirrend. Ich konnte nicht mehr klar denken.
„Nein“
Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht.
„Du bist so schön“
Er strahlte Wärme aus. Seine Hände waren heiß, doch klammerte ich mich an sie. Verdammt, er roch so gut.
„Emma“, flüsterte er. Dann beugte er sich zu mir herunter und küsste mich. Direkt auf den Mund. Es war der reinste Wahnsinn. Seine Lippen waren weich und warm. Er schmeckte nach… Erdbeeren.
In meinem Bauch explodierten Schmetterlinge. Die ganzen Filme und Bücher, die ich gelesen hatte. Alles stimmte. Die Schmetterlinge waren echt. Sie flatterten in mir herum. Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Ich schlang meine Arme automatisch um seinen Hals und zog ihn näher an mich.
An meinen Lippen spürte ich sein Lächeln.
Wie lange hatte ich auf diesen verdammten Moment gewartet?
Es war einfach fantastisch.
Als er sich von mir löste, spürte ich sofort die Leere auf meinen Lippen.
„Du bist einfach unglaublich“, flüsterte Marcus mir ins Ohr.
„Nein, du bist unglaublich“, flüsterte ich zurück.
Als ich aufwachte, schnarchte Kathy noch leise vor sich hin.
Hatte ich geträumt. War das nur ein wunderbarer Traum gewesen?
Panisch sprang ich auf, doch sofort sprang mir das zerknitterte T-Shirt und die schwarze Jean ins Auge, die ich einfach auf den Boden geworfen hatte.
Oh mein Gott, Marcus hatte mich wirklich geküsst. Ich lächelte und lief ins Bad. Gut gelaunt sprang ich unter die Dusche und zog mir mein Sportgewand an. Nach dem Frühstück war Training.
Als ich fertig war, war Kathy wach. Sie zog sich noch schnell an und wir gingen runter zum Buffet.
Die anderen waren schon fast alle vollzählig am Tisch. Nur Lilly und Justin fehlten.
„Guten Morgen“, rief Anna schon von weitem.
„Hey“, entgegnete ich und lächelte in die Runde. Marcus lächelte mich total süß an.
„Guten Morgen“, sagte auch er.
Vom Buffet holte ich mir mein Frühstück. Ich hatte ziemlichen Hunger.
Als ich zum Tisch zurückkam, saßen auch Lilly und Justin da. Beide hatten nur ein Glas Wasser vor sich stehen.
Der einzige freie Platz war noch neben Marcus. Ich setzte mich dort hin. Verdammt, wie sollte ich mich verhalten?
Unterm Tisch nahm er meine Hand und drückte sie. Mann, mir war schon wieder heiß.
„Wie war euer Abend?“, fragte Liam.
„Super. Und eurer?“, antwortete Marcus.
„Ereignisreich“, sagte Liam und zwinkerte mir zu.
War er mit Verena etwa weiter gekommen?
„Ihr habt es wohl etwas übertrieben“, lachte ich und schaute Lilly und Justin an.
Tom schüttelte den Kopf. „Die sind nicht Betrunken, die sind Liebestrunken“, lachte er.
„Sehr witzig“, meinte Lilly trocken.
Ihre Augen waren gerötet.
„Leute, nach dem Essen ist Training. Seht, dass ihr alle nüchtern seid“, warf Marcus ein. Er hatte meine Hand losgelassen, um sich ein Brötchen zu streichen.
„Ich bin nüchtern“, warf Justin ein und trank einen Schluck von seinem Wasser.
„Ja ne, ist klar“, meinte Marcus nur.
Justin sah ihn böse an.
„So Leute, los geht’s“, meinte Liam, als alle fertig gegessen hatten und stand auf.
Er lief voraus aus dem Hotel und schnappte sich den Volleyball, den Marcus neben seinen Sessel platziert hatte.
„Alles okay bei dir?“, fragte mich Marcus, bevor ich den Speisesaal verließ.
Die anderen waren bereits vorgegangen und wir waren die einzigen aus unserem Team im Speisesaal.
„Super“
Er lächelte und küsste mich kurz auf die Wange, bevor auch er verschwand.
Das Training war hart. Verdammt hart. Ich tat mein Bestes, um die Schmerzen von meinem Gesicht zu verbannen, aber ich merkte trotzdem, dass mich Marcus verdammt oft misstrauisch anschaute. Auch Liam bemerkte meinen verzwickten Gesichtsausdruck. Mir wurden nur noch wenige Bälle zugespielt, weil Liam meine Bälle immer wieder abfing und selbst zurück passte. Ich war ihm unendlich dankbar. Die Sonne schien unerbittlich vom wolkenlosen Himmel und bald waren alle verschwitzt und außer Atem. Die Schiene hatte den unangenehmen Nebeneffekt, dass sie total heiß wurde und meine Haut zu jucken anfing.
„Leute, ich kann nicht mehr“, stöhnte Anna und ließ sich in den Sand fallen. Das war allerdings auch nicht entspannend, weil der Sand sich aufheizte und mittlerweile eine unnatürlich warme Temperatur angenommen hatte.
„Wenn es bei der Meisterschaft auch so heiß ist, brauchen wir einen Hochdruckreiniger, um uns während des Spieles nicht zu überhitzen“, meinte Lilly und setzte sich neben Justin in den Sand. Sie vermied aber seine Nähe, da er die Hitze nur so ausstrahlte.
„Können wir nicht aufhören?“, fragte Tom Marcus. Er war immerhin unser Teamchef.
„Es ist zwar eindeutig zu heiß zum Spielen, aber wir haben trotzdem erst eine Stunde lang trainiert und in zwei Tagen ist die Meisterschaft“, antwortete er.
„Dann gehen wir heute Abend halt zusätzlich joggen am Strand oder machen Gewichtstraining“, warf Liam an.
„Haben die hier nicht einen Trainingsraum mit Klimaanlage?“, fragte Kathy.
Marcus schüttelte den Kopf.
„War ja klar. Da bezahlen sie uns alles, aber dass sie uns in ein Sporthotel stecken ist zu viel verlangt“, schimpfte Tom vor sich hin.
„Leute, regt euch ab. Wir schwimmen halt im Pool ein paar Längen und am Abend gehen wir joggen“, warf ich ein, sah dabei Marcus fragend an.
Er überlegte kurz und nickte dann.
Alle stöhnten erfreut auf.
„Wer kommt mit ins Meer?“, fragte Lilly und zog Justin hinter sich her.
Ich wandte mich zu Kathy um. „Hey, ich geh kurz duschen, ist das okay für dich?“, fragte ich sie.
„Ja, klar. Ich geh sowieso mit ins Meer“, erwiderte sie und zusammen gingen wir Richtung Hotel, da sie sich noch ihre Badesachen holen musste.
Ein befreiendes Gefühl empfing mich, als ich die verschwitzen Sportsachen ausziehen konnte und unter dem kühlen Wasserstrahl seufzte ich entspannt auf. Wenn es übermorgen auch so heiß sein würde, würden die mich vom Boden kratzen müssen.
Ich hatte Angst vor der Meisterschaft. Angst davor, dass ich wegen meiner Hand das Spiel versauen würde. Und ich fürchtete mich davor, dass Marcus herausfand, was mit meiner Hand wirklich los war. Er würde mich unter keinen Umständen spielen lassen und genau das wollte ich unbedingt. Man hatte nur einmal im Leben die Chance, bei einer Europameisterschaft mitzuspielen.
Ich musste mich nachher unbedingt noch bei Liam dafür bedanken, dass er meine Bälle abgefangen hatte. Aber es war nur Training. Da ging es noch leicht, weil es nicht so genau war. Aber bei einem Wettkampf konnte er mir nicht andauernd helfen. Da musste ich wohl oder übel selbst mit meinen Bällen klarkommen. War es egoistisch von mir, wenn ich den anderen nichts von meiner Verletzung erzählte? Einerseits wollte ich unbedingt bei diesen Meisterschaften mitspielen, andererseits war es vielleicht besser fürs Team, wenn sie mich auswechseln würden.
Wir hatten immerhin zwei Reservespieler, Tom und Kathy. Sie spielten zwar beim Training immer mit, aber bei Wettkämpfen wurden sie dann nur eingewechselt, wenn sich jemand anderes verletzt hatte oder einfach nicht mehr konnte, was eher selten der Fall war.
Als ich wieder etwas abgekühlt war drehte ich den Wasserhahn ab und legte mich auf mein Bett. Den restlichen Nachmittag verbrachte ich mit lesen, wobei ich zur Mittagszeit kurz zum Pool ging und eine halbe Stunde lang Bahnen schwamm.
Erst um halb sechs legte ich mein Buch zur Seite, zog mir eine kurze Jean an und ein hellgrünes Trägertop. Helle Farben zogen die Wärme nicht so an.
Beim Abendessen traf ich auf meine Teamkollegen. Naja, nicht auf alle. Marcus und Kathy waren noch nicht da.
„Hey“, begrüßte ich sie und wunderte mich, wo die beiden wohl steckten.
„Hey“, rief Liam und ich setzte mich zu ihm. „Wie war dein Nachmittag?“, fragte er gleich.
„Entspannend“, lachte ich.
