Autorenvermerk
Dieses Buch wurde von mehreren Autoren geschrieben, beta gelesen, bearbeitet und schließlich an Lele Dezember, die mitgewirkt hat übermittelt.
Aus dem englischen von Kathleen River und Connor Reaves – unter dem Auftrag von Lele Dezember ins englische verfasst
übersetzt von Lele Dezember ins deutsche
Dieses Buch wurde zwischen November 2018 und Februar 2020 verfasst.
Alle Mitwirkende:
Connor Reaves (Wattpad Autor)
Lele Dezember (Lektorat, Korrektorat und Übersetzung)
Kathleen River (Besitzerin der englischen Version)
Lea Dingel (Coverschöpferin und Illustrator)
Jannik Wiedmann (Beta Leser und Korrektorat)
Anabell Walters (Beta Leser und Korrektorat)
Sowie eine Reihe anderer Beta Leser die ihre Kapitel Via Fanfiktion.de, Wattpad und Email eingereicht haben.
Enthällt unter anderem Kapitel, die von beta Lesern geschrieben und mit eingefügt worden sind. Ihr erkennt diese Kapitel anhand Benutzernamen, sowie Dankessagungen etc. am Anfang eines Kapitels
Dies ist eine inofizielle Fanfiction, die als Roman umgeschrieben wurde
Für alle die die Serie Vamipre Diaries (2009 – 2017) gesehen haben, oder noch sehen werden, ist dieses Buch eine Art Fanfiction. Die hier drin genannten Charactere gehören nicht mir, bis auf ein paar die ich selber eingefügt habe. Dieses Buch soll lediglich allen Vampir Fans dienen und Niemanden beleidigen oder Schaden. Es hat auch nichts mit der Serie zu tun, lediglich die Character kommen her drin vor. Aber das ist auch schon wieder alles, was in irgendeiner Weise zu der Serie stehen könnte.
Ich kennzeichne es hier auch noch einmal: Dieses Buch soll unter keinen Umständen die Autoren und Macher von Vampire Diaries beleidigen oder deren Rechte verletzen. Falls dies jedoch trotzdem für einen Leser der Fall sein sollte, dann meldet euch bei mir oder Kathleen River. Wir stehen für Fragen jederzeit offen.
Dieses Buch läuft unter der: Commons Attribution CC Lizenz und ist kommerziell
Liebes Tagebuch....
Beginnt man das wirklich so? Naja was solls.
Also, wie fange ich an?
Mein Name ist Nathalie Lockwood. Na gut. Eigentlich Nathalie Zoey Lockwood, doch außer meiner Mutter verwendet keiner sonst meinen Zweitnamen, worüber ich auch ganz froh bin. Meine Freunde nennen mich fast alle Alie, wahrscheinlich weil ihnen mein normaler Name zu lang ist, aber das stört mich nicht weiter.
Ich bin momentan siebzehn Jahre alt und wohne (welch Überraschung!) noch bei meinen Eltern. Wir leben in Mystic Falls, einer relativ langweiligen Kleinstadt in Virginia, von welcher mein Vater der Bürgermeister ist. Deswegen kann man mich wohl auch als "reich" bezeichnen (dieses Adjektiv passt wohl auf jemanden, der in einer Villa wohnt und eine fast endlos EC-Karte besitzt), doch ich mag es nicht sonderlich als verzogenes verwöhntes Gör gesehen zu werden, denn so bin ich nicht... Glaub ich. Viel schlimmer ist da mein (Zwillings-)Bruder, der wohl gerade eine Phase hat, in der er versucht der größte Macho-Arsch des Jahres zu werden. Und als wäre das nicht schlimm genug, muss ich auch noch als die "kleine Schwester" ständig überwacht werden (und das nur wegen ZEHN MINUTEN Altersunterschied!) und jeder Kerl, der sich mir nährt und meinem werten Bruder nicht passt, wird erstmal ordentlich... Wie drücke ich das elegant aus: "verunstaltet".
Tja, aber ich liebe Tyler trotzdem... Irgendwie. Frage mich auch manchmal warum. Wahrscheinlich weil ich biologisch dazu gezwungen werde.
Neben meinem Bruder gibt es natürlich noch andere, die einen großen Teil meiner Zeit stehlen, aber dennoch einen wichtigen Platz in meinem Leben einnehmen. Da wäre meine Freundin Caroline, welche von Zeit zu Zeit etwas schwierig sein kann, Bonnie, die gerne mal mit ihren imaginären Hexenkräften prahlt und natürlich meine allerbeste Freundin Elena. Wir kennen uns alle schon aus dem Kinderbett, doch bei Elena habe ich das Gefühl, wir wären Seelenverwandte. Ich kann mit ihr über alles reden und wir hatten noch nie Geheimnisse voreinander. Jedoch macht die Ärmste momentan eine schwere Zeit durch, da sie vor ein paar Monaten ihre Eltern bei einem Autounfall verloren hat. Seitdem hat sie es nicht gerade leicht und auch ihre Tante Jenna, die nun das Sorgerecht hat, und ihr Bruder Jeremy haben zu kämpfen.
