Cover

Die Jungs und der coole Musiksommer

Der bisher dickste und längste Band der Reihe - von Lele Dezember & Kathleen River

+ Prolog: Ed… in Wembley? +

‚Heute ist der Tag, an dem mich Stuart entweder verstoßen oder köpfen wird. Oder vierteilen Vielleicht auch alles. Wahrscheinlich alles. Mal schauen in welcher Reihenfolge…‘ (22.10.2015)

Leise summte ich vor mich hin. Ich wusste nicht, was für ein Lied das gerade war, was ich da summte, ich hatte es eben nur irgendwo aufgeschnappt und hatte jetzt einen Ohrwurm davon. So, wie es doch immer war.

„Er sieht glücklich aus“, sprach Stuart leise mit mir und ich seufzte. Ja, da hatte er recht. Ich hatte Ed lange nicht mehr so glücklich und entspannt gesehen. Auch, wenn so unfassbar viele Fans nach ihm riefen und schrien und alle Fotos von ihm haben wollen.

„Manchmal wünschte ich, es wäre immer so“, erwiderte ich leise und drehte mich zu meinem Gesprächspartner um.

„Das wird zwar niemals passieren. Aber ich weiß, was du meinst.“

Damit war das Gespräch vorerst wieder beendet und wir standen weiter da und beobachteten ihn. Und in diesem Moment drehte Ed sich zu mir um und warf mir einen kurzen Blick zu, der es aber in sich hatte. Es war einer dieser Blicke, die man nur besonderen Menschen zuwarf. Einer dieser Blicke, die alles komplett von Grund auf verändern konnten. Einer dieser Blicke, die mehr bedeuteten als das romantischste ‚Ich liebe dich‘. Und es war einer dieser Blicke, die ich in den letzten Jahren viel zu oft falsch gedeutet hatte. Ich musste lächeln. Es tat wirklich gut, ihn so glücklich zu sehen, nachdem er die ganze Zeit so aufgeregt wegen diesem dummen Film gewesen war. Aber natürlich nicht so aufgeregt wie bei den Konzerten selbst, die dem Film zugrunde lagen.

„Sagst du ihm, dass er so langsam Schluss machen muss, oder soll ich das machen?“, fragte Stuart mich und ich seufzte.

„Ich mach das schon. Dann können mich die Fans schon mal unsympathisch finden, weil ich ihnen ihren Ed wegnehme“, meinte ich nur und strich dann mein Kleid gerade. Das Kleid.

Mit festem Schritt ging ich also auf meinen Superstar zu und legte ihm vorsichtig eine Hand auf die Schulter, raunte ihm vorsichtig ins Ohr. „Du musst dich leider von ihnen trennen. Du wirst gleich interviewt und danach musst du rein“, meinte ich leise und Ed nickte.

„Danke. Hübsches Kleid übrigens. Gefällt mir“, kommentierte er nur grinsend und ich schüttelte tief durchatmend den Kopf.

Wir hatten bisher noch nicht viel miteinander geredet. Stuart hatte mich so auf Trab gehalten, dass ich ihn jetzt erst wirklich wieder sah. Und sein Anzug stand ihm ausgezeichnet.

„Deswegen hab ich’s angezogen“, erwiderte ich dann noch leise und lief wieder zurück zu Stuart, um mich direkt neben ihm zu stellen. „Er wird überziehen, du kannst dem lieben Moderator sagen, dass er mindestens fünf, höchstens zehn Minuten drauf rechnen kann“, teilte ich Stuart mit und der nickte nur.

„Was anderes hab ich auch nicht erwartet.“

Im Endeffekt waren es genau siebeneinhalb Minuten gewesen, bis sich Ed von seinen Fans trennen konnte und dann die üblichen Fragen gefragt wurden. Wie geht es dir? Was erwartest du? Wie war es für dich? Wie ist dein Gefühl?

Die immer gleichen Fragen mit den immer gleichen Antworten. Und Ed war ebenfalls so, wie er immer war, wenn er einen öffentlichen Auftritt hatte. Er stotterte munter fröhlich vor sich hin, weil er so viel zu sagen hatte, dass er über seine eigenen Worte stolperte.

„Sag mir, was er vor hat“, wollte Stuart dann von mir wissen und ich seufzte. „Er wird mich umbringen, wenn ich dir davon erzähle“, erwiderte ich nur und sah zu meinem ‚Boss‘ nach oben.

„Ich hasse es, wenn du parteiisch wirst, Kleine. Kannst du nicht einmal auf meiner Seite stehen?“, jammerte Stuart dann und mein Lächeln, das ich schon den ganzen Tag auf den Lippen trug, wurde breiter.

„Team Edward, Stuart. Schon immer… Aber gut. Er darf nicht erfahren, dass ich dir das erzählt habe, aber … er will das mit der Pause ankündigen“, ließ ich mich dann rumkriegen und beobachtete Ed dabei, wie er weiter mit dem Moderator sprach. „Aber nimm’s ihm nicht übel“, setzte ich hinzu, ließ aber das, was wirklich relevant war, unter den Tisch fallen. So waren beide Seiten glücklich. Sowohl Ed als auch Stuart.

„Ich glaube, das werde ich überleben. Und jetzt lass uns den Rabauken mal aus seiner Qual befreien, er muss ja gleich auf die Bühne“, meinte Stu dann und nickte mir zu, bevor wir gemeinsam auf ihn zu liefen und der Moderator uns schon mit einem skeptischen Blick anschielte.

„Wir müssen dir Ed jetzt leider entführen“, lächelte Stuart gekonnt und legte Ed eine Hand auf seine Schulter.

„Unser Superstar braucht jetzt erstmal eine kurze Pause, bevor er gleich auf die Bühne geht“, setzte ich hinzu und legte Ed meine Hand auf die noch freie Schulter.

„Ach, eine Frage hätte ich aber noch, wo...“, wollte der Moderator beginnen, doch da hatte er nicht die Rechnung mit Stuart gemacht. Denn Stuart war manchmal sehr … rigoros.

„Später!“, war alles, was er sagte, und im nächsten Moment hatten wir Ed mit uns gezogen.

„Gott sei Dank habt ihr mich gerettet“, redete Ed nur munter vor sich hin und schnappte sich die Wasserflasche aus meiner Hand, die ich ihm hier im Backstagebereich hin hielt. „Wie schrecklich hab ich mich angestellt?“ Ich lachte leise.

„Nicht viel schlimmer als sonst. Du sahst dabei aber sehr edel aus“, meinte ich und sah aus den Augenwinkeln, wie Stuart den Raum verließ. „Ich hab ihm übrigens verraten, dass du deine Pause ankündigen wirst“, warf ich dann ein und streckte meine Hände nach Ed aus.

„War er sehr genervt?“, wollte der Sänger von mir wissen und ich schüttelte den Kopf.

„Ne, kennt er ja von dir. Aber von unserer kleinen ‚Überraschung‘ habe ich nichts erzählt“, informierte ich ihn dann und sein Grinsen wurde noch breiter.

„Er wird uns umbringen“, meinte er und kam immer näher zu mir, bis er ganz dicht vor mir stand und seine Lippen langsam auf meine legte. „Das ist es mir wert“, nuschelte ich an seinen Lippen und stieß ihn dann von mir. „Und sorry, Ed, aber du musst in drei Minuten auf die Bühne. Und du kennst mich… Wenn du mich so küsst, vergess ich schnell mal die Zeit“, lächelte ich dann und trat einen Schritt zurück.

„Manchmal bist du echt viel zu korrekt. Korrekter als Stuart“, seufzte er und ich zuckte mit den Schultern. Er hatte es sich doch so ausgesucht. Er wollte doch, dass ich hier war. Dass ich blieb.

„Liegt wohl in den Genen. Und jetzt los, Superstar. Dein Auftritt“, scheuchte ich ihn aus dem Backstagebereich und verschwand dann durch eine weitere Tür zurück in den Saal, ließ Ed alleine und sah zu, dass ich zu Stuart kam. „Wie ich sehe, hast du Popcorn besorgt“, stellte ich erfreut fest und Stuart grinste breit. Wenn das die Fangemeinde sehen würde: Ein Stuart, der grinste…

„Zur Feier des Tages. Aber nicht, dass du dich dran gewöhnst. Auf Tour gibt’s nur wieder trocken Brot und Wasser“, meinte Stu vollkommen ausgelassen und ich merkte, wie froh er war, dass der ganze Stress wegen dem Film nun endlich vorbei war. Und ich konnte das sehr gut nachvollziehen. „Aber jetzt Ruhe, die Show fängt an. Und ich bin echt gespannt, was sich Ed schon wieder ausgedacht hat, um mich zur Weißglut zu treiben.“

+ Kapitel 1.1: Kleiner Chef… +

‚Wer auch immer sie ist: Sie ist einsame Spitze darin, Stu den Kopf zu verdrehen. Und das ist nicht gut. So ganz und gar nicht.‘ (07.07.2011)

Seufzend öffnete ich meine Augen und kniff sie sofort wieder zusammen, als das grelle Licht der Deckenlampe mich blendete. Kopfschüttelnd starrte ich auf meine Finger und seufzte erneut. Ich hatte es anscheinend schon wieder getan… Jede einzelne Fingerspitze war mittlerweile schrumpelig und aufgequollen. Ich hasste dieses Gefühl. Vor allem, wenn diese Finger dann irgendetwas berührten. Grauenvoll.

Wirsch drehte ich das Wasser ab und griff nach meinem Handtuch. Und da war dieses merkwürdige Gefühl auch schon. Ich erschauderte. Dann aber trocknete ich mich ab und zog mir meine Klamotten an.

Das Ganze passierte mir in letzter Zeit öfter, zu oft. Einfach unter der Dusche stehen, irgendwann die Augen schließen – und weg war ich. Und 20 bis 30 Minuten später erwachte ich wieder aus meinen Gedanken, total verschrumpelt und unterkühlt. Na herzlichen Glückwunsch, Ed.

Mit verbissener Miene rubbelte ich mir meine Haare trocken, hatte meine gemütlichen Klamotten schon an und verließ dann den Duschraum ins angrenzende Zimmer. Gerade, als ich nach dem Lichtschalter suchen wollte, erstarrte ich. Das Licht war an. Merkwürdig, ich hatte es vorhin eigentlich ausgemacht…

„Hey“, hörte ich dann eine Stimme und erschreckte fürchterlich. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, alleine zu sein – denn es war ja schon spät –, aber ich war nicht alleine.

„Was tust du denn hier?“, fragte ich erschrocken und hob schnell das Handtuch wieder auf, dass ich aus meinen Händen zu Boden gleiten lassen hatte. Peinlich.

„Auf Sie warten und arbeiten? Ich sollte Sie zum Hotel fahren, Stuart hatte noch irgendwas anderes zu tun. Und wir sollten wohl jetzt gehen, Sie haben morgen um 5.30 Uhr einen Radiotermin bei BBC 1“, erwiderte die junge Frau, die vor mir auf den Sofas saß, jedoch nur und blickte noch nicht mal auf, kritzelte erst mal nur ein paar Wörter auf ein Stück Papier, um mich danach mit einem neutralen Gesicht anzuschauen. Ich zog erstaunt eine Augenbraue in die Höhe. Stalkte sie mich? Wer war sie? Und warum zur Hölle war sie so höflich? „Ernsthaft? Ich plane Ihre Termine mit“, setzte sie dann erklärend hinzu, als ob sie meine Gedanken lesen konnte. Und ich war immer noch verwirrt. Ja klar, sie plante meine Termine mit. Als ob! „Das wüsste ich aber. Seit wann das denn?“, wollte ich so nur wissen und faltete mein Handtuch zusammen, um es dann auf die Sofakante zu legen. Demonstrativ verschränkte ich meine Arme vor meiner Brust und hoffte, dass ich wenigstens ansatzweise irgendwie einschüchternd wirkte. Doch bei ihr bewirkte ich wohl gerade das genaue Gegenteil, da ihre Mundwinkel gefährlich zuckten.

„Seit circa drei Tagen. Hat Ihnen Ihr lieber Manager nicht gesagt, dass er erst mal ein wenig kürzer tritt und seiner Praktikantin ein paar seiner Aufgaben überlässt?“, zuckte sie mit den Schultern. „Und Sie sollten wirklich ins Bett, Mr. Sheeran, der Tag wird lang morgen“, setzte sie zum ersten Mal lächelnd hinzu und ich nickte, schnappte mir nur meine restlichen Sachen vom Tisch, während sie selbst ihr Zeug zusammenpackte.

„Erstens: Ed und du, bitte! Wir sind eine Familie, jeder hier gehört dazu. Und somit auch du. Außerdem klingt Mr. Sheeran so … alt und wichtig. Und ich frage Stuart mal und dann reden wir später darüber“, wurde ich dann freundlicher und gab meine Abwehrhaltung auf. Stu hatte bestimmt eine Erklärung dafür. Vielleicht hatte ich auch nur nicht richtig zugehört, das kam bei mir in letzter Zeit leider öfter vor. Und morgen war auch noch ein Tag. Ihr zunickend ging ich dann zur Tür, mit vollem Tempo, blieb jedoch direkt davor stehen und rannte regelrecht dagegen, weil sie sich nicht schwungvoll im Laufen öffnen ließ. Sie ging einfach nicht auf. Und ich hatte mich zum zweiten Mal innerhalb von fünf Minuten blamiert. Wenn sie wirklich zum Team gehörte, dann fing die Zusammenarbeit ja schon mal super an... „Äh, du? Auch wenn ich mich vielleicht gerade zum Idioten mache, weil ich die Tür nicht aufkriege…, aber ich komme nicht raus“, drehte ich mich wieder zu dieser unscheinbaren Person um, die gerade dabei war ihre letzten Sachen in ihre Tasche zu räumen, und sie schaute ebenso verwirrt zurück und kam auf mich zu.

„Ich hoffe, du machst dich echt gerade zum Idioten“, erwiderte sie schulterzuckend und gleich ein wenig sympathischer, während sie es dann selbst versuchte, sogar mit ziemlich viel Kraft und Gewaltanwendung. Aber nichts da, die Tür gab kein Stück nach. „Ach Mist“, murmelte die junge Frau neben mir und strich sich eine ihrer straßenköterblonden Strähnen aus dem Gesicht. „Ich klär das“, setzte sie dann hinzu und hatte in nächster Sekunde schon ihr Handy in der Hand.

Ich versuchte in der Zwischenzeit nochmal, die Tür zu bearbeiten, aber sie war anscheinend wirklich abgeschlossen. Mehrmals und wahrscheinlich unfassbar vorbildlich, wie es sich auch gehörte, wenn alle weg waren. Aber wir waren nicht weg. Dieses Mädchen, dessen Name ich immer noch nicht wusste, und ich waren noch hier. Das war mir auch noch nicht passiert… „Hey Stuart, ich bin‘s. … Jemand hat uns eingeschlossen … Ja, Ed und mich… KEINER IST MEHR IN DER HALLE??! … Dann kommt wieder zurück?! … Ja, du mich auch, Stuart! … Du hast uns einfach hier gelassen?! … Ja, ich dich auch. Bis nachher“, telefonierte sie mit meinem Manager und ich hätte gerne seine Antworten mitbekommen, aber er sprach zu leise… Und dennoch schienen die beiden sich gut zu verstehen, sie hatten einen Umgangston, der darauf schließen ließ, dass sie auf gleicher Augenhöhe standen. Nicht wie

Praktikantin und Chef…

Während des Gesprächs betrachtete ich die junge Frau vor mir. Sie dürfte nicht viel älter als ich sein, vielleicht auch ein paar Jahre jünger. Sie trug hochhackige Schuhe, ohne diese wäre sie wohl knapp einen Kopf kleiner als ich, würde mir wahrscheinlich nicht mal bis zur Nase gehen. Ihre langen blonden Haare hatte sie sich in einen strengen Zopf gebunden und ihre blauen Augen wirkten so … undurchdringbar kalt. Und ich hatte sie heute noch nicht lächelnd gesehen, aber ich kannte sie auch erst ein paar Minuten. Ihre weiße Bluse wirkte streng und der schwarze Rock ließ sie wie jemanden aussehen, der gerade frisch aus der Uni kam und professionell wirken wollte… Die perfekte Kandidaten dafür, dass ich sie nicht mögen könnte.

„Und?“, wollte ich wissen und sie lachte sarkastisch auf.

„Alle schon im Hotel. Er versucht jemanden zu erreichen, der einen Schlüssel für diese Räumlichkeiten hat. Und dann wird er uns abholen“, meinte sie zähneknirschend und ich seufzte. Großartig.

„Nicht so aufregen, das war bestimmt nicht seine Absicht. In der

Zwischenzeit kannst du mir sicherlich ein wenig mehr über dich erzählen“, forderte ich und setzte mich auf eines der Sofas hier.

„Muss das gerade jetzt sein?“, erwiderte sie aber nur und ich nickte vehement, während sie sich auf dem anderen Sofa fallen ließ.

„Hey, ich bin der Star, für den du hier die ganze Arbeit machst. Ich hätte da schon gerne ein Wörtchen mitzureden, Miss“, ärgerte ich sie mit übertriebenen Starallüren und sah sie abwartend an.

„Ich heiße Mae, bin hier für vier Wochen als Praktikantin, mache den ganzen Papierkram und den ganzen Kram, den niemand machen möchte. Also checke dich in Hotels ein, besorge dir alles, was du möchtest und achte darauf, dass du pünktlich von A nach B kommst. Auch wenn du mich die letzten Tage nicht bemerkt hast, ich war die meiste Zeit immer mit dir in einem Raum. Von daher tut es mir leid, dass ich minimal eingeschnappt bin, dass du mich nicht wahrgenommen hast und mir zwar vor drei Tagen ein Hallo an den Kopf geworfen hast, aber noch nicht mal fünf Sekunden übrig hattest, mir in die Augen zu schauen… Außerdem sollte ich noch die Mail, die ich eben, bevor du reingekommen bist, angefangen habe, zu Ende schreiben… Also wäre ich dir sehr verbunden, wenn ich erst meine Arbeit machen könnte, um dich dann zu unterhalten, okay?“, ruderte sie zurück und ich seufzte nur, zog mein Handy aus der Tasche. Ich hatte jetzt keine Lust zu diskutieren und sie würde wahrscheinlich nicht nachgeben, so wie sie auf mich wirkte, also ließ ich sie einfach machen.

Und so arbeitete und arbeitete sie, tippte auf ihrem Handy herum, schrieb wohl diese Mail, schaute in den großen Kalender, den sonst immer Stuart dabei hatte, und blätterte hin und her. Und während sie so arbeitete, summte sie leise vor sich hin. Fast schon niedlich, dennoch nervte es mich gerade gewaltig.

„Kannst du das bitte lassen?“, meinte ich vorsichtig nach etlichen Minuten in den stillen Raum und sie schaute verwirrt auf.

„Das Summen?“, fragte sie ein wenig perplex und sah mich einfach nur an. „Gegen Summen hab ich nichts, ganz und gar nicht, ich bin auch dauernd am Summen oder Singen, aber bitte, bitte ein anderes Lied, nicht eines von meinen“, erwiderte ich dann und rechnete damit, dass sie sofort rot wurde, doch das wurde sie nicht. Sie schien es noch nicht mal schlimm zu finden. „Oh, hab ich nicht gemerkt. Hab seit der Show heute irgendwie nen Ohrwurm. Was soll ich sonst Summen, Vorschläge?“, erwiderte sie ein wenig besser gelaunt als vorhin, während sie ihre Zettel zusammenpackte. Sie war anscheinend fertig. Und da ich nicht antwortete, summte sie einfach irgendetwas anderes vor sich hin, ließ sich gar nicht von meiner Zurechtweisung und meiner Anwesenheit irritieren. Diese junge Frau hier vor mir war schon ein ziemlich merkwürdiges Wesen. Die meisten Menschen, die mich eben erst kennen gelernt hatten, reagierten anders. Unfassbar anders. Meist lag sehr viel Ehrfurcht in ihren Taten, Distanz, ein wenig Panik. Sie jedoch interessierte sich fast nicht für mich. Naja, vielleicht lag es ja aber auch nur an der Uhrzeit. Wer weiß, wann sie aufgestanden war. Sie sah jedenfalls schon ziemlich fertig aus.

Ich war ein wenig eingeschlafen, während diese Mae und ich auf dem Sofa saßen und nichts getan hatten. Ihre Lieder, die sie mittlerweile summte, waren ruhiger geworden und irgendwie wirkten sie so beruhigend auf mich, dass ich leicht weggedöst war. Doch als sich irgendwann der Schlüssel im Schloss umdrehte, zuckten wir beide aus unseren Tagträumen auf.

„Es tut mir so unendlich leid!“, hörten wir Stuarts Stimme, als er in den Raum gestürmt kam, und dann direkt … auf Mae zulief? Mich schien er überhaupt nicht zu beachten, denn die kleine Blondine neben mir wurde gerade in eine Umarmung gezogen. Bitte was? Sowas hatte ich auch noch nicht erlebt. Die war doch nie im Leben nur eine einfache Praktikantin. Das konnte mir niemand erzählen! Lief da was? Ich meine, eine Praktikantin mit so vielen Befugnissen und die sich dann auch noch so gut mit ihrem Chef so gut verstand? Da musste doch was laufen! Aber sie war so jung und er so alt, sie könnte seine Tochter sein!

Innerlich seufzte ich. Ich sollte mich da nicht einmischen. Stuart wusste schon, was er da tat. Wenn er überhaupt etwas tat, denn ich dachte eigentlich, dass er noch mit Liberty zusammen war? Ich war verwirrt, aber ich hatte in letzter Zeit zu wenig mit ihm geredet, um bei dem ganzen Liberty-Drama noch durchzusteigen. Es war die letzten Monate ein ständiges

Gestreite zwischen den Beiden gewesen…

„Ist alles okay bei dir, Ed?“, wurde ich dann doch irgendwann beachtet und ich nickte nur, wank ab.

„Kann doch mal passieren“, meinte ich und nahm mir erneut meine Sachen vom Tisch.

„Zum Glück nimmst du mir das nicht übel. Aber so konntet ihr euch doch sicher etwas kennen lernen, das hilft Mae sicher sehr bei ihrer Arbeit“, war Stuart ganz begeistert, begeisterter als er sonst immerwar, und leitete uns durch die langen Gänge hindurch nach draußen, wo ein schwarzer Van bereit stand, um uns ins Hotel zu befördern.

„Aber sicher doch, wir haben uns genau 53 Minuten angeschwiegen, war echt eine sehr hilfreiche Erfahrung für mich“, meinte ich aber nur sarkastisch, ließ mich hinten auf die Rückbank fallen und steckte mir meine Kopfhörer in die Ohren. Ich brauchte jetzt Musik. Viel und laut.

+

Ich hatte ihm Unrecht getan. So schlimm, wie ich ihn in meinen Gedanken immer darstellte und mir vorgestellt hatte, war er nicht. Auf keinen Fall. Ich wusste zwar nicht, wer er war, wie er drauf war und was für Interessen und Angewohnheiten er hatte, aber ich konnte eigentlich einschätzen, ob jemand ein netter Mensch war oder eben nicht. Und Ed war nett, auf jeden Fall. Er schien ein sehr zuvorkommender, netter, loyaler und warmherziger Mensch zu sein. So, wie Stuart ihn beschrieben hatte, und ehrlich gesagt bereute ich es ein wenig, ihn so voreingenommen gegenüber getreten zu sein, aber… er war halt Stuart Schützling. Er war quasi an der Stelle an der ich hätte sein sollen und … vielleicht war ich ein wenig eifersüchtig gewesen und reagierte über. Zusätzlich hatten wir uns gestern einfach so lange angeschwiegen und auf dem falschen, übermüdeten Fuß erwischt, dass zwischen uns mittlerweile eine ganz miese Stimmung herrschte. Weder er noch ich waren wirklich auf der Höhe gewesen… Und irgendwie tat es mir leid, dass wir uns auch jetzt die ganze Zeit nur anschwiegen, als ob wir irgendwas Verbotenes getan hätten und dabei erwischt worden wären…

„Hey, Ed?“, begann ich so nur irgendwann nach mehreren Stunden, die wir nun zusammen in einem Raum waren, und der Angesprochene drehte sich erstaunt in meine Richtung. „Ich wollte dich nur fragen, ob du irgendwann mal frei haben möchtest, für ein paar Tage oder so, um wen zu besuchen oder was weiß ich. Ich plane gerade“, erklärte ich ihm vorsichtig lächelnd und er sah mich erstaunt an.

„So eine Frage hat Stuart im Laufe seiner gesamten Zusammenarbeit mit mir noch nie gestellt“, stellte er fest und wirkte ziemlich belustigt. „Aber im Moment hab ich nichts vor, ich sag dir dann aber früh genug Bescheid“, setzte er noch hinzu und ich nickte, zögerte kurz.

„Und Ed?“, hielt ich ihn auf, als er sich gerade wieder seiner Arbeit zuwenden wollte. „Es tut mir leid“, entschuldigte ich mich ehrlich und seine Miene wechselte von gut drauf sofort zu skeptisch. „Ich mein, dass ich gestern so drauf war, war nicht nett. Aber ich war ziemlich gestresst und müde und hatte seit vier Stunden keinen Kaffee gehabt und wollte den Papierkram noch fertig machen. Ich wollte dich wirklich nicht so anmaulen und dich eine Stunde dann einfach nur anschweigen oder besser gesagt ansummen. Das war nicht nett. Aber ich war auch ziemlich enttäuscht, von Stu einfach vergessen worden zu sein und dann kam eins zum anderen. Tut mir leid“, setzte ich nochmal hinzu und lächelte Ed zögernd an, der aber nur zurücklächelte, nachdem er sich von seinem ersten Erstaunen erholt hatte.

„Ist doch alles okay, Mae. Ich war auch ziemlich fertig gewesen, gestern.

Schwamm drüber?“, fragte er und ich nickte lächelnd. „Dann auf gute Zusammenarbeit, kleiner Chef“, hielt er mir eine Hand hin, in die ich gerne einschlug.

„Kleiner Chef? Soweit kommt es noch. Ich bin hier nur Praktikantin“, schüttelte ich aber nur gut gelaunt den Kopf. Und ehe Ed weiter widersprechen konnte, hörten wir Stuarts laute Stimme.

„MAE!“, rief er mir zu und er kam mit schnellen Schritten auf mich zugelaufen.

„Hey“, erwiderte ich leise und schaute zu ihm nach oben. Er war schon ziemlich groß. Aber unglaublich klasse! Ich hatte selten jemanden wie ihn erlebt. Auch wenn wir uns erst seit kurzem kannten, war ich ihm jetzt schon vollkommen verfallen. Er bemühte sich um mich, gab mir das Gefühl, wichtig zu sein, und versuchte mich wirklich kennen zu lernen. Und auch, wenn ich ihn mir immer anders vorgestellt hatte, übertraf er alles, was er hätte sein können.

„Darf ich dich zum Mittag entführen?“, strahlte er mich so aber nur an und ich nickte.

„Gerne. … Dann bis später, Ed“, verabschiedete ich mich von dem etwas verwirrten Sänger, aber da hatte ich gerade keine Lust, mich drum zu kümmern. Die Beziehung zu Stuart war schon merkwürdig genug und die Arbeit, die ich gerade machte, sowieso mehr als verwirrend. Ich hatte also genug womit ich mich gerade rumschlagen musste, da musste ich Ed jetzt nicht meine ganze Lebensgeschichte ausbreiten, die ihn am Ende eh nicht interessierte.

„Ihr werdet irgendwie nicht so ganz warm, oder Kleines?“, fragte Stuart leise, als er mir einen Arm um meine Schulter legte und mich nach draußen zum Van geleitete.

„Es ist besser geworden, wir haben gerade nochmal ein wenig geredet. Hoffentlich wird das die nächsten Tage noch besser. Ansonsten hab ich ja aber noch andere Sachen zu tun, zum Beispiel zu verkraften, neuerdings einen Vater zu haben“, lächelte ich leise und schaute zu ihm nach oben. Es war manchmal echt ein Nachteil, klein zu sein. Aber Stuart war auch ein Riese, das zählte nicht! Oder nur halb.

„Das kannst du laut sagen, Töchterchen“, erwiderte er breit lächelnd und hielt mir die Tür nach draußen auf, um mich dann durch den Menschenauflauf zum Wagen zu schleusen. Ich hatte echt Hunger.

„Eine Pizza Tonno“, bestellte Stuart ohne ein Blick auf die Karte zu verwerfen und wandte sich dann zu mir um.

„Ebenso“, grinste ich nur und konnte gedanklich einen weiteren Punkt auf meiner Liste, was Stu und ich doch alles so gemeinsam hatten, hinzufügen. Es waren schon ein paar Punkte, die sowohl er als auch ich immer taten. Es war ein gutes Gefühl.

„Ich soll dich übrigens ganz lieb von Liberty grüßen. Sie vermisst deine Musik, die du immer durch die ganze Wohnung hast schallen lassen und verlangt nach einer Zusammenstellung deiner Lieblingssongs“, lächelte er dann und nippte an seiner Cola, während er sich zufrieden in seinem Stuhl zurücklehnte.

Es war ein gemütlicher, kleiner Italiener, den Stu ausgesucht hatte. Nicht zu viele Tische, an einer nicht zu viel befahrenen Straße, aber mit diesem typisch italienischen Flair, der das Ganze so urgemütlich machte.

„Sag ihr, ich bemühe mich, so schnell ich es schaffe. Und grüße sie zurück“, hellte sich meine Laune noch weiter auf.

Ich liebte Liberty. Sie war so eine herzensgute, warme Persönlichkeit, mit schrägen Vorstellungen und irren Essenskreationen, mit denen sie uns gequält hatte, als ich mal eine Woche bei den beiden Turteltauben zu Besuch gewesen war. Ich mochte sie einfach und hoffte, sie würde noch so viel länger an Stuarts Seite sein. Denn lange waren sie noch nicht zusammen, erst zwei Jahre. Doch ich war da wirklich zuversichtlich, die beiden passten einfach so perfekt unperfekt zusammen, dass mir von dem Glück, dass die beiden ausstrahlten, mein Herz weh tat. Und sie waren immerhin schon länger zusammen gezogen und hatten sich gegenseitig noch nicht geköpft.

„Richte ich aus. Aber bevor wir zum gemütlichen Teil des Mittags übergehen: Wir sind nicht nur wegen dem Essen hier. Ich möchte gerne nochmal mit dir über deine Aufgaben reden“, switchte er kurzum in den Manager-Mode und ich nickte. Stu war hier der Boss und es war überhaupt eine große Ehre, als Praktikantin von Ed Sheerans Manager arbeiten zu dürfen – und unglaublich gut für den Lebenslauf.

„Mädchen für alles reicht nicht?“, fragte ich lächelnd und beobachtete aus dem Augenwinkeln die Theke, wo gerade zwei ziemlich gute Pizzas auf Tellern drapiert wurden. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, bevor ich meinen Blick wieder auf meinen Vater richtete.

„Doch, schon, aber das mit der Mail, die du mir gestern geschickt hattest, hast du ziemlich professionell gemacht. Ich konnte die Antwort nach nur einer kleinen Korrektur abschicken. Von daher: Ich wäre ziemlich dafür, dass du noch mehr von den Anfragen bearbeitest und den Mailverkehr so ein wenig überwachst. Klar, alle Mails laufen über mich und bevor was abgeschickt wird, kommt alles zu mir, aber ich möchte dir ein wenig freie Hand lassen und mal schauen, was du so ein Gefühl für die Anfragen hast“, erklärte Stuart mir und ich zog erstaunt eine Augenbraue in die Höhe. „Bist du dir sicher? Mach das bitte nicht nur, weil ich zufälligerweise deine Tochter bin. Ich bin zufrieden damit, Laufbursche zu sein“, ruderte ich zurück, doch Stuart schüttelte vehement den Kopf.

„Darum geht es nicht. Du machst gute Arbeit, warum sollte ich dich nicht weiter gute Arbeit machen lassen? Dann hab ich mehr Zeit, mich um andere Sachen zu kümmern. Win-Win für beide Seiten, Mae“, meinte er aber nur und ich nickte. Er war zu lange Eds Manager, um nicht zu wissen, was gut für Eds Karriere war. Er vertraute mir wirklich und traute mir wirklich so viel zu. Und das machte mich unendlich stolz. „Und du darfst Ed natürlich gehörig in den Arsch treten, wenn er nicht spuren sollte. Das braucht er mal, auf mich hört er im Moment nicht so gut, vielleicht kannst du ihn ja überzeugen, wieder mehr bei der Sache zu sein“, fügte Stu dann weniger motiviert hinzu

und sein Blick wandte sich zum Fenster, um sich im vernieselten Mittagshimmel zu verlieren.

„Du kannst dich auf mich verlassen“, hauchte ich aber nur und er nickte in Gedanken. Er schien sich wirklich Sorgen um seinen Schützling zu machen und ich würde mein Möglichstes tun, um ihm irgendwie zu helfen.

+ Kapitel 1.2: Ein Tag wie jeder andere +

‚Konnte sie nicht einfach mal die Klappe halten? Ansonsten war das Konzert heute ziemlich ätzend…‘ (16.07.2011)

Ein Tag wie jeder andere. Ich hatte mich mittlerweile echt an diesen immer gleichen Tagesablauf gewöhnt, der dennoch immer etwas anders war. Eins jedoch blieb gleich: In der Nacht im Tourbus schlafen, morgens ankommen, irgendwelche Interviews begleiten, dann Soundcheck, dann Konzert – und nach Eds Dusche wieder in den Tourbus. Nur manchmal war uns ein Hotelzimmer vergönnt und mittlerweile war es auch gar nicht mehr so schlimm, eingepfercht mit so vielen Menschen auf engstem Raum übereinander gestapelt zu schlafen. Man hatte zwar ziemlich wenig Privatsphäre, aber ich sah es positiv: Ich lernte das komplette Business kennen, mit allen Facetten und somit auch allen Schattenseiten. Ansonsten lief es echt gut, ich schaffte das Arbeitspensum, kam mit den meisten Leuten gut zurecht und hatte nebenbei sogar noch Zeit, mich aufs neue Semester vorzubereiten. Kurz vor Ende des Bachelors gab es immer was zu tun und ehrlich gesagt hatte ich wenig Lust, bald wieder die Hörsaalbank zu drücken, mir gefiel das echte Arbeitsleben hier draußen besser. Schon immer. Aber was tat man nicht alles für einen guten

Abschluss…

„Sag mal, bist du nervös?“, schaute ich irgendwann von meinen Zetteln auf, als Ed zum wiederholten Mal seufzte und wirsch irgendwelche Tonfolgen auf der Gitarre runter schrammelte.

Der Musiker vor mir schaute unglaublich erschrocken auf und starrte mich erstmal ein paar Sekunden an, bis er sich wieder erholt hatte.

„Wo kommst du denn her?“, wollte er verwirrt wissen und ich lächelte ihn an.

„Mensch Ed, ich bin doch dein Babysitter, ich bin immer in deiner Nähe – und sitze schon seit drei Stunden mit dir im selben Raum“, erklärte ich ihm, was los war, wurde dann aber netter. „Was ist los, Superstar? Warum so nervös?“

„Du musst auch nicht alles wissen“, keifte er jedoch nur und ging sofort in Abwehrhaltung. Ich hob beruhigend die Hände.

„Alles gut, ich wollte nur nett sein, Smalltalk und so, um dich ein wenig besser kennen zu lernen. Aber wenn du kein Bock hast, musst du mich nicht so blöd anmachen. Du kannst mir auch einfach freundlich sagen, dass ich meine Klappe halten sollte“, schüttelte ich meinen Kopf und wandte mich dann wirklich ab. Er hatte kein Bock auf mich. Sollte mir auch recht sein. „Meine Eltern stehen im Publikum. Und irgendwie macht mich das ziemlich fertig, weil ich teilweise Songs ausgewählt habe, die man nicht vor seinen Eltern singt…“, rückte Ed dann doch nach einigen Minuten der Stille heraus, während er weiter auf seiner Gitarre herum klimperte.

„Und warum tust du es dann?“, fragte ich nach und legte meine Zettel ganz zur Seite. Ich hatte so das Gefühl, dass das Gespräch hier etwas dauernd könnte. Der Musiker schaute mich in der Zwischenzeit nur dumm an. „Weil das meine normale Setlist ist? Mein Repertoire? Das, was die Leute

hören wollen?“, beantwortete er meine Frage, als ob es das Selbstverständlichste der Welt wäre.

„Klingt ziemlich schwachsinnig“, meinte ich nur und Ed legte endlich seine Gitarre zur Seite, stand wütend auf.

„Schwachsinnig? Das ist mein Job. Du scheinst ja nicht gerade viel Ahnung davon zu haben“, maulte er und lief im Raum auf und ab. Ich hatte mich nicht von meinem Fleck bewegt, saß immer noch an meinem Tisch, den ich mit meinen Zetteln vollgeblättert hatte.

„Vielleicht habe ich die nicht, jedenfalls nicht so viel Ahnung wie du, aber trotzdem ist deine Argumentation vollkommener Schwachsinn. Wenn du die Lieder vor deinen Eltern nicht so gerne singst und dich unsicher fühlst, dann hau sie raus. Ende. Es ist doch vollkommen egal, was von dir erwartet wird. Es ist ein einzelner Gig, den du umstellst, nicht die gesamte Tour. Die meisten würden sich freuen, auch mal andere Lieder zu hören. Dieses ‚Ich muss es spielen, weil ich damit ja so berühmt geworden bin‘-Gejammer bringt da nichts“, schaute ich ihn einfach nur an, provozierend. Ich liebte es, Menschen aus ihrer Reserve zu locken.

„Aber es sind die Lieder, die ich gerade am liebsten Spiele – auch Cover. Die Lieder, die ich nicht aus dem Kopf kriege! Das ist kein übliches Gejammer“, spuckte er das letzte Wort ziemlich abwertend hinaus. Ich schüttelte nur den Kopf.

„Dann hast du doch eine Antwort. Ich sehe dein Problem nicht, Ed! Du kannst nicht beides haben, du musst dich entscheiden. Entweder du machst das, womit du dich vor deinen Eltern am wohlsten fühlst, oder du machst das, was dich am besten vor dir selbst fühlen lässt und singst Lyrics, die nicht unbedingt angebracht sind. Das sind deine Eltern, die sind dafür da, dich zu unterstützen. Und nur weil du Lieder singst oder coverst, die nicht gerade die beste Wortwahl haben, bist du kein schlechterer Sohn. Solche Entscheidungsschwierigkeiten sind kindisch“, pfefferte ich zurück und zog prüfend eine Augenbraue in die Höhe. Erst holte er noch tief Luft, wollte irgendwas noch fieseres erwidern, doch dann änderte sich sein genervter und gestresster Gesichtsausdruck und er sah mich einfach nur mit offenem Mund an.

„Das ist dein Ernst“, stellte er nüchtern fest. „Du wirfst mir gerade tatsächlich diese Sachen an den Kopf. Du machst das nicht, weil du mich ärgern willst oder sonst was, du meinst das wirklich so.“

Ich schüttelte nur lachend den Kopf. „Ja natürlich, sonst würde ich ja auch nicht mit so einem Elan auf dich einreden, mein liebster Superstar. Ich will dich nicht reizen, das brauchst du jetzt nicht, ich will nur, dass du dich entscheidest, denn du musst gleich auf die Bühne. Ich versuche dich hier gerade zu unterstützen, auch wenn ich dabei ziemlich anstachelnd werden kann“, erwiderte ich simpel und beobachtete den jungen Mann vor mir. Er war immer noch etwas unsicher, spielte mit seinen Händen, bis er irgendwann ruhiger wurde und aufschaute.

„Du hast recht“, meinte er dann und sah mich direkt. Weder vorwurfsvoll noch wütend, vielleicht war es Dankbarkeit, was ich da in seinen Augen erkennen konnte, aber sicher war ich mir nicht. „Aber das mit dem ‚kindisch‘ und dem ‚Gejammer‘ kriegst du trotzdem zurück“, setzte er mit einem schiefen Lächeln hinzu.

„Das hoffe ich doch“, nickte ich und warf dann einen Blick auf die Uhr.

Rettung in letzter Sekunde. „Du musst gleich auf die Bühne, fünf Minuten.“ Ed nickte nur, schnappte sich sein Handy und verschwand aus der Tür. Ein wenig Ruhe vor dem Auftritt, vielleicht eine SMS an seine Eltern oder er checkte seine Nachrichten auf WhatsApp. Ich wusste nicht, was er immer kurz vor dem Auftritt alleine machte, aber er nahm sie sich oft, diese fünf Minuten für sich. Und die würde er kriegen, egal, wie viele nervige Menschen ich dafür von ihm fern halten musste.

„One, two, three, four, five, six, seven, Clap“, hörte ich Eds Stimme durch die Halle schallen und ich wandte lächelnd den Blick von dem Musiker rüber zu den Menschen, die vor der Bühne standen. Und jeder einzelne von ihnen klatschte. Naja, so gut wie fast jeder, es gab ja immer so die ein oder andere Ausnahme, aber es war schon eine Großzahl an Menschen, die Ed gerade den Gefallen taten, im Takt zu klatschen. Und es hörte sich auch einfach gut an, es brachte so eine Simplizität in das Ganze.

Das Lied war eines meiner Lieblingsperformances im Moment von ihm, nur er, die Gitarre, die Menschen, die mitsangen. Er hatte einen guten Musikgeschmack, wenn es um Cover ging. Generell, nicht nur bei diesem einen Lied.

1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 – Clap.

„Mir ist langweilig“, maulte Ed und streckte sich.

„Dann mach was“, kam nur meine Standardantwort zurück. Ich blickte noch nicht mal mehr vom Laptop auf. Ihm war immer langweilig, wenn wir im Bus saßen.

„Und was?“, fragte er ebenso wie immer und ich seufzte.

„Irgendwas? Mach Musik“, schlug ich ihm vor und sah aus den Augenwinkeln zu ihm herüber. Ihm schien mein Vorschlag nicht zu gefallen. „Und sag jetzt nicht ‚Aber das mach ich doch schon jeden Tag.‘ Du hast mich gefragt. Dann lies ein Buch“, versuchte ich weiter mein Glück und wollte mich wieder mit meinem Laptop beschäftigen, doch Ed ließ mich nicht.

„Was machst du gerade?“, wollte er wissen und robbte zu mir herüber. Er war wie so ein kleines Kind. Ein nerviges kleines Kind.

„Ich lese gerade einen Wikipediaartikel über die Sprachvielfalt in PapuaNeuguinea“, antwortete ich simpel und musste mir ein Grinsen echt verkneifen. Wenn man das laut aussprach, klang das schon ziemlich schräg.

„Warum tust du sowas?“

„Warum nicht? Es gibt so viele Fachidioten auf dieser Erde. Ich finde sowas schade, ich meine, klar, es ist gut, in einem Themengebiet viel zu wissen, helfen zu können und was zu verändern, aber was bringt es dir, noch nicht mal die simpelsten Zusammenhänge in anderen Bereichen zu verstehen? Diese Engstirnigkeit und diese Faulheit, was dagegen zu tun, regen mich auf.

Deswegen lese ich gerade einen Wikipediaartikel über die Sprachvielfalt in Papua-Neuguinea“, sah ich ihn überbegeistert an und wartete auf eine entsprechende Reaktion.

„Mae, bist du krank?“, fragte Ed auch sofort und ich lächelte ihn an. Dass ich eigentlich nur aus Zufall auf diesen Artikel gekommen und mich einfach nur durch verschiedenste Artikel geklickt hatte – beginnend bei einem Artikel über Schnittmuster und dann weiter über nen Text über Kleidermode der Gründerzeit – verschwieg ich wohlweißlich. Sollte er doch denken, was er wollte.

„Mittlerweile solltest du dir diese Frage doch selbst beantworten können, oder? Wir sind übrigens gleich da, dann musst du dich nicht mehr langweilen.“

1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 – Clap.

„Wie viel Zeit hab ich noch?“, fragte Ed mich, als er von der Bühne kam und sich das Handtuch schnappte, dass ich ihm hin hielt.

„Zwölf Minuten. Du hast ein wenig überzogen. Du musst dir überlegen, welche Zugabe du raus haust“, erwiderte ich simpel und reichte ihm zusätzlich noch eine Wasserflasche. Er sah ziemlich fertig aus, aber irgendwie auch ziemlich zufrieden und wach. Es war eine ganz komische Mischung.

„Muss ich?“, fragte er aber nur, als er mir die komplett leere Flasche wiedergab und das benutzte Handtuch mit einem gezielten Wurf zu seinen ganzen anderen Sachen warf. Wenigstens gab er es mir nicht zurück, es war immerhin mittlerweile klitschnass.

„Ich schätze ja.“

1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 – Clap.

„Machst du das immer?“, fragte ich Ed, als er wieder zu mir kam. Die letzten Minuten hatte er alleine verbracht, ohne irgendjemanden, einfach nur mit sich selbst, in Ruhe, um sich vorzubereiten. So wie vor jedem Auftritt. „Das Sammeln? Ja, eigentlich schon, seit ich denken kann nehme ich mir die Zeit, ist zur Tradition geworden“, zuckte Ed mit den Schultern und brachte ein minimales Lächeln zu Stande. Er schien gerade seine netten fünf Minuten zu haben.

„Weißt du, Ed, ich weiß gar nicht so richtig, ob ich Traditionen mag oder nicht. Manchmal können sie ganz schön sein, es hat so etwas

Erinnerungslastiges, so etwas Wiederkehrendes, aber es ist auch so stetig, nichts Wandelbares, man geht nicht nach vorne, wagt nichts, sondern liegt immer zwei Schritte zurück. Ich weiß es beim besten Willen nicht. Aber man muss ja auch nicht immer alles wissen“, wurde ich nachdenklich und kassierte nur einen irritieren Blick von dem Musiker vor mir. „Du redest jetzt aber eher von sowas wie ‚Jedes Weihnachten die Weihnachtsstrümpfe aufhängen‘ und ‚Einmal im Monat die Großeltern besuchen, weil man es immer getan hat‘, oder?“, wollte Ed von mir wissen, während er mir die Wasserflasche abnahm, die ich ihm reichte. „Nicht unbedingt, bei dir ist das doch nicht anders. Du brauchst du Zeit, sonst wirst du unruhig. Du weißt nicht, wie es sein würde, wenn du es mal nicht tust.“

1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 – Clap.

Ed schaute ab und an zu mir herüber. In letzter Zeit mehr als ganz am

Anfang. Ich wusste nicht, was er hier am Bühnenrand suchte, dass er immer hier hin blickte, aber es beunruhigte mich. Es wirkte so, als ob er kein Bock

hätte, auf der Bühne zu stehen, sondern dass er viel lieber im Backstagebereich nichts tun würde. Und das war nicht gut.

Seufzend blickte ich über die Menschengruppe vor der Bühne, die ich mit bloßem Auge noch erkennen konnte. Die Scheinwerfer limitierten den Blick ziemlich. Und ich fragte mich, wie viel diese Fans wirklich von Ed erkennen konnten. Ob sie seinen Gesichtsausdruck wirklich erkannten und sich einen Reim darauf machen konnten oder ob ich hier die Einzige war, die merkte, dass Ed absolut keine Lust hatte, gerade in diesem Moment zu performen. Sowas von absolut nicht.

1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 – Clap.

„Du bist so still“, meinte Ed, als er gerade dabei war, sein Outfit für heute Abend rauszusuchen. Naja, raussuchen war zu viel gesagt. Er nahm das erstbeste Oberteil, was auf seinem Wäschestapel lag, und war fertig. Er hatte es ja so einfach…

„Warum sollte ich reden, wenn ich nichts zu sagen habe?“, erwiderte ich und schwieg danach wieder.

„Das kann nicht sein, du hast immer was zu sagen. Du wirfst mir immer liebend gerne irgendwelche Sachen an den Kopf. Wieso nicht auch jetzt?“, wollte er wissen und sah mich an. Da hatte er recht. Wenn ich mit ihm redete, dann hatte ich eigentlich immer einen Seitenhieb auf den Lippen oder es ging ums Geschäft. Mehr kannten wir nicht, mehr redeten wir auch irgendwie nicht. Wieso auch immer. Ich hatte es am Anfang ja noch versucht, netter zu sein und mehr auf ihn einzugehen, aber irgendwie hatten es einfach nicht geklappt.

„Weil es wahrscheinlich doch ne Schippe zu viel wäre“, murmelte ich und sah von ihm weg. „Und ich hab noch keine Formulierung gefunden, um dir das, was ich sagen will, schonend beizubringen.“

Ed starrte mich nach dieser Aussage an. Ich spürte seinen Blick auf mir und ich wusste genau, was in ihm vorging. Er wollte es wissen. Aber er hatte Angst.

„Was hab ich denn jetzt schon wieder angestellt?“, fragte er dann aber dennoch und ich drehte mich zu ihm um.

„Du enttäuscht sie“, sprach ich daher einfach das aus, was mir schon seit einigen Tagen auf dem Herzen lag.

„Wen?“

„Deine Fans. Sie fanden deine letzten Auftritte ohne Herz, runtergespielt. Sie waren ziemlich am Boden, sauer, enttäuscht. Wenn selbst die merken, dass irgendwas gehörig schief bei dir läuft, sollte man mal aufwachen!“, meinte ich dann schlussendlich. Es war hart, aber er wollte die Wahrheit hören, also bekam er sie.

Ed, der mich eben die ganze Zeit betrachtet hatte, wandte seinen Blick ab, stand auf und nahm seine Klamotten in die Hand.

„Ich muss bald auf die Bühne“, murmelte er nur und versuchte sich dabei nichts anmerken zu lassen. Er war verletzt. Aber er hatte es auch nicht anders gewollt.

1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 – Clap.

„Hallo Galw… Guildford!“, rief Ed in die Menge und ich konnte nicht anders, als mein Gesicht in meinen Händen zu verbergen.

Au. Das tat weh. Und zwar ziemlich, auch wenn er sich gerade noch gerettet hatte. Gott sei Dank hatte er das, denn wenn ich so in die Menge sah, waren nur wenige Menschen wirklich irritiert. Ed jedoch blickte noch nicht mal mehr in die Menschenmasse, er kommunizierte schon längst nicht mehr so mit den Fans, wie er es vor ein paar Konzerten noch getan hatte. Er hatte die Energie verloren, er machte seine Sache nicht mehr ordentlich, so wie Stuart es vorhergesagt hatte. Und ich wusste einfach nicht wieso. Ich wollte ihm helfen, wusste aber nicht wie. Es war zum Verzweifeln. Selbst seine Ansagen und seine Motivationen zum Mitmachen hatten abgenommen. Und Be my Husband hatte er ganz raus gelassen. Das Lied, was ich bei seinem

derzeitigen Set immer noch am Besten fand…

„One, two, three, four, five, six, seven, Clap“, flüsterte ich leise und drehte mich weg. Ich wollte ihm nicht mehr zuhören, ihm nicht mehr zusehen. Er enttäuschte seine Fans.

„Sag nichts“, meinte Ed, bevor ich überhaupt etwas sagen konnte, nahm sich rabiat das Handtuch aus meinen Händen und lief wütend an mir vorbei. „Hatte ich nicht vor“, antwortete ich zischend und verschränkte die Arme. Ich hasste es, wenn er schlechte Laune hatte, denn er ließ sie immer an mir aus – es war ja auch kein anderer da. Ich wusste echt nicht, wie Stu das immer aushielt.

„Nicht? Dabei bist du doch immer so gut, Salz in die Wunden zu streuen“, murmelte er zischend und ich seufzte. Okay, einmal hatte ich ihm ein ‚Das war ja mal nicht so gut‘ nach nem Auftritt an den Kopf geworfen – und das tat mir im Nachhinein echt leid – aber seitdem spielte er immer wieder darauf an. Und sein gekränkter Blick ging mir irgendwie nicht mehr aus dem Kopf.

„Dafür habe ich mich doch schon entschuldigt, das war taktlos, aber denkst du nicht, ich lerne nicht dazu?“, murmelte ich und kam einen Schritt auf ihn zu. Ich hatte ihn jetzt so lange beobachtet, jeden verdammten Abend, und ich dachte ihn mittlerweile ein wenig einschätzen zu können, doch da lag ich anscheinend meilenweit von entfernt.

„Woher soll ich das denn wissen?“, fauchte Ed sich nur weiter in Rage und ich seufzte wieder. Jetzt oder nie.

„Was ist eigentlich los mit dir, Ed? Seit vier Tagen bist du so mies drauf und verhunzt gefühlt jedes dritte Lied irgendwo, deine Gitarrensaiten reißen viel zu oft und du bist unkonzentriert“, wollte ich beginnen, doch Ed brachte mich mit seinem Blick sofort zum Schweigen. So einen Blick hatte er mir auch noch nicht zugeworfen.

„Da, du machst es schon wieder! Und was geht dich das eigentlich an? Es ist mein Leben!“, erwiderte er, während er sich aus seiner Tasche etwas zum Anziehen suchte. Ich konnte über ihn nur den Kopf schütteln. Es war einfach nur verdammt schade, sich so ein Trauerspiel anschauen zu müssen. „Ja, Ed, es ist dein Leben, du kannst verdammt nochmal machen, was du willst. Aber seitdem du nicht mehr mit Stu redest, was du früher anscheinend getan hast, wollte ich nur mal so nett sein, ein wenig zu stochern, damit du irgendwann mal mit der Sprache raus rückst und es dir danach vielleicht ein wenig besser geht“, wollte ich ihn beruhigen, doch das machte alles nur noch viel schlimmer.

„Wieso redest du mit Stuart über meine Probleme, die NIEMANDEN was angehen?! Und warum interessierst du dich überhaupt dafür? Du kennst mich nicht, du nervst mich täglich mit irgendwelchen Sachen und wirfst mir direkt nach oder auch viel besser vor ner Performance vor, dass sie schlecht war oder sein wird. Weißt du, dass das nicht gerade hilfreich ist? Du vermiest mir den Tag immer wieder von neuem, morgens bis abends, kannst du nicht einfach mal deine Klappe halten? Warum hältst du nicht einfach mal deinen Mund?“, fauchte er nur wieder und ich atmete innerlich tief durch, nach außen verzog ich keine Miene. Das war hart. Irgendwas musste ihn ziemlich belasten. Ed war nicht der Typ dafür, andere mutwillig zu verletzen – und das taten seine Worte, auch wenn ich wusste, dass er es nur halb so ernst meinte wie es klang.

„Warum, Ed? Warum? Weil ich mir Sorgen mache! Ich hab jeden Tag so viele Stunden mit dir zu tun, ich habe einfach Angst, dass du irgendwann platzt, weil du mit niemandem redest. Du hast hier auf Tour nicht viele Menschen, die dich so richtig gut kennen. Eigentlich nur Stuart. Und da du selbst mit ihm nicht redest, habe ich nur geschaut, ob ich helfen kann. Aber ich kann auch aufhören, menschlich zu sein und einfach daran vorbei sehen, dass es dir scheiße geht, und professionell weiter machen. Wenn es das ist, was du willst, wenn du deine Probleme in dich hineinfressen willst, bitte, mach weiter so. Aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Und jetzt geh duschen, der Bus fährt in ner halben Stunde“, konnte ich dennoch nicht verhindern, dass mir diese Worte über die Lippen stolperten, und ich drehte mich um. Dieser Typ machte mich einfach so unbändig wütend. Und mit Wut konnte ich noch nie richtig umgehen…

„Mae!“, hörte ich in einiger Entfernung noch Eds leise Stimme, doch ich ging einfach weiter, weiter zu dem Bus, in dem ich die nächsten Stunden mit Ed verbringen durfte.

+ Kapitel 1.3: Der Kavalier +

‚Mae hat mir heute eine interessante Frage gestellt. Wer bist du in drei

Eigenschaften? Ich glaube, ich hätte anders antworten sollen.‘ (23.07.2011)

Er schlief. Gott sei Dank schlief er noch. Ich hatte einfach keine Lust, so früh am Morgen schon einen auf den Deckel zu bekommen. Ich war gestern nicht nett gewesen, er aber auch nicht. Und ich wollte diese Diskussion nicht weiterführen. Nicht jetzt, darauf hatte ich gerade gar keine Lust.

Dennoch: Wie konnte eine einzelne Person aber auch nur so unnachsichtig, unnachgiebig und engstirnig sein? Ansonsten war Ed, so wie ich ihn einschätzte, doch eigentlich ein ganz guter Kerl, er stritt sich sonst mit niemandem, mit wirklich niemandem, aber an mir hatte er einen Streit-

Narren gefressen. Er machte mich fertig…

„Mensch Ed, was machst du nur immer für Sachen“, murmelte ich, als ich die Kaffeedose öffnete und hinein schaute. Fast leer, aber für zwei Kaffee dürfte es noch reichen. Hoffentlich. „Siehst du denn nicht, dass sich Leute hier Sorgen machen? Vor allem Stuart“, redete ich weiter mit mir selbst, als ich den Wasserkocher mit neuem Wasser befüllte. Ich sollte echt aufhören, so nett zu sein…

„Hey, Superstar, aufwachen“, meinte ich leise, als ich vor Eds Koje stand und den Vorhang ein ganz wenig zur Seite zog, um das schäbige Tourbuslicht herein zu lassen.

„Was?“, hörte ich nur das leise Gemurmel des Rothaarigen, der sich zu mir umdrehte und seine Augen zusammen kniff.

„Aufwachen, Ed“, wiederholte ich so nur und sah Ed fasziniert dabei zu wie er versuchte seine Augen aufzubekommen. Irgendwie gelang es ihm sogar und er rollte sich halbwegs filigran aus der Koje, um dann zerzaust vor mir zum Stehen zu kommen. Er war noch etwas wackelig auf den Beinen, aber ich musste ihn Gott sei Dank nicht vorm Umkippen retten... „Ich hab dir Kaffee gemacht“, fügte ich zu meinem Weckruf noch hinzu und drückte Ed die heiße Tasse in die Hand. Erstaunt sah er mich an.

„Warum bist du so nett? Nachdem ich dir gestern nicht ganz so schöne Sachen an den Kopf geworfen habe?“, fragte er leise und sah mich stirnrunzelnd an.

„Ich bin nicht nett, ich bin professionell. Mein Praktikum geht noch eineinhalb Wochen und ich will Stuart nicht enttäuschen“, antwortete ich eben so leise und drehte mich dann um, wollte gehen, stoppte aber doch noch kurz in meiner Bewegung. „Und weil ich es mir nicht mit ansehen kann, wie du so total neben dir stehst. Ich will dich wirklich nicht bevormunden, aber rede mit irgendjemandem darüber! … Wir kommen in zehn Minuten an, dann geht’s zum Radiosender“, setzte ich hinzu und ging dann zurück nach vorne in den Aufenthaltsbereich, um mich wieder mit meinem Kram zu beschäftigen.

+

Es war immer wieder dieselbe Leier. Mae sagte etwas, ich fühlte mich wie immer vor den Kopf gestoßen, konterte vielleicht nicht ganz so nett und sie regte sich dann immer so dermaßen darüber auf, dass wir uns am Ende so in den Haaren hatten, wie ich das noch nie gesehen hatte.

„Ich versteh dich einfach nicht. Wie kannst du so verblendet sein? Du hast absolut keine Ahnung von diesem Business! Du hast so eine naive

Einstellung!“, platzte mir so langsam der Kragen und ich ballte meine Hände zu Fäusten.

„Ich und verblendet? Ich glaube, du hast eher den Sinn fürs Wesentliche verloren! Und warum soll Naivität denn immer was Schlechtes sein?“, warf sie mir vor und sah mich an. „Ich glaube, du hast wirklich vergessen, warum du mit dem Ganzen hier überhaupt angefangen hast! Es geht hier nicht um

Geld, Fame oder was auch immer, Ed!“

Ich seufzte. Schon wieder stritten wir uns wegen diesen bescheuerten Themen. Warum ich nicht nur das machte, was ich machen wollte. Warum ich mich nur mit solch komischen Interviewterminen zufrieden gab und so weiter und so fort. Und ehrlich gesagt, ich wollte so langsam echt nicht mehr darüber diskutieren. Ich hasste es, ich mochte es ganz und gar nicht, aber ich konnte nicht anders. Diese Frau regte mich so unglaublich auf, dass ich einfach nicht anders konnte, als immer weiter zu machen.

„Kannst du nicht einfach mal deine verdammte Klappe halten?“, fragte ich sie dann nur noch und drehte mich um. Ich musste hier weg, bevor ich Sachen sagte, die ich am Ende wirklich bereuen würde.

Wütend schmiss ich die Tür ins Schloss und wollte davon stürmen, doch ich stoppte unweigerlich, als ich einen leisen Schmerzensschrei hörte und danach ein noch leiseres Wimmern. Was war denn jetzt schon wieder passiert?

Vorsichtig öffnete ich die Tür wieder und stolperte fast über Mae, die mittlerweile am Boden saß und sich ihre Nase hielt.

„Was ist denn mit dir passiert?“, kam es über meine Lippen und kniete mich vor ihr hin.

„Du Kavalier hast mir direkt die Tür vor der Nase zugeknallt. Im wahrsten Sinne des Wortes“, antwortete Mae halb schockiert, halb belustigt und versuchte irgendwie das Blut aufzufangen, das aus ihrer Nase tropfte.

Scheiße. Das wollte ich nur wirklich nicht.

„Hier“, reichte ich ihr so nur eine Packung Taschentücher, die sie schnell annahm und sich eins der Taschentücher unter die Nase hielt. „Sehr rücksichtsvoll“, ärgerte Mae mich weiterhin, schien jedoch nicht wirklich böse auf mich zu sein. Immerhin. Ich mein, natürlich, ich war so wütend auf sie wie selten, ihr die Nase zu brechen war aber wirklich nicht meine Absicht gewesen. „Und es ist alles okay, Ed. Du musst mich nicht so skeptisch anschauen, ist nichts passiert, es sind nur ein paar Äderchen geplatzt“, versuchte sie mich zu beruhigen, obwohl ich gar nicht aufgebracht war. Sie würde schon wissen, was sie da tat und ob sie Hilfe brauchte. Das hatte sie mir die letzten Tage oft genug klar gemacht.

„Soll ich dir aufhelfen?“, fragte ich dann doch, Mae schüttelte sofort den

Kopf und rappelte sich von alleine auf. Wütend stieß ich Luft aus. „Echt mal, Mae. Ich versteh dich nicht. Erst beschwerst du dich, dass ich ja nie was tun würde, und dann will ich was machen und du lässt mich dir nicht mal helfen“, murmelte ich frustriert. „Denkst du wirklich, ich bin so ein Idiot?“ Mae sah mich an. Ihr Blick war überlegend und ab und zu blitzte ein wenig von irgendetwas anderem in ihren Augen auf. Etwas, was ich noch nie bei ihr gesehen hatte. Sie zeigte mal Gefühle, also andere Gefühle als Hohn, Spott oder schlechte Laune. Und dann nickte sie. „Ich…“, begann sie, aber ich schüttelte nur den Kopf.

„Du weißt gar nichts über mich, Mae, rein gar nichts“, murmelte ich nur und wandte mich dann ab, verschränkte die Arme vor meiner Brust. „Da hast du recht, ich weiß wirklich nichts über dich, du doch aber auch nichts über mich. Also vielleicht sollten wir BEIDE aufhören uns wie die größten Idioten zu benehmen. Ich möchte hier am Ende bitte lebend raus kommen und nicht die Fehde schlechthin beginnen. Das muss ich mir nicht antun. Die Medien würden mich zerfetzen“, ergänzte sie ihre Aussage noch und ich seufzte, sah sie einfach nur an. Lange starrten wir beide uns einfach nur in die Augen. Ich hatte echt keine Lust mehr auf dieses ewige Angezicke und diese dummen Streitereien. Denn dass ich mich mit mir

auseinandersetzen musste, das war absehbar. Ich würde es nicht übers Herz bringen, sie rauszuschmeißen, dafür hielt Stuart zu viel von ihr. Und er wusste, was er tat. Immer. Auch wenn ich mich wirklich fragte, wo er diese

Furie aufgegabelt hatte…

„Dann erzähl mal, wer bist du?“, brachte ich die Worte dann irgendwann über mich und setzte mich an den einzigen Tisch hier im Raum, sie folgte mir, während sie dabei war, das Taschentuch zu wechseln. Das Ganze sah nicht lecker aus. „Das mit deiner Nase tut mir übrigens wirklich leid“, setzte ich dann noch hinzu, sie wank aber mit ihrer noch freien Hand ab. „Schwamm drüber. Ich war ja selbst schuld“, erwiderte sie. „Und du willst wissen, wer ich bin? … Ich weiß es ehrlich gesagt selbst nicht so wirklich. Ich bin wahrscheinlich einfach nur Mae, Mae Campbell. 20 Jahre alt. Ich steh total auf Rockabilly. Den Modestil und die Musik. Ich hab so viele Fotos von meiner Oma aus den 50er Jahren, wo sie unglaublich viele dieser Kleider trug und ich habe mich in diesen Stil einfach komplett verliebt. Ein paar ihrer Kleider hängen immer noch in meinem Schrank. Neben diversen Platten von Bill Haley, Buddy Holly oder auch Elvis. Die üblichen Verdächtigen halt. Ganz großes Kino… Aber wirklich etwas Interessantes gibt es nicht über mich zu erzählen. Ich studier Management, klar, deswegen bin ich auch hier, aber sonst?“, wurde Mae am Ende hin immer leiser und ließ ihre Taschentücher sinken. Es blutete fast nicht mehr. Und zum ersten Mal, wo wir zusammen waren, wirkte diese junge Frau vor mir wirklich verletzlich. Und zum ersten Mal war sie offen zu mir und redete mit mir auf einer Augenhöhe. Und ich riss mich wirklich zusammen, keinen dummen Spruch zu bringen. Ich wollte diesen Waffenstillstand nicht schon nach drei Sekunden zerstören. „Und du hast deinen eigenen, sturen Kopf, das ist doch wirklich etwas, was dich ausmacht“, setzte ich stattdessen neckend hinzu, dieses Mal war es aber nett gemeint und das merkte sie auch.

„Das, was sich viele nicht mehr trauen. Sowas ist echt schade“, erwiderte sie und legte dann den Kopf schief.

„Und du besitzt wahrscheinlich keine Hosen. Jedenfalls habe ich dich noch nie ne Hose tragen sehe“, konnte ich mir einen weiteren Kommentar nicht verkneifen und dieses Mal lachte Mae sogar.

„Ich besitze eine Hose. Es ist eine Anzughose. Ich habe sie bloß noch nie getragen. Und auch nicht mitgenommen“, lächelte sie nun und strich sich intuitiv ihren Rock glatt.

„Wieso?“, fragte ich daher nur und sie sah mich an, ehrlich gesagt ein wenig überfragt.

„Ich weiß es nicht, wenn ich ehrlich bin. Als Kind hab ich auch nur Kleider und Röcke getragen und je älter ich wurde, desto besser gefielen mir das und überhaupt. Meine Großmutter hat auch immer nur Röcke oder Kleider getragen, sie hat da ziemlich auf mich abgefärbt… Ich finde, es sieht einfach schön aus, weiblich“, zuckte sie dann mit den Schultern. „Aber genug zu mir, was ist mit dir? Wer bist du in drei Eigenschaften.“

Jetzt war ich an der Reihe, den Kopf schief zu legen und zu überlegen. Drei Eigenschaften, die mich im Moment beschrieben?

„Unterschätzt. Übermüdet. Mittendrin“, antwortete ich ganz simpel und stand dann auf. Es war Zeit, ich musste zum Soundscheck. „Wir sehen uns später“, setzte ich dann noch hinzu und warf ihr ein kurzes Lächeln zu, bevor ich mich auf den Weg machte und dieses Mal langsam und vorsichtig die Tür schloss. Ihren erstaunten Blick bekam ich nur aus den Augenwinkeln mit.

Die Tage vergingen, es war alles wie immer. Mein Kopf war nicht wirklich anwesend, ich dachte immer nur an diese eine bestimmte Person und verpasste den ganzen Rest, der um mich herum passierte. Nur während den Interviews, den Soundchecks und den Shows war ich einigermaßen anwesend… Wieso nahm sie auch einfach nicht ab? Seit drei Tagen?! „Ich brauche deine Hilfe“, rutschten mir diese vier Worte dann irgendwann einfach über die Lippen, als Mae und ich zusammen aber doch irgendwie nicht im Gemeinschaftsbereich des Tourbusses saßen. Sie über den geschäftlichen Sachen sitzend, ich andauernd auf mein Handy schauend. „Du bist dir bewusst, dass ich dir die Wahrheit sagen werde und die Wahrheit manchmal ziemlich weh tun kann?“, erwiderte Mae aber nur und legte ihre Sachen beiseite, drehte sich zu mir um, klopfte neben sich auf den Platz und ich stand auf, um zu ihr herüber zu kommen. Sie hatte die ganze Zeit recht gehabt, ich konnte nicht alles immer in mich rein fressen, mit irgendjemandem musste ich irgendwann wohl oder übel reden.

„Es tut mir leid, dass ich die letzten Tage so idiotisch drauf war“, murmelte ich nur leise, sie lächelte aber nur. Sie schien mir nicht böse zu sein. „Hey, jeder macht mal schwere Zeiten durch. Ich kann ganz gut mit Idioten umgehen“, erwiderte sie, als ob es eine Selbstverständlichkeit wäre, und ich konnte nicht anders und fing ziemlich breit an zu grinsen.

„Ja, das kannst du. Vor allem, sie zur Schnecke machen“, antwortete ich nur und auch sie grinste nun ebenfalls.

„Das ist das erste Mal seit ner Woche, wo du mal grinst und keine schlechte Laune hast“, neckte Mae mich dann doch etwas, aber sie schien erleichtert zu sein, dass ich nicht sofort dicht machte und wir uns mal vernünftig unterhielten. Wir waren echt auf einem guten Weg.

Und dann schwiegen wir erst mal, sie wartete einfach, bis ich anfing zu reden, und ich wusste nicht, welche Worte ich wählen sollte, sodass ich auch erst mal ruhig blieb und überlegte.

„Ich kriege sie einfach nicht mehr aus dem Kopf“, meinte ich dann schlussendlich und wich Maes Blick aus, denn sie zog eine Augenbraue in die Höhe. Und das bedeutete bei ihr nichts Gutes.

„Das Ganze wegen ner Frau?“, fragte sie aber nur und es klang absolut nicht wertend, sondern einfach nur… interessiert. Ich hatte mit mehr gerechnet, mit fiesen Sprüchen oder sonst was, aber sie blieb ganz normal.

„Anscheinend“, erwiderte ich so nur und kuschelte mich weiter in meinen

Sitz. „Es wird eh nicht klappen. Sie ist unerreichbar.“

„Schwachsinn“, schüttelte Mae aber nur den Kopf und drehte sich weiter zu mir um.

„Doch! Wir würden es niemals schaffen, überhaupt mal am gleichen Ort zu sein…“, murmelte ich und schaute zu ihr rüber. Und die Wucht, die in ihrem Blick lag, haute mich um. Sie hatte so viel Verständnis in ihrem Blick, das ich mich ziemlich beeindruckte. So einfühlsam kannte ich Mae einfach nicht. „Star?“, wollte sie dann wissen und ich nickte nur.

„Musikerin…“

„Warum suchst du dir immer Stars als Freundinnen aus, es ist doch irgendwie vorprogrammiert, dass das unter einem schlechten Stern steht?“, wollte sie von mir wissen und ich rollte dann doch die Augen. „Hey, du wolltest meine Meinung wissen!“

„Ich weiß! Beides weiß ich… Es ist ja schon so oft schief gegangen, aber es sind die Menschen, die mich am besten verstehen, die ich am besten verstehe. Wir sind irgendwie alle im gleichen Boot.“

„Vielleicht ist das die Schwachstelle in deiner Theorie, vielleicht seid ihr zu gleich, zu ähnlich, vielleicht kann es deswegen nicht passen. Vielleicht ist es aber auch wirklich genau der Grund, warum es immer wieder funkt zwischen Stars. Man weiß es nicht“, dachte Mae nach und sah mich einfach nur an.

„Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Ich schaffe es nicht, sie mir aus dem Kopf zu schlagen.“

„Dann lass es?“, erwiderte die Blondine neben mir dann einfach ganz plump und ich seufzte. Es war ja klar, dass jetzt sowas kam… „Man Ed, es ist doch eigentlich ganz einfach: Wenn du was von ihr willst, musst du nur noch herausfinden, was sie von dir will. Du kannst dir jetzt auch noch fünf Monate weiter Gedanken um sie machen, dann aber scheitern, weil du zu lange gewartet hast. Oder du machst es so, wie echte Ed Sheerans das machen.

Ich meine, ruf sie doch einfach öfter an. Oder besser: Lade sie doch einfach auf eines deiner Konzerte ein, wenn sie in der Nähe ist. Meinetwegen auch auf die Bühne. Probt davor zusammen ein Lied, verbringt einfach noch etwas mehr Zeit. Wenn sie auch was von dir will, wird sie es schon irgendwie schaffen, für sowas Zeit zu haben. Ist ja außerdem gut für die Karriere, da kann keiner meckern. Ich würde mich bloß mal entscheiden, weil diese ewige schlechte Laune ist nicht ganz so cool. … Ich meine, spiel meinetwegen irgendwas Romantisches mit ihr zusammen. Ich würde bei dem Konzert meinetwegen auch mit ner Kerze da stehen und sie schwenken, wenn es dir hilft“, versuchte mich Mae in ihren ehrlichen, verpeilten Art aufzumuntern und ich konnte wirklich nur lachend den Kopf schütteln. Mittlerweile verstand ich, warum Stuart so begeistert von ihr war. Sie war vielleicht ziemlich von ihrer Meinung überzeugt, sie konnte ziemlich aufbrausend und einschüchternd sein, aber diese junge Frau hatte etwas an sich, dass man ganz schwer beschreiben konnte.

„Danke, Mae. Du bist echt was Besonderes. Auch wenn ich mir noch nicht sicher bin, in welche Richtung“, lachte ich leise, doch Mae wurde wieder ernst.

„Ich bin kein besonderer Mensch, Ed. Ich bin aber glaube ich ein Mensch mit der Illusion, dass es noch was anderes geben muss heutzutage als diese tieftraurigen Liebesgeschichten. Ich mag es nicht, Menschen unglücklich zu sehen. Und ich mag es noch weniger, diese ewige Smartphone-Armada bei deinen Konzerten mitzubekommen. Dieses ungemütliche Licht ist einfach… ungemütlich. Und wenn sie dann auch noch mit ihren riesigen Handys meine Sicht versperren, ist es ganz vorbei. Es geht mir so auf die Nerven. Einfach nein. Wieso bleibt man nicht ganz altmodisch bei einem simplen Feierzeug? Und ich meine, wenn ich gerade kein Feuerzeug dabei hab, sondern nur ne Kerze und Streichhölzer, würde ich auch meine Kerze umherwedeln. Und wenn ich dann schon dabei bin, kann ich ja auch zu einem guten Zweck beitragen und Amor ein wenig unter die Arme greifen“, regte sie sich mal wieder viel zu sehr über eine Lappalie auf, so wie sie es immer tat, aber gerade diese Normalität, die sie mir entgegen brachte, beruhigt mich.

„Ich glaub dir das mit der Kerze irgendwie trotzdem nicht“, meinte ich leise und sie seufzte. „Wetten?“

„Aber sowas von.“

„Dann hast du es nicht anders gewollt, Ed. Bei deinem nächsten Konzert stehe ich erste Reihe mit meiner Kerze! … Und jetzt lass den Kopf nicht so hängen, schreib deiner Angebeteten lieber mal ne SMS. Bisschen Aufmerksamkeit kommt immer gut“, stand sie dann auf und räumte ihre Zettel zusammen. „Ich geh jetzt ins Bett. An deiner Stelle würde ich auch nicht mehr all zu lange machen, aber deine Sache. Gute Nacht, Ed“, lächelte sie mich zuversichtlich an und legte mir kurz eine Hand auf die Schulter, bevor sie zur Tür ging.

„Gute Nacht. … Und Mae?“, hielt ich dieses merkwürdige Wesen vor mir noch kurz auf. „Danke!“ „Dafür nicht.“

+ Kapitel 1.4: Das Kaffee-Entzugsdilirium +

‚Eine Mae ohne Kaffee ist echt so eine Sache, die ich nicht nochmal erleben möchte. Aber sonst scheint sie echt nicht so schrecklich zu sein…‘ (24.07.2011)

Ich war aufmerksamer. Ich war viel aufmerksamer als die letzten Konzerte, auch wenn sich nicht viel geändert hatte. Es hatte sich eigentlich nichts geändert, ich war immer noch in Gedanken vollkommen woanders, meist bei Nina, aber es ging mir besser, viel besser. Mae und ihre Kopf-WaschAktion fruchtete. Und sie fruchtete besser als ich es mir je erhofft hatte. Ich hatte Nina wirklich eine SMS geschrieben und sie eingeladen. Und arbeitete jetzt auf ein paar Pläne hin.

Kopfschüttelnd schaute ich über die Menge. Es war ein gutes Gefühl, die Menschen vor mir endlich mal wieder richtig wahrzunehmen, teilweise in ihre strahlenden Gesichter blicken zu können, wenn das Bühnenlicht nicht zu sehr blendete. Ich hatte wirklich vergessen, wie viel Spaß es doch machte. Als das Licht dann schließlich immer weiter gedimmt wurde, konnte ich noch viel mehr von der Halle erkennen. Es waren viele Musikbegeisterte gekommen. Ich würde Mae später mal fragen müssen, ob wir die Halle ausverkauft hatten…

„Bevor ich das Lied beende, bitte ich euch, alles an Licht rauszuholen, was ihr habt. Handys, Feuerzeuge, einfach her damit“, sprach ich ins Mikrofon und wartete kurz, während ich weiter diese Melodie spielte, mit der alles angefangen hatte. Ohne die ich nicht hier wäre.

Gerade, als ich wieder mit dem Chorus einsetzen wollte, stockte ich jedoch. Mein Blick lag direkt auf dieser quirligen Blondine, die mich seit ein paar Wochen nicht mehr in Ruhe ließ. Sie saß im Fotographen-Graben und hatte tatsächlich zwei Kerzen in der Hand, die sie gerade mit nem Streichholz zu entfachen versuchte. Dieses junge Mädchen, das mir so oft den Kopf waschen wollte, hatte endlich mal Glück gehabt. Und als Krone ihres Triumphs stand sie jetzt tatsächlich bei meinem Auftritt mit zwei Kerzen in der Hand und funkelte mich aus ihren eisblauen Augen an. Ich hatte mich öfter gefragt, ob ihre Augen nur wegen ihrer Augenfarbe so kalt wirkten oder ob sie mich einfach immer kalt anschaute, aber dieses Mal erkannte ich nichts davon darin.

Meine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln und ich nickte ihr zu, was sie nur mit einer dummen Grimasse quittierte und mir die Zunge rausstreckte, während sie versuchte, nicht ihre Haare abzufackeln, die sie dieses Mal nicht im Zopf trug, sondern die ihr offen über die Schultern fielen. Und dennoch spürte ich dieses Mal nicht diese Abscheu in mir hochflammen, die ich immer verspürt hatte, wenn Mae recht gehabt hatte. Ich glaubte, ich hatte es mittlerweile echt hingenommen, dass sie meist einfach die besseren Argumente hatte. Im Moment war ich einfach nur froh, dass sie da war und dass sie ihr Versprechen gehalten hatte.

„Danke“, sagte ich in ihre Richtung ohne ein Mikrofon vor den Lippen und ging zurück zu meinem Platz, um dann wirklich mit dem Chorus anzufangen und dieses Lied hier zu beenden. Es war eine gute Performance. Es war allgemein ein ziemlich guter Auftritt. Ausnahmsweise mal.

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Es war viel zu früh, vor allem zu früh für mich. Die anderen schienen ja dran gewöhnt zu sein, aber aufzuwachen und auf einen Wecker zu schauen, der 4.23 Uhr anzeigte, das war einfach nicht mein Ding. Mittlerweile war es zwar 8.36 Uhr, mehr als vier Stunden später, besser ging es mir aber trotzdem nicht.

„Wunderschönen guten Morgen, liebste Managertruppe“, kam irgendwann Ed in den Raum – mit viel zu guter Laune – und ich schaute ihn nur böse an. „Sei bloß still“, fauchte ich und verfinsterte meinen Blick. Ich wollte mit niemanden reden, schon gar nicht mit ihm.

„Was ist denn mit dir passiert? Wo ist die nette Mae hin? Ich dachte, wir wären jetzt sowas wie Freunde?“, erwiderte das rothaarige

Grinsekuchenpferd und ich kniff meine Augen noch weiter zusammen. Tief holte ich Luft, ich hatte ihn ja gewarnt, doch er schien es nicht anders zu wollen… Im Augenwinkel sah ich noch, wie mein lieber Vater klammheimlich den Raum verlassen wollte. Besser für ihn, schlechter für Ed.

„ICH HABE GESAGT, DU SOLLST STILL SEIN!“, fauchte ich so nur und sprang auf, ich zitterte. Das war einfach zu viel. „Es ist 8 Uhr früh und ich hatte noch keinen Kaffee, also ist das dümmste, was du tun kannst, mich zu reizen. Wenn dir dein Leben lieb ist!“, drohte ich ihm und knetete meine Hände. Ed jedoch drehte sich einfach um, sagte kein Wort und ging. Gut für ihn, besser für mich. Endlich Ruhe!

Nachdenklich rieb ich mir meinen von Kopfschmerzen geplagten Kopf. Lange würde ich das Ganze nicht mehr durchhalten. Ich hoffte echt, dass wir hier bald fertig waren und ich mir endlich einen Kaffee holen konnte…

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„Gott hatte die schlechte Laune“, murmelte ich leise, als ich die Tür hinter mir wieder geschlossen hatte. Mit ihr würde man echt noch viel Spaß haben, wenn sie so ein Kaffeesüchtling war…

„Ed!“, wurde ich aus meinen Gedanken gerissen und schaute mich um. Ach, das war nur die Radiomoderatorin von gerade eben.

„Hast du zufälligerweise ne Tasse plus Kaffee? Stark?“, wollte ich wissen und sie sah mich verdutzt an.

„Sorry, unsere Kaffeemaschine ist gestern kaputt gegangen. Ich kann aber schauen, was ich tun kann. Ich glaub, in der Technik könnte noch Kaffee finden zu sein“, grinste sie mich an.

„Wo ist die Technik denn, dann geh ich mal schnell selbst vorbei“, meinte ich nur und die Dame nickte nur, erklärte mir den Weg, ohne mir aber zu sagen, warum sie mich angesprochen hatte.

Auf meinem Weg bog ich zwar zuerst einmal falsch ab, war dann aber dann doch auf der richtigen Route. Mit guter Laune klopfte ich an die mir beschriebene Tür und wurde dann hinein gebeten.

„Hallo Leute“, grinste ich schief und sah in erstaunte Gesichter.

„Hierhin hat sich noch nie ein Popstar verirrt“, wurde mir dann erklärt und schon war ich umringt. Na großartig! Worauf hatte ich mich nur eingelassen?

Aber war schon okay, ein paar Autogramme und Fotos später war ich auch endlich wieder frei.

„Ich suche eigentlich nur Kaffee“, erklärte ich dann mein Auftreten und schon bekam ich lautschallendes Gelächter entgegen. Hä?

„Hier gibt’s auch kein Kaffee, unsere Maschine ist schon seit einem Monat in Reparatur und oben ist sie ja kaputt, die einzig funktionierende Maschine ist die im Büro des Chefs, aber als Superstar ist das bestimmt kein Hindernis“, wurde mir gesagt und ich seufzte. Klar, wenn es sonst nichts war… „Dann mal auf in den Kampf, wo muss ich lang?“, fragte ich und schon war ich wieder auf dem Weg. Hoffentlich klappte das alles so, wie ich mir das vorstellte.

Und es lief gut, ich verlief mich fast nicht, wurde selten aufgehalten und stand nun direkt vor dem Büro. Kurz vor dem Ziel meiner Reise tauchte jedoch wieder die Moderatorin auf – mit meiner Gitarre in der Hand. Das hieß nichts Gutes.

„Du schon wieder“, lächelte ich nett und sie zeigte von mir zur Gitarre und zu einer Kamera. Ein Video für ihre Seite. Wie Mae mir nach dem Aufstehen auch schon mitgeteilt hatte.

„Aber nur, wenn du mir einen Gefallen tust“, entgegnete ich und sie sah mich an.

„War die Kaffeesuche nicht erfolgreich?“ Ich schüttelte den Kopf.

„Nope, dein Chef sollte noch Kaffee besitzen, haben mir ein paar Vögelchen gezwitschert“, erwiderte ich und sie seufzte.

„Der ist schlecht drauf, aber ich versuch mein Bestes. Magst du vielleicht solange ein nettes Video für unseren YouTube-Channel aufnehmen?“, bat sie und ich nickte nur.

„Für einen so netten Radiosender doch immer. Wünsche?“, wollte ich wissen, während ich mir meine Gitarre umhängte und ein wenig darauf spielte. Ich hoffte wirklich, dass ich danach endlich diesen verdammten Kaffee kriegen würde! War das denn zu viel verlangt?

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Ungeduldig schaute ich auf die Uhr. 17 Minuten war es mittlerweile her, dass Ed und Stuart geflohen waren. Ich konnte in Ruhe schlechte Laune schieben und nur die Nachricht, dass wir endlich aufbrechen würden und ich mir auf dem Weg einen Kaffee holen konnte, würde mich heute noch positiv stimmen. Doch keiner kam, kein Ed, noch nicht mal ein Stuart, der mich aus diesem Radiogebäude befreien konnte.

Nach insgesamt 23 Minuten öffnete sich aber dann endlich diese verdammte Tür – und er kam wieder. Mit einem Becher in der Hand, einem Kaffeebecher!

„DAS IST NICHT DEIN ERNST!“, warf ich ihm sofort vor und wollte mich so richtig in rage reden, aber anstatt mich zu lassen, hielt er mir einfach nur den Becher hin.

„Ich weiß, ich bin ein wenig zu spät, aber: Trink!“, meint er nur und ich schaute ihn an, starrte vom Kaffeebecher auf den lächelnden Popstar und wieder zurück. Ernsthaft?

Vorsichtig und mit zittrigen Fingern nahm ich ihm den Becher ab, betrachtete den Inhalt, roch daran. Es war wirklich Kaffee, der verdammt gut duftete und ziemlich heiß war. Gierig nippte ich daran – es war noch zu heiß, um große Schlucke zu trinken. Doch auch diese paar Tropfen Kaffee taten unheimlich gut.

„Du rettest mir gerade mein Leben. Und ich hätte nicht gedacht, dass du wieder kommst“, murmelte ich in den Becher hinein, als ich immer wieder daran nippte und nicht genug davon kriegen konnte.

„Denkst du, ich lasse mich so einfach von meinem lieben Brülläffchen vertreiben?“, grinste Ed aber nur und ließ sich neben mich auf dem Sofa fallen.

„BRÜLLÄFFCHEN?“, meinte ich entrüstet, jedoch weniger ernst gemeint. So langsam breitete sich das Coffein in meinem Körper aus, machte mich ruhiger. „Man sieht dir gar nicht an, wie schlagfertig du sein kannst“, lächelte ich Ed dann an. „Aber ist das nicht das Interessante an Menschen? Man muss sie kennenzulernen, um wirklich zu wissen, was hinter ihrer Fassade steckt. Es ist leider nicht so einfach, alle auf Anhieb durchschauen zu können…. Und noch zu der Sache mit den Freunden: Ich habe zwei Bedingungen, wenn das hier auch nur ansatzweise klappen sollte!“, verschränkte ich dann die Arme und Ed schaute ganz verunsichert. „Erstens: Ich werde niemals, hörst du, niemals auch nur einen Schritt auf eine Bühne tun oder sonstige Sachen machen, wo mich zu viele Menschen anschauen und über mich reden könnten. Und Zweitens: Du nimmst alles, was ich im Kaffee-Entzugsdilirium sage, nicht all zu ernst. Wenn ich nicht meine millimolar Coffein intus hab, bin ich nicht zurechnungsfähig“, meinte ich und er schaute mich dieses Mal mehr amüsiert als verängstigt an. „Das eben tut mir echt leid, aber ich bin unausstehlich, wenn ich keinen Kaffee kriege. Und ich werde ziemlich gereizt. Und zickig“, zuckte ich mit den Schultern und trank noch einen Schluck.

„Das sollte kein Problem sein“, antwortete er jedoch nur und ich seufzte. „Gut. Du weißt, dass mit dir durch eine Menge Paparazzi zu laufen auch so etwas ist, wie vor 7000 Menschen auf die Bühne zu steigen, ja?“, warnte ich ihn noch und er wank nur ab.

„Alles gut, kleiner Chef. Reg dich mal lieber nicht so auf, sondern komm jetzt, wir müssen wieder in den Bus“, sagte er und schon war ich still, trottete hinter ihm her. Mit meinem Kaffee in der Hand. Mhmm, Kaffee.

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Wir waren früh an der Halle angekommen, früh aufgestanden und hatten jetzt noch ziemlich viel Zeit, uns selbst zu beschäftigen. Und eigentlich wusste ich, was ich zu tun hatte, aber meine Motivation war irgendwie nicht ganz so gut…

„Du solltest mal mehr Lächeln, Ed!“, riss Mae mich aus den Gedanken, als sie in den Raum kam, und ich sah meine Chance.

„Kommst du mit?“, erwiderte ich einfach und bekam nur einen irritierten Blick zurück. „Sport machen“, setzte ich seufzend hinzu und sah sie abwartend an.

„Du klingst nicht begeistert“, neckte sie mich aber nur, während sie sich zu Stuart und mir gesellte.

„Ich habe keine Lust.“

„Dann lass es?“, sagte sie daher nur und ich warf Stuart schon mal vorsichtshalber einen bösen Blick zu.

„Stuart meint, es würde mir ganz gut tun. Und als ich meinte, dass er gerne mitkommen kann, hat er sofort abgewehrt und gesagt, er müsse noch ‚arbeiten‘“, grummelte ich und Stuart grinste nur.

„Stu ist nur dein Manager. Wenn du keine Lust hast, gehst du nicht. Und wenn du Lust hast, dann geh“, versuchte Mae ein Machtwort zu sprechen und bekam von Stuart nur zugezwinkert. Manchmal hasste ich es, wie gut die beiden miteinander harmonierten.

„Das ist doch unfair“, murmelte ich nur und sah die beiden böse an, während sich Mae direkt zwischen uns drängelte und mir ihr Handy entgegen hielt. Eine Mail. Von BBC 1 Radio. Kurz las ich sie mir durch, bevor sie Stuart das Handy gab.

„Ist es gar nicht, höchstens von Stuart. Du könntest echt mal ein wenig mehr Ehrgeiz zeigen. Was willst du denn für einen Sport machen?“, wollte sie dann aber wissen und ich sah zu Stu rüber und wir verstanden uns sofort. „Du kannst zusagen“, erklärte ich kurz und sie nickte lächelnd. „Und ich wollte aufs Laufband. Das ist das einzige, was es hier wirklich gibt. Ich kenn mich hier ja nicht aus“, setzte ich hinzu und Mae stand wieder auf. „Wäre es nicht eine grandiose Idee, wenn du deinem Schützling ein wenig unter die Arme greifen würdest, Mae?“, mischte sich nun auch Stuart in unser Gespräch ein und Mae streckte ihm einfach die Zunge an.

„Das musst du gerade sagen. Und Ed hat Glück, ich hab eh gerade nichts zu tun und wollte eh mitmachen. Wenn du kurz Zeit hast und warten willst, bis ich die Mail fertig habe, dann mache ich mich fertig und komm mit, ja?“, lächelte sie mich an und war dann, nachdem ich ihr zugesagt hatte, aus dem Raum verschwunden, um in Ruhe ihre Mail zu schreiben.

„Sie ist echt die Beste“, murmelte ich leise, bevor ich selbst seufzend aufstand und nach meinen Sportklamotten suchte.

„Hör auf damit, Ed!“, wies Stuart mich sofort zurecht und ich erstarrte, schaute ihn komisch an.

„Was hab ich denn jetzt schon wieder getan?“, wollte ich wissen, doch Stuart hatte angefangen mich zu ignorieren. Ich wusste echt nicht, was im Moment mit ihm los war…

+ Kapitel 1.5: Das Laufband +

‚Geh nie wieder mit Mae zusammen aufs Laufband, Ed! … Und es ist echt erstaunlich, wie wenig ich über sie weiß.‘ (01.08.2011)

„Du trägst selbst zum Sport Röcke?!“, stellte Ed fest, als ich wieder zu ihm in den Raum kam und ich zuckte mit den Schultern.

„Wenn, dann aber konsequent, oder nicht? , entgegnete ich einfach nur und folgte Ed dorthin, wo die Laufbänder stehen sollten. Es war manchmal echt praktisch, dass in einigen Locations auch mal ein Raum war, wo ein wenig mehr Platz war oder zum Teil auch Sportgeräte standen. Denn alleine draußen Joggen traute ich mich nicht, dafür kannte ich die Städte zu wenig. „Punkt für dich“, entgegnete Ed nur und stellte einen mobilen Lautsprecher auf, an den er sein Handy packte und dann zum Sport passende Musik anmachte. Einfacher, stumpfsinniger Beat. Perfekt!

Und so startete ich das Laufband, erst bei einer angenehmen

Geschwindigkeit, um ein wenig rein zu kommen und gemütlich vor mich hin zu joggen.

„Dann können wir ja jetzt mit dem gemütlichen Teil des Morgens beginnen: Erzähl mir was!“, forderte ich. Ich war ja nicht umsonst mitgekommen. „Oder schmeiß irgendein Schlagwort in den Raum und ich werde dich sowas von in Grund und Boden diskutieren!“, grinste ich breit, während Ed es sich neben mir auf dem Laufband bequem machte.

„Erzähl mir mehr über dich. Ich weiß fast nichts. Warum bist du hier? Was interessiert dich so sehr daran, Managerin zu sein?“, wollte er wissen und ich lächelte.

„Man hat viel zu tun, auch viel mit Menschen. Wenn man in den richtigen Bereich geht, ist man viel unterwegs. Und es ist nichts Festes. Ich kann mit dem Wissen, was ich irgendwann gesammelt habe, auch in andere Richtungen gehen. Nur, weil ich etwas im Moment mache und auch gerne mache, heißt das ja noch lange nicht, es auch bis zum Ende meines Lebens zu machen, weißt du? Wir sind doch viel mehr als nur diese eine Eigenschaft, auf die man reduziert wird. Das ist doch bei dir das gleiche. Du bist jetzt ein berühmter Star, aber du musst das nicht sein. Wenn du dich nicht mehr wohl auf der Bühne fühlst, dann kannst du immer noch was anderes machen“, redete ich meine Gedanken von der Seele und ich liebte es. Ich redete unfassbar gerne und machte mir unfassbar gerne Gedanken über alles. „Erzählst du mir von deiner Familie?“, wollte ich dann von Ed wissen und er seufzte.

„Komplett musikvernarrt. Irgendwo her muss das ja kommen. Meine Eltern sind damals viel rum gekommen und haben uns immer auf ihre Reisen mitgenommen. Und da haben wir verdammt viel Musik gemacht. Mein Bruder Matthew hat es vollkommen übertrieben, er ist jetzt Komponist für klassische Musik. Er hat eine gute Schulausbildung und dann studiert. Manchmal denke ich mir, dass meine Eltern sich gewünscht hätten, ich wäre in seine Fußstapfen getreten“, seufzte er und ich war erstaunt, wie offen er gerade mit mir redete.

„Ed, du bist weltbekannt. Du machst genau das, was DIR Spaß macht. Nicht, was deinem Bruder oder deinen Eltern Spaß macht…“, wollte ich beginnen, doch Ed unterbrach mich.

„Hast du dich mit meinem Werdegang beschäftigt?“, fragte er mich und ich schüttelte den Kopf.

„Nein“, antwortete ich simpel und sah zu ihm herüber. „Warum sollte ich? Es bringt mir nichts, eine Person nur übers Papier zu kennen. Ich kenne nur die paar Geschichten, die Stu mir erzählt hat und wo er selbst dabei gewesen war“, ergänzte ich und Ed lächelte.

„Ich bin früh von zuhause abgehauen. Das war 2008, da bin ich nach London gegangen. Kein super Schulabschluss, keine Uni. Ich hab meine Sachen gepackt, ein paar Klamotten und meine Gitarre, und war weg. Meine Eltern haben mich glaube ich dafür ein wenig gehasst. Ich hab viel auf offenen Bühnen oder der Straße gespielt. Wenn irgendeine gute Band in der Stadt war, habe ich versuchte, irgendwie damit in Kontakt zu kommen und hab es ab und an mal ins Vorprogramm geschafft. Ich hab meine Musik selbst aufgenommen, wenn ich irgendwie die Möglichkeit hatte, an ein Studio zu kommen. Ich hab mein letztes Geld in meine Musik gesteckt und hatte oft kein Dach über dem Kopf, habe einfach in der Underground geschlafen, bis ich rausgeschmissen wurde. Meine Eltern haben mir oft gesagt, dass ich einfach zurück kommen kann. Aber ich wollte das nicht. Das Leben in London, die letzten drei Jahre, waren eigentlich alles, was ich brauchte…“, erklärte er mir und ich langte zu ihm herüber, um die Geschwindigkeit ein wenig höher zu stellen. Das Gleiche machte ich auch bei mir. „Irgendwann, bei irgendeinem Auftritt, bin ich Stuart über den Weg gelaufen. Er hat von dem ersten Song, den er von mir gehört hatte, sofort in mich geglaubt. Er hat alles getan, damit ich Fuß fassen konnte. So oft haben wir uns die Nächte um die Ohren gehauen. So oft hab ich auf seiner Couch geschlafen. So oft hat er mit Geld geliehen, damit ich über die Runden kam. … Stuart ist eine der wichtigsten Personen in meinem Leben. Er ist der beste Manager, den ich mir hätte wünschen können. Er ist der beste Mensch, den ich je kennen gelernt habe. Auch, wenn alles scheiße lief, hat er mich aufgemuntert und mir einen neuen Gig verschafft. Er hat mir immer wieder ins Gedächtnis gerufen, warum ich das hier tue. Und irgendwann hatte ich es geschafft, hatte meinen Plattendeal, meine ersten Songs aufgenommen und nun stehe ich hier, nur weil Stuart mir immer wieder auf die Beine geholfen hatte“, Ed war mittlerweile in seinen Gedanken verschwunden, während er mir Stu erzählte. Und es war so schön zu sehen, wie gut die beiden sich verstanden. Wie wichtig die beiden füreinander waren. „Er ist manchmal wie ein Vater für mich“, setzte er dann hinzu und ich musste schlucken, versuchte mir nichts anmerken zu lassen.

„Und nun stehst du hier, neben dieser nervigen Praktikantin, und bald kommt dein erstes richtiges Album raus. Krass, oder?“, lächelte ich in seine Richtung und er lächelte zurück.

„Das kannst du laut sagen, Mae. Das mit dem Album glaube ich wahrscheinlich auch erst, wenn ich es wirklich in der Hand habe. … Meine Eltern haben es sich in allen möglichen Varianten vorbestellt und sind die Größten, wenn es darum geht, meine Musik zu unterstützen. Sie haben mittlerweile verstanden, dass das hier mein Weg ist, den ich gehen muss. Und sie tun alles, um mich zu unterstützen“, endete er seine Geschichte und ich war irgendwie froh zu hören, dass sich alles bei ihm zum Guten gewandt hatte. „Aber jetzt genug von mir, wie sind deine Eltern so gewesen?“, wollte er wissen und ich seufzte. Falsche Frage Ed…

„Ich hatte keine Eltern“, erwiderte ich simpel und sah noch im Augenwinkel, wie Ed einfach aufgehört hatte zu laufen und nach hinten vom Laufband kippte. „Ist alles okay?“, fragte ich und sah mit zuckendem Mundwinkel zu Ed herunter, bevor ich selbst das Laufband verließ und ihm aufhalf.

„Ja…, ja. Wie, du hattest keine Eltern?“, wollte er wissen, während wir wieder auf die Bänder stiegen und ich seufzte.

„Meinte Mutter ist bei meiner Geburt gestorben. Und damals wusste man nicht, wer der Vater war“, erklärte ich kurz und Ed sah besorgt zu mir herüber.

„Das tut mir leid“, sagte er leise und ich wank sofort ab.

„Ich bin bei meinen Großeltern aufgewachsen. Sie haben sich unfassbar liebevoll um mich gekümmert. So gut sie es konnten. Und sie haben ziemlich auf mich abgefärbt, vor allem meine Oma. Weißt du, manchmal fühle ich mich in dieser Welt ziemlich fehl am Platz. Ich wurde von Menschen erzogen, die mehr als dreimal so alt sind wie ich. Sie haben mir komplett andere Werte vermittelt als es eine Mutter tun würde, die nur zwanzig Jahre älter ist. Meine Großeltern haben komplett andere Sachen erlebt, für sie sind sowas wie Loyalität oder Ehrlichkeit eines der Grundwerte, was heute kaum noch beachtet wird. Sowas prägt einen, lässt einen aber auch immer aus dem Rahmen fallen. Man passt nirgendwo rein, man hat komplett andere Ansichten und … manchmal ist es schwer. Aber ich liebe meine Großeltern, denn immerhin waren sie immer für mich da. Auch als sie um ihre eigene Tochter trauern wollten, haben sie alles getan, damit es mir gut ging“, erklärte ich und musste dabei permanent lächeln. „Auch wenn ich meine Mutter gerne kennen gelernt hätte. Ich schaue mir gerne alte Filme von ihr an, die meine Großeltern damals von ihr gemacht haben. Sie schien ein wunderbarer Mensch gewesen zu sein. Und sie zu sehen macht mich traurig und glücklich zugleich“, setzte ich hinzu und Ed wusste wohl nicht, was er sagen sollte, sodass ich einfach weiter redete. „Und es klingt vielleicht ein wenig blöd, aber ich bin trotzdem voll das Mutterkind, auch wenn ich sie nie kennen gelernt habe. Ich würde mir zum Beispiel nie meine Haarfarbe ändern. Meine Granny meinte immer, ich sehe ihr damit so unfassbar ähnlich, weil sie genau die gleichen Haare hatte. Und von daher kann ich es nicht übers Herz bringen, sie mir zu färben“, lachte ich über mich selbst und Ed schmunzelte.

„Du hast aber auch schöne Haare. Und deine Großeltern sind bestimmt sehr tolle Menschen, so wie du von ihnen erzählst. Und es tut mir leid, was mit deiner Mutter passiert ist. Warum ist sie gestorben?“, fragte er weiter, als er wohl einschätzen konnte, dass mich dieses Thema nicht komplett runterziehen würde.