„Stimmt, du siehst gut aus“, erwiderte er grinsend.
„Wo sind Marcus und Kathy?“, fragte ich ihn.
Er seufzte kurz auf.
„Kathy hat vergessen, sich mit Sonnencreme einzureiben. Sie hat einen Sonnenbrand der schlimmeren Sorte. Marcus ist mit ihr zum Arzte gefahren“, erzählte er.
„Oh Gott“, erwiderte ich. „Wie schlimm?“
„Naja, spielen kann sie auf keinem Fall“, seufzte er.
Shit, das konnten wir grad überhaupt nicht brauchen. Arme Kathy, sie tat mir furchtbar leid. Diese Schmerzen möchte ich nicht haben.
„Naja, vielleicht hat es schlimmer ausgesehen, als es in Wirklichkeit ist“, sagte Liam hoffnungsvoll.
Ich nickte nur. Sie tat mir so unglaublich Leid. Die Sonne hier war viel stärker als zu Hause, das hatte sie wohl unterschätzt.
Wir aßen bedrückt unser Abendessen, wobei mir der Salat heute nicht wirklich schmeckte. Die anderen waren auch alle rot im Gesicht, aber sie hatten keinen Sonnenbrand. Naja, noch nicht. Vielleicht konnte man ihn aber einfach noch nicht sehen.
„Leute, was machen wir jetzt?“, fragte Lilly.
„Naja, zum Trainieren ist es fast noch zu heiß“, antwortete Anna.
„Wir könnten noch einmal Bahnen schwimmen“, warf Liam ein.
„Oh ja!“, rief Tom. „Wettschwimmen“
Die anderen lachten begeistert. Na toll. Ausgerechnet, wenn ich nicht schnell war. Ich liebte Wettschwimmen! Bis jetzt war ich immer unter den Besten gewesen.
„Gut, also in zehn Minuten beim Pool“, sagte Liam noch und dann gingen sich alle umziehen.
Als ich beim Wasser ankam, saßen die anderen schon am Beckenrand und hielten die Beine ins Wasser. Der Pool war ein besonders großes Exemplar, in dem man perfekt trainieren konnte. Außerdem waren nur wenige Hotelgäste anwesend und diese hielten sich eher im unteren Bereich auf.
„Gut, also immer zwei gegeneinander?“, fragte ich.
Liam nickte.
Wir teilten die Teams ein und ich musste gegen Anna schwimmen. Liam und Justin begannen. Wir feuerten beide an und die anderen Gäste verließen fluchtartig den Pool, als sie die Beiden sahen. Ich musste darüber lachen, die beiden Teenager sahen auch nicht gerade ungefährlich auf, wie sie da wasserspritzend herumschwammen. Liam gewann das Rennen, aber es war wirklich knapp gewesen.
„Yeah“, rief der Gewinner und hielt mir die Hand hin, in die ich einschlug. Aber Justin war ein guter Verlierer und holte sich als Trostpreis einen Kuss von Lilly.
Als nächstes schwamm ich gegen Anna. Ich spannte alle Muskeln in meiner Hand an, und war deswegen gar nicht so schlecht. Ich war auch nur knapp hinter Anna, welche das Rennen gewann. Die Schmerzen wurden weniger, jubilierte ich innerlich.
Bei Lilly und Tom war das so eine Sache. Als Lilly vorne war zog Tom sie am Knöchel zurück und umgekehrt. Die beiden lachten und spritzten herum, weshalb Liam sie leider disqualifizieren musste. Den Beiden schien das aber nichts auszumachen. Wir wiederholten das Ganze noch dreimal, wobei ich gegen Liam gewann, weil er mich gewinnen ließ und gegen Justin und Lilly verlor. Aber das schwimmen machte Spaß und die Schmerzen waren erträglich.
Um acht Uhr tauchte Marcus am Pool auf.
„Was macht ihr denn da?“, fragt er lachend, als er uns in der Mitte des Pools entdeckte. Liam hatte Tom gerade im Schwitzkasten und lachen rangelten sie gegeneinander und wir anderen lieferten uns eine ausgedehnte Wasserschlacht.
„Wie geht’s Kathy?“, fragte Anna gleich und schwamm zum Beckenrand.
Marcus seufzte.
„Sie hat einen starken Sonnenbrand. Sie darf nicht in die Sonne gehen und sollte generell die nächste Woche im Haus bleiben. Die Meisterschaft ist für sie gelaufen“, antwortete er.
Mist, arme Kathy.
„Ich geh mal zu ihr“, meinte Anna und zog sich aus dem Wasser.
„Habt ihr überhaupt irgendetwas gemacht außer im Wasser herumplantschen?“, fragte Marcus wenig begeistert.
„Natürlich“, erwiderte ich sofort. Ich schwamm auf ihn zu und hielt ihm meine Hand hin.
„Hilf mir mal raus“, sagte ich. Er ergriff meine Hand, aber bevor er mich hochziehen konnte packte ich seine Hand fester und platschend fiel er neben mir ins Wasser. Als er auftauchte konnte ich das Lachen nicht mehr zurück halten.
Sein T-Shirt klebte ihm am Körper und seine Haare standen in alle Richtungen ab.
Entgeistert starrte er mich an.
„Na warte“, drohte er und kam auf mich zu. Ich schwamm weg, aber er war schneller und zog mich von hinten in seine Arme. Dann tauchte er unter und zog mich mit sich. Er strahlte Wärme aus. Ich musste grinsen, als ich seine Arme um meinen Bauch spürte. Diese Art von Rache war immer willkommen.
Als wir wieder auftauchten hatten die anderen mit der Wasserschlacht weitergemacht, in die wir sofort einbezogen wurden.
Wir bespritzen uns so lange mit Wasser, bis mir kalt wurde und ich aus dem Becken kletterte. Ich wickelte mir mein Handtusch um die Schultern und kuschelte mich hinein.
„Hey Marcus, heute ist das unmögliche geschehen“, rief Justin.
„Ich habe gegen Emma beim Wettschwimmen gewonnen“, strahlte er. „Ich werde anscheinend immer besser“, lachte er. Justin erwähnte aber nicht, dass ich auch von Anna und Lilly geschlagen wurde.
„Ach wirklich?“, fragte Marcus verwundert und sah mich an. Lächelnd zuckte ich mit den Schultern. Marcus wusste besser als jeder andere, dass Justin eigentlich kein guter Schwimmer war. Ich hatte ihm also wieder einmal eine Bestätigung geliefert, dass irgendetwas nicht stimmte.
Toll gemacht, Emma.
Ich drehte mich um und ging in mein Zimmer.
Auf der Treppe holte mich Marcus ein.
Ich spürte seinen anklagenden Blick auf mir.
„Was ist?“, fragte ich leicht genervt.
„Sag du es mir“, antwortete er.
„Nichts. Ich hatte nur einen schlechten Tag“, antwortete ich missmutig.
„Ach wirklich?“, fragte er nach.
Ich nickte nur leicht.
Marcus blieb stehen und hielt mich leicht am Unterarm fest.
„Emma, bitte sags mir“, flehte er leise.
Sein Blick war besorgt. Dieser Blick passte überhaupt nicht zu ihm. In den nassen Sachen sah er so gut aus. Eigentlich sollte er lächeln. Immer nur lächeln.
Seine Augen waren so schön blau. Und tief. Ich konnte meinen Blick nicht von ihnen abwenden und sagte automatisch die Wahrheit.
„Ich hab mich bei der Hand verletzt“, flüsterte ich. Zerknirscht senkte ich den Blick und starrte den hochinteressanten Teppich zu meinen Füßen an.
„Bei was?“, fragte er und hob mein Kinn an, sodass ich ihm wieder in die Augen sehen musste.
„Beim Volleyballspielen“, antwortete ich. Mist, wieso hatte ich es ihm gesagt. Jetzt würde ich nicht antreten dürfen, dabei wollte ich das doch unbedingt!
„Wie schlimm ist es?“, fragte er eindringlich und sah mich dabei mit seinen unnatürlich tiefen, wunderschönen, atemraubenden Augen an.
Wer würde da nicht dahinschmelzen?
„Nicht schlimm“, antwortete ich.
„Wie schlimm?“, wiederholte er.
„Ein kleiner Riss im Knochen“, antwortete ich mit brüchiger Stimme. Das wars. Er würde mich niemals spielen lassen.
Entgeistert sah er mich an.
„Wieso hast du nichts gesagt?“, fragte er.
„Weil ich unbedingt mitspielen wollte. Es sind die Europäischen Meisterschaften, so eine Chance hat man nur einmal im Leben“, antwortete ich ehrlich.
„Aber deine Gesundheit geht vor!“, rief er. „Daher also die Schiene und deine vermasselten Schläge“, murmelte er. „Bei welchem Spiel hast du dich verletzt?“
„Beim Training am Tag vor der Abreise“, flüsterte ich.
Er schüttelte nur den Kopf.
„Zuerst Kathy und jetzt auch noch du“, murmelte er.
„Ich will aber spielen“, beharrte ich. Ich will, ich will, ich will!
Marcus sah mich nachdenklich an.