Apropos Jeremy. Mit ihm und mir ist es etwas kompliziert.
Sagen wir, er will schon ewig etwas von mir und vor dem Unfall hatte ich auch ein wenig Interesse an ihm gehabt. Aber eben nur ein wenig, denn ich hatte in seiner Gegenwart immer das Gefühl, dass ich doch etwas anderes haben will. Trotzdem hatte ich ein paar Dates zugestimmt und es hat auch echt Spaß gemacht, doch dann war der Unfall, wodurch Jeremy in eine heftige Emo-Phase geraten ist. Jetzt läuft er nur noch in schwarz rum, trägt schwarzen Nagellack und nimmt sogar Drogen.
Tja und genau das hat mich abgeschreckt. Natürlich hatte ich versucht für ihn und Elena da zu sein, jedoch fühle ich mich in Jeremys Gegenwart nun einfach nicht mehr wohl... Elena meint ja, dass er immer noch in mich verknallt ist, aber so wie er jetzt ist sehe ich keine gemeinsame Zukunft für uns beide...
Wow! Das klang ja fast poetisch. Ich könnte Schriftsteller werden... Nicht.
Ach Gott... Ich wünsche mir echt, ich hätte mal normale Probleme.
Obwohl ein normales Problem habe ich momentan: Schule. Und zwar ist heute der schlimmste Tag im Jahr: Der erste Schultag nach den Sommerferien.
Und der würde langweilig sein wie immer. Es sei denn Gott erhört meine Gebete und lässt dort mal irgendwas Spannendes passieren. Das wäre doch mal was!
Ich gab einen langen Seufzer von mir und schlug das kleine Büchlein zu, um es mitsamt Stift wieder in die Tasche auf meinem Schoß zu stecken.
"Was hast du da gemacht?", fragte Tyler, der neben mir saß und das Auto fuhr, welches uns zur Schule brachte. Dass wir uns trotz unseres Geldes ein Auto teilen mussten, verdankten wir dem Geiz meiner Eltern und der Tatsache, dass mir keiner in meiner Familie zutraute allein Auto zu fahren. Pffff...
"Tagebuch schreiben", gab ich zur Antwort und rieb mir die Augen. Zu wenig Schlaf gehabt wie üblich.
Tyler runzelte die Stirn.
"Seit wann schreibst du Tagebuch?", fragte er irritiert.
"Seit 5 Minuten etwa." Und seit Elena meinte, es würde mir gut tun, es mal zu versuchen.
"Ist dir dein altes Hobby etwa zu langweilig geworden?", fragte Tyler scherzhaft, doch ich hörte trotzdem den kleinen Hoffnungsschimmer in seiner Stimme und musste mir ein Lachen verkneifen. Meine Mutter hatte mich vor gut 10 Jahren einmal, Gott weiß warum, in einen Gesangsunterricht gesteckt und seitdem hatte ich eine Begeisterung für das Singen entwickelt. Ich übte meist in meinem Zimmer und versuchte nicht allzu laut zu sein, denn ich bezweifelte, dass sich mein Geträller wirklich gut anhörte, doch da Tyler sein Zimmer direkt nebenan hatte... Tja. Ich war ihm damit zumindest schon oft genug auf die Nerven gegangen. Jedoch hatte er noch nie behauptet, dass es schief geklungen hatte, genauso wenig wie Caroline. Sie war neben Tyler die Einzige, die meinen Gesang hören durfte. Ich traf mich öfter mit ihr, da sie meine Begeisterung für das Singen teilte, doch im Gegensatz zu ihr hatte ich nicht vor, mich jemals vor ein Publikum zu stellen. Dazu war ich viel zu unsicher.
"Erde an Nathalie!", riss mich da Tyler aus meinem Gedankengang und ich sah zu ihm auf.
"Was?"
"Ich hatte dich gefragt, ob du ein neues Hobby gefunden hast?", wiederholte er augenverdrehend und diesmal gelang es mir nicht, ein Lachen zurückzuhalten. Obwohl er sich nach Jahren daran gewöhnt haben müsste, dass ich mit den Gedanken öfter mal woanders war, nervte es ihn immer noch, wenn ich ihm irgendwann keine Antwort mehr gab.
"Tut mir leid, Tyler. Aber nein", sagte ich schmunzelnd und er seufzte, als er in diesem Moment den Wagen anhielt. Erstaunt blickte ich auf. Waren wir etwa schon da?
Tatsächlich standen wir auf dem bereits gut gefüllten Schulparkplatz.
"So kleine Schwester. Zeit sich zu trennen", sagte Tyler, als er sich abschnallte und nach seiner Tasche auf dem Rücksitz griff, während er meinen bösen Blick mit einem provozierenden Grinsen quittierte, "Sei schön brav." Ich gab nur ein beleidigtes Brummen von mir, als wir gleichzeitig ausstiegen. Er wusste, dass ich es hasste, wie ein kleines Mädchen behandelt zu werden, vor allem da wir eigentlich gleich alt waren.