„Das ist eine gute Frage. Die Ärzte wussten es nicht genau. Es waren wahrscheinlich nicht kontrollierbare Blutungen, unvorhergesehen. Und sie mussten sich entscheiden, entweder sie retteten mich oder sie retteten meine Mutter. Sie haben sie wohl noch gefragt, wer im Zweifelsfall Vorrang haben soll. Meine Mutter hat sich für mich entschieden… Das war wohl das Einzige, was sie noch gefragt werden konnte, nicht mal mehr den Namen für mich. Klingt vielleicht blöd, aber meine Mutter hatte vor meiner Geburt nie von dem Namen gesprochen, den ich bekommen sollte. Sie wusste noch nicht mal, ob ich männlich oder weiblich werden würde. Sie wollte es nicht wissen. Das einzige, wovon meine Mutter immer geredet hatte, war, dass sie hoffte, dass ich im Mai geboren werden würde. Sie hat öfter mal von Blumenkind oder so geredet. So haben sich meine Großeltern entschieden, mich Mae zu nennen. Und ich mag meinen Namen, aber ich hätte schon gerne gewusst, wie meine Mutter mich genannt hätte“, erzählte ich weiter und lächelte dabei. Ich war schon lange nicht mehr traurig, das war ich lange genug gewesen. Jetzt war ich dankbar für jede Information, die ich über meine Mutter hatte.

„Du klingst so positiv“, meinte auch Ed und ich lächelte.

„Ich bin dankbar dafür, dass ich überhaupt dieses Leben leben darf. Und ich weiß diese Chance gut zu nutzen, das bin ich meiner Mutter schuldig. Ich meine, erst bin ich ein dummer Unfall und dann bin ich die Einzige, die da lebend raus kommt. Ich bin echt erstaunt, wie gut mich meine Großeltern angenommen haben. … Und ich hab schon alle Phasen durch, die man haben konnte. Selbstbemitleidung, warum ist das Leben so unfair? Warum bin ich damals nicht gestorben, warum musste meine Mutter sterben? Warum mag mich keiner? Ich hab das alles schon durch, Ed. Und ich habe daraus gelernt und einen Entschluss gefasst. Ich bin ich und ich mache mein Ding so, wie ich es für richtig halte. Egal, was andere davon halten und ob mich keiner deswegen mag. Meine Mutter ist nicht umsonst gestorben und ich werde sie glücklich machen.“

„Das klingt echt schön… Aber Moment mal, du bist doch kein Unfall!“, wollte Ed mir widersprechen, doch ich wank ab.

„Meine Mutter wurde mit 18 schwanger und der Vater war nicht bekannt, Ed. Natürlich war ich nicht geplant gewesen. Da kann mir auch niemand was anderes erzählen. Und dennoch hat mir mein Opa immer wieder Geschichten darüber erzählt, wie sehr sich meine Mutter doch auf mich gefreut hatte und jeden in ihrer Umgebung damit angesteckt hatte. Dementsprechend, ich hab auch keine Geschwister, falls dich das interessiert“, setzte ich hinzu und Ed nickte nur.

„Ich glaube, ich sollte mir von deiner Zuversichtlichkeit mal ne Scheibe abschneiden“, murmelte Ed leise und war mittlerweile sichtlich außer Atem. „Das kann ich dir beibringen! Aber ich glaube, das reicht an Sport heute, du sollst heute Abend ja nicht vollkommen kaputt auf der Bühne stehen. Machen wir zum Abschluss ein Wettrennen? Wer zuerst bei den Duschen ist?“, wollte ich wissen und stellte dann mein Laufband ab.

„Wenn es sein muss“, keuchte Ed und schon war ich losgerannt. Eds Protest wurde mit der Zeit immer leiser.

+

Mit einem breiten Grinsen lief ich vollkommen zufrieden durch den Gang und konnte einfach nicht aufhören mich zu freuen.

„MAE!“, kam ich in den Raum gestürmt und Angesprochene erschreckte sich förmlich zu Tode, als sie mich sah.

„Was ist denn mit dir passiert?“, erwiderte sie aber nur und versuchte sich irgendwie aus dem Zettelberg zu befreien, in dem sie saß.

„Das könnte ich dich auch fragen, was tust du da?“, wollte ich von ihr wissen, während ich ihr mit einer Hand half, dem Chaos zu entrinnen. In der anderen Hand hatte ich eine kleine Überraschung für Mae, über die sie sich bestimmt freuen würde.

„Ich schreibe gerade an meinem Praktikumsbericht für die Uni, die Hälfte hab ich schon, aber die letzte Woche bin ich zu nichts gekommen, sodass ich jetzt so einiges nachzuholen hab“, erklärte sie kurz und ich war erstaunt. „Ich wusste nicht, dass du einen Bericht schreiben musst. Werde ich auch erwähnt?“, fragte ich gleich und sie wank ab.

„Es geht vor allem um Stuart und die ganzen Methoden, die er anwendet.

Ich hatte gestern erst ein unfassbar komplexes Fachgespräch mit ihm. Manchmal frage ich mich echt, ob ich wirklich ins Musikmanagement gehen soll“, zweifelte sie und ich sah sie an.

„Gefällt es dir nicht, hier auf Tour?“, hakte ich nach und sie zuckte mit den Schultern.

„Doch, schon, aber ich hab ja noch ein Semester, um mich zu entscheiden. Aber genug von mir, was wolltest du denn?“, fragte sie mich und ich fing wieder breit an zu grinsen.

„Rate!“, verlangte ich und Mae tat so, als würde sie schwer nachdenken.

„Nina und du heiraten?“, mutmaßte sie und ich verdrehte die Augen. „So ähnlich“, stupste ich sie in die richtige Richtung und gab ihr dann noch

einen Tipp. „Es hat was mit dem nächsten Leg der Tour zu tun.“ Und nun erhellte sich auch Maes Gesicht.

„Nicht dein ernst?! Du hast geschafft, dass sie mitkommt, oder?“, traf sie dieses Mal direkt ins Schwarze und ich strahlte sie an.

„Ja, für den gesamten Leg. Unfassbar, oder?“, grinste ich und sie streckte einen ihrer Daumen in die Höhe.

„Dann hast du ja genug Möglichkeiten, sie dir klar zu machen, Superstar“, lächelte sie und ich verdrehte die Augen.

„Oder so ähnlich. Jedenfalls wollte ich nur von meinem Triumph berichten, ein wenig gelobt werden und dir Kaffee vorbei bringen“, meinte ich und reichte ihr die Tasse. „Ich muss jetzt auch schon wieder los, wir sehen uns später, kleiner Chef.“

Sie nickte nur, nahm mir die Tasse ab und ich versuchte so schnell es ging den Raum zu verlassen. Schnell schloss ich die Tür und versuchte noch schneller zu flüchten, denn im nächsten Moment riss Mae die Tür wieder auf.

„SHEERAN!“, schrie sie über den gesamten Flur, während ich gerade um die nächste Ecke bog. „DAS BEKOMMST DU ZURÜCK!“, rief sie mir hinterher und ich hatte nur noch viel bessere Laune. Mae mochte entkoffeinierten Kaffee anscheinend gar nicht. Und auf ihre Rache war ich auch ziemlich gespannt. Auch wenn ich nicht glaubte, dass sie wirklich ein Mensch dafür war, sich zu rächen.

Dafür war sie einfach viel zu liebenswürdig.

+

„Mae?“, hörte ich Ed fragen und sah von meinem Blatt Papier auf. „Was machst du da?“

Ed kam zu mir herüber gerobbt und sah auf meinen Zettel. „Du kannst zeichnen?“, stellte er fest und ich lachte leise.

„Zeichnen können würde ich das nicht nennen, meine Menschen sehen ziemlich abstrakt aus, findest du nicht?“, wollte ich wissen und besah meine Figuren.

„Ich kann‘s schlechter! Du musst mich auch irgendwann mal zeichnen, das musst du mir versprechen!“, forderte er und ich nickte nur.

„Versprochen, versprochen. Aber hier geht es mir gerade nur um ein neues Design. Du musst wissen, ich nähe gerne“, erklärte ich ihm und er nahm mir meinen Zeichenblock aus der Hand.

„Hast du mir noch nicht erzählt, gut zu wissen. Aber warum sind die Kleider schwarz-weiß?“, wollte er wissen und ich seufzte.

„Ich habe es mal probiert, mit Farben zu zeichnen, aber mir hat immer diejenige Farbe gefehlt, die am besten gepasst hätte. Und es hat somit keinen Spaß mehr gemacht. Man kann schlecht mit Buntstiften Farben mischen. Und mit Pinsel ist es einfach so unpraktisch, weil ich damit nicht so gut meine Skizzen anfertigen kann. Mittlerweile mach ich es nur noch mit

Bleistift und habe dazu jeweils ein paar Farben im Kopf, die passen könnten.

Und wenn ich dann an Stoffbarren vorbei laufe, die passen könnten, nehme ich sie einfach mit“, erklärte ich und Ed nickte.

„Ich wette mir dir, dass Kleid, was du da trägst, ist auch von dir, oder?“, riet er und ich nickte nur.

„100 Punkte, Sherlock. Und jetzt lass uns los, dein Soundcheck wartet und ich muss noch ein paar letzte Eindrücke festhalten“, legte ich dann meine Sachen beiseite und hatte mir mein Handy in die Hand genommen, wollte gerade aus dem Bus, als Ed mich an der Schulter fest hielt.

„Was hast du da gerade gesagt?“, fragte Ed mich und sah mich ein wenig zu schockiert an.

„Ed? Ich gehe morgen?! Die vier Wochen sind rum“, erklärte ich das, was er eigentlich wissen müsste, und er sah mich noch perplexer an.

„Wie jetzt? Das kann doch gar nicht sein, du bist doch gerade erst dazu gekommen? Dann bist du ja auch beim Abschlusskonzert gar nicht mehr dabei?“, stellte er fest und sah mich noch komischer an. „Wir haben ja noch nicht mal deinen Abschied gefeiert! Oder sonst irgendwas gemacht!“ Seufzend versuchte ich Ed zu beruhigen.

„Hey, feiern wird nichts, dafür ist das Konzert viel zu spät, aber ich versprech dir, dass wir noch kurz Zeit verbringen und du dich in Ruhe von der nervigen, kleinen Praktikantin verabschieden kannst, ja?“, versprach ich ihm und auch wenn er nicht viel glücklicher aussah, nickte er. „Und jetzt musst du zum Soundcheck.“

Seufzend ergab er sich seinem Schicksal und verließ den Bus, ich folgte ihm nach kurzer Zeit. Es war wirklich Zeit, mich von allen zu verabschieden…

Tief durchatmend ließ ich mich neben Ed fallen und lehnte mich an seine Schulter. Theatralisch seufzte ich auf und Ed sah mich ziemlich merkwürdig an.

„Was ist mit dir denn los?“, wollte er wissen und legte sein Handy zur Seite, er war gerade bei WhatsApp on gewesen..

„Was mit mir los ist? Du hast gerade mit DER Nina Nesbitt geschrieben und die Möglichkeit lässt du wegen mir sausen?“, wollte ich wissen und er zuckte nur mit den Schultern.

„Anscheinend, bild dir aber nichts darauf ein! Also, was ist los, kleiner Chef?“, fragte er mich und drehte sein Handy extra nochmal um, sodass es ihn nicht anblinken konnte. Unfassbar.

„Abschiede voll für’n Arsch“, murmelte ich daher nur und Eds Mundwinkeln zuckten verdächtig. „Was?!“, maulte ich und nun lachte er lauthals los. „Es steht dir nicht, zu fluchen. Es passt einfach nicht zu dir“, erklärte er sich nun breit grinsend. „Aber kann ich verstehen, Abschiede sind immer fies. Man gewöhnt sich aber dran. Es ist ja nur eine Trennung auf Zeit, irgendwann sieht man sich wieder“, versuchte mich Ed ein wenig aufzumuntern und seine Worte beruhigten mich tatsächlich.

„Meinst du das ernst? Meinst du wirklich, wir werden uns wieder sehen?“, fragte ich ihn gerade heraus und er nickte.

„Absolut! Stuart sieht den ganzen Tag auch schon ein wenig traurig aus und die Crew ist auch nicht überglücklich, nachdem du dich schon mal verabschiedet hast. Du MUSST uns besuchen kommen, das ist doch klar! Da kommst du gar nicht drum herum“, versicherte Ed mir und legte mir einen Arm um die Schulten.

„Das klingt schön“, erwiderte ich und dann blieben wir einfach so sitzen, sagten nichts, saßen einfach nur da. Und es war wirklich ein schönes Gefühl. + Kapitel 1.6: Der Abschied +

„Ich vermisse sie jetzt schon. Stuart ist unerträglich, seit sie weg ist.“ (04.08.2011)

„ED?!“, klopfte Stuart an der Tür und trat dann ein. „Du hast nur noch eine viertel… Was macht ihr denn da?“, fragte er dann irritiert, als er mich und Mae auf dem Sofa sitzen sah. Ich hatte einen Arm um ihre Schultern geschlungen und tippte mit der anderen auf meinem Handy rum.

„Sie ist eingeschlafen und ich wollte sie nicht wecken“, erwiderte ich leise und Stuarts Ausdruck wurde freundlicher. „Es ist ihr letzter Tag, da sollte sie nicht nur arbeiten“, setzte ich hinzu und sah meinen Boss an. „Ich hoffe, du brauchtest nicht irgendwie ihre Hilfe.“ Er schüttelte nur mit dem Kopf.

„Ne, ne. Ich hatte sie nur gesucht. Du musst in einer viertel Stunde auf die Bühne. Bis gleich“, erklärte er mir und war dann wieder verschwunden. Es war also Zeit.

„Hey, Mae. Du musst aufwachen“, rüttelte ich an der Schulter des kleinen Chefs und betrachtete sie dabei, wie sie langsam die Augen aufschlug. „Mhm?“, machte sie nur und streckte sich ein wenig. „Wie spät ist es?“, wollte sie wissen und rieb sich über die Augen.

„In 15 Minuten muss ich auf die Bühne“, erklärte ich und stand dann auf, bevor ich in meiner Taschen nach was zum Anziehen kramte. Es war das Übliche, ein schwarzes Shirt und ne Jeans. Da konnte man nie was verkehrt machen.

„Warum hast du mich nicht früher geweckt. Ich hätte doch noch irgendwo helfen können!“, beschwerte sich Mae noch ziemlich schlaftrunken und ich schüttelte lachend den Kopf.

„Es ist dein letzter Abend, den genießt du gefällig! Schau dir das Konzert an, bitte! Und außerdem hast du mir versprochen, dass wir noch irgendwie deinen Abschied feiern, dafür musst du doch fit sein!“, erwiderte ich simpel und erst sah mich die Blondine irritiert an, dann aber lächelte sie. „Oder steht das nicht mehr?“

„Warum soll ich Sachen behaupten, die ich am Ende gar nicht tue? Sowas wäre doch komplett inkonsequent. Es wird super! … Ich werd mich dann aber mal kurz frisch machen, um noch was vom Konzert mitzubekommen. … Viel Spaß, Ed!“, wünschte sie mir und schenkte mir eine kurze Umarmung, bevor sie das Zimmer verließ und mir meine ruhige Zeit vor dem Konzert gönnte. Und ich konnte ihr nur hinterher schauen. Es gefiel mir immer noch nicht, dass sie morgen ging…

+

„Hast du dir heute besonders viel Mühe gegeben?“, fragte ich Ed, als er von der Bühne kam, und er grinste mich an.

„Ein Lob aus deinem Munde?“, entgegnete er und ich sah einfach nur zurück, lächelte dabei. Ja, das aus meinem Munde.

„Anscheinend. Aber genug geplaudert, das können wir später noch genug!

Los jetzt, unter die Dusche!“, entgegnete ich und schob ihn in die richtige Richtung. Er wehrte sich noch nicht mal. Gegen mich kam er doch eh nicht an.

Und so beeilte er sich wirklich und stand eine viertel Stunde später komplett fertig vor mir. Ich drückte ihm nur allen möglichen Kram in die Hand, all die guten Verkleidungs-Sachen. Aber das überforderte ihn anscheinend etwas. „Komm, wir machen jetzt mal was ganz Verbotenes. Stuart sollte am besten nichts davon erfahren. Und wenn er es doch tut, kannst du es auf mich schieben, ich bin dann ja eh nicht mehr da“, lachte ich leise und zog mir selbst eine große Mütze auf und wickelte mir einen großen Schal um, bevor ich mich mit Ed auf machte, die Halle zu verlassen. „Gott sei Dank ist es nachts noch ein wenig kälter, wir dürften nicht so sehr auffallen“, erklärte ich ihm und er verstand wohl endlich, was ich vor hatte. „Hier, nimm mal diese Tasche“, sagte ich noch und drückte ihm den Beutel in die Hand.

„Die Seite von dir kenn ich ja noch gar nicht“, lachte Ed leise, ich bedeutete ihm aber leise zu sein, während ich uns durch den Hinterausgang nach draußen führte.

„Kannst du rennen?“, wollte ich wissen und war im nächsten Moment los gerannt. Ich duckte mich, hielt mich hinter Autos versteckt, und kam erst ein paar Kreuzungen weiter zum Stehen.

„Gott Mae, ich hab heute ein Konzert hinter mir, das ist anstrengend genug!“, jammerte Ed leise, als er zu mir aufschloss, und dieses Mal konnte ich nur leise lachen. Wir waren ja weit genug weg.

„Dann musst du wohl mehr trainieren, da hinten will ich hin!“, erklärte ich ihm und lief dann die paar Meter zu der Bank, die ich heute früh, als wir hier mal vorbei gefahren hatten, gesehen hatte. Sie war ein wenig abseits, es kamen wenige Menschen vorbei, aber man konnte sehr gut die Menschen beobachten, die auf ihre Busse warteten. Quasi mein perfekter Platz. „Hier! Ich hoffe, du magst Sekt! Etwas anderes hab ich auf die Schnelle nicht auftreiben können“, meinte ich dann und kramte in Eds Beutel nach den zwei Mini-Flaschen und drückte ihm eine davon in die Hand.

„Unfassbar, sogar mit Sekt. Du bist vorbereitet“, staunte er nicht schlecht und wartete dann darauf, dass ich auch meine Flasche geöffnet hatte, bevor er mit anstieß.

„Auf dich?“, suchte er etwas, worauf wir anstoßen könnten, und ich lachte nur leise.

„Auf die letzten vier Wochen“, ergänzte ich und dann saßen wir da, tranken unserer Sekt, schwiegen und starrten die Menschen an.

„Schau, siehst du den da?“, fing ich irgendwann an und zeigte auf den Mann, der nervös auf und ab lief und sich dann irgendwann eine Zigarette anzündete. „Was meinst du, wie war sein Tag heute? Ich finde, er sieht nicht begeistert aus. Irgendwas lief heute so richtig scheiße für ihn und er hatte so viel zu tun, dass er gar keine Zeit hatte, genug zu rauchen. Und das muss er jetzt ganz dringend nachholen“, philosophierte ich und kramte dann in Eds Beutel nach etwas zu essen.

„So gestresst sieht er nicht aus. Ich finde, er sieht einfach nur traurig aus“, erwiderte Ed leise und nahm sich etwas von der Schokolade, die ich eingepackt hatte.

„Vielleicht ist er auch eifersüchtig?“, mutmaßte ich weiter und sah dann auf meine Finger. „Eifersucht ist was ganz schön Bescheuertes, oder? Ich meine, es lohnt sich doch absolut nicht, eifersüchtig zu sein. Entweder dein Typ ist dir treu und ihr werdet glücklich oder er geht fremd. Dann kannst du ihn aber so oder so auf den Mond schießen. Wieso also eifersüchtig sein, es kommt ja eh raus, und lieber eine gute Zeit haben oder ständig daran zu denken, was sein könnte, wenn dein Typ ne andere liebt“, redete ich weiter und zeigte dann auf die nächste Personengruppe.

„Die beiden sehen ziemlich verliebt aus“, meinte Ed und ich lächelte. „Die hängen ganz schön aneinander. Moment, das Mädel hab ich heute auf deinem Konzert gesehen! Unfassbar, die haben ganz schön rumgeturtelt“, lächelte ich und Ed sah mich an.

„Wo standest du denn? Ich hab dich gar nicht gesehen?“, wollte er wissen und ich dachte gerne an die letzten Stunden zurück.

„Ich hab mich nach ganz hinten gestellt, zu so ein paar anderen netten Menschen, und wir sind total abgegangen. Man hatte genug Platz und die anderen hatten auch schon genug intus, sodass das eigentlich ziemlich cool war“, erzählte ich ihm und er nickte.

„Das liebe ich ja an meinen Konzerten, wenn die Leute wirklich mitmachen und einfach Spaß haben“, stimmte er mir zu und schaute weiter in dem Beutel nach, was ich noch so mit hatte. „Zwei Flaschen Bier?“, lachte er dann und ich zuckte mit den Schultern.

„Mehr konnte ich auf die Schnelle nicht auftreiben. … Die beiden da vorne wollen bald heiraten, jedenfalls haben sie das erzählt“, redete ich weiter und sah den Turteltauben dabei zu, wie sie sich romantisch küssten. Es war so schön, sowas zu sehen.

„Dann kann man nur hoffen, dass das auch hält, und sie sich nicht irgendwann auseinander leben und scheiden lassen“, meinte Ed und warf mir einen kurzen Blick zu.

„Ich hasse die hohe Scheidungsrate heutzutage. Ich meine, früher, da hat man sich nicht einfach spontan geschieden, wenn es mal nicht lief. Früher hatte das Wort Ehe noch eine komplett andere Bedeutung. Man versprach sich, bis ans Ende seiner Tage zusammenzubleiben. In guten wie in schlechten Zeiten. Man hat sich auch dann noch geliebt, als alles den Bach runter ging, man hat sich wieder zusammengerauft, man ist zusammen geblieben und war am Ende doch irgendwie glücklich, weil man die Person, die man da geheiratet hat, wirklich geliebt hat. Klar, es gibt immer Ausnahmen, aber wenn ich so sehe, wie Leute so spontan heiraten und … ich versteh es nicht. Man kann nicht immer das Handtuch werfen, wenn es einmal schwer wird. Man muss doch kämpfen für das, was man liebt, oder nicht? … Oder nicht, Ed?“, redete ich mich mehr in Rage als ich sollte und musste erstmal wieder herunter kommen. „Sorry“, murmelte ich leise, aber Ed wank ab.

„Du bist echt die Gesellschaftskritik vereint in einer Person. Du bist unglaublich“, schüttelte er den Kopf und so ein Kompliment hatte ich schon lange nicht mehr bekommen.

„Ich gebe mir die größte Mühe. … Hm, was würdest du zu dir sagen, wenn du dich jetzt von außen betrachten würdest?“, wollte ich dann wissen und sah ihn an. „Im ersten Moment würde ich persönlich zwei komische Menschen sehen, die mitten in der Nacht auf ner Bank picknicken“, lächelte ich und forderte Ed dann auf, etwas zu sagen.

„Ich würde zwei Menschen sehen, die wirklich gut miteinander auskommen. Die sich ernst nehmen, die für einander da sind. Eine der beiden Personen sieht wahrscheinlich gerade ein wenig niedergeschlagen und kaputt aus. Und die andere strahlt wie die Sonne. … Verrat mir dein Geheimnis Mae, warum bist du noch so unfassbar munter? Wir sind doch beide um 6 Uhr aufgestanden“, fragte er mich dann und ich lachte leise in mich hinein. „Ach, meine biologische Uhr hab ich schon längst zerschossen. Ich sollte wohl nicht so viel Kaffee trinken. Und ich weiß nicht, ich liebe die Nacht. Allein dafür lohnt es sich schon auf zu bleiben, oder? Vor allem jetzt gerade. Ich sitze gerne einfach nur da und beobachte Menschen“, erklärte ich ihm und öffnete dann das Bier, was noch neben uns stand.

„Hast du eigentlich einen Freund?“, wollte Ed dann von mir wissen und ich sah ihn an. Die Frage überraschte mich und ich wusste erst nicht, was ich antworten sollte. „Warum zögerst du?“, fragte Ed so auch und ich sah auf meine Hände, lächelte sie an. Es war ja so kompliziert.

„Ich musste die Frage erst mal verstehen und hab kurz drüber nachgedacht.

Nein, im Moment nicht. Ich bin wohl nicht für längerfristige Beziehungen gemacht“, erwiderte ich und dachte an all die Geschichten, die ich schon geschrieben hatte.

„Du verdienst jemanden, der dich genau so liebt, wie du bist. Gebe dich bloß nicht mit jemanden zufrieden, der das nicht so sieht, Mae“, sprach Ed leise und sah mich dabei nicht an.

„Das sind schöne Worte, Ed. Vielleicht sollte ich mir sie echt mal zu Herzen nehmen“, seufzte ich und sah in den Nachthimmel. Bisher hatte ich leider nicht darauf gehört.

„Ich mir auch, Mae, ich mir auch“, seufzte er und nahm sich sein Bier, um mit mir anzustoßen.

+

„Guten Morgen, kleiner Chef“, weckte ich Mae, nachdem ich sie mindestens fünf Minuten einfach nur betrachtet hatte.

„Lass mich“, murmelte diese aber nur und ich lächelte. Ich würde sie echt vermissen. Sie hatte sich so gut in das ganze Team integriert…

„Du musst aufstehen, wir müssen bald zum Flughafen“, erwiderte ich aber nur und versuchte ihr die Decke weg zu nehmen, die sie sich über den Kopf gezogen hatte.

„Du musst doch gar nicht zum Flughafen?“, fragte sie dann aber und rollte sich aus ihrer Koje.

„Wieso denn das nicht? Ich muss dich doch gebührend verabschieden?“, entgegnete ich und sie sah zu mir nach oben.

„Dann bleibst du aber im Auto, ich will nicht, dass du erkannt wirst“, meinte sie dann und kramte in ihrer Tasche nach etwas zu anziehen. Vielleicht hatte sie recht, es klang irgendwie vernünftig.

„Dann mach dich mal fertig“, verabschiedete ich mich und ging zurück nach vorne in den Aufenthaltsbereich.

„Ist sie wach?“, fragte mich Stuart und ich nickte nur, bevor ich mich neben ihn fallen ließ und mir eine Zeitschrift nahm. „Alles klar. Wir sind in einer halben Stunde an der Halle und dort bringt uns ein Van zum Flughafen.“ Und wieder nickte ich nur, versuchte mich irgendwie abzulenken. Das alles hier gefiel mir wirklich nicht.

„Wow“, murmelte ich, als Mae zu uns stieß und ich sie richtig betrachten konnte. „Hast du heute noch was vor?“, wollte ich von ihr wissen und sie sah an sich herunter?.

„Warum? Weil ich mich ‚hübsch‘ gemacht hab?“, fragte sie und ich nickte nur. „Dann muss ich dich enttäuschen, ich hab mich gar nicht hübsch gemacht. Ich hab einfach genau das angezogen, worauf ich Lust habe“, lächelte sie und war gerade dabei, ihre letzten Sachen in ihren Koffer zu räumen. „Ich glaube, ich hab alles.“

„Dann los“, meinte Stuart nur und trat aus dem Bus, wir folgten ihm auf dem Fuße.

„Aber du sitzt doch die meiste Zeit im Flugzeug“, unterhielt ich mich weiter mit Mae und wollte ihr den Koffer abnehmen, aber das ließ sie nicht zu. „Ja und? Darf man da nicht das anziehen, worauf man Lust hat? Es ist doch komplett egal, wer mich am heutigen Tag in welchen Klamotten mich noch sieht. Ich kann auch einfach in nem Schlabberrock rumlaufen und das mache ich auch genau dann, wenn ich Lust dazu habe – auch wenn ich den ganzen Tag unterwegs bin. Es ist doch vollkommen egal, was andere Menschen von meinem Aussehen halten. Ich mache mich doch nicht für die anderen Menschen da draußen hübsch, sondern für mich. Ich möchte mich wohl in meiner Haut fühlen und wenn ich dazu ein Blümchenkleid brauche, dann trage ich eines, und wenn ich lieber nen dicken, weiten Pullover möchte, ziehe ich einen an. Ich hasse diese aussehensfixierten Menschen“, seufzte sie, sah mich dann aber versöhnlich an. „Es tut mir leid, ich sollte mich nicht so aufregen, aber wenn man erstmal angefangen hat, die Menschheit auseinander zu nehmen, kann man so schlecht aufhören“, zuckte sie mit den Schultern und packte ihren Koffer in den Kofferraum. Ich lächelte nur schief zu ihr herüber. Genau das war einer dieser Punkte, die ich auf jeden Fall vermissen würde. Mae war einfach unfassbar ehrlich, erfrischend ehrlich. Und diese Ehrlichkeit erlebte ich leider viel zu selten.

„Mae! Das hab ich vollkommen vergessen: Krieg ich noch deine Handynummer?“, fiel es mir ein, als wir fast auf dem Parkplatz vom Flughafen ankamen und ich hielt ihr mein Handy hin.

„Klar, warum sind wir da nicht früher drauf gekommen?“, fragte auch Mae sich und tippte ihre Nummer ein. Gleich schickte ich ihr eine Nachricht, damit sie auch meine hatte.

„Aber gut, ich hole mal meine ganzen Sachen und dann verabschiede ich mich richtig“, lächelte Mae mich an und stieg dann aus, während sie Stuart und mich zurück ließ.

„ED!“, sprach mich dieser auch gleich an, nachdem Mae die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Was sollte das denn? Kannst du bitte aufhören, immer so offensichtlich mit ihr zu flirten? Ansonsten muss ich dir leider den Kopf abreißen“, raunte er mich an und ich konnte ihn nur verwirrt anschauen. Ich wusste echt nicht, was in ihn gefahren war. Ich sollte wohl bald mal mit ihm darüber reden. Aber in Ruhe.

„Ich hab nichts gemacht!“, versuchte ich mich zu rechtfertigen, doch im nächsten Moment hatte Mae die Tür geöffnet.

„Ich muss jetzt wirklich los, mein Flug geht gleich. Ich danke dir echt, dass du mich so super aufgenommen hast! Das ist keine Selbstverständlichkeit, immerhin bin ich nur eine kleine Praktikantin gewesen. Aber diese vier Wochen waren unfassbar und ich würde mich echt freuen, wenn ich euch alle mal besuchen kommen dürfte“, bedankte sie sich ehrlich bei mir und zog mich in eine große Umarmung, bevor sie zu Stuart auf den vorderen Sitz kletterte.

„Und du weißt, wie dankbar ich dir bin. Ich hoffe, ich hab mich nicht all zu schrecklich angestellt“, wandte sie sich an Stu und zog auch ihn umständlich in eine Umarmung. „Ich ruf dich an! Und du brauchst nicht mitkommen, ich werde ein wenig rennen müssen. … Vergesst mich nicht, ihr Chaoten! Hab ein tolles Abschlusskonzert, Ed! Und mach dir Nina endlich klar, sonst setzt es was“, meinte sie als abschließende Worte und war im nächsten Moment aus dem Van verschwunden. Seufzend blickte ich ihr hinterher, wie sie aufs Flughafengebäude zu eilte und im Eingang verschwand.

„Da lerne ich sie erst vor drei Monaten kennen und jetzt ist sie schon wieder weg“, murmelte Stuart leise, bevor er den Wagen startete und davon fuhr, Mae komplett hinter uns ließ. „Und wie gesagt, sie ist keine dieser Stars, mit denen du sonst immer abhängst, also: Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmen wirst, dann reiße ich dir höchstpersönlich alle Gitarrenseiten von deinen Gitarren und schmetter die Korpusse gegen die nächstbeste Hauswand“, brummte Stuart und ich war nur noch viel verwirrter als eben, nickte dann aber nur und kramte mein Handy aus der Tasche.

‚Komm wieder zurück, Stuart grillt mich gerade mit seinem Blick‘, tippte ich gedankenverloren in den noch leeren WhatsApp-Chat und drückte dann auf Senden.

+ Zwischenspiel: Tenerife Sea +

‚Should this be the last thing I see

I want you to know it's enough for me

'Cause all that you are is all that I'll ever need‘

„Ich… es ist wohl Zeit für das erste Lied, oder?“, lächelte Ed ins Mikrophon und ich beobachtete ihn genau. Wie lange hatten wir auf diesen Moment hingearbeitet – und nur noch ein paar Lieder, die üblichen Songs, dann war es endlich soweit.

„So ist es, ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass du …“, begann der Moderator, doch Ed wank ab. Und das irritierte mich, das hatten wir so nicht abgesprochen. Was war hier los?

„Ja, eigentlich war es geplant, dass ich hier komplett andere Lieder singe, aber ich habe meine Meinung geändert“, erklärte sich Ed und der Moderator schaut verdutzt aus der Wäsche, mir ging es aber ähnlich. „Und das Ganze wird vielleicht ein wenig anders klingen, als man es von mir gewohnt ist. Meine Loop Pedals sind gerade schon auf dem Weg nach Australien, aber mal schauen... Das erste Lied… das kennt ihr sicher alle und eignet sich besonders für so eine gemütliche Runde“, fing er an und sah dann kurz zu mir nach oben.

‚So in love…‘

„Oh Gott, er hat gerade in unsere Richtung geschaut“, hörte ich von hinten Stimmen und konnte nur Schmunzeln, während ich versuchte ganz ruhig zu bleiben.

„Er hat nicht zu uns geschaut. Siehst du dort, zwei Reihen vor uns, da sitzt Stuart! Und neben ihm ist ein Platz frei. Und schau mal, wer daneben sitzt!“, raunte eine weitere Stimme ein wenig zu laut und das mit dem Ruhigbleiben war einfacher gesagt als getan.

„Scheiße, das ist doch Mae?!”, murmelte die andere und ich rutschte tiefer in meinen Sitz.

„Ich glaube, Beth, der Abend wird noch ganz anders enden als wir das je geglaubt haben. Irgendwas wird heute noch passieren“, hörte ich die andere Person wieder sagen und schluckte. Wie recht sie doch hatten. Und wie wenig ich selbst im Moment doch davon wusste. Dass Ed die Songs ändern wollte, dass hatte er mir nicht gesagt. Und ich ahnte Böses.

„Ich… Ich weiß nicht, ob ich dir das schon mal gesagt habe, Darling, aber…”, meinte Ed dann, riss mich aus meinem Versuch, das Gespräch der beiden Mädchen zu belauschen, und fing an zu spielen. Einige hier kreischten, als sie die Melodie erkannten, ich rutschte nur weiter in meinen Sitz. Und mein Herz, das fing an zu schlagen …

‚You look so wonderful in your dress, I love your hair like that

The way it falls on the side of your neck down your shoulders and back‘

+ + +

(Lyrics: Ed Sheeran – Tenerife Sea)

+ Kapitel 2.1: Das Wiedersehen +

„Es ist ja nicht so, dass ich neidisch wäre. Aber verdammt, war ich neidisch auf Mae.“ (08.10. 2011)

„NINA!“, rief ich durch die stillen Räumlichkeiten und suchte nach meiner Freundin. Sie konnte doch nicht so einfach verschwinden! „Hey, Süße“, lächelte ich sie dann aber an, als ich sie schließlich gefunden hatte, und kam auf sie zu. „Ich wollte mich kurz verabschieden“, fing ich an und zog sie dann zu mir, um ihr einen Kuss auf die Lippen zu hauchen. Warum musste sich das nur so gut anfühlen?

„Rufst du mich an, wenn du da bist?“, wollte sie wissen und ich nickte sofort. „Natürlich. Und wir sehen uns doch in zwei Tagen wieder“, lächelte ich und strich ihr ein paar ihrer Strähnen aus dem Haar. „Mach nicht mehr so lange, du siehst müde aus“, murmelte ich dann leise und zog sie wieder zu mir. „Du kennst mich, nachts bin ich am kreativsten“, zuckte sie mit den Schultern und ich nickte nur. Ich ja auch.

„Bis Donnerstag. Ich ruf dich an“, verabschiedete ich mich von ihr und verließ nach dem vierzehnten Abschiedskuss schlussendlich das Tonstudio. Nina konnte manchmal ziemlich anhänglich und besitzergreifend sein, aber niedlich war es ja schon.

Leise vor mich hin summend stieg ich in das Taxi, was ich mir gerufen hatte, und ließ mich dann zum Flughafen fahren. Warum Stuart gerade diesen einen Termin für so wichtig erachtete, war mir ein Rätsel, aber er wusste, was er tat, von daher flog ich natürlich quer durch England, um diesen Termin wahr zu nehmen. Und ich hatte immerhin eine Ausrede, mal wieder in London zu sein.

Mein Blick fiel auf das kleine Paket, das ich neben mir stehen hatte, und mein Lächeln wurde noch breiter. Das würde ein verdammt guter Kurztrip werden, soviel war sicher.

+

Wie ich es doch hasste. Eigentlich hatte ich ja nichts gegen die Uni und die meisten Professoren, die wir hatten, waren echt in Ordnung, aber manchmal fragte ich mich wirklich, warum man so spät noch Vorlesungen haben musste… Mittlerweile war es viertel vor acht, ich hatte gerade meine Unitasche von mir geworfen und war echt froh, endlich zuhause zu sein. Und eigentlich hatte ich ja auch nichts gegen späte Vorlesungen. Dienstags hatte ich auch eine, die bis 19.30 Uhr ging, aber das war dienstags. Heute war Freitag. Das war die reinste Folter…

Obwohl, eigentlich waren diese Freitage gar nicht mal so schlimm, denn seit ein paar Wochen wurde ich immer bestens unterhalten, denn Ed hatte es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht, mir meinen Unialltag versüßen zu wollen. Und es gelang ihm unfassbar gut. Ich wurde bestens über den neusten Klatsch und Tratsch in der Family informiert und bekam jeden Freitag Wochenupdates, was ich alles so verpasste. Und auch, wenn mich das alles eigentlich traurig stimmen sollte, dass ich nicht da war, liebte ich es, diese Nachrichten zu bekommen.

„Wartest du kurz, Kel? Ich muss mir eben die Schuhe ausziehen“, meinte ich dann kurz und legte im nächsten Moment das Handy aus der Hand, um irgendwie aus meinen Schuhen zu kommen. Dann nahm ich mir das Handy wieder und lief ins Wohnzimmer.

„Du bist schon zuhause?“, wollte Kelsey von mir wissen und ich bejahte nur. Es war mittlerweile ein kleines Ritual geworden, dass wir – obwohl wir uns in der Uni die ganze Zeit gesehen hatten – den Weg nach Hause über telefonierten. Vielleicht lag es daran, dass wir beide immer durch ziemlich dunkle und einsame Gassen mussten, bevor wir zu Hause waren, oder es war der Tatsache geschuldet, dass wir während der Vorlesung nie tratschen konnten, aber irgendwie beruhigten mich diese Gespräche ungemein. „Ich bin fast da. Und irgendwie ist es heute Abend so unfassbar leer auf den

Straßen, fast schon gruselig… Apropos gruselig, hast du heute mal auf Joshua geachtet?“, wollte sie wissen und ich hörte ihre Schuhe auf dem harten Pflaster widerhallen.

„Was hat er heute schon wieder getan?“, wollte ich seufzend wissen und versuchte mir mit einer Hand meine Jacke auszuziehen.

„Das ist dir nicht aufgefallen? Er hat dich gefühlt 90% der Vorlesung angestarrt. Wann gibt’s du ihm endlich mal ne Chance und gehst mit ihm aus?“, redete meine Freundin auf mich ein und ich lächelte schief. „Wenn er sich vielleicht mal traut, mich nach nem Date zu fragen?“, war dieselbe Antwort wie immer und nun seufzte Kelsey. War doch wahr… Gerade, als ich mich mit einer freien Hand komplett aus der Jacke befreit hatte, klingelte es… Es war ein Freitagabend, kurz vor 20 Uhr, und es klingelte! Ich hasste diese Person jetzt schon. Egal, was sie wollte. So trottete ich dann aber doch zur Tür, ich war ja zur Höflichkeit erzogen worden. Als ich die Tür schließlich geöffnet hatte, wusste ich im ersten Moment nicht, ob ich Angst haben oder ob ich schallend loslachen sollte.

Das Bild, was sich mir gerade bot, war grandios.

„Kel? Bist du zuhause?“, fragte ich Kelsey kurz angebunden und sie bejahte.

„Gerade durch die Tür gekommen“, erwiderte sie und ich nickte nur. „Ich muss Schluss machen, es hat gerade geklingelt, ich ruf dich morgen an“, verabschiedete ich mich schnell und wandte mich an die Person an der Tür. Das war doch unfassbar!

„Von wem hast du die Adresse?“, fragte ich grinsend und konnte nur immer wieder den Kopf schütteln.

„Du erkennst mich?“, fragte Ed dagegen ein wenig irritiert, während er sich den Schal aus dem Gesicht zog und auch die Mütze abnahm. „Und ich hab

Stuart gefragt. Hab ihm gesagt, ich will dir was schicken.“

„Von wem auch sonst“, murmelte ich leise, öffnete die Tür dann aber ein Stück weiter und ließ Ed eintreten. „Ich kann für dich hoffen, dass dich keiner gesehen hat“, fügte ich dann lauter an den Sänger gerichtet hinzu, der mittlerweile seine komplette Vermummung abgelegt hatte. Er hatte eben auch echt komisch ausgesehen.

„Keine Sorge, mir ist niemand gefolgt. Und da ich eh in der Stadt war, dachte ich, ich bring mein Paket gleich selbst vorbei. Hier!“, grinste Ed dann breiter und reichte mir einen mittelgroßen Karton, den ich skeptisch annahm. „Ein Paket? Für mich? Geburtstag hab ich nicht, Ed. Womit soll ich das denn verdient haben?“, wollte ich wissen und schüttelte das Paket vorsichtig.

„Für alles, was du während der Zeit bei uns getan hast. Nina und ich sind zusammen und naja, ich glaube, ich wollte mich bedanken? Hoffentlich störe ich nicht. Wolltest du noch weg gehen?“, fragte er dann, da ich immer noch mit meinen ganzen Sachen in der Hand im Flur stand.

„Ne, ne, fühl dich wie zuhause, ich hatte nur noch vor, ein paar Serien zu schauen. Das lässt sich glaube ich verkraften. Und … danke. Dennoch frage ich mich: Willst du wirklich nur das Paket vorbei bringen oder ist das Paket eher der Vorwand, um vorbei zu kommen?“, wollte ich dann wissen und Ed lachte leise, während er seine Jacke zu meinen hängte und sich die Schuhe von den Füßen kickte.

„Wohl eher letzteres. Naja, sagen wir es so, ich hab deine Sticheleien die letzten Wochen ziemlich vermisst. Deine Ehrlichkeit und deine Schikanen und deine guten Ratschläge auch, Stuart alleine kann manchmal echt langweilig sein“, meinte er dann und ich konnte nur anfangen zu grinsen.

Sticheleien konnte er haben, den Rest sowieso.

„Danke für die positive Beleidigung – oder auch negative Kompliment? Je nachdem. Aber komm rein, kann ich dir was anbieten? Hunger, Durst? Fühl dich bitte echt wie zu Hause, Ed!“, machte ich ihm nochmal klar, bevor ich die Tür zu meinem Wohnbereich öffnete und Ed mir auf dem Fuße folgte.

„Wie zu Hause fühlen kann ich gut“, meint er nur und fuhr sich gedankenverloren durch die Haare. „Darf ich heute hier bleiben?“

Abrupt blieb ich stehen, drehte mich in der Tür um und Ed wäre fast in mich reingelaufen. Ich konnte ihn nur kopfschüttelnd anschauen.

„Du hast ne Wohnung hier in London?“, erinnerte ich Ed und er zuckte nur mit den Schultern.

„Ja und? Ich hab dich so lange nicht mehr gesehen und bald bin ich ja auch schon wieder weg“, versuchte er sich zu erklären.

„Es waren doch nur zwei Monate! Und außerdem kennen wir uns noch gar nicht so lange“, erwiderte ich, zuckte dann aber ebenfalls mit den Schultern. „Aber meinetwegen, auch wenn die Couch glaube ich nicht sehr bequem ist“, setzte ich dann aber fies grinsend hinzu und drehte mich wieder um, um meinen Weg dann fortzusetzen. Ich brauche jetzt unbedingt eine Schere, um das Paket aufzumachen.

Ohne weiter auf Ed zu achten lief ich in die Küche und konzentrierte mich nur noch auf das Paket. Ich liebte Geschenke!

+

„Wow!“, sagte ich in die Stille hinein und war stehen geblieben. Mae hatte angefangen mich zu ignorieren, was ich mittlerweile aber gewohnt war, und nun stand ich hier und kriegte wortwörtlich meinen Mund nicht mehr zu. Ich hatte selten etwas Gemütlicheres gesehen als dieses Wohnzimmer. Ernsthaft! Ich wusste nicht, was genau es war, was mich hieran so faszinierte und fesselte, aber es war einfach so unfassbar gemütlich, man hatte gleich das Gefühl zu Hause zu sein.

Meine Augen wanderten langsam den Raum entlang. Großer Fernseher, davor ein rotes Sofa, ein riesiger, flauschiger roter Teppich und ein überfüllter Couchtisch. Und jedes freie Stück Wand war übersäht von irgendwelchen Schränken oder irgendwelchen Fotos. Man konnte fast nicht mehr die Tapete erkennen. Ein alter Plattenspieler stand in der Ecke auf einem Regal voller Schallplatten, überall waren Bücher im Raum verteilt und die Treppe, die im Raum war, hätte ich fast nicht als Treppe erkannt, weil sie komplett geschmückt war. Unfassbar.

Mein Blick ging weiter und an einer der Wände waren zwei Türen zu sehen. Durch eine der beiden war Mae gerade verschwunden, sodass ich erst mal ganz dreist in die andere schaute.

Ein Bad. Klein, nur eine Dusche, keine Badewanne, helle Fliesen – und alles vollgestellt, jeder Platz wurde genutzt.

Kopfschüttelnd verließ ich den Raum wieder und wandte mich dann der anderen Tür zu, wahrscheinlich die Küche.

Und dort saß Mae am Küchentisch, hatte das Füllmaterial des Paketes über den gesamten Tisch verteilt und strahlte. Anscheinend hatte ich mit meinen Geschenken alles richtig gemacht.

„Eigenwerbung also“, war jedoch ihr einziger Kommentar und hielt die Vinyl von The A Team in die Höhe. Mein Grinsen wurde noch breiter.

„Wenn ‚+‘ endlich auf Platte rauskommt, kriegst du auch eine. Versprochen“, erwiderte ich aber nur und sie nickte begeistert.

„Das hört sich nach nem Plan an. Aber echt mal, vielen Dank für den ganzen Kram, ist zwar alles ziemlich random, aber ziemlich genial!“, erwiderte sie dann und zeigte auf das Chaos, was sie auf dem Tisch angerichtet hatte. Und ich freute mich, dass es ihr gefiel.

Ich hatte lange überlegt, was Mae gefallen könnte. Sie hatte mal mit mir über Schallplatten geredet, von daher war die Single nicht so schwer gewesen, und beim Rest hatte ich einfach mal gehofft. So gut kannte ich Mae noch nicht, als dass ich sie genau einschätzen könnte. Aber ich war zufrieden mit meiner Ausbeute. Neben der Platte hatte es noch ein Plektrum von mir, ein Foto von uns beiden, das Stuart geschossen hatte und auf dem wir einfach nur vollkommen bescheuert aussahen, ein Foto von uns Dreien, das einigermaßen gelungen war, und eine Tasse, und zwar genau die Tasse, die sie im Tourbus vergessen hatte und in der ich für sie mal Kaffee besorgt hatte, ins Paket geschafft.

„Hilfst du mir mal kurz?“, riss mich Mae aus den Gedanken und hielt mir ihren Arm hin. Ich konnte sie nur verwirrt anschauen.

„Was soll ich machen?“, fragte ich verwirrt nach und sie schob den Arm weiter zu mir.

„Das Plektrum nehmen und das an mein Armband basteln, das geht so schwer mir einer Hand und ich habe keine Lust, das Armband abzunehmen“, erwiderte sie nur und drückte mir dann das Plek in die Hand. Ich sah sie nur erstaunt an.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du das ernsthaft tragen würdest“, gab ich zu, sie sah aber nur ebenso erstaunt zurück.

„Wieso denn nicht? Es ist weinrot. Du dürftest mittlerweile mitbekommen haben, dass ich rot ziemlich gern hab. Und es wird mich immer an die vier Wochen auf Tour erinnern. Das war schon eine verdammt gute Zeit“, erklärte Mae als ob es das Selbstverständlichste der Welt wäre und ich sah sie nur an.

„Obwohl ich es dir nicht leicht gemacht habe“, gab ich zu und sie fing wieder an zu grinsen.

„Ich dir doch auch nicht, Ed“, stimmte sie mir zu und betrachtete dann mein fertiges Werk. Sie schien zufrieden.

„Steht mir, oder?“, wollte sie scherzend von mir wissen, bevor sie aufstand und versuchte, das Füllmaterial wieder ins Paket zu kriegen, die Hälfte dabei aber schön auf dem Boden landete. Und wie sie da so stand, konnte ich nicht anders als wirklich laut loszulachen. Ja, ich hatte sie vermisst. Und das sehr.

„Lass mal, ich mach das“, erbarmte ich mich dann aber und sie drückte mir wortlos das Paket in die Hand.

„Dann fang ich schon mal mit dem Essen an. Ich hoffe, du hast Hunger?“, ließ sie sich aber nicht beirren und ich nickte nur. Essen klang immer gut. Immer.

+

„Es sieht auf jeden Fall schon mal sehr gut aus“, hörte ich Eds Stimme neben mir, während er über meine Schulter auf die Pfanne schaute. Ich hatte nicht mehr viel da gehabt, von daher wurde es ganz einfach Nudeln mit einer Tomatensoße, nichts Spektakuläres. „Wie lange wohnst du hier eigentlich schon?“, wollte er dann noch wissen und ich lächelte.

„Seitdem ich 16 oder fast 17 bin, also vier Jahre. Damals stand ich aber noch unter Aufsicht, aber immerhin durfte ich alleine wohnen“, erwiderte ich, während ich Ed den Pfannenwender in die Hand drückte und ihm andeutete, die Soße weiter zu rühren. Währenddessen kümmerte ich mich um die Nudeln.

„Wieso schon so früh?“, fragte er irritiert und ich seufzte. Der Grund, warum ich hier war, war wirklich nicht schön.

„Da ist meine Großmutter ins Pflegeheim gekommen, wegen ihrer Demenz“, erklärte ich kurz und Ed schluckte merklich, zögerte.

„Tut mir leid“, begann er dann und sah zu mir. „Wenn du da mal genauer drüber reden möchtest, höre ich gerne zu“, schob er dann ein wenig bedachter nach, doch ich wank ab.

„Ach was, im Moment geht’s mir super, ich bin hier zuhause. Und werde auch Gott sei Dank in näherer Zukunft nicht ausziehen“, lächelte ich daher nur und nahm Ed wieder den Pfannenwender ab. Die Nudeln waren im Wasser, mein Gast durfte sich wieder ausruhen.

„Was ich eigentlich sagen wollte: Es ist hier ungeheuer gemütlich und heimisch und so unglaublich wundervoll“, kriegte er stimmungsmäßig die Kurve und ich schmunzelte.

„Nicht eher chaotisch und vollgestellt?“, wollte ich wissen und sah mich in der Küche um. Überall lagen Sachen herum.

„Ach was, ich finde genau das passt so unfassbar gut hier her. Ich glaube, ich werde nie wieder gehen“, lächelte Ed zurück und machte es sich auf einem der beiden Küchenstühle gemütlich.

„Wie du möchtest, Ed. Ich werde dich nicht rausschmeißen. Was mich aber noch interessieren würde: Wie hat sich mein Vater eigentlich angestellt, als ich weg war. Wer war besser? Wir haben lange nicht mehr telefoniert“, wollte ich dann aber doch wissen, während ich zwei Teller auf den Tisch stellte und Besteck dazu legte. „Messer? Löffel?“, wollte ich dann noch wissen und hielt Ed beides vor die Nase.

„Löffel. Aber Moment mal, dein Vater?“, erwiderte der Sänger sichtlich verwirrt und ich sah skeptisch zurück.

„Bist du nicht mehr ganz wach? Stuart? Dein Manager? Oder denkst du, ich würde was mit nem Mann anfangen, der doppelt so alt ist wie ich“, grinste ich dann breit und schüttelte über den Gedanken den Kopf. Natürlich, ich hatte nichts dagegen, mit einem älteren Mann zusammen zu sein, aber so alt musste er dann auch nicht sein.

„Du kannst es besser. Aber ich würde es ihm nicht unter die Nase reiben“, hörte ich irgendwann Eds Stimme und dieser komische Unterton ließ mich stutzig werden, aber ich hakte nicht weiter nach. Wer weiß, worüber Ed gerade schon wieder nachgedacht hatte.

+

Ihr Vater. Stuart war Maes Vater…

Ja natürlich! Warum war ich da nicht gleich drauf gekommen?!

Resignierend rieb ich mir über meine Augen und atmete dann tief durch.

Wie konnte ich je von Stuart denken, dass die beiden was hätten…

Manchmal verfluchte ich mich dafür, dass ich Stuart oft nicht richtig zuhörte. Das hatte ich nun davon. Ich wusste zwar, dass er herausgefunden hatte, dass er eine Tochter hatte und dass er sich mit ihr getroffen hatte, aber doch nicht, dass die Blondine vor mir diese Tochter war… Ich hatte ehrlich gesagt auch nicht mit einem Kind um die 20 gerechnet, sondern ein … Kind halt. Wie dumm konnte ich eigentlich gewesen sein?

Mein Blick fuhr zu Mae, die gerade dabei war, mein Schlafgemach zu richten. Ich hätte es auch selbst getan, aber sie hatte darauf bestanden, also ließ ich ihr ihren Willen. Ich würde ja eh nicht gegen sie ankommen, das hatte ich schon oft genug gemerkt in letzter Zeit.

Und ich musste lächeln. Ich fühlte mich ziemlich wohl in ihrer Nähe. Vielleicht lag es ja daran, dass sie Stuarts Gene in sich hatte. Irgendwo musste das ja her kommen.

„Wie hast du eigentlich erfahren, dass Stuart dein Vater ist, die Geschichte kenne ich noch nicht“, wollte ich dann von ihr wissen und Mae drehte sich zu mir.

„Witzige Geschichte, ich hab alte Fotoalben durchgeblättert. Eins ist mir runtergefallen, ein paar Bilder sind abgegangen. Und hinter einem meiner Lieblingsbilder steckte ein weiteres Bild. Meine Mutter und Stuart. Und auf der Rückseite sein Name und ein Datum. Es war circa ein Jahr vor meiner Geburt entstanden. Irgendwas hatte mir damals gesagt, dass er es sein musste, von daher hab ich ihn gesucht. … Was für ne kitschige Geschichte“, grinste sie mich an und warf noch eine Decke übers Sofa, dann war sie fertig. „Naja, ich muss ins Bett, du kannst dich aber gerne noch beschäftigen, das Wohnzimmer ist selbsterklärend.“ Ich nickte nur.

„Dein Schlafzimmer ist dann wohl ne Etage höher“, mutmaßte ich uns sie nickte.

„Einmal die Treppe nach oben. Da steht auch mein Kleiderschrank, mehr passt da aber auch nicht rein, die Schrägen“, nickte Mae und lächelte dann.

„Bis morgen, Ed.“

„Bis Morgen, Mae. Und danke, dass ich hier sein darf“, erwiderte ich ebenso lächelnd und sah Mae noch nach, wie sie nach oben verschwand.

+

„Hab ich dich geweckt?“, hörte ich Eds Stimme an meinem Ohr und erschreckte mich zu Tode. Erstens hatte ich nicht mit ihm gerechnet. Und zweitens hatte ich auch schon wieder vergessen, dass er ja da war. „Gott Ed“, murmelte ich und fuhr mir erst mal übers Gesicht. „Zu früh. Kein Kaffee“, brachte ich noch Zustande und wurden im nächsten Moment in die Küche geschoben und auf einen der beiden Stühle gedrückt.

„Hier. Ist auch mit Coffein“, meinte Ed dann, nachdem er die Thermoskanne vom Tisch genommen und mir einen Becher eingegossen hatte. Also daran könnte ich mich ja gewöhnen…

„Willst du schon wieder gehen?“, fragte ich so nur und nippte an meinem heißen Getränk. Kaffee zum Frühstück, etwas Besseres gab es ja wohl nicht. „Leider ja, Anruf von Stuart, mein Termin hat sich nach vorne verschroben. Und eigentlich hatte ich dir eine ganz coole Nachricht geschrieben, aber das hat sich ja jetzt erledigt“, lachte Ed leise und schnappte sich den Zettel vom Küchentisch, doch bevor er ihn durchreißen konnte, hatte ich ihn mir geschnappt und überflogen. Und sofort breitete sich ein Lächeln auf den Lippen aus. Idiot.

„Ich weiß nicht, ob Stuart es dir schon erzählt hat, dass wir in zwei Wochen wieder hier sind und ich nen Gig hab. Und ich hoffe, du hast Zeit. Es wäre toll, wenn du vorbeikommen könntest. Stuart würde sich wahrscheinlich sehr freuen. Ich schick dir dann deine Karte zu, ich hab leider keine mitbringen können. Und danke, dass ich hier sein durfte, Kleine“, stand Ed dann auf und ich tat es ihm gleich, ließ mich in eine Umarmung ziehen. „Bis hoffentlich in zwei Wochen.“

Und dann war er verschwunden, hatte seine Sachen geschnappt und war weg.

Mein Blick fuhr noch einmal zu der Nachricht und ich konnte nur wieder den Kopf schütteln. Irgendwie war ich froh, ihn bald wieder zu sehen.

Guten Morgen, Brülläffchen, das gar nicht so viel gebrüllt hat!

Danke, dass ich da sein durfte. Ich hoffe, ich darf mich mal wieder einladen.

In ein paar Tagen landet ein Ticket zu einem Konzert von mir in deinem Briefkasten. Wäre echt schön, dich dort zu sehen. Die Family würde sich sicher auch freuen. Ed

Kopfschüttelnd setzte ich mich an den Küchentisch und trank erst mal in Ruhe meine Tasse Kaffee. Nach zweieinhalb Monaten war es also soweit und ich würde sowohl Stuart als auch die gesamte Family wieder sehen.

+ Kapitel 2.2: Großer Bruder, kleine Schwester +

„Es ist immer wieder erstaunlich, was für ne Zicke Nina sein kann. Daran muss man echt noch arbeiten…“ (24.10.2011)

Ich war aufgeregt. Ich wusste nicht, wieso ich aufgeregt war, und ich wusste, dass es unsinnig war, aufgeregt zu sein, aber ich war aufgeregt. Denn immerhin sah ich Stuart wieder. Und Ed. Und eigentlich sollte ich mich ja freuen, aber die Nervosität hatte irgendwie Überhand genommen. Tief durchatmend holte ich meinen Backstagepass aus meiner Tasche und zeigte ihn am Eingang zum Backstagebereich vor.

„Mae? Ich freu mich, dich zu sehen. Und du wärst auch so reingekommen! Lass dir besser mal einen All Access-Pass geben, den hat jeder hier!“, wurde ich im nächsten Moment schon in eine bärige Umarmung gezogen. Und mein Herzschlag wurde schneller. Stuart hatte recht gehabt. Einmal Family, immer Family.

„Dann mal rein mit dir, Kleine“, schickte mich mein Lieblingstürsteher weiter und ich nickte nur, lächelte. Es war eine gute Entscheidung gewesen, hier her zu kommen.

„Mae?“, hörte ich eine Stimme und drehte mich um.

„Stuart!“, erwiderte ich nur und sah meinen erstaunten Vater an.

„Mae!“, lächelte er dann aber und ich verschränkte die Arme.

„Stuart?“, trieb ich das Spiel weiter, ging dann aber auf ihn zu und schloss ihn in die Arme. Ich hatte ihn wirklich vermisst.

„Was machst du denn hier?“, wollte er wissen und ich lächelte ihn an. „Ich hab mir das Konzert angeschaut. Ed hatte mich eingeladen und meinte, du würdest dich freuen“, klärte ich ihn auf, während ich neben meinem Vater den Gang entlang lief.

„Das war Eds Idee? Ich bin begeistert, hätte ich nicht erwartet“, stellte er amüsiert fest und hielt mir dann die Tür auf, hinein in den richtigen Backstagebereich. Mit dem leckeren Essen, den Softdrinks und Ed - mit Anhang. Einem ziemlich gereizt ausschauendem Anhang. Ich wollte am besten jetzt schon wieder mit Stu den Raum verlassen, aber keine Chance: Ed hatte mich schon gesichtet und versuchte gerade, mich zu erdrücken. Grandios…

„Da bist du ja, kleiner Chef!“, stellte er fest. „Darf ich vorstellen. Nina, Mae.

Mae, Nina“, zog er mich zu seiner Freundin, der ich zögert die Hand hin hielt. Und ich bekam ihren Händedruck, doch ihr Blick dabei sagte alles. Sie mochte mich nicht. Kein Stück. Eifersucht loderte in ihren Augen. Immer noch grandios.

„Das war ne tolle Show“, versuchte ich irgendwie ins Gespräch zu kommen und konnte mich wieder Ed zuwenden. „Ich hab übrigens was für dich“, setzte ich dann lächelnd hinzu und kramte meinen Block aus der Tasche, um ihm das Bild, an dem ich mich versuchte hatte, zu überreichen. Als er einen Blick darauf warf, bildete sich ein erfreutes Lächeln auf den Lippen. „Du hattest dir ja mal ne Zeichnung gewünscht“, meinte ich und Ed erinnerte sich wieder an unser Gespräch.

„Wow! Stimmt, dass du dir das gemerkt hast, hätte ich nicht erwartet! Dankeschön! Schau mal, Nina!“, wandte er sich begeistert zu seiner Freundin um, die hatten aber nur die ganze Zeit mit gerunzelter Stirn zu uns herüber geschaut.

„Naja, das ist ja ganz niedlich“, meinte sie und ich atmete tief durch. Das war zu viel.

„Nina! Kannst du bitte aufhören, so mit Menschen von der Crew umzugehen“, zischte auch Ed Nina zu, mit der Intention, dass ich es nicht hörte. Aber dafür hatte ich zu gute Ohren – oder er flüsterte einfach zu laut. „Sie gehört nicht zur Crew“, murmelte Nina leise und anhand Eds gerunzelter Stirn wusste ich genau, dass er sie gehört hatte. Na wunderbar, jetzt war ich nachher noch der Grund, dass die beiden stritten. Es war also der perfekte Zeitpunkt für einen glorreichen Abgang.

„Ich hatte ja auch eigentlich was für Sie, Miss Nesbitt, aber das kann ich glaube ich vergessen. Sie können die Krallen wieder einfahren“, erwiderte ich daher einfach nur und war mir sehr wohl bewusst, dass ich sie wahrscheinlich eh nie wieder sehen würde.

Mit einem traurigen Lächeln warf ich noch einen Blick auf das weitere Bild, was ich gezeichnet hatte, und riss es entzwei, ließ es zu Boden gleiten. „Ed? Man hört voneinander. … Stuart? Es wäre schön, wenn wir noch was machen könnten. Wollen wir Essen gehen? Ich warte dann draußen auf dich“, verabschiedete ich mich von der Runde, schnappte mir meine Sachen, drückte Ed, der nur perplex da stand, meinen Backstageausweis in die Hand, nickte seiner Freundin zu, lächelte Stuart entschuldigend an und war dann raus. Das musste ich mir echt nicht geben.

+

„Stuart? Ist Mae da gerade ernsthaft raus gestürmt?“, wollte ich von meinem Manager wissen, der mich ebenso perplex ansah, und hob dann das zerrissene Blatt Papier vom Boden auf und hielt es wieder zusammen. Und als ich das Motiv von dem sah, was sie da gezeichnet hatte, musste ich unwillkürlich lächeln. Sie hatte ein Talent für solche Skizzen, das war klar.

Nina und ich saßen nebeneinander auf der Bühne und schauten uns an.

Eigentlich ein simples Bild, doch der Ausdruck in unseren Augen, das leichte

Lächeln auf den Lippen, und allgemein die ganze Atmosphäre auf diesem Bild machte es schon wieder zu etwas besonderem. Doch nun war das schöne Bild zerstört und der Riss war genau zwischen Nina und mir… „Ganz ehrlich, was bildet die sich eigentlich ein? Benimmt sich wie ne Prinzessin“, murmelte Nina in sich hinein und ich seufzte, bevor ich ihr die beiden Blätter in die Hand drückte.

„Erstens: ‚Die‘ hat auch einen Namen. Und zwar Mae. Ich weiß echt nicht, was heute mit der los ist, Nina. Und Zweitens: Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du aufhören würdest, so mit meiner Tochter umzuspringen!“, fuhr Stu Nina ein wenig aufbrausender an, als ich es von ihm gewohnt war, doch er hatte Recht. Ich wusste nicht, was heute mit Nina los war, aber Mae konnte auch nichts dafür, dass sie die ganze Zeit schon schlechte Laune hatte. „Seit wann hast du denn ne Tochter?“, war Nina völlig perplex und warf nun auch endlich einen Blick auf das zerrissene Bild.

„Lange Geschichte, aber ich werd mal nach ihr sehen“, seufzte er nur und nahm sich seine Sachen vom Tisch, ich war jedoch schon auf dem Weg zur Tür.

„Lass mich mal kurz machen, ich wollte mich noch kurz von ihr verabschieden. Du hast sie schon den ganzen Abend für dich“, drängelte ich mich vor und war schon aus der Tür verschwunden, auf dem direkten Weg zum Hinterhof. Mae fand ich sofort, denn sie stand direkt neben der Tür, lehnte sich an die kalte Backsteinmauer und hatte die Arme vor der Brust verschränkt.

„Was willst du denn hier?“, bekam ich nur gegen den Kopf geworfen und seufzte.

„Es tut mir leid, ich weiß nicht, was in sie gefahren ist. Nina ist heute etwas anstrengend“, murmelte ich entschuldigend und lehnte mich neben sie. „Etwas? Wohl eher etwas mehr. Hat sie ihre Tage oder warum war sie gerade so? … Naja, ich wollte trotzdem nicht, dass du dich wegen mir mit jemandem streitest, deswegen hab ich mal lieber das Feld geräumt. … Tut mir leid, in solchen Situationen sage ich manchmal Sachen, die ich im Endeffekt nicht hätte sagen sollen. Das mit den Krallen war glaube ich ne Spur zu viel, oder?“, zuckte Mae dann aber die Schultern und drehte sich zu mir um. „Es war genau richtig, mach dir keine Gedanken. Nina kriegt sich schon wieder ein. Sie kann schnell eifersüchtig werden, wieso auch immer. … Aber hey, du bist mir trotzdem wichtig, daran wird Nina nichts ändern können, kleiner Chef. Und wer sich traut, die Freundin von dem unglaublichen Ed Sheeran dumm anzumachen, der kann eh nur klasse sein. Die Zeichnung von uns beiden ist übrigens echt schön gewesen“, erwiderte ich dann aber und konnte ein kleines Zucken um ihre Mundwinkel erkennen. Gott sei Dank.

„Du Womanizer, du“, lächelte sie dann wieder und sah dann zu mir herüber. „Aber apropos, da du dich ja so gut mit Beziehungen auszukennen scheinst: Da ist so ein Junge in der Uni. Ich mag ihn, unterhalte mich mittlerweile echt gerne mit ihm. Er hat es endlich mal auf die Reihe bekommen, mich zu einem Date einzuladen…“, begann sie zögernd und auch wenn ich es nicht wollte, krampfte sich mein Magen kurzzeitig zusammen.

„Und was ist daran schlecht? Du scheinst ihn ja zu mögen“, kam es mir über die Lippen. Dennoch störte mich etwas daran, dass sie so vorsichtig davon erzählte. Da kam wohl mein Beschützerinstinkt durch. Immerhin war sie Stuarts Tochter. Und da Stuart manchmal wie ein Vater auf mich aufpasste und in mich glaubte, war sie ja quasi sowas wie eine Stiefschwester. Musste sie ja sein.

„Ich weiß es nicht, es ist nur so ein mulmiges Gefühl“, zuckte Mae mit den Schultern und ich stupste sie freundschaftlich in die Seite. „Hey, es ist nur ein erstes Date, schau doch einfach mal, was sich entwickelt“, riet ich ihr dann aber trotzdem, auch wenn mir meine eigene Antwort nicht gefiel.

„Vielleicht hast du recht…, großer Bruder“, lächelte sie mich dann an. Sie schien meine Gedanken zu bestätigen und es fühlte sich irgendwie gut an.

Mir gefiel der Gedanke.

Nun auch grinsend wuschelte ich durch Maes Haare. Sie ließ sich davon nicht beirren, sondern sah mich einfach weiterhin an.

„Ich habe immer recht, das müsstest du doch mittlerweile mitgekriegt haben. Immerhin bin ich Ed Sheeran. … Aber naja, Stuart dürfte gleich rauskommen, ich wette, er lädt dich in Londons weltbestes Restaurant ein, so wie ich ihn kenne. Und wenn er das nicht tut, muss ich das wohl irgendwann mal übernehmen. … Wir sehen uns bald wieder, ja?“, wollte ich sichergehen und Mae nickte sofort. „Gut, ich geh dann auch mal wieder in die Höhle des Löwen und versuche Nina irgendwie zu beruhigen“, lächelte ich schief und auch Mae konnte sich zu einem Grinsen durchringen. „Ach, eins noch!“, setzte ich hinzu, als ich mich auf dem Weg zur Tür war und drehte mich noch einmal um. „Du bist toll, das weißt du, oder? Lass dir ja nichts anderes einreden. Auch nicht von Ed Sheerans Freundin.“

Und mit einem Lächeln war ich dann verschwunden. Nina wartete bestimmt schon auf mich. Und vielleicht hatte sie sich mittlerweile wirklich beruhigt. Oder es wurde nur noch viel schlimmer, wer wusste das schon. Aber das war auch gerade das Interessante an ihr. Sie war unberechenbar. Und das gefiel mir.

‚Hilf mir!‘, las ich mir Maes Nachricht durch und musste schmunzeln. „Ed, du solltest nicht immer auf dein Handy schauen! Hier spielt die Musik!“, riss mich mein Lieblingsproduzent aus meinen Gedanken und ich seufzte. „Ja, bin ja fast geistig anwesend“, erwiderte ich, während ich gerade noch dabei war, die Gitarre neu zu stimmen. Es war mal wieder Studiozeit, die letzten Tage war ich schon hier gewesen.

„Sieht man, was ist los, zu viel Nina im Kopf?“, wollte er von mir wissen und ich zuckte mit den Schultern.

„Auch“, versuchte ich das Thema abzuwürgen, doch wurde sofort unterbrochen.

„Was heißt hier auch? Läuft es nicht so gut? Hast du eine Affäre? Mensch, Ed!“, mutmaßte er und ich hob unschuldig die Hände.

„Was denkst du bitte von mir? Ja, okay, wenn es nach Nina geht, hätte ich wohl jeden Tag ne andere. Sie ist unfassbar eifersüchtig im Moment, weil wir uns einfach so wenig gesehen haben“, erwiderte ich und der Produzent atmete erleichtert auf.

„Immerhin nur das. Aber du hast immer noch nicht verraten, was das ‚auch‘ bedeutet“, hakte er weiter nach und ich seufzte nur.

„Ach, nicht so wichtig“, murmelte ich nur und schaute wieder auf mein Handy.

‚Bitte Ed! Ich hab dich letztens auch abgelenkt, als du wegen Nina so schlecht drauf warst!‘, schrieb sie und ich sah wieder auf.

„Okay, viertel Stunde Pause. Tu, was immer du tun musst“, seufzte nun auch mein Produzent und im nächsten Moment war ich auch schon aus dem Raum und hatte mein Handy am Ohr.

„Alles okay bei dir?“, begrüßte ich Mae gar nicht, sondern viel gleich mit der Tür ins Haus.

Ich wusste nicht, wie viel wir schon miteinander geschrieben hatten, aber unsere Gesprächsverläufe waren mittlerweile nicht mehr überschaubar. Es war glaube ich kein Tag in den letzten Wochen vergangen, wo wir keinen Kontakt hatten. Und ich konnte es mir auch nicht mehr ohne ihre Nachrichten vorstellen.

„Ich bin ziemlich aufgeregt“, erwiderte sie und ich legte meinen Kopf schief. Hatte ich irgendwas Wichtiges vergessen? Ich konnte mich an nichts erinnern.

„Was ist los?“, fragte ich daher und horchte auf, als sie anfing zu reden. „Erstes Date. … Hoffentlich wird das gut“, quietschte sie regelrecht und war wirklich für ihre Verhältnisse verdammt aufgeregt. Und ich wusste, dass ich mich eigentlich für sie freuen sollte, aber ich konnte nicht. Es ging einfach nicht.

„Ich wünsche dir viel Spaß“, rang ich mir trotzdem ab und versuchte es so enthusiastisch rüber zu bringen, wie ich konnte. … War ich etwa eifersüchtig auf sie? Ich meine, bei ihr lief es immerhin…

„Danke“, erwiderte sie und man konnte dabei hören, wie sie lächelte. Und dann schwiegen wir.

„Hast du übernächstes Wochenende schon was vor, ich hab frei“, warf ich dann irgendwann in die Stille und hörte sie dann leise auflachen.

„Du willst dich einladen, oder? … Kleid oder T-Shirt mit Rock? Ich kann mich nicht entscheiden“, stellte sie die Gegenfrage und ich seufzte.

„Kein Kleid, es ist das erste Date, Mae! … Und nur, wenn du Zeit hast. Aber ich bin Freitag in der Stadt und muss erst Samstagabend wieder los“, erklärte ich mich und versuchte das ungute Gefühl in mir zu unterdrücken. „Was macht die ehrenwerte Freundin von dem unglaublichen Ed Sheeran denn? Aber ich hab immer Zeit für dich, das müsstest du wissen. Haare offen oder im Zopf?“, fragte sie weiter und man hörte, wie sie nebenbei durch ihre Wohnung lief und ziemlich viel Krach dabei verursachte. „Lebt deine Wohnung noch? Ich würde sie offen tragen. Du hast ziemlich schöne Haare“, beantwortete ich nur den letzten Teil ihrer Frage und hörte dann, wie eine Tür ins Schloss viel.

„Genau so hatte ich mich auch entschieden, als kein Kleid und kein Zopf.

Gut, dass du mir zustimmst. Und ich hab noch die letzten Sachen in meine Handtasche geworfen, mache mich gerade auf den Weg. … Warum nochmal bin ich so aufgeregt?“, wollte Mae von mir wissen, ich starrte einfach nur geradeaus an die Wand, wusste nicht, was ich darauf erwidern wollte. „Aber naja, ich muss jetzt Schluss machen. Danke, dass du angerufen hast. Und wünsch mir Glück, das kann ich glaube ich gut gebrauchen. Mein letztes normales Date ist ein wenig her“, redete Mae schneller vor sich hin als sie es normalerweise tat.

„Natürlich wünsche ich dir Glück. Ich möchte wissen, wie es dann gelaufen ist. Und ich möchte auch wissen, was für dich ein unnormales Date ist! Naja, ich sollte auch wieder zurück, sonst geht mein Produzent gleich an die Decke“, versuchte ich zu scherzen, doch Mae war mit ihren Gedanken anscheinend komplett bei ihrem Date, sie schien meinen letzten Satz gar nicht mehr gehört zu haben.

„Dann bis Freitag“, sagte sie einfach nur und hatte dann einfach aufgelegt.

Und mich ließ sie einfach so zurück. Grandios. Wirklich herrlich. „Na komm schon, Ed. Immerhin hat sie gerade Glück. Nina kriegt sich bestimmt schon wieder ein“, murmelte ich und stand auf. Vielleicht beruhigte sich Nina wirklich wieder sein.

+ Kapitel 2.3: Das Leben +

„Wieso krieg ich sie nicht mehr aus dem Kopf?“ (10.02.2012)

Haarscharf flog ein Sofakissen an meinem linken Ohr vorbei und ich versuchte irgendwo in Deckung zu gehen.

„Nina! Bitte hör doch auf!“, versuchte ich meine Freundin irgendwie zu erreichen, doch keine Chance. Das nächste Kissen segelte in meine Richtung und traf mich erstaunlicher Weise ziemlich hart.

„LIEF DA WAS?!“, wollte sie wissen und ich verdrehte die Augen.

„Darum geht es also wieder“, stellte ich fest und stand auf, kam auf sie zu, wollte sie umarmen. Auch wenn sie sich dabei wehrte und versuchte mich von sich zu drücken. „Man Nina, du müsstest doch wissen, dass solche Klatschblätter immer den größten Schwachsinn schreiben. Das hab ich dir doch jetzt schon zum tausendsten Mal gesagt“, seufzte ich und zog sie zu mir, um sie in den Arm zu nehmen. „Und wann soll ich denn bitte mit irgendwem was anfangen, da hätte ich doch eh keine Zeit zu“, murmelte ich in ihr wasserstoffblondes Haar und versuchte sie irgendwie davon abzuhalten, mit ihren Fäusten auf meinen Brustkorb zu trommeln. „Lass das“, versuchte sich Nina zu wehren und innerlich verdrehte die Augen.

„Lass du das! Bitte, Nina!“, sprach ich weiter auf sie ein und stellte irgendwann fest, dass sie aufhörte sich zu wehren und ich sie mehr in meine Arme ziehen konnte.

„Ich kann nicht aufhören“, hörte ich sie leise schluchzen. Das konnte sie wirklich nicht. „Ich vermisse dich einfach viel zu sehr, Ed. Und ich will dich nicht verlieren“, setzte sie hinzu und ich seufzte, zog sie noch weiter zu mir. Eigentlich sollten mich ihre Worte glücklich stimmen, eigentlich sollte ich froh sein, dass sie so für mich fühlte, aber ich hatte das ganze Drama jetzt mehr als vier Monate mitgemacht und seit dem ersten Tag hatte sich nichts geändert. Natürlich, die ersten Wochen waren nicht so schlimm gewesen, da sie mit auf Tour war, aber seitdem sie zurückgekehrt war, war alles nur noch viel schlimmer geworden.

„Wir kriegen das schon hin, Nina“, war alles, was ich noch dazu erwiderte und hoffte das wirklich. Denn wenn das so weiter lief und sie einfach nicht aufhören konnte, mir bei jeder Kleinigkeit zu unterstellen, dass ich eine andere hatte, dann wusste ich auch nicht mehr weiter…

+

„Hallo Ed“, begrüßte ich den Musiker am Telefon und unterbrach meine Arbeit.

„Mae? Hä?“, erwiderte er aber nur. „Warum rufe ich dich an?“

Leise lachte ich. „Das musst du mir sagen. Es tut aber gut, deine Stimme zu hören“, lächelte ich und schaute meine Hände. Es waren zwar nur zwei Tage vergangen, seitdem wir das letzte Mal gesprochen hatte, aber ich vermisste ihn sehr.

„Eigentlich wollte ich Stuart anrufen“, seufzte Ed und mein Lächeln verschwand.

„Klingst ja nicht so begeistert, mich jetzt dran zu haben“, meinte ich und sah auf meine Hände.

„MAE! Nein!“, widersprach mir Ed sofort und kurzzeitig setzte mein Herz aus. „Denk das niemals, hörst du! Wenn du auch nur eine Sekunde denkst, du bist nicht das…“, begann er, stoppte sich aber selbst und atmete tief durch. „So war das nicht gemeint. Wirklich nicht, Mae. Es tut mir leid“, korrigierte er sich und ich hätte gerne gewusst, was er zuerst sagen wollte. Nachfragen tat ich aber nicht…

„Alles okay, Ed. Wirklich“, entgegnete ich leise und dann schwiegen wir, keiner von uns beiden sagt ein Wort.

„Ich muss Schluss machen, Mae. Ich … ich melde mich“, meinte er dann irgendwann und hatte ohne eine Antwort abzuwarten aufgelegt. Und ich stand einfach nur da, ließ langsam mein Handy sinken und schaute perplex aufs Display.

Er machte mich fertig.

+

„Wieso krieg ich sie nicht mehr aus dem Kopf“, murmelte ich leise, während ich auf meiner Gitarre herum zupfte. „Nina?“, wollte Stuart wissen und sah auf.

„Nina? … Äh, ja, … genau“, fing ich mich gerade wieder und ignorierte dann seinen Blick, den er mir zu warf. Was tat ich hier nur? Wieso konnte ich nicht einfach mal mit dem zufrieden sein, was ich hatte?

„Wie lange habt ihr euch nicht mehr gesehen?“, fragte Stuart mich und ich zuckte nur mit den Schultern.

„Vor ner Woche“, meinte ich dann und sah auf meine Saiten.

„Klingst nicht begeistert“, seufzte Stuart und setzte sich neben mich. „Du warst mal so verrückt nach ihr.“

Es war kein Vorwurf von ihm, sondern eine simple, neutrale Aussage. „Ich bin auch gerade nicht begeistert. Als ich sie das letzte Mal gesehen habe, hat sie mich mit Kissen beworfen und mich angeschrien. … Und ja, ich war verrückt nach ihr“, nuschelte ich vor mich hin. Ich war verdammt verrückt nach ihr gewesen, aber das hatte mittlerweile nachgelassen. Allgemein hatte alles nachgelassen, seitdem die Zeit auf Tour mit ihr vorbei war und es mit ihrer verdammten Eifersucht angefangen hatte… „Das wird schon wieder“, setzte ich mit einem schiefen Lächeln hinten dran und versuchte mich irgendwie selbst davon zu überzeugen.

+

Mit einem skeptischen Blick stand ich im Treppenhaus und blickte nach oben. So sehr ich meine Wohnung auch liebte, so sehr hasste ich die Treppenstufen, die ich vor mir hatte. Mit einem schweren Rucksack, einem Sechser Wasser und einen schweren Einkaufstüte. Immer wieder das gleiche Problem.

„Na komm“, versuchte ich mich zu motivieren, war jedoch schon im zweiten Stock komplett am Ende. Und ich musste in die fünfte Etage.

So schleppte ich mich langsam Stufe für Stufe nach oben, atmete mittlerweile schwer und war froh, als ich es endlich geschafft hatte. Ich sollte wohl echt mehr Sport machen.

„WAH!“, erschreckte ich mich fürchterlich, als ich meine Taschen abstellte, um nach meinem Schlüssel zu kramen, und dann nach oben schaute. Ein komplett vermummter Mensch lehnte direkt vor meiner Tür und schlief. „Ed?“, stellte ich erstaunt fest und ging vor ihm in die Knie. Die Mütze hatte er tief in sein Gesicht gezogen und seinen Schal als Kopfkissen umfunktioniert. „Ed, aufwachen!“, rüttelte ich an seiner Schulter.

„Was?“, murmelte Ed und rieb sich über die Augen, was unfassbar niedlich aussah.

„Du musst aufwachen! Wie lange sitzt du hier schon?“, wollte ich von ihm wissen, während ich ihm hoch half und dann die Tür aufschloss.

„Keine Ahnung, seit 18 Uhr oder so“, meinte er und streckte sich ein wenig, bevor er mir in die Wohnung folgte.

„Das sind zwei Stunden. So geht das nicht… Warte!“, murmelte ich und hatte im nächsten Moment einen Schlüssel vom Schlüsselbrett genommen und

hielt ihm diesen unter die Nase. „Bitteschön!“

Verwirrt sah Ed vom Schlüssen zu mir und wieder zurück.

„Bin gerade erst aufgewacht, was soll ich damit?“, erwiderte er und ich verdrehte die Augen. Ausreden! Nichts als Ausreden!

„Was denn? Willst du noch öfter vor meiner Tür warten wollen? Ich kann den Haustürschlüssel auch wieder zurück nehmen“, zog ich den Schlüssel ein wenig zurück und in der nächsten Sekunde hatte Ed ihn schon geschnappt. „Na geht doch. Ich meine, so wie du aussiehst, wirst du noch öfter hier auftauchen, oder?“, mutmaßte ich und Ed zuckte mit einem schuldigen Blick die Schultern. „Siehst du. … Und jetzt komm her, ich möchte vernünftig begrüßt werden!“, forderte ich und in der nächsten Sekunde spürte ich schon Eds Arme um meinem Körper. Und ich musste wirklich zugeben, er war ein verdammt guter Umarmer.

„Ich freu mich auch dich zu sehen. Ich hab dir übrigens was mitgebracht“, lächelte Ed mich an und kniete sich dann zu seiner Tasche, um mir ein kleines Geschenk in die Hand zu drücken. Schon wieder?

„Kommst du jetzt jedes Mal so an?“, wollte ich wissen, bedankte mich dann aber und fing schon mal im Flur an, das Geschenkpapier zu zerstören. Als ich dann sah, was ich da in den Händen hielt, war ich schon etwas baff. „Das kann ich nicht annehmen!“

Ed jedoch zuckte mit den Schultern. „Dann halt nicht“, erwiderte er und streckte die Hand nach seinem Geschenk aus und ich wich einen Schritt zurück, Ed lachte nur leise. „Siehst du. Der soll ziemlich lecker sein. Und ich dachte, das wäre genau das richtige für dich“, grinste Ed mich an, während ich das kleine Paket in meiner Hand begutachtete. 500 g feinster Jamaica Blue Mountain. Mild, fruchtig und nussig. Oh Gott, Ed war ein Engel. „Ich muss ihn ausprobieren“, kam es über meine Lippen und schon hatte ich mich umgedreht und war in der Küche verschwunden.

„Ich will auch!“, rief Ed mir nur hinterher und ich nickte abwesend, ließ ihn mal wieder alleine im Flur stehen. Dieser Kaffee in meinen Händen war einfach wichtiger.

„Gott bin ich fertig. Der Tag war echt zu lang“, murmelte Ed, als er sich auf den Küchenstuhl fallen ließ, auf den er sich immer setzte, wenn wir in der Küche waren – es war wohl mittlerweile sein Stuhl – und streckte sich. „Deine Haustür ist übrigens scheiße unbequem. Ich glaube, ich werde auf deinem Sofa nachher sterben“, seufzte er und ich drehte mich zu ihm um. „Das hast du dir selbst ausgesucht. Du hättest auch zu dir fahren können“, murmelte ich, während ich gerade das heiße Wasser über den Kaffee laufen ließ. Verdammt, war ich aufgeregt.

„Ich weiß. Aber ich wollte dich sehen“, war die simple Antwort und ein immenses Glücksgefühl durchströmte mich. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass solche Situationen wie jetzt öfter passieren könnten. Aber irgendwie gefiel mir der Gedanke.

„Dann mach ich schon mal mein wundervoll gemütliches Sofa fertig“, grinste Ed schief und stand auf, wollte zur Tür gehen.

„Du kannst auch bei mir schlafen“, sagte ich einfach so daher und als ich aus dem Augenwinkel mitbekam, wie Ed sofort anfing zu grinsen, erkannte ich, was ich da gerade gesagt hatte. „Okay, DAS klang jetzt ziemlich zweideutig. Was ich eigentlich meinte: Wir sind während der Tour auch klar kommen, auf engsten Raum nebeneinander zu schlafen. Und mein Bett ist riesig und beschert dir ganz sicher keine Rückenschmerzen. Aber wie du möchtest“, korrigierte ich meine Aussage, doch Ed blieb weiterhin amüsiert, während er sich dann erbarmte, meine Einkäufe in den Kühlschrank zu räumen. Thema war somit wohl geklärt.

Es war spät geworden. Seufzend streckte ich mich und betrachtete unser Werk, das vor uns auf dem Boden lag. Ich wusste nicht, wie wir darauf gekommen waren, aber irgendwann hatten wir angefangen, durch meine Gesellschaftsspiele zu schauen und in der hintersten Ecke hatten wir ein uraltes Puzzle entdeckt. Und Ed war so begeistert gewesen, dass wir damit angefangen und uns bei lauter Musik über Gott und die Welt unterhalten hatten. Doch jetzt, zwei Stunden später, tat mein Rücken ein wenig weh und ich hatte das Puzzle Puzzle sein lassen und mich aufs Sofa gesetzt.

„Wie geht’s deiner Oma?“, wollte Ed wissen, während er sich neben mir aufs Sofa fallen ließ. Ich hatte ihm letztens erzählt, dass ich sie besuchen wollte. „Unverändert. Nicht besser, aber Gott sei Dank auch nicht schlechter. Und die Pfleger sind echt in Ordnung“, meinte ich leise und schaute auf meine Hände. „Und dennoch stört es mich, dass sie nicht zuhause bleiben konnte. Aber das hätte ich einfach nicht geschafft. Du musst wissen, wir haben damals in einem kleinen Haus am Rande von London gewohnt. Ich hab es damals verkauft, um ihr den Platz im Heim zu besorgen… Und manchmal denke ich, dass es die falsche Entscheidung war“, seufzte ich und sah zu Ed herüber.

„Es war keine falsche Entscheidung, Mae. Du sorgst dich um sie, aber du opferst dich nicht“, wollte Ed mich aufmuntern, auch wenn er wahrscheinlich wusste, dass er meine Meinung darüber nicht ändern konnte. „Jedenfalls kümmern sich die Pfleger gut um sie und ihr Zustand ist unverändert. … Wo bist du eigentlich zuhause, Ed? Meins ist mittlerweile das hier, auch wenn ich unser Haus manchmal vermisse“, versuchte ich das Thema zu wechseln und eine positiveres Stimmung rein zu bringen. „Ich habe kein Zuhause, kein richtiges“, war aber nur Eds Antwort und ich sah ihn an.

„Jeder braucht ein Zuhause“, meinte ich mit Nachdruck.

„Wie stellst du dir das vor? Wenn man jeden Tag an einem anderen Ort ist, wen man jeden Tag neue Leute sieht, in einer neuen Stadt ist und alle ihre Augen auf einen gerichtet haben?“, murmelte Ed und wirkte nicht mehr so fröhlich, wie er immer am Telefon gewirkt hatte.

„Weißt du Ed, es ist doch eigentlich vollkommen egal, was dieses Zuhause ist. Es kann ein Haus sein, dort, wo man geboren ist, es kann eine einfache Studentenwohnung sein, es kann auch ein Hotelzimmer sein, das sich täglich wechselt. Zuhause muss nicht immer ortsgebunden sein, Zuhause sind auch die richtigen Menschen um einen herum. Ich habe mich immer sehr zuhause gefühlt bei meinen Großeltern. Aber es ist nicht das einzige. Ich fühle mich irgendwo zuhause, wenn ich Kerzen habe, wenn ich leise Musik habe, meinen Skizzenblock und einen Kaffee und ich in Ruhe zeichnen kann. Das ist für mich mein Zuhause. Ich bin zuhause, wenn ich bei Menschen bin, die ich liebe und die mir etwas bedeuten. Und sag mir nicht, dass du nicht auch solche bestimmten Menschen in deinem Leben hast. Zuhause sind Stuart, deine Gitarren um dich herum, Nina, deine Fans, auch dein Leben vor dem Ruhm, das alles ist dein Zuhause, Ed. Also sag mir nicht, dass du kein Zuhause hast. Du hast vielleicht keinen Platz, wo du immer hin zurückgehen kannst, aber das ist doch nicht das Wichtigste“, redete ich auf Ed ein und er sah mich an, schien wohl darüber nachzudenken. „Aber lass uns schlafen gehen, wir können dann ja noch wie kleine Schulmädchen miteinander tuscheln“, lächelte ich ihn an und bot ihm eine Hand an, an der er sich nach oben zog.

„Wie läuft‘s mit…“, wollte Ed beginnen, zögerte aber.

„Hast du schon wieder seinen Namen vergessen?“, wollte ich wissen und er wurde leicht rot. „Joshua. Oder Josh“, seufzte ich dann und kuschelte mich in meine Kissen, Ed lag direkt neben mir. „Es ist … ich weiß nicht“, seufzte ich und sah an die Decke. „Er ist anders.“

„Irgendwas stört dich“, meinte Ed leise und ich nickte.

„Es ist erstaunlich. Sogar du merkst, dass mich etwas stört. Josh merkt es irgendwie nicht. Und ich weiß auch nicht genau, was es ist, was mich stört“, versuchte ich mich zu erklären und robbte näher zu Ed herüber, da mir kalt war. „Wie geht es Nina?“, wollte ich dann wissen und merkte, wie Ed einen Arm um mich legte.

„Frierst du?“, fragte er so aber nur und ich nickte.

„Ein wenig“, antwortete ich und er zog die Decke ein Stück höher. „Nina geht’s … sie ist krankhaft eifersüchtig. Manchmal frage ich mich, warum ich mir das überhaupt antue“, gab Ed dann zu und auch, wenn mich

die Antwort eigentlich traurig stimmen sollte, tat sie es nicht. Aus irgendeinem unbestimmten Grund war ich erleichtert.

„Das wird schon“, murmelte ich schläfrig und war wirklich froh, dass Ed hier war. Denn ich hatte mich ohne ihn ziemlich einsam gefühlt.

+

„ED!“, kam Nina auf mich zugerannt und ich fing sie überrumpelt auf. „Ich hab dich unfassbar vermisst! Wie geht es dir?!“, redete Nina auf mich ein und ich war erstaunt. Warum war sie so … glücklich?

„Ich hab dich auch vermisst“, meinte ich leise und im nächsten Moment spürte ich ihre Lippen auf meinen und ein angenehmes Kribbeln durchspülte meinen Körper.

Besitzergreifend zog mich Nina in ihre Wohnung und krallte sich an mir fest. „Es tut mir leid, Ed“, begann sie dann und zog mich immer weiter mit sich.

„Wirklich. Ich weiß nicht, warum ich so drauf war, aber ich hatte unfassbar

Angst, dich zu verlieren“, redete sie auf mich ein und stieß dann mit ihrem Fuß ihre Schlafzimmertür auf. „Bitte sei nicht sauer auf mich Ed, ich liebe dich“, sagte sie mir dann zum ersten Mal wirklich ins Gesicht und mein Herz blieb stehen. Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen.

Doch bevor ich irgendwas erwidern konnte, hatte sie mich wieder an sich gezogen und war mit ihren Händen dabei, mir meine Jacke von den Schultern zu streifen.

+

„Wollen wir einen Film schauen?“, fragte Josh mich und ich sah ihn an. „Woran hast du denn gedacht?“, wollte ich wissen und lehnte mich auf seinem Sofa zurück.

„Wie wäre es mit House of Wax?“, hielt er die DVD hoch und ich sah ihn. „Ich hab dir doch gesagt, dass ich keine Horrorfilme schaue“, meinte ich leise und innerlich krampfte sich mein Magen zusammen. Manchmal bezweifelte ich, ob er mir überhaupt zuhörte…

„Okay… Und nun?“, wollte er wissen und ich warf einen Blick auf seine Filme. „Ne Komödie?“, fragte ich nur und er nickte, legte eine x-beliebige DVD aus und setzte sich zu mir. Wirklich mehr hatten wir die letzten Wochen auch nicht auf die Reihe bekommen. Ein paar Dates, mal im Café, mal im Kino und mittlerweile hatte er sich getraut, mich zu sich nach Hause einzuladen… Und der Film war echt nicht verkehrt, doch als Josh irgendwann so unfassbar Klischee-mäßig seinen Arm um meine Schultern legen wollte, hätte ich fast laut losgelacht. Er hatte anscheinend echt noch nicht so viele Erfahrungen gesammelt. Um es ihm leichter zu machen, schmiegte ich mich ein wenig an ihn und konzentrierte mich wieder auf den Film.

„Mae?“, fragte Josh irgendwann und ich blickte zu ihm nach oben in seine Augen. Und schöne Augen hatte er, das musste man ihm lassen. Fragend sah ich ihn an, doch im nächsten Moment hatte er schon seine Lippen auf meine gelegt und mich geküsst.

Und es war ein schöner Kuss, das musste man ihm auch lassen. Küssen konnte er wirklich gut, doch es war nur ein normaler Kuss. Kein Feuerwerk, kein rasendes Herz… Das hier war nichts im Vergleich dazu, wenn… ‚STOP!‘, schalt ich mich in Gedanken und versuchte mich wieder auf den Jungen vor mir zu konzentrieren.

Nach einigen Minuten spürte ich Joshuas Hand an meinem T-Shirtsaum, die ich leicht wieder weg schob. Erst hielt er sich auch daran, doch nach ein paar Minuten mehr, die wir rummachend auf seinem Sofa saßen, wanderte seine

Hand wieder in Regionen, wo ich sie nicht wollte. Und als ich seine kalte Hand schlussendlich auf meiner Haut spürte, schob ich ihn von mir weg. „Nein“, meinte ich und kurzzeitig hielt er inne, bevor er mich näher an sich ziehen wollte. Und da Riss mir der Geduldsfaden. „Ich habe Nein gesagt, Joshua!“, wiederholte ich mich klipp und klar und rutschte zurück.

„Entschuldige“, nuschelte dieser nur und ich nickte langsam.

Keine schöne Situation. Schweigend saßen wir hier, ein unangenehmes Schweigen.

„Ich sollte wohl langsam mal nach Hause gehen…“, fing ich dann an und sah ihn abwartend an. … Und es kam nichts zurück. Keine wirkliche Entschuldigung, keine Einladung zu bleiben, keine Angebot, mich nach Hause zu bringen. Er ließ mich einfach mitten in der Nacht alleine quer durch London laufen. „Rufst du mich an?“, wollte ich dann wissen und er nickte nur langsam, bevor er mich um Abschied umarmte und mich dann einfach gehen ließ. Warum hatte ich mich nur auf die ganze Geschichte eingelassen?

+ Kapitel 2.4: Das Erwachen +

„Was hatte ich nur wieder angerichtet?“ (01.04.2012)

Mit schnellen Schritten lief ich durch die Straßen und je weiter ich mich von Joshuas Wohnhaus entfernte, desto unwohler fühlte ich mich.

Unsicher holte ich mein Handy aus der Tasche und schaute auf die Uhr. 2.43 Uhr… Es war eigentlich schon viel zu spät und dennoch wählte ich diese eine bestimmte Nummer.

„Mae? Ist alles okay? Hast du mal auf die Uhr geschaut?“, wollte Ed wissen, als er das Gespräch annahm, und er klang ziemlich müde dabei. „Ich hab Angst“, erwiderte ich und schaute mich immer wieder um. Ich wollte nach Hause. Sofort.

„Warte kurz“, nuschelte er dann und ich hörte es rascheln und das Geräusch einer Tür, die sich öffnete und wieder schloss. „Was ist passiert?“

„Ich laufe gerade durch ein Viertel, das mir nicht ganz koscher ist. Und ich hab Angst“, sagte ich nochmal und versuchte so normal wie möglich zu klingen.

„Was machst du um diese Uhrzeit noch draußen!?“, wollte Ed wissen und ich seufzte.

„Komme gerade von Joshua“, meinte ich nur Ed schnaubte.

„Und er bringt dich nicht nach Hause? Wenn ich den in die Finger…“, begann er, ich unterbrach ihn.

„Das spielt doch jetzt keine Rolle“, meinte ich und massierte mit einer Hand meine Schläfen. „Ich hoffe, du hast nur geschlafen.“

„Ja. … Nina hat sich bei mir … entschuldigt“, meinte Ed nur und ich konnte mir genau vorstellen, wie so eine ‚Entschuldigung‘ aussah. Und je mehr ich mir das vorstellte, desto mehr tat es weh. „Vielleicht hat sie sich komplett eingekriegt.“

Ich lief einfach weiter geradeaus. Mir gefiel der Gedanke von Ed und Nina nicht. Natürlich, ich wollte, dass er glücklich war. Und wenn er Nina dazu brauchte, nur zu, aber trotzdem gefiel mir das nicht…

„Vielleicht“, meinte ich und fing noch schneller an zu laufen.

„Das heißt aber trotzdem nicht, dass ich dich nicht mehr besuchen komme. Du klangst gerade ziemlich traurig“, hörte ich Ed lächeln und es tat gut, so etwas zu hören.

„Wann kommst du denn das nächste Mal vorbei? Wir müssen das Puzzle noch zu Ende machen. … Ich brauch…“, begann ich, endete meine Satz aber nicht, sondern lief die Treppe zur Underground nach unten und war froh, dass in fünf Minuten eine Bahn einfahren würde.

„Wann genau kann ich dir noch nicht sagen, aber denkst du wirklich, ich würde unseren glorreichen Puzzleabend nicht wiederholen wollen?“, entrüstete er sich und erzählte mir dann davon, wie sein Flug gewesen war. Und ich merkte genau, wie er mir damit die Zeit überbrücken wollte, bis ich zu Hause war.

„Eddie, ist alles okay?“, hörte ich Ninas Stimme irgendwann im Hintergrund. „Ja, Süße, alles okay. Habe ich dich geweckt? Das wollte ich nicht. Ist nur ein wichtiger Anruf, leg dich doch wieder hin, ich komme gleich“, antwortete er ihr und man hörte, dass er dabei lächelte. Und meine Laune verschlechterte sich. Warum lief es bei mir nicht einfach mal wieder rund? „Bist du bald zuhause?“, wollte er dann wissen und ich schluckte.

„Ja gleich“, antwortete ich, obwohl es noch mindestens zehn Minuten dauern würde.

„Das ist super, dann kommst du auch endlich mal ins Bett und bist gut beschützt von deinen vier Wänden“, meinte Ed und gähnte dann.

„Ich… ich bin jetzt da, im Treppenhaus“, sagte ich nach ein paar Minuten und Ed seufzte.

„Okay, das beruhigt mich. Ruf dir doch nächstes Mal lieber ein Taxi, das gibt mir ein besseres Gefühl, ja?“, antwortete er und ich nickte.

„Ja… ja, wäre vielleicht besser. Ich hoffe, ich hab dich nicht zu lange gestört“, setzte ich still hinzu und Ed wank ab, bevor er zu einer Verabschiedung ansetzte.

„Du kannst immer anrufen, egal zu welcher Uhrzeit, Mae, das weißt du doch“, war alles, was er sagte und ich nickte.

„Danke. Und schlaf gut“, meinte ich, danach hatte ich aufgelegt. Ich wollte seine Stimme nicht mehr hören. Ich wollte nicht mehr an ihn denken, wollte nicht mehr an Ed und Nina denken, nicht daran, wie sie gleich zusammen in einem Bett liegen würden, erneut.

Ich erschauderte und blickte mich dann wie schon so oft die letzten Minuten um. Hinter mir war keiner, aber dennoch fühlte ich mich nur unwohler, seitdem ich aufgelegt hatte. Ich wollte einfach nur nach Hause, also lief ich noch schneller. Und dann fing ich an zu rennen. Ich rannte und ich rannte weg, vor den Monstern in der späten Nacht und den Monstern in meinem eigenen Kopf. Ein Wunder, wenn ich entkommen würde.

Und so vergingen die Tage und Wochen, Ed meldete sich immer weniger,

Joshua bemühte sich immer noch und ich hatte schlechte Laune und meine Tage. Oder ich hatte schlechte Laune, weil ich meine Tage hatte, wer wusste das schon so genau.

