Unoffensichtliches
Ich stehe am Straßenrand, vor Absperrungen und Barrikaden. Zwischen ihnen laufen zweihundert braunbeseelte, ewig Gestrige mit Glatzen und rot-schwarzen Fahnen, „Ausländer raus“ rufend. „Hirnlose Hetzer, verpisst euch doch selber!“, schrei ich zurück und ihnen entgegen. Dann sehe ich mich um und stelle fest, ich bin mit meinen Gedanken scheinbar alleine unter allen anderen Menschen, die hier noch leben. Und plötzlich tritt jemand neben mich und stimmt mit mir ein, in meinen Protest gegen Hetzer. Ihm folgt ein weiterer, der Ähnliches ruft, dem noch einer folgt. Es gibt sie also doch, jene wie mich, ich hab sie zuerst, nur nicht gesehen.
Die Traumhochzeit
Vor dem Altar steht der Bräutigam in seinen besten, zerrissenen Jeans und grellgelbem Netzhemd, sein Trauzeuge, ähnlich gekleidet, stärkt ihm dem Rücken. Ihnen gegenüber steht die Braut, ganz in schwarzen Samt gehüllt. Ihr kahler, tätowierter Schädel strahlt förmlich, die vielen Piercings in ihrem Gesicht reflektieren das Sonnenlicht. Die Standesbeamtin, ein adrettes Püppchen mit dezentem Make-up, blickt nervös um sich und in die Schar der Gäste, bevor sie fragt: „Wie geht es Ihnen beiden heute?“ Braut und Bräutigam sehen einander an und lächeln, dann antworten sie gemeinsam: „Das ist eine Traumhochzeit! Wir sind glücklich.“ Ich finde, man sieht es ihnen an.
(Auf)Muntermacher!?
Vier Uhr morgens. Ich sitze vor einer Bar, auf den steinernen, schmutzigen Stufen einer kurzen Treppe und starre in die Dunkelheit. Mein Chef hat sich heute von mir getrennt, mein Freund auch, nur der Bacardi hält an mir fest, genauso als wäre ich der einzige Grund, weshalb er gebrannt worden ist. Links neben mir hockt ein Besoffener auf dem Boden und reihert. Und während ich so im Gedanken vor mich hin sinniere, kippt er um und fängt an zu schnarchen. Unbewusst musst ich lachen – das erste Mal an diesem Tag. Ganz ehrlich, ich könnte schlimmer dran sein, denke ich mir.
Texte: Alle Rechte bzgl. der Texte liegen beim Autor.
Cover: Foto eines Bildes gemalt von August Handler (prov. Titel: Seelenspiele)
Tag der Veröffentlichung: 14.02.2010
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