"Ich warte nach dem Unterricht hier auf dich, also beeil dich bitte und verschwende nicht wieder deine Zeit in der Drogenecke", sagte ich zu ihm, ehe ich die Autotür zuschlug und Richtung Schulhof ging ohne Tyler nochmal anzusehen.
"Ruf mich an, wenn was ist", rief er noch und ich lächelte etwas. Er war zwar ein Arsch, aber wenn ich in Schwierigkeiten kam, war er immer für mich da. Auch wenn er zurzeit an einer Geschmacksverirrung namens Vicky Donovan litt. Sie war die Drogenbraut schlecht hin, tausend Mal schlimmer als Jeremy, und definitiv ein schlechter Umgang für Tyler. Aber der sah wahrscheinlich sowieso eher ihren Arsch als ihre Persönlichkeit.
Kopfschüttelnd schlängelte ich mich zwischen den vielen Schülergruppen hindurch auf der Suche nach meinen Freunden, jedoch konnte ich von den Mädels niemanden auf dem Hof entdecken.
Ob sie schon drin waren?
Als hätte mein Handy die Frage gehört, vibrierte es plötzlich in meiner Hosentasche.
Seufzend griff ich danach und blickte auf das Display, während ich die Tür, die in das Gebäude führte, ansteuerte.
Von Elena, 7:47 AM
Warte beim Schließfach auf dich :)
Aha, da hatte sich Elena also versteckt. Ich setzte an, eine Antwort zu tippen, als ich direkt in jemanden hineinlief und durch den Stoß mein Handy fallen ließ.
"Gott! Kannst du nicht aufpassen?!", fluchte ich und funkelte mein Gegenüber verärgert an, wen ich kurz darauf als Jeremy erkannte.
"Alie?", fragte er, als hätte er etwas gebraucht, um mich zu erkennen, "Hey… Was machst du denn hier?", fragte er und ich hob kurz die Augenbrauen, ehe ich mich kurz nach meinem Handy bückte, um es wieder aufzuheben.
"Ich gehe hier zur Schule, so wie letztes Jahr und das Jahr davor und auch das davor", antwortete ich und stemmte die Hände an die Hüfte, um ihn skeptisch zu mustern. Hatte er wieder Drogen genommen, dass er so komische Fragen stellte?
"Ja, ja. Ich weiß... ich- ich meinte nur, dass... also...", stotterte er und senkte etwas verlegen den Blick, was ich zugegeben ganz süß fand.
"Was meintest du?", versuchte ich ihm zu helfen und lächelte ihn fragend an.
"Ich meinte, ich habe dich gesucht", vollendete er schließlich seinen Satz und versuchte ebenfalls zu lächeln.
"Tja, hier bin ich, also was ist los?"
"Ich wollte dich fragen, ob wir uns heute Abend vielleicht treffen können. Im Grill oder so?" Erwartungsvoll blickte er mich mit seinen großen braunen Augen an und sah dabei fast aus wie ein Welpe, der auf seine Streicheleinheiten wartete. Ich spürte wie mir bei diesem Anblick das Herz leicht schwer wurde. Ich war ihm über die Ferien so oft wie möglich aus dem Weg gegangen, in der Hoffnung, dass er vielleicht über mich hinweg käme. Da hatte ich wohl falsch gedacht.
"Jeremy, tut mir leid, aber ich treffe mich heute Abend schon mit Elena und den anderen im Grill", antwortete ich und es war sogar die Wahrheit. Wir hatten uns gestern Abend ausgemacht, dass wir heute dorthin gehen würden. Jedoch war ich froh, dass ich diese Ausrede im Moment parat hatte.
Versteht mich nicht falsch, Jeremy konnte wirklich hammer süß sein, wenn er wollte. Aber eben nur wenn er wollte und wenn dies nicht der Fall war, war er wieder der Junge mit dem ich nichts zu tun haben wollte: Ein drogennehmender Rebell, der fast immer mies gelaunt war und drohte von der Schule zu fliegen. Ich wusste, dass es ihm zurzeit echt schlecht ging, aber immer, wenn ich oder Elena versuchten ihm zu helfen, blockte er ab. Und mit so jemanden konnte und wollte ich nicht zusammen sein. Er war dabei richtig abzustürzen.
"Also, was sagst du Alie?", riss mich Jeremy aus meinen Gedanken und ertappt blickte ich auf.
"Ähm... von mir aus?", antwortete ich unsicher und hoffte, dass er mir gerade keine wichtige Frage gestellt hatte.
Sein Blick hellte sich auf und ich biss mir leicht auf die Lippe.
"Gut! Dann treffen wir uns heute Abend um acht um Grill. Da hast du noch genug Zeit, um mit Elena was zu machen." Verflucht! Hätte ich doch mal zugehört!
Ich zwang mir ein Lächeln auf und nickte etwas, woraufhin er mich kurz umarmte und mir, bevor ich irgendwie reagieren konnte, einen Kuss auf die Wange drückte.