Als es irgendwann klingelte, stand ich auf und krümmte mich im ersten Moment zusammen. Scheiße, tat das weh.

Tief atmete ich durch und schleppte mich dann zur Tür und öffnete diese. Und eigentlich wollte ich irgendwas sagen, doch ich starrte den Typen vor der Tür einfach nur an.

„Komm rein, Ed“, meinte ich dann und drehte mich einfach wieder um, ließ ihn in der Tür stehen und wollte einfach nur wieder zurück aufs Sofa. „Was ist los?“, wollte Ed wissen, als er schlussendlich zu mir kam und sich vor mich hin kniete. Ich sah ihn nur komplett böse an. „Okay, ich habe nicht gefragt. Brauchst du etwas, kann ich etwas für dich tun?“, versuchte er es anders und ich nickte.

„Mich aufheitern“, meinte ich grummelnd und beobachtete ihn dabei, wie er sich die Decke vom Sofaende nahm und sie über mich ausbreitete.

„Ich geb mein Bestes, bist du krank?“, fragte er weiter und ich schüttelte den Kopf.

„Bauschmerzen. Und schlecht drauf“, meinte ich und er sah mich verwirrt an.

„Bauschmer…“, begann er, verstand dann aber wohl, was ich meinte. „Alles klar, Bauchschmerzen! Sag das doch gleich, das kriegen wir alles wieder hin, Mae. Kann ich dir was bringen? Hast du Hunger?“, fragte er und ich nickte.

„Worauf hast du Lust?“

„Schokolade“, antwortete ich sofort und Ed lachte auf.

„Ich meinte jetzt eher so normales Essen“, korrigierte er sich und ich sah ihn böse an, sodass er noch mehr lachte.

„Okay, Schokolade“, meinte er dann und verschwand kurz in der Küche, bevor er wieder vor mir stand. „Einmal schwarzes Gold, die Dame. Darf ich

Ihnen noch etwas anderes kredenzen.“

„Pizza“, grummelte ich nur weiter und er lächelte mich an.

„Kommt sofort. Und sag mir mal, wo deine Wärmflasche ist“, versuchte er mir das Gefühl zu geben, dass die Welt gar nicht so böse war, wie sie in meinen Augen gerade aussah, und er kriegte das erstaunlich gut hin. Joshua hatte mich immer nur angeschaut wie ein Alien, wenn ich über

Bauchschmerzen klagte und ihn genervt anzickte, aber verwundert hatte mich das nicht. Ed dagegen war einfach… Ich wusste nicht, wie ich das beschreiben sollte, aber er hatte wohl verstanden, was ‚Bauchschmerzen haben‘ bedeutete.

„Dein trotziger Blick ist ja fast schon niedlich“, meinte Ed, als er mit meinem Essen in der Hand auf mich zu kam und mein Gesicht hellte sich ein wenig auf.

„Wenn du bisher nicht schon so nett gewesen wärst, hätte ich dich bei diesem Spruch sonst getötet“, murrte ich und entriss ihm den Teller, während ich mich aufzurichten versuchte, ohne dass ich vor Schmerzen umkam.

„Tut es so doll weh?“, fragte er, als er meinen verkrampften Gesichtsausdruck sah und sich neben mich setzte.

„Normalerweise ist es irgendwie erträglich, aber dieses Mal… Ich hoffe, ich fang gleich nicht an zu heulen“, meinte ich gepresst und versuchte die Wärmflasche wieder an ihren Platz zu ziehen, da sie etwas verrutscht war. Und dann machte ich mich an mein Essen.

+

„Singst du mich in den Schlaf?“, nuschelte Mae an meiner Schulter, während wir zusammen auf dem Sofa saßen und mal wieder nichts taten.

„Es ist erst 20 Uhr, Mae, sonst gehst du doch nie so früh schlafen“, erwiderte ich und sie sah mich an, aus zutiefst traurigen Augen.

„Je früher ich schlafen gehe, desto länger schlafe ich und desto weniger Bauschmerzen krieg ich mit“, murmelte Mae aber nur und ich nickte nur. „Das klingt logisch. … Meine Gitarre hab ich leider nicht mit“, meinte ich dann, während Mae aufstand.

„Warum eigentlich nicht? Du willst dich doch nur davor drücken, mir etwas vorzuspielen“, versuchte sie, mit mir zu scherzen, aber dafür war sie einfach nicht in der Stimmung.

„Ich weiß nicht, es kam irgendwie nie so rüber, als dass du meine Musik wirklich magst“, meinte ich gedankenverloren und Mae sah mich an. „Das ist doch der größte Schwachsinn, Ed. Ich liebe deine Musik. Ich liebe deine Stimme und ich liebe es, wenn man mir Musik vorspielt“, widersprach mir Mae sofort und verschwand dann im Bad, ich schaute ihr einfach hinterher. Das hatte ich noch nicht gewusst. Und es änderte einiges.

„Guten Morgen, Mae. Geht es dir besser?“, begrüßte ich die Blondine am nächsten TAg, als sie die Treppe herunter stolperte, und sie nickte nur. „Ich hab keine knochenbrechenden Bauchschmerzen mehr, also ja, mir geht es ein wenig besser“, versuchte sie sich an einem Lächeln, während sie dann im Bad verschwand und ich war froh drum. Sie sah gestern echt nicht so gut aus.

Seufzend erhob ich mich und ging dann schon mal in die Küche und öffnete ihren Schrank, in dem sie ihren Kaffee aufbewahrte. Sie hatte fünf verschiedene Standardsorten und verdammt viele kleine Döschen mit noch viel mehr Kaffee….

„Und was nehm ich jetzt?“, fragte ich mich selbst und griff dann intuitiv nach dem Kaffee, der schon gemahlen war. Ich hatte nämlich keine Ahnung, wo sie ihre Mühle versteckte…

„KAFFEE!“ stellte Mae unfassbar begeistert fest, als sie schließlich geduscht, angezogen und mit frisch geföhnten Haaren in die Küche kam.

„Ja, Kaffee“, bestätigte ich und goss ihr im nächsten Moment eine Tasse ein, während sie sich an den Tisch setzte und ein wenig auf ihrem Handy herum tippte.

„Ich hab dir übrigens was mitgebracht, gestern hab ich das komplett vergessen“, meinte ich dann und kramte in meiner Hosentasche nach dem Stick. „Es ist einmal das komplette Bilderkollektiv von der Tour, wo du dabei warst“, erklärte ich noch, während ich ihr den Stick gab.

„Bilder? Ich liebe Bilder!“, meinte Mae nur und sie fing an zu lächeln. Ihr ging es eindeutig viel besser als gestern.

„Ja, Stuart meinte…“, begann ich, aber stoppte sofort, als Mae unerwartet aufsprang und ihr Stuhl klackernd zu Boden fiel.

„Moment mal, STUART! Man, was tust du eigentlich hier, Ed?!“, meinte Mae hysterisch und kam auf mich zu, ich erstarrte vollkommen. „Was?“, murmelte ich verwirrt und hob unwillkürlich meine Arme.

„SAG MAL GEHT ES DIR NOCH GUT?! Warum bist du hier, Ed?“, brüllte mich Mae regelrecht an und ich verstand gar nichts mehr. „Sag mir, dass das gerade nicht dein Ernst ist, Ed. Bitte!“, wurde sie verzweifelter und ich sah sie schockiert an.

„Mae, was ist denn…“, wollte ich beginnen, aber sie unterbrach mich wieder. „Sag mir nicht, dass du Stuarts Einladung abgesagt hast, um hier zu sein. Sag mir bitte, dass ich mich im Tag irre!“, erklärte sie sich dann und ich verstand zum ersten Mal, worum es hier ging.

„Woher weißt du denn schon wieder davon? Und ich sehe Stuart doch so oft, da …“, wollte ich ihr eine Antwort geben, es war aber anscheinend die Falsche.

„ED! Sag mal bist du vollkommen verrückt geworden?! Du bist so ein Egoist, Ed. Du bist so ein verdammter Egoist. Weißt du, Stuart hat dich nicht einfach so eingeladen, es war keine ‚Komm vorbei, wenn du Bock hast‘-Einladung. Nicht, wenn seine Familie dabei sein soll und überhaupt. Ich dachte, du kennst ihn besser als ich, es war kein…“, begann sie und stockte dann, während ich immer weiter in mich zusammen schrumpfte. „Er wollte seine Verlobung bekannt geben, Ed. Und du bist lieber bei mir als bei ihm?“, wurde sie am Ende immer leiser und ich wollte was sagen, aber sie schüttelte den Kopf, sodass ich schwieg und sie einfach weiter machen ließ. „Ed. Manchmal… Du hast keine Ahnung von den Menschen, die du zu kennen glaubst. Sowas merkt man doch. Und versuch dich gar nicht ernst zu rechtfertigen oder ich drehe komplett durch und mache dich so zur Schnecke, dass du nicht mehr weißt, wer du bist, was du machst und was du die nächsten Stunden noch vor hast. Argh, ich brauch frische Luft!“, platzte sie dann vollkommen, stürmte aus der Küche und schlug zuerst diese Tür zu und nach einigen Momenten dann auch die Haustür. Und ich? Stand einfach weiter hier und starrte Mae hinterher…

+

„Hallo, Ed“, murmelte ich leise, als ich das Wohnzimmer betrat und Ed auf dem Sofa sitzen sah. „Ich bin eben ganz schön ausgetickt“, meinte ich dann und versuchte, irgendwie einen Anfang zu finden.

„Hat man gemerkt, warst voll in deinem Element“, erwiderte Ed nur und sah mich noch nicht mal an.

„Glaubst du wirklich, mir macht es Spaß, dich anzubrüllen?“, fauchte ich so nur und er wandte sich zu mir um.

„Warum machst du es sonst?“, fragte er und ich schnappte nach Luft. „Weil ich Stuart zu beschützen versuche?! Warum denn bitte sonst, Ed!? Er ist mein Vater! Er ist der Vater, den ich NIE wirklich hatte. Und weil ich nicht will, dass er verletzt wird. Weil ich will, dass seine Hochzeit das größte für ihn wird. Weil ich Liberty mag… Weil ich es einfach nicht mit ansehen kann, wie ein geliebter Mensch meines Vater ihn so ignoriert. Er hat mir von damals erzählt, von deinen Träumen, deinen Visionen. Und wie unfassbar stolz er auf dich gewesen war. In letzter Zeit höre ich nur noch, wie er sich Sorgen um dich macht. Da kam nichts von dem vor, was du mal gewesen bist…“, wurde ich zum Ende hin immer leiser und ließ mich dann neben Ed aufs Sofa fallen.

„Stuart hat ja auch recht. Er macht sich nicht umsonst Sorgen, ich habe lange nicht mehr wirklich mit ihm geredet, also so richtig geredet… Und Stuart ist auch nicht alles für mich. Mein derzeitiges Leben auf Tour ist zwar toll, aber auch das ist nicht alles für mich. … Ich weiß, ich hätte zu ihm kommen sollen. Aber ich bin lieber hier“, meinte Ed und sah starr nach Vorne.

„Ed, … warum bist du immer hier, bei mir, nie zum Beispiel bei deinen Eltern zuhause? Oder bei Stuart, oder bei Nina... Warum bist du lieber hier, Ed?“, stellte ich dann die Frage, die mich schon länger beschäftigte und Ed sah zu mir herüber.

„Weil du mein Zuhause bist“, war seine simple Antwort und auch wenn es eigentlich komplett unangebracht war, quiekte ich leise auf. Ein immenses Glücksgefühl durchströmte meinen Körper, als er auf ein Gespräch anspielte, das wir irgendwann mal geführt hatten.

„Das war ja jetzt schon ziemlich süß“, lächelte ich in Eds Richtung, aber er schien das nicht so gut aufzunehmen.

„Ach fick dich doch“, murmelte er und stand auf, ich sah perplex hinterher. „Hey, Ed, was ist denn los?“, wollte ich wissen und war sofort aufgesprungen, wollte nicht, dass er sich abwandte.

„Es ist nicht richtig, Mae. Ich bin lieber hier als sonst wo!“, sah er verzweifelt zu mir und ich erschauderte unter seinem Blick. „Das kann doch nicht richtig sein. Du bist mir wichtiger als fast jeder andere Mensch in meinem Leben, du bist mir wichtiger als Stuart. Du bist mir wichtiger als …“, begann er, sprach den Satz aber nicht zu Ende. Aber ich wusste genau, wen er meinte… Im nächsten Moment hatte er mit seiner rechten Hand gegen die nächstbeste Wand geschlagen und ich zuckte zusammen.

„Wie schaffst du das nur?“, fragte er mich dann und sah mir direkt in die Augen. Und so einen Ausdruck in seinen hatte ich noch nie bei ihm gesehen.

Er war verletzlich, er…

„Ganz ehrlich Ed, das ist das Unglaublichste, was je jemand zu mir gesagt hat“, meinte ich leise und konnte es nicht verhindern, hysterisch anzufangen zu lachen. „Und ich weiß, lachen ist eigentlich total unangebracht, aber es geht nicht anders“, meinte ich und trat einen Schritt auf ihn zu. „Du machst mich so fertig, Ed“, setzte ich hinzu und versuchte, ihn in meine Arme zu ziehen. Er wehrte sich nicht.

„Du machst es schon wieder“, flüsterte er leise an meinem Ohr, während er die Umarmung verstärkte und mich nicht mehr loszulassen schien. „Was denn?“, wollte ich wissen und löste mich dann doch von ihm, um ihn anschauen zu können.

„So unglaublich warmherzig sein“, antwortete er und strich mir behutsam über eine meiner Wangen. „Auch wenn du das wahrscheinlich gar nicht willst, aber man fühlt sich einfach so wunderbar, wenn du da bist. Alleine deine Art macht einen so unglaublich glücklich“, wurde er zum Ende hin immer leiser und auch ich rührte mich nicht.

Ohne zu realisieren, was wir da wirklich taten, lagen im nächsten Moment unsere Lippen aufeinander. Sanft, ganz kurz, ohne irgendwelche Absichten, sie waren einfach da gewesen.

Verwirrt traten wir einen Schritt zurück, sahen uns immer noch an. Perplex, geschockt, irritiert. Und dann erwachte Ed aus seiner Starre und realisierte, was gerade passiert war.

„Oh Gott, es tut mir leid, das wollte ich nicht“, murmelte Ed und fuhr sich übers Gesicht. „Heute ruinier ich aber auch alles“, setzte er an sich selbst gerichtet dazu und ich schüttelte den Kopf.

„Hey, Ed, Sachen passieren, alles gut. Schwamm drüber?“, rang ich mir diese Worte ab und er sah mich wirklich verwirrt an. „Und mir tut es leid, dass ich dich vorhin so angeschrien habe.“

Ed nickte nur, sah mich einfach nur an. Und gerne hätte ich gewusst, was er jetzt dachte.

„Meinst du, Stuart wäre sehr sauer, wenn ich jetzt noch auftauche?“, fragte er dann und ich schüttelte sofort den Kopf.

„Niemals! Das ist die beste Idee, die du haben könntest. Er wird sich freuen“, meinte ich leise und sah ihm dann dabei zu, wie er seine paar Sachen wieder in seiner Tasche verstaute.

„Warum bist du eigentlich nicht dort?“, wollte Ed dann noch wissen und ich seufzte.

„Ich hatte zu viel Angst“, murmelte ich leise und brachte ihn noch zur Tür. „Du hattest Angst?“, fragte er nach, weil er wohl dachte, sich verhört zu haben.

„Ja. Ich habe seine Familie noch nicht kennen gelernt, es hatte sich noch nicht ergeben… Und ich wollte ihm und Liberty nicht die Show stehlen, wenn ich jetzt aufgetaucht wäre“, erklärte ich und er nickte.

„Bis bald, Mae“, meinte er dann und trat einen Schritt auf mich zu, bevor er mir einen Kuss aufs Haar hauchte und dann schon wieder verschwunden war.

Ich stand einfach nur da und wünschte mir, dass er nicht gegangen wäre. Ich stand da, wollte das Kribbeln auf meinen Lippen einfach wegradieren, doch es ging nicht. Ich stand da und mir rannen die Tränen in Sturzbächen die Wangen herunter. Was hatten wir denn jetzt schon wieder angerichtet?

+ Kapitel 2.5: Das Ende +

„In einem Moment ist alles gut, nur damit im nächsten Moment alles zusammenbrechen kann. Und gerade bricht irgendwie alles zusammen…“ (09.07.2012)

Es vergingen die Wochen, wie sie eigentlich immer vergingen. Die Uni war mittlerweile schon länger zu Ende, ich hatte die letzten Tage viel mit Josh verbracht und versucht, mich von meinen eigenen Gedanken abzulenken.

Und ich war grandios daran gescheitert.

„Kelsey, das Thema hatten wir doch jetzt schon tausend Mal durchgekaut“, murmelte ich, während ich auf meinem Sofa lag. „Ich werde nicht mit Josh zu deiner Geburtstagsparty kommen und ihn allen als meinen Freund vorstellen. Letztes Wort!“

Kel seufzte nur und wollte wieder ansetzen. „Mae“, begann sie, aber sofort unterbrach ich sie.

„Nichts da. Ich bezweifel eh, dass er mitkommen wollen würde“, versuchte ich sie irgendwie zu beruhigen und Kel gab irgendwann auf.

„Ist ja schon gut. Wie läuft es denn? Hast du ihn immer noch nicht ran gelassen?“, wollte sie dann wissen und ich verdrehte die Augen.

„Ein bisschen. Ein bisschen mehr, wenn er aufhören sollte, so aufdringlich zu sein. Oder nie, keine Ahnung“, meinte ich nur und setzte mich wieder gerade hin. „Was machst du heute Abend?“

„Wechsel nicht das Thema! Was heißt denn ‚oder nie‘?“, hakte sie sofort nach und ich schlug mir innerlich gegen die Stirn.

„Ich weiß es nicht, er hat manchmal solche Phase, aber abwarten“, wollte ich irgendwie das Thema wechseln, als es klingelte. „Du, ich mach mal Schluss, es hat gerade geklingelt“, seufzte ich dankbar und ignorierte Kelseys Proteste komplett. Ich wollte mich jetzt nicht mit dem Joshua-Problem auseinander setzen. So öffnete ich die Tür.

„Oh mein Gott, Mae. Hier!“, wurde ich gar nicht richtig begrüßt, sondern Ed drückte mir einfach einen Karton in die Hand. „Das war eine meiner besten Ideen, die ich je hatte. Hast du Hunger?“, fragte er dann und platzierte noch einen Karton mit Essen oben drauf und hauchte mir einen Kuss aufs Haar, bevor er sein ganzes Gepäck ablud und sich aus seinen Sachen schälte. „Was zur Hölle ist mit dir denn los?“, wollte ich wissen, während ich die Sachen erst mal auf meiner Kommode abstellte.

„Darf ich mich nicht freuen, dich zu sehen, Mae?“, fragte er aber einfach nur und zog mich in eine Umarmung. Tief atmete ich seinen Duft ein. Warum tat er mir das an? „Und jetzt mach dein Geschenk auf, ich hol schon mal zwei Teller“, hatte er sich in der nächsten Sekunde von mir gelöst und war verschwunden. Und in der Sekunde, wo ich ihn nicht mehr an mir spürte, zog sich mein Herz zusammen…

„NICHT DEIN ERNST!“, kreischte ich begeistert, als ich den Karton geöffnet hatte und Ed einen Teller abnahm.

„Oh doch!“, bestätigte Ed nur grinsend, während ich die PlayStation aus dem Karton hob. „In meiner Wohnung verstaubte sie nur und ich dachte, dann hab ich was zu tun, wenn ich mal hier bin und du keine Zeit hast.“

Unfassbar! Mit einem breiten Strahlen ging ich durch seine Spiele und meine Augen wurden immer größer!

„Ed! Bitte! Wir müssen das spielen!“, verlangte ich dann und hob eine der Spiele aus dem Karton und sah Ed durchdringend an.

„SingStar? Dein Ernst?!“, wollte er wissen und seufzte, griff sich leidend an sein Herz, bevor er sich wieder ordentlich hinsetzte. „Aber okay, dein Wunsch sei mir Befehl. Hast du irgendwas zu trinken?“, wollte er dann wissen und ich sah ihm mit schief gelegtem Kopf an.

„Was Alkoholisches?“, fragte ich nach und Ed verdrehte die Augen.

„Ja? Was sonst? Wenn ich Durst habe, würde ich mir selbst was nehmen, Mae. Wieso sollte ich mich von dir bedienen lassen?“, erwiderte er und ich hob abwehrend die Hände, ging an meinen Wohnzimmerschrank und schaute durch meinen kleinen Vorrat an Weinflaschen.

„Ich hab nur noch Rotwein, reicht dir das?“, wollte ich wissen und er nickte.

„Besser als nichts, ich bring dir nächstes Mal ein paar andere Sachen mit, der Vorrat sieht mir von hier aus ziemlich klein aus“, meinte Ed nur, während er aufstand und in die Küche verschwand, um dann mit zwei Gläsern und einem Korkenzieher wiederzukommen.

„Wein schmeckt mir halt am besten“, erwiderte ich und reichte Ed die Flasche, bevor ich mich an meine Pizza machte. Sollte ja nicht kalt werden!

„Den Song kannst du gleich vergessen!“, meinte Ed, als ich so durch die Lieder scrollte..

„Irgendwann wirst du auch die schrecklichsten Lieder mit mir singen, Ed!“, erwiderte ich und schaute ihn böse an, bevor ich weiter nach einem Lied suchte, was wir singen könnten.

„Mal abwarten“, meinte Ed nur, während er unsere beiden Teller nahm und sie zur Seite stellte. Nur noch unser Wein stand auf dem Couchtisch.

„Lass uns ‘N Sync machen“, forderte ich dann und reichte Ed sein Mikro.

„Nen Boyband-Song?“, fragte er nur und seufzte.

„Oh ja, Ed. Und ich warne dich gleich vor: Ich bin voll der Pro in SingStar – auch wenn ich nicht gut singen kann. Also mach dich auf was gefasst!“, sah ich ihn mit funkelnden Augen an und startete dann das Lied.

Ich liebte dieses Spiel einfach. Ich wusste nicht wieso, aber es war eines dieser interaktiven Gesellschaftsspiele, es war Karaoke. Und ich liebte es komplett. Das Gute daran: Wenn man das originale Lied laut genug machte, dann konnte man auch so schief singen, wie man wollte. Es störte keinen. Und um zu gewinnen, musste man noch nicht mal gut singen können, sondern einfach nur irgendwie die Töne treffen. Und das hatte ich im Laufe der Jahre perfektioniert. Ed dagegen….

Breit grinsend verschränkte ich die Arme vor meiner Brust, als das Lied endete und ich Ed haushoch geschlagen hatte.

„Das… aber…“, nuschelte dieser nur und zeigte dann auf mich. „Revanche!“, forderte er und die konnte er haben. Grinsend reichte ich ihm den Controller und ließ ihn den nächsten Song aussuchen.

„Wieso kannst du so gut singen?“, grummelte Ed und ließ sich zurück auf die Couch fallen.

„Das ist doch der Punkt, Ed. Ich kann nicht gut singen, ich habe dieses Spiel bloß besser verstanden als du“, erwiderte ich und streckte mich. Wir hatten zehn Lieder gespielt. Sieben hatte ich gewonnen, die restlichen drei Ed. „Du singst für dieses Spiel einfach zu gut“, setzte ich noch hinzu und er sah mich an, vollkommen überrascht, dann lächelte er aber.

„Unfassbar“, meinte er und warf den Controller dann vor sich auf den Teppich.

„Weißt du was noch unfassbar ist?“, fragte ich dann und er schüttelte den Kopf. „Deine Stimme. Sie unterscheidet sich so immens, wenn du singst oder wenn du redest. Wenn du redest ist sie viel tiefer, aber wenn du singst, dann ist sie glockenhell. Und wenn du rapst, switchst du manchmal in deiner Stimme. Es ist echt niedlich“, meinte ich gedankenverloren und auch Ed schmunzelte.

„Wie geht es dir, Mae? Du siehst gerade so nachdenklich aus“, fragte er dann und drehte sich zu mir um. Und ich versuchte, mir ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.

„Tue ich das?“, erwiderte ich nur und sah auf meine Hände. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, bald fängt das Studium wieder an und … keine Ahnung, ich weiß nicht, ob ich mich richtig entschieden habe“, meinte ich dann uns seufzte.

„Wie, es fängt wieder an… Moment, sorry, ich krieg das mit den Semestern immer durcheinander. Aber wieso hast du dich falsch entschieden? Du meintest doch immer, dass Kunstmanagement wohl das Richtige für dich wäre?“, wollte er wissen und ich sah weiter nicht zu ihm. „Als ich mich bewerben musste, hab ich mich spontan nochmal umentschieden. Master Musikmanagement“, meinte ich dann und zog meine Beine an. „Und ich bin mir immer noch unsicher, ob das so eine gute Idee gewesen war. Ich hab mich letztens erst wieder mit Stuart drüber unterhalten… ich habe ihn zu Tode gequatscht. Ach, ist ja auch egal“, meinte ich dann und wollte das Thema wechseln, aber Ed ließ mich nicht.

„Was spricht denn dagegen, wenn du es einfach mal probierst? Und wenn es doch nichts für dich ist, machst du halt was anderes. Obwohl ich natürlich parteiisch bin und dich nur in dieser Entscheidung unterstützen kann. Ich meine, come on, wenn du fertig bist, kann ich dich mit auf Tour schleppen“, grinste er und ich sah ihn an. Meinte er das ernst?

„Mal abwarten, in ner Woche geht’s los“, seufzte ich und streckte mich. „Wie läuft‘s mit Nina?“, fragte ich dann und seine Miene verfinsterte sich. „Frag besser nicht“, meinte er nur und stand dann auf. „Wollen wir ins Bett gehen?“ Ich nickte nur.

„Gerne.“

+

„NINA! Jetzt hör doch einfach mal auf damit. Ich kann es nicht mehr hören!“, grummelte ich und ballte meine noch freie Hand zu einer Faust. „Ich kann es doch auch nicht ändern.“

Stille. Sie sagte nichts mehr. Doch das würde sich gleich ändern. In 3, 2, 1… „Also stört es dich gar nicht, mich nicht sehen zu können?“, warf sie mir vor und ich versuchte wirklich ruhig zu bleiben.

„Nina, ich kann nichts daran ändern, dass ich gerade in Amerika bin und du nicht. Sieh es doch einfach ein. Wir sehen uns doch bald…“, wollte ich beginnen, doch Nina schnaubte nur.

„Dann wünsche ich dir ganz viel Spaß alleine in Amerika. Und erzähl mir bloß nicht, wie toll es da alles ist und wie nett die Frauen zu dir sind“, knurrte sie und hatte im nächsten Moment einfach aufgelegt.

Perplex starrte ich mein Display an und seufzte. Ihre Negativität tat mir nicht gut. Und ich fragte mich, ob ich das wirklich durchhalten wollte… „Ed?“, klopfte es dann an meiner Tür und ich verdrehte die Augen.

„Ja?“, meinte ich nur und im nächsten Moment stand Stuart in der Tür.

„Das klang nicht schön. Nina?“, fragte er nur und ich nickte.

„Nicht weiter wild, kriegst sich schon wieder ein“, sagte ich nur das, was ich immer in so einer Situation sagte, während eine neue WhatsApp-Nachricht auf meinem Bildschirm aufblinkte. „Ich bin in fünf Minuten da“, lächelte ich Stu dann an und er war wieder verschwunden.

‚Rotkäppchen an Rumpelstilzchen: Mission abbrechen!‘, las ich nur und musste schmunzeln. Was hatte sie denn nun schon wieder?

‚Was ist los, Mae?‘, wollte ich wissen und seufzte. Ich hatte sie lange nicht mehr gesehen und auch gesprochen, im Moment blieb es nur bei kleinen Nachrichten über den Tag verteilt. Und ich vermisste sie.

‚Hab keine Zeit zum Skypen nachher, es tut mir leid! Ich…, es ist gerade alles komplett durcheinander. Verzeih mir!‘, schrieb sie und ich seufzte. ‚Und ich wünsche dir gleich – in 17 Minuten übrigens – viel Spaß bei deinem Interview, Ed!‘, setzte sie noch hinterher und ich lächelte. Es war unfassbar, aber irgendwie hatte sie ein Gedächtnis wie ein Elefant, denn jeden Termin, den ich ihr sagte, merkte sie sich – und wünschte mir vorher viel Glück, Erfolg oder Spaß, je nach Situation. Nina dagegen interessierte sich selbst für die größeren Auftritte kein Stück, oder sprach es einfach nicht an, wer wusste das schon.

‚Danke, Mae. Was ist denn los? Auch wenn das mit nachher schade ist, ich vermisse deine Stimme‘, schrieb ich ihr noch, bevor ich mein Handy in die Tasche schob und mit einem kurzen Blick durchs Zimmer den Raum verließ. Es war Zeit.

+

Seufzend saß ich nun hier, auf meiner Lieblingsbank in meinem

Lieblingspark, und hörte Musik. Die Vorlesung, in der ich eigentlich gerade sitzen sollte, war ausgefallen und ich hatte noch keine Lust gehabt, nach Hause zu gehen. So saß ich also hier, hatte mir einen Kaffee to go geholt und starrte in die Menschenmenge. Mein dritter Kaffe heute schon, aber ich war irgendwie auch ein wenig kaputt, hatte nicht ganz so gut geschlafen, mir zu viele Gedanken gemacht.

Langsam kramte ich mein Handy aus der Tasche und schaute dann drauf. Keine neuen Nachrichten. Schon seit zwei Tagen kein Lebenszeichen von Ed, irgendwie aber auch kein Wunder. Er hatte viele Konzerte gespielt und war jetzt wahrscheinlich auf dem Weg zu Nina, um die letzten freien Tage zu nutzen, bevor er wieder viel zu tun bekam. Einmal kurz durch Europa und dann wieder von hier nach dort und kreuz und quer…

Seufzend steckte ich das Handy wieder weg, ohne ihm eine Nachricht geschrieben zu haben. Es war nicht normal, wie sehr ich ihn vermisste. Es war auf keinen Fall normal…

Mein Blick fuhr umher und ich suchte nach irgendetwas interessa… Moment mal, war das da hinten nicht Josh?

Meine Miene erhellte sich etwas. Wahrscheinlich war er noch kurz in der Stadt gewesen, um irgendwas zu besorgen. Wir wollten uns später noch treffen, er wollte mich zum Essen einladen und auch wenn ich nicht wusste, was das heute werden sollte, freute ich mich schon ein wenig. Denn auch, wenn ich ihm noch nicht vollkommen verfallen war, verbrachte ich gerne Zeit mit ihm. Und er hatte gemeint, ich sollte mich in mein schönstes Kleid werfen, also würde es heute irgendetwas Besonderes werden.

Lächelnd stand ich auf und lief auf ihn zu, um ihn abzufangen, doch da war ich zu langsam, da neben ihm ein anderes Mädchen auftauchte und ihn begrüßte. Eigentlich nichts… Moment, was taten die da? Ich musste zweimal hinschauen, um zu verstehen, was da gerade wirklich abging. Die machten doch jetzt nicht ernsthaft…

Ohne drüber nachzudenken hatte ich meinen Schritt verschnellert und stand im nächsten Moment vor ihm.

„Das ist nicht dein Ernst, oder? Unsere Verabredung kannst du vergessen. Mich kannst du komplett vergessen, du Vollidiot!“, warf ich ihm an den Kopf und er sah mich geschockt an.

„Mae, das ist nicht…“, begann er und ich nickte.

„Natürlich, es ist nie so, wie es aussieht. Ich bin doch nicht blind! … Lässt sie dich wenigstens ran, oder warum war ich dir nicht gut genug?“, wollte ich wissen und ignorierte den Blick des Mädels neben ihm.

„Willst du wirklich die Wahrheit wissen?“, fragte er dann und ich nickte. „Es war ne Wette, dich ins Bett zu kriegen. Hat ja nicht sonderlich gut funktioniert“, meinte er sichtlich genervt und ich sah die beiden an. „Wirklich? Dein Ernst? … Dann habe ich ja alles richtig gemacht, Joshua. … Lass dich ja nie wieder bei mir blicken!“, sagte ich an ihn gerichtet und drehte mich um, verschwand in der nächstbesten Menschenmenge und war weg.

+

Mein Handy vibrierte und intuitiv zog ich es heraus. Das war bestimmt Nina, die…

‚Er hat ne andere. Und ich war nur Ziel einer dummen Wette‘, schrie mir aber Maes Nachricht regelrecht entgegen, meine Hand ballte sich unwillkürlich zu einer Faust und ich schloss die Augen. Scheiße. Das hatte sie nicht verdient. Ganz und gar nicht.

Seufzend setzte ich zu einer Nachricht an, wusste aber beim besten Willen nicht, was ich auf so eine Nachricht antworten sollte. Ich wusste es einfach nicht.

Ach was, natürlich wusste ich es.

‚Gib mir ein paar Stunden‘, war alles, was ich erwiderte und hatte in der nächsten Sekunde schon Ninas Nummer gewählt. Eigentlich hatte ich ja vorgehabt, sie zu besuchen, meine Tasche war auch schon komplett gepackt und ich wartete auch nur noch auf das Taxi, aber unter diesen Umständen… „Ed? Ist alles okay? Was ist denn jetzt schon wieder? Ich etwas dazwischen gekommen?“, begrüßte sie mich und ich schluckte. Wir hatten eben schon kurz telefoniert, aber mittlerweile klang sie nicht mehr so gut drauf wie eben, aber das würde sie schon verstehen.

„Naja…“, begann ich und atmete dann tief durch. „Ich muss zu Mae.“ Stille. Quälende, anstrengende Stille. Ich hörte nur Ninas Atemzüge, wie sie bedacht hörbar ein- und ausatmete.

„Du stellst sie über mich, Ed. Bin ich dir überhaupt nicht wichtig?! Wir haben uns verdammt lange nicht mehr gesehen. Ich hab kein Bock mehr!“, fing sie dann aber genau so an, wie ich es erwartet hatte, und so langsam ging mir dieses Rumgezicke so richtig auf die Nerven.

„Wir haben uns vor zwei Wochen gesehen, Nina! Und du musst anfangen zu akzeptieren, dass ich Freunde habe, um die ich mich kümmern muss. Du bist nicht die einzige Person in meinem Leben“; pfefferte ich so nur etwas unbedacht zurück, doch bereuen tat ich meine Aussage nicht. Vielleicht den Weg, wie ich ihr das alles gerade mitteilte – so am Telefon war das einfach nicht so schön –, aber was sollte ich machen…

„Also ist sie dir wichtiger als ich“, warf Nina mir an den Kopf und meine freie Hand ballte sich wieder zu einer Faust, aber aus einem ganz anderen Grund als eben.

„Hast du mir nicht richtig zugehört? Mae geht es nicht gut und als Freund ist es meine Aufgabe, nach ihr zu schauen. Meine Güte, hör auf dich so aufzuregen. Wir sehen uns doch schon in einer Woche!“, versuchte ich irgendwie noch die Kurve zu kriegen, doch nicht mit meiner Freundin. „Achso, wenn es ihr nicht gut geht, springst du sofort, aber wenn es mir mal nicht so gut geht, ist es vollkommen in Ordnung. Danke, Ed. Vielen Dank auch für deine Anteilnahme. Vielleicht hast du es ja vergessen, aber wir waren eigentlich zusammen. Aber wenn du so weiter machst, glaube ich nicht, dass…“, begann sie und ich fiel ihr einfach ins Wort, so unhöflich es war, aber so langsam platzte mir der Kragen.

„Weißt du was, Nina? Ich werde nicht anfangen, meine Freundschaften für dich zu brechen. Wenn du damit nicht klarkommen willst, ist es vielleicht wirklich besser, es einfach zu beenden“, kam es über mich und der Satz fühlte sich gar nicht so bedrohlich an, wie er sich eigentlich anfühlen sollte. „Also hab ich recht, oder?“, erwiderte Nina aber nur und am liebsten hätte ich jetzt irgendwas an die Wand geworfen. Gott sei Dank hatte ich aber schon alles verstaut.

„Du verstehst es echt nicht, Nina. Es ist wohl besser, wenn wir uns ab hier nicht mehr sehen. Es ist aus“, brachte ich es dann komplett zu Ende und hörte im nächsten Moment, wie Nina einfach aufgelegt hatte. „Was für ein Drachen“, seufzte ich und musste mich erst mal aufs Bett setzen. Warum hatte ich mir das ganze Drama nochmal angetan? Achja, ich war völlig verrückt nach ihr gewesen…

Kopfschüttelnd schnappte ich mir dann meine Sachen und hatte im nächsten Moment das Hotelzimmer verlassen. Ich hatte ja geplant gehabt, Mae ein wenig aufzumuntern, denn das hatte sie gerade bitter nötig. Mit Nina würde ich mich wahrscheinlich noch früh genug wieder auseinander setzen müssen.

Aber jetzt: Fokus! Ich hatte einen Plan. Und der sollte im besten Fall gut funktionieren.

+ Kapitel 2.6: Der Anfang? +

„Es ist erstaunlich, wie schnell alles zusammenfallen kann, um dann zu sehen, wie sich irgendetwas anders aufbaut, wovon man keine Ahnung hat, was das werden soll.“ (10.07.2012)

Entnervt schlurfte ich zur Tür. Was anderes blieb mir auch nicht übrig, so sehr, wie diese Person klingelte.

Und so machte ich auf und wartete, bis endlich jemand oben im Hausflur ankam. Ich hatte eine vage Ahnung, wer das sein könnte, und als ich seine Mützenspitze ausmachen konnte, musste ich lächeln. Er hatte es echt ernst gemeint.

„Ich weiß, ich bin etwas spät. Es tut mir leid“, brachte Ed keuchend hervor und hatte im nächsten Moment alles fallen gelassen, was er in der Hand trug, um mich in eine knochenbrechende Umarmung zu ziehen. Und ich ließ ihn, ich liebte solche Umarmungen von ihm. Und ich selbst ließ mich auch richtig fallen, lehnte mich komplett an ihn und hielt mich einfach nur fest. Dass Ed wirklich hier war, war das Beste, was mir hätte passieren können. „Ich bin immer für dich da, Mae. Und wenn ich dem Typen eine reinhauen soll, dann würde ich sogar das für dich machen“, hauchte Ed in mein Ohr und ich schüttelte nur langsam den Kopf. Das war er nicht wert. „Ich hab dir übrigens was mitgebracht. Ich würde es aber ziemlich schnell auspacken, es scheint zu schmelzen“, setzte er dann noch hinzu und reichte mir ein viereckiges Geschenk, dessen Papier dabei war, durchzuweichen.

Ohne zu zögern riss ich das Geschenkpapier zur Seite und ließ Ed dann links liegen, verließ den Flur und machte mich auf den direkten Weg in die Küche. Ich brauche einen Löffel. Sofort!

+

„Okay“, meinte ich verwirrt, als ich Mae immer noch hinterher sah, sie aber einfach nicht wiederkam. Anscheinend hatte ich mit dem Geschenk gerade alles richtig gemacht. Das war auch okay, solange es ihr nur besser ging. So hängte ich meine Sachen erst mal an ihren angestammten Platz und folgte ihr ins Wohnzimmer, wo sie es sich wieder auf dem Sofa bequem gemacht hatte und die Packung Eis mittlerweile halb leer war.

„Krieg ich auch noch was?“, wollte ich wissen und Mae griff neben sich und hob einen weiteren Löffel hoch. Es war ein witziges Bild.

„Und jetzt sei still, es ist gerade so spannend“, murmelte sie, während sie gebannt auf ihren Fernseher starrte, wo Menschen gerade von Zombies verfolgt und in Stücke gerissen wurden. Ihr ging es eindeutig nicht gut, sie schaute sowas eigentlich nicht.

So setzte ich mich aber erst mal neben sie, zog sie an meine Schulter und nahm mir den Löffel in die Hand. Man konnte ja nicht zulassen, dass das Eis komplett schmolz.

„Darf ich ihn den Zombies zum Fraß vorwerfen?“, warf Mae irgendwann in den Raum, als das Eis schon längst alle war, und ich seufzte nur. „Ich glaube nicht, dass das geht. Aber mein Angebot steht, ich würde ihm eine reinhauen“, wiederholte ich meine Aussage von eben, doch Mae schüttelte nur den Kopf.

„Dein armer Ruf, das würde ich auch so hinkriegen, ich hab nen erstaunlich kräftigen rechten Haken“, erwiderte sie ohne mit der Wimper zu zucken und das glaubte ich ihr aufs Wort.

„Kann ich sonst etwas tun?“, wollte ich weiter wissen und strich ihr über ihre Haare. Sie lag mittlerweile mehr auf mir als an meiner Schulter, aber mir sollte das nur recht sein.

„Nur da sein. Und das kriegst du erstaunlich gut hin. … Wolltest du nicht eigentlich Nina besuchen?“, fiel es ihr dann ein und ich seufzte nur. „Ich glaube, wie nennt man es am diplomatischsten … wir haben uns auseinander gelebt“, seufzte ich nur und spürte, wie Mae sich aufrichtete, um mich besser anzuschauen.

„Du hast dich mit ihr gestritten, weil du dich um mich kümmern wolltest, sie damit aber eher weniger einverstanden war“, erfasste sie aber genau, was passiert war, und ich verdrehte die Augen. Mae kannte mich zu gut.

„Sie war wie ein Drachen. Sie verabscheut dich. Was sollte ich denn machen?“, hob ich abwehrend meine Hände, Mae schüttelte nur den Kopf. „Was soll ich nur mit dir machen, ist wohl eher die Frage. Du hast doch nicht mit DER Nina Nesbitt Schluss gemacht, weil sie etwas gegen mich gesagt hat“, wollte Mae wissen und ließ sich wieder neben mich aufs Sofa fallen. „Doch, eigentlich genau deswegen. Hast du irgendwas zu trinken da? Ich würde meinen Frust gerne in Alkohol ertränken“, erwiderte ich und Mae neben mir fing an zu kichern.

„Das nicht ganz, was hältst du von Wein und Pizza bestellen?“, schlug sie daher vor und ich seufzte theatralisch.

„Klingt auch ganz okay. Aber nur, wenn wir ganz laut Musik hören und die Nachbarn nerven“, forderte ich dann noch, während Mae schon ihr Handy in der Hand hatte, um Pizza zu bestellen.

+

„Hey! Nein, ED! STOP!“, kreischte ich, als Ed auf mich zugelaufen kam und mir das letzte Stück Pizza aus meinen Händen reißen wollte. Doch die Thunfisch-Pizza war mein, von daher versuchte ich zu entkommen. Leider war ich nicht sehr erfolgreich. „NEIN!“, rief ich entrüstet aus, als wir schließlich den alles entscheidenden Kampf ausfochten, ein Stück Pizza sich auf mein weißes Shirt verirrte und Ed schlussendlich als Sieger hervortrat.

Na gut, sei es ihm gegönnt.

Meine Aufmerksamkeit war nun vielmehr bei diesem wundervollen Shirt, dass ich mir in einer fließenden Bewegung über den Kopf zog und dann unter dem Wasserstrahl in meinem Waschbecken ertränkte.

„Äh, Mae, ich unterbreche dich ja nur ungerne, aber was machst du da?“, hörte ich Ed mit einer minimal zu hohen Tonlage fragen und drehte mich grinsend zu ihm um.

„Ich? Ich habe mir gerade mein Shirt ausgezogen, um es auszuwaschen, nachdem du es gerade mit der Pizza ruiniert hast. Es ist eines meiner Lieblingsshirts, also versuche ich zu retten, was zu retten ist“, erwiderte ich extra langsam, um genug Zeit zu haben, seinen Gesichtsausdruck zu studieren, und drehte mich dann wieder zur Spüle. „Und krieg deinen Mund mal wieder zu“, setzte ich noch hinterher. „Erstens gehe ich davon aus, dass du schon mal ne Frau nackt gesehen hast. Zweitens siehst du weniger als beim Schwimmen. Und drittens: So hässlich bin ich nun auch nicht.“ Gerne hätte ich auch jetzt sein Gesicht gesehen.

„Eher das Gegenteil. Wie alt warst du nochmal?“, hakte Ed nach und ich schmunzelte.

„Jünger als du aber garantiert nicht so prüde“, war so nur meine Antwort. „Und du bist wahrscheinlich auch so ein Typ, der nur aufdreht, wenn er genug intus hat, oder?“

Dann war mein Shirt einigermaßen gerettet, ich ging mit erhobenem Haupt an Ed vorbei, spürte dabei seinen Blick auf meinen Körper, und steuerte die frisch gewaschene Wäsche an, die noch im Wohnzimmer stand, um mir danach ein neues T-Shirt überzuziehen.

Als ich mich wieder zu Ed umdrehte, konnte ich gerade noch seinen enttäuschten Gesichtsausdruck erfassen.

„Ich kann mich auch wieder ausziehen“, bot ich ihm breit grinsend an und fing dann an zu lachen, Eds Blick war einfach nur genial. „Ach man, hab dich doch nicht so, ich mache doch nur Scherze“, versuchte ich ihn zu beruhigen, fing dann aber an leise vor mich her zu summen. Mal schauen, wie weit ich ihn reizen konnte.

„Mae! Muss das sein?“, murrte er leise und verschränkte die Arme vor seiner Brust.

„If you’re horny, let’s do it. Ride it, my pony. My saddle’s waiting, so come and jump on it…“, sang ich leise von mich hin und erzielte damit genau die erwünschte Wirkung. Ed fuhr sich nämlich nur tief durchatmend übers Gesicht.

„Magst du etwa kein Ginuwine?“, hauchte ich ihm leise zu, als ich an ihm vorbei ging und absichtlich seinen Arm streifte.

„Aufhören“, bettelte er aber nur und ich konnte nicht aufhören zu kichern. Er war ja schon ziemlich niedlich.

„Also ich mag RnB. Und du darfst jetzt erst mal das Chaos in der Küche beseitigen und mir neuen Wein bringen, ja?“, verlangte ich dann, während ich mich meiner Plattensammlung zuwandte. Erst überlegte ich, ob ich wirklich Ginuwine auflegen sollte, entschied mich dann aber dagegen. Ich konnte ihn auch später noch damit ärgern.

„Bevor ich wirklich anfange, aufzuräumen. Warum gerade das Lied?“, steckte Ed dann aber nochmal seinen Kopf aus der Küchentür und ich zuckte mit den Schultern.

„Du liebst das Lied“, erwiderte ich und er sah mit gerunzelter Stirn zurück.

„Das hab ich dir aber noch nie erzählt.“

„Ja und?“, grinste ich breit und er kam wieder einen Schritt auf mich zu. „Woher weißt du das?“, wollte er wissen und ich konnte nicht aufhören zu grinsen.

„Ich weiß wahrscheinlich mehr über dich, als gut für mich ist. Erinnerst du dich an das IKTOM Festival 2008?“, hielt ich ihm entgegen und zuerst war er verwirrt, dann riss er die Augen auf.

„Du stalkst mich!“, stellte er fest und ich zuckte mit den Schultern. „Was soll ich denn sonst machen, wenn du nicht an dein Handy gehst, ich deine Stimme hören will und dich vermisse?“, war das letzte was ich dazu sagte und drehte mich wieder um. Gespräch beendet. Darüber durfte er jetzt alleine nachdenken.

Es war eine gemütliche Atmosphäre, die wir hier geschaffen hatten. Mittlerweile hatten wir es uns mit Decken und Kissen vor dem Sofa gemütlich gemacht, tranken den Wein zu Ende und redeten einfach nur, während die Musik viel zu laut über uns lag. Und ja, mittlerweile hatte ich Ginuwine aufgelegt. Ed hatte nur mit dem Kopf geschüttelt, es aber akzeptiert.

„Denkst du wirklich, dass ich denke, dass ich makellos bin?“, wollte ich ernsthaft von ihm wissen, weil er gerade eben so etwas angedeutet hatte. „Das nicht, aber ich hab selten jemanden so von sich überzeugt erlebt. Und das meine ich in keinem Fall negativ. Du bist einfach so … du weißt genau, worin du gut bist, was du gut kannst. Ach keine Ahnung“, murmelte Ed vor sich hin. Er hatte wohl mittlerweile etwas zu tief ins Glas geschaut.

„Ich weiß schon was du meinst. Ich bin recht gut darin, den Fokus auf meine Stärken zu legen. Makel hab ich dennoch genug“, erwiderte ich nur und streckte mich.

„Viele hab ich noch nicht entdecken können“, zuckte Ed mit den Schultern und ich erstarrte in meiner Bewegung:

„Denk das niemals. Das ist vollkommener Schwachsinn. Jeder hat seine Probleme. Nenn mir irgendeine Person auf dieser Erde, die perfekt und wunderschön ist. So etwas gibt es nicht, so etwas wird es auch nie geben. Schau mich an, ich bin ein gutes Beispiel. Meine Nase ist nicht ganz gerade, ich hab keine langen, wunderschönen Beine. Meine Brüste sind nicht die größten und ich bin nicht komplett die Schlankeste. Oder schau hier“, in einer fließenden Bewegung hatte ich mir mein Shirt über den Kopf gezogen und Ed schaute mich wieder so an, als ob ich vollkommen verrückt geworden wäre. Vielleicht war ich das ja auch. Oder ich hatte einfach nur zu viel getrunken.

„Mae!“, beschwerte er sich, schaute aber auch nicht weg. Sollte er doch starren.

„Siehst du das hier? Diese Narbe?“, fragte ich ihn und strich einmal mit meinen Fingern die krückelige Linie auf meiner Lende entlang. „Ich mag sie nicht, sie ist nicht schön, verdammt groß und ich hätte lieber keine. … Aber ja und? Sie ist halt da, wegen ihr bin ich nicht hässlicher oder hübscher. Manche Menschen steigern sich einfach viel zu sehr in etwas hinein, was andere Menschen nicht mal ansatzweise sehen. Immer nur der Fokus auf ‚Was muss ich unbedingt verstecken?‘ oder ‚Was würde ich nur dafür geben, wenn ich es verändern könnte!‘. Die meisten übersehen dabei aber, wie hübsch sie sind. Ich zum Beispiel mag meine Hände, ich mag meine Haare und ich mag auch meine Lippen. Ich hab schöne, himmelblaue Augen, auf die ich stolz sein kann, und ich bin eigentlich doch recht gut proportioniert. Insgesamt bin ich komplett zufrieden. Und davon gibt’s zu wenig hier auf der Welt, Menschen die wirklich zufrieden mit sich sind. Und das ist echt schade, weil die meisten, die sich so verhalten, oft als eingebildet und selbstverliebt dargestellt werden“, konnte ich nicht aufhören zu philosophieren. Ich war ja schon im nüchternen Zustand wirklich ausschweifend, aber wenn ich angetrunken war, konnte ich fast gar nicht mehr aufhören.

Ed jedoch hatte mir die ganze Zeit fasziniert zugehört und mich nicht aus den Augen gelassen. Dennoch sah er ziemlich angespannt aus. „Ist alles okay?“, wollte ich wissen und rutschte näher zu ihm heran, er rutschte sofort wieder ein Stück zurück.

„Kannst du…, kannst du dir bitte wieder was anziehen?“, musste Ed sich nach den ersten zwei Worten räuspern und schloss die Augen, öffnete sie dann aber wieder und konnte sich anscheinend nicht davon abhalten, die Hand zu heben und mir damit immer näher zu kommen. Behutsam strich er mir über meine Narbe und ich erschauderte, die Berührung jagte Funken durch meinen Körper, auch wenn das die unpassendste Reaktion auf Ed war, die mein Körper sich aussuchen konnte.

„Ed? Ich sitze nicht nackt vor dir? Und so antörnend seh ich jetzt auch nicht aus“, murmelte ich und Ed verdrehte nur die Augen, hatte seine Hände wieder unter Kontrolle.

„Doch. Und ich bin auch nur ein Mann“, murmelt er und versuchte weiter weg zu rücken, doch das Sofa hinter ihm hinderte ihn daran. Er war gefangen und mir vollkommen ausgeliefert. „Du weißt nicht, wie du gerade aussiehst. So selbstbewusst, als würde dir das nichts ausmachen. Mit gestrafften Schultern, aufrecht und überhaupt… Weißt du, wie verdammt sexy das ist? Und wie gesagt, ich bin auch nur ein Mann, ein gerade ziemlich sexuell frustrierter und angetrunkener Mann, also würdest du dir BITTE wieder was anziehen? Ich möchte unsere Freundschaft nicht ruinieren“, erwiderte er aber und sah dabei ziemlich zerstreut und hilflos aus. So unfassbar verzweifelt und so unfassbar sexy. Das war keine gute Kombination.

Und dann sprang das nächste Lied an. Wir hörten gerade Ginuwines Greatest Hits. Und genau in diesem Moment verfluchte ich meine Idee, diese Platte hören zu wollen.

Auch Ed sah mich ziemlich hilflos an, schüttelte nur den Kopf, während ich nur anfangen konnte zu lachen. Neckend warf ich ihm mit meinem T-Shirt ab, das ich in der Hand hielt, und grinste breit.

„Ich muss dir wirklich zustimmen, gleiches Recht für alle“, lächelte ich nur, während ich noch weiter auf ihn zu robbte. Eigentlich war es jetzt ja eh schon zu spät. Komplett zu spät.

„Was?“, quietschte Ed verwirrt und riss die Augen auf, als meine Hände unter sein Shirt fuhren und es nach oben schob. Das hatte ich schon verdammt lange machen wollen, auch wenn ich es mir nie eingestanden hatte. „Mae?“ Ich sah ihn aber einfach nur an, während sein Shirt auch auf dem Boden landete, summte leise das Lied mit, was gerade dabei war, mein komplettes Leben auf den Kopf zu stellen. Und ehrlich gesagt: Es fühlte sich gar nicht so beängstigend an, wie es eigentlich sollte. Verdammter Alkohol. ‚If you’re horny, let’s do it‘, sang Ginuwine so unfassbar treffend und Ed schien mittlerweile zu realisieren, dass er wohl verloren hatte. Gegen seine eigene Widerstandskraft und gegen mich. Denn ich gewann immer, ich hasste es zu verlieren.

„Mae, bist …“, wollte Ed beginnen, doch als sich meine Finger behutsam auf seine Schultern legten und ich ihm immer näher kam, brach er ab. Leise kam ich seinem Ohr immer näher, Eds Atem ging immer schneller. „Ganz ruhig, Ed. Ich beiße nicht. … Hoffentlich. Und nicht nur du bist gerade ziemlich sexuell frustriert und angetrunken, das bist du dir hoffentlich bewusst“, hauchte ich leise in sein Ohr, bevor ich mit meinem Lippen sein Kinn entlang fuhr und bei seinen Lippen zum Stoppen kam. Wir hatten uns zwar nur einmal geküsst, ganz kurz, aber dennoch hatte ich das Gefühl vermisst. Ziemlich. Und ich wollte mehr.

Begierig krallte ich mich in seinen Schultern fest und zog Ed näher zu mir. Ich wollte viel, viel mehr. Und Ed schien es genau so zu sehen, in der nächsten Sekunde hatte er mich unter sich begraben, mich gegen den weichen Teppich gedrückt und seine Hände stützten sich neben meinem Kopf ab. Der Ausdruck in seinen Augen hatte sich mittlerweile komplett geändert. Keine Verwirrtheit, keine Angst, kein Zögern mehr. Und doch konnte ich nicht sagen, was ich wirklich sah.

+

„Fuck“, murmelte ich und strich mir schwerfällig über meine Augen, die ich beim ersten Versuch sie zu öffnen sofort wieder zusammengekniffen hatte.

Zu hell, zu viele Reize, zu viele Kopfschmerzen. Vielleicht sollte ich aufhören,

mich zu betrinken, wenn ich frustriert war. Auch wenn ich mich

wahrscheinlich niemals dran halten würde…

Gerädert versuchte ich mich aufzurichten und mich zu orientieren. Wo zur Hölle war ich und was war überhaupt passiert?

Ein zweites Mal versuchte ich die Augen zu öffnen und dieses Mal funktionierte es um einiges besser. Ich erkannte zuerst aber nur rot, ganz viel rot, das ich dann aber als einen Teppich identifizierte. Ich lag also auf dem Boden, auf einem roten Teppich – Maes roter Teppich – und um mich herum herrschte das reinste Chaos. Bei Maes Wohnung nicht weiter verwunderlich, aber schon mehr Chaos als sonst. Neben meinem Fuß lag eine leere Weinflasche, neben meiner linken Hand eine angefangen Packung Schokolade, und ansonsten war alles komplett unter Decken und Kissen begraben.

Ich richtete mich ein wenig auf und versuchte schlau aus diesem Chaos zu werden, doch ich lag hier komplett alleine, niemand lag neben mir. Mein Blick wanderte weiter, vom Fernseher zur Anlage, von den Schränken zum Sofa. Und auf dem Sofa saß Mae.

Sofort schossen mir all die Szenen in den Kopf, an die ich mich eben noch nicht erinnern konnte. An das Eis, die Pizza, Ginuwine, Mae. „Fuck“, murmelte ich erneut und nun hatte ich die komplette

Aufmerksamkeit von ihr. Sie sah nicht minder neben der Spur aus als ich, ihre Haare waren vollkommen zerwühlt – und ich musste davon ausgehen, dass ich das gewesen war –, sie sah ziemlich müde aus und sie hatte nicht viel an. Und sie hatte eine Tasse in der Hand, zu hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit gefüllt mit Kaffee.

Mein Blick fuhr ihren Körper hinab und ich erinnerte mich nur zu gern an die gestrige Nacht zurück.

„Kaffee?“, war das erste, was Mae mit heiserer Stimme sagte, und ich nickte nur. Sie reichte mir die Tasse, die sie gerade in der Hand hielt, und ich konnte nicht anders als Lächeln. Dass ich das noch erleben durfte, eine Mae, die ihren Kaffee mit jemandem teilte. Und sie lächelte zurück. „Wir sind keine Freunde, oder?“, kam es mir über die Lippen und Mae seufzte nur.

„Wir waren nie welche gewesen. Jedenfalls nicht die normale Definition von Freunden“, erwiderte sie, lächelte aber dabei und robbte vom Sofa näher zu mir herüber.

„Und nun?“, wollte ich weiter wissen und die ganze Situation verunsicherte mich ungemein.

„Ich weiß es nicht“, zuckte Mae aber nur mit den Schultern. „Mal eine Sache, die ich nicht weiß.“

Wieder eine Sache, von der ich nicht gedacht hatte, dass ich sie jemals erleben würde.

„Ich muss bald los“, murmelte ich und richtete meinen Blick auf den Boden. Eine der denkbar ungünstigsten Momente, um los zu müssen.

„Ich weiß. Ich hab dir Frühstück gemacht“, erwiderte sie aber nur und stand dann auf, ließ mich einfach so zurück, in diesem verdammten Chaos, an dem ich selbst schuld war…

+ + +

(Songtextschnipsel: Ginuwine – Pony)

+ Zwischenspiel: Friends +

‚So I could take the back road, but your eyes will lead me straight back

home‘

„Das war großartig, Ed. Ich glaube, damit hast du gerade viele Mädchen hier zum Weinen gebracht“, hörte ich den Moderator nach dem ersten Lied sagen und seufzte. Dass Ed andere Lieder sang als vorher auf der Setlist angegeben, das hatte den armen Mann ganz schön aus der Bahn geworfen. Und mir ging es immer noch genau so. Mein Herz schlug schnell, obwohl ich doch gar nicht da unten auf der Bühne stand, und ich war nervös. Ich kannte Ed. Ich konnte einschätzen, was er vor hatte. Das hier würden alles Lieder sein, zu denen ich ihn inspiriert hatte. Und ich wusste genau, zu welchen

Liedern ich ihn inspiriert hatte…

„Äh, danke“, antwortete Ed dann auf die Aussage des Moderators. „Aber sag mal, Ed. Was hat dich dazu bewegt, die Lieder zu singen, die du heute noch singen wirst – oder schon gesungen hast?“, versuchte er dann irgendwie ein Gespräch auf die Beine zu stellen, doch so wirklich gelang es ihm nicht. Der Versuch war holprig. Wahrscheinlich fast so holprig wie Eds und meine Geschichte…

‚And if they find out, will it all go wrong? And heaven knows, no one wants it to‘

„Ich… Ich habe mich dazu entschieden, heute mal ein wenig mehr über mein

Leben zu singen. Also klar, 90% der Lieder, die ich schreibe, sind über mein Leben, aber… die Songs heute sind alles Songs, die … die mir im Moment unfassbar viel bedeuten und auch irgendwie die Reise zu diesem Film beschreiben. Ohne die Lieder und ohne das, was dahinter passiert ist, gäbe es diesen Film nicht“, antwortete Ed dann und ich schluckte. Ohne mich und ohne meine Idee von ihm in Wembley gäbe es diesen Film nicht, hätte es die drei Konzerte nie gegeben.

„Dann, Bühne frei für den nächsten Song“, hörte ich den Moderator sagen und dann von der Bühne verschwinden. Ed war wieder alleine. Nur er mit der Gitarre. Nur er und ich.

„Das hier ist … Bitte verzeih mir, Darling, aber es muss sein. Das hier ist Friends.“

‚We're not friends, we could be anything.

If we try to keep those secrets safe‘

+ + +

(Lyrics: Ed Sheeran – Friends)

+ Kapitel 3.1: Die Zerreißprobe +

„Ich brauche einen Plan. Und verdammt nochmal einen guten Plan…“ (14.09.2012)

‚And this is how it starts‘, lief die Musik leise im Hintergrund und ich wusste nicht, ob ich zu lachen oder zu weinen anfangen sollte.

Ed hatte die Wohnung gerade verlassen, die Verabschiedung war nicht wirklich eine Verabschiedung gewesen, und nun stand ich hier. Starrte diese Tür an, die sich eben geschlossen hatte, und lehnte mich gegen die Wand hinter mir.

Ich war vollkommen verwirrt, ohne zu wissen, wo jetzt unten und oben war. Ohne zu wissen, was Ed fühlte und dachte. Ohne zu wissen, was ich selbst fühlte oder fühlen sollte…

„Fuck!“, murmelte ich und schloss die Augen. Was hatte ich nur getan? Was hatten wir nur getan? Und wieso zur Hölle hatte ich Ed gerade einfach so gehen lassen?

Ich wusste nicht, wie lange ich hier stand und all die Gedanken auf mich einprasseln ließ, aber irgendwann schaffte ich es, mich aus meiner Starre zu befreien. Tief atmete ich durch. Es brachte nichts, durchzudrehen. Es machte nichts besser, es löste die Probleme nicht. Eher im Gegenteil. Und so zog ich einfach nur mein Handy aus der Tasche.

‚Wann kommst du das nächste Mal vorbei?‘, tippte ich schnell und schickte es ab. Wir mussten das klären. Und zwar dringend.

Doch so vergingen die Tage Und Wochen und Monate. Ed hatte viel zu tun, schrieb mir nicht oft. Wahrscheinlich wusste er selbst ebenso wenig wie ich, wie er mit all dem, was passiert war, umgehen sollte. Und ich versuchte irgendwie mit meinem Kopf klar zu kommen, ging Joshua aus dem Weg und quälte mich durch meine Vorlesungen. Eigentlich nichts Besonderes, aber dennoch merkten die meisten, dass es mir nicht gut ging… ‚Mae, Mae, Mae. Mal wieder mit dem Kopf in den Wolken?‘ war nur einer der Sprüche, die ich mir anhören durfte. Oder: ‚Welcher Junge hat dir denn den Kopf verdreht?

Läuft es mit Josh so gut?‘

Auf diese Frage antwortete ich immer mit einem giftigen ‚Der Typ hat mich betrogen und ich ihn abgeschossen.‘ Dass das nicht ganz der Wahrheit entsprach, musste ich den anderen ja nicht erzählen. Aber dann ließ man mich endlich in Ruhe, ohne nachzufragen. Und genau das brauchte ich: Ruhe. Und die Leute in der Uni konnten ziemlich nervig werden, so nett sie meist auch waren.

Und ich versuchte mich irgendwie abzulenken. Ed hatte mittlerweile so einen großen Einfluss auf mich und auf meine Wohnung, dass ich die meiste

Zeit draußen verbrachte. Denn immer, wenn ich meinen Blick durchs Wohnzimmer schweifen ließ, auf der Suche nach einer Beschäftigung, erinnerte mich alles nur an Ed und was wir zusammen getan hatten. Gerade saß ich mit Kelsey in der Mensa und sie versuchte alles, um mich abzulenken. Ich stürzte mich nur zu gerne in die Arbeit und versuchte so viel Zeit wie möglich beschäftigt zu verbringen.

„Mae?“, riss mich Kel aus meinen viel zu weit abschweifenden Gedanken und ich schaute sie fragend an.

„Mhm?“, erwiderte ich und hatte im nächsten Moment ein Magazin vor mir liegen. Ich schluckte. Das war nicht ihr ernst. „Was soll ich damit?“

„Weiß nicht, ich wollte ihn dir nur zeigen. Kennst du ihn? Soll wohl der neue

Star schlechthin werden. Gestern haben sich ein paar über Sheerans Manager unterhalten, ist wohl das neue Ziel, irgendwann so weit zu kommen. Ich meine, beste Freunde mit dem Musiker, die Welt sehen, Spaß haben. Wenn du später irgendwann mal auf Tour mit nem coolen Musiker bist, musst du mich unbedingt einladen“, grinste Kelsey dann, während ich die Zeitschrift aufblätterte, um Ed auf dem Cover nicht sehen zu müssen. „Stuart ist also das neue Ziel, was die Musikmanagement-Studenten anstreben? Wie hieß der Typ davor nochmal?“, fragte ich aber nur und versuchte das Thema zu wechseln.

„Stuart? Du kennst dich also mit Ed Sheeran aus?“, hakte Kel nach und ich verdrehte die Augen. Was sollte ich darauf bitte antworten? Dass Stuart mein Vater war? Konnte ich knicken…

„Hab den Sänger irgendwann mal im Radio gehört und mich ein wenig informiert. Die Musik ist super“, versuchte ich mich mit einer Notlüge rauszuretten und meine Freundin nickte nur.

„Da hast du recht. Aber wir sollten jetzt echt mal anfangen was zu tun, genug Mittagspause für heute“, resignierte sie dann und ich nickte, war froh, nicht mehr über Ed reden zu müssen. Es reichte ja schon, dass ich pausenlos an all das dachte, was zwischen uns passiert war.

So packte ich dann aber meine Sachen zusammen und reichte Kel ihre Zeitschrift, aber nicht ohne noch einen kurzen Blick darauf zu werfen. ‚Liebesaus mit Nina Nesbitt? Wer ist die neue Frau an Eds Seite?‘, strahlte es mir auf den Cover entgegen und mein Magen zog sich zusammen, meine

Atmung wurde flach. Hätte ich das doch besser nicht gelesen…

„Ist alles okay, Mae?“, erkundigte sich Kelsey auch sofort und ich nickte nur. „Wahrscheinlich zu wenig getrunken und zu schnell aufgestanden, Kreislauf und so“, knallte ich ihr heute schon die zweite Notlüge innerhalb weniger Minuten um die Ohren und bekam so langsam ein schlechtes Gewissen. Sie hatte es nicht verdient, dass ich sie so behandelte, aber ich wusste mir gerade nicht anders zu helfen… Und diese Überschrift da auf dieser bescheuerten Zeitschrift hatte mich mehr getroffen als es mich vielleicht sollte. Und das Bild dazu, Ed und diese gutaussehende Brünette neben ihm… Was bildete ich mir eigentlich ein, wer ich war? Ich war doch eigentlich nichts weiter als Stuarts Tochter. Ed musste nett zu mir sein, sonst würde er Stus Unmut zu spüren kriegen. Und vielleicht mochte er mich auch, sehr gerne. So als Freundin, als ganz normaler Freund, den man ab und an mal besuchte und mit dem man ab und an mal was unternahm, aber… Ich war nichts gegen die Freundinnen, die Ed mal hatte. Ich war nicht so talentiert, ich war keine Musikerin, ich war keine Nina Nesbitt und ich war auch kein anderer Superstar mit dem unglaublichen Aussehen und dem Geld und dem Talent. Ich war einfach nur Mae. Das komische Rockabilly-Mädchen ohne

Eltern, das gerne die Welt auseinander diskutierte und dem gerade erst das

Herz gebrochen wurde. Ich war … ganz normal. Vielleicht ne 5 oder 6. Und Ed schoss ganz weit über diese Skala hinaus. Ed traf täglich neue Leute, die genau so waren wie er und die er öfter sah als mich und…

Tief durchatmend riss ich mich aus meinen Gedanken. Ich musste damit aufhören. Ich musste aufhören, mich in irgendetwas zu verrennen und mir Hoffnungen zu machen. Es würde nicht funktionieren. Und wenn es am Anfang funktionierte, würde es nach wenigen Wochen zerbrechen. Wegen der Entfernung oder wegen den ganzen tollen Menschen, die Ed traf. Wegen den Paparazzi, der Presse und wegen irgendetwas anderem. Und dann hatte ich gar nichts mehr. Keinen guten Freund, der mich besuchen kommen würde und mir zuhörte, mich unterstützte. Ich war dann wieder komplett allein. Und das wollte ich ganz sicher nicht…

„Gehen wir nach dem Präsentationserstellen noch was trinken?“, wollte Kelsey dann wissen, da sie wahrscheinlich irgendeine Aufmunterung brauchte, um den heutigen arbeitsreichen Tag zu überleben, und ich war ihr so dankbar, dass sie das vorschlug. Betrinken klang gerade gar nicht mal so bescheuert. Nicht so bescheuert, wie es sonst immer klang. „Zu gerne“, antwortete ich und folgte ihr dann aus der Mensa.

+

„ED?! Was ist denn los mit dir? Du bist so unkonzentriert!“, riss mich Stuart aus meinen Gedanken – die mal wieder nur Mae bestimmt waren – und ich seufzte. Er hatte ja recht, heute war mit mir echt nicht sehr viel anzufangen. Jedenfalls war es schlimmer als die anderen letzten Tage.

„Sorry, Stu. Heute ist echt nicht mein Tag…“, murmelte ich und Stuart nickte mitfühlend.

„Das mit Nina muss echt hart sein“, meinte er dann, aber ich wank ab. „Das ist es nicht, ich kann froh sein, sie los zu sein, aber keine Ahnung. Ich freu mich auf Morgen. Zwei Tage Nichtstun“, lächelte ich dann. Wenn wir hier heute fertig waren, dann konnte endlich wieder zu Mae fahren und irgendwie versuchen, die ganze Situation gerade zu biegen. Ich hatte die letzten Tage über lange überlegt, was ich machen sollte. Und ich wusste es einfach nicht. Ich wusste nicht, was ihr sagen sollte oder was ich besser nicht sagen sollte. Ich konnte Mae so verdammt schwer einschätzen, sie war unberechenbar und wenn sie sich irgendetwas einmal in den Kopf gesetzt hatte, war sie schwer wieder davon abzubringen. Warum war sie auch nur so sturköpfig?

„Dann hau ab. Das hier eilt auch nicht“, riss mich Stuart erneut aus meinen Gedanken und das war die erste gute Nachricht heute.

„Echt?“, hakte ich aber nochmal nach und Stu nickte nur. „Mega geil, dann bin ich jetzt weg“, lächelte ich meinen Manager an, hatte meine Gitarre in meinen Koffer gelegt und war im nächsten Moment aus der Tür. „Bis

Montag!“

Und so war ich dann auf dem Weg. Ich würde kurz bei mir in der Wohnung vorbeischauen, ein paar Klamotten zusammen packen und all den anderen

Kram, den ich so brauchte, und würde mich dann auf den direkten Weg zu Mae machen. Und hoffen, dass noch nicht alles zu spät war…

„Ed?“, riss mich nach Stunden, die ich hier schon auf Maes Sofa verbracht hatte, eine Stimme aus meinen Gedanken und ich sah auf. Da stand die Person, auf die ich die ganze Zeit so lange gewartet hatte. Und sie sah genau so aus wie ich: Ziemlich zerstört.

„Oh, hallo Mae. Du siehst toll aus. Ich hab dir übrigens was mitgebracht“, meinte ich aus dem Zusammenhang gerissen und hielt die halbleere Flasche in die Höhe, die ich eben die ganze Zeit geleert hatte. „Ist irgendwie nicht mehr viel über.“

Mae kicherte nur, während sie sich zu mir aufs Sofa fallen ließ und das halb aufgerissene Geschenkpapier zur Seite schob, um zu sehen, was ich da mitgebracht hatte. Und dann nahm sie einen Schluck.

„Schmeckt erstaunlich gut, danke für das Geschenk. Auch wenn ich eigentlich für heute schon genug getrunken hab. Was machst du hier?“, fragte sie dann und ich zuckte nur mit den Schultern.

„Was wohl? Betrunken und bekifft die Zimmerwand anstarren“, grinste ich dann nur und hob den halben Joint an, den ich noch in der Hand hielt. Wir hatten irgendwann vor Monaten mal drüber geredet, übers Kiffen. Damals war irgendwie alles noch anders gewesen.

„Ed?“, sprach Mae mich dann an und ich sah auf.

„Mae?“, erwiderte ich und sie betrachtete mich.

„Darf ich?“, fragte sie dann und zeigte auf den Joint in meiner Hand. „Bist du dir sicher?“, wollte ich zögernd von ihr wissen und sie legte den Kopf schief. Sie war kein Mensch für sowas, jedenfalls schätzte ich sie so nicht. „Ja, warum auch nicht? Ich will alles mal ausprobieren, um mir selbst eine Meinung zu machen. Und ich bin betrunken, also ja, ich bin mir so sicher, wie ich sein kann“, erwiderte sie und ich reichte ihr dann den Joint rüber. „Und du bist ja dabei, ich vertrau dir“, setzte sie dann noch hinzu und diese Worte überzeugten mich viel mehr.

Tief zog Mae am Joint und atmete den Rauch langsam wieder aus. „Das siehst ziemlich gekonnt aus“, meinte ich, während sie mir die Tüte erstmal wieder gab.

„Hab ein paar Mal geraucht, zwei oder drei Mal. War gar nichts für mich. Aber ich probiere gerne Sachen aus“, wiederholte sie sich und nahm mir dann nochmal den Joint aus der Hand. Es war ein merkwürdiges Bild, eine Mae, die kiffte. Es passte wirklich nicht zu ihr und irgendwie gefiel mir das auch nicht. Es war gut, dass Mae so vernünftig war, zu wissen, wie weit sie bei jeder Sachen gehen wollte. Und es war gut, dass Mae nicht mit Drogen und hartem Alkohol vertraut war. Dennoch war das hier ihre Entscheidung. Und ich würde ihr da nicht reinreden, da würde ich so oder so nur verlieren. Und so saßen wir hier, Mae hatte schon viel zu viel Alkohol intus und der Joint tat den Rest. Sie war so ausgelassen wie selten, wir hörten zusammen für sie ziemlich ungewöhnliche Musik und redeten über die letzten Tage und wie wir sie verbracht hatten. Eigentlich nichts Besonderes. Es war das, was wir immer taten, wenn wir uns lange nicht gesehen hatten, aber dennoch war das alles komplett anders, komplexer. Schwerwiegender. Und mit dem, was zwischen uns passiert war, war die Situation hier gerade eigentlich genau die falsche Strategie, um das alles irgendwie vernünftig zu bereden, denn vernünftig war ich absolut nicht mehr. Und sie doch noch weniger. „Eigentlich wollte ich nur was mit Kelsey trinken gehen. Und dann waren wir auf irgendeiner Hausparty von nem Kumpel von ihr. Und die Party war der totale Müll“, wechselte Mae dann ohne Vorwarnung das Thema. „Nur notgeile Typen und aufgetakelte Tussen. Ich bin echt froh, dass du jetzt da bist“, seufzte sie und streckte sich, bevor sie näher zu mir robbte und sich an mich kuschelte. Und ich saß nur erstarrt da und fand die Wirkung, die das Gras auf Mae hatte, ziemlich interessant. Cannabis machte Mae anhänglich.

„Das beruhigt mich irgendwie“, murmelte ich und zog Mae dann näher in die

Arme, bevor ich tief in ihre Haare atmete. Sie roch noch Partyluft und Zigarettenqualm. „Stuart wird mich umbringen, wenn er erfährt, dass ich dich nicht vom Kiffen abgehalten habe“, kam es mir dann in den Sinn und ich teilte das Mae dann auch mit, die lachte aber nur.

„Muss er ja nicht erfahren“, lächelte sie und befreite sich aus meiner

Umarmung, um mich anschauen zu können. Eine so aufmüpfige Mae war auch ziemlich neu für mich, sie tat sonst nie etwas, was Stu verärgern könnte. Doch all die Veränderungen taten meinen Gefühlen, die ich gerade spürte, absolut keinen Abbruch. Ohne weiter darüber nachzudenken beugte ich mich zu ihr nach vorne und küsste sie. Und bekifft mit jemandem rumzumachen hatte fast mehr Adrenalinwirkung als der coolste Gig, den man spielen konnte.

„Ed! Nein!“, hörte ich Mae aber sagen und ich ließ sie sofort los, nahm meine Hände von ihr und rückte ein wenig zurück. Mae sah mich nur an, mit großen Augen.

„Wow“, murmelte sie leise und ich legte verwirrt den Kopf schief.

„Was wow?“, wollte ich wissen.

„Du hast wirklich sofort aufgehört“, meinte sie und ich sah sie verwirrt an. „Glaubst du echt, ich bin so ein Arschloch, der nicht mit einem Nein umgehen kann“, fragte ich nur und wurde ein wenig sauer. Was hielt sie denn von mir?

„So meinte ich das nicht, aber du bist vollkommen dicht, Ed“, versuchte sie sich zu erklären, aber machte es damit nicht besser.

„Ich weiß, wann ich genug habe und ab wann ich keine Kontrolle mehr über mich habe. Und ich werde in deiner Gegenwart nie mehr trinken oder kiffen, als ich vertrage. Ich würde es mir niemals verzeihen, wenn ich irgendetwas tun würde, was du nicht willst. Bei jedem weiblichen Wesen, bei jedem Menschen“, meinte ich daher nur und Mae sah mich erstaunt und entschuldigend an. Und im nächsten Moment war sie wieder zu mir gerobbt und … hatte sich auf meinen Schoß gesetzt.

„Küss mich“, hauchte sie leise und ich schaute sie mit großen Augen an. Bitte was?

„Mae. Das ist nicht witzig…“, murmelte ich daher, doch sie sah mich einfach fordernd an. „Bist du dir sicher?“

Mae nickte nur, sah mir direkt in die Augen und lächelte.

„Küss mich. Berühr mich, Ed“, wiederholte sie sich, bevor sie sich dieses Mal zu mir hinunter beugte und ich ihre Lippen auf meinen spürte. Und bekifft mit der Person rumzumachen, die einen so um den Verstand brachte, hatte viel mehr Adrenalinwirkung als der coolste Gig, den man spielen konnte.

+

„FUCK!“, fluchte ich, als ich von meinem Weckerklingen geweckt wurde und von der Couch fiel.

„Mae?!“, hörte ich Ed verschlafen murmeln, während ich mich aufrappelte und mir mein Knie rieb. Das würde einen fetten blauen Fleck geben. „Sorry, wollte dich nicht wecken“, murmelte ich und Ed ließ sich wieder aufs Sofa fallen.

„Schon gut“, war alles, was er sagte, doch ich starrte ihn weiterhin an. Was zur Hölle war hier los? Warum war Ed hier? Und warum lagen wir beide ohne

Klamotten zusammen auf der Couch…

„Nie wieder so viel verschiedenen Alkohol. Und hab ich das geträumt, oder… Wo kommst du eigentlich her?“, wollte ich dann wissen und Ed zuckte mit den Schultern, seine Augen waren noch geschlossen. So wie er aussah, ging es ihm nicht viel besser als mir. „Ich… ich muss mich fertig machen“, stotterte ich dann verwirrt und verschwand im Bad.

Kurz musste ich mich orientieren. Es war immer noch kein Wochenende, erst Donnerstag, und ich musste zur Uni, so ungern ich das gerade wollte… Ich hatte den übelsten Kater, ich bin neben Ed aufgewacht und kann mich nur noch schemenhaft an den Abend gestern erinnern. Und das, an was ich mich erinnerte, wollte ich gar nicht so genau wissen…

Eigentlich hasste ich es, verkatert in die Uni zu müssen, aber vielleicht war es besser, Ed aus dem Weg gehen zu können und ein wenig Zeit verstreichen zu lassen.

Und so machte ich mich in Ruhe, viel zu langsam, fertig, trug eines meiner ältesten Kleider, in dem ich mich einfach immer am wohlsten fühlte, stolperte in die Küche, um mir Kaffee zu machen – füllte Ed etwas in eine Thermoskanne – und suchte dann alle wichtigen Sachen zusammen. Ed lag derweil immer noch auf dem Sofa und beobachtete mich.

„Ist das bei dir jeden Morgen so?“, fragte er irgendwann, als ich wirklich alles beisammen hatte, und ich zuckte mit den Schultern.

„Vielleicht. Keine Ahnung, eigentlich nicht. Eigentlich nur, wenn ich spät dran bin. Ich muss jetzt auch los, bin um 17 Uhr wieder da“, war alles, was ich antwortete, bevor ich mir noch mein Handy von meiner Kommode nahm und dann aus der Tür war. Ich war wirklich spät dran und wollte mich wirklich nicht mehr mit Ed auseinandersetzen…

Im Endeffekt konnte ich den Tag über aber nicht wirklich abschalten, dachte eh nur an das Gespräch von gestern Abend und dass wir einfach bekifft rumgemacht hatten und dass einfach alles so unfassbar eskaliert war – und Kelsey machte sich mal wieder berechtigt Sorgen um mich. Heute sogar mehr als sonst. Und ich wusste wirklich nicht, wie sie das immer mit mir aushielt. Gerade hielt ich es ja selbst kaum mit mir und meinen Gedanken aus…

„Ed?“, murmelte ich um kurz nach 17 Uhr, als ich erschöpft meine Wohnung betrat und alles einfach im Flur fallen ließ.

„Hallo Mae. Wie war dein Tag?“, fragte Ed mich, als er mich erblickte, und ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Das wurde ich verdammt lange nicht mehr gefragt… „Ich hab dir übrigens auch was anderes als den Alkohol mitgebracht. Stuart meinte, du müsstest das unbedingt sehen“, schien es ihm dann noch einzufallen, er ließ mich gar nicht antworten, und im nächsten Moment hatte ich einen Briefumschlag in der Hand. Und auch wenn ich nervös war und das wahrscheinlich gleich in einer totalen Katastrophe enden würde, öffnete ich erstmal den Umschlag. Und was ich da sah, zauberte mir sofort wieder ein leichtes Lächeln aufs Gesicht. „Die Fotos kenn ich ja noch gar nicht“, freute ich mich wirklich und betrachtete die Bilder genauer. Es waren nur zwei Stück, eins von Stuart und eins von mir. Eigentlich nichts Besonderes, aber das Witzige an der Sache war, das man so unfassbar die Ähnlichkeit zwischen meinem Vater und mir erkannte. Wir saßen in der gleichen Pose da, hatten das gleiche Lächeln auf den Lippen und man erkannte wirklich, dass ich seine Tochter war. Und das war so schön.

„Stuart hat sich unfassbar gefreut, als er die Fotos entdeckt hatte“, erwiderte Ed nur und ich nickte lächelnd, bevor ich die beiden Fotos an meine viel zu volle Pinnwand hängte. Dort, wo ich sie oft sehen konnte. „Die sind super, Dankeschön“, meinte ich dann aber und Ed nickte.

Und dann legte sich kurz die Stille über uns. Ich sah an Ed vorbei, mein Blick war weiter auf die neuen Fotos gerichtet.

„Mae, wir sollten vielleicht doch nochmal reden über das, was passiert ist“, fing er dann doch an und ich schloss die Augen. Ich wollte nicht darüber reden. Nicht jetzt sofort. Ich hatte mir doch noch gar keinen Plan zurechtgelegt.

„Ich weiß“, flüsterte ich aber nur und nickte zur Küche. Neutrales Terrain, wir saßen ganz normal gegenüber und konnte in Ruhe über das reden, über das ich nicht reden konnte. Kein Alkohol, keine Drogen, kein was auch immer, das mir helfen würde. Nur Ed und ich und all das Chaos, das um uns herum herrschte.

„Du bist alles für mich, Mae“, knallte mir Ed in der Sekunde, als wir uns gerade hingesetzt hatten, an den Kopf und ich schluckte. Das… Das war… „Und das möchte ich um alles in der Welt nicht zerstören. Ich will das alles bleiben, nicht einfach nur jemand, mit dem du besoffen oder nicht besoffen ins Bett springen kannst, wenn du gerade Lust drauf hast“, hauchte ich leise und wusste gar nicht genau, warum ich das gerade sagte. Und im nächsten Moment bereute ich es auch schon wieder, dass ich es gesagt hatte, aber mein Kopf war stärker als mein Herz und übernahm das Reden. „Und Ed, es ist glaube ich nicht gut, sich sofort in eine neue Beziehung zu stürzen. Auch für dich nicht, meinst du nicht? Und dafür hab ich auch einfach nicht genug Vertrauen übrig“, sprach ich einfach weiter, wurde zum Ende hin immer leise und hätte mich am liebsten in Luft ausgelöst, als ich Ed in die Augen sah. Sie waren weit aufgerissen, er sah mich vollkommen perplex und erschrocken an, weil er wahrscheinlich mit anderen Worten gerechnet hatte, aber genau diese Worte fühlten sich für meinen Kopf gerade richtig an. Für meinen Kopf, mein Herz weinte wohl gerade blutende Tränen.

„Du… du packst mich doch nicht ernsthaft gerade in die Friendzone, oder?“, murmelte Ed verwirrt und ich sah ihn an, verschränkte dann die Arme vor meiner Brust.

„Das Wort ist lächerlich!“, murrte ich und war mir sicher, dass meine Entscheidung gerade absolut richtig gewesen war. „Das, was da war, war doch nicht real. Das erste war einfach eine Verzweiflungstat, mehr nicht. Wir wurden beide enttäuscht und wir hatten vielleicht zu viel Wein. Und das gestern… wir waren beide bekifft, Ed! Und vollkommen betrunken und meinst du nicht, dass man… Ich … ich geh nach oben in mein Schlafzimmer, du kannst hier bleiben oder gehen“, setzte ich dann hinzu und erhob mich. Lief mit zitternden Knien und zitternden Händen Richtung Tür und Richtung Treppe. Wollte einfach nur flüchten und mich in meine Bettdecke eingraben und all das, was ich da gerade gesagt hatte, vergessen.

Es war die einzig richtige Entscheidung, die mein Kopf hätte treffen können.

Selbstschutz, um nicht verletzt zu werden.

„MAE!“, rief Ed mir nach, doch folgte mir nicht. Und ich wusste nicht, ob ich froh war, dass er es nicht tat, denn ich war mir sicher, wenn er mir gefolgt wäre, hätte mein Herz wahrscheinlich irgendwann die Kontrolle übernommen und die richtigen Entscheidungen meines Kopfes in Frage gestellt… Und ich wusste überhaupt nicht mehr, was ich denken sollte. Oder fühlen sollte. Oder was ich eben überhaupt alles gesagt und getan hatte. Weinend brach ich kurz vor meinem Bett zusammen, zog die Beine an und lehnte mich mit dem Rücken ans Bettgestell.

Was hatte ich gerade nur getan? Wieso hatte ich nicht all die Zweifel und die Befürchtung von mir geschoben? Und wieso konnte ich nicht einmal unvernünftig sein?

+ + +

+ Kapitel 3.2: Die weltbesten Pancakes +

„Mit Abstand der merkwürdigste Geburtstag meines Lebens.“ (17.02.2013)

Es war skurril, wie sehr ich Ed vermisste. Ich hatte ihn schon immer vermisst, wenn er nicht in meiner Nähe war und wenn ich nicht mit ihm reden konnte, aber es war nur noch schlimmer geworden. Die letzten Monate waren die pure Qual gewesen. Denn Ed war zwar da und er schrieb mir und er hatte mich auch ab und an ganz kurz besucht, aber es war so merkwürdig anders. Es war genau so wie vorher. Ed hielt sich unfassbar genau an meinen Willen. Er behandelte mich wie eine Freundin, die er gerne besuchte und mit der er gerne Zeit verbrachte. Eine normale Freundin, so wie ich das gewollt hatte. Und es tat irgendwie mehr weh als ich das geplant hatte.

Wenn Ed nicht da war und wenn er mir nur per WhatsApp oder Skype Aufmerksamkeit schenkte, dann ging es meist noch, eine normale Freundin zu sein und normal mit ihm zu reden und zu scherzen und alles. Aber wenn er dann in Realität vor mir stand, dann war das vorbei. Dann schlug mein Herz immer noch so schnell und ich wollte mich einfach nur weinend in meinem Bett vergraben und … ich wusste einfach nicht weiter. Also tat ich das, was ich am besten konnte: Es einfach ein wenig weiter ignorieren und so tun, als ob alles okay wäre, bis irgendwann alles über mir zusammenbrechen würde. Und ich hoffte so sehr, dass das nicht all zu bald passieren würde.

Stattdessen versuchte ich mir aktiv gute Laune zu machen. Sachen zu tun, die ich liebte. Ich nähte viele Kleider, ich hörte die beste Musik und gerade hüpfte ich summend zu dem Lied, das gerade durchs Wohnzimmer schallte, durch die Gegend. Ich hatte viel zu gute Laune und hatte viel zu viel Energie, um nicht gut drauf zu sein. Dafür war die Dusche, aus der ich gerade gekommen war, auch viel zu wohltuend gewesen. Meine nassen Haare hatte ich gerade erst hochgesteckt und nun versuchte ich mich während des Rumhüpfens fertig zu machen. Ein Vorhaben, das zum Scheitern verurteilt war.

„Hallo Mae. Was zur Hölle tust du da?“, hörte ich dann jemand sagen und schreckte furchtbar zusammen und musste mich wirklich zusammenreißen, nicht los zu kreischen. Das war … Ed. Was tat er hier? Warum hatte ich ihn nicht klingeln hören? Und… wieso?

Im nächsten Moment war ich einbeinig auf ihn zugehüpft und ihm um den

Hals gefallen. Wenn ich nicht so gut drauf gewesen wäre, wäre meine Begrüßung weniger stürmisch ausgefallen. Aber irgendwie freute ich mich dennoch, ihn zu sehen. Es war schon so lange wieder her, dass er das letzte Mal hier gewesen war.

„Hallo Ed“, seufzte ich und verstärkte meine Umarmung, Ed keuchte auf.

„Mae!“, murmelte er und vergrub sein Gesicht in meinen Haaren.

„Sorry, ich hab dich halt vermisst“, murmelte ich und genoss es, ihn endlich wieder umarmen zu können, erstarrte dann aber, als ich realisierte, dass er hier gerade vor mir stand. „Moment mal, was zur Hölle tust du eigentlich hier?!“, panisch schob ich ihn von mir. „Das ist doch nicht dein Ernst! Weißt du nicht, welcher Tag heute ist? Es ist der verdammte 17. Februar, Ed, und du hast nichts Besseres zu tun, als mich besuchen zu kommen? Warum bist du hier? Warum bist du nicht bei deiner Familie oder bei Stuart oder bei Freunden?“, wollte ich wissen und sah ihn mit großen Augen an. „Und ich hab dein Geschenk doch gar nicht fertig“, seufzte ich, um ihn im nächsten

Moment in eine weitere knochenbrechende Umarmung zu ziehen. „Alles

Gute zum Geburtstag, Ed!“

Meine Arme schlangen sich weiter um seinen Körper und ich drückte ihn so fest an mich, wie ich nur konnte. Ich

„Ich hab dich vermisst, Darling“, war alles, was Ed sagte und ließ mich auch für die nächsten Minuten nicht mehr los. Es waren schöne Worte. Warm. Und sie jagten einen wohligen Schauer durch meinen Körper. Und das sollte so einfach nicht sein… „Und ganz ehrlich, ich bin echt froh hier zu sein, sonst hätte ich ja deinen glorreichen Auftritt verpasst“, setzte er schmunzelnd hinzu, als wir uns wieder lösten. Seufzend sah ich an mir herunter. Ich stand in BH und Unterwäsche hier – und mit einem Bein in meiner Strumpfhose.

Meine Haare sahen aus wie ein reinstes Vogelnest und es war wohl eher ein Trauerspiel, was ich hier gerade abgab.

„Glorreich?“, meinte ich daher und drehte mich dann um, um nach meinem Shirt zu greifen und es mir über den Kopf anziehen, bevor ich mich weiter der Strumpfhose widmete. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Ed mich einfach weiter beobachtete.

„Du sahst toll aus“, murmelte er leise und ich war mir nicht sicher, an wen das jetzt wirklich gerichtet war. Ob ich das überhaupt hören sollte. „Ich hab dir was mitgebracht“, meinte er dann etwas lauter und kramte ein wenig in seiner Tasche, bevor er mir sein Geschenk überreichte. Ich ließ nur die Schultern hängen.

„Du hast Geburtstag und ich krieg was von dir, irgendwas läuft da doch falsch!“, seufzte ich und rang mir dann ein Lächeln ab. „Aber Dankeschön“, setzte ich hinzu und packte dann das Geschenk aus.

Mein eben noch ein wenig aufgesetztes Lächeln war einem echten gewichen und ich sah Ed an. Ich hielt gerade einen neuen Zeichenblock in der Hand. Eigentlich nichts Besonderes, aber für mich bedeutete es gerade alles. Ich wusste nicht, wie lange es her war, dass ich ihm das erzählt hatte. Bestimmt drei oder vier Wochen. Ich hatte es in einen Nebensatz gepackt. Dass ich es immer noch nicht in die Stadt geschafft hatte, um mir einen neuen zu besorgen. Ed war da ziemlich im Stress gewesen und er hatte auch nur fünf Minuten Zeit gehabt für mich. Aber er hatte Zeit gehabt.

„Danke, Ed“, meinte ich und sah von meinem Geschenk zu dem Rotschopf und wieder zurück, seufzte dann. „Ich hatte eigentlich auch schon ein Geschenk für dich gehabt, aber zwischenzeitlich…“, begann ich, stoppte mich dann aber. „Und eigentlich wollte ich dir das auch gar nicht mehr schenken, weil ich dachte…“, fing ich anders an, aber brach wieder ab. „Bitte lach mich nicht aus“, seufzte ich dann und drehte mich um, nahm die kleine Tasche aus meinem Schrank und drehte mich wieder zurück, reicht es ihm. Ed betrachtete mich, versuchte irgendwas aus meinem Gesicht zu lesen, vielleicht versuchte er schlau aus mir zu werden.

So öffnete er dann aber die Tasche und holte vorsichtig das kleine Geschenk heraus. Und ich versuchte zu erkennen, wie er es fand. Erst war er noch verwirrt, warf mir einen kurzen Blick zu und mein Herz stockte kurz. Ich machte mich hier gerade eindeutig zum Affen…

„Das ist unglaublich“, meinte er dann aber und ein breites Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.

„Du hattest mir mal erzählt, dass du dir wünschtest, ich wäre mit dabei, also mit auf Tour, und dass du mich vermisst…“, versuchte ich zu erklären und Ed nickte.

„Ich hab dich damals aber auch ziemlich vermisst“, murmelte Ed, während er die kleine Puppe hin und her drehte. „Mini-Mae sieht fantastisch aus. Wie lange hast du da bitte dran gegessen?“, wollte Ed dann wissen. „Also findest du sie nicht…“, begann ich und Ed schüttelte den Kopf. „Wie könnte sie mir nicht gefallen, wenn…“, erwiderte er, stoppte sich dann aber selbst. „Ich freu mich sehr. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich mich mehr freuen würde, wenn du wirklich noch mit auf Tour dabei wärst“, seufzte er und ich sah ihn an.

„Ich weiß… Aber genüg Trübsal hier. Deine anderen Geschenke kriegst du später, wenn ich sie irgendwann mal fertig haben sollte“, lächelte ich dann, während Eds Blick immer noch auf dem Abbild meiner selbst lag.

„Andere Geschenke?“, fragte er dann irritiert und ich nickte.

„Ja natürlich? Du hast Geburtstag!“, war meine simple Antwort und im nächsten Moment sah ich ihn begeistert an. „Ich backe dir jetzt Kuchen. Was für einen möchtest du?“, wollte ich dann wissen, doch bevor ich mich versah, war Ed einen Schritt auf mich zu gekommen und hatte mich an sich gedrückt.

„Es war die beste Entscheidung, herzukommen. Danke Mae. Für alles!“, sagte er nah an meinem Ohr und mein Herz schlug schnell. Es waren warme Worte. Bittersüß.

Seufzend ließ ich mich gegen ihn sinken. Das lief alles gar nicht nach Plan.

„Und?“, wollte ich dann wissen und er löste sich langsam von mir.

„Du brauchst mir keinen Kuchen backen“, meinte er dann und ich verdrehte die Augen.

„Und was ist, wenn ich unbedingt möchte?“, sah ich ihn mit einem Blick an, der keine Widerrede duldete.

„Dann irgendwas mit Schokolade. Darf ich erst mal duschen?“, wollte er wissen und ich schmunzelte.

„Du bist mein inoffizieller Mitbewohner, Ed. Du kannst hier tun und lassen, was du willst. Das hab ich dir schon mal gesagt“, meinte ich nur und war dann auf den Weg in die Küche.

„Du bist heute ganz schön anhänglich, Ed“, stellte ich fest, als er von hinten angeschlichen kam und er seine Arme um meine Mitte schlang.

„Soll ich aufhören?“, fragte er dann.

„Nein“, sagte ich, ohne darüber nachgedacht zu haben, und hätte das lieber lassen sollen. Es war nicht richtig, dass ich ihn so nah an ihn heran ließ. Es war nicht richtig… „Und deine Haare sind nass“, grummelte ich und strich mir eine seiner Strähnen aus dem Gesicht.

„Ich war duschen, Mae“, erwiderte er das Offensichtliche und sah sich dann um.

„Doch kein Kuchen?“, fragte er dann und ich lächelte.

„Schon längst im Ofen, du Träumer. Hast mal wieder Ewigkeiten gebraucht“, erklärte ich und er seufzte, meinte irgendwas zu sich selbst, was ich nicht verstand. „Wie geht es dir, Ed?“

„Mir geht’s gut, wieso fragst du?“, erwiderte er schnell, zu schnell für meinen Geschmack und ich drehte mich zu ihm um.

„Ich frage, weil ich eine Antwort möchte. Eine ehrliche. Wie geht es dir?“, fragte ich nochmal und Ed seufzte, zuckte mit den Schultern.

„Ich bin ziemlich kaputt… Irgendwie ist alles im Moment … stressig. Allein frei bekommen zu haben hat mich ne ganze Stunde Überzeugungskraft gekostet. Und ich bin froh, endlich hier zu sein“, meinte er dann und sah mich an. Das ‚endlich‘ brachte mich ein wenig aus dem Konzept.

„Und … was würdest du dir im Moment am meisten wünschen?“, wollte ich weiter wissen und ein kurzes Lächeln huschte über Eds Lippen, das aber sofort wieder verschwand.

„Das willst du nicht wissen“, seufzte er und ich sah ihn an.

„Doch, möchte ich“, erwiderte ich und Ed schüttelte den Kopf.

„Du würdest das Ganze nicht so witzig finden, glaub mir. Und du würdest mich wahrscheinlich rausschmeißen“, wehrte er wieder ab und ich trat näher zu ihm heran.

„Ed, ich würde dich doch nicht rauschmeißen. Ich werde auch nicht böse sein. … Vertrau mir“, erwiderte ich leise und sah ihn an, sah, wie seine Barrikade sich abbaute.

„Ich … das ist … Stell dir vor, du dürftest dieses Wochenende alles tun, was du sonst nie tun würdest. Stell dir vor, dein Herz ist der Boss und dein Kopf hat einfach mal Pause. Stell dir vor, dass es die Welt da draußen nicht gibt und wie du alles vergisst und nur noch ich hier wäre“, meinte er und sah mich an. Und als er diese Worte sagte, wusste ich sofort, in welche Richtung das Ganze hier ging und es verdammt nochmal eine schlechte Idee war.

Ganz schlecht. Ich sollte sofort … Das konnte er nicht ernst…

Doch mein Herz war der Boss und mein Kopf hatte auf einmal Pause. „Wie lange bleibst du?“, fragte ich und drehte mich dann um. Der Kuchen dürfte so langsam fertig sein.

„Übermorgen, aber ziemlich früh, 5 Uhr oder so“, seufzte er und zögerte. „Und vergiss es einfach, das war ne…“, wollte er beginnen und ich drehte mich kurz zu ihm um.

„Überrasch mich, Ed. Und zeig mir, dass ich mich nicht falsch entscheide“, meinte ich simpel, bevor ich den Kuchen aus dem Backofen holte. „Und öffne mal die Schublade rechts hinter dir und gib mir das Kuchenmesser“, forderte ich dann.

Die Stunden vergingen, der Kuchen wurde leerer, Ed wirkte glücklicher und ich war mit meinen Nerven am Rande eines Zusammenbruchs. Und ich war mir immer noch nicht sicher, ob das alles so eine gute Entscheidung gewesen war, denn es hatte sich zwar absolut nichts geändert, aber mein Herz schlug mir bis zum Hals.

Ed behandelte mich wie sonst auch, wir taten die gleichen Sachen wie sonst, führten die gleichen Gespräche. Ein Außenstehender hätte den Unterschied wahrscheinlich nicht gemerkt, aber da war einer. Da waren mehrere Unterschiede. Und das erste war, dass Ed glücklich war. Das sah ich in seinen Augen. Ein Ausdruck, den ich lange nicht mehr bei ihm gesehen hatte und der mich wirklich zweifeln ließ, ob ich mich wirklich richtig verhielt oder ob dieses Fernhalten nicht eigentlich totaler Schwachsinn war.

„Worauf hast du Lust?“, riss mich Ed aus meinen Gedanken und er sah mich direkt an. Wieder eine dieser Sachen, die anders waren. Die letzten Male, wo er hier gewesen war, hatte er meinen Blick gemieden, als dass er Angst gehabt hätte, ich könnte in ihn hinein sehen und genau wissen, was in ihm vor ging. Und jetzt sah er mich einfach an, ungehalten, mit vor Lebendigkeit strahlenden Augen. Ein wacher Blick, aufmerksam, herzenswarm. Und ich hatte diesen Blick vermisst.

„Es ist dein Geburtstag, Ed“, erwiderte ich lächelnd, während Ed sich vor mir hinkniete und sich an meinen Beinen festhielt. Und das war noch eine Sache, die anders war. Ed berührte mich und er achtete nicht mehr so wie vorher darauf, nichts zu tun, was mich komplett zum Ausrasten gebracht hätte.

Und alles, was er tat, tat er trotzdem mit so viel bedacht, dass ich mich fragte, was wohl gerade in seinem Kopf vorgehen musste.