„Ich seh dir doch genau an, welche Schmerzen du hast. Es ist mir schon am Anfang aufgefallen. Liam nimmt dir die Bälle weg und du verhaust einen Schlag nach dem anderen. Und dein Gesicht verrät, wie viel du zu ertragen hast“, murmelte er und umarmte mich. Ich lehnte mich an ihn und versuchte die Tränen zurück zu halten. Wegen einer beschissenen Verletzung durfte ich nicht spielen.
Marcus drückte mir einen Kuss auf die Wange und vergrub sein Gesicht in meinem Haar.
„Das ist so unfair“, murmelte ich und bemerkte leider, dass meine Stimme nicht mehr ganz so fest war, wie sie sein sollte.
„Nicht weinen, Em“, murmelte er.
Doch ich konnte nicht anders. Ein paar Tränen stahlen sich aus meinen Augen und liefen mir die Wangen hinunter. Marcus lehnte sich zurück und wischte sie mit einer sanften Berührung weg.
„Ich würde mit dir tauschen, wenn ich könnte“, flüsterte ernst.
„Kann ich nicht trotzdem spielen?“, fragte ich leise. Ich traute meiner Stimme nicht. Immerhin war gerade ein großer Traum von mir zerplatzt. Professionelle Volleyballspielerin konnte man nur werden, wenn man an Meisterschaften teilnahm.
„Nein“, antwortete Marcus bestimmt, „du verletzt dich nur noch mehr. Es tut mir furchtbar leid, aber du musst Reservespielerin sein“.
Ich stöhnte auf und weitere Tränen liefen mir übers Gesicht. Das ist so unfair.
„Hey, es tut mir wirklich leid“, murmelte er und nahm meine Hand.
„Ich weiß“, murmelte ich. „Ich geh in mein Zimmer. Mir ist kalt“.
Ich drehte mich um und rannte die Treppe hinauf.
Kathy lag in ihrem Bett. Das Zimmer war finster, die Vorhänge zugezogen.
Als ich die Tür öffnete, war es leise, aber sobald ich sie schloss, ertönte leises Schluchzen an mein Ohr.
„Hey“, flüsterte ich und ging auf das weinende Mädchen zu.
Doch Kathy rührte sich nicht.
„Wie geht’s dir?“, fragte ich sie und setzte mich vorsichtig auf ihre Bettkante.
„Beschissen“, kam es unter der Decke hervor.
Doch Kathy tauchte nicht aus dem dünnen Stoff hervor.
„Hey, das wird schon wieder. Ein Sonnenbrand geht schnell wieder vorbei und dann bist du wieder wie neu!“, munterte ich sie auf. Naja, ich versuchte es zumindest.
„Das Problem ist nicht, dass meine Haut abgeht, oder dass ich aussehe, wie ein Krebs, sondern dass ich bei den Europameisterschaften nicht dabei sein kann“, schluchzte sie.
Na, dieses Problem kannte ich doch von irgendwo…
„Da bist du nicht die Einzige“, flüsterte ich leise. Doch Kathy hörte es.
„Wieso?“, fragte sie und tauchte unter der Decke hervor.
Kathys Gesicht war knallrot, mit einem weißen Schimmer, vermutlich kühlende Creme.
Ich senkte den Kopf und konnte die Tränen schon wieder nicht zurückhalten.
„Ich hab mich bei der Hand verletzt und Marcus lässt mich nicht antreten“, seufzte ich.
Kathy umarmte mich und wir weinten beide leise vor uns hin.
So lange, bis ich zu lachen anfangen musste.
„Wir sind erbärmlich, Kathy“, lachte ich.
„Ich weiß“, schluchzte sie.
Die Nacht war heiß und lang. Ich konnte nicht schlafen und auch Kathy wälzte sich unruhig hin und her, sie hatte vermutlich Schmerzen.
Am nächsten Morgen hatte ich keine Lust zum Frühstück zu gehen. Aber Kathy war hungrig und ich schämte mich, meine Freunde hängen zu lassen. Auch, wenn ich sie nur mental unterstützen konnte.
Im Speisesaal wurden wir von allen begrüßt, keiner sah mich mitleidig an, Marcus hatte es ihnen anscheinend noch nicht erzählt.
Besorgte Fragen richteten sich an Kathy, die diese nur mit einem kleinen, unechten Lächeln beantwortete.
Am Frühstückstisch saß ich diesmal zwischen Liam und Kathy.
Liam lehnte sich herüber und flüsterte mir ins Ohr: „Du siehst scheiße aus, was ist passiert?“.
Ich verzog das Gesicht und wedelte kurz mit meiner bandagierten Hand vor seinem Gesicht herum.
Entsetzen machte sich auf Liams Gesicht breit.
„Er weiß es?“, flüsterte er und warf Marcus kurz einen Blick zu.
Ich nickte mit dem Kopf.
„Wie hat er es aufgenommen?“, fragte er leise.
Ich schüttelte den Kopf und sah ihn traurig an. Der gestrige Tag war so schön gewesen und jetzt hatte ich nur noch schlechte Laune und wollte ehrlich gesagt nach Hause. Hört sich gemein an, ich weiß, aber ich konnte nichts dagegen machen.
„Es tut mir so leid“, flüsterte Liam und drückte unter dem Tisch meine unverletzte Hand.
Ich nickte nur und aß mein Müsli.
Beim Training saß ich auf dem Mäuerchen, dass Promenade und Strand trennte. Kathy war im Hotel geblieben, sie durfte nicht in die Sonne.
Ich hatte Vorsichtsmaßnahmen getroffen und mich dick mit Sonnencreme eingerieben.
„Wieso spielst du nicht mit?“, fragte Anna sofort, als ich mich nicht zu ihnen stellte.
„Ich hab mich verletzt und werde morgen nicht mitspielen“, antwortete ich, worauf die anderen in hektischem Gemurmel ausbrauchen.
„Was? Aber du bist unsere beste Spielerin!“, rief Tom entsetzt.
„Ach, so gut bin ich auch wieder nicht. Ihr schafft das auch ohne mich und ich werde euch anfeuern. Ich spiele halt Cheerleader“, meinte ich und konnte den traurigen Unterton leider nicht ganz aus meiner Stimme verbannen.
„Wo hast du dich verletzte?“, fragte Anna weiter.
Ich seufzte.
„Bei der Hand, beim Volleyballspiel vor unserer Abfahrt“
Gemurmel. Alle murmelten vor sich hin. Ach, ich hasste mein Leben zurzeit.
„Fangen wir an“, rief Marcus die Anderen auf und sie begannen mit dem Training.
Ich schaute ihnen genau zwanzig Minuten zu, dann legte sich eine heiße Hand auf meine Schulter.
Verwunderte drehte ich mich um und sah in die grinsenden Gesichter von Michael, Verena und Lukas.
Freudig sprang ich auf.
„Hey, was macht ihr denn hier?“, fragte ich und fiel ihnen nach der Reihe um den Hals.
„Dich besuchen“, antwortete Lukas und hielt mich etwas länger im Arm.
Verlegen trat ich einen Schritt zurück.
„Nur mich?“, fragte ich, als ich Verenas Blick sah, als sie Liam entdeckte.
„Naja, nicht ganz“, lachte Michael. Verena ignorierte uns dezent.
Ich musste lachen.
„Wie geht’s euch?“, fragte ich gut gelaunt.
„Gut und dir? Wieso spielst du nicht mit? Ich hab dich noch nie total im Einsatz gesehen“, meinte Lukas.
Ich hob meine Hand und wedelte damit vor seinem Gesicht herum.
„Darum. Ich hab mich verletzt und Marcus lässt mich nicht mehr spielen“, seufzte ich.
„Wann das denn?“, fragte Michael und betrachtete meine Hand.
„Beim Volleyballtraining am Tag vor unsere Anreise nach Italien“, antwortete ich schulterzuckend. Sie sollten nicht merken, wie sehr es mir zusetzte.
„Aber dann hast du doch mindestens eine Woche mittrainiert“, kommentierte Lukas verwirrt.
„Ja schon, aber da wusste niemand außer Liam, dass ich mich verletzt hatte“, warf ich frustriert ein.
„Und jetzt wissen sie es“, stellte Michael nüchtern fest.
Ich nickte betroffen.
„Also keine Europameisterschaften für mich“, sagte ich noch und musste hart schlucken.
„Das tut mir Leid für dich“, erwiderte Lukas und umarmte mich.
Ich kuschelte mich kurz an ihn, ließ ihn dann aber wieder los. Bei Lukas war es nicht dieses prickelnde Gefühl, wie bei Marcus. Es war eher so wie bei Liam, geborgen. Aber noch nicht ganz so vertraut.
Ich setzte mich wieder auf die Mauer und klopfte auf den freien Platz neben mir.
Die anderen setzten sich neben mich und gemeinsam sahen wir den anderen beim Spielen zu.
Der Schweiß rann ihnen bereits von der Stirn und sie hatten rote Gesichter.
Das Spiel war anstrengend, das merkte man. Sie hatten konzentrierte Gesichter, nur Marcus versaute hin und wieder einen Schlag. Was war los mit ihm?