Er lächelte mich noch kurz an, ehe er sich auch schon umdrehte und davon eilte, während ich erstmal perplex meine Wange berührte. Es fühlte sich seltsam an. So seltsam, dass ich nicht einordnen konnte, ob es ein gutes oder schlechtes Gefühl war. Verdammt nochmal, konnte sich mein Körper nicht mal entscheiden, ob er sich von diesem Kerl angezogen fühlte oder nicht?
Seufzend schüttelte ich den Kopf, um den Gedankenwirrwarr darin loszuwerden, ehe ich schließlich ins Schulgebäude ging.
Ich bahnte mir irgendwie einen Weg zwischen
If He Finds Her...
"'Sein Name ist Stefan Salvatore! Er wohnt im alten Salvatore-Anwesen bei seinem Onkel. Als Kind ist er von hier weggezogen'", redete Caroline begeistert auf mich und Bonnie ein, "Militärfamilie, hat dauernd umziehen müssen. Er ist Zwilling und seine Lieblingsfarbe ist blau.'" Wir hatten gerade den Grill betreten, der einzige Ort in dieser Stadt, wo man etwas Vernünftiges trinken konnte, und Caroline redete unaufhörlich von dem neuen Schüler. Wir hatten sie zufällig vorhin getroffen, als Bonnie und ich vor der Tür auf Elena gewartet hatten, welche dann aber per Handy Bescheid gegeben hatte, dass sie etwas später käme.
"'Das hast du an einem Tag rausgekriegt?'", fragte Bonnie ungläubig und Caroline grinste.
"'Das hatte ich schon nach der dritten Stunde raus, ich bitte dich!'", sagte die Blonde etwas arrogant, "'Wir beide heiraten im Juli.'"
Damit wandte sie sich ab und ging zu irgendeinem anderen Mädchen, das ich nicht kannte, während ich mich mit Bonnie einen vielsagenden Blick wechselte, ehe wir beide uns an einem Tisch niederließen. Ich mochte Caroline wirklich, aber manchmal war sie echt ein Aas.
"Ich wette Stefan, falls er wirklich so heißt, ahnt noch nichts von seinem Glück", sagte ich und hob andeutend die Augenbrauen.
"Du meinst Unglück", korrigierte Bonnie, wobei sie das letzte Wort betonte und ich zustimmend nickte. Wir wussten, dass Caroline etwas kontrollsüchtig und oberflächlich war, aber gerade übertrieb sie es.
"Lass uns was trinken, ich brauch noch etwas Kraft für später", sagte ich und seufzte.
"Ach mach dir keinen Kopf. Es wird schon nicht so schlimm mit Jeremy", versuchte Bonnie mich aufzubauen, was aber leider nicht so gut funktionierte.
"Das sehen wir ja dann", meinte ich nur und blickte mich kurz im Grill um. Gut, er war noch nicht da. Stattdessen entdeckte ich Matt, welcher gerade reingekommen war und nun direkt auf uns zu lief.
"Hey", begrüßte er uns.
"Hey", erwiderten Bonnie und ich im Chor.
"Kann ich mich zu euch setzen?", fragte er und Bonnie lächelte.
"Klar", antwortete ich und er ließ sich auf einen freien Stuhl zu meiner rechten nieder.
Während er nun mit Bonnie ein Gespräch anfing, checkte ich unauffällig mein Handy.
19:00 Uhr und keine Nachrichten. Mal sehen, ob Jeremy pünktlich sein würde.
"'Greif dir ein Telefon und ruf sie an'", riss mich Bonnie aus den Gedanken und sofort wusste ich, worum es ging.
"'Ich komm mir dabei blöd vor. Sie hat mit mir Schluss gemacht'", sagte Matt kopfschüttelnd.
"Du musst Geduld haben", mischte ich mich ein und versuchte mich an einem aufmunternden Lächeln.
Da ging plötzlich die Tür auf und Elena trat herein, jedoch gefolgt von Stefan, was meinen letzten Satz nun völlig albern erscheinen ließ.
"Ich soll Geduld haben, hm?", meinte Matt nur und ich sah ihn mitleidig an, als er aufstand und direkt auf die beiden Neuankömmlinge zuging.
Die drei zogen nun alle Blicke auf sich, besonders den von Caroline, welche gerade bei Tyler stand, der zu meiner Überraschung und Entsetzen auch hier war.
Na toll, jetzt war ich in einem Raum mit meinem Bruder, der Jeremy wahrscheinlich zusammenschlagen wird, wenn er ihn in meiner Nähe sieht, einem angehenden Liebespärchen und zwei Leuten, denen das gar nicht passte.
Der Abend konnte ja heiter werden!
***
Wir saßen nun schon über eine Stunde hier. Stefan und Elena hatten sich sofort nach ihrer Ankunft zu mir und Bonnie gesetzt und später war auch Caroline dazu gekommen. Nun waren wir alle damit beschäftigt Stefan über seine Herkunft auszufragen. Das heißt Bonnie und Caroline taten das hauptsächlich, während Elena und ich lieber zuhörten. Stefan schien auf dem ersten Blick sehr nett zu sein und mir entging nicht, dass sich er und Elena immer wieder mal Blicke zuwarfen, was ich mit einem Lächeln zur Kenntnis nahm.