„Es ist immer noch dein Leben, in das ich immer wieder reinplatze, Mae. Was hättest du denn sonst heute vorgehabt?“, wollte er wissen und ich grinste schief.

„Pizza und Serien. Du kennst mich“, erwiderte ich und er lächelte, stand dann auf und wandte sich zu meinem Fernseher um.

„Dann gibt es jetzt Pizza und Serien. Wir müssten unsere Serie echt mal wieder weiterschauen“, lächelte er und ich sah zu ihm nach oben. Es war die richtige Entscheidung gewesen. Hoffentlich?

Und so gab es Pizza. Und unsere Serie, die wir ewig nicht mehr weiter geschaut hatten. Selbst drei Stunden später lagen Ed und ich immer noch auf dem Sofa. Nein, falsch, ich lag mehr auf ihm, als dass ich auf dem Sofa lag, doch Ed ließ sich davon gar nicht irritieren, sondern hatte es sich zur Aufgabe gemacht, gedankenverloren immer wieder durch mein Haar zu fahren und mich wie eine Katze zu kraulen. Ich hatte mich natürlich nicht beschwert, sondern war allmählich immer weiter eingedöst.

„Mae, aufwachen“, hörte ich irgendwann Eds Stimme und ich schüttelte schwerfällig den Kopf.

„Zu müde“, war alles, was ich sagte, während Ed sich mühselig von seiner Last – also mir – befreite und mich dann anscheinend betrachtete.

„Aber das Sofa ist unbequem. Dein Bett ist bequemer“, erwiderte er und ich öffnete erst ein Auge, schloss es dann sofort wieder, als es viel zu hell war. „Mir egal“, murrte ich und kuschelte mich weiter in meine Decke. Ich würde jetzt nirgendwo mehr hingehen.

+

Seufzend strich ich Maes Haar glatt und betrachtete sie. Sie war tatsächlich einfach eingeschlafen. Mit einem Lächeln auf den Lippen und halb auf mir drauf, also war das auch vollkommen okay.

„Wir sollten dich trotzdem ins Bett bringen, hm?“, murmelte ich dann leise. Ohne sie aufzuwecken versuchte ich, meine Arme unter ihren Körper zu schieben und sie dann hochzuheben. Langsam versuchte ich sie ihre Wendeltreppe nach oben zu tragen. Und das ging einfacher als ich mir das vorgestellt hatte und ohne mir dabei alle Knochen zu brechen. Mae hatte zwischendurch irgendetwas gemurmelt, was ich nicht verstanden hatte, aber war Gott sei Dank nicht aufgewacht.

„Ach Mae“, murmelte ich dann, als ich sie in das große Bett gelegt hatte und die Decke locker über sie gelegt hatte. Ich strich ihr ein paar ihrer blonden Strähnen aus dem Gesicht und musste lächeln. Es war so eine gute Idee gewesen, heute hier hergekommen zu sein. Ich hatte es zwischen uns noch nie so harmonisch erlebt und diese dumme, kleine Kleinigkeit machte mich unfassbar glücklich.

„Schlaf gut, du Sturkopf“, meinte ich leise und hauchte ihr einen Kuss auf ihr Haar, bevor ich ihr Schlafzimmer verließ und wieder nach unten ging. +

Als ich aufwachte, fühlte ich mich unfassbar ausgeruht und ausgeglichen.

Ein Gefühl, dass ich schon lange nicht mehr hatte.

Lächelnd befreite ich mich ein wenig aus meiner Decke und versuchte mich zu strecken, ein wenig mehr von meinem Schlafzimmer wahrzunehmen, stoppte dann aber in meiner Bewegung. Verwirrt richtete ich mich auf. Warum lag ich hier in meinem Bett? Ich konnte mich nicht erinnern, das Sofa jemals verlassen zu haben.

„Guten Morgen, Darling“, hörte ich dann eine Stimme rechts neben mir und ich erschreckte mich fürchterlich.

„Morgen?“, kam es mir verwirrt über die Lippen und sah direkt in Eds Gesicht, der mich anstrahlte.

„Möchtest du Kaffee?“, fragte er dann und hob eine Tasse hoch. Wie automatisch streckten sich meine Hände danach aus und in der nächsten Sekunde konnte ich den lieblichen Duft tief in mich einsaugen.

„Du bist der Beste“, murmelte ich gedankenverloren und merkte dann, wie Ed sich neben mich setzte. „Hast du die ganze Zeit gewartet, bis ich aufgewacht bin?“

Ed nickte leicht. „Du sahst so friedlich aus, ich konnte dich nicht wecken. Ich hoffe, du hast Hunger. Ich habe dir die weltbesten Pancakes der Welt gemacht“, lächelte er dann und stellte ein Tablett auf seine Beine. Perplex blickte ich von dem Essen vor ihm zu Ed und wieder zurück. „Warum?“, wollte ich wissen und sah ihn an. Ich hatte seine Pancakes ewig nicht mehr gegessen, doch erinnerte mich gut daran, wie grandios sie damals auf Tour geschmeckt hatten…

„Du isst gerne Pancakes? Keine Ahnung, was willst du hören, Mae?“, zuckte

Ed mit den Schultern und reichte mir einen Teller. Und das was eine gute Frage. Was wollte ich von ihm hören? Wollte ich überhaupt etwas hören? Ich wusste es nicht, aber er hatte mich auch ziemlich aus dem Konzept gebracht.

So wie der ganze restliche Tag so verwirrend war wie der Morgen. Ed war immer noch so gut drauf, so glücklich. Er lächelte permanent, egal was wir taten. Egal, ob wir einfach nur über zusammenhangslose Themen redeten. Egal, ob wir das Geschirr abwuschen, den restlichen Kuchen verspeisten oder uns einen Kaffee nach dem anderen machten. Egal, ob wir einfach nur dalagen und Musik hörten. Er lächelte. Er war glücklich. Und ich wollte, dass er immer so war.

Und so verging der restliche Tag so wie der vorherige. Mein Herz war immer noch verwirrt, fing aber an, sich in dieser Illusion zu verrennen. Ich gewöhnte mich in der kurzen Zeit zu sehr daran, wie Ed mich behandelte, und als wir abends wieder auf dem Sofa saßen und den Tag ausklingen ließen, wurde ich zu übermütig.

„Spielst du mir was vor, Ed?“, fragte ich leise und zog meine Wolldecke weiter über meinen Körper. Eine Frage, die ich nicht hätte stellen sollen, weil ich einfach zu fasziniert davon war, wenn er spielte.

„Was willst du hören?“, war aber seine Antwort, während er nach seiner Gitarre griff und sie vorsichtig auspackte.

„Vollkommen egal, solange du es singst“, antwortete ich, während Ed sich zu mir setzte und mich betrachtete.

„Nicht, dass du einschläfst“, meinte er dann und ich merkte, wie Ed mir zuerst einige Strähnen aus dem Gesicht strich und die Decke an die richtige Stelle rückte. Eigentlich nichts Besonderes, nichts, worüber ich mir Gedanken gemacht hätte, denn das hatte er öfter mal getan, aber wie er es machte, war anders als sonst. Er machte es so beiläufig, sah mich noch nicht mal an, sondern war vollkommen in Gedanken versunken, dachte wohl gerade über die Lieder nach, die zur Auswahl standen.

Er würde mich niemals einfach so fallen lassen.

„Cover irgendwas. Vorzugsweise Ginuwine oder irgendwas anderes RnBmäßiges“, meinte ich dann und Ed sah mich an.

„Eigentlich hätte ich jetzt irgendwelche unverfänglichen schnulzigen Liebeslieder ausgepackt, die zudem nicht von mir sind, aber natürlich“, meinte er und überlegte wohl, was er spielen sollte.

„Singst du mir Pony vor?“, wollte ich dann wissen und er betrachtete mich nachdenklich.

„Ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee wäre“, erwiderte er leise und ich sah ihn an.

„Bitte, Ed“, hauchte ich und richtete mich ein wenig auf.

„Lieber nicht, Mae“, schüttelte er den Kopf und ich kam ihm näher.

„Warum nicht?“

„Ist die Frage ernst gemeint? Weißt du, was das letzte Mal passiert ist, als wir das Lied zu nah in unsere Nähe gelassen haben, Mae? Ich will nicht gleich alles wieder ruinieren, wo ich gerade so viele Fort…“, begann er, stoppte sich dann aber. Er machte Fortschritte? Wobei machte er denn… Oh.

„Du machst Fortschritte“, meinte ich dann und sah erst auf meine Hände, bevor ich aufblickte. Ohne genau hinzusehen legte Ed seine Gitarre beiseite und kam mir näher.

Genau jetzt hätte ich die Notbremse ziehen sollen, ich hätte mich zurückziehen sollen, ich hätte mein Herz verschließen sollen, doch stattdessen gruben sich meine Hände begierig in Eds Haare und meine Lippen legten sich auf seine. Im nächsten Moment hatte mich Ed direkt auf sich gezogen und seine Hände gruben sich in meine Seiten.

„Überrasch mich“, hauchte ich leise, wusste nicht, wieso ich das überhaupt gesagt hatte, und Eds Gesicht zierte ein unvergleichliches Lächeln. „Das hatte ich vor, Darling“, erwiderte er leise und schaute mir dann in die Augen.

Und das hatte er wirklich. Ich wusste nicht, wie er das machte, aber es war komplett anders als alles, was ich jemals fühlen durfte hatte. Mein Herz hörte nicht auf, aus dem Takt zu schlagen. Mein Herz war der Boss und mein Kopf hatte einfach mal Pause. Meine Hände waren zittrig, meine Finger krallten sich an allem fest, was ich erwischte. Und meine Augen konnte ich nicht mehr schließen, so sehr fesselte mich Eds Blick.

Jede seiner Berührungen brachte alles in mir durcheinander. Jede seiner Berührungen drehte meine Welt ein weiteres Mal auf den Kopf. Und jede seiner Berührungen verbrannte meine Haut, hinterließ prickelnde Spuren. Ed berührte mich, als ob ich das Kostbarste wäre, was er je besessen hatte. Vorsichtig hob er eine seiner Hände, ließ meine Hüfte los, und führte sie zu meinem Gesicht und strich mir vorsichtig über meine Wangen. Und da merkte ich erst, dass vereinzelte Tränen sich aus meinen Augen gelöst hatten und langsam meine Haut hinuntergelaufen waren.

„Mae?“, hauchte Ed leise und sah mich aus besorgten Augen an. Er dachte wohl, er würde irgendetwas falsch machen. Er dachte wohl, mir würde das hier nicht gefallen. Er dachte wohl, er hatte seine Fortschritte wieder zunichte gemacht, aber…

Im nächsten Moment lagen meine Lippen wieder auf seinen. Ich wollte nicht, dass er sich Sorgen machte. Ich wollte doch so viel mehr.

Und mein Herz, das hörte nicht auf, aus dem Takt zu schlagen.

+ Kapitel 3.3: Die Aussprache +

„Hör verdammt nochmal auf zu denken, dass du Mae verstehst. Denn das tust du nicht.“ (09.03.2013)

Als ich aufwachte, war das Bett kalt und leer. Ed schien schon lange gegangen zu sein, einzig und allein ein kleiner Zettel, der auf meinem Nachttisch lag, zeugte davon, dass er hier gewesen war.

Näher zog ich die Decke zu mir heran und fühlte, wie die Leere nicht nur das Zimmer und die Wohnung durchflutete, sondern sich so langsam in meinem Herzen breit machte.

Ich war gerade erst aufgewacht, er war quasi gerade erst weg, ich war wirklich erst ein, zwei Minuten aktiv alleine, aber das reichte mir, um zu wissen, dass hier gehörig etwas schief lief.

„Nein“, schluchzte ich und grub meine Finger tiefer in die Decke. Ich durfte ihn nicht vermissen. Ich wollte ihn nicht vermissen. Doch genau das tat ich. Mit tränenverschleiertem Blick griff ich nach dem kleinen Zettel, den Ed mir geschrieben hatte, und versuchte etwas zu erkennen.

‚Guten Morgen, ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt.

Wir sollten wirklich nochmal reden, Mae. Über uns.

Ich ruf dich an

Ed‘

Kopfschüttelnd zerknüllte ich das Papier in meinen Händen und ließ vereinzelte Tränen hinauf tropfen. Wieso hatte ich nur zugelassen, dass Ed so nah an mich heran gekommen war? Wieso hatte ich nicht rational gehandelt, als er da gewesen war? Wieso hatte ich nicht erkennen können, dass es falsch war, ihn so nah an mich heran zu lassen?

Ich wollte Ed nicht vermissen, doch genau das tat mein dummes, dummes Herz. Ich hatte ihn viel zu nah an mich heran gelassen und jetzt saß ich hier und konnte an nichts anderes mehr denken als an ihn. Und das war gefährlich, ich war vollkommen abhängig von ihm. Und das machte mir

Angst, das wollte ich nicht. Ich kannte diese Gefühle nicht, ich…

‚Das war die größte Katastrophe, die wir beide seit Langem verursacht haben. Wir müssen das lassen, ich will das nicht‘, tippte ich schwerfällig in unseren Chat und zögerte. Es war die einzig richtige Entscheidung. Und dennoch fühlte es sich falsch an.

Unter Tränen schickte ich die Nachricht ab und mein Herz krampfte sich

zusammen…

+

„Eben sahst du so glücklich aus wie lange nicht mehr. Und gerade schaust du, als hätte jemand deine Mutter beleidigt. Ist irgendwas passiert?“, fragte Stuart mich, doch ich hob einfach nur die Hand und war im nächsten Moment aus dem Raum verschwunden und hatte mein Handy in der Hand. „Jetzt geh ran, Mae“, murmelte ich nervös und lief auf und ab. Das lief alles komplett anders, als ich das geplant hatte. Es lief doch alles so gut, so unfassbar gut. Und vielleicht war das der Haken an der Sache gewesen. Mae war nicht so einfach gestrickt. Ich hätte vielleicht noch vorsichtiger an die Sachen rangehen sollen, aber… Ich hatte mich nicht mehr von ihr fernhalten können. Dafür brauchte ich sie zu sehr.

‚Mae, bitte heb ab‘, schrieb ich ihr zurück und versuchte sie erneut anzurufen. Ich musste jetzt mit ihr Sprechen und ihr diesen Schwachsinn ausreden, den sie sich in ihrem Kopf zusammen spann. Sofort, bevor das Ganze vollkommen an die Wand fuhr.

Doch sie hob nicht ab. Etwas, was ich eigentlich genau wissen sollte. ‚Es tut mir nicht gut und ich habe Angst. Mein Leben richtet sich nur noch nach den Tagen, wo du da bist. Nichts anderes ist mehr wichtig. Wenn du weg bist, funktioniert nichts mehr. Ich bitte dich, mich erst mal nicht mehr besuchen zu kommen‘, schickte sie mir noch eine Nachricht und ich starrte vollkommen perplex auf mein Handy. Meine freie Hand ballte sich sofort zu einer Faust und am liebsten hätte ich jetzt laut losgeschrien. Das war doch nicht ihr ernst? Das war doch nicht ihr verdammter ernst?!

Und dann reagierte sie nicht mehr, komplette Funkstille. Keine einzige

Nachricht und ich hatte absolut keine Möglichkeit, sie irgendwie zu erreichen noch konnte ich sie besuchen.

+

„MAE! Was zur Hölle ist los mit dir, du ziehst ein Gesicht wie tausend Tage Regenwetter?“, redete Kel auf mich ein, doch ich reagierte nicht, sondern starrte aus dem Fenster hinaus in den tatsächlichen Nieselregen. Das hatte sich die letzten Tage auch nicht geändert, das Wetter spiegelte meine innersten Gefühle perfekt wieder.

„Nicht so wichtig“, seufzte ich und wandte mich nach vorne um, wo gleich die nächste Vorlesung begann.

„Natürlich ist es wichtig. Dir geht es nicht gut“, seufzte Kelsey und ich brachte nach ihren Worten wirklich ein Lächeln zu Stande.

„Danke. Aber ich kann im Moment nicht drüber reden, ich muss erst mal selbst mit allem klar werden“, murmelte ich und nun lächelt die Brünette neben mir mich verstehend an.

„Das versteh ich, aber wenn du Hilfe brauchst: Ich bin hier.“ Nachdenklich nickte ich und blickte danach wieder nach draußen. Es waren drei Wochen vergangen und ich war jeden Tag ein wenig mehr gestorben. Meine Gedanken schwebten um alles, was zwischen Ed und mir passiert war und durch meine Dummheit nie wieder passieren würde… Ich vermisste ihn jeden Tag ein bisschen mehr.

„Ich hör ein wenig Musik, Kel. Sag mir Bescheid, wenn ich zu sehr auffalle, ja?“, bat ich sie dann und versteckte meine Kopfhörer unter meinem langen, blonden Haar und stützte mein Kinn in meine Hände. Ich hörte zu viel Musik in letzter Zeit. Vor allem Ed. Vor allem seine traurigen Lieder. Und sie halfen nicht wirklich.

+

„Ed! Jetzt konzentriert dich mal, die Tour geht bald los!“, maulte Stuart gestresst und ich schloss tief durchatmend die Augen. Ich hasste es, wenn er so drauf war. Und das war vor einer Tour eigentlich normal.

„Ich kann mich gerade aber nicht konzentrieren, STUART!“, pfefferte ich zurück und stellte meine Gitarre zur Seite. Ich hatte keinen Bock mehr. „Sorry…“, setzte ich dann schnell hinten dran und fuhr mir durch die Haare.

„Hab schlecht geschlafen.“

So wie die letzten Tage. So wie die letzten Wochen.

„Mir tut es leid“, seufzte auch Stu und setzte sich neben mich auf den Boden. „Ist alles irgendwie ganz schön stressig, oder? So kurz bevor es los geht?“ Ich nickte nur. Zu viel Stress generell.

Und dann saßen wir da, schwiegen uns an und machte eine kurze Pause, wo wir wirklich mal nichts taten und einfach mal ein wenig Ruhe hatten. Und dann vibrierte mein Handy in meiner Jeans.

Seufzend zog ich es hervor und stockte, als ich die Nachricht auf meinem Bildschirm sah und von wem sie geschrieben wurde. Meine Augen wurden groß und im nächsten Moment war ich aufgesprungen.

„Ich muss gehen, Stuart“, war das Einzige, was ich sagte, und war dann von der Bühne gesprungen und aus der Halle gerannt. Stuarts Rufen ignorierte ich dabei wohlweißlich.

+

„Mae“, raunte Kel mir zu und ich schreckte aus meinen Gedanken aus. „Du summst“, meinte sie leise und ich seufzte.

„Sorry... Wie lange noch?“, wollte ich wissen, während ich die Reihen abscannte. Die Anwesenheitsliste war bald bei uns.

„Viertel Stunde. Das hältst du durch!“, antwortete sie leise und ich machte die Musik aus. Es hatte eh keinen Sinn, es wurde einfach nicht besser. Nichts wurde besser, wenn er nicht da war…

‚Es tut mir leid. Ich brauche dich‘, tippte ich dann in Eds und meinen Chat und stockte. Ja, ich vermisste ihn und ich brauchte ihn, mehr als alles andere, aber würde es besser werden, wenn Ed und ich das klärten? Würde ich ihn weniger vermissen, wenn wir zwar Kontakt hatten, aber uns trotzdem nicht öfter sahen? Ich wusste es nicht, aber ich würde es auch nicht herausfinden, wenn ich es nicht probierte.

Und so hatte ich die Nachricht abgeschickt, ohne zu wissen, was ich damit alles auslösen würde.

„Es ist vorbei, Mae“, riss mich Kel wieder aus meinen Gedanken und ich lächelte ihr dankbar zu, bevor ich schnell meine Tasche packte und verschwinden wollte, doch Kel stoppte mich nochmal und drückte mir einen Zettel in die Hand. Verwirrt blickte ich darauf und erkannte, dass es die Mitschrift der heutigen Vorlesung war.

„Du bist unfassbar, Kelsey. Dankeschön! Ich schulde dir was“, murmelte ich wirklich dankbar und Kel lächelte zurück.

„Solange es dir bald besser geht“, war alles, was sie sagte, bevor sie den Raum verlassen hatte und ich wieder alleine meinen Gedanken nachhängen konnte. Kel war wirklich etwas Besonderes und wir kannten uns mittlerweile ziemlich gut. Sie wusste genau, wann ich Gesellschaft vertragen konnte und wenn ich lieber alleine sein wollte. Und gerade brauchte ich meine Ruhe, ich brauchte die Zeit für mich.

Seufzend blickte ich auf den Chatverlauf und stellte fest, dass Ed die Nachricht erhalten und gesehen hatte, doch geantwortet hatte er nicht. Mit hängenden Schultern verließ ich also den Hörsaal, zog mir meinen Mantel tiefer ins Gesicht und startete die Musik wieder. Der Regen war stärker geworden.

Ich war mental nicht wirklich anwesend, als ich die letzte Treppenstufe nahm und in Gedanken nach meinem Schlüssel kramte. Ich hörte mal wieder die Musik, die ich nicht hören sollte, und versuchte die Kälte nicht in meinen Kopf dringen zu lassen, die meine Arme und Beine schon eingenommen hatte. Gerade, als ich den Schlüssel gefunden hatte, hörte ich ein leichtes Räuspern. Panisch schaute ich auf und ließ den Schlüssel einfach fallen. Klirrend ging er zu Boden.

„Hallo Mae“, hörte ich Ed leise sprechen und meine Augen wurden groß, mein Mund stand leicht offen. Zu viel. Einfach zu viel.

Mein Herzschlag setzte fast aus und mein Herz krampfte sich zusammen, als ich ihn saß. Ein Schritt vor den anderen setzend kam ich auf ihn zu, ließ auch meine Tasche einfach von meinen Schultern rutschen und auf dem Boden aufsetzen.

Und Ed? Der stand einfach nur da, hatte mittlerweile seine Hände aus den Hosentaschen gezogen und sie leicht in meine Richtung geöffnet. Und ich stolperte irgendwie in seine Arme hinein, krallte mich an ihm fest und konnte nicht glauben, dass er hier vor mir stand.

„Es tut mir leid“, brachte ich mit zitternder Stimme hervor und stumme Tränen rannen mir die Wangen herunter. Ich hatte ihn so unfassbar vermisst.

Tief atmete Ed ein und vergrub seine Gesicht in meinen vom Nieselregen durchnässten Haare.

„Wir kriegen das alles wieder hin, Mae“, murmelte er leise und machte keine

Anstalten, mich irgendwie loszulassen. Und das war alles, was ich im Moment brauchte.

„Ich…“, wollte ich nach vielen Minuten beginnen und mich irgendwie für alles entschuldigen, doch ich wusste einfach nicht wie.

„Shh“, machte Ed aber nur und legte mir einen Finger auf meine Lippen. „Wir gehen jetzt erstmal rein und machen dir was Warmes zu trinken, du siehst komplett durchgefroren aus. Und dann machst du das Geschenk hier auf und dir geht es gleich wieder besser, ja?“ Mit einem zuversichtlichen Lächeln auf den Lippen zeigte Ed auf ein größeres Geschenk und ich sah ihn einfach nur an, ließ mich von ihm in die Wohnung schieben und aufs Sofa verfrachten. Den Rest machte er. Er klaubte meine Sachen zusammen, kochte mir Tee, warf mir eine Decke über und reichte mir dann das Geschenk.

„Ed, das ist gerade echt nicht richtig“, murmelte ich. Ich wollte keine

Geschenke von ihm, nicht nachdem ich so mit ihm umgesprungen war. „Bitte Mae, ich würde mich sehr freuen“, meinte Ed dann und ich nickte nur langsam, entfernte vorsichtig das vom Regen durchnässte Geschenkpapier und betrachtete sein Geschenk.

„Eine Vase?“, meinte ich verdutzt und Ed fing an zu lächeln.

„Wozu braucht man eine Vase?“, wollte er mir auf die Sprünge helfen und ich sah Ed verwirrt an.

„Blumen. Aber wo soll ich jetzt Blumen her …“, begann ich, stockte dann aber, als sich Ed kurz zur Seite lehnte und nach irgendetwas griff. Im nächsten Moment hatte er einen verdammt riesigen Blumenstrauß in der Hand.

„Nimm doch die solange“, war alles, was er sagte, und ich legte geschockt eine meiner Hände vor meinen Mund, blickte von Ed zu dieser

Blumenpracht und wieder zurück. Wusste einfach komplett nicht, wie ich reagieren sollte. Stattdessen rannen mir vereinzelte Tränen die Wangen herunter.

„Wow“, kam es mir dann irgendwann über die Lippen und ich sah auf zu Ed, der mich aufmunternd anlächelte.

„Ich weiß nicht, wie ich mich jemals für alles, was du tust, revanchieren soll“, meinte ich ehrlich und Eds Lächeln wurde nur noch breiter.

„Ich stell sie ins Wasser, dann halten sie länger. Und freu dich einfach“, hauchte er und beugte sich im nächsten Moment zu mir herüber. Seine Lippen berührten sanft meine Schläfe, bevor er sich sowohl den Strauß als auch die Vase schnappte und verschwand. Und ich konnte ihm einfach nur vollkommen verwirrt hinterher starren. Meine Wände begannen einzufallen.

+

„Mae, du schaust so komisch“, fragte ich die Blondine nachdenklich und sah sie an. Ich war jetzt schon zwei, drei Stunden hier und Mae hatte sich immer noch nicht wieder eingekriegt.

„Warum bist du nicht sauer auf mich?“, wollte sie dann wissen und ich seufzte.

„Es bringt mir nichts, sauer zu sein. Ich steck meine Energie lieber in andere

Dinge, schönere“, lächelte ich nur und betrachtete sie. Sie wirkte vollkommen neben der Spur, war verwirrt und sah auch ziemlich zerzaust aus. Und doch konnte ich nicht glücklicher sein, dass sie mich nicht komplett aus ihrem Leben gestrichen hatte. „Vielleicht sollten wir aber wirklich mal ein wenig reden“, seufzte ich dann und sah zu ihr, sie schüttelte permanent den Kopf.

„Ich glaube, das wäre jetzt keine gute Idee“, murmelte sie leise und ich betrachtete sie. „Ich mach gerade alles nur noch schlimmer“, setzte sie hinzu und ich kam auf sie zu, kniete mich vor ihr hin. Sie saß immer noch auf ihrer Couch unter der Decke, die ich ihr gegeben hatte.

„Hey, beruhig dich, Mae. Wir kriegen das alles wieder hin. Vielleicht solltest du wirklich erst mal ein wenig schlafen und wir reden morgen in Ruhe über alles, ja?“, schlug ich vor und Mae nickte nur, sah mich aus großen Augen an.

Ohne darüber nachzudenken strich ich ihr ein paar immer noch feuchte Strähnen aus dem Gesicht. Ich wusste zwar nicht, warum sie immer so reagierte, wie sie es eben tat, aber ich konnte ihr einfach nicht böse dafür sein. Nicht böse für ihre Verwirrtheit, nicht böse für ihre Gefühle, die sie so fertig machten. „Komm, ich bring dich ins Bett“, meinte ich dann und reichte ihr meine Hand, die sie zögernd annahm.

+

Es war Samstagmorgen. Ed musste bald wieder gehen, wie er mir gesagt hatte, und nun standen wir hier in der Küche herum. Wir hatten schweigend gefrühstückt, niemand hatte etwas gesagt, und nun war es wohl so weit, unsere weitere Zukunft zu beschließen.

„Ich brauche dich, Mae“, meinte Ed irgendwann, als er wohl genug Mut zusammen gesammelt hatte, und drehte sich zu mir um, kam mir mit langsamen Schritten entgegen. „Ich brauche dich, mehr als du es dir vielleicht vorstellen kannst. Und ich weiß, du hast Angst und das alles ist auch gerade ne komplett bescheuerte Situation, aber wir schaffen das schon. Wir werden das alles irgendwie hinkriegen, auch wenn ich bald weg bin. Wir schaffen das zusammen“, redete Ed weiter auf mich ein und ich erstarrte. So schön diese Worte auch waren, so sehr verwirrten sie mich. „Wie, du bist weg? Was meinst du damit?“, wollte ich wissen und nun war Ed es, der mich verwirrt anschaute und dann die Augen aufriss, als er irgendwas realisieren zu schien.

„Mae, die T… Moment, weißt du da überhaupt nichts von?“, redete er panisch auf mich ein und ich zuckte nur die Schultern.

„Hab dich nicht wirklich in den News verfolgt und mit Stuart hab ich nie darüber dich geredet, worum geht es denn?“, wollte ich wissen und Ed sah mich zögerlich an, schluckte.

„Ich gehe wieder auf Tour“, meint er leise und ich nickte. Tour war doch eigentlich nichts Schlimmes.

„Wie lange?“, fragte ich dann und er sackte ein wenig in sich zusammen,

sagte nichts. „Wie lange, Ed? Und wo?“

Ed zögerte, sah auf seine Hände, dann wieder zu mir, dann wieder auf den Boden und seufzte.

„Sechs Monate. Amerika“, war alles, was er sagte, und ich spürte, wie das Herz in meiner Brust in viele Einzelteile zersplitterte. Es war nun komplett zerstört. Wahrscheinlich unwiderruflich.

„Das ist doch nicht dein Ernst! Sag mir, dass das nur ein bitterböser Scherz ist, Ed. … Das hat es mir also gebracht, dich näher an mich heran zu lassen“, fauchte ich und stolperte einen Schritt zurück.

„Es tut mir leid, Mae. Ich wusste nicht, dass…“, begann er, brach dann aber ab. „Wir kriegen das hin, Mae. Wir schaffen das irgendwie, das verspreche ich dir. Alles wird in Ordnung kommen“, wollte er mich überzeugen, aber ich schüttelte nur den Kopf.

„Nichts kommt in Ordnung, wir können nicht immer so tun, als ob alles okay wäre, Ed. Es ist eben nicht alles okay. Es wird nicht funktionieren. Nicht mit so einer Ausgangssituation“, schluchzte ich und war unfassbar verzweifelt. „Aber wie stellst du es dir denn sonst vor?“, meinte Ed ebenso. „Ich weiß, dass ich ein vollkommener Idiot bin und dass ich angenommen habe, dass du von der Tour Bescheid weißt, war nicht richtig, Aber wir können den Kontakt nicht komplett abbrechen, das würde mich umbringen“, erwiderte er und man sah ihm an, wie ernst es ihm war.

„Es würde dich umbringen?“, fragte ich zitternd nach und Ed sah mich an.

„Natürlich?! Was denkst du denn, Mae? Du bist mein Zuhause, du bist meine Stütze, mein Pfeiler, meine Familie, mein – Du bist einfach alles, Mae! Ohne dich würde ich den ganzen Stress nicht durchhalten. Deine Anrufe retten mir immer wieder den Arsch, wenn ich durchzudrehen glaube. Ohne dich werde ich das Pensum so nicht weiter schaffen können. Verdammt, ich brauche dich“, redete er auf mich ein. Er meinte es ernst. Komplett ernst.

„Ed“, murmelte ich und sah ihn mit einem besorgten Blick an, Ed schüttelte aber den Kopf.

„Mir geht’s gut Mae, du brauchst dir keine Gedanken machen. Ich hab eher das Gefühl, dass du das nicht mehr mitmachst, dass du bald zusammen klappst. Was willst du, Mae? Das ganze Chaos hier bestimmt nicht.“

„Natürlich nicht. Es ist ja auch nicht normal, immer wieder im Bett zu landen und sich danach zu schwören, dass es nicht wieder passieren wird. Es überfordert mich. Alles… Aber wie stellst du dir das vor, du bist bald weg, komplett weg, für ein verficktes halbes Jahr“, schluchzte ich weiter. „Und ich kann das so nicht. Verdammt, ich brauche dich. Ich halte das nicht aus, ein halbes Jahr ohne dich, mit Zeitverschiebung. Ich schaffe ja noch nicht mal eine verdammte Woche, ohne dass ich innerlich sterbe…“, versuchte ich ihm zu erklären und er sah mich an. Wusste einfach nicht mehr, was er sagen sollte.

„Also war es das dann?“, fragte er und ich schluchzte auf.

„Was soll denn gewesen sein, wir waren doch nie zusammen, Ed! Weißt du, was wir gemacht haben? Wir hatten unsere Leben, hatten unsere Leute und hatten unsere Menschen, mit denen wir im Bett landen. Und dann bist du aufgetaucht und unsere normalen Leben geraten immer wieder durcheinander, weil da einfach nur du bist. Das ist nicht gesund“, redete ich mir all den Stress von der Seele, auch wenn ich genau wusste, dass ich das bereuen würde. Aber das war sie einfach, meine komplett verkorkste Gefühlswelt.

„Dann wünsche ich dir viel Spaß in deinem NORMALEN Leben, wo ich anscheinend ja nicht dazu gehöre. Ich bin anscheinend nicht gut genug“, fauchte er dann und drehte sich um. So hatte ich das doch alles nicht gewollt!

„Mensch Ed, warte!“, rief ich, doch er hörte nicht. Im nächsten Moment fiel meine Haustür ins Schloss und er war einfach weg, für ein komplettes halbes Jahr.

+ Kapitel 3.4: Amerika +

„Ich vermisste sie. Und ich versuchte die Leere in meinem Herzen irgendwie zu füllen.“ (17.06.2013)

‚Genießt du Amerika? Wie ist es dort drüben?‘ – ‚Ich versuche es. Es ist anders, aber eigentlich ganz cool.‘

„Wie geht es dir, Ed?“, fragte mich der Radiomoderator und ich setzte ein freundliches Lächeln auf.

„Hervorragend“, Lüge, „Amerika ist großartig und die Arbeit mit Taylor macht unfassbar viel Spaß“, erklärte ich und nicht viel davon stimmte. Und auch, wenn hier karrieretechnisch alles so unfassbar gut lief, ging es mir alles andere als großartig.

Die Tage und Wochen vergingen, ich spielte die vielen Shows, die anstanden, traf so viele neue Leute, erlebte unfassbar viel und sollte eigentlich die beste Zeit meines Lebens haben, aber… die hatte ich nicht. Die würde ich auch nicht haben. Natürlich, ich war froh, hier zu sein, ich spielte gerne auf den großen Bühnen und ich war Taylor unfassbar dankbar, dass sie mich mit auf Tour nahm, aber je mehr Zeit verstrich, desto schlimmer wurde es. Ich wollte nach Hause. Ich wollte einfach nur nach Hause.

„Ed? Zehn Minuten“, teilte mir Stuart dann mit und ich nickte, versuchte mich zu sammeln.

Zehn Minuten, dann musste ich wieder rauf auf die Bühne und mein Bestes geben, auch wenn ich das nicht geben konnte.

Zehn Minuten, dann sollte es sich mal wieder für eine kurze Zeit nur um mich drehen, auch wenn ich mich eigentlich nur im Hotelzimmer verkriechen wollte.

Zehn Minuten, in denen ich irgendwie versuchen musste, mir ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern und wenigstens ein wenig Zuversicht auszustrahlen. Wenn Mae jetzt hier wäre, dann hätte sie mir wahrscheinlich jetzt den Kopf gewaschen und mir wieder ins Gedächtnis gerufen, warum ich das hier alles machte. Dass das hier mein Leben war und dass ich mich mehr fokussieren sollte. Und sie hatte recht, das hatte sie damals auch immer gehabt. Doch Mae war nicht hier. Ich war allein. Und in neun Minuten musste ich raus auf diese verdammte Bühne…

‚Wie geht es dir, Ed?‘ – ‚Jetzt besser.‘

+

‚Wie war dein Tag?‘ – ‚So wie immer, eigentlich. Wie war deiner? – ‚So wie immer, eigentlich.‘

„Hey, Mae, komm mal her. Du siehst aus wie ein Zombie“, seufzte Kel und ich legte den Kopf schief.

„So schlimm?“, wollte ich wissen, während ich mir durch die Haare fuhr. Sie nickte nur. Großartig.

„Hast du überhaupt geschlafen?“, wollte sie dann wissen und ich schüttelte den Kopf.

„Nicht wirklich“, meinte ich und musste dann gähnen. Ich schlief generell nicht gut in letzter Zeit, meist nur drei oder vier Stunden. Die restliche Zeit über machte ich mir viele Gedanken. Über Ed, über mein Leben, über meine

Großmutter, der es immer schlechter ging, und über die Uni. Und zu viele

Gedanken und zu viele Sorgen taten einem nicht gut…

„Du musst ihn anrufen!“, riss mich Kelsey erneut aus meinen Gedanken und ich zuckte zusammen.

„Wen?“, wollte ich wissen und sah sie mit schiefgelegtem Kopf an.

„Ja keine Ahnung, du willst mir ja nicht verraten, wie er heißt. Aber irgendwie müsst ihr euch ja gestritten haben. Ruf ihn an und klärt das, bitte! Ich will mir nicht immer Sorgen um dich machen müssen“, erklärte sie sich. Und mit diesen Worten ließ sie mich dann alleine. So wie ich mit meinem Kopf immer alleine war und mir die größten Sorgen machte.

Und so vergingen weitere Tage und Wochen. Die Gedanken und Sorgen blieben, wurden nur noch größer, und ich versuchte mich irgendwie durchzukämpfen. Ich überdachte viel in den Tagen und Wochen. Dachte an das, was ich alles falsch gemacht hatte und wofür ich gerade bestraft werden könnte. Und da kam ganz schön viel zusammen.

Seufzend blickte ich auf diesen einen bestimmten Chatverlauf. Die letzte Nachricht war Monate her und nun saß ich wieder hier und wusste nicht, was ich machen sollte.

Ed war online, schon länger, und ich saß ebenfalls schon länger vor diesem verdammten Handy. Ich wollte ihm schreiben, aber irgendwas hinderte mich. Ich wollte das alles nicht nochmal durchmachen. Ich wollte mich nicht so abhängig machen, aber… aber ich brauchte ihn einfach.

‚I don’t get waves of missing you anymore‘, sendete ich ab und seufzte. Es war ein großer Fehler gewesen, der sich trotzdem unfassbar gut anfühlte. So legte ich das Handy aber beiseite und wollte aufstehen, mich ablenken, doch da blinkte der Bildschirm auf. Eine Nachricht. Eine Antwort?!

‚They‘re more like tsunami tides in my eyes…‘

Mehr stand da nicht, dennoch war ich unfassbar baff. Er hatte gefühlt drei Sekunden für diese Nachricht gebraucht, er musste den Chat doch offen gehabt haben, er…

Verwirrt fuhr ich mir übers Gesicht, schaute die Nachricht an und wusste nicht, was ich machen sollte. Sollte ich antworten? Ich musste antworten, aber…

‚Was machst du gerade?‘, schickte ich ab und seufzte. Ne bescheuertere

Erwiderung gab es glaube ich nicht…

‚Traurig auf dem Hotelbett sitzen und schnulzige Lieder schreiben‘, bekam ich zurück.

‚Warum traurig?‘, erwiderte ich und knetete meine Hände. Ich wollte die Antwort glaube ich gar nicht wissen.

‚Weil ich jetzt gerne bei dir wäre, um dir zu sagen, wie leid es mir tut. Alles.‘ Ich schluckte. Scheiße. Was tat ich denn jetzt?

Ohne weiter drüber nachzudenken hatte ich mein Handy zur Seite geworfen und im nächsten Moment nach Zettel und Stift gegriffen, die neben mir auf dem Couchtisch lagen.

‚Mae? Ist alles okay? Hätte ich das nicht sagen sollen?, schrieb Ed nach einiger Zeit wieder und ich seufzte. Ich hatte vielleicht zu lange nicht geantwortet.

So fotografierte ich aber nur meine kleine Zeichnung ab und schickte Ed das

Bild. Eine simple Zeichnung auf einem kleinen, simplen Zettel. Eine

Weltkugel, auf der eine Seite in Strichmännchen mit Kleid, auf der anderen Seite ein Strichmännchen mit Gitarre. Daneben ein paar einfache Worte. ‚Mir tut es leid. Komm doch mal vorbei, wenn du wieder im Land bist.‘ ‚Werde ich tun, Mae. Werde ich tun… Du solltest schlafen, es ist bei dir mitten in der Nacht!‘, antwortete Ed nur und ich nickte. Er hatte recht. Ich hatte die letzten Nächte schon nicht geschlafen. Wochenlang.

‚Ich bin so froh, dass du da bist.‘ – ‚Sag sowas nicht.‘

+

‚Wie geht es dir?‘ – ‚Mir ging’s schon mal besser…‘

„Was ist mit dir passiert, Eddy? Du siehst so glücklich aus“, riss Taylor mich aus meinen Gedanken und ich sah verwirrt auf.

„Sorry, was meintest du?“, fragte ich daher nur und Taylor setzte sich neben mich, mal wieder viel zu nah an mich ran. Vorsichtig rutschte ich ein Stück nach vorne und weg von ihr.

„Ich wollte nur wissen, ob alles okay ist. Du siehst so anders aus, so glücklich“, wiederholte sie sich und ich nickte nur langsam.

„Gute Nachrichten von Zuhause“, murmelte ich nur und hob mein Handy hoch. Auch wenn es eigentlich keine guten Nachrichten waren. Es waren grandiose Nachrichten. Es waren die besten Nachrichten, die ich je bekommen hatte. Auch wenn sie immer nur sporadisch waren, kurz, und auch wenn die Nachrichten eigentlich so verdammt oberflächlich waren, machten sie mich verdammt glücklich. Allein ein Lebenszeichen zu erhalten, war das Beste, was mir hätte passieren können. Ich wusste, dass sie immer noch in meinem Leben war. Ich war einfach so unfassbar froh.

‚Ich würde gerne deine Stimme hören…‘ – ‚Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.‘

+

‚Welche Kleidergröße hast du?‘ – ‚Ist die Frage ernst gemeint?‘

„Welcher Idiot fragt bitte eine Frau nach ihrer Kleidergröße?“, riss Kelsey mich – mal wieder – aus meinen Gedanken und ich zuckte nur mit den Schultern.

„Nur die Größten“, erwiderte ich und Kel ließ sich neben mir auf die Bank fallen. Es war gutes Wetter heute, die Sonne schien und ich hatte seit langem mal wieder richtig gute Laune.

„Ihr habt euch also wieder vertragen?“, wollte sie dann von mir wissen und ich war kurz verwirrt.

„Ihr?“, hakte ich aber nur nach.

„Du und Mister X. Du siehst glücklich aus“, erwiderte sie und ich seufzte.

„Das bin ich auch. Aber nein, vertragen haben wir uns glaube ich noch nicht.

Aber ich bin glücklich, Kelsey.“

Und das änderte sich auch nicht. Ed schrieb mir immer mehr Nachrichten und ich antwortete immer wieder. Ich wusste, dass es ihm gut ging, aber das war‘s dann auch. Wir redeten, aber redeten nicht richtig, redeten vielleicht auch aneinander vorbei. Wir unterhielten uns über die ungefährlichen Sachen. Wie es Stuart ging. Wie es der Family ging. Wie es mir ging. Wie es ihm ging. Und das reichte fürs Erste auch. Ich wollte nicht mehr hören. Ich wollte nicht wissen, wem er sein Herz schenkte, mit wem er rummachte, mit wem er was hatte. Ich würde eh nur den ganzen Tag schlechte Laune haben und jeden dumm anmachen, der mir über den Weg lief. Ich wollte einfach nur wissen, ob es ihm gut ging. Und das ging es ihm anscheinend. „Mae, du wirst angerufen“, wurde ich dann – mal wieder – aus meinen Gedanken gerissen und schaute irritiert auf mein Handy. Stuart. Was wollte der denn?

„Hallo Vater“, begrüßte ich ihn knapp und Stuart seufzte.

„Ich weiß echt nicht, was im Moment los ist. Ed ist genau so drauf wie du“, meinte er dann und ich schluckte.

„Geht’s ihm nicht gut?“, fragte ich gleich und bereute diese Frage auch schon wieder. „Aber dafür hast du sicher nicht angerufen, was gibt’s denn?“ „Was? … Ach, ja. Ich hab dir ja von Liberty und meiner Hochzeit erzählt“, fing er dann an und ich nickte langsam.

„Dass ihr einen Termin habt“, ergänzte ich und Stu stimmte mir zu.

„Genau. Wir haben auch einen Termin für die Flitterwochen“, meinte er dann und ich musste trotz allem, trotz der Gesamtsituation, lächeln.

„Das klingt großartig. Wo geht’s hin?“, wollte ich wissen, aber da druckste er ein wenig herum.

„Ehrlich gesagt… keine Ahnung. Das ist noch nicht geplant. Aber wir sind für zwei Monate weg, Oktober und November 2014…“, meinte er dann und ich runzelte die Stirn.

„Das geht gar nicht, da ist Tour angesetzt“, meinte ich dann und so langsam dämmerte es mir, was er vor hatte. „Ernsthaft? Da denkst du ausgerechnet an mich?“, wollte ich wissen und Stuart seufzte.

„Wieso nicht? Du studierst schon mal das Richtige, du bist bald fertig und die Gene sind auch da. Überleg es dir einfach, ja? Eilt auch nicht, ist ja noch mehr als ein Jahr hin und wir müssen ja auch erstmal wieder kommen. Ich freu mich schon, dich endlich mal wieder zu sehen“, wechselte er dann das Thema.

„Mal abwarten. Aber ja, ich freu mich auch“, erwiderte ich und musste wieder lächeln.

„Alles klar, ich muss jetzt auch leider weiter. Denk bitte drüber nach und pass auf dich auf, Kleine!“, meinte er abschließend und war dann schon wieder weg…

‚Wie war dein Tag?‘ – ‚So wie immer eigentlich. Wie war deiner? – ‚So wie immer, eigentlich.‘

+

‚Wie geht es dir? – ‚Frag mich was anderes.‘

Ungeduldig wählte ich diese eine bestimmte Nummer, die ich schon viel früher hätte wählen sollen, hätte wählen müssen.

„Hallo Ed“, wurde ich kurze Zeit später begrüßt und mein Herz zog sich zusammen.

„Es tut so gut deine Stimme zu hören, Darling“, meinte ich leise und ich hörte, wie Mae tief einatmete.

„Ich weiß. Find ich auch“, erwiderte sie mit zitternden Stimme und ich zögerte.

„Wie geht es dir, Mae?“, fragte ich dann und es herrschte erstmal Stille, Mae atmete laut und irgendwann wurde ihr Atmen zu einem leisen Schluchzen. „MAE!“

„Ich… meine Oma… ist gestorben“, brachte sie die folgenden Worte irgendwann über die Lippen und ich erstarrte, schluckte. Das… das… „Mae, das tut mir unendlich leid. Brauchst du irgendetwas, kann ich irgendetwas tun? Sollen Stuart und ich zurückkommen?“, fragte ich daher einfach und ich merkte gleich, wie Mae gerade mit dem Kopf schüttelte. „Wir lassen alles stehen und liegen, wenn du nicht alleine sein möchtest“, setzte ich ein wenig zögernder hinzu.

„Nein, ich möchte nicht, dass ihr kommt“, erwiderte sie aber und ich schluckte wieder. „Ich schaff das. Und ich will nicht, dass irgendwelche Menschen zu dieser Beerdigung kommen, die da nicht hingehören. Keine Fans, keine Paparazzis, keine sonst was. Ich will allein sein“, meinte sie dann und ich nickte langsam. Das war ihr letztes Wort, so viel stand fest. Und dann schwiegen wir. Mae weinte leise und so hatte ich sie bisher noch nie erlebt.

„Mae, beruhige dich bitte, du bist nicht allein! Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte ich irgendwann leise und Mae schnaubte nur.

„Wie denn? Und wie meinst du das, ich bin nicht allein. Wie meinst du das, ich soll mich beruhigen?! Was würdest du denn machen, wenn deine einzige und letzte Verwandte, die du hast, einfach tot ist. Gestorben, weg, für immer. Sie war wie meine Mutter, sie hat mich großgezogen, sie hat mir alles gegeben und ich konnte ihr in letzter Zeit nichts zurück geben, weil sie sie einfach nicht an mich erinnern konnte! Sie hat mich komplett vergessen und in dem Wissen zu leben, dass sie, als sie starb, nicht mehr wusste, wer ich bin, das zerreißt mich komplett. Es tut mir leid, Ed, jetzt nicht deinen

Ansprüchen genügen zu können, aber wie würdest du denn fühlen, wenn du auf einmal komplett alleine wärst? Und nein, du zählst nicht. Und Stuart auch nicht. Ich kenne euch nicht lang genug. Ich meine Menschen, die das gesamte Leben mit einem teilen, die alles für einen tun würden, die ihr Leben für einen riskieren würden – ohne drüber nachzudenken, die…“, begann sie und ich stoppte sie, auch wenn es genau die falsche Geste war, das wusste ich.

„Ich würde für dich alles tun, Mae. Ich würde für dich mein Leben riskieren“, meinte ich leise und dann herrschte Stille, bevor Mae einfach aufgelegt hatte…

Nur noch zwei Monate, dann war das Ganze hier endlich vorbei…

‚Es tut mir leid!‘

+ Kapitel 3.5: Das Wiedersehen 2.0 +

„Verzeih dir. Bitte verzeih dir einfach, Ed.“ (24.09.2013)

Es hatte geklingelt. So, wie es hier schon lange nicht mehr geklingelt hatte und ich kannte eigentlich nur eine einzige Person, die es sein könnte. Die es einfach sein musste…

Als ich die Tür schließlich geöffnet hatte, erstarrte ich und konnte es dennoch nicht glauben, dass der Moment wirklich gekommen war. Da stand er wieder, direkt vor mir. So wie er immer da stand. So wie er immer wieder in meiner Tür stehen würde. Mit seiner riesigen Sonnenbrille, seine Haare unter einer riesigen Mütze versteckt, den Schal tief ins Gesicht gezogen. Auf den Lippen ein gerade noch erkennbares, unsicheres Lächeln und eine Hand in seinem Nacken. Alles wie immer. Und dennoch alles so komplett verquer und anders.

„Komm rein“, hauchte ich und seufzte. Ich würde ihn immer wieder rein lassen. Ich konnte nicht anders, ich konnte ihn doch nicht weg schicken, ich brauchte ihn.

„Ich hab dir was mitgebracht“, meinte Ed, während er sich seiner

Verkleidung entledigte, und zauberte dann sein Mitbringsel hinter seinem Rücken hervor. Wie immer, er hatte mir auch vor den sechs Monaten immer etwas mitgebracht. Auch wenn ich ihm schon so oft gesagt hatte, dass ich nichts brauchte und wollte. Er ließ sich aber selbst nach so langer Zeit nicht davon abbringen.

Langsam nahm ich ihm den Kasten ab und war erstaunt, wie leicht er sich anfühlte.

„Ich möchte nicht…“, murmelte ich leise und wollte ihm das Geschenk zurück geben. Ich wusste nicht, wieso ich so viel Angst hatte, aber wenn wir so weiter machten, wie früher, würde sich doch nie etwas ändern…. „Bitte, Mae. Es wird dir gefallen. Ich musste irgendwie an dich denken, als ich es gesehen hab. So eins hast du auf jeden Fall noch nicht“, erwiderte er ebenso leise und ich nickte nur, entfernte vorsichtig das Geschenkpapier, bevor ich die Schachtel öffnen konnte. Leicht hob ich den Deckel an und schloss sie wieder.

„Du hast mir nicht ernsthaft ein dummes Kleid gekauft“, wollte ich wissen und konnte nicht verhindern, das mir vereinzelte Tränen die Wangen herunter liefen.

„Das Kleid ist nicht dumm! Schau es dir doch erst mal richtig … Moment, weinst du?“, wollte Ed wissen und sah mich perplex an.

„Ich hab … dich so vermisst“, schluchzte ich und hatte das Paket einfach auf den Boden geworfen. Meine Arme schlangen sich schraubstockartig um Eds Hals. „Diese dummen Rituale, diese dummen Geschenke, diese dummen Wochenenden, alles“, redete ich mir einfach das von der Seele, was ich ihm schon viel früher hätte sagen sollen. „Es war nicht alles gut, die letzten Monate. Natürlich war nicht alles gut. Mir ging es nicht gut, mir ging es grausam! Du warst auf der anderen Seite der Welt, Ed! Und die

Zeitverschiebung ist schrecklich“, räumte ich mit all dem auf, was ich sonst am Telefon nie angesprochen hatte oder von dem ich immer das Gegenteil behauptet hatte, und Ed umarmte mich einfach nur noch fester. Sein Gesicht hatte er tief in meinen Haaren vergraben und ich glaubte zu merken, dass er leicht zitterte.

Und dann standen wir da, wie lange wusste ich nicht, aber all die Sorgen, die die letzten Wochen und Monate auf meinen Schultern gelegen hatten, verschwanden so langsam.

„Ich werde nie wieder so lange fortgehen, das verspreche ich dir“, hauchte Ed leise an meinem Ohr und ich schüttelte nur den Kopf.

„Versprich nichts, das du nicht halten kannst“, erwiderte ich leise und nun schob Ed mich vorsichtig von sich, um mich anzuschauen.

„Ich verspreche dir das aber. Ich werde nie wieder so lange weg sein. Und wenn ich es sein sollte, komm ich dich zwischendurch besuchen. Ich würde für dich um die halbe Welt fliegen. Du hast mein Wort“, redete er auf mich ein, bevor er zögerlich die Tränen von meinen Wangen strich. Unter seinen sanften Berührungen zuckte ich zusammen und Ed zog sofort seine Hände zurück.

„Dann halte es“, erwiderte ich nur und die Stille, die sich dann über uns legte, ließ mich erschaudern. Wir sahen uns einfach nur an, schweigend, und niemand wusste, wie es jetzt weiter gehen sollte.

„Mae, dein Geschenk“, murmelte Ed dann irgendwann und ich atmete aus. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie ich die Luft angehalten hatte. Dann nahm ich mir den Karton wieder in die Hand und öffnete die Schachtel komplett, während ich den Flur verließ und in den Wohnbereich ging. Hier war eindeutig besseres Licht.

„Ich nehm alles zurück, das ist kein dummes Kleid“, murmelte ich, als ich es in die Hand nahm und die nun leere Schachtel aufs Sofa warf. Vorsichtig schüttelte ich dieses Kunstwerk aus und drehte es hin und her. Das war alles andere als ein dummes Kleid. Es war das schönste Kleid, das ich je gesehen hatte.

Es war ein typisches Rockabilly-Kleid, etwas anderes hatte ich aber auch ehrlich gesagt nicht erwartet. Der schneeweiße, feste Stoff fühlte sich unheimlich gut an, die Träger konnte man hinter dem Nacken zusammenbinden. Das pechschwarze Band an der Taille und der schwarze Tüll machten das ganze Kleid unfassbar edel. Und die unzähligen filigranen, schwarzen Blüten, die sich über den gesamten Stoff zogen, passten unfassbar gut. Es war eher ein trauriges Kleid, aber genau das gefiel mir so gut daran.

„Probier es an“, meinte Ed vorsichtig und ich nickte nur, war im nächsten Moment im Bad verschwunden und hatte meine restlichen Klamotten einfach auf den Boden geworfen. Im nächsten Moment schlüpfte ich in diesen Traum aus Weiß und musste sagen, dass er ein verdammt gutes Händchen für das Kleid gehabt hatte. Es passte mir perfekt.

Mich ein wenig verrenkend schloss ich den Reisverschluss und band mir die Träger hinter dem Nacken zusammen. Und als ich mich dann richtig im Spiegel betrachtete, erschauderte ich. Es passte perfekt zu mir.

Mit einem Lächeln auf den Lippen strich ich das Kleid glatt und verließ das Badezimmer.

Kurz musste ich mich orientieren, dann entdeckte ich aber Ed, der mit müdem Blick an der Zimmerwand lehnte. Seine Gesichtszüge hellten sich aber sofort auf, als er mich erblickte, und ein Lächeln zierte seine Lippen.

Ed hatte mittlerweile leise Musik angemacht und hielt mir nun eine Hand hin, die ich ebenso lächelnd annahm.

„Lass uns tanzen“, meinte Ed und zog mich näher zu sich und begab sich in Tanzposition. Und so surreal es auch wirkte, wir begannen dann wirklich zu tanzen. Ein simpler Walzer, nichts besonderes, aber es tat unfassbar gut, Ed nah an mir zu spüren.

Gekonnt drehte er mich und nach ein paar weiteren Takten endete er. „Du siehst umwerfend aus“, setzte er hinzu und betrachtete mich. Seinen Blick wieder auf meinem Körper zu spüren tat unfassbar gut.

„Du hast mittlerweile ziemlich gut tanzen gelernt“, erwiderte ich und musste dabei an das Videomaterial denken, was ich bisher gesehen hatte… „Du schaust eifersüchtig aus“, murmelte Ed leise, ließ meine Hände aber nicht los.

„Ich bin nicht eifersüchtig“, meinte ich und entriss mich seinem Griff, verschränkte die Arme vor meiner Brust.

„Natürlich bist du… Hat Stu dir das Video gezeigt? Hast du es gesehen?“, wollte er dann wissen und ich nickte.

„Ja, habe ich. Stuart hat es mir geschickt. Und natürlich bin ich eifersüchtig, du Idiot! Hast du dir das Video mal angeschaut?“, wollte ich wissen und fing an, unruhig auf und ab zu laufen. „Hast du dir die Frau mal angeschaut? Das, was sie da im Video trägt, ist ein Fetzen von nichts. Weißer, durchsichtiger Stoff. Und deine Blicke, die du ihr zu wirfst. Deine Hände auf ihrem Körper… Denkst du wirklich, das lässt mich kalt?“, warf ich ihm entgegen und nahm dann meinen ganzen Mut zusammen, um ihn direkt anzuschauen. „Lief da etwas?“, wollte ich wissen und Ed sah mich ein wenig überrumpelt an, fing sich dann wieder. Sein Blick wurde traurig. „Mae…“, fing er an und mein Blick wurde starr.

„Ich bin bei vier Typen im Bett gelandet. Keiner hatte es geschafft, das Loch in meinem Herzen irgendwie zu stopfen. Ich hab sie auf irgendwelchen Partys, die ich viel zu oft besucht habe, kennen gelernt und danach nie wieder gesehen. Ich war trotzig und mir ging‘s richtig scheiße und es war vielleicht nicht die beste Entscheidung, aber jetzt kann ich es auch nicht mehr ändern. Also Ed, lief da was mit ihr?“, forderte ich und er kam einen Schritt näher, ich ging einen Schritt zurück.

„Nicht mit ihr. Sie ist nur meine Tanzpartnerin gewesen“, gab er dann zu und ich verkrampfte mich.

„Wer war es dann? Wie viele waren es?“, wollte ich von ihm wissen, auch wenn mir die Wahrheit nicht gut tun würden.

„Es waren zwei Mädels gewesen, die ich irgendwo mal kennen gelernt hatte, … und … Taylor“, erwiderte er und ich riss die Augen auf.

„Ed? Ernsthaft?! Du kannst jede scheiß verdammte Frau flachlegen, jede… Und dann nimmst du ausgerechnet Taylor?! Dankeschön…“, warf ich ihm vor und drehte mich um, wollte gehen, konnte aber einfach nicht. Schluckend drehte mich wieder um. „Wie oft? Und wann?“, wollte ich wissen und sah ihn an, Ed erwiderte den Blick.

„Spielt das eine Rolle?“, entgegnete er aber nur und kam wieder auf mich zu, ich wich erneut zurück.

„Ob es eine Rolle spielt? Ja, verdammt. Für mich schon! Es ist Taylor fucking Swift, von der du die Finger nicht lassen konntest“, wurde ich mittlerweile lauter. Ich hasste es. Gerade erst war er wieder da und sofort stritten wir uns… Ed sah mich weiter an, sagte nichts, und mir platzte der Kragen. „Also hat es dir ja anscheinend auch noch gefallen. War ja anscheinend etwas Längeres, hattet ja auch genug Zeit zu zweit, alleine, auf Tour… Du bist in einer halben Stunde gegangen, Ed! VERSCHWINDE EINFACH!“, schrie ich ihn dann an und stürmte direkt auf meine Treppe zu, wollte einfach nur selbst verschwinden, mich nicht damit konfrontieren. Als ich bei der dritten Treppenstufe stolperte und mich erschrocken abfing, blieb ich einfach auf der Treppe sitzen, stützte meinen Kopf in meine Hände und versuchte das Kleid nicht mit Tränen zu ruinieren.

„Es war ein Mal gewesen“, hörte ich Ed leise reden und erstarrte. „Ein einziges, verdammtes Mal. Es war im zweiten Monat der Tour gewesen. Die erste Zeit konnte ich mich noch gut mit dem neuen Land ablenken, Sachen erkunden, Auftritte spielen. Die erste Zeit war ich gut beschäftigt. Aber irgendwann… saß ich sinnlos in meinem Hotelzimmer und hab die Minibar geplündert. Es war ein gutes Hotel – mit einer gut gefüllten Minibar. Ich hab mich wegen dir ziemlich abgeschossen“, fing Ed an zu erzählen und hatte sich mittlerweile zu mir auf die Treppe gesetzt, ein paar Treppenstufen unter mir, sein Blick war auf seine Hände gerichtet.

„Wie, wegen mir?“, wollte ich mit erstickter Stimme wissen.

„Meinst du die Frage ernst, Mae?“, wollte Ed dann wissen und sah zu mir nach oben, ich konnte ihn nicht anschauen. „Man Mae, manchmal frag ich mich echt, was mit dir nicht stimmt. Ich weiß nicht, ob du dich daran erinnerst, aber wir wären fast zusammen gekommen und ich hab‘s komplett vermasselt – und bin dann zusätzlich für ein halbes Jahr weggegangen?! Denkst du, mir ging es gut damit? Ich hab dich verdammt nochmal vermisst. Und an diesem Abend war der einzige Weg, mich komplett abzuschießen“, meinte Ed zu mir und schüttelte nur den Kopf.

„Das erklärt nicht, wie Taylor in deinem Bett gelandet ist“, murmelte ich bitter und Ed zuckte bei ihrem Namen zusammen.

„Sie hat mir ne Nachricht geschrieben, ob ich ihr helfen kann, die Minibar zu dezimieren. Ihr ging‘s anscheinend auch nicht so brillant. Wir haben uns so richtig die Kante gegeben. Es war schrecklich“, murmelte Ed und seufzte. „Was war schrecklich?“, hakte ich weiter nach und Ed sah wieder zu mir nach oben.

„Der gesamte Abend. Taylor ist an dem Abend einer der herrschsüchtigsten Menschen gewesen, die ich je kennen gelernt habe. Und ich war der größte Idiot, der ich hätte sein können. Ich wusste, dass es unfassbar falsch war. Ich schäme mich dafür, Mae. Ich habe komplett die Kontrolle verloren. Ich habe nicht Nein sagen können, obwohl ich genau das wollte…. Sie konnte sich am nächsten Morgen nicht mal mehr dran erinnern. Und das, an das ich mich erinnere, würde ich am liebsten vergessen“, meinte Ed und ich hatte ihn noch nie so niedergeschlagen erlebt.

„Das ist doch aber nicht die ganze Geschichte“, mutmaßte ich und Ed lachte bitter auf.

„Nein. Es kommt noch schlimmer. Sie hatte am nächsten Morgen zwei ziemlich ungesund aussehende blaue Flecken. Und das schlimme, ich kann mich nicht dran erinnern, wie das passiert sein könnte. Ich könnte sie ernsthaft verletzt haben... Und Taylor hat danach einfach nicht locker gelassen und versucht, das Ganze irgendwie zu wiederholen. Es hat zwei Monate gedauert, bis ich wieder einen normalen Umgang mit ihr hatte. Ich habe versucht, mich von ihr fern zu halten. Und auf der Bühne die super Freundschaft gemimt“, endete er schließlich und schwieg dann, sah mich nicht mehr an.

„Ich werd dir das nicht so schnell verzeihen können, Ed“, flüsterte ich und strich mir die Tränen aus dem Gesicht.

„Ich weiß, Mae. Ich mir auch nicht“, erwiderte er.

„Dann fang damit an. Wie soll ich dir verzeihen, wenn du es selbst nicht kannst?“

Ed nickte nur, schien wohl darüber nach zu denken.

„Ich werde schlafen gehen. Das ist alles gerade zu viel für mich. Wenn du willst, dann kannst du hier bleiben. Aber du kannst auch gerne zu dir“, meinte ich dann und versuchte mich aufzurichten.

„Ich hab meine Wohnung gekündigt, bevor ich nach Amerika gegangen bin“, war alles, was Ed sagte und ich erstarrte

„Du hast deine Wohnung GEKÜNDIGT? Und wo willst du wohnen?“, wollte ich wissen und er sah mich an.

„Ich bin doch eh bald wieder auf Tour, die Wohnung war eh nicht das Wahre und ich war eh nie dort, von daher“, er zuckte mit den Schultern. „Irgendwer wird mich schon aufnehmen.“

„Du bist unglaublich, Ed. Bist jetzt reich und könntest du dir alles leisten, was du willst, aber du machst weiter Couchsurfing“, ich ließ meine Arme, die ich eben wild durch die Luft geworfen hatte, sinken. Er war unverbesserlich. „Ich bin doch eh bald wieder weg“, zuckte er mit den Schultern und sein Blick wurde noch trauriger.

„Du weißt, dass du kommen und gehen darfst, wann du willst, Ed? Auch wenn ich sauer bin. Ich würde dich nie einfach so rausschmeißen“, kam es

mir dann über die Lippen und stand auf. „Gute Nacht, Ed.“ Er sah mich an.

„Danke, Mae. Für alles. … Es tut mir leid“, erwiderte er nur und ich nickte, bevor ich ganz nach oben ging. Heute konnte ich mich nicht mehr damit konfrontieren, ich brauchte einfach erst mal eine Pause…

Mit leisen Schritten lief ich am nächsten Morgen die Treppe herunter und mein Blick fiel als erstes auf das Sofa, das aber wie unberührt da stand, als wäre nichts gewesen.

Kopfschüttelnd fragte ich mich, ob ich das alles nur geträumt hatte, und betrat dann die Küche. Und als ich sah, wie sie aussah, war ich mir sicher, dass das kein Traum gewesen sein konnte. Der Frühstückstisch war reichlich gedeckt. Es gab Brötchen, Croissants und Marmelade. Ed hatte Obst aufgeschnitten und meine große Thermoskanne stand auf dem Tisch. Ohne weiter drüber nachzudenken schenkte ich mir eine Tasse ein und fing an zu trinken, während mein Blick auf einen kleinen Zettel fiel, der über meinem Teller lag.

‚Es tut mir so unendlich leid, Mae. Wirklich!

Stuart hat mich angerufen. Ein „Notfall“. Und du kennst ihn…

Verzeih mir, dass ich einfach so gegangen bin, ich wollte dich aber nicht mitten in der Nacht wecken.

Ich ruf dich später an

Ed‘

Seufzend legte ich den Zettel beiseite und setzte mich an den Tisch. Worauf hatte ich mich nur eingelassen? Ich hätte Ed gar nicht erst wieder in mein Leben lassen sollen, denn solche Momente wie diese hier würde es oft geben, ziemlich oft. Wollte ich mir das antun? Oder war er es wert, dass ich ihn vermisste? Ich wusste es nicht.

Die Wochen vergingen wie im Flug, ich hatte viel für die Uni zu tun und tat auch mal wieder was, da das Semester mittlerweile passend zu Eds Rückkehr wieder angefangen war. In einem Semester war ich endlich fertig und musste nie wieder Klausuren schreiben oder Hausarbeiten abgeben. So konnte ich mich im Moment auch ziemlich gut ablenken, ich hatte viel zu tun, viel vorzubereiten. Und Ed hatte eh keine Zeit für mich. Einmal war er noch da gewesen, für einen Nachmittag, es war mittlerweile auch schon wieder fünf Wochen her. Wir hatten uns natürlich gestritten. Wie sollte es auch anders sein…

~ „Ich hab noch ein paar Radiotermine, die dazu gekommen sind, seitdem Tay…“, wollte Ed beginnen und es war jetzt schon das dritte Mal, dass er von ihr sprach.

„Dann geh doch zu Taylor, wenn du von nichts anderen reden kannst!“, platzte mir der Kragen und ich stellte den Topf mit Nudeln etwas zu kraftvoll auf den Tisch.

„Du hattest gefragt, Mae! Du bist manchmal so stur!“, erwiderte er und fuhr sich übers Gesicht.

„Ich weiß, dass ich stur bin. Aber was soll ich denn machen? Mich selbst belügen und mir vormachen, dass alles okay sei? Das kann ich nicht, so bin ich nicht. Es würde mich kaputt machen. Denn es ist nicht alles okay! Es macht mich fertig, die Gedanken an dich und ... Taylor..., es macht mich so unendlich fertig, auch wenn du mir immer noch unendlich viel bedeutest. Ich muss da trotzdem erst mal mit klar kommen und das kann ich einfach nicht. Ich krieg es nicht mehr aus dem Kopf...“ ~

Ich hatte angefangen zu weinen. Ed hatte hilflos daneben gestanden und versucht mich zu trösten. Er war grandios gescheitert. Das Ende der Geschichte war, dass Ed irgendwann wieder gehen musste, weil er einen Radiotermin hatte. Und ich hatte mich schmollend und heulend ins Bett gelegt.

„Ach fick dich doch“, murmelte ich und warf meine Unisachen neben mir aufs Sofa. Wenn ich einmal angefangen hatte, über Ed nachzudenken, dann war alles andere unmöglich geworden.

Seufzend blickte ich aus dem Fenster. Es sah kalt und regnerisch aus, so wie ein später November aussehen sollte, und ich stand auf. Vielleicht würde mir ein wenig Nieselregen und starker Wind gut tun, wieder ein wenig klarer im Kopf zu werden.

„Na dann rein in die Sportklamotten“, murmelte ich und ging nach oben ins Schlafzimmer, um nach meinen Sportsachen zu suchen. Es musste irgendwas verdammt Warmes sein, damit ich draußen nicht erfror.

+ Kapitel 3.6: Wie damals +

„Du musst mehr auf sie aufpassen…“ (25.11.2013)

Frierend versuchte ich die letzten Treppenstufen zu meistern. Es war ne scheiß Idee gewesen, noch joggen zu gehen. Das Wetter hatte sich – wie es eigentlich zu erwarten war – nur noch verschlechtert.

Im Flur warf ich meine nasse Jacke über den Harken und schlüpfte aus meinen Schuhen, bevor ich mich zum Bad aufmachen wollte, erstarrte jedoch in meiner Bewegung, als ich das Wohnzimmer betrat. Ich hörte eine leise Gitarrenmelodie und konnte nicht anders als zu lächeln. Ich hatte ihn

so verdammt lange nicht mehr spielen hören…

„Hallo Ed“, flüsterte ich leise und dieser hörte sofort auf zu spielen. „Mae! Ich hab mir schon Sorgen gemacht, du bist nicht an dein Handy gegangen und das Wetter draußen sieht nicht schön aus. Warst du joggen?“, wollte er wissen und kam auf mich zu, machte Anstalten, mich umarmen zu wollen.

„Nicht, ich bin nass und klebrig“, ging ich einen Schritt zurück, doch Ed störte sich nicht daran und schlang seine Arme trotzdem um meinen Körper. „Ja und?“, war alles, was er dazu sagt. „Ich hab dir übrigens was mitgebracht“, grinste er schon selbst über seine Wortwahl und ich konnte nicht anders, als es ihm gleich zu tun. Immerhin hatten wir schon mal einen guten Start und wir hatten uns noch nicht gestritten. Ein neuer Rekord. „Darf ich mich erst duschen? Und du musst das echt nicht immer machen“, war meine Antwort, Ed seufzte nur.

„Das ist eines der Sachen, die du mir nicht ausreden können wirst. Und beeil dich, das Geschenk wird dir gefallen“, lächelte er und klopfte auf das flache Paket, ich verdrehte die Augen.

„Ich hasse dich. Du weißt, dass ich mit Überraschungen nicht umgehen kann. Ich beeil mich“, rief ich ihm im Gehen zu und war dann im Bad verschwunden. Ich brauchte jetzt eine verdammt heiße Dusche!

„Du bist besser im Einpacken geworden“, stellte ich fest, als ich mich zu Ed aufs Sofa gesetzt und mir sogleich das Geschenk an mich gerissen hatte. „Und vollkommen verrückt“, stellte ich fest, als ich eine Ecke des Papieres entfernt hatte und erahnen konnte, was drin war. Schnell beeilte ich, das komplette Geschenk freizulegen. „DAS ist die Originalpressung, Auflage 50 Stück. Scheiße Ed, die ist auf dem Markt gar nicht mehr zu bekommen!“, freute ich mich unheimlich und wippte auf dem Sofa auf und ab. „Das ist unfassbar, man, echt, ich weiß gar nicht…“, redete ich weiter vor mich hin und war aufgesprungen, um einen perfekten Platz im Regal dafür zu finden, damit ich die Platte immer im Blick hatte.

„Ich freu mich, dass es dir gefällt“, hörte ich Ed leise an meinem Ohr sprechen und ich erschauderte, drehte mich zu ihm um. „Hey, deine Augen glitzern. Fang jetzt nicht an zu weinen, Mae, du weißt ganz genau, dass ich damit nicht umgehen kann!“, forderte Ed dann und ich musste sofort anfangen zu lächeln.

„Wie lange bleibst du?“, wollte ich dann wissen und trat einen Schritt zur Seite, um das Geschenkpapier aufzuräumen.

„Montagmorgen, wenn ich darf“, war die Antwort und ich drehte mich schwungvoll zu ihm um.

„Sag das nochmal“, forderte ich und sah Ed an. Dieser war gerade dabei, seine Gitarre in die passende Tasche zu räumen.

„Montagmorgen, Darling“, meinte er in Gedanken, drehte sich dann zu mir um. „Stört dich das? Soll ich früher gehen?“, fragte er zögernd und ich schüttelte sofort.

„Nein! … Nein, so hab ich das nicht gemeint“, antwortete ich ein wenig verwirrt. Hatte er mich gerade Darling genannt, oder hatte ich mir das eingebildet? Und wieso fühlte sich dieses Wort so verdammt gut an? „Ich hab Dienstag leider einen Termin wegen der Masterarbeit und muss deswegen noch ein wenig was machen…“, fiel es mir dann ein und Ed nickte. „Ich kann dir helfen, wenn du willst. Und wenn du deine Ruhe willst, kann ich tagsüber auch verschwinden und ein paar Freunde besuchen“, bot er aber sofort an und ich fing an zu lächeln.

„Wie du möchtest“, war meine simple Antwort und Ed lächelte einfach nur zurück. Wieso konnte es nicht immer so einfach sein?

+

„Ed, was ist los?“, fragte Dan mich und ich schüttelte mich überrascht aus meinen Gedanken.

„Was?“, hakte ich nach und mein Kumpel lachte nur.

„Ich hab dich gefragt, was los ist. Du wirkst so nachdenklich. Und du hast dein Bier noch nicht mal angerührt“, seufzend griff ich nach der Flasche vor mir und nahm einen großen Schluck.

„Wie kriegt man am besten ne Frau rum?“, fragte ich ihn und er lachte leise auf.

„Ist das dein ernst? DU bist Ed Sheeran, sing ihr was und dann hat sich die Sache“, meinte Daniel stumpf und ich seufzte nur.

„Wenn das so einfach wäre“, murmelte ich und Dan hörte auf, im Raum herumzulaufen, und setzte sich zu mir.

„Du hast schwer Liebeskummer, Alter“, stellte er fest und ich verdrehte nur die Augen.

„Sag mir was, was ich noch nicht weiß“, meinte ich und drehte die Bierflasche in meinen Fingern. Daniel war heute schon der dritte Kumpel, den ich besuchte. Ich hatte endlich mal wieder Zeit dazu und nun saß ich hier, es war mittlerweile 17 Uhr abends und ich war in so ner dummen, melancholischen Stimmung.

„Wie ist die Ausgangslage?“, wollte Dan wissen und ich schnaubte.

„Ich liebe sie. Sie mich höchstwahrscheinlich auch. Ich hab ihr das nie gesagt und ihr – vielleicht mehrmals – das Herz gebrochen. Mittlerweile ist sie ziemlich sauer auf mich. … Und sag nicht das, was du gerade sagen willst. Ich weiß selbst, dass das nicht die besten Voraussetzungen sind“, stoppte ich meinen Kumpel sofort, als ich seinen Blick sah, und er hob abwehrend die Hände.

„Ruhig Blut, Ed! Und … es ist doch ganz einfach: Sag ihr, was Sache ist. Sag ihr genau das, was du mir erzählt hast. Dass du sie brauchst und nicht ohne sie leben möchtest. Und wenn sie nur ein wenig Grips in der Birne hat, dann weiß sie schon, was zu tun ist. Und wenn nicht, ist sie nicht die Richtige“, grinste Dan nur und ich seufzte.

„Das hört sich so einfach an.“

„Es ist so einfach, Ed. Sei einfach mal kein Idiot und breche ihr nicht das Herz. Sei für sie da und zeig ihr, dass du es ernst meinst. … Manchmal frag ich mich echt, ob du es bist, der diese schnulzigen Songs schreibst.“

„Wie war das Arbeiten, Mae?“, wollte ich wissen, als ich Stunden später durch die Haustür trat, hängte meine Jacke an den Harken und legte meine Schuhe an ihren Platz.

„War… nicht so. Konnte mich nicht konzentrieren. Sollte wohl weiter machen“, murmelte Mae, während sie auf ihre Zettel starrte, und ich seufzte.

„Hey, komm mal her“, meinte ich und versuchte ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. „Wie viel Pause hast du gemacht?“, wollte ich wissen und Mae sah zur Seite, schüttelte mit dem Kopf. „Hast du was gegessen?“, fragte ich weiter, wieder ein Kopfschütteln. „Man Mae, aufstehen! Wir machen dir jetzt was zu essen! Danach kannst du immer noch was tun! Hast du genug getrunken?“, fragte ich weiter, während ich ihr aufhalf und sie anfing zu straucheln. Wieder verneinte sie und ich seufzte. Ich fragte mich, wie sie ohne mich hier überhaupt zurechtkam.

Behutsam setzte ich Mae auf ihren Stuhl und schaute in ihre Schränke, bis ich es gleich bleiben ließ und Mae ihr Handy in die Hand drückte. „Hm?“, meinte sie und ich legte ihr noch ein paar Prospekte von den umliegenden Lieferdiensten dazu.

„Du bestellst dir jetzt genau das, worauf du am meisten Lust hast. Und ich mach uns was Leckeres zu trinken, ja?“, lächelte ich sie an und sie nickte nur müde.

„Kaffee?“, fragte sie mit einer gewissen Hoffnung in der Stimme und ich lachte leise in mich hinein.

„Deine wievielte Tasse wäre das?“, wollte ich schmunzelnd wissen und Mae grummelte nur etwas, was sich wie eine Sieben anhörte. Unfassbar. „Dann mach was mit Alkohol“, meinte Mae, nachdem sie eingesehen hatte, dass sie von mir keinen Kaffee mehr bekam und ich seufzte.

„Meinetwegen, aber nur, wenn du vorher das hier leer trinkst. Nicht, dass du mir noch umkippst“, gab ich mich geschlagen und stellte ihr ein großes Glas Wasser vor die Nase. „Ich glaube, du musst morgen einkaufen gehen. Selbst alkoholmäßig sieht es ziemlich leer aus. Gin Tonic wäre noch drin“, überlegte ich und Mae stimmte mir kurz zu, bevor sie beim Lieferservice anrief. Also Gin Tonic. Etwas, was ich auch ohne Anleitung hin kriegte.

„Das ist nicht dein Ernst, Mae“, murmelte ich, als ich auf das Sofa sah. Vor ihr standen zwei Pizzen, unsere zwei Drinks … und ne Flasche plus zwei ShotGläser davor.

„Lass uns ein Spiel spielen“, grinste diese mich aber nur an und goss uns schon mal zwei Kurze ein.

„Wer bist du und was hast du mit meiner Mae gemacht?“, fragte ich sie und ließ mich neben sie fallen.

„Ich hab, als du weg warst, vielleicht ein wenig zu oft gefeiert. Ein wenig. Grandioses Trinkspiel. Immer wenn jemand in der Serie stirbt, muss man einen trinken“, erklärte Mae nur und ohne Rücksicht auf mich zu nehmen, startete sie die Serie. Na wunderbar…

Aber so kämpfte ich mich durch die ersten Minuten und hoffte wirklich sehr, dass es eine ruhige Episode war, doch… Das Schwert traf ein weiteres Mal, der Angegriffene kippte einfach so um und ließ meinen Kopf nach hinten fallen. Game of Thrones war einfach die falsche Serie für so ein Trinkspiel „Mae, ich geb auf“, murmelte ich und schob das Glas von mir weg. Das war schon der dritte innerhalb von fünf Minuten. Ich wollte einfach nicht mehr. „Langweiler. Die Serie geht nur noch zehn Minuten. Du kannst auch was anderes setzen“, erwiderte Mae nur und statt selbst einen zu trinken zog sie sich eine Socke vom Fuß, die sie vor uns in die Mitte des Teppichs fallen ließ. Ich starrte nur perplex von der Socke zu ihr und wieder zurück, bevor ich meine Socke folgen ließ. Ich hoffe sehr, dass dieses Gemetzel da vorne auf dem Fernseher einfach aufhörte…

„Und wer hat jetzt gewonnen?“, wollte Mae nuschelnd wissen, als die Serie schlussendlich aufhörte und ich mich erleichtert nach hinten fallen ließ. Seufzend betrachtete ich uns. Mittlerweile hatte ich auch meine zweite Socke und mein T-Shirt verloren, saß hier also nur noch in Jeans da. Mae dagegen hatte ihren Rock verloren, was aber auch nicht weiter tragisch war, da ihr Shirt ziemlich lang war. Dazu trug sie nur noch eine Socke und sah damit unfassbar witzig aus.

„Wir sind wohl gleich gut. Obwohl du mich haushoch unter den Tisch getrunken hast. Du trinkst doch sonst nicht so viel“, stellte ich fest, während Mae versuchte, aufzustehen. Es misslang ihr total, sodass ich mich erhob und versuchte ihr zu helfen. Das Zeug war echt nicht von schlechten Eltern. „Wie gesagt, hab in den letzten sechs Monaten die ein oder andere Hausparty mitgenommen“, kicherte sie und ich trat näher auf sie zu, um sie besser festhalten zu können.

„Man siehst du gerade süß aus“, lächelte ich dann und versuchte ihr ein paar der Strähnen, die sich aus ihrem Zopf gestohlen hatten, hinters Ohr zu stecken.

„Ich weiß“, kicherte Mae weiter und lehnte sich an mich. Ihre Nähe tat so unfassbar gut. Leicht hauchte ich ihr einen Kuss auf ihre Nasenspitze und schaute belustigt zu, wie sie sich kräuselte.

„Und du bist vollkommen neben der Spur. Wolltest du nicht mal weiter arbeiten?“, fragte ich sie und Maes Gesicht nahm einen leidenden Ausdruck an. Im nächsten Moment hatte sie sich von meinem Griff befreit und war nach hinten weg gestolpert und im Bad verschwunden. Irritiert erstarrte ich, war ihr im nächsten Moment aber gefolgt.

„Hey, Mae. Alles okay bei dir?“, redete ich auf sie ein und ließ mich neben ihr auf den Fliesenboden fallen. Vorsichtig strich ich ihr ihre Haare aus dem Gesicht, während sie sich übergeben musste.

„Geh weg, Ed. Du bist doch schuld an diesem Scheiß. Ich wollte es doch einfach nur vergessen“, fauchte sie, während sie versuchte sich aufzurichten. Ich stützte sie, so gut sie es zu ließ, und sah ihr dann dabei zu, wie sie sich wütend ihren Mund ausspülte und sich ihre Zahnbürste nahm. „Lass mich allein, was machst du denn noch hier?!“, meinte sie dann niedergeschlagen und putzte sich dann kurz die Zähne. Ich schüttelte nur vehement den Kopf.

„Ich liebe dich, Mae, ich werde dich jetzt ganz sicher nicht alleine lassen. Das kannst du sowas von vergessen!“, begann ich und Mae wollte erst was erwidern, aber ich schüttelte einfach nur den Kopf. „Komm, ich bring dich ins Bett! Du solltest jetzt schlafen“, meinte ich nur und wartete darauf, dass sie fertig war. Und sie ließ sich ohne Widerworte nach oben bringen.

Immerhin etwas…

+ Kapitel 3.7: Fortschritte +

„Du wirst sie wahrscheinlich nie verstehen.“ (26.11.2013)

So ganz sicher, wie ich in dieses Bett gekommen war, war ich mir nicht mehr. Ich erinnerte mich an viel Alkohol und viele Worte und an Ed, der mir komische Sachen gesagt hatte – und mich dann wohl nach oben gebracht hatte.

Als ich jetzt jedoch aufgewacht war, da war Ed nicht mehr da gewesen. Kopfschmerzen hatten seine Präsenz ersetzt und ich richtete mich mit zusammengekniffenen Augen auf. Frust wegtrinken funktionierte in dem Moment, in dem man es tat, ja ganz gut, aber am Morgen danach war das alles nur noch viel schlimmer.

Seufzend schwang ich meine Beine aus dem Bett, blieb aber auf der Bettkannte sitzen. Ich war mir unsicher, ob mein Kreislauf das sofort mitmachen würde, sodass ich erstmal nach meinem Handy greifen wollte, aber… auf meinem Nachtisch lag es nicht, stattdessen stand dort eine frische Flasche Wasser sowie Kopfschmerztabletten – und meine Thermoskanne mit einer Tasse daneben. Und auch, wenn ich sauer auf Ed sein wollte, war ich ihm dankbar dafür, dass er sich um mich kümmerte. Schnell schluckte ich eine der Tabletten und goss mir eine Tasse Kaffee ein, bevor ich dann aufstand. Meinem Kreislauf ging es gut.

Ein wenig zufriedener nippte ich an meinem Kaffee und versuchte mich erst mal so wach zu kriegen, dass ich mich mit der ganzen Situation auseinandersetzen konnte. Denn das musste ich. Ed wartete dort unten auf mich – das konnte man jedenfalls hoffen, aber ich hörte da unten

Geräusche, also musste er da sein – und wir mussten reden. Mal wieder. Wie immer…

So tappste ich mit meiner Tasse Kaffee nach unten, um es so schnell es ging hinter mich zu bringen.

Als ich die Treppe betrat, konnte ich Ed immer besser verstehen und war erstaunt, dass er wieder an seiner Gitarre war und sang. Und je weiter ich nach unten ging, desto lauter hörte ich ihn singen, desto besser verstand ich, was er da sang.

„I never meant to sleep around

I was just lonely

You did the same, again and again and again, oh oh, I know

So here's to the both of us

Here's to our story tonight“, drang in mein Ohr und ich blieb auf der untersten Treppenstufe stehen. Ed saß mit dem Rücken zu mir auf dem Sofa, war komplett in seiner Musik versunken. Das hier musste wohl ein neuer Song sein. Ein neuer Song über uns…

„Oh I will stop trying to fall in love again

And keep it a secret

It never works out, anyway

But I am not, anything like I was

'Cause you were the only one for me“, und das, was er da sang, war wahrscheinlich nicht für meine Ohren bestimmt. Und dennoch stand ich hier und konnte nur mit offenem Mund da stehen und wirklich nicht verstehen, was Ed, nach all den Schwierigkeiten, die wir hatten, noch an mir finden konnte…

„'Cause maybe I don't wanna lose a lover and friend in one night

If that's alright

I shouldn't have fucked with your mind

And your life too many times

Or maybe I don't wanna be lonely

Darling, you are my only love

Behind my truth lies everything you are“, sang er und ich musste mich am Geländer festhalten, bevor ich die letzte Stufe nahm und langsam auf Ed zu ging. Warum fiel es mir nur so schwer, einfach mal das Richtige zu tun? Warum war es für mich immer einfacher, Ed von mir zu stoßen, auch wenn ich das eigentlich gar nicht mehr wollte?

„When I see my future

It is with you

We'll get…”, sang Ed, stockte dann aber, als ich mich neben ihm aufs Sofa fallen ließ und er mich erblickte.

„Du schaust deine Gitarre an, als ob sie deine Mutter beleidigt hätte, was ist los?“, fragte ich Ed leise und er sah mich mit großen Augen an.

„Was los ist? Ist das dein Ernst?“, fragte er nur unfassbar geladen und ich blinzelte verwirrt. Mit so einer Reaktion hatte ich nicht gerechnet.

„Ed? Es ist doch…“, wollte ich beginnen, aber er unterbrach mich. „Nein. Es ist nicht alles okay. Es war nie alles okay. Man, ich kann das so nicht mehr, Mae“, murmelte er und schaute mich an, ziemlich verletzt. „Ich kann so einfach nicht mehr weiter machen. Es bringt mich um, Mae. Verstehst du das?“, sagte er an mich gerichtet und blickte mir so direkt in die Augen, dass ich erschauderte.

„War es dann nicht von vorneherein klar, dass das nicht klappen kann?“, murmelte ich und schaute starr nach vorne. Ich wollte ihn nicht in mein tiefstes Inneres sehen lassen, wenn es gleich wieder in der reinsten Katastrophe enden würde.

„Ja natürlich war es das!“, stimmte Ed mir aber nur zu und knetete seine Finger, bevor er sich zu mir umdrehte.

Ich schüttelte nur den Kopf. „Und was machst du dann noch hier, wenn du das so siehst? Warum sitzt du dann hier und singst so ein Lied?! …

Verschwinde doch einfach“, meinte ich leise, aber mit fester Stimme. Es war wie immer. Es war alles wie immer. Und ich hasste es. Ich wollte nicht, dass er ging! Nie wieder sollte er gehen. Aber so, wie es jetzt war, funktionierte es einfach nicht…

„NEIN! Man, Mae, du versteht mich nicht“, keifte Ed mich an und sprang auf, bevor er nervös auf und ab lief. „Hast du gestern Abend gehört, was ich dir gesagt habe?“, fing er dann an und blieb stehen.

„Ja… Und das musstest du mir so sagen?!“, keifte ich nur und war mittlerweile auch aufgestanden.

„Wann denn sonst, Mae? Das war doch der einzige Moment seit Langem, wo du mir mal NICHT widersprechen konntest“, kam er einen Schritt auf mich zu und funkelte mich an.

„ED! Du bist so ein …“, wollte ich beginnen, doch im nächsten spürte ich, wie

Ed einfach noch einen Schritt auf mich zu kam, mich gegen die nächstbeste Wand drückte und ich seine Lippen auf meinen spürte. Ohne wirklich zu wissen, was ich tat, gruben sich meine Finger in sein T-Shirt.

„Ich liebe dich, Mae“, wiederholte Ed das, was er gestern schon gesagt hatte, und schaute mir in die Augen. „Ich will mich nicht immer mit dir streiten. Aber ich … Bitte, Mae. Ich brauche dich. Stoß mich nicht immer von dir weg. Und ich will nicht mehr so lange von dir getrennt sein. Das halte ich nicht aus. … Komm mich einfach mal besuchen. Und komm mit mir auf Tour, Mae. Bitte! Ich flehe dich an. … Ich weiß nicht, ob er schon mit dir geredet hat, aber Stuart…“, redete Ed viel zu schnell auf mich ein und ich schüttelte nur den Kopf.

„Er hat mich schon gefragt, ich habe nicht drauf reagiert. Ich werde mir nicht noch mehr Chaos aufhalsen, Ed. Und das willst du auch nicht. Es wäre wirklich besser, wenn du einfach gehst und es auf sich beruhen lässt. Mach das Ganze doch nicht komplizierter“, redete ich wie im Wahn und Ed, der mich immer noch an der Wand gefangen hielt, ließ seinen Kopf an die kalte Tapete sinken.

„Warum?“, wollte er wissen, während ich versuchte, ihn auf Abstand zu bringen.

„Warum? Weil das in einer reinsten Katastrophe enden wird. Wir beide auf Tour zusammen? Das hat doch schon vor zwei Jahren nie geklappt. Wir haben nur diskutiert und uns angekeift und…“, argumentierte ich und er hob seinen Kopf, um mich anzulächeln. Wieso lächelte er bitte?

„Wir hatten ziemlich viel Spaß“, setzte er hinzu.

„Da hatten wir aber noch nicht das, was wir jetzt haben. Was auch immer das ist, nichts Halbes und nichts Ganzes“, murmelte ich und schaffte es, mich aus seinem Griff zu befreien.

„Manchmal versteh ich dich echt nicht, Mae. Merkst du nicht, dass ich gerade versuche, das zu ändern? Und außerdem ist es auch nicht so einfach, sich etwas mit dir aufzubauen, wenn man dich aus den Medien halten will, dich nur alle fünf Wochen mal sieht und du jedes Mal austickst, wenn man das Wort Beziehung auch nur in den Mund nimmt“, wurde er nun lauter und ich sah ihn an.

„Ist das jetzt meine Schuld? Ich hab auch noch ein Leben. Und sieh dir doch an, wie deine Beziehung mit Nina von der Presse auseinander gepflückt wurde, während sie immer bei dir war“, fauchte ich zurück und ich wusste, dass das ziemlich gemein war.

„Was soll ich deiner Meinung nach denn dann machen? Auf ewig alleine bleiben? Ist das dein Ernst?“, er schnaubte. „Man Mae, warum bist du so verdammt stur?“

„Weil ich es eben bin. Und wenn ich mit auf Tour komme, werde ich mich nicht mehr aus den Medien raushalten können, ich werde da auftauchen, ob ich will oder nicht. Damals ging das noch, aber mittlerweile eben nicht mehr“, keifte ich ihn an und wollte am liebsten irgendetwas gegen die nächstbeste Wand werfen.

„Ja und? Du willst das hier jetzt doch auch nicht, also entweder wir versuchen was anderes, oder wir lassen es gleich“, stellte Ed mich quasi vor die Wahl und ich riss die Augen auf.

„Ist das dein Ernst, Ed? Weißt du nicht, wie es das letzte Mal geendet war, als wir versucht haben, es zu lassen?“, lachte ich bitter auf und merkte, wie mir langsam vereinzelte Tränen über die Wangen liefen. „Ich… ich habe Angst, Ed. Große Angst. Und ich kann einfach nicht mehr. Ich kann das alles nicht mehr. Es macht mich so fertig, dich nicht zu sehen. Zu sehen, wie du mit anderen in den Klatschblättern auftauchst und ich nie weiß, wer das ist und was das zwischen euch läuft. Aber es macht mir auch Angst, wie die Medien deine Beziehungen so fertig machen und kaputt reden, die Menschen zerpflücken, mit denen du unterwegs bist, und wie alles darunter zerbricht. Das ist doch alles scheiße. Warum kannst du nicht nicht berühmt sein?“, warf ich ihm vor und bereute es im nächsten Moment auch schon wieder, als ich Eds Gesichtsausdruck sah.

„Weil ich es nicht kann“, meinte Ed leise und wandte sich ab.

„Ed, warte, es tut mir leid, das war ungerecht“, sagte ich ebenso leise und ging mit zittrigen Beinen einen Schritt auf ihn zu.

„Mae. Hör mir mal gut zu“, forderte Ed dann und ich spürte, wie er eine seiner Hände an meine Wange legte. „Ich liebe dich, Mae. Hast du das verstanden?“, fragte er nach und ich sah ihn an. Er … liebte mich? „Und ich will mich wirklich nicht immer mit dir über das gleiche Thema streiten.

Verdammt, ich will mir dir zusammen sein. So richtig. Ich will nicht dieses ständige On und Off-Gespringe, was wir vorher hatten. Ich will nicht… Ich will dich meiner Familie vorstellen. Und meinen Freunden. Und ich will mich normal verhalten, ohne mich andauernd verstecken zu müssen. Was ich eh muss, aber du weißt, was ich meine… Ich will dich einfach nicht verlieren, Mae. Weder als Freundin noch als Geliebte“, redete er auf mich ein und seine Worte trafen mich dort, wo sie am besten gar nicht hätten ankommen dürfen, genau in meinem tiefsten Inneren.

So konnte ich ihn einfach nur ansehen, ich wusste einfach nicht, was ich darauf erwidern sollte.

„Mae, jetzt sag doch was“, murmelte Ed leise und ich schloss kurz die Augen.

„Ich sag Stuart, dass ich das Angebot annehme. Ich kann ihn ja schlecht hängen lassen“, meinte ich leise und Ed sah mich an. Erst war er verwirrt, dann sichtlich erfreut, und dann sah er aus, als ob er einen Alien gesehen hätte.

„Ich kann ihn ja schlecht hängen lassen“, macht er mich nach und auch, wenn Ed nicht so glücklich aussah, zuckten seine Mundwinkel gefährlich und auch meine Lippen zierte ein leichtes Lächeln. „Und die richtige Antwort?“, hakte er nach und ich sah ihn an.

„Drei Sachen. Erstens: Ich bin deine Managerin, wenn wir auf Tour sind. NUR deine Managerin. Ich mache Managersachen, laufe dir hinterher, laufe vor dir her, lasse mich meinetwegen auch … fotografieren, aber erstmal als MANAGERIN. Kapiert?“, machte ich klar und Ed nickte nur. „Zweitens: Ja. Lass uns zusammen sein“, redete ich weiter und verdrehte dann über mich selbst die Augen. „Okay, das klang jetzt ziemlich unromantisch, so sollte das nicht rüberkommen, aber…“, begann ich und Ed war mittlerweile einen Schritt auf mich zugekommen.

„Was ist drittens?“, wollte er wissen und ich funkelte ihn an.

„Drittens: Niemand von außerhalb weiß etwas. Es ist mir egal, was du deiner Familie oder Freunden erzählst, aber niemand von den Leuten, die das nichts angeht, erfahren etwas. Ich will, dass du mir das versprichst, sonst funktioniert das mit uns nicht. Ich kann das alles nicht auf einmal, Ed, es wird mir einfach zu viel und ich muss schauen, wie ich das alles irgendwie verkrafte…“, endete ich und sah ihn an, er nickte.

„Das klingt doch machbar“, meinte er nur und kam dann noch einen Schritt auf mich zu. „Und kannst du den Punkt Zwei bitte nochmal wiederholen. Nicht, dass ich mir jetzt was eingebildet habe und gleich als totaler Idiot dastehe“, setzte er leiser hinzu und sah mich an, ein spitzbübisches Lächeln auf den Lippen.

„Es tut mir leid, Ed. Du weißt, dass ich nicht gut darin bin, mir einzugestehen, dass ich Unrecht habe, aber … ich hatte Unrecht. Es war eine idiotische Idee, dich auf Abstand zu halten. … Ich dachte, es geht vorbei. Ich dachte, das ist nur eine Schwärmerei. Aber das ist es nicht, Ed. Und du hast recht, wir können so, wie wir bisher miteinander umgegangen sind, nicht weiter machen. Es tut mir leid, Ed, dass ich so oft versucht habe, dich von mir zu stoßen. Aber so bin ich einfach und ich weiß nicht, wie ich das ausschalten kann. Wahrscheinlich werde ich noch öfter mit dir Streit anfangen wollen, nur des Streitens wegen und…“, schüttete ich ihm einfach mein komplettes Herz aus und dieser Idiot unterbrach mich einfach!

„Mae, du hast es immer noch nicht verstanden, oder? Ich. Liebe. Dich. Alles an dir. Ich liebe deine Art, deinen Umgang, deinen Humor, deine Streitlust, dein Lächeln, alles. Und ich will nicht, dass sich das ändert. Ich will nicht, dass sich unser Umgang ändert. So, wie es war, war es doch eigentlich gut. Ich will die komplette Mae-Dröhnung. Ohne Abstriche“, erwiderte er aber und ich nickte nur, konnte das Ganze immer noch nicht wirklich einordnen. „Dann sollten wir es wohl … probieren“, formulierte ich es wieder so unfassbar hässlich und sah Ed zweifelnd an. „Ich kann das einfach nicht, jemandem sagen, wie ich für ihn empfinde“, murmelte ich deprimiert und sah Ed an. Seine Augen, die mich eben noch skeptisch angeschaut hatten, fingen nun an zu strahlen.

„Ich kann dir das beibringen, ich bin – laut meinen Fans – ziemlich gut da drin“, schmunzelte er und zog mich in seine Arme. „Und kneif mich mal, hab ich es gerade echt wirklich geschafft, DIE Mae Campbell zu knacken?“, fragte er mich dann und grinste dabei breit.

„Anscheinend“, seufzte ich und quietschte erschrocken auf, als Ed mich im nächsten Moment hochgehoben und uns einmal um seine eigene Achse gewirbelt hatte. „Lass mich gehen!“, flehte ich und Ed setzte mich direkt vor sich ab, schüttelte vehement den Kopf.

„Nie wieder, Mae. Den Fehler begehe ich nicht noch einmal!“

+ +

Lyrics: Ed Sheeran - Everything we are

+ Zwischenspiel: English Rose +

‚So I make my way through long winding country roads

But my heart still beats for my home and my English rose‘

Eigentlich hatte Ed gar nicht so viele Lieder spielen wollen und eigentlich hätte es viel mehr Twitterfragen und Gespräche geben sollen, doch es war besser, dass es die nicht gab. Ed, da ganz alleine vorne auf der Bühne, das war doch genau das, wofür wir hier waren. Wir waren hier wegen ihm. Und wegen seiner Musik.

Und so war ich sehr froh, dass der Moderator dieses Mal nicht auf die Bühne kam, sondern Ed einfach alleine weitermachen ließ.

„Drei Lieder hätte ich noch für euch und … das nächste Lied kennt ihr glaube ich noch gar nicht. … Es ist damals während meiner Tour in Amerika entstanden. Ich hoffe, es gefällt euch“, meinte er so nur und ich schluckte, das klang nicht gut, das… „Und Darling, bitte sei nicht sauer auf mich, dass ich dir das Lied solange vorenthalten habe“, meinte er dann noch und zögerte kurz. „Es ist... ganz schön kitschig und ehrlich gesagt hatte ich Angst, dir das vorzuspielen“, endete er dann und ich zitterte, Stuart schaute Ed an, als wäre er ein Alien, und die Mädels hinter uns spielten vollkommen verrückt.

„Ich bring ihn um“, murmelte Stuart leise und ich nickte langsam. „Das hier ist English Rose.“

‚I long to be, in the bed of my true love

Back where I came from, she's waiting for me‘

„Oh Gott, Beth. Mae weint… Oh Gott, die beiden sind eindeutig zusammen. Oh. Mein. Gott!“, hörte ich irgendwann, als das Lied so langsam endete, die Mädels hinter mir flüstern und ich schluckte, strich mir meine Tränen aus dem Gesicht, die ich eben gar nicht wahrgenommen hatte. „Wenn der das nachher echt öffentlich bestätigt, dann war das mit Abstand der beste Tag meines Lebens. Mit Abstand.“

„Du hast zu viel Fantasie. Aber recht hast du, die beiden wirken immer so phänomenal zusammen. Als ob sie füreinander gemacht wären“, meinte dann diese Beth und ich nickte ganz langsam.