Er drehte den Kopf kurz in meine Richtung und versaute den nächsten Schlag. Was sollte das? War ihm das Wetter zu heiß, sodass er sich nicht konzentrieren konnte? Aber Marcus war ein guter Spieler, normalerweise traf er jeden Ball.
„Mensch Marcus, was ist los mit dir?“, fragte Liam und Marcus antwortete ihm etwas Unverständliches, worauf Liam sich zu uns umdrehte. Als er Verena entdeckte lächelte er übers ganze Gesicht und winkte uns, oder eher gesagt ihr, kurz zu.
Das Training ging weiter und Liam war besser denn je. Oha, wollte er das Mädchen neben mir etwa beeindrucken? Ich musste lachen.
„Was ist?“, fragte Lukas.
„Liam strengt sich an. Verena, du solltest morgen bei der Meisterschaft unbedingt zusehen, dann spielt er besser als sonst“, lachte ich.
Verena wurde rot.
„Das bildest du dir bloß ein“, murmelte sie verlegen.
„Nein, ganz sicher nicht“, antwortete ich immer noch grinsend.
„Hey, wie wärs wenn wir kurz was trinken gehen? Ich bekomme sonst einen Hitzeschlag“, fragte mich Lukas und ich nickte. Ich hatte auch Lust, auf ein schönes, kaltes Glas Cola.
Wir standen auf und gingen ins Hotel. Kurz bevor wir eintraten hörte ich noch jemanden fluchen. Wer hatte jetzt wieder den Ball verfehlt?
Bei der Bar bestellte ich eine Cola und Lukas nahm Eistee.
„Nicht zu schnell trinken“, warnte er mich, doch ich konnte nicht anders und schüttete das halbe Glas in mich hinein. Als ich absetzte merkte ich, wieso er mich gewarnt hatte. Hirnfrost! Mein Kopf fühlte sich an, als hätte ich ihn in die Tiefkühltruhe getan.
„Ahh“, stöhnte ich.
„Ich habs dir gesagt“, lachte Lukas. Er hatte sein Glas langsam getrunken und sah noch immer lebendig aus. Naja, lebendiger als ich.
Nach einigen Minuten ließ der Schmerz nach und ich konnte mich wieder aufrecht hinsetzen.
Lukas lachte mich aus.
„Du bist doof“, sagte ich und streckte ihm die Zunge raus.
„Ach komm schon, da kann ich nichts dafür“, meinte er immer noch lachen.
„Oh doch, das kannst du sehr wohl“, entgegnete ich und nahm noch einen, diesmal kleinen, Schluck von meiner Cola.
„Du kommst morgen aber trotzdem mit, oder?“, fragte er unvermittelt.
Ich nickte. „Ja, ich bin ihre seelische Unterstützung. Erste und einzige Cheerleaderin“, antwortete ich geknickt.
„Einzige?“
„Ja, Kathy kann morgen nicht mit. Sie hat einen Sonnenbrand der schlimmen Sorte.
„Oh nein“, erwiderte er.
„Ist deine Verletzung so schlimm?“, fragte er und betrachtete meine Hand. Sie sah nicht besonders spektakulär aus, ich hatte nur einen grauen Verband drum herumgewickelt, damit sie stabilisiert war. Jetzt, da es alle wussten, musste ich nichts mehr verstecken.
„Ein Riss im Knochen. Wenn ich nicht aufpasse, muss es operiert werden, oder irgendwie so“, erwiderte ich.
Lukas verschluckte sich an seinem Eistee und musste husten. Besorgt klopfte ich ihm auf den Rücken.
Als er wieder reden konnte sah er mich entsetzt an.
„Wieso hast du dann die ganze Zeit mitgespielt?“, fragte er entgeistert.
Ich schüttelte leicht den Kopf und runzelte die Stirn.
„Volleyball ist mein Leben. Ich liebe es so sehr, dass ich den Schmerz größtenteils überhaupt nicht wahrgenommen habe“, antwortete ich ehrlich.
„Tut sie jetzt noch weh?“, fragte er.
„Nein“
„Na, jetzt wird sie ja auch nicht mit harten Bällen bombardiert“, murmelte er.
„Ich weiß genau, was ich machen kann und was nicht“, entgegnete ich etwas verärgert.
„Ich weiß, Emma, ich weiß. Aber deine Gesundheit geht nun mal vor“, meinte er nüchtern.
„Du bist wie Marcus, der sagt das auch andauernd“, murmelte ich.
Er lächelte.
„Ist das gut oder schlecht?“, fragte er grinsend.
„In diesem Fall extrem nervig“, stellte ich fest und stand auf.
„Komm, gehen wir wieder raus. Die anderen müssten gleich mit dem Training fertig sein.“
Als wir aus dem Hotel kamen bereute ich es sofort wieder, hinausgegangen zu sein.
Schwüle Hitze schlug mir entgegen.
Die anderen spielten noch immer. Die Armen.
„Hey Leute, übernehmt euch nicht“, rief ich worauf Anna den Ball verfehlte.
„Mann, du hast mich erschreckt“, rief sie mir zu.
„Sorry“, antwortete ich.
„Hören wir für heute auf“, rief Marcus und die anderen stürzten freudig quietschend ins Hotel. Vermutlich auf dem Weg zum Pool oder unter die kalte Dusche.
Liam rannte auf Verena zu, bremste aber kurz vor ihr ab.
„Ich würd dich ja umarmen, aber ich schwitze wie ein Schwein“, lachte er.
„Schweine schwitzen nicht“, erklärte ich, worauf Verena lachte.
„Na gut, dann schwitze ich eben wie…“, begann er.
„Wie ein Volleyballspieler der gerade 2 Stunden in brütender Hitze trainiert hat?“, unterbrach ihn Lukas.
Liam begann zu lachen.
„Ja, genau“, rief er.
„Wie wärs, gehen wir zum Pool?“, fragte ich und drehte mich zum Hotel.
„Ja“, rief Liam erfreut. „Und ihr kommt mit“, meinte er und deutete auf Lukas, Verena und Michael.
Wie brave Hündchen folgten sie uns ins Innere des Hotels.
„Leute, ich hol mir noch kurz mein Badezeug“, erklärte ich ihnen und machte mich auf den Weg in mein Zimmer.
Auf der Treppe traf ich auf Lilly.
„Was war heute los?“, fragte sie verwirrt und setzte sich auf die Stufen.
Seufzend ließ ich mich neben sie fallen.
„Marcus lässt mich nicht mitspielen, weil ich mich an der Hand verletzt hatte“, wiederholte ich zum ungefähr zehnten Mal.
Verwirrt sah sie mich an.
„Schlimm?“, fragte sie.
„Mittelmäßig“.
„Das tut mir so leid für dich“, meinte meine beste Freundin und umarmte mich.
„Das sagt jeder, dabei könnt ihr doch alle nichts dafür“, meinte ich seufzend.
„Trotzdem“, erwiderte sie und küsste mich auf die Wange.
Lächeln stand ich auf. Es war ein trauriges Lächeln.
„Ich hol schnell meine Badesachen, dann treffen wir uns am Pool, okay?“, fragte ich. Sie nickte und ich lief weiter die Stufen hinauf.
Als ich um die Ecke bog wäre ich fast in Marcus hineingerannt, der lässig an der Wand lehnte.
Geschockt blieb ich stehen und starrte ihn an. Hatte er uns belauscht?
Er stieß sich von der Wand ab und trat auf mich zu.
„Ich will nur, dass du dich nicht noch mehr verletzt, ich hoffe, das weißt du“, erklärte er und sah mich eindringlich mit seinen tiefen, blauen Augen an.
„Das weiß ich doch“, erwiderte ich.
„Und trotzdem bist du traurig“, stellte er leise fest.
„Muss ich ja wohl“, entgegnete ich.
„Ich weiß, dass Volleyball dein Leben ist“, sagte er und trat noch einen Schritt auf mich zu.
Die plötzliche Nähe verwirrte mich und ließ die Schmetterlinge in meinem Bauch zum Leben erwachen.
„Ich möchte nicht, dass du böse auf mich bist, nur weil ich dir nicht erlaube, als Verletze am Spiel teilzunehmen. Volleyball ist harter Sport. Niemand weiß das besser als du“, sagte er und ich machte einen Schritt zurück. Ich stieß an die Wand und er kam noch einen Schritt auf mich zu. Marcus stütze seine Hand neben meinem Kopf an der Wand ab und sah mich immer noch mit diesen tödlich schönen Augen an.
„Deine Hand wird nur schlimmer, auch wenn du nur ein einziges Mal schlägst. Ich will nicht verantwortlich sein, wenn du dich noch schlimmer verletzt“, murmelte er.
„Du bist nicht verantwortlich“, flüsterte ich heißer. Seine Nähe verwirrte mich zunehmend.
„Aber ich würde mich verantwortlich fühlen. Emma, du bist jemand, der den Beschützerinstinkt in mir weckt. Ich würde mich auf ewig hassen, wenn dir etwas passiert“, gestand er leise und lächelte mich verlegen an.
Was?
„Es tut mir Leid. Und mir darf es leid tun, ich kann nämlich etwas dafür, dass du traurig bist und es macht mich wütend. Ich bin wütend auf mich selbst. Weil ich dir etwas verbiete, was dir so viel bedeutet.“
„Ich versteh dich“, antwortete ich und mein Blick wanderte zu seinen Lippen. Diese vollen, herrlichen Lippen, die so gut küssen konnten.