Elena hatte wirklich nachdem was passiert war, etwas Glück verdient.
"'Dann bist du also in Mystic Falls geboren worden?'", fragte Caroline gerade und Stefan nickte.
"'Aber weggezogen, als ich noch klein war'", fügte er hinzu.
"'Und deine Eltern?'", fragte Bonnie.
"'Ich habe beide früh verloren.'" Unweigerlich wanderten bei der Antwort alle Blicke zu Elena.
"'Das tut mir leid'", sagte diese leise, "'Hast du Geschwister?'", versuchte sie abzulenken. Stefan zögerte kurz, ehe er antwortete.
"'Keine mit denen ich rede.'" Also hatte er welche? Unweigerlich wurde ich neugierig, doch es war offensichtlich, dass er nicht darüber reden wollte, also ließ ich es sein.
"'Ich, äh, hab hier einen Onkel'", fügte Stefan noch hinzu, als Stille aufkam, ehe sein Blick wie so oft zuvor an Elena hängen blieb. Hier musste man sich ja bald vor den springenden Funken in Sicherheit bringen.
"'Also Stefan!'", fing da Caroline übertrieben laut an, um die Aufmerksamkeit des Blonden zu gewinnen, "'Wenn du neu bist, weißt du ja noch gar nichts von der Party morgen Abend!'"
"Wir feiern jedes Jahr am zweiten Schultag beim Wasserfall den Schulanfang", erklärte ich, bevor Caroline wieder in einen Redeschwall kam.
"'Gehst du auch hin?'", fragte Stefan sofort an Elena gewandt.
"Natürlich geht sie hin!", sagten Bonnie und ich gleichzeitig, ehe Elena antworten konnte und sie warf uns einen teils bösen teils amüsierten Blick zu, ehe sie Stefan ein schüchternes Nicken schenkte.
Lächelnd sah ich auf die Uhr.
Es war inzwischen schon um neun!
Und Jeremy war noch immer nicht aufgetaucht!
"Ähm Leute? Ich glaube, ich mache mich langsam auf den Heimweg", sagte ich in die Runde und erntete ein verteiltes Nicken, nur Elena sah mich fragend an.
"Wolltest du dich nicht noch mit Jeremy treffen?", fragte sie verwirrt und ich zucke mit den Schultern.
"Wollte ich. Vor einer Stunde!", sagte ich und konnte einen verärgerten Unterton nicht unterdrücken. Elena blickte sich kurz suchend um.
"Er hat dich versetzt?", fragte sie ungläubig, "Das kann doch nicht wahr sein." Ich zuckte nur mit den Schultern. Mir sollte es recht sein. Na gut, etwas gekränkt war ich schon.
Ich meine, wer wurde schon gerne versetzt, vor allem ohne Bescheid geschweige denn eine Erklärung zu kriegen.
"Ich geh jetzt nach Hause. Wir sehen uns alle morgen in Geschichte?", fragte ich noch und erntete verteiltes Nicken und gemurmelte "Gute Nacht"' von den Vieren, ehe ich mich von ihnen abwandte und Richtung Tür ging. Dabei sah ich mich noch kurz suchend nach meinem Bruder um, dieser schien jedoch schon gegangen zu sein, wahrscheinlich mit Vicky, die war nämlich auch nicht mehr zu sehen, obwohl sie, da sie hier als Kellnerin arbeitete, eigentlich anwesend sein sollte. Seltsam.
Aber auch egal. Ich seufzte, als ich aus dem Grill an die warme Nachtluft trat.
Jetzt durfte ich also den ganzen Weg heim laufen. Juhu.
Es dauerte eine ganze halbe Stunde von hier bis nach Hause. Genervt atmete ich aus und lief los. Je eher ich losging desto schneller hatte ich es hinter mir. Echt nett von Tyler mich laufen zu lassen. Vielleicht sollte ich ihn anrufen.
Ach was. Laufen war gesund.
Ein lautes Zischen unterbrach meinen Gedankengang und erschrocken sah ich auf. Was zur Hölle war das denn gewesen?
Urplötzlich war der Gedanke Tyler anzurufen gar nicht mehr so abwegig. Ich hatte sogar den starken Drang danach, als gleichzeitig Angst und das Gefühl beobachtet zu werden in mir hochkrochen.
"Release me. Release my body", begann ich leise zu singen und zwang mich weiterzulaufen.
"I know it's wrong. So why am I with you now?" Das tat ich immer, wenn ich mich unwohl fühlte oder Angst hatte. Es beruhigte mich irgendwie. Doch diesmal schien es nicht so wirklich helfen, da dieses miese Gefühl, dass ich nicht allein war, nicht verschwinden wollte.