Dieses eine Lied hier, das er gerade zum ersten Mal für mich, vor diesen unfassbar vielen Menschen, gespielt hatte, bewies mir nur ein weiteres Mal, dass das Mädchen recht hatte….

Und ich liebte dieses Lied, von der ersten Sekunde an. Und ich war zurecht sauer, dass er mir das so lange vorenthalten hatte…

‚And I found truth in people I've never known

And my heart still beats for my home and my English rose‘

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Lyrics: Ed Sheeran – English Rose

+ Kapitel 4.1: Das Kleeblatt +

„Manchmal würde ich sie wirklich gerne schütteln!“ (02.12.2013)

Als ich aufwachte, stand die Sonne schon hoch am Himmel und langsam streckte ich mich, um wacher zu werden. Auch der junge Mann neben mir bewegte sich und richtete sich auf.

„Warum ist da ein Regalbrett frei?“, hörte ich leise Eds Stimme.

„Was?“, hakte ich nur verschlafen nach.

„Warum das Regelbrett da vorne frei ist, das ist es doch sonst nicht?“, wiederholte Ed sich.

„Ich hat es freigeräumt, gestern abend“, murmelte ich schlaftrunken und versuchte gegen die Sonne zu blinzeln. „Wie kommst du da drauf?“, wollte ich wissen und Ed seufzte.

„Keine Ahnung, ist mir gerade aufgefallen. Wieso hast du es freigeräumt?“, fragte er mich und jetzt sah ich ihn direkt an. Er war vollkommen zerknautscht und sah noch ziemlich müde aus.

„Ich weiß, ich bin ja manchmal ziemlich schwer von Begriff, aber das toppt mich ja gerade um Längen“, lächelte ich und krabbelte näher an Ed heran. „Mae, ich bin kaputt, was willst du mir damit sagen?“, meinte Ed nur und gähnte.

„Ich habe das Regalbrett freigeräumt, damit mein Freund seine Sachen da reinlegen kann, wenn er länger bleibt“, meinte ich und betonte das Wort Freund dabei besonders.

Ruckartig setzte sich Ed auf und schien nun hellwach zu sein, als er realisierte, was ich da gerade gesagt hatte.

„Also hab ich das Ganze nicht nur geträumt“, stellte er fest und strahlte mich an, bevor er mich im nächsten Moment unter sich begrub.

Leise stöhnte ich auf und schubste Ed von mir runter, während ich mir meinen Bauch hielt.

„Ed, lass das. Ich hab schon Bauchschmerzen“, meinte ich nur und Ed sah mich in einer Mischung aus ziemlich enttäuscht und besorgt an, ich lachte leise. „Hey, schau nicht so. Damit musst du dich arrangieren, wenn du mit einer Frau zusammen bist“, meinte ich nur und Ed rollte sich zur Seite. „Schon verstanden. Hast du Hunger?“, fragte er dann und ich nickte leicht. „Dann mach ich uns was zu essen und du bleibst hier liegen und ruhst dich aus.“, setzte er hinzu und war im nächsten Moment verschwunden. Ich ließ mich wirklich wieder zurück in die Kissen fallen. Unfassbar…

„Hey, Mae“, riss Ed mich aus meinen Gedanken und ich sah auf.

„Ja, Ed?“, fragte ich und musste lächeln, als ich in seine Augen schaute. „Kann ich kurz mit dir reden“, fragte er und ich nickte, legte meinen Laptop zur Seite. Er setzte sich zu mir aufs Sofa. „Nochmal zu der Sache heute Morgen mit dem Regalbrett“, fing er langsam an und ich legte meinen Kopf schief, wusste nicht, worauf er hinaus wollte.

„Ed, Klartext!“, verlangte ich und er sah auf seine Hände, bevor er aufschaute und mich aus seinen großen Augen anstarrte.

„Ich hab ja meine Wohnung gekündigt, als ich los bin…“, meinte er und ich nickte. „Und ich hab damals gesagt, dass das ja nicht so schlimm sei, weil ich ja immer unterwegs bin…“, setzte er hinzu und wieder nickte ich. Ich wusste immer noch nicht, worauf er hinaus wollte.

„Ed, bitte, sag einfach, was du möchtest. Du weißt doch, dass ich dich nicht auffresse“, erwiderte ich lächelnd und Ed zögerte immer noch.

„Bitte köpf mich nicht, weil ich dir schon wieder was verschwiegen habe…“, begann er dann und ich sah ihn skeptisch an. „Es könnte sein, dass ich die nächsten Monate London nicht mehr verlassen werde“, meinte er dann und ich erstarrte, sah ihn an, als ob ich einen Geist gesehen hätte.

„Bitte WAS?!“, meinte ich und richtete mich auf. Hatte er gerade wirklich gesagt, dass er…

„Es tut mir leid, Mae! Ich hab‘s komplett vergessen. Das war wirklich nicht meine Absicht“, versuchte Ed sich irgendwie zu retten, doch das brauchte er gar nicht, denn im nächsten Moment hatte ich mich schon auf ihn gestürzt und ihn zum Schweigen gebracht.

„Versuchst du mir gerade beizubringen, dass ich dich die nächsten Monate öfter zu Gesicht bekommen werde?“, fragte ich so nur grinsend und funkelte Ed an.

„Nicht ganz. Ich versuche dir beizubringen, dass ich die nächsten circa vier, fünf Monate in London bleibe, aber kein Dach mehr über dem Kopf habe. Weil ich ja meine Wohnung gekündigt habe. Und die meiste Zeit werde ich wahrscheinlich eh im Studio verbringen, aber…“, redete er sich schon wieder um Kopf und Kragen und ich seufzte.

„Ed, jetzt sei doch nicht so vorsichtig. Ich bin doch nicht aus Zucker. Du kannst mich gerne offen heraus fragen, ob du auch länger bei mir bleiben darfst“, lächelte ich ihn an und versuchte mein schnell schlagendes Herz irgendwie unter Kontrolle zu kriegen.

„Darf ich zwischenzeitlich bei dir einziehen, Mae?“, fragte er dann und brachte es hinter sich. Und ihn das wirklich fragen zu hören fühlte sich unfassbar an.

„Ja, klar“, erwiderte ich so aber nur und Ed verdrehte die Augen.

„Und für so ne Antwort hab ich mich jetzt so verrückt gemacht?“, fragte er mich und ich zuckte die Schultern, kletterte wieder von ihm runter. „Sonst wärst du vollkommen ausgetickt…“

„Selbst schuld. Und ich hab dir das schon immer gesagt, ich würde dich niemals rausschmeißen, Ed. Und du hast einen Schlüssel…“, ließ ich offen und schnappte mir dann wieder meinen Laptop. Ich hatte leider noch viel zu viel zu tun…

Und so vergingen die Tage. Ed war viel unterwegs und ich nutzte die Zeit zum Arbeiten, aber heute hatte ich einfach absolut keine Lust mehr, ich hatte eigentlich genug getan, um kein schlechtes Gewissen zu bekommen.

Und immerhin saß Ed neben mir und…

„Du, Ed?“, fragte ich so und riss ihn somit aus seinen Gedanken. Breit lächelte er mich an. Es tat einfach so gut, ihn so glücklich zu sehen. „Hm?“, fragte er, während ich meinen Laptop beiseite gelegt hatte und nun auf ihn zugerobbt war. Seufzend lehnte ich mich an ihn und betrachtete ihn, mein Blick ließ nicht von seinen Armen ab. Er war bunter geworden.

„Wirst du jemals damit aufhören?“, fragte ich und Ed sah auf.

„Womit? Musik?“, wollte er wissen und ich schüttelte den Kopf.

„Nein, mit den Tattoos“, erklärte ich und strich behutsam über eines seiner neueren Exemplare. Es war interessant, wie er noch ganz am Anfang ausgesehen hatte, als wir uns kennengelernt hatten.

„Stört es dich?“, fragte er und drehte sich zu mir um, sah mich abwartend an.

„Das hab ich nicht gesagt“, erwiderte ich simpel und fuhr die Konturen nach, was Ed eine Gänsehaut bescherte. Kurz sah ich zum ihm nach oben und stockte, er sah nicht sehr überzeugt aus.

„Wenn es dich stört, dann...“, begann er und ich unterbrach ihn.

„Beantworte doch erst mal meine Frage“, forderte ich und er seufzte. „Nein, werde ich nicht“, erwiderte er. „Nicht in den nächsten Jahren.“ Ich lächelte nur.

„Und was wäre, wenn es mich stören würde“, fragte ich weiter und versuchte in seinen Augen zu lesen, was er dachte.

„Dann haben wir in dem Punkt ein Problem“, meinte er dann und schaute mich abwartend an. Er sah gerade wirklich nicht sehr glücklich aus. „Dann hab ich ja Glück, dass mir deine Tattoos gefallen“, erlöste ich ihn und zuerst sah Ed verwirrt aus, dann sah er mich böse an.

„Musste das jetzt sein?“, murrte er und ich robbte näher zu ihm heran, schlang ihm von hinten meine Arme um den Hals.

„Ich finde Männer mit Tattoos heiß“, grinste ich an sein Ohr und mein Herz schlug schnell. „Und es sind so einige Schmuckstücke dazu gekommen“, hauchte ich weiter und verfolgte weiter den Plan, den ich hatte.

„So, so“, schmunzelte Ed und versuchte sich von mir zu lösen, um sich dann umzudrehen und mich anzuschauen. „Was versuchst du hier gerade?“, wollte er wissen und sah mich prüfend an. Sein Lächeln war amüsiert und seine Augen sprühten Funken.

„Ich versuche gar nichts, ich unterhalte mich nur mit dir“, lachte ich leise und legte Ed wie automatisch eine Hand in den Nacken, als er mich im nächsten Moment unter sich begraben hatte. Er lag auf mir und sah mir direkt in die Augen.

„Dann ist ja gut. Vielleicht sollte ich aber mal deine Haut kontrollieren, was deine Tattoos so machen“, grinste er mich an und innerlich zog sich mein Herz zusammen.

„Die dürftest du eigentlich schon längst gesehen haben“, erwiderte ich und stütze mich etwas auf meine Ellbogen, kam Ed entgegen, den ich jetzt aber verwirrt zu haben schien.

„Hä? Wie jetzt? Mehr als die kleine Katze da?“, fragte er erstaunt und ich lachte noch mehr, legte meine Lippen auf seine.

„Ich hab wirklich was, was du noch nicht kennst, Ed. Dann fang mal an zu suchen“, grinste ich breit, während Ed dem Angebot nur zu gerne nach kam und mir mein erstes Kleidungsstück vom Körper zog…

„Und?“, fragte ich leise und stützte mich auf.

„Warum ist mit das vorher noch nicht aufgefallen?“, seufzte Ed, während er die Decke ein wenig weiter von meinem Körper zog und mein neues Tattoo betrachtete. „Hab dir wohl immer nur in deine wunderschönen Augen geschaut“, antwortete er sich dann selbst und ich fing leise an zu lachen. „Also ist mein Körper nicht begehrenswert genug?“, grinste ich breit und Ed ließ seufzend seinen Kopf in die Kissen fallen. „Aber nicht ärgern Ed, das hier kannst du noch gar nicht kennen, ist ja neu. Und das hinterm Ohr kennst du ja“, stupste ich ihn an und robbte dann näher zu ihm, um in seiner Nähe zu sein.

„Erzähl mir davon“, forderte Ed dann und fing an, mir durch meine Haare zu streichen.

„Stimmt, ich hab dir noch nie von der Katze erzählt, oder? Naja, ich hab sie mir damals nach dem Tod meines Opas und kurz danach dem seiner Katze stechen lassen. Er hat sie geliebt. Ich weiß gar nicht, wieso gerade diese Katze, aber sie hat mich sofort angesprochen, als ich sie gesehen habe. Es wird mich immer an die Zeit damals erinnern. Und an die Bedeutung des Wortes Familie… Und das hier ist neu. Es ist eine Art stilisiertes Kleeblatt. Der Tätowierer hat mich drei Mal gefragt, ob fünf Blätter richtig sind. Ich hab es mir nach dem Tod meiner Oma stechen lassen. Ich weiß nicht, aber gerade Kleeblätter passen zu meinem Leben und zu der Situation“, begann ich, während Ed vorsichtig über mein neues Tattoo strich. Ich hatte es in meine Narbe integriert und diese Stelle war eine unfassbar gute Entscheidung gewesen. „Es soll mich immer an sie erinnern, an sie und an die vier anderen wichtigsten Menschen, die ich in meinem Leben habe. Meine Familie. Ich hab es auch irgendwie mit Familien-Tattoos“, lächelte ich und zeigte dann auf die ersten drei Blätter. „Die kleinen Sterne in drei der Blätter kannst du dir sicher selbst erklären“, erwiderte ich und sah zu Ed nach oben. „Deine Oma, dein Opa und deine Mutter“, erwiderte er leise und ich nickte nur. „Ein weiteres Blatt gehört bestimmt zu Stuart“, riet er dann weiter und ich zeigte auf das Blatt direkt neben dem meiner Mutter. „Und wem gehört das letzte?", fragte Ed dann und ich sah ihn an.

„Die Frage meinst du doch jetzt nicht ernst, oder?“, wollte ich wissen und setzte mich ein wenig auf, doch Ed war immer noch verwirrt.

„Ich..., keine Ahnung?“, zuckte er mit den Schultern und er sah in dem Moment nicht sehr glücklich aus. Was wohl jetzt gerade in seinem Kopf abging?

„Das letzte Kleeblatt steht für dich“, war das Einzige, was ich sagte, und Ed hatte sich im nächsten Moment ruckartig aufgesetzt und starrte mich an. „Mae, du kannst dir doch kein Tattoo über mich stechen!“, wurde er ein wenig lauter und ich zuckte zusammen, weil ich mich so erschreckte. „Wieso denn nicht?“, fragte ich ihn und zog mir meine Bettdecke näher an meinen Körper.

„Ich … wie kommst du überhaupt auf so einen Schwachsinn? Wann hast du dir das stechen lassen?“, fragte er aber nur nach und ich sah ihn an. „Wie gesagt, nach dem Tod meiner Oma, zwei, drei Wochen später. Nachdem wir zwei Monate wieder geschrieben hatten“, antwortete ich ihm und er rieb sich mit seinen Händen übers Gesicht.

„Wie kommst du bitte auf sowas? Das ist für immer, Mae. Was ist, wenn wir uns irgendwann nicht mehr sehen oder wenn du mich hasst, weil keine Ahnung“, gingen ihm dann die Argumente aus und ich schüttelte nur den Kopf.

„Ed, es ist ein Tattoo, natürlich ist das für immer und genau das soll es auch sein! Es soll mich an Gefühle erinnern. Es soll mich an gute Zeiten erinnern. Der Tod meiner Familie ist auch nicht schön, aber ich fühle trotzdem Freude, wenn ich an die Zeit mit ihnen denke. Dein Blatt, es sollte mich immer daran erinnern, wie ich mich mit dir gefühlt habe. Es sollte mich daran erinnern, dass ich einen Fehler begangen habe, damals, und dass ich an mir arbeiten muss, dass sowas nicht nochmal passiert. Es sollte mich vor allen an meine Gefühle damals mit dir erinnern, bevor du gehen musstest. Es sollte mich an das Herzklopfen und Bauchkribbeln erinnern, an meine erste große Liebe, auch wenn das mit uns damals noch als gescheitert anzusehen war, ich meine…“, wollte ich ihm erklären, doch irgendwann stockte ich, als er urplötzlich auf mich zu kam und meinen Kopf in seine Hände nahm und mit seinem Kopf direkt vor meinem zum Stehen kam.

„Sag das nochmal, Mae!“, forderte er und ich sah ihn verwirrt an.

„Was genau?“, hakte ich nach, stoppte mich dann aber, weil mir klar wurde, was ich da eben gesagt hatte und was er nochmal hören wollte.

„Ich liebe dich, Ed“, formulierte ich es dann aber doch nochmal um und nun sah er mich an, als ob er gerade aus allen Wolken fiel. Seine Augen wurden groß. „Und du bist die erste Person in meinem Leben, die mich genau so fühlen lässt.“

Stille. Ed sah mich an, blinzelte ein paar Mal, und seufzte dann.

„Ich weiß gerade echt nicht, ob ich meinen Ohren trauen kann, oder ob ich gerade halluziniere“, murmelte Ed dann und ich boxte ihm empört gegen den Oberarm.

„Da versuche ich ein einziges Mal romantisch zu sein und dann sowas. … Weißt du, ich glaube, ich weiß mittlerweile, warum ich dich ganz am Anfang so von mir gestoßen habe, das ist mir auch in den sechs Monaten klar geworden, in denen du in Amerika warst. … Weißt du, ich hatte nie viele Freunde und ich… ich hatte glaube ich einfach zu große Angst, dich verlieren zu können. Als Menschen, als Freund. Ich brauchte dich einfach“, meinte ich dann und Ed sah mich weiter verwirrt an.

„Wie, du hattest nie viele Freunde? Jeder liebt dich?“

„Ja, das ist das Problem. Viele mögen mich, aber ich werde für ziemlich oberflächlich gehalten, weil ich mit allen gut klar komme. Für die meisten bin ich nur ne gute Bekannte, die viele Leute kennt, viele Connections hat, die auf Partys auftaucht, aber ich habe nicht viele Freunde. Und ich hatte auch nie viele Beziehungen, die meisten Jungs haben immer nur versucht, mich ins Bett zu bekommen. Ich war eine Trophäe. War bei Josh ja nicht anders“, lächelte ich schief.

„Aber das bist du nicht, du bist doch keine Trophäe, du bist ein Mensch“, meinte Ed total baff.

„Das war ich oft. Es gab teilweise sogar Wetten, wer mich am Ende der Party rumgekriegt hatte oder einen Tanz mit mir ergattert hatte. Das war oft so und ich habe oft mitgespielt. Ich war einfach schon immer ein wenig anders gewesen, mit meinen Großeltern und meinem Kleidungsstil und … es war für die meisten einfacher, mich nur als Bekanntschaft zu sehen – nicht als Freundin. … Und du bist neben Kelsey der erste richtige Freund, den ich seit Jahren hatte. Und du bist die erste Person, an die ich seit Jahren mein Herz verloren hatte. Aber dieses Mal so komplett anders.“

„Was meinst du mit anders?“, fragte Ed skeptisch und ein wenig ängstlich. „Ich liebe dich. Mit den anderen Jungs war ich zwar zusammen, aber die

Gefühle waren ein Tausendstel von dem, was ich jetzt fühle. Und ich habe Angst davor, Ed. Unfassbare Angst… Meinen ersten Freund hatte ich mit 18, es hatte ein halbes Jahr gehalten“, fing ich an und Eds irritierter Blick stoppte mich kurz. „Mein Opa ist gestorben, als ich 16 war. Ich hatte andere Sachen im Kopf als Jungs“, erklärte ich daher kurz und fuhr dann fort. „Dann hatte ich noch eine Beziehung, die ganze drei Monate hielt und dann Josh, aber das war… nicht weiter traurig. Aber ich hatte nie jemanden gefunden, der mir wirklich die Welt bedeutete“, murmelte ich leise und sah Ed in die Augen. „Immer wenn ich einsam war, musste ich nur auf irgendeine Party gehen, irgendein junger Mann schenkte mir Aufmerksamkeit und Begehren, ich konnte meine Batterie auffüllen und ab und an landete ich mit den Typen im Bett… Versteh mich nicht falsch, ich hab mich eigentlich wohl in den Beziehungen gefühlt, aber das ist einfach nichts im Vergleich dazu, was ich für dich empfinde. Und ich hatte Angst davor. Und ich hatte Angst davor, wenn das alles schief geht, den einzigen wirklich guten Freund zu verlieren, den ich habe. Du warst der beste Freund, den ich seit langem hatte, Ed. Ich hatte Angst, dich zu verlieren. Eine Beziehung verändert alles, so dachte ich jedenfalls“, fuhr ich weiter fort und Ed wollte was sagen, aber ich stoppte ihn. „Es tut mir leid. Das ganze Chaos, es tut mir komplett leid. Ich hätte mir vorher darüber Gedanken machen soll, was ich wirklich will, aber ich konnte nicht. Ich hab dich so unendlich vermisst und alles ist in meinem Kopf komplett schief gelaufen. Und ich dachte auch, ich komme ohne dich klar, aber das ist falsch. Ich komme nicht ohne dich klar, ich brauche dich. Und an all das soll mich dein Kleeblatt erinnern. Das ich nicht die gleichen Fehler begehe, sondern dazu lerne“, endete ich dann und Ed sah mich einfach weiter mit großen Augen an.

„Wow“, murmelte er leise und ich lächelte schief. Dass ich Ed mal sprachlos machen konnte war mir auch neu. „Weißt du Mae, eine Beziehung verändert nicht alles. Ich bin immer noch für dich da, du kannst mit mir über alles reden. Ich werde dir immer zuhören. Wir können immer noch die verrücktesten Sachen machen“, fing er dann an und ich schluckte.

„Aber?“, fragte ich und Ed lächelte nur.

„Aber du bist nicht nur irgendwer, Mae. Ich bin vollkommen verrückt nach dir, merkst du das nicht? Ich will, dass du glücklich bist. Ich würde dich gerne den ganzen Tag um mich haben, berühren, küssen. Ich will mich in deinen Augen verlieren und dir zeigen, wie viel du mir bedeutest. Ich würde für dich um die halbe Welt fliegen, nur um für dich da zu sein. Ich... Ich hab noch nie so starke Gefühle für jemanden empfunden. Keine meiner ehemaligen Beziehungen endete wirklich gut und ich habe viele Frauen verletzt, aber ich habe daraus gelernt. Ich bin mir sicher Mae, ich will mit dir zusammen sein. Ich will mich mit dir streiten und mich wieder vertragen. Ich will dich küssen und noch so viel mehr. Ich will mir mit dir etwas aufbauen. Aber vor allem will ich, dass es dir gut geht und dass du glücklich bist... Und ich hoffe sehr, dass…“, sagte er dann genau die richtigen Worte und ich klammerte mich nicht mehr so sehr an meiner Decke fest, sondern hatte mich wieder zu ihm rüber gebeugt.

„Ich liebe dich, Ed. Ich mein das wirklich ernst. Und auch wenn ich Angst vor der Zukunft habe und mich das alles noch ein wenig überfordert und dir das vielleicht zu wenig sagen werde, aber…“, begann ich von neuem, doch… im nächsten Moment spürte ich seine Lippen wieder auf den meinen, doch dieses Mal küsste er mich anders als eben. Das vorhin war einfach nur pure Lust gewesen, wir hatten uns förmlich die Kleider vom Leib gerissen, um genug von dem jeweils anderen abzubekommen. Weil wir uns mehr als sechs Monate nicht mehr so berührt und jetzt erst wieder die Gelegenheit dazu bekommen hatten. Weil wir komplett auf Entzug gewesen waren. Doch nun war es anders. Der Kuss, den er mir gerade gab, triefte nur so vor Liebe und Leidenschaft.

„Hey, Ed“, nuschelte ich an seinen Lippen und drückte ihn von mir, um ihn anzuschauen.

„Entschuldige“, murmelte dieser nur und ich stockte verwirrt.

„Wofür entschuldigst du dich gerade?“, fragte ich ihn dann und er sah auf.

„Ich…“, begann er und ich seufzte, erkannte, was er wohl gerade dachte.

„Ed, das meinte ich doch gar nicht. Wenn es nach mir ginge, würden wir das Bett heute nicht mehr verlassen und ich würde noch tausendmal über dich herfallen, was mich leider irgendwann an den Rand meiner Kräfte bringen würde, soweit ist es aber noch nicht. Was ich eigentlich wollte: Es tut mir wirklich leid, dass ich so spät mit der Wahrheit rausrücke. Ich hätte dir das schon vor sieben oder acht Monaten sagen sollen, aber… es ist so schwer“, seufzte ich und spürte, wie Ed vorsichtig über meine Arme strich und mit seinen Händen dann in meinem Nacken verweilte.

„Was ist schwer?“, wollte er wissen und ich seufzte.

„Dir zu sagen, wie es in mir aussieht. Ich bin wirklich nicht gut darin und ich fühle mich angreifbar“, seufzte ich.

„Eigentlich hast du das ziemlich gut hingekriegt. Und ich würde das niemals ausnutzen, Mae“, hauchte Ed leise und ich nickte.

„Das weiß ich doch eigentlich auch, dennoch ist es für mich schwer. Bitte sei mir nicht böse, wenn…“, wollte ich beginnen, doch Ed hatte mich unterbrochen, indem er mich wieder küsste.

„Ich wäre dir niemals böse, Mae“, murmelte Ed, während er mich weiter zu sich zog und ich seine Hände auf meinem Körper spürte. Und ich hörte auf zu reden, sondern ließ mich einfach auf Ed ein.

Und es war so anders als eben. Keine Hektik mehr, kein Stress, sondern nur seine Hände überall auf meinem Körper. Er nahm sich Zeit, mich zu erkunden und mir das Gefühl zu geben, ich wäre das einzig Wichtige für ihn. + Kapitel 4.2: Der Alltag +

„Notiz an mein späteres Ich: Keine anzüglichen Bemerkungen Mae betreffend, wenn Stuart in der Nähe ist. Sonst wirst du nachher nur geköpft. Oder gevierteilt.“ (03.02.2014)

Ed hielt sein Wort. Ich wusste nicht, wie er es geschafft hatte, mich so zu beeinflussen, aber es verlief alles genau so, wie er es gesagt hatte. Er drängte mich zu nichts, er sorgte dafür, dass ich nicht in den Medien auftauchte, und das Wichtigste: Es war alles genau so wie immer. So, wie es die Monate davor auch schon war. Wie es damals war.

Ich warf ihm zu gerne irgendwelche Dinge an den Kopf, ich stritt mich zu gerne mit ihm, aber immer schafften wir es, uns wieder zu vertragen und … es funktionierte. Wie auch immer wir das hingekriegt hatten.

Die letzten Züge meines Studiums verliefen ebenfalls echt gut. Ich kam mit meiner Masterarbeit voran, mein Professor war sehr zufrieden mit meinen Ideen und mit meinen Fortschritten. Und generell lief eigentlich alles so, wie ich es mir nie hätte erträumen lassen. Ich war bald mit dem Studium fertig und ich hatte Ed.

Letzerer trieb sich, obwohl er sich eigentlich in London aufhalten sollte, ziemlich oft in der Weltgeschichte rum. Machte hier die Nacht durch oder schrieb dort einen Song, der später wahrscheinlich auf Platz 1 der Singlecharts landen sollte.

Aber ich war glücklich. Ich liebte es, wenn Ed nachts zu mir ins Bett kroch und sich an mich schmiegte, wenn ich schon längst eingeschlafen war. Ich liebte es, wenn er früh los musste und mir eine kleine Nachricht schrieb oder mir Kaffee kochte. Und ich liebte es, ihn beim schlafen zu beobachten, wenn er erst sehr spät wieder nach Hause gekommen und noch nicht wach geworden war, wenn ich aufstehen musste…

„Mae?“, fragte Ed mich eines Abends, als wir zusammen auf dem Sofa saßen. Ich saß hier und schrieb munter an meiner Masterarbeit vor mich hin, während Ed leise auf seiner Gitarre spielte.

„Ja, Ed?“, fragte ich und schaute auf. Ich hatte jetzt eine Stunde konzentriert gearbeitet, da konnte Ed mich ruhig ablenken.

„Was machst du mit deinem Abschluss?“, wollte er wissen und ich sah ihn an.

„Wie, was mach ich damit? Einen Abschluss haben. Chancen auf dem Arbeitsmarkt?“, zuckte ich mit den Schultern. „Ich hab mir noch nicht wirklich darüber Gedanken gemacht, was ich tue, wenn ich ihn habe. Ich hab ja auch erst mal genug zu tun, wenn ich fertig bin“, lächelte ich ihn an und er lächelte zurück.

„Da hast du recht. … Was ich eigentlich meine, magst du vielleicht mal drüber nachdenken, wie es wäre, wenn du länger im Team bleibst?“, formulierte es Ed sehr kryptisch und ich sah ihn an.

„Was wird das hier gerade, Ed?“, wollte ich daher wissen und drehte mich zu ihm um, sah ihn direkt an. Er versuchte vor meinem Blick zu flüchten. „Vielleicht, nein, höchstwahrscheinlich versuche ich gerade, dich in die Family zu integrieren. Für länger, nicht nur für die Tour. Wenn du dir das vorstellen kannst, also…“, versuchte er das Ganze irgendwie abzuschwächen und ich seufzte, legte meinen Laptop zur Seite und robbte auf ihn zu. „Ed, schau mich an!“, verlangte ich und er tat zögerlich das, was ich von ihm wollte. „Können wir ein wenig langsamer machen, bitte. Lass uns doch erst mal ausprobieren, wie das mit uns beiden auf Tour funktioniert. Vielleicht passt das auch gar nicht und wir kriegen uns ständig wegen der Arbeit in die Haare. Das möchte ich nicht. Und wenn dir gefällt, wie ich meine Arbeit mache, und ich zufrieden mit der Art von Arbeit bin, können wir ja nochmal drüber reden, okay? Aber im Moment macht mich der Gedanke an die Tour schon leicht fertig… Und außerdem, lass das ja nicht Stuart hören, dass er Konkurrenz bekommt“, erklärte ich ihm mit einem Lächeln auf den Lippen und Ed sah mich ziemlich erstaunt an.

„Mae, bist du krank? Normalerweise hätte ich jetzt schon das erste Sofakissen an den Kopf bekommen, weil es hier um die Zukunft von uns beiden geht“, wagte er noch mehr und ich lachte leise.

„Hey, so ein Drachen bin ich jetzt auch nicht“, empörte ich mich, war aber ganz entspannt. „Und ich weiß nicht, wieso ich so bin. Frag mich was Einfacheres“, schloss ich das Gespräch und stand auf.

„Und jetzt hab ich Hunger. Wollen wir was essen?“, fragte ich und Ed nickte nur, dieses Mal mit einem zuversichtlicheren Lächeln auf dem Gesicht, folgte mir in die Küche.

„Apropos Stuart“, meinte Ed dann noch und ich wusste genau, worauf er hinaus wollte.

„Was sagen wir ihm?“, nahm ich ihm die Frage aus dem Mund und Ed zuckte grinsend mit den Schultern.

„Die Entscheidung überlasse ich dir, ich wollte es nur mal angesprochen haben. Und ich hätte es ihm erzählt, aber wenn du das erst mal nicht möchtest…“, antwortete er mir und ich überlegte.

„Meinst du, er würde sehr ausrasten?“, wollte ich wissen und Ed schüttelte den Kopf.

„Ach was, Stuart sieht das mit meinen Beziehungen nicht so eng“, murmelte er in mein Haar und ich spürte, wie er schmunzelte.

„Ja, vielleicht bei dir. Aber er ist mein VATER. Ich glaube nicht, dass er da so witzig findet“, erwiderte ich und Ed seufzte. Das hatte er wohl nicht bedacht.

„Ein Versuch wäre es wert“, meinte Ed nur und ich nickte nachdenklich. „Vielleicht hast du recht. Machst du die Musik ein wenig lauter?“, bat ich ihn dann und er nickte. Mit lauter Musik kochte es sich viel angenehmer.

Es wurde ein schöner Abend. Leckeres Essen, ein wenig Wein, gute Musik und einen Ed, den ich mal wieder an den Rand eines

Nervenzusammenbruchs trieb. Aber es machte einfach viel zu viel Spaß.

„Mae?“, riss Ed mich aus meinen Gedanken und ich hörte auf zu summen. „Du weißt, worüber der Song ist?“, wollte Ed wissen und meine Augen leuchteten kurz auf.

„Ja natürlich, außerdem ist es Ginuwine, Ed. Also über Sex, über schmutzigen, dreckigen Sex. Denkst du, sonst würde ich mich hier so freuen?“, lachte ich. „Ich mag Lieder über Sex“, meinte ich dann in Eds Richtung und zuckte dann mit den Schultern.

„Mae…“, seufzte Ed und er sah mich an, unfassbar intensiv. „Was denn? Du hast gefragt!“

„Kannst du aufhören, so sexy zu sein?“, meinte er dann nur und ich schüttelte den Kopf.

„Nein“, lachte ich und kam auf ihn zu. „Ich ärgere dich einfach viel zu gerne.“ Und dann summte ich weiter das Lied vor mich hin. Vielleicht ein wenig zu oft in den letzten zwei Stunden, aber ich hatte einen Ohrwurm davon. „Und manchmal find ich es super, so dicke Wände zu haben. Ich will wirklich nicht wissen, was meine Nachbarn sonst von mir denken mögen“, setzte ich hinzu und Ed seufzte, leckte sich kurz über seine Lippen.

„Wahrscheinlich genau das, was du hier auch immer treibst“, murmelte Ed nur und versuchte mich zu ignorieren, doch ich ließ ihn gar nicht erst. „Was treibe ich denn immer so?“, wollte ich wissen und Ed seufzte wieder und verdrehte die Augen.

„Auf jeden Fall mich zur Weißglut. Jetzt hör doch mal auf!“, meinte er und ich schüttelte den Kopf. Aufhören? Kam gar nicht in Frage!

„Und was ist, wenn nicht?“, grinste ich ihn an und spielte absichtlich mit dem Saum meines T-Shirts. Eds Augen verfolgten dabei jede meiner Bewegungen.

„Dann wirst du das sowas von bereuen“, meinte er nur und im nächsten Moment verlor ich den Boden unter meinen Füßen und fand mich im nächsten Moment fest an die kalte Wand gedrückt vor. „Und das hast du doch mit Absicht gemacht“, murmelte Ed leise, während seine Hände unter meinem T-Shirt verschwanden. Statt zu antworten summte ich weiter vor mich hin und schlang wie automatisch meine Beine um seinen Körper. Ich liebte es, wenn er mir so nah war und mich so besitzergreifend behandelte. Ich liebte es, wenn er mich nicht wie ein rohes Ei behandelte. Und ich liebe es, wenn er sich komplett mit mir verlor. Wie ein Kampf, der niemals gewonnen werden würde. Wie ein Pakt, den niemand brach. Ed drückte sich noch weiter gegen mich und ich atmete tief ein, nahm seinen Geruch wahr. Mein T-Shirt und mein BH hatten ihren Weg zum Boden schon gefunden.

„Ich liebe dich, Mae. Wir schaffen das“, hörte ich Ed leise an meinem Ohr sagen und erschauderte, während er mich von der Wand hob und mich im nächsten Moment vorsichtig auf dem großen, roten Teppich ablegte. Die wenigen Kerzen, die wir angemacht hatten, streuten das Licht in die verschiedensten Richtungen und im nächsten Moment merkte ich, wie Ed mir auch meinen Rock von den Beinen zog und mich betrachtete. Zuerst hatte ich mich unter seinen Blicken noch ein wenig unwohl gefühlt, doch mittlerweile genoss ich es, wenn er mich so anschaute.

„Hör mir zu, Mae“, hörte ich dann seine raue Stimme, die mir immer näher kam, und ich schloss meine Augen. „Egal, was die nächsten Wochen passieren sollte und egal, was du irgendwo aufschnappst: Ich liebe dich. Lass dir nichts anderes einreden. Wenn du irgendwas brauchst oder wenn es dir zu viel wird, dann komm zu mir. Ich werde alles dafür tun, dass es dir gut geht, Darling“, meinte Ed mit so viel Ehrlichkeit in der Stimme, dass mir einige Tränen in die Augen stiegen.

„Versprich mir, mich zu retten, wenn ich untergehen zu drohe“, hauchte ich leise, während meine Hände seinen Körper fanden.

„Ich versprech es dir“, erwiderte Ed so aufrichtig, wie ich ihn selten gehört hatte. Und ich glaubte ihm.

Die Wochen vergingen. Meine Tage verliefen eigentlich immer gleich und meine Masterarbeit war in den letzten Zügen, die Deadline war in einer Woche und ich saß alleine hier an den letzten Korrekturen.

Es war verdammt spät geworden und Ed war immer noch nicht zurück, auch wenn er schon vor einer Weile wieder Zuhause sein wollte. Auf meine Anrufe hatte er nicht reagiert und anstatt schlafen zu gehen hatte ich mich mit meinem Laptop aufs Sofa gesetzt und noch ein wenig gearbeitet. Und dann rief er endlich an.

„Wo bist du?“, fragte ich ihn sofort und merkte, wie er die Luft anhielt. „Ist etwas passiert? Ich hab mir Sorgen gemacht, dass dir was passiert sein könnte“, setzte ich hinzu und er atmete aus.

„Ich hab die Zeit vergessen“, begann er und machte sich wohl darauf gefasst, dass ich wütend wurde, aber…

„Ed, mach dir keine Gedanken. Ich bin gerade einfach nur froh, dass alles okay ist“, lächelte ich. Und das war ich wirklich. Es war merkwürdig, wenn er mal für längere Zeit nicht hier bei mir war.

„Und ich kann leider erst in zwei Tagen kommen“, hörte ich ihn noch sagen, die Hintergrundgeräusche dämpften seine Stimme. Er war wohl gerade zu Fuß unterwegs und lief an einer noch sehr befahrenen Straßen entlang. „Morgen hätte ich eh keine Zeit gehabt, ist was Spontanes dazwischen gekommen“, beruhigte ich ihn und dann stoppte ich. „Moment mal, hat dich…“, begann ich und wurde dann aber von Ed unterbrochen. „Liberty zu ihrem Geburtstag eingeladen? Ja, hat sie. Wieso bin ich nicht selbst darauf gekommen, dass du auch kommst“, endete Ed meinen Satz und lachte leise.

„Ich weiß nicht, was ich anziehen soll“, seufzte ich und streckte mich, legte meinen Laptop dann zur Seite. Wenn Ed nicht mehr kommen würde, dann konnte ich auch jetzt ins Bett gehen.

„Nimm DAS Kleid“, antwortete Ed simpel und ich erstarrte.

„Warum?“, wollte ich wissen und ahnte Böses. „Du willst doch nicht wirklich Libertys Geburtstag crashen…“, begann ich zweifelnd, doch Ed stimmte mir sofort zu.

„Sie wird ausflippen und sich riesig freuen. Es ist Liberty. Und da es ihr Geburtstag ist, wird Stuart sich zusammenreißen müssen“, erwiderte er nur und ich nickte.

„Der Plan ist gar nicht mal so übel“, stimmte ich nachdenklich zu und Ed lachte.

„Kommt ja auch von mir. … Und ich muss jetzt Schluss machen. Mach dir keine Sorgen, Mae, es wird alles gut. Ich vermisse dich, Darling. Bis morgen!“, meinte er leise und immer, wenn er das sagte, stockte mein Herz ein kleines Stück. Und dann hatte er aufgelegt.

Am nächsten Tag war ich früh aufgebrochen und ziemlich pünktlich dort, aber mein Freund war noch ein Stückchen pünktlicher gewesen. Lächelnd sah ich Ed an, der vor der Haustür der beiden auf mich gewartet hatte. Ohne etwas zu sagen hielt er mir seine Hand hin, die ich nur zu gerne annahm, und er zog mich zu sich heran.

„Du siehst bezaubernd aus“, meinte er leise und meine Wangen erröteten.

Ich gewöhnte mich einfach nicht daran, dass er solche Sachen zu mir sagte.

„Bereit?“, fragte er dann und ich nickte, bevor ich auf die Klingel drückte.

„ED! … MAE?! Kommt rein!“, öffnete Liberty uns die Tür, war ganz aufgeregt und zog uns zu sich.

„Alles Gute!“, gratulierten wir ihr und überreichten ihr unsere Geschenke. „Von euch beiden? Das wäre doch nicht nötig gewesen. Ich wusste gar nicht, dass ihr euch so gut versteht“, redete sie auf uns ein und führte uns ins Esszimmer.

„Erzählt Stu denn nie, was ich so treibe?“, wollte ich wissen und kam dann direkt auf meinen Vater zu.

„Schön, dich zu sehen!“, begrüßte er mich und zog mich in eine große Umarmung. Ed begrüßte er mit einem Handschlag und sofort waren die beiden wieder am rumalbern.

„Die kann man auch keine zwei Sekunden alleine lassen, oder?“, fragte ich an Liberty gewandt und sie nickte.

„Es ist schrecklich. Gott sei Dank bist du da, das würde ich sonst nicht überleben. Die können so kindisch sein!“, stimmte sie mir zu und ich lachte. „Dann muss ich wohl ein wenig für Ordnung und Disziplin sorgen, wenn ich mit auf Tour komme“; sprach ich etwas lauter, sodass auch die Männer mich hören konnten, und Stuart drehte sich zu mir um.

„Du kommst mit? Du vertrittst mich?“, wollte er wissen und ich lächelte nur breit, nickte.

„Ed hat mich überzeugt, dass das eine gute Idee wäre“, zuckte ich mich den Schultern und Stu klatschte begeistert in die Hände.

„Ganz der Vater. Ich bin begeistert!“, lächelte er und ich konnte nur den Kopf schütteln.

„Ich werde sterben“, murmelte ich in Libertys Richtung, bevor sie mich in die Küche zog, wo ich ihr beim Kaffee kochen half.

„Der Schal ist unfassbar schön, Mae! Hast du den selbst gemacht?“, wollte Liberty von mir wissen, als sie gerade dabei war, ihre Geschenke auszupacken, und ich nickte.

„Ja, ich dachte, das wäre perfekt für die kalte Jahreszeit“, meinte ich nur und ich erinnerte mich an die Abende zurück, wo ich abwechselnd an der Masterarbeit und an diesem Schal gesessen hatte, damit er noch fertig wurde, und Ed vollkommen ignoriert hatte. Es hatte sich auf jeden Fall gelohnt.

„Mein Geschenk ist jetzt nicht ganz so hübsch“, lächelte Ed dann und reichte ihr einen Umschlag.. Interessiert öffnete sie ihn und blickte dann erst zu Stuart und dann zu uns.

„Danke, Ed“, meinte sie ehrlich.

„Zeig mal!“, verlangte Stuart nur und sah Ed dann erstaunt an.

„Wow, wie hast du das denn hingekriegt?“, fragte er ihn und Ed schüttelte grinsend den Kopf.

„Du hast vergessen, dass ich Ed Sheeran bin, Stuart. Irgendwo für muss das ja gut sein“, grinste er und zog Liberty dann in eine große Umarmung. Ed hatte ihnen einen Abend in dem exklusivsten Restaurant hier in London geschenkt, komplett auf seine Kosten. Und das war ein Restaurant, in dem eigentlich nur Stars verkehrten.

„Und zieh ja deinen Smoking an, Stu. Sonst lassen sie dich nachher nicht rein“, scherzte ich und duckte mich sofort zur Seite, als Stuart Anstalten machte, nach mir zu greifen.

„Ich habe zu danken, Ed. Und ich werde dafür sorgen, dass er einen trägt. Aber apropos Smoking, wir müssen noch kurz was wegen der Hochzeit klären, das hätte ich ja fast vergessen“, meinte Liberty dann und strahlte. „Das wird so unfassbar gut werden“, grinste ich und nahm mir noch Kekse vom Keksteller. Liberty lachte leise.

„Es ist nur das Standesamt, also ganz ruhig. Was ich aber fragen wollte: Kommt ihr jeweils mit Begleitung? Ed?“, wollte sie wissen und Ed und ich warfen uns einen kurzen Blick zu.

„Wir kommen zusammen“, antwortete ich und kaute dabei weiter auf meinen Keksen rum.

„Wie, ihr kommt zusammen? Ach, um nicht alleine zu sein?“, fragte sie dann und ich hätte mich fast an meinen Keksen verschluckt.

„Ist ein gutes Alibi, da hast du recht. Aber ne, wir sind zusammen, deswegen kommen wir auch zusammen“, warf ich so beiläufig wie es ging ein und im nächsten Moment hörten wir, wie Stuart sich tatsächlich an seinem Wein verschluckte, den er gerade trank. Liberty starrte uns einfach nur an.

„Hast du gerade wirklich gesagt, dass…“, begann sie und ignorierte ihren Verlobten gekonnt, sondern zeigte zwischen uns beiden hin und her. Ich zuckte nur mit den Schultern und nickte, während Ed versuchte, Stuart auf den Rücken zu klopfen, doch dieser wehrte sich vehement.

„Lass deine Finger von mir. Nein, lass deine Finger von Mae!“, grummelte er und versuchte wieder durch zu atmen. „Das ist doch auf so vielen Ebenen falsch!“, meinte er und sah dann zwischen uns beiden hin und her.

„Stuart! Das gehört sich nicht! Also ICH freue mich für euch“, tadelte Liberty Stuart und ich musste mich echt bemühen, nicht laut los zu lachen. „Dein Gesichtsausdruck ist genial, Stu. Was ist denn los? Warum stört dich das so?“, wollte ich wissen und warf dann einen kurzen Blick zu Ed, der leicht zögerlich aussah und nicht wirklich wusste, was er jetzt machen sollte. „Ich… Ich hab Ed doch quasi adoptiert, ich muss da was gegen haben!“, war sein kläglicher Versuch, sich da irgendwie raus zu reden, doch er scheiterte. „Dann solltest du doch besonders froh sein, dass deine Tochter so einen netten und vorbildlichen jungen Mann abgekriegt hat, oder Stu?“, fragte Liberty dann und er ließ sich seufzend in seinen Stuhl zurück fallen.

„Ich hasse euch alle“, grummelte er dann und ich fing an zu lachen. „Du bist echt der beste Vater, den ich mir hätte wünschen können“, lächelte ich in seine Richtung und sofort kam er ein wenig aus seiner Abwehrhaltung heraus und lächelte zurück.

+ Kapitel 4.3: Der Neustart +

„Ich war selten so stolz auf jemanden, wie ich heute auf Mae war. Und Stolz ist ein ziemlich merkwürdiges Gefühl.“ (23.04.2014)

„Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du fertig bist“, murmelte Kelsey, als sie sich mein Zeugnis anschaute, das ich mir gerade abgeholt hatte.

„Frag mich mal“, meinte ich und seufzte. Nie wieder Uni. Nie wieder

Vorlesungen. Nie wieder zusammen mit Kel leiden…

„Kommst du zu meiner Zeugnisverleihung, wenn ich mal fertig werden sollte?“, fragte sie und ich nickte.

„Natürlich!“, bestätigte ich und lächelte sie aufmunternd an. Da sie ein wenig langsamer gemacht hatte, um nebenher zu arbeiten und ein paar Praktika zu machen, hatte sie noch ein paar Module vor sich.

„MAE! Da bist du ja!“, wurde ich dann gerufen und erstarrte, drehte mich langsam um und blickte direkt in sein Gesicht. Das war doch nicht sein

Ernst…

„Oh mein fucking Gott“, meinte Kelsey und musste sich an mir festhalten. „Sie sind Stuart - The Goal – Camp!“, meinte sie dann und musste sich wirklich zusammen, nicht zu fangirlen.

„Ich bin bitte was?“, fragte Stuart dann perplex, während er mich in eine kurze Umarmung zog.

„Du bist ‚The Goal‘. Du bist das, was jeder Musikmanagement-Student anstrebt. Ich meine du bist Manager und Best-Friends mit Ed, reist um die Welt, und bist fucking best-friends mit Ed. Das sind so die typischen Gründe“, erklärte ich kurz. „Und das ist Kelsey. Kelsey, das ist Stuart“, stellte ich kurz vor und Stuart reichte meiner Freundin, die sich fast nicht mehr einkriegte, die Hand.

„Krieg ich ein Autogramm?“, fragte sie dann und ich fing an zu lachen, Stuarts Blick war mehr als genial.

„Äh, klar, wieso nicht“, meinte er dann und im nächsten Moment unterschrieb er auf allen möglichen Sachen und Fotos wurden auch noch gemacht. Na wunderbar.

„Töchterchen? Wir wollten dich eigentlich jetzt zum Essen einladen. Hast du Zeit?“, wollte Stuart dann von mir wissen und ich schlug mir innerlich mit der Hand gegen den Kopf.

„MAE! Bitte was hat Stuart da gerade gesagt?“, kreischte Kel und ich seufzte.

„Danke Stu… Darf ich vorstellen. Kelsey, meine beste Freundin. Stuart, mein Vater“, murmelte ich und merkte im nächsten Moment, wie Kel zur Seite kippte und fing sie so gut es ging ab. „Ja grandios, hilf mir mal, Stu. Ich hoffe, dein Auto steht nicht zu weit weg“, murrte ich und Stuart zögerte. „Sollten wir nicht besser irgendwen rufen“, warf er ein und ich schüttelte den Kopf.

„Das hat sie öfter, sie muss sich nur setzen und dann macht ihr Kreislauf wieder mit. Und jetzt hilf mir!“, meinte ich und dann trugen wir sie zum Van, der Gott sei Dank nur ein paar Meter entfernt stand.

„Hey Ed, rutsch mal“, meinte ich nur und dann setzten wir Kel nach hinten zu Ed auf die Rückbank. Ed sah uns beide nur vollkommen verwirrt an. „Wer ist das? Und warum bewegt sie sich nicht“, meinte Ed perplex, während ich mich auf den Beifahrersitz setzte.

„Sie bewegt sich doch. Ihr Kreislauf ist weggebrochen und ihr ist schwarz vor Augen geworden. Das macht sie leider öfter, einfach so umkippen, wenn sie sich aufregt oder aufgeregt ist. Sie ist mal mitten in einer mündlichen Prüfung einfach weg gewesen“, erklärte ich und bedeutete Stuart dann den Van zu starten. Kel hinten bewegte sich auch schon wieder ein wenig mehr und richtete sich dann auch wieder auf.

„Bin ich schon wieder umgekippt?“, fragte sie nur und setzte sich dann ordentlich hin.

„Ja, bist du. Wir haben dich dann ins Auto gepackt und kidnappen dich gerade. Wir wollten nicht so in der Öffentlichkeit rumstehen“, erklärte ich ihr und sie nickte.

„Bin ich ja gewohnt“, meinte sie und richtete sich erst ihre Haare, bevor sie sich anschnallte und dann das Wageninnere unter die Lupe nahm. „Ach, hey. Ich bin Kelsey“, meinte sie dann in Eds Richtung, der sie immer noch wie ein Auto anschaute und Stuart und ich fingen an zu lachen.

„Ed. Freut mich. Und was ist da vorne jetzt so witzig?“, fragte Ed und wir lachten nur noch mehr.

„Kel ist gerade vollkommen ausgeflippt, als sie Stuart gesehen hat. Und du kriegst nur ein einfaches Hey. Zu genial“, grinste ich und zwinkerte Kel zu. „Und jetzt verratet mir mal, wo wir essen gehen werden. Ich habe ziemlich Hunger. Und schau mal, Ed“, meinte ich dann und reichten ihm den Umschlag mit meinem Zeugnis.

„Du bist echt fertig“, meinte er und lächelte mich breit an. „Dann kann die Tour ja kommen“, setzte er hinzu und Kel schnappte schon wieder nach Luft. „Geht es um das, was ich denke, um das es geht“, wollte sie wissen und Ed sah mich an.

„Was hast du ihr denn bitte erzählt?“, wollte er wissen und Kel verschränkte die Arme vor der Brust.

„Zu wenig! Ich hab eben auch erst erfahren, dass The Goal ihr Vater ist“, beschwerte sie sich, aber ich wusste genau, dass sie mir das nicht krumm nahm. Das war das tolle an unserer Freundschaft, wir konnten auch mal was verschweigen, ohne dass die andere Person wirklich sauer wurde.

„The Goal?“, fragte Ed verwirrt und ich seufzte.

„Damit meint sie Stuart. Und ja, du denkst genau das richtige. Ich begleite die beiden Chaoten auf Tour. Mein Pflichtpraktikum hab ich auch bei Stuart gemacht“, erklärte ich und Kels Augen wurden immer größer. „Und ich bin mit Ed zusammen. Aber das sollte am besten keiner wissen“, setzte ich dann noch hinzu und machte mich schon darauf gefasst, dass sie gleich wieder umkippte, sie schloss aber nur kurz die Augen, atmete tief durch, und öffnete sie wieder, sah dann zu Ed.

„Ich glaube, jetzt überrascht mich nichts mehr. … Und ich bin froh, dass du jetzt da bist. Hast du Josh mal kennen gelernt? Schrecklich, dieser Mensch“, war Kel dann wieder voll in ihrem Element und war gerade dabei, Ed vollzutexten. So, wie sie es einfach immer tat.

Eine Woche später war dann schließlich Anfang Mai und mein Geburtstag.

Ich hatte die letzte Woche nicht sehr viel getan, musste nur ab und an noch zur Uni oder zu anderen öffentlichen Institutionen, um alles nach meinem Abschluss zu regeln, und hatte die restliche Zeit mit Kelsey oder Ed verbracht.

Letzterer hatte mich heute früh nach einem riesigen Frühstück aus meiner eigenen Wohnung verbannt und ich hatte mich meinem Schicksal gebeugt. Ich war ehrlich gesagt froh drum, ein wenig Zeit für mich zu haben und in Ruhe zum Friedhof fahren zu können. Ed hatte mir zwar angeboten, dass er mitkam, aber das wollte ich nicht, ich war bisher immer alleine bei ihr gewesen, das hatte ich bisher an jedem meiner Geburtstage getan. Ich war zu einem Blumenladen gegangen, hatte mir den schönsten Strauß besorgt, den es da gab, und war dann mit der Bahn zum Friedhof gefahren. Meine Mutter war hier am Rande Londons begraben worden, wo wir auch in der Nähe unser Haus gehabt hatten. Das machte es einfach, mal so bei ihr vorbei zu fahren, um mit ihr zu reden. Und ich war gerne hier, es war ein schöner Friedhof, auch wenn das eigentlich kein schöner Anlass war. Aber hier war der einzige Ort, wo ich mich komplett mit meiner Mutter verbunden fühlte. Ich hatte hier schon viel geweint, viel gelitten und so viel durchgemacht, aber vielleicht gerade deshalb kam ich so gerne hier her. Das hier war ein Ort von Bedeutung.

Nach einigen Stunden und nach einer langen U-Bahnfahrt stand ich dann irgendwie ziemlich fertig, aber auch ziemlich glücklich vor meiner Haustür und schloss die Tür auf.

„Nochmal Alles Gute zum Geburtstag, Mae!“, hörte ich Ed sagen und ich war im nächsten Moment bei ihn, betrachtete ihn und…

„Du hast mir Kuchen gebacken?“, fragte ich perplex und schaute Ed an, der nun wirklich mit einem Kuchen vor mir stand und ich… ich traute meinen Augen nicht.

„Natürlich!“, erwiderte Ed aber nur und stellte den Kuchen auf dem

Küchentisch ab, um mich in seine Arme zu schließen. „Zu einem richtigen

Geburtstag gehört richtiger Geburtstagskuchen“, flüsterte er an meinem Ohr, während ich mich an ihm festkrallte und nicht wirklich wusste, wie ich darauf reagieren sollte. Sonst war Ed nie da gewesen, um meinen Geburtstag mit mir zu feiern und… „Hey, Mae, hab ich irgendetwas falsch gemacht?“, fragte Ed dann und ich schüttelte sofort den Kopf. „Nein, du machst alles mehr als nur richtig“, hauchte ich und sah den Kuchen an. „Es ist ewig her, dass ich einen richtigen Kuchen bekommen habe“, setzte ich dann noch hinzu und Ed strahlte mich an.

„Dann hab ich ja wirklich alles richtig gemacht. Ach ja, ich würde mich an deiner Stelle vielleicht ein wenig umziehen, deine Gäste kommen bald“, fuhr er dann fort und ich erstarrte in meiner Bewegung.

„Gäste?“, fragte ich mit zu hoher Stimmlage und Ed nickte nur.

„Natürlich, Geburtstagsgäste, wegen deiner Geburtstagsparty“, erwiderte er.

Mit offenem Mund starrte ich ihn an.

„Oh mein Gott, ich hatte seit Jahren keine Party mehr, ich hatte seit Jahren keinen Geburtstagskuchen mehr, ich… Oh Gott“, murmelte ich und war komplett überfordert.

„Dann wird es ja mal wieder Zeit. Ich hab dir ein Kleid auf dein Bett gelegt, ich glaube, das wäre sehr geburtstagstauglich. Und jetzt beeil dich“, schickte Ed mich nach oben und ich stolperte die Treppe hinauf. Eine Geburtstagsparty, das war… absolut unglaublich.

„MAE!“, wurde ich kurze Zeit später von meinem Vater und Liberty begrüßt, die sich beide auch besonders schick gemacht hatten, und ich ließ mich von den beiden in die Arme schließen. „Happy Birthday, Kleine.“

Ich lächelte nur breit, während ich das Geschenk der beiden annahm und einfach so unfassbar gut drauf war. Ed hatte Musik angemacht, mein Wohnzimmer war mit Luftschlangen und Luftballons geschmückt und er hatte sich extra ein besonders schickes Hemd angezogen, für mich. Während ich wieder das eine Kleid trug. Ed hatte genau das Richtige ausgewählt.

„Hier treibt sich Ed also immer rum, wenn er mal nicht arbeitet. Deine Wohnung ist wirklich der Wahnsinn, Mae“, meinte Liberty dann zu mir – sie war in all den letzten Jahren irgendwie nie hier gewesen – und ich nickte nur.

Ich liebte diese Wohnung dafür einfach zu sehr.

„Dann dürften wir ja jetzt komplett sein, oder?“, fragte ich dann Ed, der mir gerade das Geschenk abnahm und zu den anderen legte, wo auch immer die gerade herkamen, und er schüttelte nur den Kopf. Im nächsten Moment klingelte es auch schon.

Verwirrt ging ich dann aber zur Tür und erschreckte mich zu Tode, als ich sie öffnete und mir der Besuch um den Hals fiel.

„Oh Gott, Mae, alles Gute zum Geburtstag. Ich bin ja so gehyped, wie geht es dir?“, redete Kelsey auf mich ein und hatte mich im nächsten Moment zurück zu den anderen gezogen.

„Jetzt sind wir vollständig“, lächelte Ed mich an und ich konnte einfach nur zurücklächeln, während Kel weiter auf mich einredete und mich aufs Sofa schob.

Und dann gab es Kaffee, viel Kaffee und vor allem den Kaffee, den Ed mir irgendwann mal geschenkt hatte, und seinen Kuchen, der unfassbar gut schmeckte. Und wir redeten und hörten Musik und alle hatten so unfassbar gute Laune und freuten sich wirklich, hier bei mir sein zu können. Und Stuart brachte immer wieder Sprüche gegen Ed, Kelsey hing an Stuarts Lippen, während Liberty und Ed Pläne schmiedeten, um Stuart ein wenig zu ärgern. Und ich war mittendrin und hatte den größten Spaß, den man bei so einer komischen Geburtstagsparty haben konnte.

„Oh Gott, die Geschenke!“, meinte Ed dann irgendwann und alle schnatterten wie wild durcheinander, wer denn zuerst sein Geschenk schenken durfte, und im nächsten Moment hatte ich dann einfach Kelseys Geschenk auf meinem Schoß, das ich ungeduldig auspackte.

„Wow, das ist der Wahnsinn“, murmelte ich, während ich mir den

Bilderrahmen anschaute. Es war ein Bild von all den lieben Menschen in der Uni, die mit mir gemeinsam die Vorlesungen erlitten hatten und die ich jetzt wahrscheinlich nie mehr wieder sehen würde.

„Wenn du den Rahmen aufmachst, sind da ganz viele kleine Notizen und nette Worte von den Leuten drin“, meinte Kel dann noch und ich lächelte sie ehrlich dankbar an. Das war wirklich der absolute Hammer.

„Danke, Kelsey!“

Und dann gab‘s die weiteren Geschenke. Liberty hatte mir Zeit geschenkt, einen kompletten Tag nur für Mädchenkram, und ich nahm diese Zeit unfassbar gerne an. Und dann lag da noch ein Paket, das ungefähr der Größe mehrerer Blätter übereinander entsprach. Ich ahnte schon, was das sein könnte.

Schnell und vorsichtig entfernte ich das Geschenkpapier. Meine Augen wurden groß, als ich sah, was es war, und überflog die erste Seite. „Warte, warte, warte Mal“, murmelte ich und sah auf, von Stuart zu Ed und wieder zurück. „Der Vertrag geht ab jetzt und… über die komplette Tour?“, setzte ich dann hinzu und blätterte nochmal durch die Seiten. „Warum ist der Vertrag nicht befristet über September bis November?“, fragte ich dann und Stuart sah mich seufzend an.

„Weil du die ganze Tour mit dabei sein wirst? Denkst du wirklich, Ed lässt irgendetwas anderes zu? Und denkst du, er wird dich kurz vor Weihnachten einfach gehen lassen? Und ich bin froh, ne weitere Hand zu haben. Ab jetzt.“ „Ich… Moment mal, ich bin komplett befugt? Lese ich das richtig?“, fragte ich dann weiter und Stuart grinste nur.

„Jap, nicht nur für Oktober und November, sondern die ganze Zeit. Macht vieles einfacher“, meinte er und ich atmete tief durch. „War Eds Idee“, setzte mein Vater dann noch hinzu und ich drehte mich zu Ed um.

„Oh Gott, das ist mit Abstand der beste Geburtstag, den ich jemals hatte, Ed. Ich weiß nicht, wie ich dir jemals dafür danken kann“, murmelte ich und konnte nicht verhindern, dass mir einzelne Tränen die Wangen hinunter laufen.

Ed lächelte mich nur an und legte einen Arm um meine Schultern, strich mir mit seinem Daumen behutsam über die Schulter.

„Und ich muss leider zugeben, dass ihr doch ziemlich gut zusammen passt“, meinte Stuart dann noch zähneknirschend, und ich weinte nur noch mehr.

Womit hatte ich diese Menschen hier eigentlich verdient?

„Ich will die traute Stimmung ja nicht stören, aber da liegt noch ein Geschenk“, meinte Kelsey dann und ich strich mir die Tränen aus den Augen, nahm das Geschenk dann an.

„Von wem ist das?“, wollte ich wissen und ich spürte, wie Ed mir mit dem Daumen mehrfach auf die Schulter tippte. Irritiert sah ich zu ihm hinauf. „Aber ich hab doch schon so viele Geschenke von dir“, murmelte ich, öffnete dann aber die kleine Dose und … ein noch kleineres Medaillon kam zum Vorschein. „Ed“, meinte ich dann und er seufzte nur.

„Mach es doch erstmal auf“, erwiderte er und ich nickte, öffnete es dann. Und die Bilder, die ich dann sah… damit hätte ich nicht gerechnet. Still schaute ich mir die vier Bilder an. Es waren alles Bilder, die ich schon kannte, und die Ed verkleinert hatte, damit sie hier in das Medaillon passten. Zum einen das Bild von meiner Mutter und Stuart, als er noch jung war, und das ich erst so spät entdeckt hatte, aber das mein ganzes Leben verändert hatte. Ein Bild meiner Großeltern, als beide noch glücklich in die Kamera strahlen konnten. Ein Bild von Stuart und Liberty, die mittlerweile so sehr zur Familie gehörte, und ein Bild von Ed, das damals ganz am Anfang meines kleinen

Praktikums aufgenommen worden und mittlerweile eines meiner

Lieblingsbilder von ihm war, wie ich ihm das irgendwann mal erzählt hatte. „Da wir jetzt ziemlich lange unterwegs sind, dachte ich, dass du wenigstens ein paar Bilder immer bei dir haben kannst. Alle von deinen Bildern hier kannst du ja leider nicht mitnehmen“, erklärte er sich und zeigte dann auf die Wände hier rundherum. Ich nickte nur langsam und gab das Medaillon dann an Stuart weiter, damit er sich das auch anschauen konnte.

Und ich schaute nur zu Ed nach oben, konnte sehen, wie glücklich er gerade war, dass ich mich darüber freute. Und ich freute mich so sehr.

+ Kapitel 4.4: Ruby +

„Du solltest aufhören, so oft über sie hier rein zu schreiben, auch wenn sie immer so gute Ideen hat. Aber das hier war eine unfassbar gute Idee von ihr gewesen!“ (31.07.14)

Die nächsten Wochen verliefen echt unfassbar gut, auch wenn es viel zu tun gab und ich dauernd unterwegs war. Wir bereiteten die Shows vor, Mae und

Stuart hockten den ganzen Tag aufeinander und machten die typischen Managersachen, die eben so gemacht werden mussten, und ich war unfassbar glücklich, abends zu Mae nach Hause zu kommen und so ein wenig Normalität beibehalten zu können.

„Hallo Darling“, hauchte ich Mae ins Ohr, nachdem ich durch die

Wohnungstür gekommen war und sie im nächsten Moment um meinen Hals hängen hatte. Sie freute sich jeden Abend so sehr, mich zu sehen – auch wenn wir tagsüber zusammengearbeitet hatten – und mir ging es nicht anders. „Wie war dein Tag?“

„Grandios! Wir haben zwar noch ein paar Interviews rein bekommen, wegen denen wir nochmal schauen müssen, wegen den Fahrtzeiten und so, aber im Moment klappt alles reibungslos“, erwiderte sie und half mir dann aus meiner Jacke.

„Das ist echt der perfekte Job für dich, Mae. Ich hab dich noch nie so glücklich gesehen“, stellte ich dann fest und Mae lachte nur leise. „Liegt vielleicht nicht nur an dem Job, aber auch“, erwiderte sie grinsend, bevor sie mich ins Wohnzimmer zog. „Ich hab mir übrigens mal so ein paar Videos von dir angeschaut, von früher, um so ein Gefühl von dem Moderator zu bekommen. Es ist voll interessant, du hast dich im Laufe der Zeit in deinen Interview total verändert. Und man merkt dir an, wenn dich irgendwas belastet“, meinte sie dann noch und ich zog eine Augenbraue in die Höhe.

„Mae? Wie viele Interviews hast du denn insgesamt schon gesehen?“, wollte ich wissen und Mae seufzte nur.

„So einige? Ich hab mir sie früher gerne angeschaut, wenn du nicht da warst. Immer, wenn ich mich einsam gefühlt habe und deine Stimme hören wollte, hab ich mir Videos von dir angeschaut. Auftritte, Interviews, egal. ... Ist das komisch?“, fragte sie dann und ich schüttelte lächelnd den Kopf. Das war verdammt süß.

„Nicht komisch, aber ungerecht! Was konnte ich denn machen, wenn ich mich einsam gefühlt habe? Ich konnte mir keine Videos von dir anschauen...“, murmelte ich und Mae sah mich an.

„Ein Grund, warum du immer wieder hier her zurückkommen musst. Was ich aber sagen wollte: Mir ist etwas aufgefallen an den Videos und wie sie sich im Laufe der Zeit verändert haben. Und ich hab dir einen weiteren Gig besorgt“, meinte sie dann vollkommen begeistert und ich seufzte. „Mae, wer bist du? Stuart? Noch mehr Auftritte? Die Tour geht bald los“, seufzte ich und sah sicherlich nicht all zu begeistert aus. Wir hatten so viel für die Tour zu tun, da brauchten wir nicht noch ein Konzert. „Der ist wichtig und Stuart hat zugestimmt“, erwiderte Mae aber unbekümmert und ich verschränkte die Arme vor der Brust, bevor ich mich erschöpft auf dem Sofa fallen ließ. Es war ein langer Tag gewesen.

„Ich aber nicht“, meinte ich nur.

„Vertrau mit, Ed“, war aber das Einzige, was Mae sagte, und ich sah sie einfach nur an. Seufzend streckte ich meine Arme nach ihr aus.

„Komm her, ich mach‘s ja. Aber erzähl mir davon“, gab ich nach und Mae ließ sich auf meinen Schoß ziehen.

„30.07, in Doyles Bar, Dublin“, meinte sie dann nur und ich nickte, Dublin war nicht London und…

„Moment mal, ne Bar? Da passen doch nur…“, begann ich, doch Mae unterbrach mich.

„Ne handvoll Menschen rein? Genau. Sind die Ruby Sessions. Kleine Bühne, kleines Publikum, soll wohl ziemlich gemütlich sein“, erklärte sie und ich schluckte.

„Oh Gott, ich nehme alles zurück, was ich eben gesagt habe. Ich liebe dich“, meinte ich nur und Mae lächelte breit. „Wie bist du denn darauf gekommen?“

„Ach…, klingt vielleicht komisch, aber ich glaube, das fehlt dir mittlerweile so ein wenig. Ich hab mir viele Videos von früher angeschaut und … du vermisst die alten kleinen Clubs. So wirkt das manchmal. Große Hallen sind zwar cool, aber ab und an mal so nen kleinen Gig mit 40 oder 50 Leuten ist halt auch cool… Mit einem leidenschaftlichen Publikum, stickiger Luft. 50 Leute, die so laut sind wie tausend. Alle ein wenig angetrunken, gelöst, mitgröhlend, jubelnd. 50 Leute, die abgehen, wenn du anfängst zu rappen, die deine Cover kennen, die deine Lyrics kennen und einfach nur feiern. Und wenn du so gelöst bist, dass du das einfach nur genießt, vorher mit den anderen ein Bier getrunken hast und schon einen tollen Abend hast, und du dann einfach auf die Bühne gehst, nicht mehr nachdenkst und du einfach nur spielst und singst und rappst und einfach mal deine Seele aus dem Leib freestylest und alles andere ausblendest… Und du weißt nicht, wie viele Leute sich um so einen Gig reißen würden“, meinte sie dann und steigerte sich ein wenig zu sehr in das Thema rein, aber… Aber es klang so gut. Es klang so wie früher, als ich angefangen hatte.

„Ich brauch ne Handvoll Tickets“, meinte ich dann und hatte auch schon genau eine Vorstellung davon, wen ich alles für diesen Abend einladen würde. So kurz vor der Tour, so kurz vor den riesigen Hallen.

„Die kriegst du. Sag mir nur, wie viele. Und wohin ich sie schicken soll“, lächelte Mae dann und ich schmunzelte. Sie hörte sich schon genau so an wie Stuart. „Schon eine Idee, was für besondere Songs du spielen willst?“, hakte sie dann noch nach und ich zuckte nur mit den Schultern. „Keine Ahnung, entscheide ich dann“, erwiderte ich und Mae seufzte nur. „Wieso nicht mal wieder sowas wie ... Pony. Oder ...“, begann sie dann und ich unterbrach sie sofort. „Das kannst du vergessen!“

„Aber du könntest einem Auftritt von vor ein paar Jahren alle Ehre machen, ein wenig dein Shirt ausziehen und...“, fuhr sie weiter fort, aber… „Mae, das kannst du sowas von komplett vergessen. Nein!“, erwiderte ich. Mae verschränkte schmollend die Arme vor ihrer Brust und sah mich an. „Mae, nein… Die Lieder kann ich so einfach nicht mehr spielen, nicht, wenn du im Publikum sitzt“, schüttelte ich mit dem Kopf und Mae rollte mit dem Augen, lächelte aber immerhin wieder.

„Aber mir spielst du sie noch vor, oder?“, wollte sie dann wissen und ich nickte nur.

„Wann immer du willst, Darling.“

+

Und die Zeit bis zu diesem einen Gig und die allgemeine Vorbereitungszeit verging schneller als wir dachten. Die Zeit rann uns nur so durch die Hände, es war der letzte Auftritt vor der Tour, und es würde bald wirklich los gehen. Tourleben. Rumreisen. Konzerte spielen. All dieser Kram, den ich nur vier Wochen mal mitgemacht hatte, aber der für das nächste halbe Jahr dann wohl mein Leben sein würde.

„Ed? Wir müssen so langsam los“, rief ich die Treppe nach oben und schnappte mir unsere Sachen. Stuart würde gleich unten vor der Tür stehen und uns abholen, damit wir zum Flughafen kamen. Es war der 30.07.2014, 7.28 Uhr.

„Bin schon da“, meinte Ed dann und sprang die Treppenstufen regelrecht nach unten.

„Freust du dich?“, fragte ich ihn, während ich in meine Schuhe schlüpfte, meinen Rock richtete und dann unsere… meine Wohnung verließ.

„Natürlich.“

Und dann rauschte der Tag nur so an uns vorbei. Fahrt zum Flughafen, der kurze Flug, vom Flughafen zum Hotel, kurz Einschecken, dann wieder raus, ein wenig die Stadt anschauen, dann kurzer Soundcheck, wieder zum Hotel, kurzes Ausruhen und wieder zurück zur Location. Ich war jetzt schon komplett fertig, der Flug heute hatte mich irgendwie komplett fertig gemacht.

„Willste auch was trinken? Bier?“, fragte ich Ed, als ich mich Backstage am Kühlschrank bediente und Ed sah mich mit schiefgelegtem Kopf an. „Ich kann bei Auftritten doch nichts trinken“, murmelte er und ich verdrehte die Augen.

„Nicht? Ich gebe es ja ungern zu, aber manchmal braucht man ein wenig Alkohol, wenn man Ed Sheeran heißt und ein kleines Clubkonzert spielt. Irisches Bier?“, fragte ich dann und reichte ihm eine Flasche. Er nuschelte nur irgendetwas. „Und jetzt lass uns mal nach vorne gehen, ich glaube da gibt’s ein paar alte Freunde von dir, die dich lange schon nicht mehr gesehen hatten. Hab gehört, deine Cousine soll auch da sein?“

Und so waren wir kurze Zeit später vorne, Ed amüsierte sich köstlich und ich lehnte mit Stuart an der Bar und beobachtete ihn. Es tat so gut, ihn so glücklich zu sehen. Ein wenig aufgedreht, dieses wunderschöne Lächeln auf den Lippen, und alle Leute hier hatten eine so gute Zeit.

„Kommst du kurz mit nach hinten?“, stand er dann irgendwann wieder vor mir und hatte mich im nächsten Moment einfach mitgezogen. Ohne auch nur auf eine Antwort zu warten.

„Du bist unglaublich“, meinte er dann und ich nächsten Moment spürte ich, wie Ed mich hoch hob und viel zu überschwänglich küsste. „Das war die beste Idee, die du haben konntest. Und ich muss jetzt raus, du musst laut mitsingen, ja?“, meinte er, küsste mich nochmal und hatte sich dann seine Gitarre geschnappt, war dann schon wieder weg.

Mit schnell klopfendem Herzen war ich dann wieder zu Stuart gegangen, setzte mich zu ihm und nahm ihm mein Bier ab, was ich ihm eben bei Eds Überfall in die Hand gedrückte.

„Hab ihn lange Zeit nicht mehr so glücklich gesehen“, meinte Stu zu mir und ich nickte langsam. Da hatte er recht.

Er lebte für solche Momente und es war unglaublich, ihn solche Momente auskosten zu sehen. Bei vielen Liedern sah Ed mich an und ich liebte seinen Blick, wenn er sang. Ich liebte es, wie er mich anschaute und mir vermitteln wollte, dass er mit den Worten, die er da sang, mich meinte.

So einen unglaublichen Auftritt hatte ich lange nicht mehr erlebt. Auch danach noch war er vollkommen überdreht, trank zu viel, feierte zu viel mit all den Leuten hier, und ich wünschte mir, solche Auftritte würden öfter sein.

„Ich liebe dich, Mae!“, hauchte Ed mir irgendwann urplötzlich in mein rechtes Ohr und ich erschreckte mich fürchterlich, weil er eben noch in ner ganz anderen Ecke des Raumes gewesen war. „Lass uns gehen.“

Verwirrt schaute ich Ed an, seine Augen strahlten und im nächsten Moment hatte er mich schon wieder mit sich gezogen, raus aus dem Club, raus in die Nacht und Richtung Hotel. Und ich folgte ihm.

„Du lächelst so viel, Darling“, hörte ich Ed sagen, als wir zusammen musikhörend auf dem Sofa saßen und, und sah zu ihm herüber.

„Ich bin glücklich, wieso sollte ich nicht lächeln, aber… ich habe trotzdem

Angst. Zum Glück ist Stuart noch da“, murmelte ich und Ed musste sich ein

Lachen verkneifen. Dieser Idiot! „Lach nicht!“

„Du bist Mae Campbell, du hast keine Angst. Punkt. Und ansonsten bin ich ja auch noch da“, meinte er dann und ich verdrehte die Augen. Er wusste genau, wie er mich aufheitern konnte. „Hast du schon deine Sachen gepackt?“, wollte er dann wissen und ich nickte langsam.

„Ja. Alles fertig, ich hab‘s dreimal umgepackt. Ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich diese letzte Nacht überleben soll. Wann holt mein Vater uns ab?“

„Das weißt du besser als ich. Aber 8 Uhr morgens“, meinte Ed dann und ich seufzte. Es war kurz vor Mitternacht und ich war zu aufgeregt, um müde zu sein… „Wollen wir schlafen gehen?“

„Ich werde nicht schlafen können“, erwiderte ich aber nur.

„Dann gehen wir nicht schlafen. Andere Vorschläge?“

„Nein, ich bin nervös!“, maulte ich aber nur. „Das ist meine erste komplette Tour, man! Du hast das öfter gemacht. Für mich ist das gerade…“, fing ich an, aber mir fehlten die Worte.

„Und du wirst das grandios machen, das weiß ich.“

Ich seufzte nur, Ed versuchte irgendetwas zu finden, was mich ablenkte, und schlussendlich lag ich auf dem Sofa, Ed saß davor und spielte mir all die Songs, die ich hören wollte. Und er schaffte es tatsächlich, dass ich mich ein wenig beruhigte.

„Darf ich mir noch etwas wünschen oder hast du genug für heute?“, wollte ich irgendwann wissen und Ed sah mich an.

„Ein Lied noch, das ist okay“, erwiderte er und ich lächelte.

„Pony“, meinte ich dann und Ed verdrehte die Augen. „Was denn? Du hast gesagt, du spielst es mir, wann ich will!“ Ed seufzte nur.

„Ja, das habe ich“, murmelte er und begann dann zu spielen. Ich betete meinen Kopf nur wieder auf den Sofakissen und beobachtete Ed beim Spielen. Ich würde auch nie genug davon kriegen, ihn beim Musizieren zu beobachten.

Am nächsten Tag wachte ich in einer ziemlich merkwürdigen Position auf und musste mich erstmal reorientieren. Roter Teppich, Sofa stand rechts neben mir, ich lag eindeutig auf dem Boden. Deswegen tat wohl auch mein

Rücken zu weh…

„Wie spät ist es, Mae?“, hörte ich Ed leise nuscheln und ich tastete blindlings nach meinem Handy.

„6.28 Uhr“, murmelte ich ebenso müde und setzte mich dann auf. In zwei Minuten würde der Wecker klingeln.

„Wir sollten das übrigens lassen“, meinte Ed dann und setzte sich ebenfalls auf.

„Wie, lassen?“, wollte ich wissen und schlang meine Arme um meinen Körper. Eine Gänsehaut überzog meine Arme, ich hatte einfach zu wenig an. „So aufwachen. Der Boden ist nicht so bequem wie dein Bett und viel kälter“, erklärte sich Ed und dann verstand ich erst, was er meinte. „Ich dachte schon das davor“, nuschelte ich und Ed sah mich an. „Denkst du, ich bin vollkommen bescheuert?“, fragte er nur und ich schüttelte den Kopf.

„Nein… Nein. Und wir sollten wohl jetzt aufstehen.“

„Müssen wir?“, wollte Ed dann wissen und sah mich mit diesen Augen an, die es mir schwer machten, ihm nicht alles zu geben, was er wollte.

„Leider. Und hey, immerhin bin ich jetzt nicht mehr so aufgeregt. Aber jetzt steh auf. Stuart wartet nicht.“

Und ich wollte auch nicht mehr warten. Ich wollte, dass es endlich losging.

+ Kapitel 4.5: Tour 2.0 +

„Ich hätte nicht gedacht, dass Tour noch besser werden könnte, als es bisher gewesen war. Da lag ich wohl falsch.“ (21.09.2014)

„MAE! Dich hat man ja Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Verdammt, wie geht’s dir? Kommst du uns auch mal wieder besuchen?“, hörte ich Chris‘ altbekannte Stimme und fand mich im nächsten Moment in einer Umarmung wieder.

„Freut mich auch! Hat Stuart nichts erzählt?“, erwiderte ich verwirrt und im nächsten Moment schaltete sich auch Ed ins Gespräch ein.

„Bei dem Blick bezweifle ich das, Mae“, meinte er und nun war auch Chris verwirrt.

„Was hat er nicht erzählt?“

„Dass ich jetzt für die Tour Teil der Crew bin?“, fing ich an, doch Chris unterbrach mich.

„Oh Gott, du bist Teil der Crew? Das Dream-Team von Ed und dir ist endlich wieder vereint? Krass, das muss ich allen erzählen! Oh mein Gott, das macht die Tour noch besser!“, redete er auf mich ein und war im nächsten Moment verschwunden.

„Ich hab es denen nicht erzählt, weil sie sonst die ganze Zeit von nichts anderem mehr geredet hätten. Die mögen dich alle! Jedenfalls diejenigen, die dich kennen. Es sind auch viele neue hinzugekommen, die werden dich erst noch mögen“, kam mein Vater dann passend um die Ecke. „Und begrüßt ruhig noch jeden, stell sie jedem vor, Ed. Und sag ihnen, dass sie das Sagen hat, wenn ich nicht da bin“, lächelte er uns an und Ed verdrehte die Augen. „Was ist los?“, wollte ich daher wissen, während Ed mich weiter zu den ganzen Menschen begleitete.

„Sonst hab ich das Sagen, wenn er nicht da ist. Das kann ich ja jetzt wohl knicken“, meinte er schief grinsend und ich stimmte mit ein. „Hey, M!“, rief er dann auf einmal und ich erschreckte mich fürchterlich, aber kurze Zeit später kam ein junger, dunkelhaariger Mann auf uns zugejoggt. „Das da ist Murray, mein Cousin, den kennst du auch noch nicht. Murray, das ist Mae, unsere neue Tour-Managerin“, stellte er mich vor und sofort bekam ich eine kleine Verbeugung von Murray.

„Hallo, schöne Frau“, meinte er lächelnd und küsste dann meine Hand. „Zu viel, Murray“, seufzte Ed dann und ich sah zwischen den beiden hin und her.

„Also ich fand‘s nett“, meinte ich leise und Murray grinste breit.

„Siehst du!“

„Soll ich dich jetzt auch immer mit Handkuss begrüßen, Mae?“, wollte er dann wissen und gab mir einen vielsagenden Blick, ich hob nur abwehrend die Hände.

„Richtige sind mir lieber“, murmelte ich leise und nun wurden Murrays Augen groß, als er das hörte. Interessiert schaute er zwischen uns beiden hin und her.

„Willst du mir irgendwas erzählen, Ed?“

„Ja, du hast gerade meine Freundin angegraben. Und nein, kein Wort zur Familie“, lächelte Ed aber nur und Murray nickte, dann aber realisierte er erst, was Ed da gerade gesagt hatte und im nächsten Moment hatte er mich schon in die Arme genommen und das Gleiche dann auch bei Ed getan. „Herzlichen Glückwunsch. Willkommen, Mae. Ich frage mich echt, wie du das mit ihm aushältst“, grinste Murray dann und ich lächelte nur zurück. „Aber jetzt sag mal, Tour-Managerin? Was ist mit Stuart?“, fragte er dann weiter und Ed fing breit an zu grinsen.

„Du erinnerst dich sicher daran, dass der liebe Stu bald heiraten möchte, nicht?“, erklärte Ed und sein Cousin nickte. „Mae ist der Ersatz für ihn, wenn er auf Flitterweltreise ist. Und auch für den Rest der Tour. Sie muss noch ein wenig eingearbeitet werden und Stu hat eh noch voll viel mit

Hochzeitsvorbereitung zu tun, da ist es vielleicht ganz gut, noch jemanden zu haben, der den Überblick behält. Und Stu hat ihre volle

Verwaltungsgewalt gegeben, sprich… Sie ist unser Chef“, meinte Ed und ich grinste die beiden Jungs an.

„Na das kann ja dann spaßig werden“, seufzte Murray gespielt und verabschiedete sich wieder.

„Super, dann kennst du jetzt auch schon meinen Cousin, der übrigens auch ziemlich gerne alles filmt, was ihm vor die Linse kommt, da würde ich echt aufpassen. Aber lass uns weiter gehen“, meinte Ed dann und hatte mich im nächsten Moment mit sich gezogen.

„Ed? Magst du vielleicht nochmal ein anderes Lied spielen für den Soundcheck?“, fragte ich meinen Freund, der oben vor mir auf der Bühne stand.

„Weil das wichtig ist oder weil du von mir ein weiteres Lied hören möchtest?“, grinste er aber nur zurück und ich verdrehte die Augen.

„Beides? Ne, aber mal ehrlich“, meinte ich und Ed nickte nur.

„Aber natürlich, welches darf es denn sein?“, fragte er dann und ich zuckte mit den Schultern.

„Such dir was aus. Oder fang von vorne an.“

„Von vorne? Na dann mal los!“

‚And if the night is burning, I will cover my eyes‘ (1)

„Was machst du gerade, Mae?“, hörte ich Murray fragen und seufzte. Schon die ganzen letzten Tage war er um mich herum geschlichen und hatte mich gefilmt.

„Ich werde ‚eingearbeitet‘“, meinte ich so aber nur und sah ihn an. „Und

nimm doch einmal die Kamera da weg.“ Murray tat mir den Gefallen.

„Warum die Anführungszeichen?“, wollte er dann wissen und ich zuckte mit den Schultern.

„Ich denke, ich krieg das auch so hin, ne simple Halle zu buchen oder mich mit den Leuten in der Halle zu unterhalten“, seufzte ich nur und M sah mich an.

„Ne simple Halle?! Du bist neu, Mae!“, widersprach er mir und ich verdrehte die Augen.

„Ich war vor drei Jahren schon dabei, ich bin länger hier als du, Murray. Und ich glaube nicht, dass sich viel geändert hat. Außer, dass das Baby größer geworden ist“, murmelte ich und stoppte dann, als ich Murrays breites Grinsen sah.

„Das Baby?“, fragte er mit diesem Unterton in der Stimme

„Man! Die Hallen und alles, du Idiot. Setze keine Gerüchte in die Welt, ich bin NICHT schwanger!“, meinte ich, doch da hatte sich M schon umgedreht und auf dem Weg zu gehen. „Murray!“, rief ich ihm noch hinterher, aber keine Chance….

‚Should this be the last thing I see, I want you to know it’s enough for me‘ (2)

„Ich wusste gar nicht, dass du Katzen so liebst“, murmelte ich in das lange Haar der Katze, mit der ich gerade schmuste, und Ed sah auf, seine Augen leuchteten wie die eines kleinen Jungens an Weihnachten.

„Ich vergöttere sie“, meinte Ed und war von fünf Miezen umgeben, die alle stark auf ihn abfuhren.

„Sollte ich eifersüchtig sein?“, fragte ich nur und er schüttelte den Kopf. „Vielleicht ein bisschen. Später, wenn es irgendwann ruhiger wird, möchte ich auch Katzen“, meinte er dann und sah unsicher in meine Richtung. So, als ob er abchecken wollte, wie ich dazu stand.

„Ich bin mit Katzen aufgewachsen, Ed. Ich bin die letzte, die gegen Katzen ist“, erwiderte ich und Ed strahlte, Murray machte die Kamera aus. „Das kommt nicht in den Vlog, Murray“, seufzte ich noch und M verdrehte die Augen.

„Ich habe es geahnt. Aber wisst ihr eigentlich wie furchtbar niedlich das gerade aussieht?“, griff er sich melodramatisch an sein Herz und ich musste lächeln. Auch wenn er manchmal ziemlich nerven konnte, mochte ich seine Art doch sehr.

‚You know I can't change‘ (3)

„Was tust du da, Mae?“

„Ich zahle?“, meinte ich mit verschränkten Armen vor der Brust und hatte im nächsten Moment mein Portemonnaie in Hand. Ed wollte sich doch nicht wirklich gerade darum streiten, wer den Kaffee hier zahlte, oder?

„Mae!“, meinte Ed leidend, aber ich ignorierte ihn.

„Was denn? Ich verdiene mittlerweile nicht schlecht. Vielleicht hast du es vergessen, ich bin gerade Ed Sheerans Managerin!“, erwiderte ich aber und Ed schüttelte nur seufzend den Kopf. Dagegen konnte er einfach nichts sagen…

„Okay, okay, ich bin ja schon still“, seufzte er und musste dennoch lächeln. „Und hey, es ist immerhin ne Premiere, dass wir hier zusammen stehen

können, ohne dass ich von jemandem erkannt werde.“ Ich nickte nur.

„Und da das auch so bleiben sollte, sollten wir jetzt weiter. Ich hab ja jetzt meinen Kaffee“, zuckte ich mit den Schultern, nahm die beiden Pappbecher und war im nächsten Moment aus der Tür, ließ Ed einfach stehen. Der Kaffee war halt wichtiger.

‚None of us are saints I guess that God knows that‘ (4)

„Manchmal verstehe ich diese Musikkritiken nicht“, meinte ich nachdenklich, als wir zusammen im Tourbus saßen und ich ein wenig auf meinem Handy herumscrollte.

„Wieso denn?“, wollte Ed wissen und rückte näher zu mir, um auch auf den Bildschirm sehen zu können.

„Ich weiß halt nicht, aber alle beschweren sich immer, dass die Musik nicht kindergerecht sei, nur noch Booty-geshake in den Charts. Typen, die darüber singen oder rappen, wie sie in den Club gehen und Mädels aufreißen. Du machst doch genau das gleiche, du singst über komplett all den nicht jugendfreien Kram. Du singst übers Drogen nehmen, übers Rauchen, über Frauen, über Sex. Und fluchst dabei wie sonst was – zumindest auf der Bühne. Du singst genau über das, was bei so vielen anderen Künstlern immer wieder kritisiert wird. Und die jungen Mädels rennen dir die Buden ein und deren Eltern unterstützen das sogar noch. Und nicht, dass ich meine, dass du damit aufhören solltest, denn das wäre eines der größten Fehler überhaupt, aber ich verstehe nicht, warum du nicht dafür angegriffen und kritisierst wirst wie so viele anderen“, erklärte ich ihm und Ed sah mich an.

„Ich hab ja auch andere Lieder“, zuckte er dann mit den Schultern und grinste. „Und du musst zugeben, die haben teilweise ganz schön Schwiegersohnpotential“, setzte er hinzu und war im nächsten Moment aufgesprungen, um aus meiner Reichweite zu sein. Ich verdrehte nur die Augen.

‚Now I don't ever want to be perfect ´cause I'm a singer that you never want to see shirtless’ (5)

„Drummer sind schon ziemlich heiß“, kicherte ich, während ich irgendwann abends durch ein hier herumliegendes Musikmagazin blätterte.

„MAE!“, stöhnte Ed genervt auf und ich sah ihn über den Rand der Zeitschrift hin weg an.

„Was denn? Was soll ich denn sonst machen? Wir sitzen hier in deinem Bus, die meisten schlafen und mir ist langweilig. Und da ich nicht davon ausgehen kann, dass du ne Playgirl dabei hast, schaue ich mir gutaussehende Männer oder besser gesagt Drummer in diesem

Musikmagazin an.“

Stille. Ed starrte mich an, als wäre ich vollkommen verrückt geworden. „Bitte was?“, fragte er dann und ich sah ihn noch verwirrter an als er sein musste.

„Was denn? Du kannst mir nicht erzählen, dass du nicht mal gerne in Zeitschriften wie dem Playboy blätterst. Ich schau mir gerne gutaussehende, spärlich bekleidete Männer und Frauen an“, grinste ich dann nur und blätterte weiter durch die Zeitschrift.

„Du bist du aber bewusst, dass dein Freund gerade vor dir sitzt?“, warf Ed dann in den Raum und ich warf ihm mit meiner Zeitschrift ab.

„Ja, aber der hat ja zu viel an.“

Wieder Stille. Ed fuhr sich nur übers Gesicht.

„Du machst mich fertig.“

„Das hoffe ich doch. Aber jetzt mal ernsthaft, ich hatte einen Wein zu viel und du weißt genau, wie ich dann bin“, meinte ich und wollte Ed ein wenig beruhigen, aber erreichte wohl das genau Gegenteil.

„Wie bist du bitte an Wein gekommen? Du solltest dir besser mal meine Konzerte anschauen!“

„Kenn ich schon. Und ich hab da so einen netten Barkeeper kennengelernt“, meinte ich dann gedehnt und Ed wollte irgendwas erwidern, aber ich ließ ihn nicht. „Der war echt gutaussehend, aber schwul und vergeben. Der Freund war auch nicht von schlechten Eltern. Jedenfalls hatten die Wein – frag mich nicht, wie die den mit in die Halle bekommen haben. Und dann waren das wohl ein paar Gläser zu viel“, zuckte ich mit den Schultern und Ed schüttelte nur wieder den Kopf.

„Dich darf ich auch nicht mehr alleine lassen“, seufzte er. Vielleicht sollte er das wirklich nicht.

„Und wir reisen seit vier Tagen im Tourbus umher. Weißt du, wie schrecklich es ist, nicht über doch herfallen zu können“, meinte ich dann noch und entdeckte einen leichten roten Schimmer auf Eds Wangen.

„Mae!“

„Was denn? Aber du hast die Wahl: Entweder rückst du jetzt deinen Playboy raus oder machst andere unanständige Dinge mit mir“, forderte ich und Ed sah mich kurz prüfend an, bevor er sich seufzend zur Seite lehnte, nach einer tief vergrabenen Zeitschrift griff und sie mir hinwarf.

„Unanständig Dinge müssen ausfallen, irgendwer ist gerade wach geworden und wird sicher gleich in die Lounge platzen. Und ich werde nicht in einer Bustoilette mit dir schlafen“, grummelte er und ich verschränkte schmollend die Arme vor meiner Brust.

„Warum nicht?“

„Warum nicht?! Mae, vielleicht weil ich dich liebe? Das ist nicht sonderlich romantisch. Und weißt du wie scheiße unbequem das sein kann?!“, murmelte er nur und ich schmunzelte, nahm mir dann die Zeitschrift und blätterte darin herum. Schon viel besser.

„Also hast du es schon ausprobiert?“, fragte ich ihn dann und Ed schaute entgeistert zurück.

„Wer hat was ausprobiert? Und warum hast du nen Playboy in der Hand?!“, hörte ich dann Murrays Stimme. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie er durch die Tür gekommen war.

„Dein Cousin, Sex in der Bustoilette. Und wer schaut sich nicht gerne den Playboy an?!“, erwiderte ich simpel und Murray sah mich verwirrt an, bevor er zum Kühlschrank ging und sich eine Flasche herausnahm.

„Ich sollte weniger trinken. Oder mehr. Gott, das Bild krieg ich doch nie wieder aus dem Kopf“, murmelte M verwirrt und war dann wieder mit der Flasche Wasser verschwunden.

„Mae!“, rügte Ed mich und ich zuckte nur mit den Schultern.

„Was denn, er hat gefragt!“, lachte ich leise und blätterte dann weiter durch meine Zeitschrift. Ich hätte echt weniger Wein trinken sollen. Und die Kurze danach vielleicht auch nicht, aber das musste Ed ja nicht wissen.

‚And all of my hopes, all of my words are all over written on the signs’ (6)

„Ich brauche keinen Bodyguard!“, fauchte ich und ging mit bösem Blick auf Ed zu. Stuart trat automatisch einen Schritt zurück und dieser Bodyguard verschränkte die Arme.

„Das hab ich mir auch gesagt, Mae. Bis ich einmal fast zerrissen wurde. Und ich hatte bis vor zwei Monaten nie Probleme damit. Und ich sag ja auch gar nicht, dass du komplett beschattet wirst, aber Stan…“, fing er an und ich kam noch näher auf ihn zu, merkte, wie es in Stans Fingerspitzen juckte. Er war ganz in seinem Job drin.

„Ich brauche keinen Bodyguard!“, wiederholte ich mich und Ed verdrehte ganz leicht die Augen.

„Das habe ich wohl verstanden. Ich habe dir doch nur angeboten, dass Stan mit kommt, wenn du gleich alleine unterwegs bist. Man Mae, reg dich doch nicht so auf. Ich will doch nur, dass dir nichts passiert. Du wirst immer bekannter, weil du hier oder da mal auf einem Crew-Foto aufgetaucht bist neben Stu und mir. Ich will doch nur nicht, dass dir was passiert“, versuchte er weiter auf mich einzureden und ging mir einen Schritt entgegen. „Ich hab doch niemals gesagt, dass du jetzt immer unter Begleitung raus gehst. Ich hab dich doch nur darum gebeten, heute ausnahmsweise Stan mit zu nehmen, weil die Fans heute ziemlich wild sind und das Hotel belagert haben. Mae, bitte!“, flehte er mich dann regelrecht an und ich seufzte. „Okay, heute, ausnahmsweise. … Stan?“, meinte ich nur und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.

„Hast du was gegen mich?“, fragte der Bodyguard mich kurze Zeit später, während er mir die Tür auf hielt und dann neben mir her lief. „Nein, absolut nicht. Ich hab nur etwas dagegen, dass Ed mir sowas vorzuschreiben versucht“, grummelte ich und sah zu meinem Begleiter. „Das ist nicht gegen dich persönlich. Und außerdem, Stuart braucht auch keinen

Bodyguard. Warum brauch ich dann einen?“

„Stuart ist aber auch doppelt so breit und alt wie du“, erwiderte Stan ohne mit der Wimper zu zucken und ich musste anfangen zu lachen. Das hatte er gut erfasst. „Und er ist nicht weiblich, also keine potentielle Gefahr für die

Fans.“

Ich nickte nur. Da hatte er wohl recht.

„Potentielle Gefahr ist gut ausgedrückt“, lächelte ich, während wir durch die nächste Tür nach draußen gingen. Und was dann auf uns wartete, war … unfassbar. So viele Fans hatte ich noch nicht auf einem Haufen gesehen.

Und alle fingen an zu schreien und zu rufen, als sie mich entdeckten.

Und sie versuchten sich uns entgegen zu drängen. Stan machte seinem Beruf alle Ehre und schaffte es, mich unbeschadet zum Auto zu bringen. „Und, hatte Ed so unrecht?“, fragte er, während er das Auto startete und mich auf dem Beifahrersitz ließ.

„Nein“, murmelte ich und starrte durch das Fenster. „Ed hat nie unrecht.“

‚All I want ist he taste that your lips allow‘ (7)

„Ed!”, murmelte ich und strich ihm durch die Haare, wollte seine Aufmerksamkeit.

„Nicht quengeln, Mae. Was ist denn?“, fragte er mich und hörte kurz auf zu spielen.

„Ich hab dich den ganzen Tag noch nicht gesehen. Und ich hab keine Lust mehr auf den Tourbus“, murrte ich und sah ihn an. Ed hatte seine Gitarre in der Hand und diesen Ausdruck in den Augen.

„Du bist die Managerin, wann sind wir denn erlöst?“, fragte er dann nur und ich seufzte.

„Zwei Tage“, murmelte ich leise und hauchte ihm einen kurzen Kuss auf seinen Hals.

„Man Mae, ich muss arbeiten“, seufzte er dann und legte die Gitarre aus der

Hand, drehte sich zu mir um und sah meinen schmollenden

Gesichtsausdruck. „Hey, schau nicht so… Und es tut mir leid, aber ich kann daran nichts ändern.“

„Du bist aber Ed Sheeran, Ed! Du kannst sicher alles“, grummelte ich nur. „Alles können, das ist der Job des Managers, Mae“, erwiderte er aber platt und ich verdrehte die Augen.

„Du bist fies!“

„Gar nicht wahr, du bist viel fieser? Und jetzt hau ab, ich kann mich in deiner Gegenwart nicht konzentrieren. Schon gar nicht, wenn du mich zu verführen versuchst“, sagte er dann aber genau die Worte, die ich gerade brauchte, und ich richtete mich auf.

„Okay, okay, dann versuche ich es später weiter", lächelte ich dann und hauchte ihm noch einen Kuss auf die Lippen. Ganz kurz, um Ed zu ärgern. Seinem Gesichtsausdruck nach gelang mir das ziemlich gut, er sah so aus, als ob er mehr wollte als nur diesen einen Kuss. „Du bist manchmal echt so ein Biest, Mae.“ Ja, das war ich.

‚There's one thing on my mind. It's all for you‘ (8)

„Du, Ed?“, fragte ich meinen Freund eines Abends als wir in der Lounge im Tourbus saßen und er sah verwirrt auf.

„Ja, Mae?“, erwiderte er und wir sahen uns kurz in die Augen, fingen an zu lächeln.

„Cheesy“, hörte ich Murray murmeln, der mit uns im Aufenthaltsraum saß. Stuart starrte nur auf sein Handy und ignorierte uns.

„Du bist doch nur neidisch, M“, seufzte Ed und wandte sich dann wieder zu mir um. „Was gibt’s denn?“

„Wembley“, war dann alles, was ich sagte.

„Was ist damit?“, wollte er wissen. „Ist da ein Konzert, wo du mal hin willst?“, fragte er weiter und meine Lippen umspielte ein Lächeln.

„Ich hoffe bald“, erwiderte ich und Ed seufzte.

„Von wem denn? Vielleicht kann ich deinen Vater davon überzeugen, mir Freilauf zu gewähren“, lächelte er und wir warfen Stuart einen Blick zu, der sich nicht rührte, sich aber ein Grinsen verkneifen musste. Also hörte er doch zu.

„Dir“, sagte ich dann und Ed wandte seinen Kopf wieder zu mir.

„Was ist mit mir?“, hakte er verwirrt nach und ich seufzte.

„Wembley. Du in Wembley“, wiederholte ich mich und Ed… fing an zu lachen. „Das ist die bescheuertste Idee, die ich seit langem gehört habe“, meinte er perplex und nun mischte sich auch Stuart ein.

„Das ist die genialste Idee, die ich seit langem gehört habe“, erwiderte er sofort. „Ich meine, das wäre… Das wäre unfassbar!“

Ed schüttelte nur den Kopf, auch wenn ich Stuart nur beipflichten konnte! „Nein, nein, nein. Wie stellt ihr euch das Bitteschön vor? Ich bin alleine und ich kann mich nicht auf die Wembley-Bühne stellen. Ich würde da komplett untergehen. Mae, du bist verrückt geworden!“

„Wie lange kennen wir uns? Du solltest doch mittlerweile mitbekommen haben, das ist nicht richtig ticke. Aber um deine Frage zu beantworten: Es würde grandios werden“, meinte ich dann und Ed schüttelte nur den Kopf, sah dann zu Murray, damit er ihm zustimmte.

„Sorry, Mann, aber deine Freundin hat recht. Und Stuart auch. Das ist eine der besten Sachen, die seit langem diskutiert wurden“, meinte er schulterzuckend.

„Wer will mich denn auf so ner riesigen Bühne sehen?“, fragte er dann murmelnd und mein Blick wurde sofort weicher.

„Ich gehe davon aus, ziemlich viele Menschen. Gerade, weil es so irrwitzig klingt. … Bitte, lass mich ein paar Telefonate führen, ja?“, bat ich ihn dann und Ed seufzte nur.