Er lächelte mich an.
„Also bist du mir nicht böse?“, fragte er hoffnungsvoll.
„Selbst, wenn ich wollte, ich könnte nicht“, murmelte ich.
Sein Lächeln wurde breiter.
„Gut, dann bist du mir auch jetzt nicht böse“, sagte er und beugte sich zu mir hinunter. Als seine Lippen auf meine trafen war der Sturm in meinem Inneren sofort wieder da. Wie ein Orkan. Und unterstrichen wurde der Sturm von vielen kleinen Schmetterlingen, die freudig auf und ab flogen.
Wie von selbst legte ich meine Hände in seinen Nacken und zog ihn näher an mich. Er kam meiner Bitte gerne nach.
Ich weiß nicht wie lange wir so dastanden, ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren.
Als Marcus sich von mir löste, waren wir beide außer Atem und gerötet im Gesicht.
„Bist du mir böse?“, fragte er mit einem leichten Lächeln.
Ich konnte nur betäubt den Kopf schütteln.
„Gut“, murmelte er und lächelte mich strahlend an.
„Wir sollten zu den anderen runter gehen. Wir sehen uns gleich“, sagte er und verschwand mit einem Grinsen im Gesicht um die Ecke.
Oh. Mein. Gott!
Habe ich grad geträumt? Es muss ein Traum gewesen sein. Ein wunderschöner Traum, der leider viel zu schnell geendet hat.
Ich fuhr mir mit den Fingern an die Lippen und starrte in die Luft. Dann begann ich zu grinsen und löste mich aus meiner Erstarrung. Der Tag heute war gar nicht so schlimm. Eigentlich war er sogar recht schön.
Lachend lief ich ins Zimmer und traf Kathy.
„Hey, wie geht’s dir?“, fragte ich noch immer lachend.
„Gut. Was ist denn mit dir los?“, fragte sie mit gerunzelter Stirn.
„Nichts“, antwortete ich und kramte in meinem Koffer nach meinen Badesachen.
„Ich glaub dir irgendwie nicht“, entgegnete sie grinsend.
„Egal“, lachte ich und zog mich im Badezimmer schnell um. Über meinen Bikini zog ich ein weißes Badekleid und Flip Flops an den Füßen.
„Tschüss“, rief ich Kathy noch zu, bevor ich aus dem Zimmer stürmte.
Gut, ich hätte vielleicht etwas höflicher sein können, aber jetzt war es zu spät und ich konnte mich ja später bei ihr entschuldigen.
Als ich aus dem Hotel trat, schlug mir die Hitze zum zweiten Mal am Tag mit voller Wucht ins Gesicht. Ich musste kurz stehen bleiben um nicht umzukippen.
Suchend sah ich mich an der Poolanlage um und entdeckte meine Freunde im Pool. Nur Liam saß noch auf einer Liege und schaute den anderen lachend zu.
Marcus war auch im Pool und grinste mich kurz an, bevor er von Tom unter Wasser gezogen wurde.
Ich ging zu Liam und setzte mich kurz neben ihn.
„Warum bist du noch nicht im Wasser?“, fragte ich ihn.
Lächelnd sah er mich an.
„Ich warte noch kurz auf Verena. Sie zieht sich noch um“, meinte er.
„Was ist das zwischen euch eigentlich?“, fragte ich ihn. Irgendwann musste er es mir erzählen.
Liam verzog das Gesicht.
„Was genau meinst du?“, fragte er scheinheilig.
„Na, da läuft doch was, oder nicht?“
„Äh, ich weiß nicht?“, antwortete mein bester Freund.
„Sieht jedenfalls so aus“, entgegnete ich und beobachtete die anderen beim Schwimmen. Die anderen Poolgäste machten einen großen Bogen um sie und hielten sich eher am anderen Ende des Beckens auf. Ich würde mich ihnen aber auch nicht in den Weg stellen.
„Wirklich?“, fragte eine Mädchenstimme hinter mir.
Ich drehte mich verwundert um und entdeckte Verena, die in ein Handtuch gewickelt hinter uns stand.
Ich räusperte mich.
„Ehrlich gesagt schon, ja“, antwortete ich und schaute hilfesuchend zu Liam.
Mein bester Freund saß aber nur stumm da, ein leichter Anflug von Panik in seinen Augen.
„Na dann ist es ja gut“, lachte sie und zog Liam an der Hand hoch zum Pool.
Gott sei Dank hatte sie es so cool aufgenommen.
Es würde mich wirklich für Liam freuen, wenn aus den beiden etwas werden würde. Sie passten gut zusammen.
„Emma“, brüllte Lilly über die ganze Anlage.
„Schwing deinen Hintern ins Wasser“, rief sie und kopfschüttelnd stand ich auf, konnte das Grinsen aber nicht zurückhalten.
Lilly war so gefühlvoll wie ein Walross.
Ich schlenderte zum Pool und sprang mit etwas Anlauf direkt neben meiner besten Freundin ins Wasser.
„Wo bleibst du denn so lange?“, fragte sie.
Ich rieb mir das Wasser aus den Augen. Es war angenehm kühl hier im Pool.
„Ich musste mit Liam noch einen Beziehungsstatus klären“, erwiderte ich.
„Ach ja?“, ertönte es hinter mir und noch bevor ich mich umdrehen konnte wurde ich von zwei starken Armen umarmt. Aus dem Gefühl im Bauch ließ sich schließen, dass Marcus hinter mir stand.
„Nicht unseren Beziehungsstatus, Schatz“, erklärte ich spöttisch und musste grinsen.
Marcus schüttelte den Kopf und lachte.
„Schade, ich hätte es gerne offiziell gemacht, dass du verrückt nach mir bist“, erwiderte er ebenfalls spöttisch lächelnd.
„Würd ich ja gerne, aber vorher musst du zugeben, dass du verrückt nach mir bist“, sagte ich und drehte mich in seinen Armen zu ihm um.
Lächelnd sah er mich an.
„Kann ich gerne machen“, meinte er und küsste mich. Auf den Mund. Vor den ganzen anderen.
Überraschtes Gekreische von den anderen ertönte und vermutlich waren alle Blicke auf uns gerichtet.
Marcus nahm meine Hände und verschränkte seine Finger mit meinen.
Lächelnd erwiderte ich den Kuss, was nochmaliges Gemurmel und Gekreische bei meinen Freunden hervorrief.
Marcus löste sich von mir.
„Dann hätten wir das also geklärt“, lachte er. Ich konnte nur nicken und strahlte diesen wunderbaren Jungen vor mir an.
Die anderen waren inzwischen in einem kleinen Applaus ausgebrochen und freuten sich mit uns.
Lilly stand neben mir und grinste mich nur an.
Ich grinste zurück.
Der Tag wurde noch richtig schön, auch wenn man die Anspannung bei meinen Teammitgliedern schon deutlich bemerken konnte. Sie hatten Angst. Naja, ob man es Angst beschreiben konnte? Vielleicht eher Nervosität, vor dem Spiel morgen.
Der Tag verging rasen schnell und Marcus ließ das Training am Abend wegen morgen ausfallen.
„Ist es wirklich eine gute Idee, dass wir nicht mehr trainieren?“, fragte Anna unsicher.
„Ach komm, ihr seid gut! Ihr seid sehr gut“, munterte ich sie auf.
„Aber ohne dich sind wir nichts Besonderes mehr“, entgegnete sie niedergeschlagen.
Ich schüttelte sofort den Kopf.
„Aber natürlich seid ihr das! Nur weil ich nicht mitspiele heißt das nicht, dass ihr nicht genauso gut seid, wenn nicht sogar besser! Wer weiß, vielleicht löst die Nervosität und das Meisterschaftsgefühl Kräfte bei euch aus, die euch unendlich gut spielen lässt“, erwiderte ich.
„Na hoffentlich hast du recht“, sagte sie.
Der Tag war da. Der Tag der Meisterschaft. Der Tag der Entscheidung. Waren wir gut genug? Nein, war mein Team gut genug? Ich zweifelte kein bisschen daran. Wir waren super. Wir waren toll. Wir waren großartig. Ja, wir waren die Könige der Welt. Mein Optimismus verflog auch nicht, als ich die angespannten Gesichter beim Frühstück sah.
„Morgen Leute“, rief ich überschwänglich und setzte mich mit meinem voll beladenen Tablett an den Tisch.
Niemand hatte etwas zu essen vor sich stehen, alle nur Wasser.
„Mensch Leute, jetzt reißt euch mal zusammen. Es kann doch nicht wahr sein, dass ihr so unvernünftig seid und nichts frühstückt“, tadelte ich sie ernst.
„Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages“, schloss ich und aß demonstrativ einen Löffel Müsli.
„Du hast gut reden“, grummelte Justin. „Du spielst ja auch nicht mit“
Oh, das war unter die Gürtellinie.
„Willst du tauschen“, fragte ich verärgert und widmete mich meinem Frühstück.
Zerknirscht sah Justin mich an.