"I say release me! Cause I'm not able to convince myself that I'm better off without you." Nervös blickte ich hinter mich, um zu schauen ob mich irgendwer verfolgte, doch die Straße war wie ausgestorben.
"Du hast eine schöne Stimme", ertönte es da plötzlich tief aus der Dunkelheit und ich fuhr so sehr zusammen, dass ich mehrere Schritte zurücksprang und beinahe laut geschrien hätte. Ich erkannte eine menschliche Gestalt vor mir, in die ich wohl direkt hineingerannt wäre, wäre ich nicht zurückgewichen.
Himmel mein Herz!
Angsterfüllt trat ich noch einen Schritt zurück.
War ich einem Serienmörder in die Arme gerannt, der mich jetzt töten würde?
Da trat die Gestalt in das Licht einer Straßenlaterne und ich konnte erkennen, dass es ein Mann war, der mich schief anlächelte.
"Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe", sagte er und ich atmete aus. Es war nur ein Mann. Kein Monster... kein Serienmörder... Kein Psychopath...
Gott! Ich las zu viele Horrorbücher!
"Alles in Ordnung?", fragte der Mann nach und runzelte besorgt die Stirn.
"Ja, ja! Tut mir leid... Sie... Sie haben mich nur zu Tode erschrocken", stotterte ich und sah ihn zum ersten Mal direkt ins Gesicht, nur um die Augen geschockt zu weiten. Himmel, sah der gut aus! Und das Wort "gut" wurde ihm dabei nie im Leben gerecht. Er hatte markante Gesichtszüge, hohe Wangenknochen und einen ausgeprägten Kiefer, kurz: der Traum eines jeden Bildhauers. Sein Haar war tiefschwarz und stand in einem unglaublichen Kontrast zu seinen eisblauen Augen, in denen ich zu versinken drohte, als sich unsere Blicke direkt trafen.
"Habe ich was im Gesicht oder warum starrst du mich so an?", fragte er leicht amüsiert und ich spürte wie mir das Blut in die Wangen schoss. Wie peinlich.
"T-tut mir leid, i-ich..", ich hielt kurz inne, um tief durchzuatmen und das heftige Stottern loszuwerden, "Ich habe mich nur gefragt, was jemand wie Sie so spät hier draußen macht." Sein schiefes Lächeln wurde um eine Spur breiter, was ihm echt gut stand, und ich biss mir nervös auf die Unterlippe.
"Jemand wie ich?", wiederholte er belustigt und legte den Kopf leicht schräg.
"Naja, ich meine, ich habe Sie hier noch nie gesehen", erklärte ich und war noch immer tierisch nervös. Da traf ich schon mal einen super heißen Typen und blamierte mich natürlich sofort. Typisch ich.
"Ich bin auch noch neu in der Stadt. Und bitte duze mich, sonst fühle ich mich so alt", sagte er und ich musste etwas lachen. Ich hatte ihn rein aus dem Gefühl heraus mit "Sie" angesprochen. Er hatte so eine erwachsene Ausstrahlung.
"Okay... also was machst du hier mitten in der Nacht?", fragte ich und versuchte mich zu entspannen.
"Tja, um dich zu beruhigen, ich bin kein Serienkiller", sagte er und hob übertrieben beschwichtigend die Hände, was mich schon wieder zum Lachen brachte. Wenn auch eher deswegen, weil er mich so leicht durchschaut hatte.
"Das habe ich gar nicht gedacht", protestierte ich, auch wenn es gelogen war.
"Tatsächlich?", fragte er nach und trat einen Schritt näher. Ich widerstand dem Instinkt zurückzuweichen, der mich bei seiner Bewegung durchströmte.
Seltsames Gefühlschaos. Irgendwie fühlte ich mich extrem zu ihm hingezogen, doch gleichzeitig läuteten alle Alarmglocken in mir, wenn er sich mir nährte.
"Ja", antwortete ich auf seine Frage und hielt seinem prüfenden Blick stand.
"Du hast also keine Angst vor einem dunklen Fremden, den du allein auf der Straße mitten in der Nacht triffst?", fragte er leise und wieder spürte ich wie mein Instinkt mir "GEFAHR!" zuschrie, doch ich ignorierte es. Auch fiel mir auf, dass er vollkommen in schwarz gekleidet war. Schwarze Schuhe, schwarze Hose, Schwarzer Pullover, schwarze Lederjacke. Nicht, dass es ihm nicht stand, aber damit wirkte er doch etwas düster.
"Vielleicht ist er doch ein Serienkiller", flüsterte eine warnende Stimme in meinem Kopf, doch auch ihr schenkte ich keine Beachtung. Das waren zweifellos nur die Ausgeburten meiner Fantasie, die durch unzählige Horrorromane sehr ausgeprägt geworden war.
"Vielleicht", sagte ich schließlich, "Aber vielleicht willst du mir auch einfach nur absichtlich Angst einjagen." Keine Ahnung, woher ich gerade den Mut nahm.
Ich meinte, so etwas wie Überraschung über sein Gesicht huschen zu sehen, ehe sich seine Miene wieder verschloss.