„Keine festen Sachen“, meinte er und grinsend klatschte ich dann bei meinem Vater ein, bevor ich mich zufrieden zurück lehnte. Das hätten wir schon mal geschafft.

+ + +

Ed Sheeran-Lyrics

  1. I see fire

  2. Tenerife Sea

  3. Drunk

  4. Runaway

  5. Take it back

  6. I’m a mess

  7. Give me love

  8. Lego House

+ Kapitel 4.6: Missverständnisse +

„Es tut mir leid.“ (11.12.2014)

Die Verabschiedung von Stu verlief unemotionaler als wir uns das alle irgendwie vorgestellt hatten. Sowohl Stuart als auch Liberty machten sich nicht viel aus der Kirche und so standen wir eines Vormittags bei diesem Standesamt und vollzogen innerhalb einer halben Stunde diese Hochzeit und… es war ein verdammt merkwürdiges Gefühl. So ne Hochzeit hatte ich auch noch nicht miterlebt. Aber die beiden waren glücklich, sie hatten genau das, was sie sich gewünscht hatten, und so waren auch wir anderen glücklich.

Der Standesbeamte sprach seine Worte, die Ringe wurden ausgetauscht, die Heiratsurkunden unterschrieben und im nächsten Moment waren wir auch schon wieder draußen auf dem Vorplatz.

Stuart hatte sich heute früh schon von allen verabschiedet und würde gleich nach der Hochzeit seine Braut schnappen und wegfahren. Und das war die beste Idee, die er je haben konnte.

„Ich fang hier gleich an zu weinen“, murmelte Mae neben mir und klammerte sich an meinem Arm fest, während sich Liberty und Stu von allen anderen hier verabschiedeten und nun vor uns zum Stehen kamen. „Pass gut auf alles auf, Mae. Du kriegst das schon hin“, meinte Stu dann zu seiner Tochter, schloss sie in eine Umarmung und kam dann zu mir. „Und du passt auf sie auf, damit ihr nichts passiert. Wenn du das nicht hinkriegst, dann gibt’s aber richtig Ärger!“, sagte er dann zu mir und ich nickte nur. „Ich weiß, Stu. Ich weiß das. Und jetzt haut schon ab!“, meinte ich und er nickte nur, griff nach der Hand seiner Ehefrau und zog sie richtig Limousine. Kurz bevor die beiden einstiegen, drehte sich die Braut noch einmal um.

„Hey, Mae! Fang!“, rief Liberty dann und im nächsten Moment hatte Mae den Brautstrauß in der Hand, den Liberty ihr zugeworfen hatte. „Und du weißt, was das heißt“, waren dann ihre letzten Worte, bevor sie in die Limousine stieg und ich schmunzelte nur.

„Nur, weil ich die einzige weibliche Person hier bin?!“, rief Mae ihr noch hinterher, aber das Brautpaar hörte sie nicht mehr. „Ich sag‘s dir, Ed. Irgendein dummer Spruch und es setzt was. Ich werde nicht als nächste Person heiraten, das kannst du vergessen“, grummelte sie dann und knallte mir den Blumenstrauß vor die Brust, bevor sie sich ein paar Tränen aus den Augenwinkeln strich und dann zu unserem Van ging. Ich folgte ihr nur kopfschüttelnd.

„Was hast du eigentlich mit Mae gemacht?“, fragte Murray mich, als wir beide Mae betrachteten, die mit Kopfhörern auf den Ohren durch die Gegend dancete.

„Hab ihr den neuen Song gezeigt, um sie ein wenig aufzumuntern, dass sie jetzt alleine mit uns ist“, lächelte ich meinen Cousin an. „Stuart geht immer genau so ab, zu göttlich.“

„Die beiden sind sich teilweise echt verdammt ähnlich, vielleicht ist das so ein Manager-Ding“, seufzte Murray.

„Oder es liegt in den Genen“, meinte ich nur und streckte mich. „Manchmal versteh ich deinen Humor nicht, Ed. Das hast du schön öfter gesagt. Was soll das denn eigentlich immer mit den Genen?“, fragte Murray und ich erstarrte.

„Wieso denn Humor?“, war ich verwirrt.

„Hä? Ist ja nicht so, als wären Stu und Mae verwandt oder so“, meinte Murray und ich schlug mir eine Hand vor die Stirn.

„Dein Ernst, M? Mae ist Stuarts Tochter!“, meinte ich und Murray schaut mich an.

„Das ist doch nicht dein Ernst, Stuarts Tochter… scheiße!“, murmelte er und sah mich an. „Das ist dein Ernst. Das ist wirklich Stuarts Tochter? Ich dachte, die wäre viel jünger! Zehn Jahre oder so!“, murmelte er und ich lachte leise auf.

„Das hab ich auch zuerst gedacht“, seufzte ich und beobachtete Mae weiter, während sie ein paar Zettel sortierte und dabei durch den Raum hüpfte. „Und dann hat sie sich den Job ja gar nicht…“, begann Murray und ich drehte mich zu ihm um.

„Was hat sie?“, fragte ich nach und M schwieg. „Murray, was hat sie?!“

„Sie hat sich den Job nicht erschlafen“, murmelt er leise und ich drehte mich zu ihm um.

„Sag mal spinnst du?! Was soll das denn heißen!“, Murray hob nur abwehrend die Hände.

„Das denken viele. Vor allem die Neueren. Ganz ehrlich, die wussten das auch nicht und kommen nicht drauf klar, dass sowohl du als auch Stuart so viel von ihr halten. Und da war es naheliegend, dass sie sich …“, erklärte er zögerlich und ich seufzte.

„Erzähl ihr das nicht, aber ich habe sie förmlich angefleht, uns zu begleiten.

Als Stuart sie ohne mein Wissen gefragt hat, hat sie zuerst nicht zugesagt.

Sie wollte das nicht, diesen Konflikt zwischen uns beiden und all den Stress. Aber sie konnte Stuart nicht hängen lassen, von daher hat sie zugesagt. Sie war schon mal mit auf Tour für einen Monat und hat ihre Sache unfassbar gut gemacht, ihre Noten sind der Wahnsinn, sie ist perfekt qualifiziert… Und was denkst du bitte von mir? Ich bin nicht die Person dafür… Argh. Klär das!“ „Was soll ich denn machen?“, sah er mich zweifelnd an und ich verdrehte die Augen.

„Ja keine Ahnung, auf jeden Fall sollen die anderen nicht mehr so ne Scheiße denken.“

„Okay, okay, ich mach was.“

„Und sag ihr das auf keinen Fall, hast du gehört! Und mach schnell!“, forderte ich dann noch und schubste Murray von der Sitzgelegenheit, auf der wir gerade saßen. „Ja, ja…“

„Wo warst du, Ed?!“, hörte ich Maes angespannte Stimme, als ich mir gerade Backstage meine Gitarre nehmen und auf die Bühne gehen wollte.

„Hier in der Halle?“, erwiderte ich fragend und Mae sah mich an.

„Du bist viel zu spät, ey! Wir warten schon alle auf dich, verdammt nochmal. Auch du hast dich an deinen Zeitplan zu halten!“, keifte sie dann und strich sich nervös eine Strähne hinter ihr Ohr. Ich sah sie nur mit großen Augen. „Was willst du denn jetzt von mir, Mae? Das waren fünf Minuten?“, wollte ich daher nur wissen und sie sah mich nun wütender an, wurde dann laut. „Verdammt, wenn du dich nicht an die Regeln hältst, kann hier niemand vernünftig arbeiten, hast du das verstanden?! Und anstatt mich hier so blöd anzumachen, solltest du dich jetzt besser beeilen und auf die Bühne gehen, wir sind eh schon spät dran. Und schau nicht so dumm!“, maulte sie und nahm sich dann ihre Sachen, ging aus dem Backstagebereich und schlug laut die Tür hinter sich zu. Mit großen Augen schaute ich Mae hinterher. „FUCK!“, schrie ich laut auf, nachdem Mae einfach so gegangen war. „Das ist doch nicht ihr ernst!“, fauchte ich und verließ dann auch den Raum, nur um in Murray rein zu laufen. Das machte die ganze Situation nicht besser.

„Na, Ärger im Paradies?“, grinste er mich nur an und ich schnaubte. „Ich würde besser still sein, Murray, sonst tu ich nachher noch etwas, was ich wahrscheinlich bereuen werde“, grummelte ich und wollte mich an Murray vorbei drängen, doch er ließ mich nicht.

„Was hast du dieses Mal falsch gemacht?“, fragte er einfach nur und ich seufzte, ließ mich an die Wand hinter meinem Rücken fallen.

„Ich war fünf Minuten zu spät zum Soundcheck und sie macht daraus gleich nen Weltuntergang“, meinte ich und Murray lachte leise.

„So ist sie, unsere Mae“, lächelte er und legte mir eine Hand auf die Schulter.

„Nimm‘s ihr nicht übel, sie will nur alles richtig machen und Stu beeindrucken“, meinte er und ich verdrehte die Augen.

„Das weiß ich doch alles. Aber manchmal versteh ich sie einfach nicht…“, ich schüttelte den Kopf und drückte mich von der Wand weg.

„Sie macht ihre Sache gut, hast du ihr das schon mal gesagt? Sie steht ziemlich unter Druck. Alle Augen liegen im Moment auf ihr, alle schauen, ob sie es auch alleine ohne Stu schafft, den ganzen Zirkus zu dirigieren. Jeder kommt zu ihr und es ist erst die erste Woche, wo Stuart nicht da ist. Und zusätzlich versucht sie, noch genug Zeit für dich zu haben und dich auch noch zu unterstützen, weil sie halt einfach so ist. Aber wer weiß, vielleicht interpretiere ich das auch komplett falsch und sie hat einfach nur Spaß daran, dich zur Weißglut zu treiben und dich anzustacheln. Und das kann sie hervorragend. Wenn du wütend bist, spielst du besser“, grinste Murray und klopfte mir nochmal auf die Schulter, bevor er mich alleine ließ. Mae war … überfordert? Das war doch der größte Schwachsinn, den ich je gehört hatte. Mae konnte nicht überfordert sein, denn es war Mae. Mae Campbell, das

Arbeitstier. Diejenige, die immer alles im Griff hatte und auch bei größter Hektik noch Zeit hatte, nette Worte zu verteilen und aufzumuntern. Mae konnte nicht… Tief durchatmend ballte ich meine Hände zu Fäusten. Wie konnte ich bitte nur so ein Idiot und so blind gewesen sein? Natürlich war Mae überfordert. Nicht allein wegen der Tour-Geschichte, vielmehr wegen der Gesamtsituation. Die Crew war strenger mit ihr als sie es je zu Stuart gewesen waren. Die Presse saß ihr im Nacken, es war ihre erste Woche ohne eine Ansprechperson, denn Stuart würde sie sicher nicht kontaktieren, und dann hatte sie auch noch mich… Ich war ja so ein Idiot.

„Und jetzt steh da nicht so rum, Ed. Du musst gleich auf die Bühne und ich würde es nicht riskieren, zu spät zu kommen“, rief Murray mir dann aber noch zu und ich schreckte aus meinen Gedanken, lief ihm schnell nach. Nein, den Fehler würde ich in nächster Zeit nicht erneut begehen.

„Wir müssen schlafen, wir müssen morgen wieder früh raus“, meinte Mae leise und ich seufzte. Sie war eben einfach so ins Zimmer gekommen, hatte mich noch nicht mal wirklich begrüßt und war gleich ins Bad gerauscht. Hatte sowohl mich ignoriert als auch die gemütliche Stimmung, die ich versuchte hatte zu kreieren. Leise Musik, kein grelles Licht, aber das alles wollte sie nicht wahrnehmen.

„Komm mal kurz her“, meinte ich leise und streckte meine Arme nach ihr aus, sie sah mich einfach nur an.

„Ed, wir sollten schlafen gehen“, wiederholte sie, wurde zum Ende hin aber immer leiser und kam dann wirklich auf sie zu, sodass ich sie in meine Arme ziehen konnte.

„Ich bin stolz auf dich, Mae“, hauchte ich leise in ihr Ohr und ich merkte, wie sehr diese Worte sie überraschten. „Du machst deine Sache so unfassbar gut. Ich bin wirklich stolz auf dich“, wiederholte ich mich und merkte, wie Mae sich ein wenig beruhigte und sich vernünftig umarmen ließ.

„Meinst du? Fühlt sich nicht so an“, seufzte sie dann und ich löste mich von ihr, um sie anzuschauen.

„Natürlich meine ich das so“, erwiderte ich und ihr Blick wurde weicher, sah mich an.

„Es tut mir leid“, seufzte sie dann und ich schüttelte den Kopf.

„Das braucht dir nicht leid zu tun. Ich bin ab jetzt pünktlich, ja? Und wenn ich dir irgendwie helfen kann, dann sag mir das!“, forderte ich stattdessen und sie nickte, lächelte mittlerweile ein wenig, während sie sich streckte und sich über ihren Nacken fuhr. „Und jetzt zieh dir deine viel zu feschen Sachen aus und leg dich hin“, begann ich und Mae sah mich suspekt an. „Ich will dich nur massieren. Du siehst ziemlich kaputt und verspannt aus“, hob ich unschuldig die Hände und Mae schüttelte lächelnd den Kopf.

„Ed, ich kenn dich“, erwiderte sie aber nur und mein Lächeln wurde breiter, während sie sich ihre Bluse aufknöpfte.

+

„Mae, du brauchst ein Kleid. Sofort. Und dann machst du dich sofort fertig und dann müssen wir auch schon bald los!“, redete Ed außer Atem auf mich ein und ich schaute ihn verwirrt an.

„Hä? Was willst du?“, fragte ich stirnrunzelnd und nahm mir meine Kopfhörer ab.

„Heute ist eine Verleihung, wo wir um Publikum sitzen. Ich bin nicht nominiert oder so, aber wir sind halt eingeladen und…“

„Du bist eingeladen. Nicht wir“, unterbrach ich ihn. Ich war wirklich froh, dass er sowas meist alleine machte und ich da nicht mit hin musst. Ed seufzte aber nur.

„Das ist ne Spur komplizierter… Stuart sollte mitkommen“, meinte er dann und meine Augen wurden groß. Stuart sollte mitkommen und eigentlich wäre es auch gar kein Problem gewesen, weil jetzt – Anfang Dezember und zwei Monate, nachdem die beiden geheiratet hatten – eigentlich die Zeit gewesen wäre, dass Stuart wieder mit auf Tour war, aber… er war es nicht. Er hatte einfach noch ein paar Tage hinten dran gehängt und sollte erst in ein paar Tagen bei uns ankommen…

„Und wieso hat er das nicht mal vorher erwähnt?!“, wollte ich wissen und er verdrehte die Augen.

„Woher soll ich das denn wissen? Er meinte, er hätte dir ne Mail mit den Details geschickt, damit du hingehst, aber irgendwie hat sie nicht gesendet und … ist ja auch ganz egal. Du brauchst ein Kleid, sofort. Und dann müssen wir los“, brach er das ganze Gespräch dann ab und sah mich an, ich schüttelte nur sofort den Kopf.

„Vergiss es“, erwiderte ich nur und Ed sah mich an. Mit diesen großen, liebevollen Augen.

„Doch? … Bitte Mae! Ich weiß, dass du das nicht magst, aber du stehst da nur als Managerin neben mir. Bitte!“, flehte Ed mich dann an und ich schluckte. Ich wollte nicht. Generell nicht und vor allem nicht so unvorbereitet, aber irgendwann … nickte ich dann tonlos. Ed sah wirklich gestresst aus und das wollte ich nicht, also stand ich wie automatisch auf und ging durch meine ganzen Kleider.

„Oh Gott, du bist die Größte. Ich liebe dich. Wir fahren in 20 Minuten!“, meinte er dann, hauchte mir einen Kuss auf die Lippen und war dann wieder auf dem Sprung.

Ich starrte ihm komplett überfordert hinterher. Was hatte ich nur getan?

Und so verging auch der restliche Abend wie in einem Film und mein Kopf war so komplett überfordert von allem, dass ich Ed eigentlich den ganzen Abend nur hinterher stolperte und die ganzen Eindrücke irgendwie zu verarbeiten versuchte. So viele andere Stars, so viele kreischende Fans, so viel Personal, das herumrannte. Es wurde von hier nach dort gerufen, ich stand irgendwie immer im Hintergrund herum und versuchte ihn nicht aus den Augen zu verlieren.

Wir waren nicht über den roten Teppich gegangen. Ed war ja auch nicht nominiert und es war gut, keine Aufmerksamkeit zu bekommen. Jedenfalls nicht in dem Maße, die wir bekommen hätten, wenn wir über den verdammten roten Teppich gelaufen wären.

Gestresst legte ich den Kopf in den Nacken, meine Augen waren geschlossen und ich atmete tief durch. Auf den Weg in die Halle waren wir unendlich vielen Menschen begegnet. Große und vor allem großartige Musiker, Künstler, Schauspieler. Menschen, die ich nur aus Magazinen kannte und die so viel in ihrem Leben erreicht hatten und die vor allem auch diese Aufmerksamkeit gewohnt waren. Ed kannte das hier mittlerweile schon viel zu gut. Kurz mit all den wichtigen Leuten reden, Kontakte knüpfen. Gesehen werden. Weil es gut ist, mit bestimmten Leuten gesehen zu werden. Und ich wollte doch einfach nur verschwinden.

„Hallo schöne Frau, sind sie als Star hier oder als Begleitung?“, riss mich eine Stimme aus meinen Gedanken und ich zuckte zusammen, stellte mich wieder gerade hin und öffnete die Augen. Und ich blickte in mir zwar nicht persönlich bekannte Gesichter, aber fremd waren mir die Herren aber auch nicht.

„Begleitung. Ich bin nicht so musikalisch begabt. Oder schauspielerisch oder was auch immer“, erwiderte ich daher nur. „Der zu mir gehörende Star ist der da“, wollte ich beginnen und drehte mich zu Ed um, doch er war verschwunden. „Naja, oder auch nicht, wie man sieht. Keine Ahnung, wo er wieder hin ist“, zuckte ich mit den Schultern und ließ meinen Blick durch die Halle schweifen. Dass er mich gerade jetzt hier einfach so alleine ließ… Und wie er mich alleine ließ. Mein Herz zog sich kurz zusammen, als ich ihn weiter hinten erblickte. Er stand da in einer Runde mit ein paar weiteren Musikern und … dieser Anblick tat mir gar nicht gut.

„Wenn du uns ein Fahndungsfoto überlässt, finde wir den Rabauken für dich“, lachte einer der Jungs, der mit den ziemlich langen Haaren, und ich grinste.

„Foto zwar nicht, aber er ist eigentlich nicht zu übersehen. Rote Haare mit vielen Tattoos auf dem Arm und wahrscheinlich in Begleitung von Miss Swift“, murmelte ich nur und versuchte, neutral zu wirken. Mir nichts anmerken zu lassen. Die beiden hatten eben zwar schon zusammen ein Interview gegeben und das hatte ja sein müssen, das war wichtig. Aber jetzt…

„Dann bist du also Eds Managerin, solange Stuart weg war. Er hat schon gemeint, er schleppt dich heute mit, weil Stuart nicht kann“, lachte der Langhaarige wieder und ich nickte.

Und so unterhielten wir uns noch ein wenig. Wie ich mit Ed zurecht kam, ob es mir auf der Tour gefiel, wie es allgemein lief und ob ich nach der Tour bei Ed nicht den Jungs auf Tour Gesellschaft leisten wolle, da ich ja eine ganz reizende Person sei. Ich grinste nur schief.

„Sehr reizend ist sie, die liebe Mae“, hörte ich dann Eds Stimme in meinem Rücken und erschauderte. Er hatte sich wohl mittlerweile von Taylor losgerissen und nun stand er hier und begrüßte die jungen Männer, mit denen ich mich gerade noch unterhalten hatte, mit einer Umarmung. „So lieb bin ich auch nicht. Du hast dich zu lange unterhalten. Und ich erinnere dich nur ungerne daran, dass schon vor fünf Minuten die Durchsage kam, auf unsere Plätze zu gehen. Also unterbreche ich das Wiedersehen ebenfalls nur ungerne, aber wir sind fast die Letzten hier“, erwiderte ich aber nur und sah ihn an. Ed runzelte kurz die Stirn, nickte dann aber.

„Ihr habt meinen Boss gehört, lasst uns gehen“, meinte er dann nur und nickte dann in Richtung Sitzplätze.

+ Kapitel 4.7: Entscheidungen +

‚Warum mach ich eigentlich immer wieder Sachen, von denen ich weiß, dass sie Mae einfach nicht gefallen…?‘ (12.12.2014)

Tief durchatmend stützte ich mich am Waschbeckenrand ab und betrachtete

mich im Spiegel. Die Frisur saß immer noch, das Make Up, das ich aufgetragen hatte, sah noch nicht all zu schrecklich aus, und mein Lieblingskleid, das ich von Ed bekommen hatte, passte zum Anlass. Ich sah wie eine gute Begleitung für Ed aus, adrett, wenn man das so bezeichnen wollte. Ich passte als Begleitung, als Managerin, zu ihm, und dennoch fühlte ich mich so unendlich fehl am Platz. Meine Augen strahlten nicht, sie waren in Nuancen viel zu traurig dafür, dass es eigentlich so ein toller Abend sein sollte.

Er passte so gut hier her. Wie er sich mit den Jungs von One Direction verstand und wie er mit Taylor vor der Kamera Fragen beantwortete und wie er all die vielen Musiker und Schauspieler kannte und wie jeder mit ihm reden wollte. Wie die Zeit verstrich und er viel mehr dieser Zeit damit verbrachte, sich mit den Leuten hier zu unterhalten, als der Preisverleihung Aufmerksamkeit zu schenken. Und wie er auch nach dem ganzen Event hier noch sehr lange herum stand und sich weiter unterhielt. Und er strahlte, sein Lächeln war so breit, dass es mich so glücklich machte, ihn selbst so unendlich glücklich zu sehen, und dass ich einfach nur daneben stehen konnte und irgendwie versuchte, das durch zu stehen.

Doch jetzt war ich hier, in dieser erstaunlich leeren Damentoilette, starrte mein Spiegelbild an und hatte ein paar Sekunden Ruhe vor dem ganzen Stimmen-Wirrwarr.

Ich strich ein paar der Strähnen glatt, die mittlerweile ein wenig zu sehr von meinem Kopf abstanden, versuchte das Lächeln wieder auf meine Lippen zu bringen und atmete noch einmal tief durch.

„Du bist also Stuarts Ersatz“, hörte ich dann eine Stimme und drehte mich erschrocken um. Wie konnte ich eigentlich so viel Pech haben? Wieso musste ausgerechnet die Taylor Swift jetzt vor mir stehen und mich abschätzig ansehen? Wieso ausgerechnet sie?!

„So sieht das wohl aus. Stuart ist noch nicht wieder zurück“, erwiderte ich so freundlich ich es hinbekam und merkte, wie das Lächeln, was ich eben erst wieder auf mein Gesicht gezaubert hatte, verrutschte. Ich wollte jetzt nicht mit ihr reden. Ich wollte generell nicht mit ihr reden. Ich wollte weg von ihr. Kurz starrten wir uns an, ich wusste einfach nicht, was ich noch sagen sollte oder wie ich reagieren wollte und atmete innerlich auf, als ich im nächsten Moment mein Handy klingeln hörte. Gott sei Dank hatte ich es eben wieder auf laut geschaltet.

Schnell griff ich in meine Handtasche und hatte mein Lächeln wiedergefunden, war wieder souverän.

„Wenn Sie mich entschuldigen würden“, meinte ich nur, hob mein Handy, nickte Taylor noch ein letztes Mal zu und verschwand aus der Damentoilette nach draußen. „Campbell?“, meldete ich mich, da ich nicht aufs Display geschaut hatte, sondern einfach nur froh war, dass mich jemand gerettet hatte.

„Mae? Wo bist du denn?“, hörte ich dann Eds Stimme und ich seufzte leise. „Ich bin auf dem Weg zurück“, erwiderte ich nur und merkte, dass es um ihm herum sehr laut war.

„Wir wollen noch in einen Club gehen, kommst du mit?“, fragte er dann gut gelaunt und ich stockte. Ein Club war jetzt mit Abstand der allerletzte Ort, wo ich jetzt hin wollte.

„Wer ist wir?“, erwiderte ich daher und Ed lachte leise.

„Die üblichen Verdächtigen. Harry ist ganz begeistert von diesem neuen Club und hat uns überredet. Wir wollen gleich los“, setzte er hinzu und ich seufzte. Eine Jungsrunde. Na wunderbar.

„Wenn es dir nichts ausmacht, dann fahr ich zum Hotel“, antwortete ich daher und Ed stockte.

„Sicher?“, hakte er sofort nach. „Geht es dir nicht gut? Soll ich mitkommen?“, fragte er weiter und ich schüttelte nur in Gedanken den Kopf.

„Nein, nein. Alles gut. Ich bin nur ziemlich fertig, hab ruhig ein wenig Spaß mit deinen Jungs“, erwiderte ich nur und das schien Ed zu beruhigen. „Wenn du dir sicher bist. Dann bis später, Mae. Pass auf dich auf“, erwiderte er und hatte aufgelegt.

Ich wollte einfach nur noch nach Hause.

Ich hatte nicht geschlafen. Oder nur so sporadisch, dass ich mich nicht danach fühlte, überhaupt Schlaf bekommen zu haben.

Ich lag müde im Bett des Hotelzimmers. Ed war gestern spätnachts wieder gekommen und hatte sich stolpernd zu mir ins Bett gelegt. Er war fast sofort eingeschlafen und ein wenig beneidete ich ihn deswegen. Nicht allein wegen der Tatsache, dass er in den Schlaf gefunden hatte, sondern dass er gestern auch einen so wundervollen Abend gehabt zu haben schien. Er hatte Menschen wiedergesehen, die er lange nicht mehr gesehen hatte, und er war in einem Club gewesen und eine noch wundervollere Zeit gehabt, während ich versucht hatte, die Eindrücke des Abends irgendwie zu verarbeiten. Es war mir nur so halb gelungen. Ich hatte ein wenig verarbeitet, das konnte ich nicht bestreiten, aber ich hatte deswegen auch nicht schlafen können.

Es war zu viel.

„Das war der schlimmste Abend meines Lebens“, murmelte ich leise, während Ed mir immer wieder durch mein Haar strich. Wir hatten die letzte halbe Stunde einfach nur wach da gelegen. Keiner hatte etwas gesagt, aber wir hatten gewusst, dass der jeweils andere wach gewesen war.

Es musste der nächste Morgen sein. Die Sonne schien durch die Vorhänge, aber eigentlich war es auch egal, wie spät es war. Wir hatten einen Tag off und genau so einen Tag brauchte ich gerade auch. Eigentlich brauchte ich so viel mehr Pause als nur einen Tag…

„Es tut mir leid“, erwiderte Ed leise. „Wir sollten das vielleicht ne Spur besser planen.“

„Stuart hat doch vergessen, mir Bescheid zu geben…“, zuckte ich mit den

Schultern. „Und ich bin mir nicht sicher, ob ich das nochmal machen will.“

Und dann legte sich erstmal wieder die Stille über uns, ich lag immer noch in Eds Armen und es sah auch nicht so aus, als ob er mich in nächster Zeit wieder gehen lassen wollte…

„Gibst du mir mein Handy? Ich möchte schauen, was sie über gestern geschrieben haben“, fragte ich aber irgendwann und Ed seufzte leise. „Tu das nicht, Mae“, murmelte er nur und ich setzte mich verwirrt auf. „Wieso denn nicht?“, wollte ich wissen und griff über Ed hinweg nach meinem Handy.

„Das wird dir nicht gut tun. Du weißt genau so gut wie ich, dass nach solchen Verleihungen ziemlich oft spekuliert und übertrieben wird“, erklärte er sich, aber da hatte ich schon die Suchbegriffe in Google eingegeben und auf den ‚News‘-Reiter geklickt.

Es gab viele Bilder vom roten Teppich. Es wurde viel über die Kleider der Stars geschrieben und welche Outfits mal wieder gar nicht gingen. Ganz viel unwichtiger Kram, der mich nicht interessierte. So verfeinerte ich die Suche noch ein wenig weiter und tippte noch ein ‚Ed Sheeran‘ hinzu.

Der oberste Artikel klang gar nicht mal so verkehrt.

„Ed Sheeran und eine neue Frau an seiner Seite? Wer ist diese junge Frau, die in letzter Zeit so oft mit Ed Sheeran zusammen gesichtet wird? Aus verlässlichen Quellen wurde bestätigt, dass Sheerans Manager Stuart Camp zurzeit auf Hochzeitsreise ist und der The A-Team-Sänger für eine kurze Zeit ohne Manager da steht. Das vor kurzem abgeschlossene

Managementstudium der 24-jährigen Mae Campbell, wie einige Quellen bestätigten, könnte darauf hinweisen, dass sie diesen Platz für kurze Zeit eingenommen hat. Doch was läuft zwischen den Beiden wirklich? Starbuzz bleibt dran!“, las ich Ed schmunzelnd vor. Der Artikel war vollkommen okay. Ein nettes Foto, wo ich einfach nur in ein wenig Abstand von Ed rumstand und nichts Verwerfliches tat. Und dass die Presse solche grundlegenden Fakten über mich in Erfahrung bringen würden, das war vorhersehbar. „Hier hab ich noch einen Artikel, schon ein paar Tage alt, hör mal: ‚Wer ist die Unbekannte an Eds Seite, die immer wieder in seiner Nähe auftaucht? Seine neue Freundin, eine Bekannte? Selbst enge Freunde von Ed sind überfragt. Da noch keine Fotos von den beiden in eindeutigen Situationen aufgetaucht sind, lässt sich nur spekulieren.‘“, erzählte ich ihm und lachte leise auf. „Wir sind ja echt gut“, grinste ich nur. „Auch wenn ich es nicht mag, andauernd abgelichtet zu werden.“

„Ich weiß“, murmelte Ed leise und hauchte mir einen Kuss auf die Schläfe. „Ich weiß. Aber du machst dich verdammt gut. Und niemand weiß, wer du wirklich für mich bist“, setzte er hinzu und ich nickte lächelnd. Ja, da hatte er recht.

So klickte ich mich weiter durch Bildergallerien der letzten Nacht und suchte nach schrecklichen Fotos von mir. Doch alle, die ich fand, waren vollkommen in Ordnung und so unfassbar nichtssagend. Das gefiel mir. Also scrollte ich weiter zu einigen weiteren Artikeln, wo Ed drin vor kam. Irgendwelche Fotos, auf denen er mit irgendjemand redete und dann sah ich…

‚Ed Sheeran und Taylor Swift – Mehr als nur Besties?‘, las ich stumm und schluckte. Schnell fuhren meine Augen über den Artikel.

‚Eds Augen waren die ganze Zeit auf Taylor gerichtet.‘

‚Diese innige Umarmung sah doch nach mehr aus als beste Freunde.‘ ‚Auch schon während ihrer gemeinsamen Tour kamen Spekulationen auf und nach Eds Single Don’t wurden diese Spekulationen nur angefacht.‘ Ed und… Ed und Taylor.

Ich schluckte. Ich hatte genug. Ich hatte ein für alle Mal genug.

„Ich hau ab“, murmelte ich und war im nächsten Moment aufgesprungen, hatte mir all meine Klamotten geschnappt und zog sie nun hüpfend an. Ich musste hier sofort raus, ich musste hier weg.

„Bitte was?!“, meinte Ed verwirrt und setzte sich langsam auf, während ich meinen Koffer in die Mitte des Zimmers zog und alles hinein warf, was ich hier noch rumliegen hatte.

„Ich kann das so nicht“, hauchte ich panisch und versuchte irgendwie den Reißverschluss zu zu kriegen.

„Verdammt, Mae. Was ist denn jetzt schon wieder los?! … MAE!“, rief er anscheinend, doch ich hörte ihn nicht, sah nur seine Lippenbewegungen und dass er mittlerweile aufgestanden war und nun vor mir stand.

„Ich gehe.“

„Was? Warum? Mae, was ist passiert? Ich hab dir gesagt, dass dir die Artikel nicht gut tun, was stand da?“, wollte Ed wissen und griff nach meinem Handy, um sich selbst den Artikel anzuschauen. Ich nutzte währenddessen die Zeit und schlüpfte in meine Schuhe.

„Das war doch alles ne unfassbar bescheuerte Idee, Ed. Da in London, in meiner Wohnung, da mag das ja alles funktionieren, aber verdammt, das hier bin ich nicht, Ed!“, meinte ich mit Tränen in den Augen und stolperte zur Tür, doch Ed hielt mich an meinem Arm fest und… er war einfach stärker als ich.

„Man, jetzt beruhige dich doch erstmal, Mae. Das ist nur ein bescheuerter Artikel. Du weißt genau, wie das damals war. Du weißt genau, warum ich so mit Taylor umgehe!“, meinte Ed, während ich versuchte seinem Griff zu entkommen. Und er ließ mich auch irgendwann los, stellte sich aber genau vor die Tür, damit ich nicht weg konnte.

„Ja, das weiß ich doch. Und es ist nur ein bescheuerter Artikel, aber… Und Eifersucht ist die bescheuertste Erfindung ever und ich weiß, dass sie sich nicht lohnt, aber ich… ich kann nicht anders. Ich kann nicht mehr Ed. Wie Taylor gestern die ganze Zeit um dich rumgeschlichen ist und wie du zu ihr warst und … und … Ich weiß, dass das, was da in diesen Magazinen steht, totaler Schwachsinn ist. Das ist mir eigentlich klar… Bloß dieser Moment, als ich diesen Artikel gelesen habe, im ersten Moment habe ich nicht mehr atmen können, verdammt. Wenn nicht nur ich das sehe, wenn es auch andere sehen und … Alleine der Gedanke, du könntest… Es bricht mir das Herz, Ed. Auch wenn ich weiß, dass du mir sowas niemals antun könntest, allein der Gedanke daran, dass es wahr sein könnte…“, stotterte ich verwirrt. „Dieser Gedanke, dass du jemanden anderen lieben könntest, dass jemand anderes dich lieben könnte… Und ich kann nichts dagegen machen, ich meine, irgendwann wirst du vielleicht gehen, weil… Ich bin normal, Ed. Ich passe nicht in dein Leben. … Ich will nicht in die Öffentlichkeit, ich will nicht im Mittelpunkt stehen, ich will nicht auf diese dummen Verleihungen, ich will ein normales Leben. Ich will dich nicht vermissen müssen, wenn du irgendwann wieder weg bist und ich zuhause in meiner Wohnung bleiben muss. Man, ich will mich nicht verstecken müssen, weil da diese Menschen sind, die sich für mich interessieren, nur weil ich mit dir irgendwo hingehe. Ich will dieses Gerede über mich nicht, ich will… Ich kann… Ich mache mich damit kaputt, Ed. Und daher muss ich gehen, ich…“, redete ich immer und immer weiter und Ed sah mich einfach nur komplett baff an. „Ich… Du brauchst jemanden, der zu dir passt. Der zu deinem Lebensstil passt, der gerne mit dir über den roten Teppich läuft. Du brauchst wirklich jemanden, der so ist wie du. Du brauchst jemanden wie Taylor. Und ich bin so ganz sicher nicht.“

Stille, ich weinte ununterbrochen. Ich wollte das nicht tun, aber ich musste. „Mae, du kannst nicht gehen. Ich liebe dich“, hauchte Ed und ich schüttelte mit dem Kopf.

„Sag das nicht“, meinte ich leise und sah ihn an. „Ich werde kaputt gehen, wenn das so weiter geht, Ed. Ich bin kein Mensch für die Öffentlichkeit und ich will das auch nicht sein. Das gestern hat mir gezeigt, dass das nicht mein Leben ist, Ed. Ich… habe Angst davor. Ich will dich küssen können, wenn ich Lust dazu haben, ohne darauf achten zu müssen, ob da jetzt ein Mensch mit einer Kamera steht. Ich halte es einfach nicht mehr aus. Ich kann mich nicht zurückhalten, ich kann mich nicht davon abhalten, dir verträumt hinterher zu starren, ich kann meine Finger nicht von dir lassen. Ich will das nicht mehr! Ich verschwinde von hier, aus deinem Leben, und rette uns vor unendlichen Schmerzen, bevor das mit uns beiden noch viel ernster wird als es das eh schon ist“, redete ich mir meinen Schmerz von meinen Lippen und drückte Ed zur Seite. Meine Hand berührte den Türgriff, ich würde einfach abhauen, verschw...

„Heirate mich“, hörte ich Ed dann sagen und ich erstarrte in meiner

Bewegung, meine Hände zitterten und ich schaute auf, direkt in Eds Augen.

„Heirate mich, Mae”, hörte ich Eds Stimme, die immer wieder in meinem Kopf wider hallte. „Werde meine Frau.“

+ + +

+ Zwischenspiel: All Of The Stars +

‚I can see the stars from America I wonder, do you see them, too?’

„Ich hab vielleicht noch nen Song, der hier besonders gut hinpassen würde. Und wenn ihr ‚The Fault in our Stars‘ gesehen habt, dürftet ihr den kennen. Und wisst ihr…, ich hab den Song nicht für Gus und Hazel geschrieben. Ich hab ihn damals ebenfalls auf der Tour in Amerika geschrieben und irgendwie passte er dann so gut auf den Film, dass ich ihn dafür hergeben musste… Aber weißt du, eigentlich war er über dich, Darling. Und darüber, was so alles schief laufen kann. Und wie ich gehofft habe. Und vielleicht war alles richtig so, wie es gekommen ist, denn ohne dich würde es diese Songs nicht geben. Und ich könnte dir jetzt nicht sagen, wie dankbar ich dir bin“, meinte Ed und ich konnte es nicht verhindern, dass mir immer und immer mehr Tränen über die Wangen strömten. Ich hielt sie auch nicht mehr zurück. Ich war einfach viel zu überrumpelt dafür.

‚You're the song my heart is beating to’

„Und weißt du, ohne dich würde es all das hier gar nicht geben. Ich weiß noch genau, wie begeistert du von dieser Idee warst. Ich in Wembley. Und ich fand das alles total bescheuert, aber du hast nicht locker gelassen, weil es einfach so eine gute Idee war… Und deswegen werde ich wahrscheinlich immer wieder Songs über dich schreiben. Auch wenn du das nicht willst“, musste Ed dann lächeln und ich atmete schwer, wusste nicht, wo mir der Kopf stand. Das war zu viel. Das war viel zu viel!

„Also: Das hier ist ‚All of the stars‘.“

‚And I know these scars will bleed

But both of our hearts believe

All of these stars will guide us home’

+ + +

Lyrics: Ed Sheeran – All of the stars

+ Kapitel 5.1: Entscheidungen 2.0 +

„Manchmal denke ich echt, ich habe sie verstanden. Und dann gibt’s die nächste 180 Grad-Drehung.“ (13.12.2014)

Sie tobte. Vor allem innerlich. Äußerlich zuckten ihre Fäuste schon, aber innerlich musste sie durchdrehen.

Was hatte ich nur getan?

„Ich…“, begann ich und drehte Mae an ihren Schultern zu mir um. Ihr Blick war starr und ungläubig, bis sie sich fing und mir in die Augen sah. Und ich glaubte, ich müsse sterben. Worauf hatte ich mich nur eingelassen?

Mein Herz schlug viel zu schnell und mein Hals schnürte sich zu.

„Ed...“, wollte Mae beginnen, ich schüttelte aber den Kopf. Jetzt war ich dran.

Es war wahrscheinlich meine letzte Chance. Meine allerletzte Chance... „Wir haben es geschafft, dass du in den drei Jahren, die wir uns kennen, kein einziges Mal auf einem Foto aufgetaucht bist. Und dabei war ich ziemlich oft nur bei dir, habe mit dir telefoniert und an dich gedacht“, fing ich an und sah ihr direkt in ihre Augen.

„Von deinen Gedanken werden auch keine Fotos gemacht…“, warf Mae mit erstickter Stimme ein und ich sah sie tadelnd an. Sie konnte es einfach nicht, sich zurückzuhalten.

„Mae, niemand weiß eigentlich, dass es dich nicht nur als Managerin in meinem Leben gibt und was das da zwischen uns ist. Selbst in den letzten neun Monaten, die wir zusammen sind, hat nur Stuart und ein paar von der Family etwas davon erfahren. Das gestern war eine Verleihung und du warst großartig, Mae. Ich war den ganzen Abend so unfassbar stolz auf dich und es sah doch aus, als ob du wenigstens ein bisschen Spaß hattest.“ „Aber Ed, heira...“, wollte sie beginnen, ihre Stimme versagte aber. „Ich wollte doch eigentlich gerade mit dir Schluss machen“, kam es zitternd über ihre Lippen.

„Das willst du nur, weil du das ganze Versteckspiel nicht mehr abkannst. Das hatten wir doch so oft die letzten Jahre, so unglaublich oft. Dann lassen wir es doch einfach…“, fing ich an und atmete tief durch, bevor ich dann auf eines meiner Knie sank und Mae vom unten heraus ansah. Es war wohl der Moment gekommen.

„Mae, ich liebe dich. Aufrichtig, mehr als du es dir vielleicht vorstellen kannst und willst. Und ich hab mir lange genug angeschaut, wie wir gescheitert sind.

Zu lange. Ich werde aber das ganze Drama nicht noch länger durchstehen. Ich kann nicht von dir getrennt sein. Ich will nicht, dass du mit anderen Männern zusammen bist. Ich will nicht, dass es dir wegen mir schlecht geht. Ich will mich nicht mehr verstecken“, sah ich Mae direkt in die Augen und mittlerweile hatte sie sich eine ihrer Hände vor den Mund gelegt. War das ein gutes Zeichen? Ich wusste es nicht. „Ich kann das nicht mehr, dich vor allen verstecken. Du bist nicht nur meine Managerin, Mae. Und ich will dich nicht als Managerin behandeln müssen, wenn wir draußen rumlaufen. Ich will allen zeigen, wie wichtig du mir bist und dass uns niemals wieder etwas trennen wird. Werde meine Frau, Mae“, hauchte ich und bei diesen Worte holte ich mit zittrigen Fingern die Ringschachtel aus der Tasche, die hier an der Tür stand, und klappte sie schwergängig auf, so sehr zitterte ich.

Scheiße. Was hatte ich nur getan?

Und Mae? Die stand einfach nur da und starrte mich an, ihre Hände vor ihrem Mund zusammen geschlagen, und sagte nichts. Warum sagte sie denn nichts?

„Versprich mir, dass es nicht kaputt geht. Versprich mir, dass niemand es kaputt macht“, murmelte sie erstickt uns ich schluckte.

„Ich kann dir das nicht versprechen…“, resignierte ich und ließ meine Arme sinken. Es war vorbei, ich hatte verloren.

„Ja“, meinte Mae dann und ich sah sie an, regte mich nicht weiter. Sie fing an zu schluchzen. Ich hasste es, wenn sie weinte, wegen mir. Mit hängenden Schultern stand ich auf, sah sie weiter an, während sie langsam ihre Hand in meine Richtung streckte. Ich rührte mich nicht.

„Ed? Was ist mit dem Ring? Du hast mir gerade einen Heiratsantrag gemacht?“, lachte Mae dann unter Tränen und ich erstarrte in der

Bewegung, mein Herz stoppte kurz und fing doppelt so schnell wieder an zu schlagen.

„Oh. Du hast ... Ja gesagt", stellte ich fest und brachte Mae damit nur noch mehr dazu, gleichzeitig hysterisch zu lachen und zu weinen.

„Hast du geglaubt, ich würde bei solchen Worten wirklich Nein sagen?“, erwiderte Mae aber nur, als ich mit zitternden Händen den Verlobungsring nahm und ihn tatsächlich Mae ansteckte.

„Zwischendurch war ich mir unsicher. Du wolltest immerhin gerade mit mir Schluss machen“, gab ich zu und konnte nicht wirklich glauben, was ich da gerade sah. Mae mit einem Verlobungsring, meinem Verlobungsring. Er war unglaublich schlicht, absolut nichts besonderes, aber er passte unfassbar gut zu ihr. „Aber ich musste es wenigstens versuchen“, setzte ich hinzu, während meine Hände den Weg zu ihren Händen fanden und ich sie fest miteinander verschränkte. „Was hätte ich denn sonst tun können?“, seufzte ich, während Mae mir entgegen kam.

„Mich gehen lassen? Mir meinen Willen lassen? Was weiß ich denn?“, murmelt sie an meinen Hals.

„Mae, dein Ernst? Dich gehen lassen? Das hab ich schon viel zu oft getan, mindestens fünf Mal, und es hat nie geklappt.“

Mae lehnte mittlerweile an mir und ich spürte ihren unregelmäßigen Atem auf meiner Haut. Mein Herz schlug im selben Takt und ich glaubte, ich müsste gleich umfallen.

Und dennoch standen wir da, zusammen, und ließen die Zeit einfach an uns vorbeiziehen, während ich versuchte, irgendwie wieder die Kontrolle über meinen Körper zu erlangen.

„Ed?“, riss mich Mae aus meinen Gedanken und ich schreckte auf. Die letzte halbe Stunde hatten wir einfach nur auf dem Sofa gelegen, eng beieinander, und hatten uns festgehalten. „Wie lange hast du den Ring schon“, wollte sie wissen und ich lachte leise. Sie würde mich für die Wahrheit bestimmt umbringen.

„Etwas“, antwortete ich kryptisch und Mae richtete sich auf, um mich besser anzuschauen.

„Wie lange?“, fragte sie mit mehr Nachdruck und verschränkte die Arme.

„Zwei Monate“, seufzte ich und duckte mich gleich wieder weg.

„Du bist so ein Idiot“, erwiderte Mae mit zitternder Stimme und sah wieder auf ihren Ring. „Ich bin doch erst 22“, hauchte sie und schüttelte ungläubig mit dem Kopf.

Behutsam legte ich einen Arm um sie und gab ihr einen Kuss auf ihr Haar. Dass ich das noch erleben durfte, eine Mae, die vollkommen durch den Wind war.

„Du siehst das aus der falschen Perspektive, Mae. Du musst das so sehen: Du bist die einzige Frau, mit der ich mein Leben teilen möchte, für immer“, erwiderte ich aber nur und Mae sah zu mir, ihre Augen glänzten. „Und ich muss zugeben, dass mich der Gedanke beruhigt.“

„Was beruhigt dich?“

„Es beruhigt mich, zu wissen, dass du nicht mehr flüchten wirst. Du nimmst das mit dem Heiraten ernst, du hättest nicht Ja gesagt, wenn du es nicht wirklich so meinst. Weißt du, allein der Gedanke daran, auch nur für kurze Zeit von dir getrennt zu sein, macht mir Angst. Sonst wusste man bei dir nie, wann du wieder vor hast, abzuhauen und wann mal wieder alles den Bach runter geht, weil du denkst, dass das doch niemals klappt. ... Und nenn es verrückt, aber dieser bescheuerte Ring an deinem Finger beruhigt mich ungemein. Es ist ein Versprechen – und du hältst deine Versprechen“, erwiderte ich und dieses Mal rannen Mae die Tränen die Wange herunter. „Hey, nicht weinen!“, setzte ich murmelnd hinzu und strich ihr die Tränen weg.

„Du meinst das wirklich komplett ernst“, haucht Mae aber nur und schaute den Ring nochmal an. „Natürlich.“

+

Er war wunderschön. Ich wusste nicht, wie Ed so gut meinen Geschmack treffen konnte, aber dieser Ring war wunderschön. Ein kleiner unscheinbarer Stein, gehalten von zwei Strängen Silber, einmal matt, einmal glänzend.

„Er ist nicht bescheuert“, kam es mir über die Lippen und Ed sah erschrocken zu mir, verstand erst, was ich meinte, als ich meine Hand hob. „Entschuldige, natürlich ist er nicht bescheuert. Du weißt nicht, was für ein Kuddelmuddel es war, den Richtigen zu finden“, lächelte Ed und ich horchte auf.

„Erzähl mir die Geschichte!“

„Wie du willst. Also, es war einmal ein erfolgreicher Musiker und sein lieber Cousin“, begann er und ich unterbrach ihn sofort.

„Murray weiß davon?“

„Shh, ich erzähle eine Geschichte. Jedenfalls waren wir auf der Suche nach einen Ring für Murray, weil ich ein Alibi brauchte. War sehr witzig, wie er immer beraten wurde und ich ab und an ein paar Vorschläge einwarf. Mission Undercover, und irgendwann hab ich ihn dann gefunden. Murray hätte fast einen Nervenzusammenbruch erlitten, ich war wohl ziemlich nervig“, grinste Ed vor sich hin.

„Da wäre ich gerne dabei gewesen“, murmelte ich.

„Die Verkäuferin war auch sehr erheitert. Aber dann hatte ich den Ring. Als ich ihn gesehen hatte, wusste ich sofort, dass er dir gehören muss“, meinte er dann und ich sah ihn an.

„Wie kitschig“, kicherte ich und war in der nächsten Sekunde auf der Flucht, Ed jagte mir hinterher und versuchte mich zu fassen zu kriegen. Und mein Herz, das schien währenddessen förmlich zu explodieren. Ich hatte mich noch nie so gut gefühlt, innerhalb weniger Sekunden hatte Ed es

geschafft, mein Leben einmal komplett umzudrehen und…

„Und nun?“, fragte ich Ed leise nach einigen Minuten, wir hatten uns mittlerweile wieder auf das Bett gesetzt und aufgehört uns zu jagen, und sah auf meine Hand.

„Wie ‚Und nun‘?“, wollte Ed wissen und strich mir weiter über mein Haar. „Was wir nun tun. Wir brauchen einen Plan, wie wir weiter machen. Sonst geht das ewig so weiter. Du kennst mich doch“, erklärte ich und schmiegte mich näher an ihn.

„Da hast du recht. Ich hab schon Ideen, aber die werden dir wahrscheinlich nicht gefallen“, hörte ich Ed grinsen und seufzte.

„Ich hätte da auch so ein paar Vorschläge, aber die werden dir wahrscheinlich auch nicht so zusagen“, gab ich zu und Ed lachte leise. „Bist du ein schlechter Verlierer?“, wollte er dann wissen und ich setzte mich auf.

„Nein, wieso?“

„Wie wär's, wenn wir drum spielen und der Plan des Gewinners wird durchgesetzt?“, schlug Ed schmunzelnd und ich sah ihn an.

„Ist das dein ernst?“, fragte ich perplex und er zuckte mit den Schultern.

„Eigentlich ni...“, begann er, aber ich Schnitt ihm das Wort ab.

„Okay“, sagte ich einfach. „Der Gewinner entscheidet. Drei Runden Schere, Stein, Papier“, sagte ich und Eds Augen wurden groß, dann setzte er sich auf. „Das war eigentlich wirklich nur ein Scherz...“, wollte er beginnen, stoppte dann aber und entschied sich um. „Dann los“, meinte er und hob seine Faust, ich tat es ihn gleich.

  1. Runde: Schere gewann über Papier. Punkt für mich. Ed sah schon ein wenig angespannt aus.

  2. Runde: Papier über Stein. Ed gewinnt. Und nun würde ein simples Spiel alles entscheiden.

„Bist du bereit?“, wollte Ed wissen und ich setzte mich gerade auf.

„Immer“, hauchte ich und zählte dann runter. Schere? ... Ich durfte nicht verlieren.

Stein? ... Was zur Hölle sollte ich nur wählen...

Papier? ... Ich hatte Angst.

Und dann entschied sich alles, mein komplettes weiteres Leben. Ed entschied sich für die Schere. Und ich für ... Papier.

Perplex schauten wir beide auf unsere Hände.

„Wow“, murmelte Ed. „Damit hab ich jetzt nicht gerechnet.“ Ich nickte nur.

„Ja“, hauchte ich und nahm meine Hand runter. „Du hast gewonnen.“ „Dann hab ich heute ja schon zwei Mal gegen dich gewonnen“, meinte Ed leise, während er meine Hand in seine nahm und über meinen neuen Ring strich.

Ja, das hatte er wohl.

„Versprich mir nur eins“, sagte ich, während ich meinen Blick hob und ihn direkt anschaute. „Ich weiß, dass wir mehr in die Öffentlichkeit gehen werden, das ist mir bewusst, aber bitte übertreib nicht zu sehr, ja?“, lächelte ich und Ed sah mich einfach nur an.

„Ernst jetzt?“, fragte er und ich musste leise anfangen zu lachen. „Bereust du es nicht? Wir können es auch einfach wie normale Menschen machen und in

Ruhe darüber reden und zusammen eine Lösung finden?“

Ich schüttelte den Kopf und hielt ihn einfach nur meinen Ring entgegen. „Heute hab ich wohl einen guten Tag. Das solltest du ausnutzen“, zuckte ich mit den Schultern. „Wahrscheinlich zu viele Glückshormone. Und jetzt erzähl mir, was ich mir hier gerade eingebrockt habe. Vielleicht ruder ich dann nochmal zurück“, lächelte ich und lehnte mich wieder an ihn. Konnte ja nur halb so schlimm werden.

Und ehrlich gesagt wurde es besser als nur halb so schlimm. Sein Plan war nicht so schrecklich wie ich mir das vorgestellt hatte und vorerst würde sich nichts ändern. Ich war Managerin, er war Star. Und ich musste es eh erstmal komplett realisieren. Immer, wenn ich zufällig auf meine Hände blickte und diesen verdammten Ring da glitzern sah, zog sich vor Freude mein Herz zusammen und ich fing an, mich in meinen Gedanken zu verrennen und musste an all das zurückdenken, was passiert war. Es war ein unfassbares Gefühl, immer, wenn ich auf diesen Ring schaute.

Und so konnte ich mich die nächsten Tage nicht wirklich konzentrieren, aber Stuart war zurück, endlich, und ich musste nicht all zu viel machen, sondern führte einfach nur die Sachen aus, die Stu mir auftrug, und konnte die restliche Zeit vernarrt auf diesen verdammten Ring starren.

„Was machst du eigentlich zu Weihnachten, Verlobte?", überraschte mich Ed irgendwann, als ich gerade genau das tat, und ich schüttelte grinsend den Kopf.

„Dir gefällt es, mich so nennen zu können, hm?“, fragte ich ihn und Ed nickte schnell, bevor er näher kam und seine Arme um meine Taille schlang.

„Und wie. Also?“

„Ich weiß es ehrlich gesagt gar nicht. Sonst war ich immer bei meiner Oma gewesen… Letztes Jahr war ich bei Stuart und Liberty, wenn die mich wieder wollen, dann wohl dort“, erwiderte ich und Ed nickte.

„Gut, dann kannst du ja auch mitkommen“, erklärte er sich und ich sah ihn fragend an. „Wohin mit?“

„Zu meiner Familie?!“, beantwortete er meine Frage mit so einer Selbstverständlichkeit in seiner Stimme, dass ich ihn nur kurz perplex anschauen konnte.

„Vergiss es“, kam es mir über die Lippen und Ed seufzte.

„MAE!“

„Was soll ich da? Ich kenn niemanden da und nachher…“, begann ich, doch Ed sah mich einfach nur an und ließ mich stocken.

„Bitte!“, meinte er leise und ich wollte meinen Blick abwenden, damit er mich nicht so manipulieren konnte, aber keine Chance.

„Man Ed, nachher mögen die mich nicht und…“, find ich wieder an, doch dieses Mal unterbrach mich Ed sofort.

„Meinst du das ernst? Natürlich werden sie dich mögen. Und vielleicht können wir beiläufig das mit der Verlobung einwerfen“, meinte er dann und ich seufzte, nickte dann.

„Die werden mich umbringen, oder dich. Oder uns beide“, stimmte ich dann zu und Ed lächelte nur.

„Das wäre es mir wert. Und danke, du bist die Beste!“

„Du, Mae?“, fragte Ed mich eines Abend, wo wir endlich mal wieder alleine waren und nicht mit vielen Menschen im Tourbus sitzen mussten, und ich sah ihn an.

„Ja, Ed?“, erwiderte ich und Ed setzte sich zu mir aufs Bett.

„Ich hätte da mal eine Frage“, fing er dann an und ich wurde misstrauisch und sah ihn abwarten an. „Es gibt da vielleicht ein paar Sachen wegen den Flitterwochen, die wir überdenken sollten.“ Ich sah ihn verwirrt an.

„Wir haben noch nicht mal über die Hochzeit ans ich geredet und du willst mit den Flitterwochen anfangen?“, erwiderte ich.

„Ja schon, aber… Vielleicht, also, vielleicht …“, stotterte Ed aber nur und ich wurde so langsam ungeduldig.

„Ed!“, meinte ich genervt und er atmete tief durch.

„Über die Hochzeit reden wir wann anders, aber… Was hältst du davon, wenn wir keine Flitterwochen machen, sondern...“, begann er, doch ich ließ ihn gar nicht zu Ende reden, sondern war schon längt aufgesprungen, lief aufgebracht auf und ab.

„Sag mal spinnst du? Keine Flitterwochen?! Sag mal geht's dir noch gut? Ja, ich weiß, dass das zeitlich vielleicht nicht so passt, aber Ed, du kannst doch nicht...“, redete ich auf Ed ein, doch der legte einfach nur beruhigend seine Hände auf meine Schultern und zwang mich damit, ruhig stehen zu bleiben. „MAE! Durchatmen, so meinte ich das gar nicht. Ich wollte dich eigentlich nur fragen, ob du dich vielleicht auch auf Flittermonate einlassen könntest?“, meinte Ed zögerlich und ich sah ihn verwirrt an.

„Was?“

„Ich hab geplant, eine Pause ein zu legen“, redete er weiter und meine Augen wurden groß.

„Sag das nochmal!“, forderte ich und war nun komplett verwirrt. Pause?

„Ich will ein paar Monate frei machen. Keine Konzerte, kein Studio, keine Interviews, nichts.“

„Sag das nochmal!“, wiederholte ich mit zitternder Stimme und wusste wirklich nicht, wie ich das ganze hier deuten sollte.

„Ich will mit dir abhauen, Mae. Weg, abtauchen, keine Paparazzi, nur wir beide, irgendwo, das Leben genießen, Party machen, an neuen Songs arbeiten. Ohne Stuart, ohne den ganzen Stress, ohne Twitter und Instagram, nur wir beide, wo uns keiner finden kann“, erklärte er mir und je mehr er redete, desto mehr Tränen sammelten sich in meinen Augen.

„Sag das nochmal“, hauchte ich und Eds eben noch so begeisterter Blick wurde ernst und besorgt.

„Ist es zu viel?“, fragte er daher nur und ich schüttelte sofort den Kopf. „Oh mein Gott, nein“, meinte ich mit zitternder Stimme und sah ihn an. „Du meinst, wirklich frei? Nur wie beide?“, wiederholte ich ihn dann und als Ed nickte, fiel ich ihm einfach nur um den Hals. Das war die beste Idee, die er je haben konnte.

+ + +

+ Kapitel 5.2: Offenbarungen +

„Mach dir nicht so viele Gedanken. Es wird alles gut werden!“ (24.12.2014)

Seufzend schaute ich mit verschränkten Armen Mae zu, die gerade wie ein aufgescheuchtes Huhn durch den Tourbus rannte, weil irgendwie immer irgendetwas fehlte und sie dieses eine Geschenk unbedingt noch fertigstellen wollte….

„Was hat die Kleine denn?“, fragte Stuart mich dann und ich zuckte mit den Schultern.

„Durchdrehen. Wegen Geschenken und weil bald Weihnachten ist“, erwiderte ich dann und Stuart schnaubte nur.

„Liberty ist genauso. Apropos: Bist du eigentlich daran schuld, dass sie nicht mit uns Weihnachten feiern wollte?“, fragte Stu dann und ein zufriedenes Lächeln bildete sich auf meinen Lippen.

„Tut mir leid, Chef. Da war ich wohl schneller“, meinte ich nur.

„Kaum sind die Kinder aus dem Haus, machen sie, was sie wollen“, seufzte er. „Und dann sehen wir uns ja am ersten Weihnachtsfeiertag!“ „Ja, kommt Liberty auch?“, stimmte ich ihm zu und Stu nickte.

„Meine Ehefrau kommt auch“, stellte er schmunzelnd fest und auch ich stieg darauf ein.

„Frau und Kind, so schnell kann‘s gehen“, musste ich mir das Lachen verkneifen und Stuart verdrehte die Augen.

„Hör auf Ed, dass ist nicht witzig“, knurrte er nur, musste sich selbst aber das Lachen verkneifen.

„Hey, ohne dich hätte ich Mae niemals kennen gelernt, von daher“, zuckte ich mit den Schultern und wich dieser dann auch aus, als sie an mir vorbei eilte.

„Da hast du recht. Aber apropos Mae, ich hab dir lange keine väterliche Standpauke mehr gehalten. Jetzt, wo du sie uns schon an Weihnachten klaust“, fiel es Stu dann ein und ich schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Tu dir keinen Zwang an.“

„Okay. Wenn du meiner Tochter auch nur ein Haar krümmst! ... Okay, das wird nicht passieren, aber wenn du ihr nicht jeden Wunsch von den Lippen abliest, dann... okay, das wirst du wahrscheinlich eh tun. ... äh, durchbrennen wirst du mit ihr auch nicht. ... Keine Kinder vor der Ehe! Sowieso kein Sex vor der Ehe. Und überhaupt“, versuchte er es und ich brach nur schallend in Gelächter aus.

„Das musst du wohl nochmal üben“, lachte ich und klopfte Stuart auf die

Schulter. „Aber keine Sorge, Großvater wirst du so schnell nicht.“

„Dann ist ja gut. Und ich bin ehrlich gesagt bin ich froh, dass ich nur dich als

Freund meiner Tochter an der Backe habe. Kelsey hat mir von diesem Joshua berichtet und…“, fing er dann an und musste dann erstmal tief durchatmen. Ja, Joshua war so ein Thema für sich… „Aber genug davon, vielleicht sollten wir der Kleinen mal helfen, hm? Machst du ihr Kaffee? Ich versuch dann mal sie davon abzuhalten, dass sie den kompletten Bus auseinander nimmt. Was genau sucht sie eigentlich?“

„Ich bin so unendlich froh, dass das Geschenk noch fertig geworden ist“, redete Mae schon seit Stunden aufgeregt auf mich ein und auch, wenn ich das jetzt schon mehrmals gehört hatte, war es einfach schön zu sehen, wie sie sich über so eine Kleinigkeit freute.

Mittlerweile waren wir in unserem Van auf dem Weg nach Hause – Murray fuhr – und Mae war die ganze Zeit schon aufgedreht wegen meiner Familie.

Also versuchte ich sie irgendwie abzulenken.

„Mae, Konzentration: Wie groß willst du die Hochzeit?“, fragte ich daher und sie legte den Kopf schief, zuckte dann mit den Schultern.

„So viel Familie hab ich nicht mehr, genau genommen… Stuart und Liberty. Als Freunde… Kelsey, die wird auch Trauzeugin, das ist einfach. Also ich komme auf drei Menschen“, meinte sie dann und ich seufzte. Und auch, wenn das eigentlich ziemlich traurig klang, lächelte Mae mich an. „Und ich bin dafür, dass wir die Family einladen. Und deine Familie, aber da kennst du dich besser aus. Und das reicht mir eigentlich auch schon wieder. Zu groß sollte es also nicht sein.“

Ich nickte nur. Das klang schon mal besser.

„Sehr gut. Wo kann ich eigentlich deinen Vermieter finden?“, fragte ich dann beiläufig und sah sie an.

„Ver… was? Warum willst du sowas denn wissen? Und ich hab keinen Vermieter“, meinte sie und stoppte in ihrer Bewegung.

„Du hast keinen Vermieter?“, erwiderte ich verwirrt und sie sah mich an. „Ja, die Wohnung gehört mir. Ich hab dir glaube ich schon mal davon erzählt, ich habe unser Haus ziemlich gut verkaufen können. Und davon hab ich mir die Wohnung gekauft und der Rest war für die Unterbringung meiner

Granny“, erklärte sie und ich seufzte. „Wieso?“

„Ich wollte dir deine Wohnung zur Hochzeit schenken, aber das kann ich ja jetzt knicken“, grinste ich schief und Mae blinzelte überrascht.

„ED!“, meinte sie sofort. „Hör auf dir solche Gedanken machen zu wollen! Ich brauche das nicht“, sah sie mich an und ich seufzte.

„Mae, das ist …“, wollte ich beginnen, aber…

„Ed, ich brauche keine Geschenke von dir. Natürlich, ich freue mich über all die Kleinigkeiten, die du mir mitgebracht hast, aber ich brauche sie nicht. Ich brauche nur dich.“

„CHEESY!“, hörten wir dann Murray vom Fahrersitz und ich erschreckte mich zu Tode. Ich hatte ihn komplett verdrängt in den letzten Minuten.

„Klappe!“, meinte ich nur und Mae schüttelte lachend den Kopf.

„Ich glaube, Murray sollten wir nicht zur Hochzeit einladen, hm?“, meinte sie dann und ich nickte sofort.

„Nicht, dass er sowas dann auch bei der Trauung bringt.“

Wir waren fast da, Murray fuhr uns zu seinen Eltern und Mae übernahm dann das Steuer, ich hatte ja immer noch keinen Führerschein… „Was würdest du machen wollen, wenn wir alles tun können, was wir wollen? Und es keinen interessiert?“, fragte ich sie irgendwann und Mae antwortete sofort.

„Zusammen mit dir auf dem Sofa sitzen, Wein trinken, Pizza essen und Musik hören“, antwortete sie sofort und ich musste lächeln. Die Antwort war verdammt süß, aber nicht genau das, was ich mir gedacht hatte.

„Ich mein jetzt draußen, in der Öffentlichkeit“, korrigierte ich mich schnell. „Sag das doch gleich“, grinste Mae dann und überlegte kurz. „Laufen gehen?“ Seufzend schaute ich zu ihr herüber und schüttelte langsam den Kopf.

„Man Mae!“

„Dann eben nicht laufen gehen… Wie wär‘s mit Tanzen gehen?“, versuchte sie es weiter und ich nickte.

„Schon besser. Aber Tanzen gehen? Inwiefern?“, wollte ich dann trotzdem wissen.

„Tanzen halt, wie so ein richtiger Ball, also nicht auf irgendwelchen Partys. Sondern so richtiges Tanzen, mit tollen Kleidern, die ich mir nie im Leben leisten können würde, und glitzerndem Schmuck und toller Musik und einem tollen Tanzpartner“, erklärte sie dann und ich lächelte. Das klang verdammt schön.

„Du, Mae? Wenn es so einen Ball geben würde, aber da wären ausversehen ein oder zwei Paparazzi oder andere Presseleute…“, fing ich dann an und rechnete damit, dass Mae das gar nicht gefallen würde, aber sie zuckte nur mit den Schultern.

„Dann wäre das wohl so, oder? Ist das Teil deines Plans?“, wollte sie dann wissen und ich nickte langsam. „Hey, Ed. Schau nicht so, du hast nicht umsonst bei Schere, Stein, Papier gewonnen, also erwarte ich jetzt einen

grandiosen Ball mit einem noch grandioseren Kleid, ja?“ Ich nickte nur. Das war absolut machbar.

„Wir müssen hier noch einmal um die Ecke und dann sind wir da“, meinte ich kurz bevor wir da waren und Mae blinkte, doch fuhr dann links ran. „Mae?“, hakte ich dann nach, doch diese knetete nur ihre Hände.

„Wie würdest du reagieren, wenn ich dir sagen würde, dass ich schwanger wäre?“, fragte sie stattdessen und diese Frage riss mich komplett aus dem Konzept.

„Bist du es denn?“, versuchte ich zu scherzen, doch Mae sah mich streng an.

„Nein“, antwortete sie dann aber und ihr Verhalten machte mich stutzig.

„Sicher?“, wollte ich so wissen und Mae seufzte erneut.

„Nein.“

Stille. Ich schluckte.

„Mae?“, versuchte ich es erneut, aber sie schüttelte nur mit dem Kopf. „Nein.“

„Mae, bitte rede mit mir, was ist denn jetzt los?“, wurde ich verzweifelter und sie drehte sich zu mir um.

„Sag mir, wie du reagieren würdest“, forderte sie und ich holte Luft. Dann halt so.

„Ich würde mich ehrlich gesagt freuen, glaube ich. Ich wäre wahrscheinlich zuerst etwas schockiert, aber ich würde mich freuen“, murmelte ich dann und Mae sackte in sich zusammen.

„Das habe ich befürchtet“, meinte sie eben so leise und intuitiv griff ich nach ihren Händen.

„Wieso?“, wollte ich wissen.

„Weil ich genau das Gegenteil tun würde, Ed. Ich würde vollkommen durchdrehen, ich würde vor lauter Panik umkommen. Und…“, wollte sie sich erklären, aber fing dann einfach an zu weinen. Sowas hatte ich bei ihr noch nie gesehen.

„Mae, bitte, kann ich dir helfen? Rede doch mit mir“, versuchte ich es einfach weiter und Mae strich sich trotzig die Tränen aus den Augenwinkel. „Ich … meine Tage sind immer ein wenig unregelmäßig, das ist normal, aber ich bin halt überfällig und… Ich hab nen Schwangerschaftstest gemacht. Er war negativ und rein von der Logik her ist es quasi zu 99,9% unwahrscheinlich, dass ich schwanger sein könnte, und eigentlich müsste ich mir auch keine Sorgen machen, aber … ich habe trotzdem Angst“, rückte sie dann mit der Sprache raus und ich atmete erleichtert auf. Das klang ja nicht mehr ganz so schlimm, wie sie das darstellte. Mae reagierte gerne mal über.

„Willst du nicht dann direkt lieber zum Frauenarzt, damit es dir besser geht?“, fragte ich daher nur und Mae schaute verwirrt auf.

„Das ist deine Reaktion?“, fragte sie und ich sah ebenso verwirrt zurück.

„Ja?“, erwiderte ich hilflos. Wie sollte ich denn sonst reagieren?

„Ich… Wann denn bitte? Jetzt?“, überging sie das dann einfach und ich nickte.

„Ja? Ich kann dich begleiten“, schlug ich vor und im nächsten Moment lachte sie zynisch auf.

„Wie stellst du dir denn bitte vor, wenn du bei nem Frauenarzt auftauchst, Ed. Das geht nicht! Die Schlagzeilen will ich uns nicht antun. … Ich hab mir einen Termin geben lassen für wenn ich wieder da bin“, meinte sie dann und ich nickte, drückte ihre Hand.

„Mae, alles wird gut, glaub mir. Und wenn…“, begann ich dann, aber Mae unterbrach mich sofort.

„Können wir nicht mehr drüber reden?“, fragte sie fordernd und ich schluckte meine restlichen Worte hinunter, nickte nur.

„Natürlich. Im Moment haben eh genug andere Probleme zu bewältigen“, versuchte ich dann die Stimmung aufzuhellen und Mae ging Gott sei Dank drauf ein. „Die wären?“

„Wir kommen in circa 15 Sekunden an und ich hab mir immer noch nicht überlegt, wie ich den anderen das mit der Hochzeit am besten beibringe...“, grinste ich schief und auch Mae huschte ein kleines Lächeln über die Lippen. „Und ich weiß immer noch nicht, ob der Vater der Braut gleichzeitig auch mein Best Man sein kann. Ich hab bei Google nichts gefunden“, setzte ich hinzu und im nächsten Moment boxte mir Mae leicht gegen meine Schulter. „Du bist vollkommen verrückt geworden“, meinte sie nur und ich nickte. „Natürlich. Es soll doch perfekt werden, daher muss ich doch planen!“, erwiderte ich vollkommen überzeugt und meine Ablenkungstaktik funktionierte. Mae lächelte wieder und startete den Motor.

„Ed, wir werden frühestens in 13 Monaten heiraten, komm mal runter!“, meinte sie dann und ich sah sie erschrocken an.

„Nur noch 13? Das wird knapp!“, murmelte ich.

„Was wird knapp?“, hakte Mae dann nochmal nach und ich grinste breit.

„Dir zu beweisen, dass du dich richtig entschieden hast.“

+

„ED! Was freuen wir uns, dass du Zeit hast!“, wurde Ed begrüßt, als die Tür aufgerissen wurde, und schon in eine Umarmung gezogen wurde. Im nächsten Moment sah Eds Mom dann auch mich und ich lächelte unsicher, als sie zwischen Ed und mir hin und her blickte.

„Mae. Mae Campbell, es freut mich, Sie kennen zu lernen!“, meinte ich unsicher, während ich der Frau vor mir meine Hand reichte, und warf Ed dann einen kurzen Blick zu.

„Wollen wir nicht erstmal rein gehen?“, bat Ed dann und seine Mutter nickte nur, ließ uns dann rein.

„EDDY!“, entdeckte dann auch ein Mann, wohl in unserem Alter, vielleicht ein wenig älter und wahrscheinlich Eds Bruder, ihn und blieb dann abrupt stehen.

„Dad? Hatte Ed am Telefon erwähnt, dass er Besuch mitbringt?!“, wurde dann auch die restliche Familie alarmiert, während Ed mich einfach weiter ins Wohnzimmer schob, wo der Rest der Familie war. Eds Vater sowie Matthews Frau plus Kind. Jedenfalls ging ich davon aus, dass sie das sein mussten.

„Hatte er nicht!“, meinte Eds Vater dann und zog seinen Sohn in eine knochenbrechende Umarmung, bevor er mir die Hand reichte.

„Hab ich vielleicht vergessen?“, murmelte Ed dann und alle lachten leicht.

„Ich glaube, du hast es aktiv verschwiegen“, neckte uns Matthews Frau und Ed zuckte nur grinsend die Schultern, bevor er mir einen Arm um die Schulter legte.

„Das ist Mae. Mae Campbell. Sie hat den lieben Stuart ersetzt, als er mit Liberty auf Hochzeitsreise war, und…“, begann er und schon redeten wieder alle voneinander.

„Das ist also die junge Dame, von der Stu immer so schwärmt“, meinte Eds Mutter und ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. „Zu Recht, sie hat ja auch grandiose Arbeit geleistet. … Und wir sind zusammen… und verlobt“, meinte Ed dann schnell und dann legte sich eine eisige Stille über uns.

Das… das hatte er dich gerade nicht gesagt oder?!

„ED!“, zischte ich leise und knetete meine Hände.

„Es ist noch keiner schreiend aufgesprungen. Läuft super!“, erwiderte Ed aber nur flüsternd und ich schüttelte leicht den Kopf. Läuft super? Ja klar… „EDWARD CHRISTOPHER SHEERAN! MITKOMMEN!“, meinten im nächsten Moment auch sein Vater und sein Bruder gleichzeitig, hatten ihn geschnappt und nach draußen gezogen. Mit großen Augen schaute er mich an, versuchte sich noch aus den Griffen zu befreien, war dann aber doch draußen auf die Terrasse verschwunden, während er mich hier alleine zurück ließ.

Verwirrt blickte ich in die Gesichter Eds weiblicher Verwandtschaft.

Na großartig. Genau so hatte ich mir das vorgestellt.

+ Kapitel 5.3: Family 3.0 +

„Nachtrag: Mae wickelt anscheinend wirklich jeden um den Finger, den sie erst zwei Sekunden lang kennt.“ (24.12.2014)

Nachdem Ed gerade von den männlichen Familienvertretern gekidnapped wurde, blieben nur noch Eds Mutter, die Frau von Matthew plus den kleinen Jungen und ich. Und alle schauten mich an, als ob ich ein Alien wäre. „Er hat nicht gerade ernsthaft…?“, begann ich und seufzte, schaute irritiert in die beiden ebenfalls überraschten Gesichter der beiden Frauen vor mir. „Es tut mir wirklich leid, dass Ed das so … spontan erzählt hat. Ich bin gerade auch ziemlich überrascht und hatte eigentlich gehofft, Sie noch besser kennen lernen zu dürfen, bevor…“, redete ich dann irgendwas daher, um die Stille zu füllen und noch irgendwas auszurichten zu können. Aber ich wusste einfach nicht, was ich sagen sollte. Eds Mutter seufzte aber nur und stand auf.

„Imogen, Liebes. Und hör bitte auf uns zu siezen. Denn wie es gerade aussieht, gehört du jetzt wohl zur Familie?“, versuchte Eds Mutter… Imogen es zu realisieren und seufzte dann. „Ed kann manchmal ein ganz schöner Chaot sein, hm?“, fragte sie dann und ich nickte. Diese Situation war viel zu einschüchternd um irgendetwas anderes antworten zu können… „Ach Mae, schau nicht so panisch. Ed ist eigentlich ein guter Junge, der weiß, was er macht. Also meistens. Klar, ich hätte mir auch gewünscht, dich erst mal normal kennen lernen zu dürfen und alles, aber es ist eben so, wie es ist. Kennen lernen können wir uns jetzt ja trotzdem noch. Und Ed wird dich nicht ohne Grund heiraten wollen. Also von daher: Willkommen in der Familie?“, meinte Imogen dann und ich erstarrte, wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Und im nächsten Moment spürte ich, wie sie mich in eine kurze Umarmung zog. Auch Matthews Frau, die sich im gleichen Atemzug mit Namen vorstellte, war aufgestanden und hatte mich zur Begrüßung umarmt.

„Und jetzt erzähl mal von dir, Ed hat absolut kein Sterbenswörtchen von dir erzählt“, meinte Lydia und seufzte dann. „Aber kein Wunder, so wenig, wie er uns mal besuchen kommt oder von irgendwas erzählt.“

„Da hast du recht, mein Vater dreht immer ein wenig durch, wenn er mal wieder Sachen erfährt, die Ed ihm einfach nicht erzählt hat. Stu hat es manchmal echt nicht leid“, seufzte ich und versuchte mich irgendwie ein wenig wohler zu fühlen, mich zu integrieren.

„Moment mal, du bist also Stuarts Tochter?“, fragte Imogen und gab einen Wink mit der Hand, damit wir ihr folgten. „Dann wissen wir jetzt schon viel

mehr über dich, Stuart schwärmt also nicht grundlos von dir.“ Ich lächelte breit.

„Stuart ist der einzige Verwandte, den ich noch habe, und ich bin froh, ihn wiedergefunden zu haben. Die Geschichte ist gar nicht mal so schön. Er wusste bis vor ein paar Jahren nicht mal, dass er eine Tochter hatte“, antwortete ich und die beiden Damen nickten.

„Uns hat er auch nur beiläufig davon erzählt und wollte erst mal so mit der Situation zurechtkommen, bevor er dich irgendwann mal seinen Freunden vorstellt. Wie ist denn die ganze Geschichte? Er hat das alles ziemlich geheim gehalten“, fragte Lydia, die noch ihren kleinen Sohn auf dem Arm hielt. „Meine Mutter ist bei meiner Geburt gestorben und niemand wusste, wer mein Vater war. Es gab nur ein paar Anhaltspunkte, aber es hat halt nicht gereicht, irgendjemanden ausfindig zu machen. So haben mich meine Großeltern aufgezogen. Und vor ein paar Jahren habe ich aus Zufall ein altes Foto entdeckt, auf dem Stuart zu sehen war. Und dann hab ich nach ihm gesucht und ihn auch gefunden“, fing ich an zu erklären und Eds weibliche Familienangehörigen nickten.

„Und durch ihn hast du dann wohl Ed kennengelernt“, wurde geschlussfolgert und ich stimmte zu. „Es wundert mich aber, dass wir nichts von dir in der Presse gelesen haben. Sonst werden Eds Freundinnen immer zerrissen und wir haben sie somit irgendwie auch nie zu Gesicht bekommen.“

Ich lachte nur leise. Das war ja so eine Sache für sich mit mir und der Presse. „Seitdem ich Ed vor knapp vier Jahren kennen gelernt habe, war eine der wichtigsten Bedingungen, dass ich niemals, also wirklich niemals, in der Presse auftauche. Er hat sich dran gehalten. Ich wollte das nicht, das war mir damals einfach zu viel Aufmerksamkeit. Seitdem ich Stu ein wenig auf Tour unter die Arme greife, hat sich das leider geändert“, meinte ich leise und Eds Mutter betrachtete mich nachdenklich, fing dann aber an zu lächeln.

„Du bist also Managerin?“, fragte sie und ich nickte.

„Ja, ich bin seit ein paar Monaten mit dem Studium fertig, also mit dem Master, Bereich Musikmanagement. Stuart hatte angesteckt. Das war eines der wenigen Sachen, die ich von ihm wusste, also dass er Manager werden wollte, und ich hab ihm unbewusst wohl nachgeeifert. Und wie Ed eben schon meinte, da Stuart ja mit Liberty durchbrennen wollte und nicht da war, bin ich die zwei Monate der Flitterwochen eingesprungen“, erklärte ich weiter.

„Das hatte er erzählt. Aber nochmal zurück zu dir und der Presse. Warum diese ganze Versteckerei?“, fragte sie dann und ich zuckte nur mit den Schultern.

„Wieso ich nicht in die Öffentlichkeit will? Ich seh doch, was es bei Ed kaputt macht. Das will ich nicht. Ich will nicht unter den Argusaugen von Leuten stehen, die keine Ahnung haben. Ich will das alles nicht, von daher halte ich mich daraus“, meinte ich und stockte dann. „Ja, ich weiß, dass das nicht so einfach ist, wie es klingt. Und es wird auch irgendwann scheitern, aber die letzten dreieinhalb Jahre hat das ziemlich gut funktioniert und seitdem ich auf Tour bin werde ich nur als seine Managerin abgedruckt, das geht auch noch.“

„Gut, da wir das geklärt hatten, will ich aber mal anfangen, das Essen vorzubereiten“, meinte Imogen dann, klatschte in die Hände. Lydia setzte ihren Sohn auf einen der Küchenstühle und suchte ihm was zur Beschäftigung.

„Was kann ich tun?“, fragte ich daher und lächelte vorsichtig in Imogens Richtung. Auch wenn der Start jetzt doch ganz gut gewesen war, wollte ich nicht sofort alles ruinieren.

„Oh, das ist aber nett von dir, Liebes. Entweder Salat vorbereiten oder Kartoffeln schälen, den Braten hab ich vorhin schon vorbereitet“, erklärte sie mir und ich entschied mich fürs Kartoffel schälen, da konnte ich jedenfalls nicht all zu viel verkehrt machen und das komplette Essen ruinieren. +

„Ed! Das ist doch nicht dein Ernst?!“, fing mein Bruder an und ich seufzte. Nachdem mich die beiden mich gerade aus der Tür nach draußen gezogen hatten, starrten sie mich böse an. Und ich saß hier draußen auf der Gartenbank und sah einfach nach vorne an ihnen vorbei.

„Eigentlich schon, doch“, erwiderte ich nur und fühlte mich wie in einem Kreuzverhör und … nichts anderes war das hier auch.

„Das ist keine gute Idee, Ed. Wie lange seid ihr zusammen?“, wollte dann auch mein Vater wissen und ich rechnete kurz nach.

„So wirklich? 1 Jahr und 28 Tage“, stellte ich lächelnd fest und Matthew seufzte.

„Das ist nicht lange, man heiratet nicht, wenn man sich erst ein Jahr kennt“, meinte er auch sofort.

„Ich kenne sie mehr als dreieinhalb Jahre, seit dem 07.07.2011, Brüderchen. Und das finde ich lang genug, um sich für so etwas zu entscheiden“, erwiderte ich nur, doch meine Familie sah mich immer noch durchdringend und skeptisch an. „Man, haltet ihr mich für vollkommen bescheuert? Hast du jemals mitbekommen, dass ich mit Mae zusammen bin? Nein? Das hat auch einen Grund. Weil sie nicht in die Öffentlichkeit wollte und ich habe das akzeptiert. Es geht ja nicht anders. Sie denkt, die Öffentlichkeit würde Beziehungen zerstören. Und genau so war das auch immer. Und da werde ich bestimmt nicht gleich zum nächstbesten Paparazzo rennen und ihm davon erzählen. Wenn wir entscheiden, dass wir uns ein wenig mehr in der Öffentlichkeit zeigen dann auch nur in einem Maße, wie es auch vernünftig ist“, redete ich mich in Rage. „Und schaut mich nicht so an, als ob ich ein Schwerverbrecher wäre! … Denkt ihr wirklich, ich habe mir das nicht gut überlegt? … Ja, es war vielleicht nicht ganz richtig, so mit der Tür ins Haus zu fallen, aaaaaber: Wenn ich es nicht getan hätte, hättet ihr euch beschwert, warum ich es nicht früher erzählt habe“, murmelte ich dann und mein Vater seufzte geschlagen, Matthew betrachtete mich immer noch skeptisch.

„Man Ed…“, meinte er dann auch und ließ sich neben mir fallen. „Du KANNST nicht heiraten. Du bist mein kleiner Weltstar-Bruder. Wenn du heiratest, heißt das, dass du wirklich erwachsen geworden bist“, meinte er dann und ich wusste beim besten Willen nicht, was ich darauf erwidern sollte. Also schwiegen wir erstmal, saßen einfach nur nebeneinander und starrten auf den Garten hinaus. Ich war echt lange nicht mehr hier gewesen…

+

„Du brauchst keine Angst zu haben, Mae. Die Sheerans sind echt schwer in Ordnung und wenn sie sich vom ersten Schock erholt haben, dann werden sie dich vergöttern“, grinste Lydia mich schief an, als Eds Mutter für einige Zeit den Raum verlassen hatte, und ich wollte sofort irgendetwas erwidern, doch sie wank ab. „Mach dir keine Gedanken, du machst alles richtig und behandelst Eds Eltern unfassbar nett und zuvorkommend. Bald werden sie dich nicht mehr gehen lassen. Und nach dem Blick, den Ed dir zugeworfen hatte, als er aus dem Raum gezerrt wurde, ist alles andere eh vollkommen egal“, meinte Lydia weiter und ich sah sie ziemlich verwirrt an.

„Was für ein Blick?“, wollte ich wissen und Lydia setzte das breiteste Lächeln auf, das ich bisher bei ihr gesehen hatte.

„Er hat dich angesehen, als ob du das zerbrechlichste und kostbarste Geschenk seist, was er je gesehen hatte. Er war beschützerisch, liebevoll, stark. Keine Ahnung, halt einer dieser besonderen Blicke, die man nur besonderen Menschen zuwirft“, erklärte sie und ich wurde unfassbar rot. „Danke“, murmelte ich leise und straffte dann wieder meine Schultern, als Imogen den Raum betrat.

„Die Jungs sind immer noch draußen und schweigen sich an. Gott, ich möchte gerade echt nicht an Eds Stelle sein“, zwinkerte sie mir dann zu und Lydia lächelte nur noch breiter, weil sie wohl genau wusste, dass sie recht hatte. „Aber gut, wollt ihr beiden schon mal den Tisch decken?“, fragte sie dann weiter und wir sprangen auf, Lydia holte die Teller und das Besteck und ich brachte alles auf den Tisch. Das würde ich wohl hinkriegen, auch wenn ich mir hier nicht auskannte.

„Ach Mae!“, wurde ich dann nochmal zurück gerufen und ich erstarrte, drehte mich ganz langsam um. „Dein Kleid… wo hast du das her?“, wollte Lydia wissen und ich grinste schief.

„Ich habe absolut keine Ahnung. Meine Oma hatte genau das Gleiche und als es irgendwann leider total abgenutzt war, hab ich es einfach neu geschneidert“, meinte ich vorsichtig und nun war auch Imogen erstaunt und klinkte sich ins Gespräch ein.

„Das ist von dir?“, wollte sie wissen und ich nickte vorsichtig.

„Ja. Ich schneidere gerne, wenn ich mal Zeit dazu habe“, meinte ich, bevor ich mich dann mit den Tellern, die langsam echt schwer wurden, aus der Küche entfernte.

+

„Du hast dir das gut überlegt, Ed?“, riss uns unser Vater aus dem Schweigen und ich nickte schnell.

„Natürlich“, erwiderte ich sofort, während mein Vater aufstand und uns beiden auf die Beine half.

„Sehr gut. … Dann sollten wir vielleicht auch mal wieder rein gehen und den Damen bei der Arbeit zur Hand gehen, nicht wahr?“, meinte er dann einfach und verließ uns. Ließ Matthew und mich alleine.

„Bei mir ist er mehr durchgedreht“, meinte er dann und grinste mich an. „Und dabei kannten sie Lydia schon ne Weile. … Du bist echt erwachsen geworden, Kleiner“, setzte er hinzu, bevor er ebenfalls nach drinnen verschwand und ich seufzend folgte. Lief besser, als ich erwartet hatte. Als ich drinnen war, erblickte ich sofort Mae, die gerade alleine den Tisch deckte, und im nächsten Moment war ich bei ihr.

„MAE! Es tut mir wirklich leid. Ich hätte dich nicht alleine in meiner fremden Familie lassen sollen. Verzeih mir bitte“, redete ich auf sie ein und sah sie schuldig an. Es war vielleicht nicht die beste Idee gewesen, das ganz am Anfang zu erzählen. Und gerade, als Mae zu einer Antwort ansetzen wollte, wurden wir unterbrochen.

„Mae? Ich brauche dringend deine Hilfe. Der Braten! Und meine andere Schwiegertochter ist verschwunden“, rief meine Mutter aus der Küche, Mae sah mich schulterzuckend an und war im nächsten Moment verschwunden. „Das war ne grandiose Abfuhr“, klopfte Matthew mir auf die Schulter, der sich inzwischen neben mich gestellt hatte, und ich sah ihn an. „Hast du das gerade gehört?“, wollte ich vollkommen baff wissen. „Das mit der ‚anderen Schwiegertochter‘?“, fragte er und ich nickte. „Na dann scheint sie ja alles richtig zu machen“, klopfte mein Bruder mir auf den Rücken und ich schüttelte nur verwirrt den Kopf. Das lief ja wirklich alles besser als ich das je erwartet hätte.

+

Das Essen war echt schön gewesen, alle behandelten mich irgendwie so, als ob ich schon immer da gewesen wäre, und das irritierte mich ziemlich. Es war ein schönes Essen gewesen. Zwar meist nur Smalltalk, ein wenig einander kennen lernen, aber ich mochte sie alle wirklich, wirklich sehr gerne. Und dennoch war es gut, jetzt erstmal eine Pause zu haben und durchzuatmen.

„Du hast die Ehre, dich in meinem alten Kinderzimmer umzusehen“, meinte Ed, während er hinter mir die Treppe nach oben ging, und schlussendlich vor einer Tür stehen blieb.

„Jetzt bin ich aber gespannt“, meinte ich und öffnete die Tür. „Oh mein Gott, ist das genial“, quietschte ich im nächsten Moment und drehte mich im Kreis. Das Zimmer war unfassbar klein, es passt nicht viel rein, aber was Ed daraus gemachte hatte, war erstaunlich. „Das sieht ja genau so aus wie in den Videos!“

„Videos?“, hakte Ed nach und sah mich an. „Welche Videos, Mae?“ „Äh…“, begann ich langsam. „Oh, das ist ja ein Toy Story-Plakat“, versuchte ich mich rauszureden, aber keine Chance.

„MAE!“, meinte Ed nur mit noch mehr Nachdruck und ich seufzte. „Between You and Me Music, von 2010. Ich hab gedacht, das wäre nur irgendein Zimmer, aber dass das wirklich dein verdammtes Zimmer war, konnte ich ja nicht ahnen“, murmelte ich und Ed seufzte, bevor er mich zu sich zog.

„Stalkst du mich immer noch?“, fragte er aber nur und ich merkte, wie er seine Hände auf meine Taille legte.

„Vielleicht? Also nein, länger nicht mehr, aber ich hatte mal so meine Phasen, das weißt du ja. Und diese Videos sind mit Abstand das Beste, was es von dir bei YouTube gibt. Abgesehen von deinem Pony-Auftritt, wo du dir tatsächlich dein Shirt ausgezogen hast… Selbst die bunten Lichterketten hängen da noch.“

„Nicht ablenken, Mae“, ertappte mich Ed aber dann schon wieder und ich seufzte.

„Nun gut, du hast recht. Ich schau mir gerne Videos von früher von dir an, immer noch“, murmelte ich und spürte im nächsten Moment, wie er mich küsste.

„Du bist verdammt süß gerade, weißt du das eigentlich?“, meinte er leise, bevor er mich frei gab und sich auf seinem Kinderbett fallen ließ. „Ich weiß. Wie viele Damen haben in diesem Bett schon übernachtet?“, wollte ich dann wissen und Ed sah mich mit großen Augen an.

„Ich nehm alles zurück, das war gerade nicht sehr süß“, grummelte er und ich ließ mich neben ihm fallen.

„Du kennst mich. Also?“

„Übernachtet oder … übernachtet?“, fragte er aber nur und ich schmunzelte. „Beides“, zuckte ich mit den Schultern und auf Eds Lippen schlich sich ein Lächeln.

„Das Erste kann ich nicht zählen, bei mir haben schon viele Leute übernachtet. Letzteres ist einfach: Gar keine“, meinte er dann und ich zog eine Augenbraue in die Höhe.

„Ernsthaft, Ed? Du hattest so oft Damenbesuch hier, hast aber keine von den Mädels angerührt“, hakte ich nach und Eds Lächeln wurde breiter.

„Du hast nur nach diesem Bett hier gefragt“, war alles, was er sagte, und ich verdrehte die Augen, bevor ich nach einem seiner Kissen griff und Ed damit abwarf.

„Du kannst manchmal so verdammt großkotzig sein, Ed!“, grummelte ich, bevor ich näher zu ihm rutschte und mich trotzdem an ihn lehnte.

„Du hast gefragt, Mae! Aber ne, mal ehrlich, ich muss dich enttäuschen, damals fanden mich die meisten Mädchen komisch oder süß. Nicht gerade die besten Voraussetzungen, um jemanden abzuschleppen, hm?“, wurde er dann wieder ernster und legte einen Arm um mich.

„Süß warst du ja auch. Aber noch so viel mehr als das. Erste richtige Freundin?“, wollte ich dann mehr von Ed wissen. Wir hatten da noch nie drüber geredet, nur über meine Vergangenheit.

„Sie war die Welt für mich, damals“, lächelte Ed und so, wie er das sagte, musste ich auch lächeln. Das erste Mal verliebt sein, das war ein unfassbares Gefühl gewesen und Ed schien es genau so gegangen zu sein, damals. „Sie hat mir den perfekten Platz für ein wenig Straßenmusik weggenommen. Wir haben damals viel Musik zusammen gemacht. Sie liebte die Musik und sie liebte das Tanzen. Ich hatte viel Stress mit meinen Eltern damals und irgendwie war sie die einzige, die mich auffangen konnte“, meinte er dann und ich nickte langsam.

„Hieß sie Alice?“, wollte ich dann wissen und Ed lachte leise.

„Nein. Aber ja, Sunburn hab ich über sie geschrieben. Mit dem Namen hab ich bloß ein wenig geschummelt, weil ich nicht wollte, dass sie sich angesprochen fühlt“, gab er dann zu und ich nickte. Das klang wirklich viel zu süß um wahr zu sein.

„Warum hat es nicht funktioniert?“, wollte ich dann wissen.

„Ich hatte in London Möglichkeiten, Songs aufzunehmen und bin dann irgendwie dort geblieben und zu selten Zuhause. Eigentlich wollte sie mir, wenn sie mit der Schule fertig war, nach London folgen, aber…“, begann er dann und stockte kurz. „Sie ist dann nach Amerika gegangen, um zu tanzen. Und ich hab sie nie wieder gesehen. Es hat nicht sollen sein“, meinte er dann und ich nickte.

„Manchmal ist es einfach so, dass es nicht funktioniert“, stimmte ich ihm zu und Ed begann langsam, mit meinen Haaren herum zu spielen.

„Da hast du recht. Und so etwas zu hören stört dich gar nicht?“, wollte er dann wissen und ich verneinte sofort.

„Wieso sollte mir das was ausmachen? Es ist Vergangenheit. Und ziemlich süß, um ehrlich zu sein. … Apropos Vergangenheit“, fing ich dann an und kuschelte mich weiter in Eds Umarmung. „Hm?“, fragte dieser nur und ich lächelte.

„Wir müssen über die Zukunft reden“, meinte ich dann und Ed schmunzelte. „Du bist keine Person dafür, über die Zukunft zu reden“, erwiderte er und ich nickte langsam.

„Geht auch mehr um deine Zukunft als um meine. … Ich hab ein paar Telefonate geführt“, lächelte ich und Ed setzte sich ein wenig auf, um mich anzuschauen.

„Wembley?“, fragte er und ich nickte nur.

„Wembley. … Es wäre alles geklärt. Wir brauchen nur eine Entscheidung.“ „Was ist alles geklärt? Und wer ist wir?“, hakte Ed aber nach und ich seufzte. „Mögliche Termine. Finanzierung. Was man halt so klären kann. Und wir sind Stuart und ich. Er ist damit einverstanden und meint, es wäre eine gute Idee. Und er meinte, er würde mir die komplette Verantwortung in die Hand geben, wenn du zustimmst“, erklärte ich und Ed seufzte.

„Ihr versteht euch manchmal echt zu gut. … Und er will dir die gesamte Verantwortung überlassen?“, fragte er dann aber nochmal und ich schmunzelte.

„Für das Wembley-Konzert, wenn es denn eins gibt. Er hat schon genug mit dem normalen Betrieb um die Ohren und er meinte, da das meine Idee gewesen war, soll ich das auch auslöffeln. Wenn du das denn willst“, relativierte ich jede meiner Aussagen aber direkt nachdem ich sie gesagt hatte und er seufzte.

„Du meinst, es wäre eine gute Idee?“, wollte er von mir wissen und ich nickte.

„Ich würde es mir anschauen, auf jeden Fall“, erwiderte ich und Ed schnaubte nur belustigt.

„Du bist auch voreingenommen. … Aber meinst du wirklich, es würde funktionieren? Und ich würde mich da nicht total zum Affen machen?“, hakte er weiter nach und ich lachte leise.

„Du machst dich nie zum Affen, Ed“, lächelte ich und er seufzte.

„Dann mach, was du nicht lassen kannst“, gab er schlussendlich nach und ich setzte mich noch weiter auf, schaute ihn an.

„Bist du dir wirklich sicher? Wir müssen das nicht machen, wenn du das nicht willst. Es ist einzig und allein deine Entscheidung. Es ist immerhin Wembley“, erwiderte ich aber, Ed grinste nur.

„Du meinst, es würde funktionieren. Ich vertraue dir, also wird es funktionieren. Also machen wir das. So einfach. … Welche Termine sind denn möglich?“, antwortete er mir und ich musste lächeln. Er vertraute mir. „Nach ausreichendem Studium deiner Tourtermine und Absprache mit der

Halle: Ich wäre für Mitte Juli.“

„Na wunderbar. Noch ganze sieben Monate, um vollkommen verrückt deswegen zu werden“, grinste Ed und ich verdrehte die Augen.

„Du wirst großartig sein, das verspreche ich dir“, erwiderte ich nur und Ed zuckte mit den Schultern. „Wenn du das sagst.“

+ Kapitel 5.4: Annäherungen +

„Ich sollte öfter nach Hause kommen.“ (25.12.2014)

„Manchmal frag ich mich echt, ob sie jemals erwachsen werden“, meinte Lydia am nächsten Morgen zu mir, als wir gemeinsam nebeneinander das wilde Treiben beobachteten. Es würde gleich Geschenke geben und die beiden Brüder waren so unfassbar aufgedreht.

„Bei Ed bezweifle ich das“, murmelte ich leise und Matthews Frau lachte nur.

„Aber lass uns sie mal erlösen und mit dem Geschenkeauspacken anfangen. Auch wenn wir alle ein klein wenig ein schlechtes Gewissen haben, dass wir nichts für dich haben“, meinte sie dann und ich sah sie erstaunt an. „Ich brauche keine Geschenke“, meinte ich sofort und Lydia lachte wieder. Sie lachte viel und schien ein sehr, sehr fröhlicher und glücklicher Mensch zu sein.

„Ed hat gesagt, dass du das sagen wirst“, erklärte sie sich dann und ich folgte ihr zu den anderen.

Und so packten wir schließlich alle Geschenke aus. Es war so schön zu sehen, wie sehr sich die anderen alle freuten und wie gut die Stimmung war. Eds Neffe war immer besonders süß, wenn er sich freute. Er quiekte dann immer laut auf und alle hatten eine verdammt gute Zeit.

„Zu wem gehört denn das letzte Geschenk hier?“, fragte Imogen und hob ein kleines Paket hoch.

„Das ist von mir“, meinte ich zögerlich und alle Blicken lagen dann auf mir. „Ist nur ne Kleinigkeit für Jeremy“, setzte ich hinzu und lächelte dem Kleinen zu. Auch wenn ich nicht so viel mit Babys zu tun hatte, war er verdammt süß. Und nun war er begeistert dabei, das Geschenkpapier aufzureißen. Und als das kleine Kissen, was ich ihm geschneidert hatte, hervorkam, schien es ihm wirklich zu gefallen. Es war ein kleiner Elefant. Ich hatte lange überlegt, welches Tier ich wählen sollte, und irgendwann hatte Ed gemeint, dass Jeremy Elefanten mochte.

„Gefällt‘s dir?“, fragte ich den Kleinen also und versuchte mich wirklich mit ihm anzufreunden.

+

Mittlerweile war das Geschenkeauspacken vorbei, Mae saß immer noch mit Jerry auf dem Boden und spielte mit dem Elefanten und ich stand einfach nur daneben und konnte nicht glauben, was ich da sah. Irgendwann hatte Mae mal mit mir darüber geredet, wie sie zu kleinen Kindern stand. ‚Ich hab mich immer von kleinen Kindern fern gehalten und dafür gesorgt, dass ich sie nicht mag. Aus Angst, ich würde irgendwann selbst welche bekommen wollen. Denn das will ich nicht‘, hatte sie damals gesagt und ich hatte nur seufzend dagestanden und nicht gewusst, was ich erwidern sollte…

„Neidisch?“, riss mich mein Bruder dann aus meinen Gedanken und er betrachtete Mae und seinen kleinen Jungen interessiert.

„Das ist ein fieses Wort“, antwortete ich nur und konnte meinen Blick nicht von Mae abwenden. „Aber ja, ein bisschen. … Und nein, schlag dir deine Gedanken gleich schon wieder aus dem Kopf. Das wird eh nichts. Nicht in den nächsten Jahren“, relativierte ich meine Aussage sofort. Ich wollte hier keine Gerüchte oder Spekulationen in die Welt setzen.

„Wieso?“, fragt Matthews nur verwirrt, ich betrachtete meine Verlobte nur weiter und musste lächeln.

„Ich bin zu viel unterwegs. Und es ist Mae“, antwortete ich simpel, bevor ich mich von dem Anblick loslöste und auf die beiden zu kam. Ich sollte sie vielleicht ein wenig unterstützen.

„Na, mein Kleiner. Das ist aber ein cooler Elefant“, meinte ich dann, als ich bei den beiden angekommen war, und setzte mich dazu, nahm Jerry auf meinen Schoß, der nur erfreut quiekte. Er war einfach zu kitzelig.