„Sorry Emma“
Ich schüttelte nur entgeistert den Kopf.
„Weshalb macht ihr euch solche Sorgen? Wir sind gut. Heute wird gespielt, so gut, dass die anderen Teams vor Neid erblassen. Und mal ganz ehrlich, selbst wenn wir nicht gewinnen, ist doch egal! Wir waren dabei, wir hatten Spaß und in diesem Urlaub haben wir unsere Freundschaft vertieft!“, munterte ich meine niedergeschlagenen Teamkollegen auf.
„Bin ganz deiner Meinung“, ertönte Marcus´ Stimme hinter mir. Ehrlich gesagt, hatte ich überhaupt nicht bemerkt, dass er nicht da war. Naja, er gehört auf keinen Fall zu den Leuten, die Angst vor einem Match haben.
„Reißt euch am Riemen Leute, dass wird super heute“, meinte er und verschwand Richtung Buffet.
„Ihr habt ja Recht, es ist trotzdem eine riesige Erwartung. Wir wollen doch alle, dass wir gewinnen“, sagte Lilly.
„Dann esst etwas“, lachte ich. „Essen hilft gegen Kummer und Sorgen“, zitierte ich meine Oma.
Langsam schlichen alle zum Buffet und holten sich etwas Müsli.
Alleine blieb ich am Tisch zurück.
„Wie hast du denn das wieder hingekriegt? Alle holen Frühstück?“, fragte Marcus und ließ sich neben mich fallen.
„Ach, ich hab gar nichts gemacht“, grinste ich.
„Emmas Autorität lässt alle vernünftig werden“, lachte er und gab mir einen Kuss auf die Wange. Sofort wurde ich rot und das bemerkte er und lachte.
„Was hast du mit ihr gemacht, weil sie aussieht wie eine Tomate?“, fragte Liam, als er zurückkam.
Marcus schwieg nur und grinste vor sich hin.
„Na los Leute, auf in den Kampf“, machte ich ihnen Mut und gemeinsam verließen wir nach einiger Zeit den Frühstücksraum.
In der Mitte befand sich das Volleyballfeld und rund herum befanden sich Zuschauertribünen. Die Plätze waren schon gut gefüllt, obwohl das Spiel erst in drei Stunden losgehen würde. Heute würde ein heißer Tag werden, das bewies der wolkenfreie, blaue Himmel. Das Rettungsteam war gerade dabei ihr Zelt neben dem Spielfeld aufzubauen.
Meine Teamkollegen waren alle blass, bis auf Liam und Marcus, die strahlten vor sich hin. Marcus, weil heute der große Tag war und Liam, weil gerade Verena vorbeigekommen war. Sie würde sich das Spiel anschauen, das heißt, Liam lief auf Höchstform.
„Irgendwie hab ich Angst“, gestand Lilly, die neben mir stand.
„Ach Lil“, seufzte ich. Ich verstand sie nur zu gut. Wenn ich mitspielen würde, würde ich vor Aufregung vermutlich heulend in der Toilette sitzen.
„Leute, wir schaffen das heute! Ich bin zuversichtlich, dass wir das Ding schaukeln. Wir sind ein wunderbares Team, jeder von uns ist talentiert und wir können bestimmt mehr als alle anderen Teams zusammen“, versuchte Marcus sie auf zu muntern. Aber so richtig schien es nicht zu wirken.
„Na, los, wärmt euch auf“, meinte ich und ließ sie alleine zurück. Ich ging zum Getränkestand, um jedem eine Flasche Wasser zu holen. Für Teilnehmer der Meisterschaft waren Getränke und Essen gratis. Alle wurden vorher durchgecheckt ob sie auch körperlich in der Lage zum Spielen waren. Eine sehr lange Prozedur und der eigentliche Grund, wieso wir jetzt schon hier waren.
„Acht Wasserflaschen bitte“, bestellte ich und nahm sie entgegen.
Als ich zurückkam, saßen alle am Boden und dehnten sich.
Ohne Aufforderung setzte ich mich dazu und machte mit. Dehnübungen gehörten als Volleyballspielerin dazu. Ich konnte mindestens fünfzig verschiedene Übungen auf Anhieb aufzählen.
„Wo ist Kathy?“, fragte Justin, als er nach kurzer Zeit feststellte, dass unsere Patientin nicht anwesend war.
„Sie sitzt bei den Schiedsrichtern“, meinte ich entspannt.
Justin runzelte die Stirn.
„Erpresst sie die Jury, damit wir gewinnen?“, fragte er misstrauisch.
Ich lachte.
„Nein, sie darf nicht in die Sonne, schon vergessen?“, fragte ich ihn.
Der Junge nickte verstehend und spannte seine Arme kurz an.
„Wo hast du den Verband gelassen?“, fragte Marcus und ließ sich neben mich fallen.
„Im Hotel“, antwortete ich ehrlich.
Er lächelte mich an, worauf ich sofort zurückgrinsen musste.
„Wieso?“, fragte er.
Resigniert schüttelte ich den Kopf.
„Es muss nicht jeder gleich sehen, dass ich verletzt bin, da sollen die Leute lieber glauben, dass ich Reservespielerin bin“, entgegnete ich.
„Das ist unlogisch“, meinte er stirnrunzelnd.
„Egal“, sagte ich und lächelte.
„Wenn du meinst“, lachte er.
Dann stand Marcus auf, drückte mir einen kurzen Kuss auf die Wange und das Team ließ mich alleine, um sich anzumelden.
Die Sonne war höher gestiegen, und die ersten Teams hatten ihre Spiele bereits hinter sich. Die Luft erwärmte sich immer mehr und mir war sogar im Schatten heiß. Hinsichtlich des heißen Wetters war ich fast froh nicht spielen zu müssen.
„Ich wünsche euch ganz, ganz viel Glück“, rief ich meinem Team zu.
Sie lächelten und gingen aufs Spielfeld zu, als sie aufgerufen wurden.
Ihre Gegner waren ein Team aus Frankreich. Sie sahen sehr selbstsicher aus und lächelten gewinnend vor sich hin.
Drei Jungen und drei Mädchen stellten sich im anderen Feld auf und ihre beiden Ersatzspieler setzten sich neben mich.
„Hey, bist du die Ersatzspielerin?“, fragte der Eine freundlich.
Ich nickte nur und sah konzentriert zu, wie ausgelost wurde, wer beginnen durfte.
Das französische Team hatte Aufschlag.
Kein Problem, wir hatten das oft genug geübt.
Einer der Franzosen trat hinter die Out-linie und schlug den Ball ins andere Feld. Lilly nahm ihn entgegen und schlug ihn zu, Tom, der ihn ins gegnerische Feld zurückpasste. Zwei Mädchen spielten zusammen und der Ball flog wieder ins Feld meines Teams. Diesmal flog er so weit zurück, dass Marcus ihn entgegennahm und Lilly ihn schließlich zurück passte.
Das französische Team war gut. Sehr gut sogar. Sie hatten konzentrierte Gesichter aufgesetzt und ließen sich von nichts ablenken. Die Mädchen schlugen genauso hart auf den Ball wie die Jungen und man konnte sehen, wie mein Team leichte Panik bekam. Verdammt, sie durften ihre Angst nicht so offen zeigen.
Und dann vermasselte Lilly den Schlag. Resigniert ließ sie die Schultern hängen und verzog das Gesicht. In Gedanken rügte ich meine Freundin dafür, dass sie ihre Maske fallen ließ, aber ich lächelte ihr trotzdem aufmunternd zu, als sie kurz zu mir rüber sah. Ich hielt beide Daumen in die Höhe als Zeichen, dass noch nicht alles zu spät war.
„Dein Team ist gut“, meinte der große Junge neben mir.
„Deines auch“, murmelte ich und konzentrierte mich aufs Spiel.
Der Aufschlag hatte schon wieder stattgefunden und gekonnt flog der Ball über das Netz von Seite zu Seite. Die Gesichter waren gerötet, der Schweiß rann den Spielern von der Stirn. Kein Wunder, mir war im Schatten schon unerträglich heiß.
Justin spielte immer zu Tom, das fiel mir nach einiger Zeit auf. Hoffentlich fiel es dem gegnerischen Team nicht auf, denn Tom neigte dazu, den Ball immer ganz nach hinten ins Eck zu spielen. Ein Fehler, den man nicht machen durfte.
Lilly und Justin spielten abwechselnd den Ball zu den anderen Mitgliedern im Team und versuchten möglichst viele Aufschläge im eigenen Team zu haben, damit der Ball genau dorthin gespielt wurde, wo das französische Team am wenigsten damit rechnet. Es gelang ihnen eigentlich recht gut.
Und Marcus hatte sowieso seine eigene Technik. Sie war so verwirrend, dass ich sie nicht durchschauen konnte.
Die Gegner machten auch Fehler. Der Junge, der ganz vorne stand spielte den Ball immer ganz nach hinten in unser Feld. Marcus hatte es leicht, den Ball abzufangen. Alle drei Spieler, die im hinteren Teil des Feldes standen spielten sich den Ball gegenseitig zu, und schossen ihn dann knapp übers Netz zurück. Lilly hatte ihre Technik bereits durchschaut und fing den Ball immer ab. Doch die beiden Spieler links und rechts vorne hatten eine gute Technik. Sie spielten verschieden, schossen nach hinten oder knapp darüber. Gott sei Dank bekamen sie nicht so oft den Ball. Ein Fehler des Teams.