"Vielleicht", sagte auch er und grinste wieder schief.
"Also was machst du wirklich hier?", fragte ich nun neugierig.
Bildete ich mir das ein oder zögerte er kurz?
"Ich habe meinen kleinen Bruder gesucht", antwortete er.
"Dein Bruder?", fragte ich interessiert nach. Wenn sein Bruder genauso gut aussah, sollten die Beiden eher nach Los Angeles statt Mystic Falls gehen und Schauspieler oder Models werden.
"Ja, aber dann hat mich deine schöne Stimme abgelenkt." Er lächelte mich an und
binnen Sekunden waren alle Gedanken darüber, wer sein Bruder wohl war, vergessen.
Erneut schoss sämtliches Blut in mein Gesicht, während ich verlegen den Blick senkte.
"Ähm... danke", murmelte ich und blickte nach einer kurzen Pause langsam wieder auf, um sein Lächeln vorsichtig zu erwidern. Er wollte noch etwas sagen, doch da bog plötzlich ein Auto um die Ecke und hielt direkt bei uns an. Ich erkannte den dunklen Wagen und seufzte. Musste mein Bruder genau dann auftauchen, wenn ich es gar nicht gebrauchen konnte?
Die Scheibe wurde runtergefahren und Tyler blickte mir erleichtert entgegen.
"Da bist du ja, Nathalie!", sagte er, "Los steig ein!" Ich wollte etwas sagen, doch sein Blick ließ keine Widerworte zu und als er kurz zu dem Schwarzhaarigen neben mir sah, verdunkelte sich sein Gesicht merklich. Ich sollte wirklich einsteigen, bevor er noch eine Prügelei anfing.
"Okay", sagte ich und wandte mich wieder dem Fremden zu, "Ich muss jetzt los. Vielleicht sehen wir uns mal wieder?" Ich versuchte nicht zu viel Hoffnung zu zeigen, doch so richtig konnte ich sie nicht unterdrücken.
Er schenkte mir ein Lächeln, das meine Knie weich werden ließ.
"Das hoffe ich", sagte er leise und ich erwiderte sein Lächeln, ehe ich zum Auto hinüberging und einstieg.
Tyler fuhr die Scheibe wieder hoch und warf mir einen prüfenden Blick zu. Noch bevor er den Mund aufmachte, wusste ich was jetzt kommen würde.
"Wer war das?", fragte er schneidend, als er den Wagen anfuhr und ich nochmal einen Blick aus dem Fenster zum Gehweg warf, wo wir gestanden hatten, doch der Fremde war verschwunden.
"Ich habe keine Ahnung", murmelte ich und mir wurde schmerzlich bewusst, dass ich es tatsächlich nicht wusste. Wieso hatte ich nicht nach seiner Nummer oder wenigstens seinen Namen gefragt?!
Frustriert ließ ich mich in die Lehne zurücksinken.
So ein Mist.
-Stefans Sicht-
Stefan war von seiner Verabredung mit Elena in das Salvatore-Anwesen zurückgekehrt und war gerade dabei seinen Schulkram in seinem Zimmer zu sortieren, als Zach Salvatore, welcher ein entfernter Neffe von ihm war, jedoch wesentlich älter aussah und war, ins Zimmer marschierte und Stefan eine Zeitung hinhielt.
"'Du hast es mir versprochen!'", rief Zach aus und etwas irritiert nahm Stefan die Zeitung entgegen, um die Schlagzeile zu lesen.
LEICHEN GEFUNDEN
VON TIEREN VERSTÜMMELT
Stefan wusste sofort, worauf sein Neffe hinauswollte. Er hatte bereits unzählige solcher Schlagzeilen gelesen. Sie tauchten immer auf, wenn es einen Angriff gegeben hatte. Jedoch nicht von Tieren, sondern von Vampiren. Doch er war sich zu tausend Prozent sicher, dass er das nicht gewesen war, auch wenn alles darauf hindeutete, da er momentan der einzige Vampir in der Stadt war. Und das wusste Zach.
"'Das waren bestimmt Tiere'", meinte Stefan nun an seinen Neffen gewandt und drückte ihm die Zeitung wieder in die Hand, in der Hoffnung ihn irgendwie abwimmeln zu können. Doch Zach schüttelte nur den Kopf.
"'Erzähl mir doch nichts! Ich kenne das Spiel! Du zerfetzt sie, damit es so aussieht als ob es Tiere waren! Du hast gesagt, du hast es unter Kontrolle'", sagte Zach verärgert.
"'Habe ich auch'", antwortete Stefan sofort und es war die Wahrheit. Er war seit langer Zeit nicht mehr in Versuchung gekommen und hatte ihr, wenn dann, auch nicht nachgegeben. Zach hielt kurz inne und atmete kurz tief durch, scheinbar um sich zu beruhigen.
"'Bitte, Onkel Stefan'", sagte er mit gefasster Stimme, "'Mystic Falls hat sich verändert. Hier ist es jetzt friedlich geworden! Aber es gibt Menschen, die haben es nicht vergessen! Und jetzt bist du wieder hier. Und das alles verursacht nur Wirbel!'"