+

„Mae? Hilfst du mir bitte bei den Kuchen? Der Besuch kommt gleich“, hörte ich Imogen sagen und schreckte auf.

„Ed?“, erwiderte ich nur und drückte ihm den kleinen Elefanten in die Hand, bevor ich Jeremy zulächelnd aufstand und dann in die Küche eilte. „Wo kann ich helfen?“, fragte ich Eds Mutter sofort, die gerade dabei war, einen Kuchen aus der Form auf eine Kuchenplatte zu schieben.

„Magst du vielleicht die Kuchen anrichten? Matthew und Lydia sind mit John irgendwie im Garten verschwunden und ich will das ganz ehrlich nicht Ed überlassen, der lässt den Kuchen nur fallen“, erwiderte sie ein wenig gestresst und ich nickte sofort.

„Natürlich“, erwiderte ich und widmete mich dem Kuchen. Ed wollte ich da wirklich nicht ran lassen. Und so arbeiteten wir beide still vor uns hin, ich dekorierte die Kuchen noch ein wenig mit dem, was da war, und Imogen deckte im Wohnzimmer den Tisch und lief aufgeregt umher. So war meine Oma auch immer gewesen, wenn Besuch kam, und irgendwie fühlte es sich so an wie damals. Und das war ein schönes Gefühl.

„Miss Campbell“, riss mich eine tiefe Stimme aus meiner Arbeit und ich sah auf.

„Mae, bitte, Mr. Sheeran“, erwiderte ich, als ich Eds Vater erblickte und er zu mir an den Küchentresen kam.

„Dann aber auch John für dich! ... Wir konnten seit gestern noch gar nicht wirklich miteinander reden. Weißt du, Ed kann manchmal ein ganz schöner Chaot sein, hm?“, lächelte er mich dann an und die Anspannung, die ich bei seinen ersten Worten gefühlt hatte, wich sofort wieder.

„Das gleiche hat Ihre… deine Frau auch gemeint. Es tut mir leid, dass Ed so mit der Tür ins Haus gefallen ist gestern“, erwiderte ich daher nur und John nickte.

„Du musst wissen, Ed sieht vielleicht nicht sehr altmodisch aus mit seinen ganzen Tattoos und seinem Lebensstil, aber eigentlich ist er ziemlich traditionsbewusst und hat schon immer fest daran geglaubt, irgendwann zu heiraten“, erzählte er mir dann.

„Ja, das ist er.“

„Er scheint dich echt zu vergöttern, so wie er von dir erzählt“, fuhr der Vater dann nachdenklich fort. „So hab ich ihn noch nie erlebt. Und ich hoffe sehr, wir als seine Eltern können seinen Ansprüchen genügen und ich hoffe sehr, du wirst dich bei diesem musikalischen Haufen wohl fühlen“, endete Eds Vater dann seine kleine Rede und nickte mir zu, bevor er sich zum Gehen wandte.

„Vielen Dank, das weiß ich sehr zu schätzen“, hielt ich ihn noch kurz auf und John nickte lächelnd.

„Gerne. Und übrigens, wenn meine Frau dich zu sehr einspannt: Mach dir nichts draus. Sie meint das nicht böse und du kannst ihr gerne sagen, dass du ein wenig Zeit mit Ed verbringen möchtest, dann lässt sie dich auch in Ruhe“, zwinkerte er mir zu und drehte sich dann um.

„Aber ich helfe gerne“, erwiderte ich leise und wusste nicht, ob John das gehört hatte, denn da war er schon auf dem Weg aus der Küche.

+

Mittlerweile herrschte volles Haus hier bei meinen Eltern und mittlerweile konnte man nirgendwo hin gehen nicht ohne in ein Gespräch verwickelt zu werden. Mae hatte ich mittlerweile auch aus den Augen verloren, sie wuselte irgendwie hin und her, und ich saß hier bei meiner Großmutter und kam hier auch erstmal nicht weg.

„Sie ist ja so ein anständiges Mädchen, Edward“, raunte sie mir irgendwann zu, nachdem der übliche Teil mit meiner Musik und meinem Job abgearbeitet war, und ich schmunzelte leicht. Sie als anständig zu bezeichnen war auch eher ironisch, aber ich wusste schon, was sie meinte. „Und wenn du sie vergraulst, dann setzt es aber was! Schau sie dir doch mal an!“, setzte meine Großmutter dann hinzu und ich drehte meinen Kopf in die Richtung, in die sie zeigte. Da stand Mae, unterhielt sich mittlerweile mit meinem Großvater und half ihm, sich an den Esstisch zu setzen. Es war viel los. Meine Großeltern, Stuart und Liberty, Murray mit seinen Eltern, meine Eltern, Matthew und Lydia, Mae und ich.

„Keine Sorge, Gran“, erwiderte ich daher nur und stand auf. „Wir sollten uns vielleicht auch setzen, was meinst du?“, fragte ich dann und half ihr aus dem Sessel. Es war jetzt Zeit für Kuchen und für die Kuchen meiner Mutter würde ich töten!

„Ihr wollt also heiraten, Junge? Hast du auch bei ihren Eltern um die Hand ihrer Tochter angehalten?“, fragte mich dann mein Großvater, als wir uns alle setzten und Mae gerade mit einem Kuchen herein kam.

„Meine Großeltern, die mich aufgezogen, sind gestorben. Und ich glaube nicht, dass es eine so gute Idee gewesen wäre, Stuart zu fragen. Der ist voreingenommen“, versuchte Mae mich also nur zu retten und Stuart verdrehte die Augen, während Mae wieder in der Küche verschwand „Sie geht verdammt gut damit um, hm?“, meinte dann mein Vater und ich war mir sicher, dass das nicht für Maes Ohren bestimmt war, doch die stand genau in dem Moment wieder neben ihm und stellte die Sahne für den Kuchen auf den Tisch. „Entschuldige, Mae.“ Doch sie wank einfach nur ab.

„Ach was. Ich wusste vorher, dass meine Großeltern sterben werden, wenn ich noch ziemlich jung bin. Ich hatte immer gehofft, mehr Zeit zu haben, aber man kann es ja nicht ändern. Und meine Mutter habe ich nie kennen lernen können, also hab ich mit damit arrangiert und bin einfach froh, Stuart wiedergefunden zu haben“, lächelte sie in Stuarts Richtung, bevor sie sich neben mir auf den letzten freien Platz fallen ließ.

„Und Ed“, warf Lydia neckend ein und Mae hob abwehrend die Hände. „Sehr gut, da wir jetzt alle so weit sind: Guten Appetit!“, mischte sich meine Mutter ins Gespräch ein und sofort wurde Kuchen und Tee verteilt.

„Wann darf man sich eigentlich auf eine Hochzeit einstellen?“, wurden die Fragen aber nicht weniger und ich warf Mae einen kurzen Blick zu, sie hatte sich aber gerade eine Gabel voll Kuchen genehmigt.

„Frühjahr 2016“, meinte ich daher nur und alle nickten. Das war wirklich noch ne Weile hin.

„Wieso?“, wollte Matthew wissen und gerade als ich antworten wollte, mischte sich Stu ein.

„Weil mein Schwiegersohn dann erst wieder Zeit hat, sein Terminplan lässt nichts anderes zu.“

Kurze Stille, meine Augen wurden groß.

„Scheiße, du wirst ja mein Schwiegervater“, stellte ich dann fest und die

Hälfte meiner Familie lachte, meine Großmutter sah mich nur tadelnd an. „Ed, deine Wortwahl!“

„Entschuldigung“, zog ich schnell meinen Kopf ein.

„Ich habe das Gefühl, die Marke Ed Sheeran wird ein großes

Familienunternehmen. Erst ich, dann Stuart und Mae“, fing Murray dann an und wieder lachten alle.

„Ich war immer noch früher mit dabei als du, Murray!“, murmelte Mae leise und Murray hatte es trotzdem genau gehört.

„Jedenfalls muss ich Stu leider zustimmen. Bis 2016 hab ich noch gut zu tun“, unterbrach ich die anderen dann aber und warf Mae einen Blick zu. „Aber dann mach ich erstmal Pause.“

Mein Blick ruhte länger auf ihr als es vielleicht sollte und einige der Damen am Tisch konnte nicht an sich halten und seufzten herzzerreißend.

„Pause?“, wollte mein Vater dann wissen und ich nickte.

„Ja, Pause. Mal keine Konzerte und keine Studioarbeit. Ich hab die letzten dann ja fünf oder sechs Jahre keine richtige Pause mehr gehabt.“

„Er will nur mit Mae sein hart verdientes Geld auf den Kopf hauen, so sieht es doch aus“, warf Matthew wieder ein und es war ein ewiger

Schlagabtausch. Wieder lachten alle und ich konnte es nicht verhindern, ihm gegen sein Schienbein zu treten. So wie früher auch.

„Ed, das tat weh!“, grummelte Matthew nur.

„Mae, hör nicht auf die. Wenn die zu lange aufeinander hocken, werden sie ungehalten“, raunte meine Mutter Mae dann zu und alle hörten mit und fingen an durcheinander zu reden. Es war das übliche Chaos, wenn die ganze Familie zusammen war, und ich liebte es.

+

Es war kurzer Leerlauf. Lydia, Imogen und ich räumten den Tisch ab und spülten das Geschirr, die meisten befanden sich draußen im Garten – bis auf Eds Großmutter und Murrays Mutter, die auf dem Sofa saßen und sich unterhielten.

„Es ist so schade, dass die beiden morgen früh schon wieder gehen müssen“, hörte ich Ms Mutter sagen und blieb kurz im Türrahmen stehen. „Da sagst du was. Und Ed hat echt Glück mit ihr“, redeten sie weiter und ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen.

„Endlich mal ein vernünftiges Mädchen. Die letzten waren ja eher…“ „Die letzten haben wir auch nie kennen gelernt“, stimmte Eds Großmutter zu und ich schmunzelte.

„Ich hoffe sehr, die beiden haben sich gut überlegt, worauf sie sich da einlassen.“

„Ed auf jeden Fall. Ed ist ein gewissenhafter Bursche. Seine Eltern haben ihn gut erzogen. Wenn er jemanden einen Heiratsantrag macht, dann auch nur,

wenn er das auch so meint“, hörte ich diese lieben Worte von Eds Großmutter und verschwand wieder in der Küche.

Und so verging die Zeit, Ed ging es unfassbar gut, alle hatten Spaß und es wurde immer später.

Mittlerweile waren auch die meisten Gäste wieder gegangen oder gebracht worden und wir saßen nun nur noch zu sechst auf den Sofas und unterhielten uns. Über das, was passieren würde. Über die Vergangenheit.

Und ich fühlte mich wirklich wohl.

„Wir sollten wohl langsam schlafen gehen, hm?“, riss mich Ed irgendwann aus meiner Stille – ich hatte in den letzten Minuten einfach nur zugehört – und ich sah auf.

„Schon?“, erwiderte ich verwirrt und blickte auf die Uhr. Es war kurz vor 1

Uhr nachts. „Du hast wohl recht.“

„Bis Morgen früh, schlaft gut!“, verabschiedete sich Ed dann und half mir vom Sofa auf, damit wir nach oben gehen konnten. Wieder in Eds Kinderzimmer mit dem viel zu kleinen Bett.

„Ich hoffe, meine Familie war einigermaßen erträglich“, meinte Ed leise, als wir alleine waren, und ich sah ihn an.

„Das war das beste Weihnachten, was ich je hatte. Ich liebe deine Familie“, erwiderte ich sofort und Ed lächelte mich an.

„Mehr als mich?“, fragte er und ich grinste breit zurück.

„Vielleicht?“, hauchte ich, wurde dann aber wieder ernst. „Nein, wirklich, Ed.

Es war die beste Idee von dir, mich mitzunehmen. Ich liebe Familienfeiern!“ + Kapitel 5.5: Wendepunkte +

„Manchmal sollte ich einfach mal mehr abwarten. Oder weniger? … Ich sollte wohl mehr auf mein Herz hören, glaube ich.“ (29.12.2014)

„Alles okay bei dir?“, riss ich Mae aus ihrem unruhigen Auf- und Abgehen und sie schaute mich erschrocken an.

„Ed?“, fragte sie verwirrt und ich nickte langsam.

„Ja? Ist alles okay bei dir? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen“, versuchte ich es nochmal und Mae seufzte.

„Geht schon. Bin heute ein wenig durch den Wind“, murmelte sie und ich nickte langsam. Heute hatte sie ihren Termin beim Frauenarzt und ich machte mir da eigentlich gar keine Sorgen, aber Mae war heute irgendwie total merkwürdig drauf. Die letzten Tagen, nachdem wir von meiner Familie wiedergekehrt waren, war es noch im Rahmen gewesen, doch heute toppte ihr Verhalten alles.

„Ich hab dir übrigens was mitgebracht“, versuchte ich sie also auf andere Gedanken zu bringen und sie sah mich überrascht an.

„Warum?“, hakte Mae aber dann nach, als sie das kleine Paket in meinen Händen sah, und ich seufzte.

„Warum nicht? Darf ich dir keine Geschenke machen?“

„Doch, aber… normalerweise haben wir uns davor immer gefühlt drei, vier oder fünf Wochen nicht gesehen. Und jetzt waren es irgendwie drei, vier, fünf Stunden“, erwiderte sie und ich zuckte mit den Schultern.

„Trotzdem kein guter Grund, warum ich dir nichts schenken darf. Jetzt mach es doch erstmal auf“, forderte ich und Mae seufzte, tat mir dann den Gefallen und entfernte das Geschenkpapier.

„Nein, keine Chance, das nehm ich nicht an. Vergiss es, Ed!“, meinte sie dann, als sie erkannte, was es war, und ich seufzte erneut. Warum wehrte sie sich auf einmal so gegen meine Geschenke?

„Was?“, fragte ich aber nur und öffnete die kleine Schmuckdose. „Keine

Chance? Ich hab ewig dran gesessen“, murmelte ich dann und Mae sah mich an.

„Wie, du hast ewig dran gesessen?“, fragte sie mich und ich lächelte breit. „Das hier in ein Einzelstück, diese kleine Tatze hier. Selbst entworfen, mit den roten Stein da. Gefällt er dir nicht?“ Mae sah mich mit großen Augen an.

„Natürlich gefällt es mir. Es ist einfach so… wundervoll. Und gerade deshalb kann ich es nicht annehmen. Ich meine, schau dir das doch an. Was ist das für ein Stein?“

„Willst du nicht wissen“, wollte ich sie abwimmeln, aber sie sah mich einfach so an. „Ein Rubin… Aber nein, sag nicht das, was du jetzt gerade sagen will. Es ist nicht viel zu viel und es ist nicht viel zu teuer und ich weiß, dass ich dir nichts schenken brauch“, meinte ich nur und Mae seufzte, schaute sich die kleine Tatze an.

„Machst du sie mir an mein Armband?“, fragte sie aber einfach nur und ich nickte.

„Natürlich, warte“, vorsichtig nahm ich den Anhänger in meine Hände und brachte ihn an ihrem Armband an, doch es war gar nicht so einfach und… „Oh Gott“, meinte ich dann und hielt kurze Zeit später das rote Plektrum in der Hand, das vorhin noch an ihrem Arm hing und jetzt einfach so abgebrochen war. „Das tut mir leid, Mae. Wirklich“, wollte ich sofort auf sie einreden, aber sie zuckte nur mit den Schultern.

„Hab doch jetzt die Tatze“, erwiderte sie und ich atmete erleichtert auf. „Wie lange hast du daran gearbeitet?“

„Ein, zwei Wochen“, murmelte ich und Mae schloss die Augen.

„Ed“, fing sie mit zitternder Stimme an und ich wusste, gleich würde sie irgendwas sagen, was mir nicht gefallen würde. „Du musst dich endlich fokussieren und aufhören, deine Energie in deine Freundin stecken!“, sagte sie dann und ich fiel aus allen Wolken.

„Verlobte“, korrigierte ich sie sofort und sah sie an. „Und manchmal, Mae, da würde ich dich einfach nur gerne schütteln. Weißt du, was du da gerade gesagt hast?“

„Ja, dass du vielleicht mal weniger Zeit damit verbringen solltest, mir

Geschenke zu machen, und dich auf die wichtigen Dinge konzentrieren sollst!“, meinte sie fest überzeugt und ich verstand die Welt nicht mehr. Ich hatte ihre leichte Nervosität wohl komplett falsch eingeschätzt. Sie war nicht nur nervös, sie starb hier innerlich fast an Nervosität…

„Mae, du bist wichtig. Du bist das Wichtigste in meinem Leben, was ich im Moment habe!“, wiedersprach ich ihr daher nur und kam einen Schritt auf sie zu. Mae schaute mich nur an. Mit diesem undurchdringbaren Blick.

„MAE!“, meinte ich und sie hob abwehrend dir Hände.

„Ich will nur nicht dafür verantwortlich sein, dass Stuart wieder ankommt und dir vorwirft, dass du irgendwas vernachlässigst, weil du lieber dabei bist, mir Geschenke zu machen“, murmelte sie ein wenig sanfter und ich trat einen Schritt auf sie zu.

„Meine Karriere ist begrenzt, die Zeit wird irgendwann zu Ende sein. In vielen Jahren werde ich nur noch hinter den Kulissen sein, Songs schreiben und produzieren. Und ich will nicht, dass meine Zeit mit dir ebenso begrenzt ist. Ich will, dass du für immer da bist und nicht irgendwann verschwindest. Also lass mich doch bitte das tun, was ich für richtig halte, um dir zu zeigen, wie wichtig du für mich bist, ja? Und ich will dir so gerne etwas schenken, es bereitet mir unfassbar viel Freude, wenn du dich dann doch freust und ich genau deinen Geschmack finde… Ich hab extra versuchte, den Anhänger vom Aussehen an dein Medaillon anzupassen. Freu dich doch bitte einfach“, bat ich sie, aber mit Nachdruck in der Stimme, und Maes Augen wurden groß. „Und egal was passiert, ich bin immer hier, weißt du?“, setzte ich noch hinzu und hauchte ihr einen Kuss aufs Haar.

„Es tut mir leid“, murmelte Mae dann zögernd. Sie war wirklich nicht gut darin, sich einzugestehen, wenn sie unrecht hatte. Und dass sie sich jetzt entschuldigte, machte alles wieder gut. „Du hast recht. Und natürlich freu ich mich, aber… Ich kann das manchmal alles gar nicht so richtig glauben…“ „Ich auch nicht, Mae, ich auch nicht“, hauchte ich dann und zog sie zu mir, sie es bereitwillig zu. Ich konnte auch nicht glauben, was ich für ein Glück mir ihr hatte.

Unruhig lief ich im Hotelzimmer auf und ab und wartete darauf, dass Mae wieder kam. Sie hatte mir immer noch nicht erlaubt mitkommen zu dürfen und so hatte ich es mir im Hotelzimmer mit meiner Gitarre gemütlich gemacht und ein wenig versucht zu entspannen. Es war mir nicht gelungen. Und nun lief ich nervös auf und ab und wartete darauf, dass Mae wieder kam.

„Hey“, hörte ich ein paar Minuten später ihre Stimme und sie ließ ihre Tasche auf den Boden fallen. Sie sah angestrengt aus.

„Hey du“, flüsterte ich leise und kam einen Schritt auf sie zu, wollte sie in den Arm nehmen, doch sie wehrte ab, vereinzelte Tränen rannen ihr die Wangen hinunter und ich erstarrte. … Bitte was war das hier? Was zur Hölle lief hier gerade ab?

„Nicht schwanger“, flüsterte Mae dann und ließ sich aufs Bett fallen, ich schüttelte verwirrt den Kopf.

„Wie… Und wieso weinst du dann?“, fragte ich platt und kniete mich vor ihr, versuchte sie von unten heraus anzuschauen, doch sie wich meinem Blick aus.

„So erleichtert“, murmelte sie dann irgendwann und ich schluckte. So war das also.

Tief durchatmend erhob ich mich wieder und nun sah auch Mae auf. „Ed!“, meinte sie schwach und wollte nach mir greifen, doch ich schüttelte nur den Kopf.

„Ist die Vorstellung so schrecklich?“, fragte ich sie und bereute diese Frage im nächsten Moment schon wieder… Seufzend ließ ich mich neben ihr aufs

Bett fallen. „Entschuldige.“

„NEIN! Ist es theoretisch nicht, aber… Weißt du, manchmal habe ich Angst dir nicht das geben zu können, was du willst“, fing sie dann anders an und ich wusste nicht, worauf sie hinaus wollte.

„Mae, du bist die Person, mir der ich mein komplettes restliches Leben verbringen will. Du bist alles, was ich will“, erwiderte ich daher nur und Mae seufzte.

„Ed, sag sowas nicht, das meinst du nicht so“, hauchte sie stattdessen und innerlich krampfte sich mein Herz zusammen.

„Verdammt, Mae! Vielleicht steh ich hier gerade gehörig auf dem Schlauch, aber ich versteh dich nicht. Ich habe keine Ahnung, was hier gerade vor sich geht. Ich liebe dich, Mae. Ich will dich heiraten. Also natürlich meine das ernst! Ich würde so etwas nicht sagen, wenn ich das nicht genau so meine. … Ich bin lernfähig, Mae. Ich hab schon genug Scheiße gebaut und ich hab auch schon genug gescheiterte Beziehungen hinter mir, aus denen ich gelernt habe… Ich hab schon viele Herzen gebrochen und Entscheidungen getroffen, die ich hinterher ziemlich bereut habe. Ich bereue viel von dem, was ich getan habe, aber dennoch hat sich all das gelohnt, Mae, da du jetzt hier bist. … Man, merkst du denn nicht, dass ich wirklich versuche, dass es klappt, dass du dich wohl fühlst und du alles hast, was du dir wünschst. Wovor hast du Angst, Mae?“, redete ich dann einfach auf sie ein und Mae, die sah einfach nur still zurück. „Man, Mae. Ist es das? Ist dir das zu viel?“ „Nein… Ja… Ach, ich… Ich habe Angst davor, dir nicht geben zu können, was du brauchst“, war jedoch alles, was sie sagte.

„Und was soll das sein?“, fragte ich ein wenig verzweifelt

„Das, was du dir so sehr wünschst. Zukunftsperspektiven. Dass wir uns zusammen etwas aufbauen, Option auf Kinder, irgendwann eine Familie gründen, in einem netten Haus wohnen. All den ganzen kitschigen Kram, den man sich vorstellen kann...“, murmelte sie und wandte ihren Blick ab. „Das ist genau dein Leben ist. Du willst eine große Familie haben, du willst das alles“, seufzte sie und sie ließ ihre Schultern hängen. „Ich liebe dich, Ed. Aber manchmal bezweifle ich, dass ich die Richtige für dich bin. Diejenige, die dir all das geben kann, was du dir wünschst. Und manchmal denke ich, dass es besser wäre, zu verschwinden“, meinte sie und ich erstarrte, konnte nicht wirklich realisieren, in welche Richtung ihre Gedanken da gingen. „Ich… der Gedanke schwanger sein zu können, hat mich innerlich fast umgebracht, weißt du? Ich kann damit nicht umgehen, nicht nachdem, was mit … meiner Mutter passiert ist. Sie war circa so alt wie ich, als das passiert ist, verstehst du? Ich hab verdammte Angst, auch wenn der Arzt meinte, sowas ist nicht erblich bedingt. Verdammt nochmal, ich habe Angst zu sterben. Und ich war eben einfach so erleichtert, als alles gut war beim Arzt und … und …“, erklärte sie dann zum ersten Mal, was wirklich los war, und mein Blick wurde sofort weicher.

„Mae, es tut mir…“, begann ich, stoppte mich dann aber. „Hör bitte auf, so zu denken, du verrennst dich da in etwas. Mal wieder!“, meinte ich dann aber schnell, als ich wieder zu mir kam. Mae war super darin, sich irgendwelche bescheuerten Sachen einzureden. Und wenn ich das nicht schnell unterband, dann war das Drama aber groß.

„Aber was soll ich denn machen? In meinem Kopf ist für nichts anderes mehr Platz. Immer, wenn ich sehe, wie du mit kleinen Kindern umgehst, wie zum Beispiel mit Jeremy, will ich einfach nur verschwinden und nicht darüber nachdenken, was später sein wird“, meinte sie und strich sich vereinzelte Tränen von den Wangen.

„So klappt das aber nicht, Mae“, meinte ich aber und reichte ihr eine Hand, die sie zögernd annahm. „Was ist später? Worüber willst du nicht nachdenken?“

„Was nach der Tour ist, wie das mit uns weiter geht, wie das alles funktionieren soll. Ich muss daran denken, dass ich eigentlich für immer bei dir bleiben will, aber es macht mir Angst. Du willst Familie, Ed. Du willst eine gemeinsame Zukunft. Und allein der Gedanke an eine Familie macht mir

Angst“, meinte sie leise und sah auf sich herunter. „Ich kann das nicht.“ „Mae, schau mich an“, forderte ich und sie sah mich an, aus ihren bittertraurigen Augen.

„Ich möchte mit dir eine Familie gründen, ja. Aber was heißt heutzutage noch Familie? Ich möchte, dass du da bist, das ist die Hauptsache. Ich will dich auch in zehn Jahren noch mein nennen können, Mae. Und der Rest ist zweitrangig, verstehst du. Ja, ich würde auch gerne Kinder haben, irgendwann später, nicht jetzt, aber Mae, wir beide sind zusammen, also treffen wir so eine Entscheidung auch zusammen. Und wenn du keine Kinder willst, dann willst du keine. Und wenn du keine eigenen Kinder willst, gibt es noch genug andere Möglichkeiten. Und wenn wir später zu zweit in unserem Haus sitzen und drei Katzen um unsere Beine streichen, dann bin ich trotzdem glücklich. Es ist mir vollkommen egal, solange dir nichts passiert und so lange du gesund bist“, hauchte ich und meinte jedes Wort genau so, wie ich es sagte. Und bevor ich Mae irgendetwas erwidern konnte, redete ich schnell weiter. „Und wir sind noch jung, Mae. Du bist Anfang Zwanzig, wir haben alle Zeit der Welt, uns für einen Weg zu entscheiden.“ „Wow“, war alles, was Mae im ersten Moment über die Lippen bekam und ich sah sie an.

„Wow? Ernsthaft?“, meinte ich und lachte leise auf. Sie war unglaublich. „So hab ich das alles noch nie betrachtet“, murmelte sie und ich grinste sie an.

„Jetzt kannst du es aber. Und ganz ehrlich, ich bin im Moment ziemlich froh, dich zu haben und dich mit niemandem teilen zu müssen“, grinste ich weiter und sie sah mich an.

„Glaubst du, dass du in fünf Jahren auch noch so denken wirst?“, murmelte sie dann und ich sah zu ihr herüber.

„Wieso denn nicht? Meine Meinung steht fest.“

„Dann lass uns in fünf Jahren nochmal darüber reden“, fragte Mae mich leise und versuchte sich an einem zuversichtlichen Lächeln.

„Ich geb dir all die Zeit, die du brauchst, Mae“, war meine simple Antwort und musste dann dennoch grinsen. „Außerdem bin ich da altmodisch, erst die Hochzeit, dann die Kinder“, setzte ich lachend hinzu und duckte mich zur Seite, als Mae reflexartig nach mir greifen wollte. Gut gelaunt gefiel sie mir eindeutig besser.

+ Zwischenspiel: Lay it all on me +

‚All alone as you look through the door, nothing left to see

If it hurts and you can't take no more, lay it all on me‘

„Dann gibt‘s jetzt glaube ich das letzte Lied für heute, ihr wollt den Film ja bestimmt auch noch mal schauen und nicht nur mir beim Singen zusehen”, meinte Ed und ich hatte mich mittlerweile wieder vom letzten Lied erholt. Die Zuschauer, die hier mit mir in diesem Kinosaal saßen, widersprachen Ed nur und ich blickte mich zum ersten Mal richtig um. Es waren viele Menschen hier und alle sahen gerade nach vorne, zu Ed. Wie er etwas tat, was er unfassbar liebte.

„Was meinst du, was spielt er?“, hörte ich wieder die Stimmen von eben hinter mir und musste irgendwie lächeln.

„Ich bin für Thinking out loud. Nach all dem Kitsch das einzig Wahre, um Mae schlussendlich um den Finger zu winkeln“, sagte dann diese Beth und ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte.

„Keine Chance. Ich glaube, es ist wieder so ein Lied, womit wir nicht rechnen“, meinte dann ihre Freundin und ich nickte lächelnd. Thinking out loud wäre zu offensichtlich. Und bei den Liedern, die Ed gewählt hatte, war gar nichts offensichtlich.

‚No you don't have to keep it on a locking key Cause I will never let you down‘

„Ich freu mich, dass ihr alle heute hier seid und dass so viele von euch da draußen in den Kinos überall auf der Welt sitzen und mit mir gleich drei der atemberaubendsten Nächte meines Lebens anschauen wollen. Ich bin euch unendlich dankbar und ich denke, wir sehen uns nach dem Film nochmal“, bedankte sich Ed dann und ich fand, es war auch an der Zeit, mich zu bedanken.

„Hier“, meinte ich dann, hatte mich in meinem Sitz nach hinten umgedreht und den beiden Mädchen etwas zugeworfen. Verwirrt fingen sie es auf.

„Du bist Mae“, stellte die eine fest und ich lächelte.

„100 Punkte. Und du bist wohl Beth. Ich wünsch euch viel Spaß beim Film nachher“, wünschte ich den beiden und drehte mich dann um, damit ich Eds letztes Lied genießen konnte. „Das hier ist: ‚Lay it all on me‘.“

‚Let my love in, let my love in

Lay your heart on me‘

+ + +

Lyrics: Ed Sheeran – Lay it all on me

+ Kapitel 6.1: Der Plan +

„Es ist ein unglaubliches Gefühl, sich normal bewegen zu können! Jedenfalls, wenn man das als ‚normal‘ bezeichnen kann.“ (15.01.2015)

„Plan Teil 1: Bist du bereit?“, fragte Ed mich und ich schluckte.

„Glaubst du, dass das so eine gute Idee ist?“, wollte ich aber nur von ihm wissen und zupfte an meinem Kleid. Ich war nervös.

„Wir nehmen uns nur, was uns zusteht, Darling. Und wenn du zwischendrin keine Lust mehr hast, dann gehen wir einfach wieder und alles ist gut. Einfach nur ein kleines, nettes Essen in einem kleinen, netten Restaurant und hier und da sind da vielleicht ein oder zwei Paparazzi, das kriegen wir doch hin, oder?“, fragte er dann und ich nickte seufzend. Und dann öffnete sich die Aufzugtür.

„Auf ins Verderben“, murmelte ich nur und lief an seiner Seite die

Eingangshalle entlang, mir die Blicke der anderen Gäste sehr wohl bewusst. Ich sah ja auch aus wie ne Christbaumkugel in dieser eher weniger farbenfrohen Umgebung. Wie eine weinrot-glitzernde Christbaumkugel. Ich fragte mich echt, wie Ed mich dazu überreden konnte, dieses auffällige Kleid zu tragen. Ach ja, ich wusste es wieder, er hatte mich mit Komplimenten überhäuft wie toll ich denn aussehe…

„Nach dir“, grinste Ed mich an und ließ mich zuerst durch die Tür nach draußen treten, wo das Auto schon auf uns wartete. Eine schwarze Limousine. Na großartig.

„Das Restaurant soll nicht übel sein, sagtest du? Klein und nett?“, zischte ich ihm zu, während ich im Wageninneren verschwand und mich so den gaffenden Blicken der Menschen um uns herum entzog.

„Oder so ähnlich. Wenn man da auftauchen darf, hat man es wohl geschafft“, erwiderte Ed aber nur und beugte sich zu mir herüber. „Und man wird auf jeden Fall gesehen und ist Stadtgespräch“, lachte er nur. Grummelnd verschränkte ich die Arme. Wie konnte ich nur so dumm gewesen sein, mich darauf einzulassen? Wie konnte ich nur so dumm gewesen sein, gegen ihn gewinnen zu wollen...?

„Hey, hör auf zu schmollen, Mae, ich hab dich ganz fair bei Schere, Stein, Papier besiegt. Und du hast für heute Abend zugesagt. Versuch es doch wenigstens einmal, ja?“, schien er meine Gedanken lesen zu können und ich schnaubte. Das würde npch ein interessanter Abend werden....

Mittlerweile waren wir beim Nachtisch angelangt. Molekulare Küche, Stickstoff. Eigentlich ganz nett, aber ich wollte ehrlich nicht wissen, was dieser Spaß hier kostete.

„Können wir nächstes Mal etwas machen, was weniger edel ist? Ich fühle mich irgendwie fehl am Platz“, sprach ich meine Gedanken aus und Ed nickte nur.

„Ohne Anzug fühl ich mich auch wohler“, gestand er und ich musste lächeln.

„Ach, das Kleid ist nicht das Problem. Und ich mag das Bild von dir in nem

Anzug, aber irgendwie ist mir das hier zu anstrengend“, zuckte ich mir den Schultern. „Dennoch ist es ein toller Abend, ich hoffe, das weißt du. Ich hab mir das alles viel schlimmer vorgestellt. Ich will nicht undankbar erscheinen“, setzte ich noch schnell hinterher, Ed wank aber ab.

„Schon verstanden. Aber ich war noch nie hier gewesen und ich hatte es immer versprochen gehabt. Was machen wir später noch?“, beschwichtigte er meine zögernde Miene und ich zuckte mit den Schultern.

„Ich dachte, du hast dir was überlegt“, gab ich zurück und Ed grinste schief.

„Hast du genug Aufmerksamkeit für heute oder geht da noch was?“ Ich schnaubte. Er war sich sicher vollkommen bewusst, dass er mit dieser Aussage meinen Kampfgeist nur noch weiter angestachelt haben musste. „Ed! Noch einmal zieh ich das Kleid hier nicht an, also nutze die Chance“, erwiderte ich so nur und er hob abwehrend die Hände.

„Schon gut. Ich wäre für öffentlichkeitswirksames Schlendern zu einer sehr exklusiven Bar – wenn du nichts dagegen hast“, schlug er vor und ich nickte nur.

„Wenn da die Musik besser ist, bin ich dabei“, erwiderte ich nur und im nächsten Moment hob Ed seine Hand und gab dem Kellner ein Zeichen. „Schau mal, eine Sternschnuppe!“, stellte ich begeistert fest und blieb stehen, um in den Himmel zu zeigen. Eds Blick folgte meinem Arm und lächelte.

Ich schloss derweil die Augen.

‚Bitte lass das mit Ed und mir klappen. Bitte lass das mit Ed und mir klappen.

Bitte lass das mit Ed und mir klappen! Und bitte lass mich das mit der

Öffentlichkeit irgendwie überleben!‘

„Hast du einen guten Wunsch?“, fragte Ed und ich sah zu ihm, lächelte ihn an.

„Einen sehr guten“, hauchte ich und auch Eds Lächeln wurde breiter. „Was würde ich jetzt darum geben, dich zu küssen“, seufzte er und als er das gesagt hatte, fingen meine Lippen an zu kribbeln. „Oder wenn ich

wenigstens deine Hand nehmen dürfte.“ Ich sah ihn einfach weiter an.

„Dann tu‘s doch einfach“, erwiderte ich und Ed grinste.

„Die Paparazzi hinter uns würden an die Decke gehen und über uns würde das Chaos zusammenbrechen. Und dafür hatten wir doch einen ganz anderen Plan. Und die Aufmerksamkeit nach dem Foto willst du ganz sicher nicht. Ein Schritt nach dem anderen, nicht?“, lächelte Ed, während wir wieder weitergingen.

„Du hast den Plan und ich weiß immer noch nicht, ob das so eine gute Idee ist. Aber ja, ein Schritt nach dem anderen“, erwiderte ich unruhig, während Ed mich von der Seite beobachtete.

„Ich mag sowas. Totales Chaos in der Medienwelt stiften und dann erstmal verschwinden. Ich freu mich auf die Zeit“, beruhigte Ed mich wie jedes Mal. „Und ich freu mich jetzt auf was Gutes zu trinken. Vielleicht vergesse ich die nervigen Menschen, die mich gerade unter die Lupe nehmen, ein wenig“, seufzte ich und versuchte dann doch den Abend zu genießen, trotz der ganzen Aufmerksamkeit.

Und es war immer wieder erstaunlich, wie gut Ed darin war, mich vollkommen für sich einzunehmen.

„Wie ist das eigentlich so mit dem Hochzeitskleid?“, warf ich beiläufig ein und konnte nicht aufhören zu grinsen, während ich durch ein paar Kataloge blätterte.

„Wie meinst du das?“, hakte Ed nach.

„Ja, wie traditionsbewusst ist das für dich? Müssen das die Brauteltern zahlen? Oder…“, präzisierte ich und Ed … der fing einfach an zu lachen. Und ich konnte ihn nur verwirrt anschauen.

„Meinst du das gerade ernst?“, wollte er von mir wissen und ich nickte zögernd. Hatte ich irgendetwas Komisches gesagt? „Ich zahle die komplette

Hochzeit und Stuart hält sich da gefälligst raus.“

Ed legte seine Gitarre zur Seite und kniete sich vor mich, sah mir direkt in die Augen.

„Aber…“, wollte ich sofort widersprechen, aber er schüttelte nur den Kopf.

„Letztes Wort. ... Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, Mae: Ich bin Ed Sheeran. Ich bin DER Ed Sheeran. … Du wirst dir nie wieder über irgendetwas Sorgen machen müssen, Darling“, sah er mich direkt an und ich starrte einfach perplex zurück. „Oder in simpel: Ich habe zu viel Geld, Mae. Und du darfst so viel davon für das Hochzeitskleid auf den Kopf hauen, wie du willst. Du kannst generell so viel davon für die Hochzeit auf den Kopf hauen, wie du willst. Du kannst auch so viel einfach so auf den Kopf hauen. Hast du da noch nie drüber nachgedacht?“, wollte Ed von mir wissen und ich schüttelte perplex den Kopf. Ich hatte es immer verdrängt, dass Ed reich war. Nein, reich war noch untertrieben, dass er… sich nie wieder über irgendetwas Sorgen machen musste.

„Nein…“, murmelte ich und dachte an all die Jahre, in denen...

„Mae, die letzten vier Jahre hast du komplett alles an Kosten übernommen, die ich verursacht habe, als ich bei dir war. Ohne mit der Wimper zu zucken. Weil du es so wolltest. So herzlich, so gastfreundlich, wie du halt zu deinen

Freunden und deiner Familie bist. Und dennoch, wir sind bald verheiratet, Mae. Du musst nur mit dem Finger schnippen und ich werde dir alles geben, was du dir schon immer gewünscht hast“, grinste Ed mich an und ich verschränkte die Arme.

„Und wenn ich das nicht will? Ich verdiene mein eigenes Geld!“, murrte ich und Ed lächelte.

„Davon geh ich aus, dass du dieses Angebot wahrscheinlich niemals annehmen würdest, dafür bist du zu eitel und viel zu stur. Und als Ed Sheerans Managerin verdient man ja auch nicht schlecht", grinste er. „Dennoch musst du dir nie wieder Sorgen machen. Und du wirst dir auch keine Gedanken über den Preis des Hochzeitskleides machen, hast du gehört? Du wirst das perfekte Kleid kriegen, da ist mir der Preis vollkommen egal. Das wird die perfekte Hochzeit werden und ICH zahle, verstanden?! Und versuche gar nicht erst zu widersprechen. Ich mach das Ganze ja nicht uneigennützig“, versuchte Ed die Diskussion zu beenden und ich seufzte.

„Du bist dem Größenwahn verfallen“, murmelte ich und Ed nickte nur. „Vielleicht ein wenig. Aber dafür bist du dann ja da, um mich wieder auf den Teppich zu holen“, stimmte er mir nur zu und ich seufzte.

„Dann fangen wir am besten gleich damit an, der Tourbus sieht schrecklich aus, man sollte vielleicht mal wieder aufräumen“, haute ich den Wink mit dem Zaun Pfahl raus und Ed grinste.

„Du kannst dir in der Zwischenzeit gerne die Mappe anschauen. Ich hab mir ein paar Orte für die ‚Flitterwochen‘ rausgesucht“, grinste Ed und ich ahnte Böses. Er hatte gerade einfach viel zu gute Laune.

„Du, Ed?“, wollte ich wissen und Ed sah vom Aufräumen auf. „Wir haben 9 Monate“, murmelte ich und Ed fing an zu lachen.

„Das klingt ja so, als ob du mir beibringen willst, dass dann der Ernst des Lebens beginnt und wir mit dem ersten Kind dastehen“, erklärte er sich und ich verdrehte die Augen.

„Nicht witzig. Das Thema hatten wir doch geklärt! Aber die Frage war: Können wir nicht einfach auch mal nichts tun? In unserer Wohnung sitzen…‘, wollte ich beginnen, Ed unterbrach mich aber.

„Unsere Wohnung?“, hakte er verwirrt nach und ich seufzte.

„Meine Wohnung, äh, also unsere Wohnung, also deine und meine

Wohnung. Welche Wohnung denn sonst, du hast deine schon längst gekündigt! … Jedenfalls: Ich weiß, du willst mir die Welt zeigen, deine Welt, du willst die Zeit genießen, aber können wir auch einfach mal nichts tun?“, fragte ich kleinlaut und Ed kam auf mich zu.

„Natürlich, Mae, was immer du willst. Es sind alles nur Vorschläge, was ich gerne mal machen würde“, erwiderte er und hauchte mir einen Kuss auf die

Lippen

„Ich glaub ich weiß, was ich jetzt gerne machen würde. Und das hat nicht mit

Aufräumen zu tun“, grinste ich und leckte mir über die Lippen. Ed lachte „Keine Chance, Mae. Ich meine, hast du dir den Bus mal angeschaut?“, erwiderte er schumzelnd und entfernte sich von mir, räumte einfach weiter auf.

Ich konnte nur die Augen verdrehen und dann auch mit aufstehen und ihm helfen. In diesem Tourbus waren nicht jugendfreie Dinge wirklich schwer zu realisieren…

„Hör mal, Mae!“, riss Ed mich aus meinen Gedanken, als wir zusammen frühmorgens in der Lounge des Busses saßen und ich schweigsam an meinem Kaffee nippte.

„Mhm?“, murmelte ich nur müde. Ich hatte eigentlich noch nicht genug Kaffee intus, um überhaupt mit ihm zu reden.

„Die Medien stehen Kopf wegen unserem kleinen Essen“, meinte er dann und steckte sich sein Toast in den Mund, bevor er wohl zur richtigen Stelle scrollte.

„Was schreiben sie? Gibt es Grund, abzuhauen?“, fragte ich nur und Ed verdrehte die Augen. Um ihn ein wenig zu beruhigen, hob ich schnell meine Ringhand und Ed sah sofort wieder ein wenig besser gelaunt aus. „Jedenfalls ist es ein Artikel über dein schillerndes Kleid und dein schillerndes Auftreten – so nennen die das irgendwie. Der beste Abschnitt überhaupt: ‚So viel Anmut hat man selten in einer Person gesehen. Wenn Ed sie nicht will, würde sie jeder andere mit Kusshand nehmen‘“, grinste Ed dann und auch ich musste schmunzeln.

„Oh, ich hätte da ein paar Kandidaten im Kopf“, entgegnete ich ein wenig fitter und Ed schaute wieder so komisch, sodass ich erneut meine Ringhand hob.

„Du hast mir den Antrag gemacht, also willst du mich ja. Und ich hab ja gesagt. Ende der Geschichte, da haben die anderen Kandidaten halt Pech gehabt“, meinte ich und Ed nickte sehr erleichtert.

„Besser ist das auch“, meinte er und ich spürte im nächsten Moment, wie seine Lippen kurz meine Schläfe berührten, denn die Tasse schwebte permanent vor meinen Lippen. „Jedenfalls sind die Artikel sehr amüsant, hör mal das hier: ‚Entweder, es läuft wirklich nichts zwischen der Managerin und ihrem Schützling, was man Ed in dem Falle aber nur verübeln könnte, oder die beiden führen ums gehörig an der Nase herum, weil noch kein eindeutiges Bild aufgetaucht ist.‘“, freute Ed sich dann und ich nickte nur. Das klang wirklich gar nicht mal so übel. Es klang viel mehr danach, dass wir diesmal die Medien in der Hand hatten, nicht sie mich.

„Das sind ausnahmsweise mal vernünftige Artikel“, seufzte ich dann und nahm noch einen Schluck Kaffee.

„Ich weiß. Wir brauchen übrigens noch ein Kleid“, wechselte Ed dann das Thema und legte sein Handy beiseite.

„Wir?“, fragte ich verwirrt.

„Du. Für den Ball, den du dir gewünscht hast; erinnerst du dich? Irgendwas Bodenlanges und Auffallendes, was meinst du?“, fragte er und ich verdrehte die Augen. „Ich hab sogar schon ein paar Designer rausgesucht, dessen Kleider dir gefallen könnten. … Bitte?“, versuchte er es weiter und ich nickte nur langsam.

„Meinetwegen. Aber ich zahle!“, versuchte ich ein Machtwort zu sprechen, aber Ed beschwerte sich natürlich sofort.

„Was?! Nein! Das kannst du komplett vergessen, Mae. Wie steh ich denn da, wenn ich dich das Kleid zahlen lassen für einen Ball, wo wir gemeinsam auftauchen. Nein!“, fing Ed an und ich hob beschwichtigend die Hände. „Lass uns weiter drüber reden, wenn es soweit ist, okay?“, versuchte ich erstmal einen Mittelweg zu finden und Ed nickte, sah aber nicht überzeugt aus. „Und jetzt zieh dich um, wir sind gleich da.“

„Ja, Chef“, seufzte Ed nur und nuschelte dann noch etwas, was wie ‚Die ist ja schlimmer als Stuart‘ klang. Aber vielleicht irrte mich auch.

+ + +

 

+ Kapitel 6.2: Partys +

+ Kapitel 6.2: Partys +

„Es kann so einfach mit ihr sein.“ (31.01.2015)

Heute war wieder einer dieser Tage, wo wir mal wirklich Zeit hatten. Kein Konzert, keine lange Reisestrecke, sondern einfach ein wenig Freiheit und die Möglichkeit, das zu tun, worauf wir Lust hatten. Draußen. Unter Menschen. Auch wenn ich noch nicht ganz davon überzeugt war, dass in der Öffentlichkeit Zeit zu verbringen so eine gute Idee war.

„Bitte, Mae!“, versuchte mich Ed gerade von seinem neusten Plan zu überzeugen, während er in seinem Koffer nach etwas zum Anziehen suchte.

Er hatte einfach zu gute Laune.

„NEIN!“, meinte ich nur wieder und verschränkte meine Arme. „Das kannst du vergessen, das werde ich nicht machen!“, schüttelte ich den Kopf und sah Ed durchdringend an. „Ich werde mich nicht komplett vor deinen Fans blamieren!“, murmelte ich und schüttelte wieder nur den Kopf.

Und Ed sah mich einfach und nickte dann.

„Okay, dann machen wir was anderes. Worauf hast du sonst heute Lust?“, erwiderte er und strich mir eine meiner Strähnen aus dem Gesicht. Meine Abwehrhaltung lockerte sich und ich sah ihn an.

„So einfach?“, fragte ich und sah Ed dann dabei zu, wie er sich seine Hose anzog.

„Nur weil ich gewonnen hab, werde ich nichts machen, was du nicht willst und wozu du keine Lust zu hast, Mae. Das bringt keinem was. Also, worauf hast du Lust?“, wollte Ed stattdessen wissen und rubbelte sich seine Haare trocken, einige Wassertropfen perlten auf seinem Oberkörper und ich konnte nicht wegschauen.

„Lust? Auf dich, aber das weißt du schon. Und lass uns doch Schlittschuh laufen gehen, so schlimm wird es schon nicht werden“, murmelte ich und Ed sah mich an.

„Sicher?“, wollte er wissen und ich nickte nur.

„Lass dich am besten auch ein paar Mal fallen, dann sehe ich nicht so unbeholfen neben dir aus“, grinste ich dann und stand auf und ergab mich meinem Schicksal. Und ehrlich gesagt war das nur halb so katastrophal wie ich das gedacht hatte. Ed fuhr ganz vorsichtig die erste Zeit mit mir herum, achtete darauf, dass ich nicht verloren ging und nicht andauernd auf dem Eis aufschlug. Und es machte eigentlich auch ein wenig Spaß, ich musste dennoch immer wieder zur Bande der Eisbahn schauen, auf diese komischen Menschen mit den viel zu großen Kameras. Und irgendwann schenkte ich den Menschen da außerhalb zu viel Aufmerksamkeit und stolperte über meine eigenen Schlittschuhe und landete auf dem Eis.

„Alles okay?“, fragte Ed, der sofort bei mir war und mir dann hoch half. Ich grummelte nur irgendetwas. „Was ist denn los, Mae?“, wollte er von mir wissen und ich nickte nach hinten, Ed verstand sofort. „Hey, schau mich mal an“, verlangte er von mir und legte seine Hände auf meine Schultern. „Die werden immer da sein, Mae. Und ich weiß, es kann manchmal ganz schön angsteinflößend sein, aber so wird es immer sein. Daran müssen wir uns gewöhnen, ob wir wollen oder nicht. … Und so schlimm sind die meisten gar nicht, sie machen nur ihren Job. Konzentrier dich einfach auf die wichtigen Sachen: auf mich. Und mit der Zeit gewöhnst du dich wirklich dran, das verspreche ich dir! Irgendwann sieht man die nicht mehr. Und wenn sie dir zu nahe kommen sollten, renn … oder besser gesagt fahr ich die über den Haufen“, redete er auf mich ein und ich verlor mich in seinen Augen, musste ihm glauben. „Okay?“, fragte er und ich nickte nur. „Na dann komm“, lächelte er dann und hielt mir seinen Arm hin, in den ich mich zu gerne einhakte.

Alleine fühlte ich mich doch noch zu unsicher auf solchen Kufen. Und so langsam kam ich wirklich rein, ich wurde sicherer und mit Ed an meiner Seite konnte eigentlich doch gar nichts passieren, oder? „Du, Ed?“, fragte ich irgendwann, als wir an der Bande eine kurze Pause einlegten.

„Ja, Mae?“, erwiderte er und sah mich an. Er sah so wirklich, wirklich glücklich aus. Er war ein wenig rausgekommen und machte Sachen, die er sonst nicht tat. Schlittschuhlaufen. Zeit mit mir verbringen und das, obwohl da Menschen waren, die uns beobachteten. Und es machte ihn glücklich, dass ich mich davon nicht all zu sehr einschüchtern ließ – jedenfalls so gut ich das hinbekam. Und all das merkte man ihm einfach an.

„Ich habe unterschrieben“, meinte ich dann und wusste nicht, ob das gerade der richtige Zeitpunkt war, aber…

„Was hast du unterschreiben?“, wollte Ed wissen und schien keine Ahnung zu haben, wovon ich sprach.

„Den Vertrag?“, versuchte ich ihm zu helfen, aber er sah immer noch verwirrt zu mir.

„Welchen?“

„Wembley? 10. Juli…“, meinte ich dann und seine Augen wurden groß, als er realisierte, dass es wirklich seine neue Realität sein würde. Neben den normalen Konzerten und der Tour würde er irgendwann auf der WembleyBühne stehen. Alleine.

Ed wollte einen Schritt auf mich zukommen, vergaß dabei aber, dass er noch auf seinen Kufen stand und rutschte aus, ging zu Boden.

„Oh mein Gott“, murmelte er aber nur und starrte zu mir nach oben.

Und ich konnte einfach nicht aufhören zu lachen, so fies das auch war. „Ich weiß“, kicherte ich belustigt und versuchte mich irgendwie wieder einzukriegen.

„Und jetzt hör endlich mal auf zu lachen und hilf mir mal lieber. Und außerdem solltest du dankbar sein, du wolltest doch, dass ich mich auch mal fallen lasse“, erwiderte er irgendwann und meine Mundwinkel zuckten, während ich mich mit einer Hand an der Bande festhielt und die andere dann Ed reichte. Und ich hielt mich gut fest, weil ich genau wusste, dass er mich zu sich ziehen wollte.

„Welch edle Tat von dir“, erwiderte ich und sah ihn dann an. „Und jetzt komm, ich bin wieder an der Reihe, mich total zu blamieren“, schmunzelte ich dann noch und wollte mich von der Bande abstoßen, strauchelte dabei wieder gefährlich. Was tat ich nicht alles dafür, dass Ed Spaß hatte?

„Mission Ballkleid? Ernsthaft, Ed?“, seufzte ich und musste dann doch schmunzeln, als Ed mich ganz begeistert in diese Boutique zog. Das war eine der Boutiquen, die ich in die nähere Auswahl genommen hatte und nun standen wir hier und überall waren riesige Kleider, die schon unfassbar schön waren.

„Mr. Sheeran. Herzlich Willkommen!“, wurde Ed dann auch sofort begrüßt und im nächsten Moment spürte ich, wie mir der nette Herr einen Handkuss zur Begrüßung gab. Sehr charmant, aber niemand würde an Murray rankommen mit seinen Handküssen. „Wer ist denn die reizende Dame an ihrer Seite?“

Ed schaute mich an, lächelte kurz.

„Mae Campbell, meine Managerin. Wir suchen ein Kleid für einen Ball, also sollte das dementsprechend auch ein wenig auffallen“, meinte Ed dann und schon war unser persönlicher Berater voll in seinem Element. Er zog Kleider hervor, die unfassbar waren und die ich nie im Leben anziehen können würde, weil ich dafür wahrscheinlich einfach viel zu klein war, damit das gut aussah, aber die Kleider waren verdammt schön.

„Woran denken Sie denn, Miss Campbell?“, wurde ich dann irgendwann gefragt, als mir alle möglichen Stile vor die Nase gehalten wurde, und ich schaute an mir herunter.

„Sowas hier. Mehr so die Rockabilly-Richtung. Bloß halt in Ballkleidformat“, meinte ich dann und unser Verkäufer, dessen Namen ich irgendwie nicht so richtig mitbekommen hatte, überlegte.

„Also dann wohl eher Neckholder-Träger. Und sehr bauschig unten, viel Tüll… Band um die Taille, das kriegen wir hin. … Welche Farben kommen denn in Frage?“, richtete er sich dann wieder an mich und gerade, als ich antworten wollte, mischte sich Ed ein. „Blau“, meinte er sofort. „Nicht zu dunkel.“

Verwirrt sah ich ihn an, als unser Berater dann sofort von dannen zog, um sich nach so einem Kleid umzuschauen.

„Blau?“, fragte ich verwirrt und Ed nickte lächelnd.

„Wenn du Blau trägst, dann leuchten deine Augen so schön“, zuckte er mit den Schultern und ich hielt kurz die Luft an. Das war mit Abstand eines der schönsten Komplimente, die ich je gehört hatte.

„Wenn ich nicht schon mit dir zusammen wäre, dann wäre das gerade ernsthaft ein Grund gewesen, dich nie wieder gehen zu lassen“, murmelte ich leise und Ed lächelte zufrieden zurück.

„So, das ist das einzige Kleid, was in die Vorgaben passen würde“, riss uns der Berater aus unserem Tuscheln und als ich das Kleid erblickte, mussten sowohl Ed als auch ich schlucken. Das war absolut perfekt. Jetzt musste es nur noch passen!

„Los, zieh es an“, meinte auch Ed und im nächsten Moment schlüpfte ich aus meinem geliebten 08/15-Rockabilly-Kleid und schlüpfte in dieses Ungetüm aus Tüll. Und als ich es trug, fühlte es sich dennoch unfassbar gemütlich an. Und so trat ich aus dem Umkleidebereich und drehte meinen Rücken herum, damit mir der Reißverschluss zugemacht werden konnte.

„Das Kleid ist… unfassbar“, murmelte Ed fasziniert, während ich mich einmal um meine Achse drehte.

„Zu viel, oder?“, fragte ich nur und schaute an mir hinunter, doch Ed schüttelte vehement den Kopf.

„Darf ich dich heiraten?“, erwiderte er aber nur, ich grinste ihn kopfschüttelnd an. Was für ein Spinner. Auch die restlichen Verkäufer, die noch im Laden waren, lachten leicht und betrachteten mich dabei. „Was ich sagen wollte: Das Kleid steht dir unfassbar hervorragend, unglaublich. Du musst es tragen!“

„Nur noch eine gewagte Hochsteckfrisur und Sie würden Ballkönigin werden“, versuchte er mir zu schmeicheln und auch, wenn das nur so ein Verkaufsspruch war, fühlte es sich dennoch verdammt gut an, das zu hören. „Müsste nur noch ein wenig gekürzt werden“, meinte ich dann und schaute auf meine Füße, die ich gar nicht mehr erkannte. Doch unser Verkäufer war gut vorbereitet und im nächsten Moment die Nadeln in der Hand, um den Tüll umzustecken.

„Das ist natürlich kein Problem.“

Aber irgendwann endeten solche freien Tage immer und dann ging die Arbeit einfach wieder weiter. Es war der letzte Teil der Tour und diese Tage sollten genau so grandios werden wie am Anfang.

„Ed?“, fragte ich und kam in den Backstageraum, wo er sich gerade mit

Murray und ein paar anderen Leuten unterhielt. Lächelnd winkte er mich zu sich her und hielt mir seine Tasse hin. Kaffee!

„Willst du nen Schluck?“, fragte er dann und ich nahm sie grinsend an, während ich es mir auf seinem Schoß bequem machte – alle anderen Sitzmöglichkeiten waren schon besetzt. „Und was kann ich für dich tun?“ „Arbeiten. Also nicht für mich, aber für dich und deine Karriere. Ich will euer schönes Beisammensein eigentlich gar nicht stören, aber in ner halben Stunde kommen ein paar Leute für ein Interview vorbei, nur so als Info. Also würde ich mir vielleicht mal ne vernünftige Hose anziehen“, schmunzelte ich, weil Ed hier gerade in Joggingshose saß, und stand dann wieder auf. „Ich hab dir übrigens deinen Kaffee ausgetrunken. Ich hoffe, dass war nicht so schlimm. Wir sehen uns später. Bin bei Stuart, wenn du mich suchen solltest“, meinte ich dann und war schon auf dem Weg zur Tür.

„MAE! DIE TASSE WAR SO GUT WIE VOLL!“, beschwerte Ed sich aber nur und ich zuckte nur mit den Schultern.

„Jetzt ist sie es nicht mehr“, lachte ich und verschwand dann wieder auf dem Flur.

„Du, Mae? Hast du morgen Abend schon was vor?“, riss Ed mich aus meiner Arbeit und ich sah verwirrt auf.

„Hm?“

„Party, morgen?“, wiederholte er sich.

„Was für ne Party is’n das?“, hakte ich nach.

„So mit ein paar Freunden…“, begann er und ich zog eine Augenbraue in die Höhe, er seufzte. „Sie wird von Harry Styles gehostet, also einem der Sänger von One Direction“, setzte er noch hinzu, weil er genau wusste, dass ich mit diesen Namen nichts anfangen können würde.

„Und warum soll ich da mit hin? Ich kenn da doch keinen und du kommst mit diesen Jungs doch gut klar, da brauchst du mich nicht … Ah Moment, du brauchst mich nicht, aber du denkst, ich könnte ein wenig Ablenkung vertragen?“, erkannte ich und Ed schaute ertappt auf den Boden. „Mae, es tut mir leid, ich dachte nur…“, wollte er beginnen, doch ich schüttelte lächelnd den Kopf.

„Keine Sorge, du hast ja recht. … Kannst du mir garantieren, dass ich morgen nicht auf irgendeiner Titelseite irgendeines Klatschmagazins landen werde?“, wollte ich wissen und auch er lächelte.

„Ich werde dafür sorgen. Und es ist nichts besonders, also nichts, wo man sich groß schick für machen müsste“, meinte er und ich grinste nur. „Hätte ich eh nicht getan“, lachte ich und wandte mich wieder meiner Arbeit zu.

Und manchmal wünschte ich, ich könnte Ed öfter absagen. So ne Party war ja an sich was Nettes und ich hatte sonst nie Probleme damit, aber irgendwie… mit so vielen Stars auf einem Haufen war das noch was anderes. Große Häuser mit Pools, viel zu teurer Alkohol und die Gesprächsthemen waren auch einfach über meinem Niveau. Und ich wurde zwar allen mit Namen vorgestellt und die meisten sahen mich so an, als ob ich die alle kennen müsste, weil sie ja so berühmt waren, merken konnte ich mir die meisten aber nicht. Es war hervorragend…

„Und du bist also Eds Ersatz-Managerin? Wer ist besser, Eddy? Stu oder sie?“, meinte dieser junge Mann vor mir, dessen Namen ich schon wieder vergessen hatte. Der Einzige, der es nicht sein konnte, war dieser Harry, denn der hatte sich kurz vorher mindestens zehn Minuten mit uns unterhalten.

„Muss ich mich entscheiden?“, meinte er aber nur und somit war das Thema auch erstmal wieder gegessen. Ed unterhielt sich mit dem Typen weiter, während ich nur an meinem Getränk nippte.

„Du bist also diese sagenumwobene Mae“, hörte ich dann eine

Frauenstimme sagen und drehte mich in die Richtung. Vor mir stand eine großgewachsene Brünette – was wahrscheinlich aber nur an ihren hohen Schuhen lag – und sah mich an.

„Sagenumwoben?“, hakte ich verwirrt nach und ich bekam ein Lächeln zurück.

„Ja, man weiß ja so gut wie nichts über dich. Außer, dass du verdammt viele Mädels eifersüchtig machst, weil du mit Eddy herumtourst. Nicht wahr?“, zwinkerte sie Ed zu, der verdrehte nur lächelnd die Augen und unterhielt sich dann mit seinem Kumpel weiter. „Also: Was läuft da?“

Ich schluckte, war ein wenig verwirrt von dem rasanten Themenwechsel, aber vermutete dann, dass das Mädel einfach nur zu viel getrunken hatte. „Nicht viel, ich bin immerhin seine Managerin?“, formulierte ich es unsicher und das Mädel nickte nur, ihre Augen blitzten kurz auf. So war das also. „Das wird viele hier freuen. Ich bin übrigens Anna“, meinte sie dann und erstarrte. „Oh mein Gott, das ist Single Ladies! Komm, du musst mit uns tanzen“, hörte ich sie dann sagen und wurde im nächsten Moment mitgezogen, schaute Ed nur verwirrt an, der schulterzuckend zurückschaute.

+

„So ist das also“, wurde ich aus den Gedanken gerissen und wandte meinen Blick von meiner Verlobten ab.

„Was ist wie?“, fragte ich nur und legte den Kopf schief.

„Du willst was von deiner kleinen Blondine“, bekam ich Als antwort und musste schmunezln. „Und wie kommst du darauf?“

„Hallo? Du hast mit ihr getanzt, ohne dass du zu viel Alkohol im Blut hast und ohne dass man dich dazu zwingen musste. Außerdem klingt es so, als ob dich diese Mae total unter der Fuchtel hätte – und das magst du eigentlich nicht. Und dein Blick ist ziemlich auffällig, Ed. Du schaust sie an wie ein verliebter Vollidiot.“ Ich grinste nur.

„Könnte daran liegen, dass ich ein verliebter Vollidiot bin“, zuckte ich mit den Schultern.

„Weiß sie das?“, hörte ich Liam sagen.

„Ich weiß es nicht, hoffe es doch aber schwer. Ein Vollidiot bin ich für sie schon mal“, grinste ich weiter.

„Aber?“

„Wir sind zusammen, ich darf sowas“, meinte ich leise zu ihm und sah ihn dann an. „Aber pssst. Kein Wort zu niemandem, auch nicht zu den anderen Jungs, vor allem nicht Harry! Sonst dreht sie völlig durch und sie ist die längste Zeit meine Ve…Freundin gewesen“, meinte ich dann noch und Liam nickte. Wenn es um solche Themen ging, war er die verschwiegendste Person, die ich kannte.

„Du klingst vollkommen verrückt.“

„Bin ich auch. Leider. Und ich werde sie jetzt elegant von den drei Typen wegbringen, die sie da gerade mit ihren Blicke ausziehen“, seufzte ich und verabschiedete mich von Liam, der mich nur mitleidig anschaute. „Hallo Leute“, schloss ich mich also der Gruppe von Jungs an, die Mae umlagerten. „Deine Freunde sind witzig“, meinte sie leise und lächelte mir zu. Ich seufzte nur.

„Wie viel hast du bitte getrunken?“, wollte ich wissen und nahm ihr das Glas ab, das sie gerade in der Hand hielt, und stellte es auf einen nahegelegenen Tisch ab. Und Mae? Die grinste nur und zuckte mit den Schultern. Also zu viel. „Na dann komm, ich nehm dich mit zum Hotel, dann kannst du schlafen“, erwiderte ich und legte ihr einen meiner Arme die Schultern. „Aber ich unterhalte mich gerade so nett“, beschwerte Mae sich und ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Mae meinte das, was sie da gerade sagte, so vollkommen ernst. Und sie merkte nicht, in was für einer Situation sie sich gerade befand.

„Ja genau, Ed, wir UNTERHALTEN uns gerade“, erwiderte einer der drei Typen dann und grinste dabei so dreckig, dass ich mich wirklich zusammen reißen musste, nicht irgendwas Unangebrachtes zu sagen. So langsam wurde ich ungeduldig.

„Ihr könnt euch auch wann anders weiter unterhalten. Ich gehe jetzt und Mae kommt mit“, meinte ich und wollte Mae gerade galant zur Seite schieben, aber da zog mich einer der Jungs zur Seite.

„Was soll das, Mann, merkst du nicht, dass du mir gerade eine Tour vermasselst?“, fragte er und ich schnaubte nur. Das war das Ziel meiner

Aktionen…

„Ganz ehrlich, das will sie nicht und das wird sie auch niemals wollen. Such dir ne andere“, erwiderte ich daher noch recht sachlich und sah in die Runde.

„Und woher willst du das wissen? Du bist nicht ihr Babysitter“, wiedersprach er mir aber und jetzt reichte es. Ich sah ihn verdammt böse an und er merkte, dass ich so langsam wirklich wütend wurde – und dass er es sich nicht mit mir verscherzen sollte.

„Ich werde meine Managerin trotzdem nicht betrunken mit dem nächstbesten Typen im Bett landen lassen. Also such dir wen anderes“, wiederholte ich mich und der Typ hob abwehrend die Hände, ließ mich – oder vor allem auch Mae – in Ruhe und ich konnte sie dann ungehindert durch den Hinterausgang bringen. Besser war das auch…

+ Kapitel 6.3: Vorbereitungen + Was bisher geschah:

Mae und Ed sind wirklich verlobt, von ihrem Besuch bei Eds Eltern zurück, wieder auf Tour und machen all das, was sie sich vorher nie getraut haben. Zusammen in die Öffentlichkeit, auf Partys – sie genießen ihr Leben. Mae hat endlich das perfekte Ballkleid gefunden, für den Ball, den Ed ihr versprochen hatte. Ed konnte sie im Gegenzug dazu überreden, zu einer Party mitzukommen und ein wenig Spaß zu haben. Als es aber ein wenig zu spaßig wurde, war es wohl doch besser, Mae zu schnappen und sicher nach Hause zu bringen.

Jetzt folgt der nächste Morgen und mehr Zeit mit Ed, Mae, dem Ball, den Vorbereitungen für Wembley und dem üblichen Chaos…

+ Kapitel 6.3: Vorbereitungen +

„To Do: Mit Mae Cinderella schauen. [ ]“ (13.02.2015)

„Mae?“, hörte ich Eds leise, seine Stimme war rau. Und das war nicht gut. „Ed?“, erwiderte ich und blickte von meinen Unterlagen auf. Eigentlich war ich zu müde, um mich wirklich darauf zu konzentrieren, sodass ich ziemlich froh war, abgelenkt zu werden. Langsam stand ich auf, meine Muskeln waren ein wenig verspannt, und machte mich auf, ein wenig Wasser in den Wasserkocher zu füllen.

„Kaffee?“, fragte Ed, während er sich auf die Bank hier hinten im Aufenthaltsbereich des Busses fallen ließ, und ich schüttelte den Kopf. „Vielleicht später. Erstmal Tee, deine Stimme klingt nicht so gut. … Weißt du, wo der Honig hin ist?“, erwiderte ich und schaute durch die wenigen Schränke, bis ich ihn irgendwann im Kühlschrank entdeckte. Seufzend drehte ich die halbleere Packung in meinen Händen. Flüssig war der jetzt auch nicht mehr.

„Das klingt irgendwie vernünftig“, murmelte Ed nur und schloss die Augen. „Wieso hast du mich nicht geweckt? Und wieso arbeitest du schon wieder?“, wollte er dann wissen und ich hielt Ed zwei verschiedene Kräuterteesorten vor die Nase, damit er sich eine davon aussuchen konnte. „Den Rechten.

Also von dir aus.“

Ich nickte nur, drehte mich um, goss Ed seinen Tee auf und setzte mich dann wieder zu ihn, schaute auf meine Zettel.

„Ich wollte den Kram hier noch schnell fertig kriegen und du bist gestern echt spät ins Bett gekommen“, meinte ich dann und sah auf. „Auch wenn ich mich frage, wieso wir nicht noch länger geblieben sind, gestern. War doch echt nett dort“, setzte ich hinzu und Eds Mundwinkel zuckten. „Was denn?“ „Erstens: Du bist genau so spät ins Bett gegangen wie ich und trotzdem früher aufgestanden. Und zweitens: Du erinnerst dich nicht mehr?“, fragte er mich und ich schüttelte nur den Kopf.

„An was denn?“

„Ich hab dich davor bewahrt, dass dir einer der drei Jungs, mit denen du rumstandest, an die Wäsche gegangen wären“, meinte er und ich schüttelte den Kopf ein wenig vehementer. Das konnte er doch nicht ernst meinen! … Oder?

„Schwachsinn, wir haben uns doch nur normal unterhalten!“, protestierte ich, doch Ed schmunzelte einfach weiter.

„Man Mae, die haben dich mit ihren Blicken ausgezogen und fast angefangen zu sabbern. Die wollte dich ins Bett kriegen, alle drei.“ Mit großen Augen sah ich ihn an. … Ernsthaft?!

„Aber…“, wollte ich beginnen, weil ich irgendwie widersprechen wollte, Ed beugte sich aber zu mir rüber und hauchte mir ein Kuss auf mein zerzaustes Haar.

„Hey, alles gut. Ich weiß, dass du nur mit den drei Typen geredet hattest“, meinte er leise und zwinkerte mir zu. „Und eins muss man ihnen lassen: Du sahst gestern aber auch heiß aus“, grinste er breit und stand dann auf, nahm seinen Tee in die Hand und lächelte mich an.

„Soll ich mir nächstes Mal etwas Schicklicheres anziehen?“, fragte ich so aber nur und er schüttelte nur den Kopf.

„Was? Nein?! Du sahst unfassbar aus, sowas lass ich mir doch nicht entgehen. Und solange ich die Person bin, die dich nachts mit nach Hause nimmt, und kein Typ dir zu nahe kommt, ist doch alles cool“, zuckte er mit den Schultern und betrachtete mich kurz. „Ich lass dich eben deinen Kram zu Ende machen. Kommst du rüber, wenn du fertig bist?“, wollte er wissen und ich nickte.

„Dauert nicht mehr lange“, erwiderte ich nur und seine Mundwinkel zuckten.

Das sagte ich öfter. Und genau dann dauerte es besonders lange.

„Übernimm dich nicht, Mae“, schloss er aber einfach nur das Gespräch und ich schaute ihm seufzend hinterher. Ich sollte wohl mehr auf ihn hören.

Und so legte sich der Alltagstrott wieder über uns. Ich musste noch viel Papierkram erledigen. Wembley schluckte so viel Zeit, es musste so unendlich viel organisiert werden und dann griff ich Stu ab und an noch unter die Arme, wenn es bei ihm und dem normalen Betrieb mal wieder knapp wurde. Und manchmal war ich wirklich froh, einfach nur ein paar Minuten abschalten zu können.

Ich liebte es, Ed einfach nur durch die leeren Hallen zu jagen, ein kurzer Adrenalinrausch, bevor es normal weitergehen musste. Ich liebte es, mich mit den Menschen zu unterhalten, die ich auf unserer Reise traf. So viele Menschen mit so vielen verschiedenen Geschichten. Und ich liebte es, auf Tour zu sein. Das hätte ich vorher nie gedacht.

„Mae, was machst du da?“, hörte ich Eds perplexe Stimme und ich stolperte. Meine Lippen zierte ein breites, breites Lächeln.

„Witzige Geschichte“, wollte ich gut gelaunt anfangen, während Ed näher auf unsere kleine Gruppe hier zu kam und ich mir all die losen Strähnen aus dem Gesicht strich, die meinem Zopf entkommen waren.

„Ich hab dich ewig gesucht!“, murrte er aber nur und ich seufzte, verdrehte die Augen. Da ging sie also, meine gute Laune. Von einer Sekunde auf die andere.

„Du bist Ed Sheeran“, stellte dann eine meiner derzeitigen Begleiter fest und ich seufzte erneut.

„Ach wirklich?“, murrte Ed nur weiter und sah mich an, ich schüttelte nur den Kopf.

„Wirklich. Und manchmal zu schlecht drauf. Warum hast du mich nicht einfach angerufen? Du weißt genau so gut wie ich, dass mein Handy immer auf laut ist und du mich immer erreichen kannst“, erwiderte ich daher nur und erwiderte Eds Blick.

„Ich hab halt nicht gedacht, dass du so schnell einfach verschwinden kannst“, murmelte er und ich zuckte mit den Schultern.

„Dann ist das jetzt wohl eindeutig dein Pech gewesen“, grinste ich schief und Eds Mundwinkel zuckten. Lange böse sein konnte er einfach nicht.

„Mae, warum redest du so mit ihm, es ist Ed fucking Sheeran“, stupste mich dann einer meiner Begleiter wieder an und ich grinste nur noch mehr. „Und ich bin Ed fucking Sheerans Managerin. Und ich wäre euch sehr verbunden, wenn wir kurz Pause machen können, es gibt anscheinend Managersachen zu besprechen“, lächelnde ich die drei Jungs an und ging dann einen Schritt auf Ed zu, um ihn dann zur Seite zu ziehen. „Also, was gibt’s?“

„Was tust du da?“, erwiderte er aber erstmal nur und ich sah ihn stirnrunzelnd an.

„Deswegen bist du aber nicht hergekommen? Und das sind Tänzer, Backgroundtänzer um genau zu sein. Die haben wir ein bisschen was beigebracht, ich hatte eigentlich Pause“, erklärte ich ihm dann aber doch und er nickte, zog ein wenig den Kopf ein.

„Tut mir leid, ich hab ein wenig überreagiert“, meinte er nur und ich nickte, lächelte ihn an.

„Alles gut. Und jetzt erzähl, was kann ich für dich tun?“, wollte ich dann wissen und er braucht kurz einen Moment, um seinen Kopf zu sortieren, dann fiel es ihm aber wieder ein.

„Woah, genau. Du musst in deine Mails schauen. Sofort“, meinte er und wirkte gleich wieder ein wenig glücklicher – und aufgeregter?

Verwirrt ging ich zu meiner Tasche, nahm das Handy, das ganz oben drauf lag, in meine Hand und öffnete das Mailprogramm. Als ich die neuste Mail anklickte, hatte ich echt Probleme damit, das Handy nicht einfach fallen zu lassen.

Mit großen Augen sah ich Ed an, dann wieder zurück auf den Bildschirm. Ich konnte nur den Kopf schütteln.

„Das ist nicht dein Ernst“, murmelte ich und musste erstmal begreifen, was ich da sah. „OH MEIN GOTT!“, quietschte ich dann aber doch, als ich das wirklich erfasst hatte, und fiel Ed stürmisch um den Arm. „Das ist nicht dein Ernst!“

„Anscheinend doch?“, erwiderte Ed aber nur und ich ließ von ihm ab, schaute wieder auf diese Nachricht. Ausverkauft. Das Konzert war einfach ausverkauft. Knappe 80.000 Tickets.

Ohne weiter darüber nachzudenken, fing ich an herum zu tanzen. Ein bisschen Running Man, ein wenig Moonwalk und eine grandiose Drehung am Ende. Ed beobachtete mich nur belustigt.

„Was denn? Immerhin konnte ich das Gelernte gleich anwenden!“, beschwerte ich mich viel zu gut gelaunt bei ihm und wusste einfach nicht wohin mit meiner vielen Energie. Das waren so hervorragende Neuigkeiten. „Und ich hab dir gesagt, dass die Leute die Idee von dir in Wembley lieben werden!“, meinte ich dann noch und tippte Ed auf die Brust, er verschränkte die Arme.

„Du hast ja recht, ich hab nie was gesagt! Und jetzt los, deine Tänzer warten und ich muss wieder zurück zum Soundcheck“, meinte Ed dann und ich sah ihn mit großen Augen an. „Wir können heute Abend feiern, nach dem Konzert“, setzte er hinzu, als er meine Gedanken wohl zu erraten schien, und ich nickte.

„Wenn es sein muss. Und ich muss auch gleich weiter machen. Es ist noch so viel zu tun!“, erwiderte ich und umarmte ihn nochmal ganz kurz, bevor ich mich umdrehte. Ich musste mich kurz von den drei Jungs verabschieden, sie zum Konzert einladen und dann eindeutig mit Stuart reden. Das waren so grandiose Neuigkeiten!

„MAE!“, hörte ich Eds Rufe, aber ignorierte sie. Als er jedoch in meinen Arbeitsbereich gestürmt kam, konnte ich ihn nicht mehr ignorieren. „MAE! Wir müssen in ner halben Stunde los und du hast noch nicht mal angefangen, dich fertig zu machen. Der ganze Organisationskram hat auch bis morgen Zeit! So langsam ist das echt nicht mehr lustig!“, beschwerte Ed sich und ich seufzte. Er war schon drei Mal aufgebracht hier zu mir gekommen, um mir zu sagen, dass die Zeit knapp wurde. Und so langsam wurde sie wirklich knapp…

„JA, MAN! Setz mich doch nicht so unter Druck“, jammerte ich nur und setzte meine Verabschiedungsfloskeln unter die Mail, die ich gerade geschrieben hatte, und überflog nochmal das, was ich geschrieben hatte, bevor ich sie endlich abschickte. „War ja jetzt auch die letzte Mail für heute…“, murmelte ich und streckte mich, sah endlich vom Computer auf.

Kurz erstarrte ich. Ed war schon komplett fertig. Schwarzer Anzug, weißes Hemd, eine Krawatte in genau der Farbe meines Kleides. Und ich musste ein wenig länger starren.

„MAE! Keine Zeit zum Sabbern“, erwiderte er aber nur und ich verdrehte die Augen.

„JA DOCH! Ich beeil mich ja!“, seufzte ich und klappte den Laptop zu, stand auf und drängte mich an Ed vorbei. „Deine Krawatte ist übrigens ein wenig schief“, meinte ich und lief rüber zu meiner Schlafkoje. Ich brauchte meine Kulturtasche und all den ganzen anderen Kram, den ich vorhin schon vorbereitet hatte. Da konnte Ed sagen, was er wollte, so ganz unkoordiniert war ich heute ja nicht!

Und so kehrte ich mit meiner Beute zurück in mein Reich. Innerhalb von wenigen Sekunden hatte sich das Organisationschaos hier in dem Aufenthaltsbereich in ein reines Beauty-Chaos verwandelt. Überall lagen Haarnadeln und Make Up herum und gerade versuchte ich, diese eine nervige Strähne, die einfach nicht richtig hielt, mit Haarspray so hinzukriegen, dass es nicht all zu schlimm aus sah. Und es gelang mir. Ich hatte mich nicht zu extravagant geschminkt. Ein wenig mehr Betonung auf die Augen, damit sie noch mehr strahlen konnten als sie es nachher wahrscheinlich eh tun würde. Dazu naturfarbene Lippen und meine Haare hatte ich locker hochgesteckt. Keine unglaublich aufwendige Ballfrisur, sondern etwas, das zu mir passte, was mich gut widerspiegelte. Der Rest würde eh das Kleid richten – oder eben richten müssen.

Lächelnd öffnete ich den Kleidersack, der schon seit zwei Tagen hier herum hing, und strich über den Stoff. Es sah genau so gut aus wie damals in der Boutique, war nur ein wenig gekürzt worden, damit es mir wirklich gut passte.

„ED!“, rief ich dann nach meinem Freund… Verlobten und wartete darauf, dass er zur Tür reinkam.

„Noch zehn Minuten“, erwiderte er und erstarrte dann in seiner Bewegung, starrte mich an.

„Ed, keine Zeit zum Sabbern. Hilf mir lieber mal und mach das Kleid zu“, grinste ich fies und drehte ihm den Rücken zu, damit er den Reißverschluss schließen konnte.

Ed brauchte ein paar Sekunden, bevor er aus seiner Starre erwachte und auf mich zu kam, dann aber merkte ich seine warmen Hände an meinem Rücken und erschauderte.

„Blau war wirklich die richtige Farbe“, meinte er leise, während er die Schleife in meinem Nacken richtete und mich dann wieder zu sich umdrehte. „Darf ich dich küssen oder zerstöre ich dann das Gesamtwerk?“, fragte er und ich schmunzelte.

„Hab kein Lippenstift drauf“, erwiderte ich und merkte im nächsten Moment seine Lippen auf meinen. Nur ganz kurz, aber das reichte gerade auch. Es passte.

„Wo sind deine Schuhe?“, wollte Ed dann wissen und ich zeigte auf den Karton, der da hinten in der Ecke stand, und er holte ihn mir. „Darf ich?“, fragte er dann noch und nahm sich den rechten Schuh in die Hand, sah zu mir nach oben.

„Wir sind hier doch nicht im Märchen“, meinte ich leise und sah zurück. „Nicht Cinderella?“, wollte er wissen und meine Mundwinkel zogen sich nach oben.

„Nicht direkt. Normalerweise kommt erst der Ball und dann das mit dem Schuh, nicht umgekehrt“, erwiderte ich und er zuckte mit den Schultern.

„Aber nur zu“, meinte ich dann noch und nickte zu meinen Schuhen. „Das wäre doch langweilig. Aber schau mal, der Schuh passt, du musst jetzt wohl echt meine Prinzessin werden“, grinste er und half mir auch in den anderen Schuh. „Und jetzt komm, Mrs. Sheeran, die Limousine wartet“, meinte er und hielt mit seinen Arm hin.

„Noch nicht, du Spinner. Noch nicht…“, erwiderte ich und ließ mich dann doch von ihm aufhelfen. Ich wollte seine Nerven ja nicht noch weiter strapazieren.

Je länger wir in diesem viel zu überdimensioniertem Auto saßen und je näher wir der Location kamen, desto aufgeregter wurde ich und desto schlimmer stand es um meine eigenen Nerven.

Ich hatte mir die letzten Tage oft eingeredet, dass es gar nicht schlimm werden würde. Wenn wir ankommen und am Ende wieder gehen würden, wären da wohl ein paar zu viele Paparazzi, aber während der ganzen Veranstaltung würden wir doch hoffentlich in Ruhe gelassen werden. Und dennoch fühlte ich mich einfach nicht wohl. Das würde sich wahrscheinlich auch niemals ändern.

„Wir sind gleich da“, meinte Ed leise und sah mich an. „Schaffst du das?“ „Natürlich“, erwiderte ich nur und lächelte ihn an. Dass das Lächeln falsch war, wusste er. Aber es ging ja nicht anders. „Willst du eigentlich gar nicht wissen, woran ich eben gearbeitet habe?“, fragte ich dann, um mich ein wenig abzulenken.

„Wenn es wichtig ist, wirst du mir so oder so davon erzählen. Also?“, erwiderte er und ich schmunzelte. Da hatte er recht.

„Erinnerst du dich an unser Gespräch von vor ein paar Tagen. Wembley und so?“, fragte ich dann und er nickte.

„Deinen kleinen Freudentanz werde ich so schnell nicht vergessen“, grinste er. Natürlich würde er das nicht.

„Da das jedenfalls so schnell ging, also mit dem Ausverkauf, hab ich ein paar

Telefonate geführt und Emails geschrieben. Wir kriegen auch noch den Samstag und Sonntag“, meinte ich dann, so ganz beiläufig, und erst verstand Ed nicht so recht, was ich meinte.

„Wie, wir kriegen den Samstag und Sonntag?“, hakte er nach und ich schmunzelte. Die Limousine hatte mittlerweile gehalten. In ein paar Sekunden ging es los.

„Wembley. Du in Wembley. Drei Tage lang“, erwiderte ich nur und seine Augen wurden groß. Er verstand endlich, worauf ich hinaus wollte.

„Und das sagst du mir JETZT?!“, bekam er nur noch heraus, dann wurde die Tür geöffnet. Dass Blitzlichtgewitter prasselte auf uns nieder und wir beide waren alles andere als bereit, uns damit jetzt zu konfrontieren. Wir hatten andere Sachen im Kopf und dennoch mussten wir jetzt professionell sein.

Und wie immer fragte ich mich, warum ich mir das eigentlich antat.

+ Kapitel 6.4: Zwischenfälle +

„To Do: Mit Mae Cinderella schauen. [x] [x] [x]“ (19.02.2015)

Mit geschlossenen Augen stützte ich mich auf dem Waschbeckenrand ab. Am liebsten hätte ich mein Gesicht in meinen Händen vergraben oder mir kaltes Wasser ins Gesicht geworfen, aber dann hätte ich mein komplettes Make Up ruiniert und ich wollte um Gottes Willen nicht noch mehr auffallen als wir das hier eh schon taten.

Am liebsten wäre ich einfach durch den Hinterausgang verschwunden, hätte mich in ein Taxi gesetzt und wäre nach Hause oder besser gesagt zum Tourbus gefahren, aber das konnte ich Ed nicht antun, so sehr mich dieser ganze Zirkus hier auch nervte.

Wir waren auf einer Gala. Einer Spendengala für die musikalische Förderung von Kindern aus Brennpunkt-Familien und traumatisierten Kindern in Betreuungsstellen. Klang ja alles super und wunderbar, wenn das Ganze wirklich um die Kinder gehen würde. Aber wo man hinsah, gab es nur

Menschen, die sich selbst profilierten. Hier ein Bild mit einem

Spendencheck, dort ein Bild mit einem betroffenen Kind, es spielte ein LiveOrchester, dazu nur das teuerste Essen und alles war so protzig und überzogen, dass ich einfach nur noch hier weg wollte.

„Gut fürs Image, schlecht für die Kinder“, murmelte ich und richtete mich wieder auf. Wenn mich Ed jemals wieder zu so etwas einladen würde, dann würde ich ganz sicher nicht zusagen. Ich würde vielmehr ein wenig tiefer in mein Portemonnaie greifen und den Leuten direkt helfen. Damit die Hilfe auch dort ankam, wo sie gebraucht wurde.

„Was meintest du?“, riss mich eine Stimme auf meinen Gedanken und ich schreckte auf, drehte mich zu schnell um stolperte unbeholfen zur Seite.

Super erster Eindruck hier auf der Damentoilette.

„Nicht so wichtig“, meinte ich nur und wollte wieder verschwinden. Einfach nur verschwinden.

„Sicher? … Du bist dann wohl Mae, wenn ich die Klatschblätter richtig gelesen hab. … Wie oft musstest du mit Ed für dieses Kleid und diesen Abend ins Bett springen, hm?“, meinte die junge Frau mit einem fiesen Lächeln auf ihren tiefrot gefärbten Lippen und ich brauchte erst einmal ein paar Sekunde, um zu begreifen, was hier gerade vor sich ging. Taylor Swift fing gerade tatsächlich mit solchen Vorwürfen ein Gespräch mit mir an. Als ob der Tag nicht noch besser werden könnte…

Erstaunlich schnell konnte ich meine perplexe Starre abschütteln und setzte ein breites, freundliches Lächeln auf.

„Gar nicht, ist das nicht erstaunlich? Denn im Gegensatz zu dir schätzt Ed mich wohl auf eine andere Weise, bei dir hat es wohl nur zum Betthäschen gereicht“, erwiderte ich eine Spur zu freundlich und ich wollte mich an der Sängerin vorbei drücken, doch ihre spitzen Fingern gruben sich in meine Schulter.

„Du wagst es, so mit mir zu reden?“, fauchte sie und ich drehte mich noch kurz zu ihr um.

„Du tust es ja auch“, lächelte ich sie zuckersüß an und lehnte mich noch ein wenig näher zu ihr. „Und so unter Freundinnen: Du hast da Lippenstift auf den Zähnen, meine Liebe“, erwiderte ich und verschwand so schnell es ging aus der Damentoilette. Wenn ich noch länger mit dieser Schnepfe in einem Raum sein müsste, dann könnte ich wirklich für nichts mehr garantieren. So schnell ich konnte entfernte ich mich also von der Sängerin und hielt nach den roten Haaren meines Verlobten Ausschau.

„Ed? Wir müssen gerade ganz dringend tanzen oder uns betrinken. Ich glaube, ich hab ne böse Fehde mit Taylor angefangen“, meinte ich leise zu Ed, als ich ihn gefunden hatte, und er schaute mich verwirrt an, bevor er dann einfach nur den Kopf schüttelte.

„Ich sollte nicht nachfragen, oder?“, wollte er wissen und ich schüttelte den

Kopf. „Dann, Mylady, darf ich bitten?“, fragte er mit einer ausufernden Verbeugung und ich nahm schnell seine Hand an. Ich wollte gerade einfach nur in der Masse untertauchen.

Mit genug Alkohol in der Blutbahn ließ sich dieses Trauerspiel auch irgendwie ertragen. Ich tanzte mit Ed, unterhielt mich trotz allem mit mir fremden Leuten und ab und an blickte ich auf die Uhr und war wirklich froh, dass sich der Abend bald dem Ende zu neigte. So sehr ich mich auch auf heute gefreut hatte, ich freute mich noch mehr darauf, bald endlich gehen zu dürfen.

„Gar nicht eifersüchtig?“, wurde ich von der Seite angesprochen und wandte meinen Blick von Ed ab. „Taylor ist nicht von schlechten Eltern.“

Ich seufzte nur leise, setzte dann wieder mein Lächeln auf, das ich schon den ganzen Abend trug. Falsch, aber irgendwie doch überzeugend. „Worauf soll ich eifersüchtig sein? Ich bin Eds Managerin, nicht seine

Ehefrau“, erwiderte ich und verzog mein falsches Lächeln zu einer echten

Grimasse. „Und ich bin auf einem Tanzball und hab so ein Kleid an, gibt wohl Schlimmeres, oder?“

Mein Gesprächspartner schmunzelte nur. Ich hatte seinen Namen schon wieder vergessen, aber ich würde die Person wahrscheinlich auch nie wieder sehen.

Ich richtete meinen Blick wieder auf Ed und Taylor. Wie es zu dieser Situation gekommen war, wusste ich gar nicht so genau. Aber irgendwann hatte Ed sich nicht mehr davor drücken können, der Druck von außen war zu groß geworden, er musste repräsentieren. Und ich war zwar froh, dass Ed sich mit Taylor rumschlagen musste und nicht ich, aber genau so sehr störte mich dieser Anblick.

Und so stand ich da mit vor der Brust verschränkten Armen und konnte mein Blick nicht von den beiden lösen. Ich war eifersüchtig. Und das war ein schreckliches Gefühl, das sich immer mehr in meiner Brust aufbaute und meinen Hals zuschnürte.

Mein Blick ging wieder zu meinem Handy, zu der Uhr darauf. Es wurde Gott sei Dank immer später. Und vielleicht konnten wir ja bald gehen. „Lass uns abhauen“, hörte ich eine Stimme nah an meinem Ohr und ich zuckte fürchterlich zusammen. Ich hatte nicht mitbekommen, dass Ed sich befreit hatte.

„Hm?“, erwiderte ich nur und drehte mich zu ihm um. Seine Augen waren so anders als sonst.

„Lass uns bitte einfach gehen“, wiederholte er sich und ich blickte ihn kurz verwirrt an, nickte dann aber. Der beste Vorschlag, den ich heute gehört hatte.

Und so folgte ich Ed einfach. Am liebsten hätte ich seine Hand genommen und mich einfach mitziehen lassen, aber das ging nicht. Das hier war immer noch eine öffentliche Veranstaltung. Und ich seine Managerin.

„Was ist denn los?“, fragte ich irgendwann, als wir den großen Saal verlassen hatten.

„Taylor. Sie ist eine Hexe. Ich weiß nicht, wie ich so verblendet sein konnte“, murmelte er nur und ich fragte wirklich, worüber sie geredet haben mussten, eben, beim Tanzen. Aber vielleicht war es besser, es nicht zu wissen. Reichte es nicht, dass es Ed genau so ging wie mir?

„Ich sag da nur Nina“, rutschte es mir dann über die Lippen und bereute es im nächsten Moment schon wieder. Das war nicht fair.

„An Nina bist du mit schuld“, erwiderte er ebenso leise und dagegen konnte ich nichts sagen. Ich hatte ihn ja darin bestärkt. „Aber musst du mich an all das erinnern?“

„Das mit Nina war unfair, da hast du ja Recht. Aber dass Taylor ne Hexe ist, das habe ich schon immer gesagt. Und sonst vergisst du nachher noch, was du an mir hast“, erwiderte ich nur und Ed öffnete mir die Tür des Taxis, das hier vorne auf Kundschaft wartete. Warum auch immer es hier stand. Es war eine Gala mit Promis. Die benutzten bei solchen Veranstaltungen doch eher Limousinen als Taxis, oder?

„Das werde ich niemals“, murmelte Ed nur leise und ich musste doch wieder lächeln. Es klang wie ein Versprechen. „Aber wenn Taylor die böse Hexe ist, dann bist du vielleicht doch Cinderella“, überlegte er und ich konnte nur schmunzelnd den Kopf schütteln.

„Cinderella geht nicht mit dem Prinzen nach Hause, Ed. Außerdem war es die böse Stiefmutter und die gute Hexe. Wir sollten uns das Märchen wohl doch noch mal zusammen anschauen, hm?“

+

Drei verschiedene Versionen von Cinderella hatten wir uns die letzten Tage angeschaut. Eine ganz alte Fassung, eine super moderne Fassung und irgendein Disneyfilm mit Selena Gomez. Weil Mae den männlichen Hauptdarsteller so sympathisch fand. Auch wenn ich davon ausging, dass das ne Spur mehr als sympathisch war, aber das war auch okay. Es war ja nur ein Film. Und sie hatte das Recht dazu, mich in der Hinsicht zu ärgern, nachdem sie sich schon mit Taylor konfrontieren musste.

Die Spendengala war mittlerweile ein paar Tage her und im Nachhinein war es eine schlechte Idee gewesen. Nicht nur wegen Taylor, sondern einfach, weil das nicht unsere Welt war. Meine noch ein wenig eher als Maes. Aber es war ein Versuch wert gewesen. Und sie musste beim nächsten Mal nicht mehr mitkommen, wenn sie das nicht wollte.

Und so ging der Alltag einfach weiter. Wir arbeiteten und spielten Auftritte und genossen die freien Tage und es war gut so, wie es war. Es war Normalität geworden und ich fand das gut. Mae gehörte dazu und war nicht mehr wegzudenken. Und ich würde sie ganz ehrlich auch nicht mehr gehen lassen. Dazu brauchte ich sie viel zu sehr und dafür machte sie ihren Job auch einfach viel zu gut.

Gerade war ich auf dem Weg zur Bühne. Soundcheck. Das, was getan werden musste. Und ich freute mich wirklich auf das Konzert heute Abend. Ein paar Freunde hatten mir gesagt, dass sie im Publikum stehen würden. Und wenn ich es schaffte, Mae zu überreden, dann würde sie die Jungs auch noch Backstage schleusen und wir könnten kurz quatschen, bevor wir wieder weiter mussten.

„Ich brauche keine Hilfe, man!“, riss mich dann aber eine laute Stimme aus meinen Vorbereitungen – ich wollte mir gerade die Gitarre umhängen – und ich versuchte, Mae in der Halle ausfindig zu machen.

„Ich komm gleich wieder“, meinte ich kurz zu den anderen, legte meine Gitarre zurück und sprang von der Bühne. Und je näher ich Mae kam, desto mehr merkte ich, dass sie gar nicht gut drauf war.

„Was hast du jetzt schon wieder angerichtet?“, fragte ich, während Mae weiter versuchte, geradeaus zu laufen, dabei aber mehr humpelte als lief. „Nichts. Und ich brauche keine Hilfe! Wie oft denn noch?“, murrte sie nur und ich seufzte. Sie wollte einfach weiter an mir vorbei gehen, aber ich hatte genug. Im nächsten Moment hatte ich sie mir einfach geschnappt, hochgehoben und dann an den Rand der Halle getragen, um sie dort auf eine der Sitzmöglichkeiten abzusetzen.

„Was hat sie jetzt schon wieder getan?“, wandte ich mich an die beiden perplex wirkenden Menschen, die uns einfach hinterher gelaufen waren, und ich kniete mich dann vor Mae, um sie durchdringend anzuschauen. „Ich bin nur umgeknickt“, murrte die Blondine vor mir genervt und ich nickte, versuchte ihr vorsichtig den Schuh auszuziehen.

„Du bist Ed Sheeran!“, meinte dann die eine der beiden Personen um mich herum und ich sah nicht mal mehr auf.

„Ach wirklich?“, erwiderte ich nur und merkte, wie Mae schmerzverzerrt zusammen zuckte, als ich ihr den Schuh über die Hacke zog.

„Sie ist über die Türschwelle gestolpert und umgeknickt“, meinte dann die andere Person und ich sah kurz nach oben, nickte ihr zu.

„Du musst auf die Bühne, Ed! Mir geht’s gut!“, murmelte Mae dann und ich seufzte, stand auf.

„Ihr Fuß sieht nicht gut aus, oder?“, fragte ich die beiden anderen Typen und verschränkte die Arme.

„Absolut nicht“, wurde mir zugestimmt und ich sah die junge Frau vor mir vielsagend an.

„Siehst du, Mae. Und jetzt bring ich dich am besten erst mal zum Arzt“, schloss ich und wollte keine Widerworte, aber als ich sie wieder auf meine Arme nehmen wollte, wehrte sie sich. Keine Chance.

„Mir geht es gut! Du musst auf die Bühne, verdammt!“, murrte sie und ich seufzte.

„Mae, das ist nur ein Soundcheck, das ist mir doch scheiß egal. Denkst du wirklich ich kann mich konzentrieren, wenn es meiner Ve... Managerin nicht gut geht. Wir sind eine Family, Mae. Wie oft denn noch?!“, versuchte ich sie zu Recht zu weisen und sie fuhr sich übers Gesicht. Sie war überfordert.

Komplett.

„Aber du musst doch…“, murmelte sie und wusste nicht, wie sie den Satz enden sollte. Sie hatte Schmerzen. Und sie wollte weiter professionell bleiben.

„Kompromiss?“, fragte ich dann und sie sah auf, nickte. „Murray bringt dich zum Arzt. Und ich mach den Soundcheck?“, bot ich ihr an und sie nickte. Gott sei Dank. „Wunderbar. Habt ihr irgendwas zum kühlen?“, wandte ich mich dann an die beiden Typen, die noch bei uns standen, und schon war einer losgelaufen. Ich hatte währenddessen mein Handy am Ohr, um Murray her zu holen. So würde sich wenigstens jemand um ihren Fuß kümmern, während ich dort oben auf der Bühne war. Auch wenn ich da gerade gar nicht hin wollte…

+

„Du solltest Ed das Leben manchmal nicht so schwer machen“, hörte ich Murray sagen und rieb mir meine Schläfen.

„Als ob ich das nicht selber weiß, M“, erwiderte ich nur und versuchte die Schmerzen auszublenden, die in meinem rechten Knöchel auf und ab pulsierten. Das Kühlakku half da nicht sehr viel.

„Und wieso machst du es dann trotzdem?“, hakte Eds Cousin weiter nach und ich schnaubte.

„Das sagst du so leicht. Ich hab immer noch einen Job zu machen und immer, wenn mit mir irgendetwas ist, lässt Ed alles stehen und liegen und macht nicht mehr das, was er eigentlich tun sollte. Und das ist nicht gut“, meinte ich nur und wartete darauf, dass der Arzt endlich kam und mir sagte, ob ich mir meinen Knöcheln verstaucht oder gebrochen hatte oder ob ich einfach nur normal umgeknickt war und das bald wieder weg war. „Sie sind übrigens ausverkauft“, setzte ich dann noch hinzu und Murray sah mich an. „Was ist ausverkauft?“, wollte er wissen und trotz der Schmerzen schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen. Ich konnte gar nicht anders.

„Tag 2 und 3“, erklärte ich ihm also, was los war, und er sah mich einfach nur an. Konnte wohl nicht glauben, was er da gerade hörte.

„Bitte was?!“, bekam er auch nur über die Lippen und ich schmunzelte nur noch mehr.

„Alle drei Tage ausverkauft“, stimmte ich nur zu und er nickte langsam.

„Oh Gott.“

„Kannst du laut sagen“, stimmte ich ihm zu. Als ich die Nachricht bekommen hatte, hatte ich es auch nicht glauben wollen.

„Was hat Ed gesagt?“, wollte M dann wissen und ich schnaubte nur. „Der weiß es noch nicht. Ich wollte es ihm ja eigentlich eben sagen, aber irgendwie…“, murrte ich und zeigte auf meinen Knöchel. „Scheiß

Türschwelle!“

Murray nickte nur und schwieg. Weil es irgendwie eine komische Situation war.

„Miss Campbell?“, riss uns eine Stimme aus der Stille und ich schaute auf. Weißer Kittel, freundliches Lächeln. Das war wohl der Arzt und ich bekam endlich die Diagnose, ob ich die nächsten Wochen weiterhin humpeln durfte oder ob alles nur halb so schlimm war und Ed nur überdramatisiert hatte. Und ich hoffte, dass mein Verlobter sich nur mal wieder viel zu viele Sorgen um mich gemacht hatte. Ich hoffte es sehr.

+ Kapitel 6.5: Der Endspurt +

„Mae und Fans, zusammen auf einem Haufen. Dass ich das nochmal erleben darf.“ (18.05.2015)

„Was hast du denn mit deinem Fuß gemacht?“, hörte ich die Person vor mir fragen und ich verzog meinen Mund zu einer Grimasse. Ich hasste es jetzt schon. Seit heute Morgen hatte ich diese Frage schon viel zu oft gehört. „Bänder angerissen, verstaucht. Was man halt so macht“, nuschelte ich nur und stützte mich auf meiner rechten Gehhilfe ab. Ed hatte sie mir gegeben, nach einer sehr langen Diskussion. Er hatte gewollt, dass ich mich ausruhte und mich auskurierte und im Bus blieb und meinen Fuß hochlegte. Aber das konnte ich nicht, ich wollte herumhumpeln und meine Arbeit machen. Und so hatten wir mindestens eine viertel Stunde darüber diskutiert, bis wir uns auf die Krücken geeinigt hatten. So durfte ich jetzt mit seiner offiziellen Erlaubnis hier herum geistern, er war zufrieden und ich musste nicht im Bus bleiben.