Der Ball flog lange Zeit hin und her, und dann machte das gegnerische Team den Fehler und spielte zu weit nach hinten.
„Out“, rief der Schiedsrichter und Pfiff. Yes, es stand wieder Gleichstand.
„Mist“, hörte ich den Ersatzspieler neben mir fluchen.
Und auch sein Team fluchte resigniert.
Meines hingegen freute sich und sie versuchten auch nicht, die Freude zu unterdrücken. Zu Recht!
Die nächsten paar Pässe waren so hart, dass meine Freunde große Mühe hatten sie aufzuhalten. Als der große Junge vorne rechts schoss, taumelte Tom und fiel auf die Knie. Lilly fing den Ball noch ab und schoss ihn zurück.
„Auszeit“, brüllte der Schiedsrichter und erst jetzt merkte ich, dass Tom im Sand lag und sich nicht rührte. Scheiße!
Die Sanitäter kamen sofort angerannt und hoben ihn auf eine Trage. Ich stand auf um besser sehen zu können, betrat aber nicht das Spielfeld, aus Angst den Sanitätern im Weg zu stehen.
Tom wurde ins Sanitäterzelt getragen und Anna lief hinterher.
„Anna“, rief Marcus und holte sie zurück. Aufgelöst stand sie da und unterdrückte die Tränen.
„Hey, das wird schon wieder“, munterte ich sie auf und umarmte sie.
„Kommt erst mal kurz in den Schatten, ihr seid rot wie Tomaten“
Die anderen folgten meinen Worten und gemeinsam gingen wir zu der Bank, auf der ich vorher gesessen hatte.
„Wenn es was schlimmes ist?“, fragte Anna schluchzend. Sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten.
„Ist es bestimmt nicht. Ihr spielt seit fünfzehn Minuten in der prallen Sonne, kein Wunder dass er zusammengeklappt ist“, meinte ich ruhig.
Die Wasserflaschen wurden herumgereicht und bald waren alle etwas ruhiger.
Nach fünf Minuten trat der Schiedsrichter zu uns.
„Er hat vermutlich einen Sonnenstich. In zwei Minuten spielen wir weiter, holt eure Ersatzspieler“, meinte er und verschwand wieder.
Ich begann zu grinsen. Ja, ich würde spielen!
„Nein, du wirst nicht spielen“, mischte Marcus sich wütend in meine Gedanken.
„Sicher“, entgegnete ich und stellte mich vor ihn hin.
„Du bist verletzt!“, brauste er auf.
„Na und? Ich hab die Hand die letzten Tage geschont! Mir geht’s gut!“, rief ich.
„Aber trotzdem bist du verletzt“, entgegneter er.
„Ich werde trotzdem spielen“
„Nein wirst du nicht“
„Doch werde ich!“
„Nein“, rief Marcus verzweifelt. „Du könntest dich noch mehr verletzten!“
„Ich könnte auch auf die Straße gehen und von einem Bus überfahren werden!“
„Die Wahrscheinlichkeit ist aber geringer, als wenn du jetzt Volleyball spielst.“, rief Marcus.
„Aber ich muss mitspielen, ihr habt niemand anderen und sonst werdet ihr disqualifiziert“, entgegnete ich.
Lilly räusperte sich. „Ich finde auch, dass Emma mitspielen sollte“, warf sie ein, worauf Marcus´ wütender Blick sofort auf sie traf.
„Nein, sie ist verletzt“, erwiderte er wieder.
„Jetzt schraub deinen Beschützerinstinkt etwas zurück. Emma ist siebzehn Jahre und weiß selbst, wann sie spielen sollte, oder nicht“, rief meine beste Freundin aufgebracht.
„Da wär ich mir nicht so sicher“, entgegnete er beleidigt.
Ich wollte Marcus wirklich nicht wiedersprechen, aber jetzt hatte ich die einmalige Chance doch noch dabei sein zu können und er wollte es mir nicht erlauben.
„Ich werde trotzdem spielen, und nur weil du mein Freund bist, bedeutet das nicht, dass du über mich bestimmen darfst. Okay, ich bin verletzt, aber meiner Hand geht es eigentlich ganz gut und ich habe mich so lange auf diesen Tag gefreut, ich werde mir jetzt meinen Traum nicht vermasseln“, erklärte ich und zog mir meine Handschützer über die Hand.
Ich betrat das Spielfeld und die anderen folgten mir.
Es war heiß. Zu heiß. Auch das andere Team hatte einen Spielerwechsel gemacht und so grinste mir der Junge entgegen, der vorher neben mir auf der Bank gesessen hatte.
Wir hatten Aufschlag, da vorher das andere Team begonnen hatte.
Justin machte seine Sache gut und die Franzosen hatten sichtliche Mühe damit, den Ball abzufangen.
Als ich den Ball das erste Mal bekam, verzog ich keine Miene, obwohl der Schmerz höllisch aufbrandete. Aber das wollte ich Marcus nicht antun. Er sollte nicht wissen, welche Schmerzen es mir bereitete.
Mit der Zeit durchblickte ich auch die Strategie des neuen Spielers. Und sie gefiel mir überhaupt nicht. Er zielte immer auf mich, anscheinend hatte er mitbekommen, dass ich verletzt bin. Verdammt!
Naja, jetzt konnte ich es nicht mehr ändern. Ich zielte mit den Bällen zu den Spielern, die schlechter waren, die ich schon durchschaut hatte.
Wir waren in Führung, aber nur knapp. Unser Team war stark. Sehr stark, aber die Franzosen waren leider würdige Gegner.
Und der Junge mir gegenüber schoss immer zu mir. So ein Idiot.
Meine Hand schmerzte.
„Alles okay?“, fragte Lilly leise.
Ich nickte verbissen und spielte weiter.
Das gesamte französische Team war jetzt auf mich fixiert, und das war nicht gerade prickelnd.
Die Bälle waren hart, aber ich traf jeden. Die Blöße würde ich mir nicht geben und vor diesen Französischen Schnöseln abloosen.
Ich nahm all meine Kräfte zusammen und schlug hart auf den Ball. Und machte einen Punkt. Yeeah!!!
Unsere Gegner fluchten.
Und so ging es weiter. Unendlich lange Minuten. Alle Bälle kamen zu mir, ich schoss zurück und machte Punkt für Punkt.
Als ich kurz auf meine Hand schaute, bemerkte ich, dass sie langsam blau wurde und anschwoll. Bedeutete mir unser Sieg so viel, dass ich meine Gesundheit aufs Spiel setzte? Die Antwort erschreckte mich, denn ich würde Volleyball meiner Gesundheit immer vorziehen.
Ich war verrückt danach. Und deswegen ignorierte ich die Schmerzen und sammelte weiterhin Punkte.
Und dann übermannten mich die Schmerzen. Es tat so weh, ich konnte nicht mehr. Ich würde sterben, hier auf dem Spielfeld.
In meinen Ohren begann es zu rauschen.
Die Stimme des Schiedsrichters drang dumpf an mein Ohr.
„Der nächste Punkt entscheidet“, rief er. Was? Nur noch ein Punkt?
Verdammt, dieser eine Punkt!
Verschwommen nahm ich den Ball wahr, der wieder auf mich zuflog. Verstanden diese dummen Franzosen denn nicht, dass sie bei mir kein Glück hatten?
Aber ich war zu schwach. Ich schaffte es nicht mehr, denn Ball übers Netzt zu befördern. Er flog ungefähr einen halben Meter in die höhe und schräg in unser Feld hinein. Ich fürchtete schon, dass er jetzt im Sand landen würde und wir keinen Punkt bekamen, doch Lilly war sofort zur Stelle und schoss den Ball hinüber.
„Gewonnen!“, riefen die Leute um mich herum, doch ich kniete im Sand und mir wurde schwindlig.
Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen.
Marcus war sofort bei mir. Und auch die Sanitäter waren sofort zur Stelle.
Sie riefen Worte durcheinander, doch ich blendete sie aus.
Wir hatten gewonnen. Yeah!!
Ein kleiner Stich ließ mich kurz zusammenzucken. Jemand hatte mir eine Spritze in den Oberarm gerammt.
„Es wird gleich besser“, hörte ich einen der Sanitäter sagen und sie trugen mich aus der Sonne.
Wir hatten wirklich gewonnen! Das war so cool!
Das waren die Schmerzen wirklich wert!
Apropos Schmerzen, die wurden weniger. Sie ebbten fast komplett ab, nur ein leichter Druck blieb zurück. Aber mir wurde wieder schwindlig.
Ich wurde auf einen Stuhl gesetzt, während die Sanitäter telefonierten und in ihren Taschen herum kramten.
Marcus saß neben mir und sah mich mit einer Mischung aus Wut und Frustration an.
Mir wurde leicht schlecht und ich lehnte mich gegen Marcus.
„Wie stark war das Zeug, dass ihr ihr gespritzt habt?“, hörte ich Marcus murmeln.