„Nicht so cool“, riss mich mein Gegenüber aus meinen Gedanken und ich nickte.

„Eher nicht. Hast du Hunger? Ich hab vorhin Brötchen bekommen, weil ich ja zu Kräften kommen muss, aber ich weiß wirklich nicht, wie ich sechs belegte Brötchen schaffen soll“, meinte ich und holte meinen Rucksack von meinem Rücken.

„Wir wollten eh gerade Pause machen, aber deine Brötchen gehören dir. Du solltest wirklich zu Kräften kommen“, meinte auch mein zweiter Gesprächspartner und ich verdrehte die Augen, während ich es mir irgendwie auf dem Boden der Halle gemütlich machte und den beiden Jungs dann doch ein Brötchen in die Hand drückte. Ich würde mit diesen Sachen nicht zu Kräften kommen sondern fett werden.

„Was ist euer Job hier?“, fragte ich dann und biss in das zweite Brötchen heute.

„Eigentlich bin ich dabei, Ingenieur zu werden, aber brauch neben dem Studium noch ein wenig Geld und helfe öfter mal beim Auf- und Abbau“, antwortete James – der Blonde der beiden Jungs, so wie sie sich vorgestellt hatten – und ich nickte. Also nur ein Nebenjob. „Und du?“

„Im Moment läuft’s. also jobtechnisch, für die nächsten Monate auf jeden Fall. Fußtechnisch läuft‘s gerade eher nicht so“, grinste ich schief und dann saßen wir da, in der Mitte dieser riesigen Halle auf den Boden. Und ich unterhielt mich gut. Es waren interessante Menschen, die ich heute wieder getroffen hatte. Und ich war dankbar, dass ich über die Wochen und Monate, die ich schon mit auf Tour war, so viele tolle Menschen kennenlernen durfte. So viele interessante Ansichten, so viele verschiedenen Leben. Es war so lebendig.

„Es war echt nett, dich kennen zu lernen! Aber die Pause ist vorbei und wir werden gleich eh alle raus geschmissen“, klopfte sich Charlie auf die Beine und wollte aufstehen. „Soundcheck ist leider nicht mehr drin für uns.“ „Stimmt nicht. Wenn ihr zum Soundcheck bleiben wollte, bleibt gerne. Wenn ihr mit mir seid, werdet ihr auch nicht rausgeschmissen. … Ich hab auch Kuchen!“, stellte ich dann fest und zog meinen Rucksack zu mir, um den kleinen Schokoladenkuchen herauszuholen, der mir eben noch in die Hand gedrückt wurde. „Der wurde mir vorhin geschenkt. Weil ich ja zu Kräften kommen soll“, grinste ich schief. So nervig das auch manchmal war, der Kuchen war doch ganz positiv zu beurteilen.

„Wer bist du?“, fragte James nur und sah mich an, ich zuckte nur grinsend mit den Schultern.

„Das frag ich mich auch immer wieder. Und ich frage mich auch immer, wieso sie immer so viele Leute zu meinen Soundchecks mitbringt“, hörte ich dann eine mir sehr bekannte Stimme und schaute auf. Ed kam neben uns zum Stehen.

„Die Leute haben auch Namen, Ed. Das sind Charlie und James“, stellte ich die beiden vor und Ed nickte den Jungs zu.

„Viel Spaß beim Soundcheck gleich. … Auch wenn ich es nicht befürworte, dass du auf dem Boden sitzt. Du musst auf deinen Fuß aufpassen, Mae“, schüttelte er grinsend den Kopf, während er unser kleines Picknick begutachtete.

„Der Kuchen sieht aber echt gut aus, lasst mir da mal was von über. Wo hast du den überhaupt schon wieder her?“, fragte er, erwartete aber keine Antwort. „Aber gut, ich muss los, Chef. Mein Zeitplan ruft“, nickte er nochmal in die Runde, zwinkerte mir kurz zu und machte sich dann weiter auf zur Bühne. Charlie und James sahen mich nur verwirrt an.

„Eds zweite Managerin“, erklärte ich kurz und hatte wunderbar gute Laune. „Also, wie sieht’s aus: Kuchen?“

„Ich komm gleich hoch, ein paar Minuten noch, dann bin ich da“, sagte ich ins Telefon und legte dann auf, während ich mit meiner freien Hand die Tür aufdrückte. Ich war gerade auf dem Weg in den Backstagebereich dieser Halle, doch als ich durch die Tür kam, stockte ich. Irgendwie war das hier nicht das Treppenhaus. „Oh, hey, sorry, hier bin ich wohl falsch“, meinte ich dann und sah in ziemlich demotivierte Gesichter. „Ihr wohl auch, so wie ihr ausseht.“

Die beiden Mädels vor mir versuchten sich an einem Lächeln. „So schlimm ist es nicht, aber ich würde das Konzert lieber komplett anschauen anstatt in der Garderobe zu stehen“, meinte eine der beiden.

„Bist du neu?“

„Ich gehöre zur Crew“, erwiderte ich und ich sah in große Augen. „Ja, zu Eds Crew“, bestätigte ich und man merkte, dass das eindeutig Fans waren. „Mit Ed zu arbeiten muss toll sein“, meinten sie und ich grinste nur. Wie recht sie doch hatten.

„Wollt ihr was zu trinken haben?“, fragte ich dann und die beiden schüttelten nur den Kopf. „Ich lad euch ein. Cola?“, hakte ich nochmal nach und dieses Mal gab es ein Nicken.

So schnappte ich mir mein Handy und rief die Nummer an, die ich als letztes gewählt hatte.

„Alles okay?“, begrüßte Ed mich ein wenig beunruhigt – ich sollte ja auch schon längst oben bei ihm sein.

„Ja klar. Ich sitze hier bei zwei deiner Fans und wir haben Durst. Magst du uns was zu trinken bringen. Cola wäre nett“, erwiderte ich und zwinkerte den Mädels zu, die mich weiterhin mit großen Augen anstarrten. „Bitte? Ist die erste Tür rechts, wenn du aus dem Treppenhaus kommst. Danke!“, setzte ich dann noch hinzu und wusste, dass Ed da nicht Nein sagen würde. „Du kannst echt froh sein, meine Verlobte zu sein. Ich bin gleich da“, grummelte er nur und mein Grinsen wurde breiter, ich legte auf. „Trinken kommt gleich. … Macht ihr das mit der Garderobe schon länger? Habt ihr gute Konzerte gesehen?“, versuchte ich dann ein Gespräch zu den beiden jungen Mädchen aufzubauen und schob mein Handy zurück in meine Tasche.

Und es war wirklich interessant. Wie viele verschiedene Künstler hier spielten und dass sie einige davon erst gar nicht kannten, dann aber zu lieben gelernt hatten. Und solche Geschichten waren schön zu hören. „Hier, Nervensäge“, riss uns eine Stimme aus unserem Gespräch und ich drehte mich kurz zu Ed um.

„Ich liebe dich auch, Superstar“, meinte ich sarkastisch und nahm ihm die Getränke ab. „Immerhin gekühlt. Hier, bitte“, reichte ich die Cola dann an die Mädels weiter, die aber komplett bei Ed waren.

„Halleluja“, murmelte die eine und ich konnte nur grinsen.

„Mae meinte, ihr könntet was zu trinken gebrauchen“, zuckte Ed nur mit den Schultern und setzte sich zu uns, die Mädchen stotterten vor sich hin und es war unfassbar süß anzuschauen, wie glücklich Ed sie gerade macht, nur weil er da war und sich mit ihnen unterhielt.

„Du bist Mae?“, wandte sich aber die eine der beiden zu mir um und ich nickte nur.

„Höchstpersönlich. Meistens jedenfalls. Es sei denn, Ed will irgendwas Nerviges von mir. Dann ziehe ich es vor, Stuart den Job zu überlassen. … Soll ich eigentlich ein Foto von euch machen? Habt ihr ein Handy dabei?“, bot ich dann an und die beiden waren noch glücklicher als sie es eh schon waren. Und so stand ich auf, biss meine Zähne zusammen, als ich schief auf meinen rechten Fuß aufkam, und humpelte dann kurz weiter. Ich brauchte zwar endlich nach Wochen keine Krücken mehr, aber so komplett belastbar war der dumme Fuß leider auch nicht.

Ed sah mich nur böse an – er hatte genau gesehen, wie ich gerade gehumpelt war.

„Mae!“, meinte er nur und ich verdrehte die Augen.

„Lächeln Ed, du willst doch das Foto nicht ruinieren“, erwiderte ich nur und er ergab sich seinem Schicksal.

„Können wir auch ein Foto mit dir haben, Mae?“, wurde ich dann gefragt und war sehr erstaunt, aber auch irgendwie komischerweise glücklich. „Ed? Hilfst du uns kurz? Und dann solltest du auch wieder nach oben, vorbereiten und so“, meinte ich und drückte ihm das Handy in die Hand. „Du wollest was zu trinken“, erwiderte er aber nur ärgernd und da konnte ich nicht widersprechen.

Und so stellte ich mich zwischen die beiden Fans und auch, wenn es eigentlich nicht richtig war, lächelte ich glücklich in die Kamera.

„Danke für alles. Können wir uns irgendwie dafür revanchieren?“, wurde ich leise gefragt, aber ich verneinte sofort und nahm Ed dann das Handy ab, um es den Mädels wieder zu geben.

„Da nicht für. Habt einfach ne tolle Zeit und ich hoffe, ihr kriegt noch was vom Konzert mit“, verabschiedete ich mich und sah dann zu Ed. „Wir müssen auch jetzt.“

Ed umarmte die beiden Mädels zum Abschied und ich tat es ihm gleich, bevor wir den Raum verließen und dann das Treppenhaus betraten. Ich mit einer ganzen halben Stunde Verspätung.

„Du gewöhnst dich mehr daran“, stellte Ed fest und ich sah ihn verwirrt von unten heraus an. „Also an die ganzen Fans. Sie jagen dir keine Angst mehr ein. Nicht mehr so viel wie früher“, erklärte er sich und ich war überrascht, wie recht er hatte. Früher hatte ich sie als fanatischen Mob gesehen, so wie sie manchmal drauf sein konnten, aber das waren sie nicht. Es waren normale Menschen, die etwas gut fanden – und das auch zeigten. Und es waren so nette Menschen darunter.

Ich war spät dran, als ich schnellen Schrittes den Bürgersteig entlang lief. Ich hatte noch schnell zum Elektronikhändler meines Vertrauens gemusst – gebrochene Ladekabel waren ein Graus – und nun musste ich mich beeilen, rechtzeitig in der Halle zu sein, bevor die meisten Fans dort waren. So nett einige davon auch waren, zu viele auf einem Haufen konnte ich noch nicht ertragen.

Mittlerweile, nach ein paar Monaten, machte mein Fuß auch keine Faxen mehr. Wenn ich auf Ed gehört und meinen Fuß von Anfang an geschont hätte, wäre das wahrscheinlich viel schneller wieder was geworden, aber ich hatte natürlich nicht auf ihn gehört und den Fuß viel zu sehr und manchmal auch zu falsch belastet. Aber mittlerweile war alles wieder gut und ich konnte ohne Schmerzen zur Halle eilen.

Ich hatte meine Musik laut aufgedreht, weil der Straßenlärm ebenso laut war und mir solche fremden Städte mit den vielen fremden Straßen unheimlich waren. Und so war ich froh, nach ein paar Minuten endlich die Halle in meinem Blickfeld zu haben.

Mein Laufschritt wurde langsamer, ich beeilte mich nicht mehr, ich war gut im Zeitplan und ich musste nicht mehr so rennen.

„MAE?!“, hörte ich kurz vorm Eingang und ich zuckte komplett zusammen. Ich hatte die Musik leiser gemacht und irgendwie nicht damit gerechnet, dass mich jemand ansprach. „Du bist doch Mae, oder?“, wurde die Frage wiederholt, als ich meine Kopfhörer aus den Ohren genommen hatte, und ich kam vorsichtig auf die kleine Gruppe an jungen Mädchen, so um die 16 Jahre, zu.

„Äh, ja, wieso?“, kam es mir nur über die Lippen und ich betrachtete die Runde. Ein paar der Mädels hatten Fanshirts von Ed an. Und Plakate. Also wollten sie zum Konzert, waren aber verdammt früh dran. „Ihr wollt wohl in die erste Reihe“, stellte ich fest und die Mädchen nickten, bekamen rote Wangen. Süß waren die fünf.

„Ja. … Und wir wollen dich auch nicht lange aufhalten, aber wir wollten dich fragen, ob du das hier Ed geben kannst. Nur, wenn es keine Umstände macht“, wollte das Mädchen wissen, dass mich auch angesprochen hatte – sie war wohl die Mutigste der Gruppe – und im nächsten Moment sah ich, wie mir eine kleine Puppe entgegen gehalten wurde. Eine Puppe mit roten Haaren, einem Karohemd und einer gehäkelten Gitarre. Quasi eine perfekte Replik von Ed.

„Wie süß, kann ich es auch selbst behalten?“, fragte ich begeistert und nahm die Ed-Puppe in die Hand, um sie einmal genauer anzuschauen. Da steckte echt verdammt viel Mühe drin, so wie die aussah. „Aber ne, quatsch, klar kann ich sie mitnehmen, da wird sich Ed echt drüber freuen. Also der Echte“, grinste ich weiter und öffnete meine Handtasche, um die Puppe hinein zu setzen, sodass sie aber noch rausschauen konnte. „Habt ihr noch nen Brief oder so? Damit wir auch wissen, von wem der Kleine hier ist?“, fragte ich dann und dann bekam ich auch noch einen kleinen Brief dazu, der ebenfalls in meiner Tasche verschwand.

„Vielen, vielen Dank“, bekam ich nur tausendfach zurück und die fünf Mädels strahlten mich allesamt an.

„Ach, da nicht für. Aber Moment mal…“, meinte ich dann und öffnete meine Tasche wieder, kramte kurz darin herum. „Hier sind sie ja, ich hab auch noch was für euch“, meinte ich dann und streute fünf kleine Plektren in die Hand der Gesprächsführerin.

„Wow, die sind ja cool“, meinte sie und betrachtete das grüne X und Eds kurze Unterschrift. „Hast du davon immer welche dabei?“, fragte sie dann weiter und ich nickte.

„Für genau solche Momente. Kam bisher nur ein paar Mal vor, aber ich bin vorbereitet“, erwiderte ich und warf einen kurzen Blick auf die Uhr. „Ich muss jetzt auch leider rein, hab noch ein wenig zu tun heute. Ich wünsch euch ganz viel Spaß beim Konzert nachher und viel Glück beim Sturm auf die erste Reihe“, verabschiedete ich mich, richtete die Ed-Puppe in meiner Tasche und machte mich dann auf den Weg zum Hintereingang und dann in den Backstagebereich.

„Da bist du ja. Du und … bin ich das?“, begrüßte Ed mich und ich grinste ihn breit an.

„Oh ja, haben Fans für dich gemacht. … Kann ich ihn behalten?“, wollte ich wissen und Ed verdrehte lächelnd die Augen.

„Lass ihn mich doch erstmal sehen“, meinte er dann und streckte die Hände aus. „Aber du hast recht, der ist echt verdammt realistisch.“

„Wie ein Double“, stimmte ich zu und wollte mich zu Ed aufs Sofa setzten, schreckte aber wieder auf. „Lass uns einen Film drehen“, meinte ich und hibbelte auf und ab. „Das ist grandios!“

Ed sah mich vollkommen verwirrt an, legte seine Puppe zur Seite und wartete auf eine Erklärung.

„Wie kommst du jetzt auf einen Film? Und was für einen Film?“

Begeistert sprang ich auf. „Ein Film über Wembley. Mit dir in der Hauptrolle. Und Konzertaufnahmen. Und hinter den Kulissen. Murray hat so viel gefilmt, da wird schon was Gutes dabei sein. Und bis zu den Konzerten ist es ja auch noch ein Monat hin und…“, redete ich auf ihn ein und Ed sah mich entgeistert an.

„Das ist dein Ernst“, stellte er fest und ich nickte schnell.

Kopfschüttelnd stand Ed ebenfalls auf, hauchte mir einen Kuss auf mein Haar und nahm sich sein Handy vom Tisch.

„Da ich dich eh nicht davon abbringen kann: Mach ein Konzept und dann reden wir nochmal drüber… Aber ganz ehrlich Mae, manchmal sind deine Gedankensprünge echt zu viel für mich. Ich geh zum Soundcheck“, seufzte er und verließ den Raum, ich war aber immer noch vollkommen begeistert und griff nach meinem Laptop, um sofort mit der Planung anzufangen. Wir brauchten einen Kameramann für das Konzert, ich musste mit Murray und Stuart sprechen und generell gab es da noch so viel zu tun. Und so stürzte ich mich gleich in die Arbeit.

Mit Puppen-Ed auf dem Schoß saß ich im Backstagebereich und wartete darauf, dass das Konzert vorbei war. Ich hatte mir den ersten Teil angeschaut, aber irgendwann war es mir zu viel geworden und ich hatte mich nach hinten auf die Sofas verzogen. Mein Handy war fest in meinen Händen und ich schaute die Kommentare unter Eds neuestem InstagramPost an – einem Bild von Ed mit seiner Puppe.

Neben den vielen Herzen und ‚I love you’s und irgendwelchen Verlinkungen achtete ich vor allem auf längere Kommentare und da waren wirklich viele lobende Worte dabei. Für die Puppe – und merkwürdigerweise auch für mich.

‚Mae hat die Puppe mitgenommen. Sie ist so unfassbar lieb. Danke für alles!

#DankeMae‘

‚Hatte Mae vor ein paar Monaten getroffen. Hat Ed dazu gebracht, uns

Getränke zu bringen. Konnten mit ihm reden und Fotos machen. Bester Tag meines Lebens! #DankeMae #MaeSheeran‘

‚Ich kenne jemanden, der hat mal in der Halle gearbeitet, wo Ed gespielt hat, und auch diese Mae getroffen. Sie durften ausnahmsweise beim Soundcheck in der Halle bleiben und sie hatte Kuchen für sie. You go, girl!

#DankeMae #MaeSheeran‘

‚Ich bin echt so froh, dass Stuart und Mae so gut auf Ed aufpassen. Er scheint echt Glück mit seinen Managern zu haben. #DankeMae #DankeStu‘

‚Und gut zusammen passen die beiden sowieso :D #MaeSheeran‘ Lächelnd schloss ich die App und lehnte meinen Kopf zurück an die Sofalehne. So fühlte es sich also an, auf Twitter einen Hashtag zu haben.

Oder zwei.

Und vielleicht, vielleicht würden sie mich ja wirklich akzeptieren, in Eds Team und an Eds Seite. Und vielleicht würde ja alles gut werden. Aber das würden wir auch erst in einem Monat wissen und bis dahin, da erfreute ich mich einfach weiter an den Nachrichten und an den vielen Aufgaben, die im nächsten Monat auf mich zukommen würde, bis das alles vorbei war. Bis die Konzerte gespielt und anscheinend ein Film im Kasten sein würden.

+ Kapitel 6.6: Die Ziellinie +

„Ich sterbe gerade vor Aufregung. Und dennoch ist es beruhigend zu wissen, dass Mae mit dabei ist.“ (09.07.2015)

Lächelnd streckte ich mich. Die letzten Arbeiten für Wembley und den Wembley-Film waren getan. Ich war wirklich rechtzeitig mit allem fertig geworden und nun musste ich die letzten Tage einfach nur abwarten und hoffen.

Routinemäßig schaute ich auf mein Handy und sah ein paar neue

WhatsApp-Nachrichten. Kelsey hatte geschrieben, Ed fragte sich mal wieder, wo ich war, und im Gruppenchat von Stu, Liberty und mir war ein Foto gepostet worden.

Interessiert klickte ich darauf und wartete, dass es endlich lud. Das Wlan hier war schlecht und mein Datenvolumen nicht mehr existent.

Als ich das Foto endlich sah, konnte ich nicht wirklich glauben, was es war. Ich hatte eben zusammen mit Stuart mit seiner Ehefrau geskyped und jetzt das Foto zu sehen, machte das ganze viel realer.

Ich merkte, wie vereinzelte Tränen meine Wangen entlang liefen und ich war selten so glücklich gewesen.

„Mae? Was ist denn los? Wieso weinst du denn? Nicht traurig sein?“, hörte ich Eds Stimme und schaute auf. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass er in den Raum gekommen war.

„Ich werde eine große Schwester“, erwiderte ich einfach nur und strich mir die Freudentränen von den Wangen. „Liberty ist schwanger.“ „Ich weiß“, erwiderte Ed nur und setzte sich zu mir.

„Wieso weißt du das früher als ich?!“, fragte ich gespielt entrüstet, hatte aber meine größte Aufmerksamkeit auf mein Handy gerichtet.

„Ich bin in ein Gespräch der beiden geplatzt. Aber ich durfte nichts erzählen, sie wollten das selbst machen“, erklärte er nur und ich nickte.

„Das ist gut“, schniefte ich und hielt Ed mein Handy mit. „Sie haben mir vorhin per Skype davon berichtet und jetzt dieses Foto vom ersten Ultraschallbild geschickt. Als ob diese Woche nicht aufregend genug ist“, murmelte ich und atmete tief durch. Noch eine ganze Woche bis Wembley. „Vielleicht wollten sie den Stress und die Aufmerksamkeit von den

Konzerten weglotsen. Auch wenn das niemals funktionieren wird, dafür ist Wembley einfach zu … groß. … Wir müssen übrigens auch nochmal über dein Arbeitsverhältnis reden“, wechselte Ed das Thema und ich sah von meinem Handy auf.

„Wieso? Ist was passiert, hab ich irgendetwas falsch gemacht?“, fragte ich sofort und Ed verdrehte liebevoll die Augen.

„Nein! Und das weißt du auch. … Jedenfalls, nachdem du ja jetzt Bescheid weißt: Es geht um Stuart. Er will ein wenig kürzer treten und nicht ständig durch die Gegend reisen. Was verständlich ist“, erklärte er und ich verstand, worauf Ed hinaus wollte. Mit einer schwangeren Ehefrau Zuhause in der Weltgeschichte herum reisen war uncool. Mit einem kleinen Baby Zuhause nur noch mehr. „Jedenfalls… Die Idee war... Ob du vielleicht“, begann er dann zu stottern und ich sah ihn kopfschüttelnd an.

„Ed!“

„Die Idee war, dass ihr weiter im Team arbeitet. Er von Zuhause, du auf den Touren und von unterwegs. Ich weiß, dass ist noch lange hin, aber…“, rückte er mit der Sprache raus und ich sah Ed prüfend an.

„Denkst du, dass das eine gute Idee ist?“, wollte ich wissen und Ed nickte sofort.

„Ja, natürlich. Stuart und ich hatten die Idee unabhängig voneinander. Das ist der komplett richtige Beruf für dich, das haben wir festgestellt. … Und man Mae, ich werde dich nicht alleine in London zurücklassen, wenn ich irgendwann mal wieder für ein halbes Jahr weg bin. Das halte ich nicht aus, das kannst du vergessen. … Und wenn man davon ausgehen kann, dass das mit meiner Karriere so weiter geht“, meinte er und ließ den Rest offen.

„Natürlich wird es das!“, stimmte ich auch sofort zu.

„Na siehst du. Und nachdem wir fast neun Monate zusammen verbracht haben werden, werde ich dich danach nicht in London zurücklassen. Es würde mich umbringen! Und ganz ehrlich, du machst super Arbeit, wieso sollte ich also aus der Family schmeißen? Ehrlich Mae“, meinte Ed zufrieden, weil er merkte, wie er diese Diskussion gewann. Als ob er sie nicht gewinnen würde.

„Denkst du wirklich, ich würde nein sagen?“, erwiderte ich daher nur und Ed grinste schief.

„Bei dir bin ich mir manchmal nicht so sicher. Also ist das ein Ja?“, hakte er nochmal nach und ich nickte nur. „Wunderbar. Dann komm, Verlobte. Ich bin dafür, dass wir Stu besuchen. Ich muss eh noch was wegen Wembley besprechen und dann können wir ihm gleich davon erzählen“, hörte ich Ed sagen und merkte, wie er mich von meinem Stuhl und hinter sich her zog. Viel zu gut gelaunt, wenn man die Tatsache betrachtete, dass bald die Wembley-Konzerte waren und er eigentlich viel aufgeregter sein müsste.

Spätestens einen Tag vor dem ersten Konzert würde er wahrscheinlich vor Aufregung sterben. Und in sieben Tagen, da war das erste Konzert dann wirklich vorbei.

„Ich komm ja schon, du musst nicht so ziehen“, lachte ich nur und versuchte mit dem aufgedrehten Ed Schritt zu halten. Er war viel zu gut gelaunt.

„Ich kann das nicht“, hörte ich Ed leise fluchen. Er lief auf und ab, wirkte fahrig und er war nervös.

„Natürlich kannst du das!“, erwiderte ich, so wie ich es schon die letzten zwölf Male erwidert hatte, und sah auf meine Uhr. „Nur noch zehn Minuten“, stellte ich fest und man sah, wie Ed in sich zusammen sank. Er war vollkommen fertig mit den Nerven, aber mir ging es nicht anders. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, meine Hände waren schweißnass und ich hoffte wirklich, dass alles gut gehen würde. Es musste alles gut gehen, wir hatten doch so lange darauf hin gearbeitet.

„Ich kann das nicht“, murmelte Ed nur wieder und ich kam auf ihn zu, nahm seine Hände in meine und schaute ihn an.

„Natürlich kannst du das“, widersprach ich wie die letzten Male und drückte seine Hände. „Schau mich mal an“, bat ich ihn dann und er blickte tatsächlich auf, seine Augen waren aber unruhig und er blickte wild umher, sodass ich mich zu ihm nach oben lehnte und nach seinen Lippen heischte. Irgendwie musste ich es doch schaffen, ihn runter zu bringen. Irgendwie musste ich ihn doch beruhigen können.

Meine Arme schlangen sich um Eds Hals und so langsam hörte er auf, wie wild auf und ab zu hibbeln, sondern er legte seine Hände an meine Taille und konzentrierte sich auf mich.

„Hey, ihr da, macht gefällig woanders rum. Und wo ist Ed denn schon wieder?“, riss uns eine Stimme, die verdächtig nach Stuarts klang, aus unserem Kuss und ich seufzte leise. Gerade, wo ich dabei war, Ed zu beruhigen… „Ich nehme alles zurück“, setzte Stu hinzu und ich löste mich von Ed, drehte mich zu ihm um.

„Besser ist das. Wenn wir Pech haben, dann rennt er gleich aus der Halle“, erwiderte ich und Ed verdrehte die Augen.

„Nicht so vorlaut, mein Fräulein, und hör auf, in meiner Gegenwart mit irgendjemandem rum zu machen, vor allem, wenn es Ed ist“, versuchte er mich ein wenig zu ärgern und ein wenig Normalität in die Situation zu bringen. Ein weiterer Versuch, Ed zu beruhigen.

„Wer bist du? Mein Vater?“, konnte ich mir den Seitenhieb nicht verkneifen und grinste noch breiter als ich es eh schon tat. Es machte einfach zu viel Spaß.

„Es war eine schlechte Idee, euch beide gleichzeitig mitzunehmen“, murmelte Ed nur und Stu schlug bei mir ein, bevor er selbst auf die Uhr schaute. „Noch vier Minuten.“

Ed sah mich an, mit diesen großen Augen, die nur danach schrien, flüchten zu wollen. Er wollte hier einfach nur noch weg.

„Du kannst das“, meinte ich also und nahm die Gitarre, die gerade eben noch zum letzten Mal gecheckt wurde, und reichte sie Ed. Wenn er etwas in der Hand hatte, dann fühlte er sich meist immer besser.

„Und was ist, wenn nicht?“, erwiderte Ed dann aber und hing sich sein Instrument um. Und genau so ein Anblick gefiel mir. Er sah wirklich sicherer aus.

„Steht nicht zur Debatte?!“, versuchte ich ihn weiter aufzumuntern, auch wenn er nicht begeistert aussah.

„Und wenn doch?“

„Dann ist das eben so. Sehen ja nur ein paar tausend Menschen“, scherzte ich und Ed verdrehte die Augen.

„Danke“, murrte er und ich lächelte ihn an.

„Du hast gefragt, Ed“, sagte ich leise und kam noch näher auf ihn zu, sodass nur er hören konnte, was ich sagen würde.

„Hmpf…“, grummelte er weiter und schaute mich zweifelnd an.

„Man, Ed, was erwartest du? Auch wenn du dich da gleich blamieren solltest, steht die Family immer noch hinter dir und ich werde auch nicht gehen. Du kannst nichts verlieren. Und du wirst das sowieso super machen“, hauchte ich und meinte das alles wirklich so.

„Du bist immer noch da, nach dem Auftritt? Versprochen?“, hakte er nach und wie automatisch hob ich meine Hand.

„Natürlich. Vielleicht hast du es schon wieder vergessen, aber das hier ist ein Versprechen, das ich nicht brechen werde“, erwiderte ich und wackelte mit den Fingern, sodass Ed den Ring sah, den er mir damals gegeben hatte. „Ich werde nie wieder gehen, egal was heute passiert. Und du kriegst das hin. Es ist ein normales Konzert und du wirst den Spaß haben, den du immer bei Konzerten hast. Verstanden?“, setzte ich noch hinzu und dieses Mal nickte Ed nur.

„Verstanden. Und … Ich liebe dich, Darling. Drück mir trotzdem die Daumen, ja?“, hauchte er und ich lächelte ihn an.

„Immer“, erwiderte ich und beugte mich nochmal zu ihm nach oben, um ihm einen letzten Kuss auf die Lippen zu geben, bevor ich ihn an den Schultern umdrehte und ihn Richtung Bühnenaufgang schubste. Es war soweit. Seufzend sah ich Ed hinterher, der mir noch einen kurzen Blick zuwarf, dann aber verschwand.

Als Stu einen Arm um meine Schulter legte, zuckte ich erschrocken zusammen und schaute zu ihm nach oben.

„So schnell werden sie groß, die Kinder, hm?“, meinte ich lächelnd und Stu schüttelte lachend den Kopf.

„Versprichst du mir, dass du heute Nacht auf ihn aufpasst und er sich nicht zu sehr abschießt?“, wollte er von mir wissen. Ich wank sofort ab. „Da fragst du die Falsche, ich werde mich auch so abschießen. Das macht mein Herz echt nicht mit. Aber wenn du unbedingt möchtest, kann ich’s versuchen“, erwiderte ich und Stu löste seinen Arm von meiner Schulter. „Brave Tochter. Und jetzt komm, lass uns anschauen, wie aufgeregt er sich gibt“, erwiderte er und ich folgte ihm zu einem Platz, wo man besser zuschauen konnte. Und meine Aufregung steigerte sich ins Unermessliche.

+

Ich war weniger nervös als am ersten Tag. Und wie ich den überstanden hatte, das wusste ich auch gar nicht so genau, an viel erinnerte ich mich auch nicht mehr, alles rannte nur an mir vorbei und es fühlte sich so an, als würde ich in einem Film leben. Und jemand hatte vorgespult.

Nachdem Mae und ich uns beide gestern viel zu sehr abgeschossen hatten und ich nun mit zwei Schmerztabletten intus versuchte, wieder klar zu kommen, rannten alle anderen durch die Halle und versuchten, die Welt zu retten. Gitarren mussten neu mit Saiten bezogen werden und Mae kontrollierte alles doppelt und dreifach. Ich hatte mich hier in die Umkleide zurück gezogen und hatte die Gelegenheit, mich ein wenig mit Elton unterhalten zu dürfen, bevor ich heute Abend mit ihm auf der Bühne stehen würde. Und es war so eine Ehre, dass ich genau das durfte.

Wir redeten wirklich lange. Und er gab mir Tipps und versuchte mir die

Anspannung zu nehmen und wir waren so ins Gespräch vertieft, dass ich die Zeit und alles um mich herum vergaß und so in der Musikerblase gefangen war, dass ich mich fürchterlich erschreckte, als es an der Tür klopfte und Mae ihren Kopf durch die Tür steckte.

„Entschuldigung, dass ich störe. Ich müsste kurz mit dir reden, Ed?“, formulierte sie es fragend und lächelte mich an. „Hast du eine Sekunde?“ Ich nickte nur und Mae betrat das Zimmer, kam auf uns zu und wandte sich an meinen Gast.

„Guten Tag, Mr. John. Es freut mich sehr, Sie kennen zu lernen“, begrüßte sie den Musiker an meiner Seite.

„Elton, meine Liebe“, erwiderte dieser aber sofort und reichte ihr mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen die Hand, die sie nur zu gerne annahm. Dann wandte sie sich aber zu mir und ich stand auf, ging mit ihr einen Meter zur Seite.

„Stuart schickt mich. Er meint, du hast dein Handy auf lautlos und gehst nicht ran. Und er hat mich losgeschickt, weil er meinte, mein Anblick würde dich beruhigen", grinste sie schief und ich musste leicht schmunzeln. Da hatte er recht. „Ich sollte dich auch eigentlich nur daran erinnern, dass du langsam was essen solltest. Und dass der Soundcheck um eine halbe Stunde nach vorne verschoben wurde“, erklärte sie mir dann, was los war, und ich nickte.

„Das ist gut zu wissen. Danke, dass du hergekommen bist, Darling“, lächelte ich zufrieden und beugte mich kurz zu ihr nach vorne, um ihr einen Kuss auf die Lippen zu hauchen. „Ich komm dann in ner viertel Stunde rüber“, setzte ich noch hinzu und Mae nickte.

„Super“, lächelte sie mich an und drehte sich wieder zu dem anderen Musiker hier im Raum um. „Und es freut mich sehr, Sie kennen gelernt zu haben. Und ich bin schon ziemlich gespannt auf die beiden Songs heute Abend“, richtete sie sich an Elton und verabschiedete sich dann wieder, verließ den Raum wieder.

„So eine zuvorkommende, höfliche, gewissenhafte und hübsche junge Dame hab ich lange nicht mehr gesehen. Deine Freundin, Ed?“, fragte Elton mich und ich schüttelte den Kopf. Der Blick des Musikers wurde irritiert und er wollte irgendetwas sagen, aber ich korrigierte meine Aussage schnell. „Das war meine Verlobte“, meinte ich schnell und lächelte breit. „Das weiß bloß niemand und soll auch erstmal niemand erfahren“, setzte ich hinzu. „Lass sie nicht gehen. So jemanden wie sie findest du nie wieder“, erwiderte Elton dann und ich nickte.

„Hatte ich auch nicht vor“, stimmte ich lächelnd zu und dann saßen wir kurz da und schwiegen. Und es war eine merkwürdig schöne Situation. „Und jetzt los, ich habe gehört, du hast einen vollen Terminkalender. Wir sehen uns später wieder, mein Junge“, meinte er nach ein paar Momenten und scheuchte mich auf. Und ich konnte dieser Aufforderung nur Folge leisten.

+

„Hier“, schrie Ed über die Musik zu mir herüber und drückte mir im nächsten Moment ein Glas in die Hand.

„Was’n das?“, wollte ich wissen, beugte mich zu ihm rüber, während er schon wieder von anderen Menschen vereinnahmt wurde. Von allen Seiten kamen Menschen an, um ihm zu gratulieren. Wie gut die Shows gelaufen waren.

Und wie gut er das doch gemacht hatte.

„Champagner?“, erwiderte er nur und ich musste schmunzeln. Ed war viel zu gut drauf, nachdem alles überstanden war und all die Anspannung von ihm abfiel.

Und ich war so stolz auf ihn. Er hatte das großartig gemacht. Man hatte ihm die Nervosität an dem ersten Tag, jedenfalls in den ersten Minuten, noch angemerkt, aber irgendwann war er rein gekommen und hatte es wirklich genossen. Und auch die nächsten zwei Tage waren immer besser geworden, auch wenn das eigentlich unmöglich war.

Ed wurde wieder meinem Griff entrissen und kurze Zeit später stand er da auf dieser improvisierten Bühne und sang und rappte und ich beobachtete ihn von hier hinten, nippte an meinem Champagner und konnte nicht aufhören zu lächeln. Er war so unfassbar glücklich.

Und so rannen die Momente weiter wie in einem Film an mir vorbei. Ich unterhielt mich hier und sang die Songs mit, die gespielt wurden, und ich trank zu viel und mittlerweile musste ich auch nicht mehr darauf achten, dass Ed nicht all zu viel trank, denn es war vollkommen egal. Wir konnten uns so viel abschießen wie wir wollten. Und das taten wir auf jeden Fall. Irgendwann war Ed dann wieder in meiner Reichweite und ich hielt mich an seinem Arm fest, um nicht umzukippen. Die Luft war schlecht geworden hier drin.

„Mensch Ed, das ist die dritte Frau, die du abblitzen lassen hast. Hast du überhaupt Augen im Kopf? Die waren alle samt sowas von heiß!“, meinte irgendwer – ich hatte keine Ahnung, wer diese Person war oder ob ich sie überhaupt kannte – und Ed zuckte einfach nicht mit den Schultern. „Aber ehrlich mal, Ed. Planst du etwa, alleine zurück ins Hotel zu gehen?“, raunte ich Ed dann auch zu und musste mir ein Lachen ernsthaft verkneifen, er verdrehte nur lächelnd die Augen. „Aber gut, dann lass uns tanzen, ja?“, fragte ich dann und zerrte an seinem Arm.

„Was immer du willst“, erwiderte er leise und folgte mir. Er war viel zu betrunken, um überhaupt zu widersprechen. Denn immerhin war es tanzen. Und er tanzte mittlerweile zwar lieber als früher, aber es war auch nicht seine Lieblingsbeschäftigung.

„Eigentlich wollten wir schon vor ner Stunde zurück. Aber wir können auch noch länger bleiben“, meinte ich und er sah mich an.

„Noch ein wenig, ja?“, meinte er nur und seine Augen leuchteten mich in der Dunkelheit an, wenn vereinzelte Lichtstrahlen über uns tanzten. Es war dunkel, es war verraucht und man erkannte nicht viel, aber seine Augen strahlten trotzdem. Und wir waren hier für uns.

„Weißt du eigentlich, wie stolz ich auf dich bin“, raunte ich dann in sein Ohr. Ich hatte meine Arme um seinen Hals geschlungen und wir tanzten eng, passten uns der Umgebung an.

Als Antwort spürte ich seine Lippen auf meinen und er küsste mich so, dass ich froh war, mich an ihm festhalten zu können.

Und es war nicht richtig, hier zwischen all den Menschen rumzumachen. Uns hätte jemand sehen können und Ed sollte eigentlich wirklich mal schlafen, das hatte er schon die letzten Tage nicht richtig getan, aber eigentlich war es auch egal. Es war genau so gut hier zu sein. Wir feierten wir zu viel und tranken zu viel und blieben viel zu lange wach.

„Ich liebe dich so sehr“, hörte ich ihn sagen und wusste nicht, wie ich mit diesen Worten umgehen sollte. Es war so unpassend ehrlich, dass mein Herz mir wieder bis zum Hals schlug und ich schluckte. Mit meinen Fingern hatte ich mich in seinen Schultern festgekrallt und war mir sicher, dass Eds Lippe irgendwann blutig werden würde, wenn ich so weiter machte. Aber gerade konnte ich nicht anders. Gerade war es mir egal, wer uns sehen würde und was mit uns passieren würde, weil ich einfach so unendlich glücklich und erleichtert war. Wir hatten so viel überstanden. Ed hatte die drei Konzerte so unfassbar gut gespielt und es hatte alles geklappt und meine Idee, die er so lange als Schnapsidee angesehen hatte, war eine gute Idee gewesen. Und ich hatte es geschafft, hieraus etwas Magisches werden zu lassen.

„Du wirst mich nie wieder los“, erwiderte ich irgendwann und spürte Eds

Lächeln an meinen Lippen. Er konnte gar nicht anders. Und ich meinte diese Worte so unfassbar ehrlich. Ich würde nie wieder gehen, ich würde ihn nie wieder verlassen und ich würde nie wieder etwas tun, was uns beide gefährden würde. Dafür passten wir einfach viel zu gut zusammen. Und dabei harmonierte es mittlerweile viel zu gut. Und dafür liebte ich ihn viel zu sehr, um jemals wieder abzuhauen. Wir konnten alles schaffen. Das hatten uns doch die letzten Tage, Wochen, Monate oder Jahre bewiesen. Wir konnten alles schaffen.

„Lass uns nach Hause gehen“, meinte Ed und seine Finger gruben sich in meine Hüften. Er konnte schon lange nicht mehr gerade gehen, seine Worte waren nicht wirklich die klarsten, aber sie bedeuten so unendlich viel. Denn er hätte heute wahrscheinlich mit jedem weiblichen Wesen mitgehen können und doch entschied er sich immer wieder für mich. Er hatte sein Zuhause gefunden. Er hatte seinen Platz in dieser Welt gefunden und ich wusste nicht, wieso er den gerade an meiner Seite sah, aber ich hatte da absolut nichts gegen. Er wollte mit mir zusammen sein und er wollte mich heiraten und er wollte sein ganzes Leben mir mit teilen. Und mehr als dieses Wissen, das brauchte ich auch nicht.

Unwillkürlich griff ich nach Eds Hand und verschränkte seine Finger mit meinen, spürte die Wärme seiner Haut und das Kribbeln in meiner. „Wir sind doch schon Zuhause. Das hier ist doch alles, was wir sind.“

+ Epilog: Ed ... in Wembley! +

„Das war er also, Jumpers for Goalposts“, hörte ich den Moderator reden. Es war also wirklich vorbei.

Mein Blick ging zu Ed, der wie automatisch aufstand und mir dann seine Hand hinhielt, um auch mir aufzuhelfen. „Wie fandet ihr ihn denn?“, richtete sich der Mensch vorne auf der Bühne ans Publikum und wie es auch nicht anders zu erwarten war, fingen alle an zu jubeln.

„Dann mal auf in den Kampf“, meinte Stuart und schob uns an den Menschen vorbei Richtung Bühne. Es war Zeit für unseren Untergang. Unser liebster Showmaster sah uns abwartend an und kurz nachdem der Applaus endete, bombardierte er uns schon mit Fragen.

„Wie fandest du ihn denn, Ed?“, richtete er sich an die Hauptperson dieses Abends und deutete dann auf die Couch, die gerade eben noch auf die Bühne getragen wurde. Ein richtiges, ernstes Interview wurde das hier also.

„Die Outtakes kannte ich noch gar nicht“, grinste Ed und sah zu mir herüber. „Als ich weg war, scheinst du meine Vertretung ja ganz schön auf Trab gehalten zu haben“, stimmte auch Stu ihm zu und ich verdrehte die Augen.

Es war alles wie immer. Und irgendwie war das gut.

„War wohl eher umgekehrt, ich hätte da auch noch die ein oder andere Geschichte im Petto“, meinte ich nur und sah zu Ed herüber, dieser sah mich einfach nur an.

„Wage es ja nicht“, meinte er leise und ich hielt seinem Blick stand. „Was ist, wenn doch?“, funkelte ich zurück und er seufzte. Er war ja selbst Schuld an allem.

Mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen schenkten wir unsere Aufmerksamkeit wieder dem Interviewer.

„Apropos, wo wir jetzt schon beim Thema sind: Wann wirst du das Geheimnis um die liebreizende Dame an deiner Seite lösen, Ed? Du hast in letzter Zeit für ziemlich viel Furore gesorgt und einige Menschen mit deiner Liederauswahl sehr verwirrt“, kamen dann die wirklich schwerwiegenden

Fragen und Ed blickte kurz ins Publikum, das mit gespitzten Ohren da saß und auf eine Antwort zu warten schien.

„Ich..., das Ganze ist glaube ich eine Spur komplizierter. Ich weiß nicht, ob ihr es wisst, aber ich bin eigentlich nicht die Person dafür, mein Leben in die Öffentlichkeit zu tragen. Klar, es gibt die Tourdiaries, 9 Days and Nights of Ed Sheeran oder jetzt Jumpers for Goalposts, aber das ist nur ein Teil von mir und ein Teil meines Lebens, vor allem das Leben auf der Bühne und auf Tour... Und von daher habe ich mir gedacht, euch mal einen anderen Teil meines Lebens zu zeigen. Und es wird auch das erste und einzige Mal bleiben, dass ich so etwas mache, aber es war an der Zeit...“, leitete Ed dann ein und der Moderator griff das Thema gleich weiter auf.

„Das Ganze hat bestimmt etwas mit den beiden liebreizenden Menschen, die mit dir auf dem Sofa sitzen, zu tun“, hakte er nach und Ed nickte, ich verdrehte innerlich die Augen. Mit wem auch sonst?

„Darf ich euch vorstellen: Das hier ist Stuart, mein Manager. Aber das dürften viele von euch schon wissen. Was man vielleicht nicht so sieht: Stuart ist die Person, die die ganze Maschinerie am Laufen hält, und die Person, die am meisten in mich glaubt und mir immer wieder den Kopf wäscht, wenn ich mal in irgendeine falsche Richtung abdriften sollte“, lächelte er in Stus Richtung und auf den Lippen meines Vaters bildete sich ein ehrliches Lächeln. Welch seltener Anblick. „Und als er einmal zwei

Monate Urlaub brauchte, um mit seiner reizenden Ehefrau in die

Flitterwochen zu fliegen, ist die Person hier links neben mir eingesprungen.

Also, darf ich euch vorstellen: Das ist Mae, meine wundervolle ErsatzManagerin“, lächelte Ed dann in meine Richtung und ich winkte zurückhaltend in die Menge, lehnte mich dann aber vor, um Stuart besser sehen zu können.

„Ich würde ihm nicht so einfach glauben, Stu. Als du weg warst, hat er gemeint, ich wäre die bessere Managerin. Ich würde aufpassen, nachher ersetzt er dich“, setzte ich dann hinzu und ein allgemeines Gelächter ging durch die Kinoreihen. Ersetzen würde ich ihn nicht, aber ich würde ein Teil werden. Und das war gut so.

„Ganz ehrlich? Bei so einer liebreizenden Dame würde ich das auch tun“, haute dann Stu raus und zog damit den Interviewer ganz schön durch den Kakao. Und ich musste mich sehr zusammenreißen, nicht laut loszulachen. „Also steht die Medienwelt umsonst Kopf und es ist alles nur geschäftlich?“, ignorierte der Moderator uns dann ganz dreist und redete weiter mit Ed. „Nein, so kann man das auch nicht nennen“, meint dieser nur und warf Stuart einen kurzen Blick zu. Es war so weit.

„Also auf freundschaftlicher Basis? So arbeitet es sich ja auch gleich viel besser und man merkt auch schon das gute Verhältnis zwischen dir und deinen Managern“, hakte der Interviewer weiter nach und wieder bekam er ein Kopfschütteln.

„Nein, nein, du verstehst mich falsch. Wir sind keine Freunde, wir waren nie welche gewesen...“, setzte Ed an und erntete dafür gleich wieder Gelächter vom Publikum, als er sich selbst zitierte. „Ich glaube, ich muss meine Aussage von vorhin ein wenig korrigieren. Darf ich euch vorstellen, das ist Mae: Meine Ersatzmanagerin und meine wundervolle Verlobte“, lächelte er mich dann an, als er das sagte, und man hörte, wie der gesamte Saal die Luft anhielt. Man hätte man eine Stecknadel fallen hören, so leise war es. „Das hast du jetzt nicht ernsthaft gesagt, oder?“, unterbrach Stuart dann aber ganz dreist die Stimmung und fuhr sich seufzend über das Gesicht. „Ich glaube, ich muss euch umbringen, alle beide! Köpfen. Oder Vierteilen…“, setzte er dann hinzu und sah uns immer noch vollkommen entgeistert an.

Kein Wunder, wir hatten ihn auch nicht eingeweiht…

„OH MY GOD!", hörte man dann jemandem aus dem Saal rufen und auch die anderen Menschen schienen es verkraftet zu haben, denn so langsam hörte man Applaus und teilweise jubelnde Rufe. Ich atmete erleichtert aus und Ed drückte kurz meine Hand, um mir zu signalisieren, dass alles gut war. Doch war alles gut?

„Dann…, herzlichen Glückwunsch, das kam wirklich überraschend. Dann hatten die Medien mit ihren Spekulationen recht. Krass... Willst du ein wenig mehr erzählen? Wie lang seid ihr schon verlobt, wann ist die Hochzeit?“, fing sich der Moderator nur mühsam und versuchte irgendwie wieder rein zu kommen. Bei so einer Nachricht aber nicht so einfach. Wir hatten die Medien in der Hand – nicht sie uns.

„Wir sind sehr glücklich und sehr mit der Planung beschäftigt“, lächelte Ed dann und ich konnte nicht anders und musste leise auflachen. Sofort lagen alle Blicke auf mir.

„Er lügt. So sehr beschäftigt mit der Planung ist er gar nicht. Dafür hat er viel zu viel damit zu tun, Superstar zu sein“, rechtfertigte ich mich leise und Ed neben mir schüttelte nur lachend seinen Kopf. Ob er es wohl bereute, das Ganze jetzt durchgezogen zu haben?

„Shh, jedenfalls um auf deine Frage einzugehen, wir sind seit circa... 11 Monaten verlobt“, rechnete er kurz nach und schon wieder sah der Moderator so aus, als ob er gleich umkippen würde.

„Ich bin immer wieder überrascht von dir, Ed. Wie habt ihr es geschafft, einen Verlobungsring so lange geheim zu halten, dass die Medien nicht anfangen zu spekulieren“, wollte er wissen und ich sah auf meine Hand, dann wieder auf und den Moderator an.

„Es gab da einen sehr interessanten Artikel“, fing ich vorsichtig an und wurde dann von einem Fan unterbrochen.

„DailyMail!“, rief diese Person aus dem Publikum, ich nickte sofort.

„Genau. Ein guter, alter Artikel von der DailyMail. Der Grundtenor war, dass sich die Autorin fragte, was das denn für ein Ring sei, den ich da trage. Am Ende kam sie zu dem Schluss, dass es kein Verlobungsring sein könne, da er viel zu unscheinbar und nichtssagend wäre, unter Eds Niveau“, meinte ich und wieder ging Gelächter durch die Reihen. So schlecht schien ich mich ja nicht zu machen, wenn man schon über meine Geschichten lachte, oder? „Jedenfalls sind wir sehr glücklich, nächstes Frühjahr zu heiraten. Und dann geht's auch schon in die lang geplante Pause“, erzählte Ed dann einfach munter weiter. Stuart neben ihm sah so aus, als ob er Ed gleich an die Gurgel springen würde – was immer wieder ein schönes Bild war –, der Moderator drohte wirklich gleich umzukippen und der Saal hörte auf zu tuscheln.

„Pause?“

„Ja, genau ich werde Anfang 2016 erst mal alles beiseitelegen und dann bis zum Herbst auch nicht mehr wiederkommen“, begann er und Stuart sank immer weiter in sich zusammen. „Irgendwann ist es Zeit, auch mal ein Stück kürzer zu treten, um die bestmöglichen Leistungen auch weiterhin erbringen zu können“, formulierte er es sehr diplomatisch und ich musste mich einfach wieder einmischen.

„Und ganz ehrlich, so ein wenig war er auch neidisch auf Stuart, ich meine, so ne Flitterreise hat schon was“, warf ich also ein und rutschte gleich ein wenig zur Seite, um bösen Blicke zu entgehen.

„Und da ich schon ein wenig länger eine Pause brauchte, passt das zeitlich perfekt“, riss Ed sich aber zusammen und ignorierte mich einfach. Dann stand er auf und Stuart und ich taten es ihm gleich. „Ich… verdanke euch allen, egal ob ihr hier in der Halle seid, da draußen vor den Kinoleinwänden sitzt oder wo auch immer ihr gerade seid, so unendlich viel. Und ich weiß, ich versuche, mein Privatleben nicht im Fokus der Öffentlichkeit stattfinden zu lassen und das wird auch so bleiben, aber ganz ehrlich, ich wollte und konnte sie euch nicht vorenthalten, auch wenn das hier der einzige Auftritt mit Mae bleiben wird“, meinte er dann und legte einen Arm um mich. Ich versuchte zu lächeln und merkte dann nur noch, wie Ed mir einen Kuss aufs Haar hauchte. Und einige seiner Fans kriegten sich nicht mehr ein. „Vielen Dank für das Interview. Vielen Dank, dass ihr so zahlreich hier wart, auch da draußen vor den Kinoleinwänden. Ich hoffe sehr, euch hat der Film genau so gut gefallen wie mir und wir sehen uns!“, verabschiedete er sich dann und wir verließen gemeinsam die Bühne. Das Publikum applaudierte und ich sah dennoch viele geschockte und verwirrte Gesichter.

Als wir schließlich im Backstagebereich angekommen waren, lief Stuart auf und ab und versuchte sich irgendwie zu beruhigen.

„Ich weiß echt nicht, was ich mit euch beiden noch machen soll…“, jammerte er leise vor sich hin und raufte sich die Haare. „Wie soll ich das denn jetzt erklären können?“, fragte er sich und ich kam einen Schritt auf ihn zu, legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Hast du das noch nicht mitbekommen, Stu? Ed macht doch eh immer das, was er will“, seufzte ich und er nickte leidend.

„Ich glaube, ich werde jetzt ein wenig telefonieren müssen. Das wird noch ein Nachspiel haben, Freundchen!“, richtete er dann das Wort zu Ed, funkelte ihn böse an und war im nächsten Moment verschwunden. „Ich hab gedacht, er tickt mehr aus“, meinte Ed schulterzuckend und warf sich dann auf das Sofa, das hier im Backstagebereich stand.

„Ich auch, er hat es echt gut verkraftet. … Ich hatte aber zwischendurch auch einen Nervenzusammenbruch, als du auf einmal die Songs geändert hattest… Und ganz ehrlich, Ed, das war das letzte Mal, das sag ich dir. Nochmal kriegst du mich nicht auf so ne Bühne“, seufzte ich und setzte mich zu ihm.

„Hey, du hast weniger gezittert und gestottert als ich! Und du hast mehr getratscht“, meinte er und zog mich näher zu sich, während ich mein Handy raus kramte und erst mal auf Twitter und Instagram schaute. Es trudelten die ersten Tweets und Bilder ein.

„Und jetzt muss ich mal schauen, wie sehr sie mich auseinanderreißen“, erklärte ich mich.

„Lass mich auch. Und ich geh fest davon aus, dass sie dich lieben werden!“, forderte Ed und er drehte meine Hand plus Handy in seine Richtung. ‚Ed Sheeran + Mae = engaged. Fuck my life’, war ein Kommentar und dazu war ein Bild gepostet, das genau im richtigen Moment aufgenommen wurde. Ed und ich, wie wir auf der Bühne waren und er mir den Kuss aufs Haar gesetzt hatte.

‚Er sieht verdammt glücklich aus. Und ganz ehrlich, ich bin ja sowas von neidisch auf ihn. Mae sieht unfassbar aus! #MaeSheeran‘

‚Es musste ja irgendwann so weit sein. Ich bin froh, dass wir ihn nur an Mae verloren haben. #MaeSheeran‘

„Und, was hab ich gesagt?“, fragte Ed mich, als ich das Handy sinken ließ, und ich seufzte nur.

„Warum warst du dir so sicher? Sie hätten mich ja auch komplett in der Luft zerreißen können“, meinte ich und Ed lachte leise.

„Ist doch eigentlich ganz einfach. Ich liebe dich. Und weil es meine Fans sind, werden sie dich auch lieben“, erklärte er vollkommen von sich überzeugt und ich wusste nicht ganz, ob ich jetzt anfangen sollte zu lachen oder zu weinen. Dieser idiotische, rothaarige, unfassbar talentierte, liebenswürdige, durchgedrehte junge Mann machte mich fertig – und mehr als nur glücklich. „Ich liebe dich auch, du abgedrehter Superstar“, lächelte ich in seine

Richtung und wurde im nächsten Moment von ihm von der Couch gezogen. „Das will ich doch hoffen. Und jetzt komm, Fast-Ehefrau. Wir haben große Pläne und viel zu tun – und ich will aus der Halle sein, bevor die Family uns überrennt und uns entweder den Kopf abreißt oder uns zu Tode gratuliert – und bevor Stuart anfängt, richtig sauer auf mich zu werden“, meinte Ed und hatte im nächsten Moment die Tür geöffnet, stoppte aber nochmal und drehte sich noch kurz zu mir zurück. Meine Hand lag weiterhin fest in seiner und mit seinem typischen Lächeln auf den Lippen und einer Zuversicht, die ich gerne früher gehabt hätte, sah er mich an. Es war einer dieser Blicke, die man nur besonderen Menschen zuwarf. Einer dieser Blicke, die alles komplett von Grund auf verändern konnten. Einer dieser Blicke, die mehr bedeuteten als das romantischste ‚Ich liebe dich‘. Und es war einer dieser Blicke, die ich in den letzten Jahren viel zu oft falsch gedeutet hatte. Einer dieser Blicke, die er nur mir zuwerfen würde, keiner anderen Frau auf dieser Welt, denn er liebte mich anscheinend wirklich und stand zu mir, stand zu allem, was wir mal gewesen waren und jetzt immer noch sind.

„Du bist unglaublich, Mae. Vergiss das nie“, hauchte Ed leise und zog mich dann einfach mit sich, hinein ins nächste Abenteuer und in einen neuen Abschnitt unserer komplizierten Geschichte. Ich war bereit.

+ + +

+ OUTTAKES 1 +

aka „Szenenschnipsel, die vor Pro- und Epilog spielen, es im Endeffekt nicht in die Story geschafft haben, aber es dennoch verdient haben, gelesen zu werden“

„Ich weiß, wer du bist. Aber ich kenne dich nicht.“ (Mae/Ed)

„Lüge ich meine Fans an, Mae?“, wollte Ed wissen und ich erstarrte. „Wie kommst du denn jetzt da drauf?“, entgegnete ich und setzte mich zu ihm.

„Sie wissen doch rein gar nichts über mich, ich mach ihnen allen doch was vor. Mein komplettes Leben ist eine Lüge. Alles, was ich nach draußen darstelle, ist nicht echt“, seufzte er und ich sah ihn einfach nur an. „Das ist totaler Schwachsinn, Ed. Und das weißt du. Dein Leben ist keine Lügen, dein Leben ist endlich mal das, was es sein sollte: DEIN Leben. Nicht das Leben der Medien. Du musst das endlich mal anfangen zu trennen. Du bist in der Öffentlichkeit, eine Öffentlichkeitsperson und somit im Fokus der Medien. Das ist dein Job. Aber es gibt auch noch dein Privatleben, was komplett dir gehört. Was ist daran eine Lüge? Nur weil man mit jemandem was hat, weiß es ja trotzdem nicht die gesamte Kollegschaft – ist hier bei den Nicht-Berühmten genau so wie bei den Stars. Man muss nicht immer alles wissen. Wenn der Zeitpunkt soweit ist, dann ist es so, aber DU kannst entscheiden, wann wer wie viel von deinem Privatleben mitbekommen soll. Und nur weil du deinen Fans nicht ALLES erzählst, bist du immer noch kein schlechter Musiker. Über deine Lieder erfahren deine Fans so viel von dir, das reicht doch auch erstmal“, versuchte ich ihn irgendwie aufzumuntern und ihm zu helfen, so wie er mir gestern geholfen hatte, aber Ed sah mich einfach nur aus großen Augen an, schüttelte den Kopf.

„Ich bewunderte sie. Ich bewunderte sie für das, was sie war, was sie wusste, wie sie sich verhielt und dass sie hinter allem von dem stand. Sie war keine Kopie von irgendjemandem, sie war komplett sie selbst, so verrückt und merkwürdig sie einfach war. Sie war einer der wenigen Menschen, die mich wirklich beeindruckten. (Ed)

„Hilfst du mir, die Couch zur Seite zu rücken?“, hörte ich mich sagen und Ed schaute von seinem Handy auf.

„Warum das denn?“

„Wir wollen jetzt ein bisschen Sport machen“, erwiderte ich und sah ihn abwartend an.

„Wir?“, hakte er nach und ich nickte nur wieder.

„Du und ich. Wir beide. Komm schon!“

„Muss das sein?“, grummelte er, während ich nach seinem Arm griff und versuchte, ihn vom Sofa zu ziehen.

„Ja, du willst dir doch nicht entgehen lassen, mich im knappen Sportoutfit bewundern zu können“, sagte ich simpel und merkte, wie leicht es auf einmal war, Ed von der Couch zu ziehen. Er war einfach aufgestanden.

„Ich sollte Stuart echt mal besser zuhören.“ (Ed)

„Ich geh einkaufen“, meinte ich und kam vor Ed zum Stehen.

„Ich komm mit“, erwiderte dieser nur in Gedanken und wollte sich vom Sofa erheben, aber ich stoppte ihn.

„Nichts da.“ Ed sah mich nur verwirrt an. „Man, wie stellst du dir das nur immer wieder vor? Wenn du einkaufen gehst, sind wir von mindestens zehn kreischenden Mädels umringt und ich bin sicherlich nicht mehr anonym. Darf ich dir was mitbringen?“, versuchte ich ihn zu beruhigen, aber er sah mich nur böse und genervt an. Ich konnte ihn ja verstehen.

„Dann zahl ich wenigstens“, versuchte er, wenigstens minimal seine Meinung durchzusetzen, und ging zu seiner Jacke, aber ich hielt ihn wieder davon ab.

„Vergiss es, Ed. Niemals“, meinte ich und sah genau so böse wie er eben zurück. „Das hier ist immer noch meine Wohnung, also spielen wir nach meinen Regeln. Und ich werde doch wohl einen simplen Einkauf bezahlen können!“

„Viele Menschen sind intolerant, weil es einfach ist. Du musst dir keine Gedanken machen, du musst nicht anfangen zu denken, sondern machst einfach das, was alle schon vor dir gemacht haben.“ (Mae)

„Unsere Tage laufen doch eh immer nur nach Schema F ab. Aufstehen, Essen, nichts tun, Essen, langweilen, Essen, schlafen gehen. Ich will dich nicht noch weiter langweilen“, murmelt Ed genervt und ich schaute von meinem Buch auf.

„Das ist absoluter Schwachsinn Ed, wir stehen auf, wir kochen zusammen, haben Spaß, wir reden danach, machen jeder unser Ding, kochen, backen, hören Musik, reden, denken nach. Redest du nicht gerne mit mir? Du musst dir doch bewusst sein, dass es nur so ablaufen kann, wenn du hier her kommst. Was erwartest du? Die größte Action, wenn wir noch nicht mal zusammen das Haus verlassen werden? Ed, deinen Kopf möchte ich manchmal haben“, seufzte ich und sah ihn an. Manchmal verstand ich ihn wirklich nicht.

„Ich hasse dieses Missionieren. Dieses „Du musst das machen, weil es das Beste ist“. Im Endeffekt entscheide ich, was gut für mich ist, nicht andere.

Ich esse das, was ich essen will. Ich rauche oder ich rauche nicht. Ich trinke Alkohol oder nicht und ich ziehe verdammt nochmal die Klamotten an, die ich will. Ohne mich in das altbewährte Schubladendenken drücken zu lassen. Ich will das nicht. So bin ich nicht. Und ich hasse es, wenn Leute versuchen, andere von vollkommen individuellen Sachen überzeugen zu wollen, von Nichtigkeiten. Ich habe es so satt. .. Ich meine, ich sage ja auch nicht, dass meine Meinung das non plus ultra ist. Das nicht, aber immerhin habe ich eine Meinung, die ich vertrete, aber gerade OHNE andere davon unbedingt überzeugen zu wollen. Ich meine, jeder soll denken, was er will. Wenn denn alle einfach mal anfangen würden zu denken…“ (Mae)

„Trägt man einmal ne Krawatte“, murmelte Ed an meine Lippen, während er dabei war, mir das Kleid von den Schultern zu streifen. Und ich verzweifelte an dem elendigen Krawattenknoten.

„Ich finde es nicht … schwach, wenn man sich eingesteht, etwas nicht mehr zu schaffen oder dem Druck nicht mehr standhalten zu können. Viele finden, dass die Tatsache, zu einem Psychiater zu gehen oder gehen zu müssen, der Weltuntergang ist. Aber ist es nicht eher etwas Positives? Man weiß, was mit einem nicht los ist, man weiß, wie man sich helfen kann und man weiß, dass es nur besser werden kann. Und wenn man dann da steht und offen zugibt, dass man alleine nicht mehr weiter kommt, beweist das mehr Stärke als nichts zu machen und sich beim Kaputtgehen zuzusehen.“ (Mae)

„Ed? Ach, wo geht’s denn für dich hin?“, fragte ich verwirrt, als ich in den Raum kam. Er sah gut aus.

„Harry hatte mich eingeladen“, meinte er und sah mich an. „Aber was kann ich für dich tun?“, ich wank ab.

„Nicht so wichtig, ich wollte einfach mal schauen, was du machst. Ich hab für heute Feierabend“, lächelte ich. „Und ich wollte fragen, ob du Zeit hast, aber das kann ich ja knicken“, ergänzte ich gähnend und streckte mich. „Ich kann auch hier bleiben“, meinte er und kam auf mich zu, während ich mir müde eine Hand vor meinen gähnenden Mund hielt.

„Ach was. Ich sollte eh ins Bett. Darf ich heute hier schlafen? Oder bist du, wenn du wieder kommst, so fertig, dass du niemanden um dich haben willst?“, fragte ich, und als er nur aufs Bett nickte, war ich zufrieden. Auch wenn ich die letzten Tage nur in diesem Zimmer geschlafen hatte, fragte ich dennoch jedes Mal.

Immer noch müde zog ich mir mein T-Shirt über den Kopf und schmiss auf den leeren Sessel da drüben in der Ecke.

„Mae?“, meinte Ed leise und ich drehte mich verwirrt um.

„Was denn?“, wollte ich wissen und sah ihn an.

„Dir ist doch bewusst, was du da gerade tust?“, hakte er weiter nach und ich war noch mehr verwirrt.

„Hm?“, erwiderte ich und Ed kam vor mir zum Stehen. Seine warmen Hände hatte er auf meinen kalten, nackten Schultern gelegt.

„Du bist unfair, ich wollte doch gerade los“, grinste er und als er seine Lippen neben seine rechte Hand setzte, wusste ich, was er wirklich meinte. „Hm, du kannst bestimmt auch später kommen, oder?“, meinte ich daher nur und schaute auf, meine Hände spielten mit dem Saum seines Shirts, dass er im Gegensatz zu mir gerade erst angezogen hatte. „Bestimmt.“

„Wenn du jemals vergessen solltest, wofür du das Ganze hier machst, dann reiße ich dir den Kopf ab, denn es würde Stuart das Herz brechen. Du machst das hier, weil du etwas verändern willst, weil die Musik deine Luft zum Atmen ist. Du machst das nicht wegen dem Geld oder den Fangirls oder den Stars, die dich bewundern. Du machst das NICHT wegen den oberflächlichen Sachen, um an nem Wochenende nach Ibiza zum Schwimmen zu fliegen, du machst es für DICH. Du machst es wegen deiner scheiß Musik, du machst das, um deine kranken Gedanken auszudrücken, du machst das Ganze, um nicht verrückt zu werden. Du machst es wegen dem Adrenalinkick. Du machst es, weil es dein Leben ist und weil du es kannst, du machst es nicht wegen dem, was deine Karriere nach sich zieht.

Du machst es, weil du etwas gefunden hast, was dich vollkommen glücklich macht.“ (Mae)

„Ich will dich nicht verlieren“, meinte ich leise und nahm ihr Gesicht in meine Hände, strich ihr beruhigend über die Wangen.

„Du bist aber auf dem besten Weg dahin“, murmelte Mae verängstigt und ich seufzte. Ich wusste das.

„Ich weiß“, hauchte ich und küsste sie auf die Stirn. „Ich weiß.“

‚Mae, bitte töte mich nicht, wenn du gleich nach Hause kommst. Ich erklär dir alles, wenn du da bist‘, hörte ich meine Mailbox ab und ehrlich gesagt war ich ziemlich verängstigt, als ich die Tür aufschloss und vorsichtig meine Wohnung betrat.

Nachdem ich meine Sachen dann an meine Garderobe gehangen hatte und die Tür zum Wohnzimmer öffnete, erstarrte ich und kriegte meinen Mund nicht mehr zu.

„Hallo Mae“, meinte Ed nur zögerlich und ich starrte ihn an – bzw. das kleine Etwas, das vor ihm auf dem Parkett lag und mit einem kleinen Spielzeug spielte.

„ED!“, fing ich nur an und seufzte, musste aber dennoch lächeln. Der Ausdruck, der Eds Gesicht zierte, war unglaublich. Ich hatte ihn lange nicht mehr so begeistert und glücklich gesehen.

„Das ist Graham. Sie wollten ihn einschläfern lassen, weil ihn niemand wollte“, erklärte Ed sich, während ich mich neben ihn auf dem Boden nieder ließ und vorsichtig meine Hand nach Graham ausstreckte. Vorsichtig schnupperte er daran und tappste dann mit seinen kleinen Pfoten auf mich zu, ließ sich von mir streicheln. „Er mag dich“, stellte Ed fest und sah mich mit großen Augen an.

„Willkommen Graham“, meinte ich dann und im nächsten Moment spürte ich Eds Lippen auf meinen.

„Danke“, hauchte er und betrachtete dann wieder den kleinen Kater.

„Ich glaube, er mag mich lieber als dich“, stellte ich fest, als ich das Spielzeug nahm und Graham begeistert darauf zu tapste.

„Kann man ihm nicht verübeln“, meinte Ed nur und gab mir einen weiteren Kuss aufs Haar.

„Er sieht aus wie ein kleiner Löwe“, stellte ich dann fest und konnte nicht aufhören, ihn zu kraulen.

„Ja, das hab ich auch gedacht. … Bis du sehr sauer, Mae?“, fragte Ed dann und ich sah ihn an.

„Weswegen sollte ich sauer sein?“, wollte ich verwirrt wissen, während ich Graham auf meinen Schoß nahm.

„Weil ich nicht mit dir darüber geredet habe, weil wir das nicht gemeinsam beschlossen haben…“, meinte er leise und ich sah zu Ed nach oben. „Vielleicht sollte ich sauer sein, aber du meintest, sie wollten ihn einschläfern lassen? So einen süßen Kater kann man sowas Schlimmes nicht antun, du hast alles richtig gemacht. Und du weißt doch, dass ich Katzen liebe. Und dann bin ich wenigstens nicht so oft allein“, setzte ich hinzu und.

„Wir müssen eine Liste machen, was er noch alles braucht.“

„Du bist unglaublich“, murmelte Ed an meinem Haar und ich seufzte nur. Was sollte ich auch sonst anderes tun?

„Du kannst nicht alle glücklich machen, Ed. Dafür bist du zu berühmt!“ (Mae)

„Ed, aufstehen“, hauchte ich dem Sänger ins Ohr und er drehte sich auf die andere Seite, irgendetwas vor sich hin nuschelnd. Süß! „Ed!“, rüttelte ich an seiner Schulter und er seufzte.

„Lass mich schlafen“, maulte er und zog sich die Decke über seinen Kopf. „Ich weiß, dass es ziemlich früh ist, aber du musst aufstehen. Ich hab dir schon ne halbe Stunde mehr Zeit gegeben“, meinte ich leise und zog seine Decke wieder von seinen Haaren.

„Lass mich in Ruhe“, maulte er weiter und ich seufzte, blieb einfach neben ihm sitzen. Irgendwann drehte er sich zu mir um und sah mich an. Mit seinen blauen Augen, die vor Erschöpfung nur so trieften. Ich holte erschrocken Luft, kniete mich neben sein Bett auf den Boden und sah ihn direkt an.

„Ed, ist alles okay bei dir?“, fragte ich und seine Augen wurden traurig. „Du siehst nicht gut aus. Ich kann versuchen, den Termin zu verschieben. Warum hast du nicht gesagt, dass es dir im Moment nicht so gut geht, dann hätte ich deine Termine etwas lascher gelegt“, murmelte ich leise und strich in Gedanken durch seine Haare.

„Ich brauch diese Termine“, murmelte Ed und ich schüttelte den Kopf.

„Du brauchst in erster Linie einen stabilen Gemütszustand, nicht so viel Stress und Ruhe. Ich versuche, den Termin ne Stunde nach hinten zu schieben. Und ich schaue, ob ich die nächsten Tage ein wenig entwirren kann. Ich bin ja so eine Idiotin, warum hab ich das nicht früher gemerkt?“, fragte ich an mich selbst gerichtet und war aufgesprungen. Ich musste jetzt schnell telefonieren und das Ganze irgendwie in den Griff bekommen… Als ich wiederkam, lag Ed immer noch im Bett. Seine Arme hatte er hinten seinem Kopf verschränkte und er starrte an die weiße Raufaserdecke. Vorsichtig stellte ich das Tablett, das ich mit in den Raum gebracht hatte, auf den Nachtschrank und setzte mich zu ihm auf die Bettkante.

„Hey Großer“, murmelte ich und stupste ihn leicht an. Er rollte sich zu mir herum. „Du musst was essen. Und ich habe Kaffee“, meinte ich und griff nach meiner eigenen Kaffeetasse, die schon wieder halb leer war. „Aber wenn du ihn nicht willst, musst du ihn auch nicht trinken, ich übernehme das gerne für dich“, setzte ich hinzu und war erleichtert, wenigstens ein kleines Schmunzeln auf seinen Lippen zu sehen. Und dann setzte er sich endlich auf. „Der Termin ist übrigens ne Stunde später, also hast du noch ein wenig Zeit, um in Ruhe zu frühstücken“, erklärte ich weiter und schob ihm die Brötchen hin. Er musste erstmal genug essen. „Du schaffst das! Und ich versuche, deine Termine morgen nicht so anstrengend werden zu lassen, ja?“

Ed sah mir nur hinterher, als ich aufstand und mein Handy nahm. Ich musste telefonieren und irgendwie versuchen, das Terminchaos weniger chaotisch werden zu lassen.

„Verdammte scheiße ich vermisste sie. Mehr als ich jemals jemanden vermisst hatte.“ (Ed)

„Hast du immer noch nicht aufgehört?“, fragte ich genervt und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ja und?“, grummelte Ed nur und zog weiter an seiner Zigarette. „Du musst ja nicht rauchen.“

Es war genervt, er stand unter Stress. Und es tat weh, ihn so zu sehen.

„Ed…“, meinte ich ein wenig ruhiger und er schüttelte den Kopf.

„Nichts, Ed. Ich weiß, dass du das nicht magst und es tut mir auch echt leid, aber wenn du nicht willst, dass ich gleich auf der Bühne zusammenklappe, dann solltest du mich einfach gerade in Ruhe lassen, Mae. Wirklich“, ich nickte nur, ging aber nicht.

Ich mochte wirklich nicht, dass er rauchte. Es war schlecht für seine Stimme, seine Gesundheit und ich fand den Geruch einfach schrecklich. Ich hatte Ed irgendwann sogar mal aus meiner Wohnung geschmissen, als er vollkommen verraucht zu Besuch kommen wollte. Und er hatte drei Stunden gewartet, dass er wieder rein gelassen wurde…

Ohne weiter darüber nachzudenken nahm ich Ed die halb aufgerauchte Zigarette aus den Fingern, warf sie auf den Boden und trat sie aus. Und bevor der Sänger sich überhaupt beschweren konnte, lagen meine Lippen schon auf seinen. Vielleicht half ihm das, Stress abzubauen und ein wenig runter zu kommen. Ich war besser als Zigaretten.

Nachdem wir uns voneinander gelöst hatten, sah Ed mich einfach nur an. „Du hast gesagt, du wirst mich nicht küssen, wenn ich geraucht habe“, murmelte er und ich zuckte mit den Schultern.

„Und du hast mir irgendwann schon mal gesagt, dass du mit dem Rauchen aufhören wirst.“

„Ich bin Sternzeichen Stier. Ich bin so, stur, mit dem Kopf durch Wand.“ (Mae)

„Kannst du ein Geheimnis für dich behalten, Harry?“, flüsterte ich dem One Direction-Sänger zu und der lehnte sich interessiert zu mir herüber. „Mae! Tu nichts, was du nachher bereuen würdest!“, meinte Ed nur und sah zwischen uns beiden hin und her.

„Psst, ich unterhalte mich gerade. Jedenfalls: Ed ist ein verdammt schlechter Verlierer in dem Spiel. Also versuche, zu gewinnen. Dann regt er sich unheimlich auf!“, kicherte ich und drückte ihm das Mikro in die Hand.

„Ich geb mein bestes!“, grinste Harry nur, während ich durch die

Songauswahl scrollte und das perfekte Lied suchte. Und die beiden würden sich so ärgern. Mit einem breiten Grinsen startete ich ein High School Musical-Lied und lehnte mich zurück.

Und während der Performance der beiden – und ja, Ed war angetrunken genug, um zu performen, und Harry war einfach der geborene Typ dazu – konnte ich einfach nicht mehr, die beiden machten mich so fertig. „Und?!“, fragte Harry am Ende, als er gewonnen hatte und er sich zu Tode ärgerte.

„Nicht übel, aber ich bin trotzdem parteiisch!“, grinste ich breit und streckte Ed einen Daumen nach oben, der sich ein schiefes Lächeln abrang.

Und so spielte wir noch ein paar Songs, bis ich mich zurück aufs Sofa setzen wollte, doch die beiden Jungs hatten sich so breit gemacht, dass kein Platz mehr frei war. Und bevor ich überhaupt reagieren konnte, hatte mich Harry zu sich und auf seinen Schoß gezogen. Eds Gesicht dabei war genial. „Ich bestell mal was zu essen, Jungs“, entwand ich mich Harrys Griff und entfernte mich etwas, blieb aber so in der Nähe, dass ich das ich das Gespräch mitbekam.

„Das würde ich nicht tun, Harry!“, knurrte Ed auch nur leise in Harrys Richtung und ich sah aus den Augenwinkeln, wie er die Augen verdrehte. „Sei doch nicht so verklemmt, deine Managerin ist schon ziemlich …“, wollte er beginnen und Ed hatte seine Hände zu Fäusten geballt.

„Harry, ich sage es nicht noch einmal! Hör auf! Und hör auf, mit ihr zu flirten oder irgendwas anders zu signalisieren, ist das klar?!“, Ed war wütend, Harry sah ihn entgeistert an, nickte sofort.

„Was ist denn mit dir los? Aber okay, okay“, murmelte Harry und ich kam wieder in den Raum.

„Nimm‘s ihn nicht so übel“, meinte ich und Ed sah mich an.

„Ich soll es ihm nicht so übel nehmen?“, fragte Ed mich gereizt und ich verdrehte die Augen.

„Dich meinte ich gar nicht, Ed. Ich hab mit Harry geredet“, erwiderte ich und Eds sah mich vollkommen verwirrt an. „Er kann doch nichts dafür, er weiß doch gar nicht, dass er versucht hat, Ed Sheerans Verlobte ins Bett zu kriegen“, setzte ich dann noch hinzu – mit einem ziemlich fiesen Grinsen, sowohl an Ed gerichtet als auch an Harry. Ed sah mich noch schockierter an und rieb sich mit den Händen übers Gesicht und Harry versprühte das Wasser, von dem er gerade einen Schluck genommen hatte, im ganzen Raum.

„Musste das jetzt sein, Mae?“, fragte Ed sichtlich genervt und ich verschränkte die Arme.

„Natürlich! Erstens: Du vertraust Harry, also vertraue ich ihm auch, also kann man ihm davon erzählen. Lange hättest du es eh nicht vor ihm verschwiegen. Und zweitens will ich nicht der Grund sein, weswegen ihr euch in die Haare kriegt oder warum deine Faust, Ed, nachher in seinem Gesicht gelandet ist, weil er nicht aufgehört hat, mit mir zu flirten. …. Ich bin übrigens nicht interessiert Harry. Wie du siehst hab ich schon einen Superstar an den Hacken“, lächelte ich in Harrys Richtung. „Und das muss das Essen sein“, stellte ich erleichtert fest und war schon auf der Flucht zur Tür.

„Was zur Hölle meinte sie damit, ‚Ed Sheerans Verlobte‘. Das … musst du mir jetzt mal erklären, mein Freund!“, hörte ich Harry noch sagen und ließ die Jungs dann alleine.

„Man kann auch mit jemandem zusammen sein, ohne ihn andauernd aufessen zu wollen und ohne ständig aneinander zu hängen!“ (Mae)

„Hey, stop“, meinte Mae und ich setzte mich auf, sah sie verwirrt an. „Ist alles okay, hab ich…“, wollte ich fragen, doch Mae unterbrach mich einfach.

„Bist du mehr so der Typ, der vor wichtigen aufregenden Ereignissen nicht mehr durch die Betten turnen sollte, oder bist du eher der Typ, dem das hilft?“, fragte Mae und nun war ich vollkommen verwirrt, sah sie zweifelnd an.

„Bitte was?“, fragte ich daher nur und Mae grinste.

„Tut dir Sex vor großen Auftritten gut oder mindert das deine Leistungsfähigkeit auf der Bühne?“, fragte sie dann und ich war noch perplexer.

„Auf was für Fragen kommst du denn bitte immer?“, kam es mir daher nur über die Lippen und Mae lachte leise.

„Auf ganz normale. Ich hab mal irgendwo gelesen, dass einige Personen schlechter und unkonzentrierter sind, wenn sie vor wichtigen Ereignissen oder Wettbewerben Sex hatten. Hormonspiegel, Testosteron und so!“, grinste Mae noch breiter und ich rieb mir mit meinen Händen über die Augen.

„Du machst mich fertig. Ich hab keine Ahnung?“, erwiderte ich so nur und Mae hatte sich im Schneidersitz neben mich gesetzt. In ziemlich aufreizender Unterwäsche. Ich hasste sie…

„Und wir müssen das irgendwann mit der Bustoilette nochmal ausprobieren. Alternativ wäre ich auch für ne Abstellkammer“, meinte sie dann und ich war vollkommen raus. Warum redete sie denn gerade jetzt über sowas…

„Fetisch für sowas?“, meinte ich und schloss die Augen. Falsche

Entscheidung, da ich dabei war, mir vorzustellen, wie es wäre, wenn Mae und ich…

„Ich weiß es nicht, daher will ich es mal ausprobieren. Vielleicht ist das auch gar nichts für mich. Hast du irgendwas, was du mal machen möchtest?“, fragte mich Mae dann offen heraus und manchmal zweifelte ich an ihr. Auf der einen Seite war sie die perfekte Schwiegertochter. Sie war vornehm, höflich, zuvorkommend, packte gerne mit an und wickelte die meisten mit ihrer lieben Art um den Finger. Und dann war sie … so! „Wie alt bist du nochmal?“, murmelte ich und sah sie an.

„Nicht viel jünger als du, aber garantiert nicht so prüde“, meinte sie nur und robbte näher zu mir. „Was sind deine innersten Wünsche, Ed?“, hauchte sie und ich erschauderte.

„Außer dir jetzt deine restlichen Kleidungsstücke vom Leib zu reißen? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, ich bin ziemlich zufrieden damit, dich bei mir zu wissen“, murmelte ich und Mae grinste mich an.

„Das ist ziemlich kitschig süß, Ed. Aber wie gesagt, das mit dem Tourbus könnte man nochmal ausprobieren. Hattest du mal ne Nummer in ner Dusche oder Badewanne? Könnte man mal drüber nachdenken. … Aber ganz ehrlich, so wirklich abgefreakte Dinge müssen es dann doch nicht sein. Und ich bin auch sehr froh, dich zu haben und vor allem weitere Personen fände ich schrecklich, nicht mein Ding“, erzählte sie einfach weiter und ich beobachtete jede Regung von ihr.

„Du scheinst ja schon einiges ausprobiert zu haben“, murmelte ich eher zu mir und Mae schlug die Augen nieder, bevor sie mich anblinzelte.

„Ehrlich gesagt nicht so viel und das versuche ich gerade zu ändern. Mir ist noch nie die richtige Person begegnet, um ein paar Schritte weiter zu gehen als das, was man normalerweise so tut“, lächelte sie dann und hatte mich im nächsten Moment aufs Bett geschubst und sich auf meinen Schoß gesetzt.

Ich starrte sie einfach nur weiter an.

„Ich bin gerade ein wenig überfordert“, meinte ich nur verwirrt und Mae beugte sich zu mir herunter, sodass ihre Haare sich in mein Blickfeld schoben und dann spürte ich ihre Lippen auf meine.

„Dann lass uns später nochmal drüber reden“, hauchte sie und fing an, sich ihren Weg zu suchen. Ihre Lippen strichen von meinen Lippen meinen Hals entlang, über meine Schultern und an die Paar Tattoos, an die sie in dieser Position dran kam.

Outakes 2.0

„Was machst du da?“, erschrocken zuckte ich zusammen und sah nach oben.

Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass Ed nach Hause gekommen war.

Ich seufzte nur und schlug die Zeitschrift, die vor mir auf dem Sofa lag, zu. „Ich schau mir Kataloge für Hochzeitskleider an. Habe morgen einen Termin mit der Schneiderin“, erklärte ich Ed und setzte mich auf. „Wie war dein Tag?“ Ed sah mich an, betrachtete mich ein wenig zu lange. „Ist alles okay?“ „Du willst das nicht, oder?“, fragte er aber nur und ich war verwirrt.

„Was will ich nicht?“, wollte ich wissen und stand auf, ging auf ihn zu.

„Heiraten.“

Ein simples Wort. Und mein Herz setzte kurz aus.

„Das ist doch totaler Schwachsinn. Natürlich will ich dich heiraten“, meinte ich sofort und musste wirklich tief durchatmen. Was wollte er mir damit sagen?!

„So meinte ich das auch nicht. Aber du willst das Drumherum nicht. Du möchtest keine große Feier. Mit mehr als 50 Gästen. Du willst das alles nicht. Keine Tauben, die herumfliegen. Kein Festessen, keine Hochzeitsspiele, keine riesige dreistöckige Hochzeitstorte, all diese Sachen. Das ist nichts für dich“, erklärte er und ich sah ihn einfach nur an. Mein Herz wurde schwer. Und ich antwortete nicht. „Warum hast du vorher nichts gesagt?“ Ich schnaubte nur und wich seinem Blick aus. „Weil das dazu gehört. Und weil du das alles willst. Du willst ne große Hochzeit.“

Und dann legte sich Stille über uns. Ich ließ mich zurück aufs Sofa fallen und stützte meinen Kopf in meine Hände. Jetzt bloß nicht anfangen zu weinen… Die Minuten zogen dahin, bis Ed sich neben mich setzte und mich mit seiner Schulter anstupste.

„Ich sage sie ab. Die Einladungen sind eh noch nicht raus“, meinte er und ich schaute ruckartig auf.

„Was? Nein!“, quietschte ich erschrocken. „Du willst doch gerade nicht sagen, dass du mich nicht mehr heiraten willst.“ Und meine Tränen fingen an, meine Wange hinunter zu laufen.

„Man Mae, natürlich nicht. Beruhige dich, so meinte ich das auch nicht. Aber eine große Feier macht dich nicht glücklich und mich dann auch nicht mehr. Also machen wir das nicht. Mir reicht auch eine kleine Zeremonie. Mit so vielen Menschen wie auch immer du willst. Weniger Trubel und dann sind wir zwei ganz alleine für uns“, erklärte er sich und griff nach meiner Hand.

„Wie wär‘s nächste Woche Freitag?“

Vollkommen perplex schaute ich ihn an, strich mit meinem Pulloverärmel meine Tränen von den Wangen und war einfach nur verwirrt.

„Aber…“, wollte ich erwidern, aber ich hatte nicht wirklich etwas zu sagen.

„Wen laden wir ein?“, fragte Ed dann einfach nur und lächelte mich an.

„Wir brauchen Trauzeugen“, murmelte ich leise. „Aber wen noch?“

„Reicht das nicht? Wenn schon klein, dann aber richtig“, schmunzelte er und ich fühlte mich immer noch nicht komplett wohl in meiner Haut.

„Und wer bringt mich zum Altar?“, wollte ich wissen und Ed grinste breiter.

„Dein Vater?“

„Also doch drei Leute“, kommentierte ich.

„Mein Trauzeuge ist dein Vater, schon vergessen?“, erwiderte Ed aber nur und ich sah ihn an.

„Oh“, murmelte ich und sah auf meine Hände. „Bist du dir wirklich sicher?“, fragte ich weiter und der Sänger neben mir nickte nur, mit einem breiten Lächeln auf den Lippen. „Aber wir kriegen niemals einen Termin in einer Woche“, setzte ich hinzu und Ed stand auf.

„Ich bin immer noch Ed Sheeran, Mae. Der Ed Sheeran. Für irgendwas muss der Promibonus ja gut sein.“

Es war skurril, wie wir hier standen und wie aufgeregt Stu war. In seinem normalen Alltagsklamotten, weil etwas anderes auch nicht zu ihm gepasst hätte. Und er strahlte mehr, als er es sonst tat. Er hatte ein Lächeln auf den Lippen.

„Dann los“, meinte Stuart und hielt mir seinen Armen, damit ich mich einhaken konnte. Und das tat ich nur zu gerne. Wie bei so einer richtig klassischen Hochzeit. „Und fang ja nicht an, jetzt noch weglaufen zu wollen, Kleine. Das hättest du dir früher überlegen können“, setzte er hinzu und meine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Ich hatte es mir auf jeden Falls sehr gut überlegt.

Der Raum, wo die Trauung stattfinden sollte, war schlicht. Kelsey saß auf einem der freien Stühle am Rand und lächelte mir zu, während Ed in seinem lockeren Outfit vorne auf mich wartete. Er hatte sich keinen kompletten Anzug angezogen, das war er einfach nicht, aber das war auch okay so. „Wenn du das versaust, kündige ich“, murrte Stuart nur, als er meine Hand in Eds legte, und er verdrehte lachend die Augen.

„Als ob er das tun würde. Hübsches Kleid übrigens“, raunte Ed mir dann zu, bevor er wieder zur Standesbeamtin nach vorne schaute.

Ich hatte sein Lieblingskleid angezogen. Das Kleid, das ich vor Jahren mal geschenkt bekommen hatte und das seitdem bei jedem wichtigen Anlass dabei war. Und es war immerhin einigermaßen weiß, von den schwarzen Blüten mal abgesehen.

Er war ziemlich nüchtern, der ganze Heiratsprozess. Aber etwas anderes hatten wir auch nicht gewollt.

Bei den meisten Hochzeiten wurden immer langen Reden geschwungen, wie die Liebenden sich denn kennen gelernt hatten und so weiter und so fort, aber das wollte ich nicht. Ed und ich wussten doch am besten, wie unser Leben war. Und so trug Standesbeamtin nur all das vor, was vorgetragen werden musste. Und zusätzlich noch einen Satz, den wir vorbereitet hatten. Kleine Gelübde. Zueinander. Um wenigstens irgendeine persönliche Komponente drin zu haben. Und ich war wirklich aufgeregter als ich gedacht hätte.

„Mae möchte Ihnen sagen, lieber Ed: ‚Du weißt, dass ich immer so sturköpfig bleiben werde, wenn es um mein Leben geht, aber ich werde trotzdem mit dir auf tausend Bühnen steigen, wenn du das möchtest.‘“, las die

Standesbeamtin meine Zeilen vor und Ed drückte meine Hand, seine Augen funkelten.

„Du bist doch verrückt“, murmelte mein Fast-Ehemann leise und sah zu mir rüber, ich senkte lächelnd den Blick.

„Und Ihnen, liebe Mae, hat Ed Folgendes aufgeschrieben: ‚Mein Leben hatte keine Konstante. Das hat sich mittlerweile geändert.‘“

Und dann legte sich die Stille über uns. Ich ließ den Satz auf mich wirken, eine einzelne Träne rann aus meinem Augenwinkel, weil es mehr auch nicht brauchte. Seine Worte waren perfekt.

„Du bist verrückt“, flüsterte ich zurück und strich mir kurz über meine Wange, um die Träne zu trocken, Ed drückte nur wieder meine Hand.

Nach einer viertel Stunde war dann alles vorbei. Die Hochzeitsurkunde war unterschrieben und wir waren dann wirklich verheiratet.

Draußen vor dem Standesamt wartete schon die nächste Braut, der

Bräutigam war nicht zu sehen. Wie im Akkord gab es heute also die Hochzeiten. Und die nächsten würden wahrscheinlich dramatischer werden als unsere.

Ich betrachtete die einzelne rote Rose, die ich in der Hand hielt. Stu hatte sie mir gegeben. Eigentlich war es Libertys Idee gewesen, damit ich irgendetwas Blumenartiges in der Hand hatte, und so standen wir hier nur, Kelsey und Ed unterhielten sich gerade und Stuart schien einfach zufrieden zu sein. „Du, Kelsey“, meinte ich dann und meine beste Freundin und nun auch Trauzeugin schaute zu mir rüber. Grinsend hob ich meine Rose und ihre Augen wurden groß.

„Das zählt nicht!“, widersprach sie sofort. Sie wusste genau, worauf ich hinauswollte. „Das ist kein Brautstrauß.“

Ich lachte nur. „Brautstrauß, Brautrose, ist doch alles das gleiche. Fang!“, grinste ich und warf ihr die Rose hin, die sie notgedrungen auffangen musste, damit sie nicht zu Boden ging.

„Und was soll ich jetzt damit? Ich, die mit der nicht vorhandenen Langzeitbeziehung?!“, fragte sie mich, aber ich zuckte selbst nur mit den Schultern.

Kelsey war Single und würde demnächst nicht heiraten, aber vielleicht brachte ihr die Rose ja trotzdem Glück und sie lernte einen Mann kennen, der zu ihr passte.

„Keine Ahnung, wir müssen jetzt aber auch los. Unser Hochzeitstaxi wartet nicht“, meinte ich nur, als mein Blick auf die Uhr fiel.

Und so verabschiedete ich mich von allen und umarmte die beiden einzigen Hochzeitsgäste, die gekommen waren. Und ich war wirklich froh, dass sie da waren.

„Du hättest auch ne Limousine haben können, das ist dir bewusst? Oder nen Oldtimer“, kommentierte Ed nur und ich nickte, während ich mit ihm das Standesamt verließ und wir auf das Taxi zusteuerten, das auf uns wartete. Ja, das wusste ich. Aber so gefiel es mit trotzdem besser.

Es war früher Nachmittag, als wir vor unserem Wohnhaus hielten und Ed dem Taxifahrer viel zu viel Trinkgeld gab. Wir hatten nicht lange gebraucht, um hier her zu kommen, auch wenn wir zwischendurch noch vor einem Cupcake-Automaten angehalten hatten, um uns einen der dramatischen Cupcakes zu besorgen.

„Nach ihnen, Mrs. Sheeran“, grinste Ed mich an, während er mir die Haustür aufhielt, und ich lächelte zurück.

„Du suchst doch nur nach Gelegenheiten, mich so nennen zu können“, erwiderte ich und stieg vor Ed die vielen Treppenstufen nach oben. Bald hatten wir es geschafft. Bald waren wir alleine.

Und so schloss ich dann endlich die Wohnungstür auf und war froh, endlich wieder zuhause zu sein. Doch gerade, als ich die Tür geöffnet hatte und eintreten wollte, zog Ed mich an meinen Schultern zurück.

„Mae!“, meinte er empört und ich war verwirrt.

„Was ist los?“, wollte ich wissen und Ed verschränkte die Arme vor seiner Brust.

„Ich weiß ja, dass unsere Hochzeit wirklich nicht sehr normal ist, aber ich darf doch wenigstens noch die Braut über die Schwelle tragen!“, beschwerte Ed sich und erst war ich irritiert, dann verstand ich aber, was ich beinahe falsch gemacht hätte.

„Entschuldige, natürlich“, erwiderte ich nur, schmiss meine Tasche vorsichtig in den Flur und sah Ed abwartend an. Im nächsten Moment war er auch schon auf mich zugekommen und ich spürte seine Hände an meinem Rücken. Mit einer Leichtigkeit hatte er mich hochgehoben und auch der zweite Brauch war somit abgehakt. Und vielleicht war unsere Hochzeit ja klassischer, als ich das zugeben wollte.

Ich musste lächeln, als Ed mich direkt vor sich absetzte und ich schaute nach oben, meine Arme hatten sich um seinen Hals geschlungen und ich fühlte mich gerade so richtig wohl. Wir waren in unseren schützenden vier Wänden und Ed war bei mir.

„Hochzeitstanz?“, fragte Ed mich und ich wurde aus meiner kleinen Welt gerissen, sah ihn mit schiefgelegtem Kopf an.

„Hochzeitstanz“, nickte ich und löste mich von ihm. So etwas konnte und wollte ich ihm nicht verwehren. Vielleicht kriegten wir ja wirklich eine richtig klassische Hochzeit hin und Ed würde nicht all zu viel verpassen. Das hoffte ich sehr.

Wir tanzten viel, länger als ein normaler Hochzeitstanz. Und nachdem wir einen Walzer getanzt hatten und somit die Pflicht des Hochzeitstanzes abgehakt hatten, wurde es nur noch besser. Wir tanzten danach eigentlich nicht wirklich, sondern wiegten hin und her und ich klammerte mich an ihn und hatte die Augen geschlossen. Es war wunderschön, weil die Musik alles andere verdrängte und nur noch Ed und ich wichtig waren.

„Was kannst du noch?“, hörte ich Eds Stimme an meinem Ohr und ich sah zu ihm nach oben.

„Discofox?“, fragte ich hilflos und Ed schmunzelte.

„Noch irgendetwas Extravaganteres? Rumba?“, wollte er wissen und ich seufzte. Ich hatte vergessen, dass er mittlerweile viel besser tanzen konnte als ich.

Zweifelnd sah ich ihn an. „Mit welchem Fuß Fang ich da nochmal an?“ Und zuerst stolperten wir über unsere Füße, weil wir das ewig nicht mehr gemacht hatten, aber dann klappte es hervorragend. Wir sollten viel, viel öfter tanzen. Einfach nur so für uns beide.

„Einen Brauch hab ich noch“, meinte Ed dann irgendwann, nach vielen Minuten, und er löst sich mit einer kleinen Verbeugung von mir.

„Hm?“, fragte ich nur und kramte in meinem Kopf nach etwas, was wir noch nicht getan hatten heute.

„Hochzeitsmuffin anschneiden“, erklärte er mir dann und ich nickte sofort.

Stimmt, wir hatten ja keine Torte, sondern nur diesen einen Cupcake. Ich hatte einen mit goldenem Glitzer ausgewählt, weil das irgendwie passend erschien.

„Gibt’s nicht immer Streit darum, welche Hand beim anschneiden oben ist?“, fragte ich Ed dann, als wir es uns auf dem Sofa gemütlich machen, der Teller mit dem Cupcake zwischen uns und ich mit dem Messer in der Hand. Doch ohne darauf zu achten nahm Ed das kleine Stück Kuchen in die Hand und hielt es mir vor mein Gesicht, sodass ich einfach die Schultern zuckte und ein kleines Stück abbiss.

„Bisschen trocken, oder?“, kommentierte Ed und stellte den Teller zur Seite, legte dann einen Arm um mich.

„Welche Hochzeitstorte schmeckt schon wirklich gut?“, erwiderte ich und lehnte mich an seine Schulter. Es war genau so wie eine richtige Hochzeit. Und so saßen wir da, die Platte, zu der wir eben noch getanzt hatten, spielte weiterhin im Hintergrund, und wir schwiegen einfach. Um das alles irgendwie zu realisieren.

„Das war der beste Tag meines Lebens“, meinte Ed leise und ich öffnete meine Augen, die ich eben geschlossen gehabt hatte, schaute zu ihm nach oben.

„Aber es war chaotisch und... und... deine Eltern waren nicht dabei“, meinte ich und war unsicher. Es war alles so unhochzeitlich. Nicht so, wie man sich eine Hochzeit vorstellte.

„Aber du bist glücklich. Und das macht mich glücklich. Große schillernde Feiern kann ich genug haben. Aber niemals wieder so einen anderen Tag mit dir zusammen. Du bist glücklich, oder?“, wollte Ed wissen und ich nickte. „Natürlich bin ich glücklich, Ed. Es ist genau so geworden, wie ich mir meine Hochzeit niemals vorgestellt habe. Und doch ist es perfekt. Ich musste nicht im Mittelpunkt stehen. Ich musste nicht den ganzen Abend vorgeben, gut drauf zu sein, wenn ich doch nur mit dir alleine sein wollte. Und ich hab dich an meiner Seite. Ab jetzt für immer. Also natürlich bin ich glücklich“, erwiderte ich sofort und Eds Lächeln wurde breiter.

„Für immer klingt schön“, stimmte er zu und griff nach meiner Hand, um sie mit seiner zu verschränken. „Wenn das beinhaltet, dass ich dich für immer um mich haben kann. Auch auf Tour.“

Ich schmunzelte nur. „Natürlich. Das hatte ich doch versprochen. Wir sind auf Tour, wir kommen wieder, wir sind wieder auf Tour und kommen wieder zurück zu unserer Wohnung. Und irgendwann kommen wir wieder und es ist keine Wohnung mehr, sondern ein Haus mit drei Katzen. Und in zehn Jahren stehen wir da und werden entweder verschrobene Katzeneltern oder richtige“, lächelte ich und irgendwie, irgendwie machte mir das keine Sorgen mehr, diese Zukunftspläne.

„Du hast keine Angst“, stellte auch Ed fest und wirkte sehr, sehr glücklich. „Nein. Nicht mehr“, erwiderte ich und meinte das auch wirklich so. „Und jetzt lass uns packen.“

„Mae? Jetzt? Hat das nicht Zeit?“, fragte Ed seufzend und sah mich mit schiefgelegtem Kopf an.

„Du hast mir Flittermonate versprochen und wir wollten morgen los!“, verteidigte ich mich, aber Ed verdrehte liebevoll die Augen.

„Ja! Aber hast du vergessen, welcher Tag heute ist? Es ist immer noch unser Hochzeitstag“, meinte er und starrte mich an. Ich sah zurück und kurz verharrten wir so, dann aber mussten wir beide grinsen. „Ich kann nicht glauben, mit so einem Sturkopf verheiratet zu sein“, setzte er hinzu und ich nickte.

„Selbst schuld. Und dann packen wir morgen früh. Aber wehe du beschwerst dich, dass es zu hektisch wird“, zuckte ich mit den Schultern. „Und so stur war das jetzt nicht, Ed! Ich bin manchmal auch ganz pflegeleicht.“ Ed schmunzelte nur wieder.

„Weiß ich doch. Und jetzt komm, einen Brauch hab ich nämlich noch und da lass ich auch nicht mit mir diskutieren!“, meinte er dann noch und stand auf, reichte mir seine Hand, die ich verwirrt annahm. Was hatte ich denn jetzt schon wieder vergessen?

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Tag der Veröffentlichung: 18.04.2020

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