„Ziemlich stark“
Und dann schlief ich ein.
Meine Hand pochte, als ich aufwachte. Ich versuchte die Augen zu öffnen, aber das Licht war zu hell. Blinzelnd versuchte ich zu erkennen, wo ich mich befand.
„Hey“, ertönte es neben mir.
Langsam drehte ich meinen Kopf in die Richtung der Stimme, und sofort verschwammen die Ränder meines Blickfeldes leicht.
Marcus saß neben meinem Bett und lächelte mich an.
„Auch schon wach?“, fragte er neckend.
Er stand auf und griff nach einer Fernbedienung auf dem Tisch neben meinem Bett. War ich etwa in einem Krankenhaus?
Marcus drückte einen Knopf und sofort ertönte leises Knacken aus dem Plastikding.
„Sie ist jetzt wach“, sagte er und ließ den Knopf wieder los.
Er legte die Fernbedienung zur Seite, rückte den Stuhl näher zu mir und setzte sich wieder.
„Du warst ganz schön lange weg, das Zeug war wirklich stark“, murmelte er.
„Wo bin ich?“, fragte ich leise. Mir dröhnte noch immer der Kopf.
„Ah, im Krankenhaus. Sie haben dir nach dem Spiel starkes Schmerzmittel gespritzt und dich dann hierher gebracht“, erklärte er.
Schmerzmittel. Daher kamen also der leise Schwindel und die Kopfschmerzen.
„Es lässt nach, oder?“, fragte er und musterte meine Hand, die in einer Art Schiene eingelagert wurde.
Ich nickte und schloss kurz die Augen.
„Tut mir Leid“, flüsterte ich und fürchtete schon fast, dass er es nicht gehört hatte.
Er lächelte mich an und schüttelte leicht den Kopf.
„Wenn du nicht so ein Sturkopf wärst…“, murmelte er.
Ich zuckte mit den Schultern. Es war bekannt, dass ich immer das machte, was ich wollte und daran konnte niemand etwas ändern. Außer ich wurde von etwas anderem überzeugt. Und das geschah nicht oft.
„Aber so bist du nun mal, stur und trotzig. Du würdest Volleyball immer über deine Gesundheit stellen, das ist mir schon lange klar“
Konnte er meine Gedanken lesen?! Hatte ich vor kurzer Zeit nicht genau dasselbe gedacht?
„Ich kann das nur leider nicht ganz akzeptieren“, erklärte er und ich runzelte die Stirn. Das bedeutete nichts Gutes. Ich fürchtete das Schlimmste.
„Also, da ich nun offiziell dein Freund bin“, er lächelte kurz, „musst du etwas mehr auf dich aufpassen. Du kannst nicht immer und jederzeit dein Leben für Volleyball aufs Spiel setzten“.
„Aber das mach ich doch gar nicht“, entgegnete ich.
„Doch, du siehst es nur nicht ein“
„Nein, ich liebe Volleyball eben. Und was ich liebe will ich nicht aufgeben“, erklärte ich ihm.
„Und ich liebe dich und ich will dich auch nicht aufgeben müssen, nur weil du wegen irgendeiner leichtsinnigen Sache ums Leben kommst“, erwiderte er.
Was? Hatte er gerade gesagt, dass er mich liebte?
Auch Marcus schien gerade klar geworden zu sein, was er gesagt hatte, denn er sah mich zerknirscht an. Fast schon angstvoll.
Ich begann zu lächeln. Ja, er liebte mich!
„Ich liebe dich auch“, sagte ich.
Jetzt schaute er kurz verwirrt, sah mich dann aber breit lächelnd an.
Er lehnte sich zu mir herüber und drückte mir einen kleinen Kuss auf den Mund.
„Gut, da Sie das jetzt geklärt hätten, wie geht es Ihnen?“, fragte eine Stimme von der Tür.
Verwirrt drehte ich mich um und bemerkte einen kleinen, dicken Arzt mit grauen Haaren und dicker, runder Brille.
Shit, hatte er uns belauscht?
Sofort wurde ich rot im Gesicht.
„Ähm… Gut?“, fragte ich.
Er lächelte und schrieb etwas in seine Akte.
„Können Sie sich an alles erinnern, bevor sie das Schmerzmittel bekommen haben?“
Ich überlegte kurz und nickte dann.
„Das ist gut. Kopfschmerzen?“, fragte er und stellte mir ein Glas Wasser auf den Nachttisch.
„Ja leicht“, antwortete ich ehrlich. Eigentlich mochte ich keine Ärzte, aber dieser hier schien ganz nett zu sein.
„Keine Sorge, das sind nur Nachwirkungen vom Schmerzmittel. Das geht vorbei. Wir haben während Sie geschlafen haben Ihre Hand geröntgt. Ein ziemlich komplizierter Bruch, haben sie sich das beim Volleyballspiel zugezogen?“
„Ja“
Komplizierter Bruch?
„Aber vorher war nur ein Riss im Knochen“, entgegnete ich.
„Tja, dieser Riss ist aufgebrochen und jetzt stehen Ihnen mindestens sieben Wochen Gips bevor“.
Na toll.
„Es wäre besser gewesen, Sie hätten Ihre Hand gleich geschont“, sagte der grauhaarige Arzt noch.
Ja, ich weiß. Marcus hatte Recht.
Ich nickte.
„Versuchen Sie noch etwas zu schlafen. Wenn das Schmerzmittel komplett nachgelassen hat, melden Sie sich bitte wieder“, verabschiedete er sich und verließ das Zimmer.
Ich ließ mich in mein Kissen fallen.
„Jetzt hast du wenigstens ganz viel Zeit für mich“, lachte Marcus.
Ich rechnete es ihm hoch an, dass er mich nicht mit dem ich-hab-es-dir-ja-gesagte Blick ansah.
„Ja, da hast du wohl Recht“, entgegnete ich.
„Du solltest wirklich noch schlafen. Wenn du hier raus bist fliegen wir zurück nach Hause und das wird anstrengend“
„Wieso konnte der Arzt Deutsch?“.
„Glück gehabt, dass es ihn gibt, ich würde sonst überhaupt nichts verstehen“, sagte er nur.
„Was ist mit der Europameisterschaft?“, fragte ich.
„Unser Spiel haben wir gewonnen. Aber die anderen konnten wir nicht mehr mitspielen, weil wir zu wenige Spieler waren“
„Wir wurden disqualifiziert?“, fragte ich geschockt.
„So kann man es nicht ganz nennen“, entgegnete er.
„Verdammt“, murmelte ich.
„Aber einige Trainer haben uns zugesehen und würden uns gerne unter Vertrag nehmen. Besonders an dir sind sie interessiert“, lächelte er.
„Was?“, fragte ich entsetzt.
„Du hast sie beeindruckt. Und die Franzosen waren harte Gegner. Sobald wir hier raus sind wirst du einige Interviews geben müssen“, grinste er.
„Also hat das Ganze doch etwas genützt“, seufzte ich zufrieden.
„Ja“, grummelte Marcus, „Auch, wenn es mir anders lieber gewesen wäre“.
„Ich weiß, und ich sagte doch schon, dass es mir Leid tut“.
„Du solltest schlafen Emma, darüber können wir auch noch diskutieren, wenn du wieder wach bist“, sagte er und strich mir durch die Haare.
Ich kuschelte mich an seine Hand und verfiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Epilog:
„Der Arzt sagte, dass es super verheilt ist und ich langsam wieder zu spielen anfangen kann“, erzählte ich Marcus voller Freude.
„Das ist toll“, erwiderte er und küsste mich. „Bist du fertig?“
Ich nickte und zog mir meine Laufschuhe an.
Wir verließen das Haus und joggten durch den Wald in Richtung See.
Bald würde ich wieder Volleyballspielen können.
Mitleerweile hatten wir einen Trainer, der uns auch sponserte. Marcus war nicht besonders traurig gewesen, als er ganz offiziell zu den Spielern gewechselt war. Er sagte, dass der Job als Trainer hart war, besonders wenn man spielen auch noch musste und ich verstand ihn. Wir waren ein sehr talentiertes Team und jetzt konnte ich endlich wieder mitspielen.
„Träum nicht“, neckte mich Marcus, der rückwärts vor mir her joggte.
Er war noch immer der bessere Läufer von uns beiden, aber ich wurde besser. Die letzten sieben Woche war ich oft mit ihm joggen gegangen. Volleyballspielen konnte ich ja nicht.
„Mach ich doch überhaupt nicht“, lachte ich und lief etwas schneller.
„Du musst gar nicht von mir träumen, dass kannst du nachts machen, jetzt bin ich ja hier“, lachte er und rannte voraus.
„Na warte“, drohte ich und lief ihm hinterher.
Danke, dass du mein Buch gelesen hast! Über Kommentare würde ich mich sehr freuen! <3
Für die richtigkeit kann ich leider nicht garantieren, da ich selbst kein Volleyball spiele! Und ja, ich weiß dass man Beach-Volleyball normalerweise zu 2. spielt, aber ich wollte unbedingt ein Team, deshalb hab ich es ein bisschen umgeändert...:) DANKE fürs lesen!
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Tag der Veröffentlichung: 26.08.2014
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