"'Deswegen bin ich nicht gekommen!'", widersprach Stefan und ein verärgerter Unterton schwang in seiner Stimme mit.
"'Warum dann?! Warum bist du gekommen?! Nach all den Jahren! Wieso jetzt?!'", fragte Zach aufgebracht, doch Stefan zwang sich ruhig zu bleiben.
"'Ich muss mich ja wohl vor niemanden rechtfertigen!'", sagte er mit beherrschter Stimme, dennoch hörte man sein Missfallen darüber, dass Zach ihm nicht glaubte, deutlich heraus. Er war aus sehr privaten Gründen hergekommen und diese konnte er niemanden anvertrauen. Nicht mal oder eher erst recht nicht den beiden Mädchen, die es betraf.
"'Ich weiß, dass was du bist, kannst du nicht ändern'", sagte Zach ernst, "'Aber du gehörst hier nicht mehr her.'" Diese Worte trafen Stefan schmerzhaft, er schaffte es jedoch seine ausdruckslose Miene zu bewahren.
"'Wohin gehöre ich dann?'", fragte er und es war eine ernst gemeinte Frage. Wo gehörte er dann hin, wenn nicht an den Ort, wo er geboren und aufgewachsen war?
"'Ich kann dir nicht sagen, was du tun sollst. Aber wieder hierher zukommen war ein Fehler.'" Mit diesen Worten wandte sich Zach ab und verließ den Raum, während er die Zeitung in irgendeine Ecke warf.
Stefan sah ihm noch kurz hinterher, ehe er an einen etwas verstaubtem Schrank in seinem Zimmer trat und ihn langsam öffnete. Zum Vorschein kamen unzählige Tagebücher mit unterschiedlichen Jahreszahlen darauf. Stefan griff eines davon und öffnete die erste Seite. Darin lagen zwei sehr alt wirkende Bilder, die wohl anhand ihrer schlechten Qualität vor etlichen Jahrzehnten aufgenommen worden sein mussten.
Auf dem einen Bild, war eine dunkelhaarige Frau zu sehen, die ein leichtes Lächeln im Gesicht trug und dem Betrachter des Bildes selbstsicher entgegenblickte.
Darunter stand "Katherine Pierce 1864". Kurz sah Stefan das Foto an, ehe sein Blick zu dem anderen Bild glitt.
Dieses zeigte zwei Personen, die sich glücklich im Arm hielten. Die eine Person war ein großgewachsener Mann mit rabenschwarzem Haar und Stefan wusste, auch wenn das Bild bereits vergilbt und ohnehin nie richtig farbig gewesen war, dass seine Augen eisblau waren. Die andere Person, die er im Arm hielt, war eine schlanke Frau mit hüftlangen dunkelbraunem lockigen Haar und sturmgrauen Augen, was das Bild aber ebenfalls nicht zeigen konnte.
Auch hier war etwas darunter geschrieben, das Stefan jedes Mal, wenn er es las, das Herz schwer werden ließ: "Damon Salvatore und seine zukünftige Frau Eveline Lockwood 1860".
An sich hätte man die beiden Fotos für einfache Erinnerungen halten können, doch Stefan hatte einen bestimmten Grund, warum er sie fast jeden Tag herausholte und ansah. Die beiden abgebildeten Frauen waren wie er leider nur allzu genau wusste 1861 und 1864 gestorben. Und dennoch hatte er heute Abend mit zwei Mädchen an einem Tisch gesessen und gesprochen, die haargenau so aussahen wie die beiden Frauen auf den Fotos: Elena Gilbert und Nathalie Lockwood.
Da Nathalie mehr als offensichtlich mit Eveline verwandt war, hätte Stefan eine Ähnlichkeit nicht gewundert, doch dass sie sich so ähnlich sahen, dass sie Zwillinge sein könnten, verblüffte ihn doch.
Genauso war es mit Katherine und Elena. Doch zwischen ihnen hatte er noch keine Verbindung oder Verwandtschaft finden können. Die Gilberts waren in keiner Weise mit einer Familie namens Pierce verwandt. Aber er würde herauskriegen, was es damit auf sich hatte.
Doch dies war nicht der einzige Grund, was ihn in Mystic Falls hielt. Einerseits zog es ihn auf unerklärliche Weise zu Elena hin, die zwar aussah wie seine einstige Geliebte, jedoch charakterlich vollkommen anders war. Andererseits hatte er es sich aber auch zur Aufgabe gemacht, dass sein Bruder unter keinen Umständen in die Nähe der beiden Mädchen gelangen durfte.
Vor allem nicht in Nathalies. Stefan kannte Damon gut und er wusste wie es enden würde, sollte Damon erfahren, dass es eine Frau gab, die aussah wie seine verstorbene Verlobte.
Wie seine Evie.
Just Stop This Feeling
Und du hast nicht mal nach seinem Namen gefragt?!", fragte Elena entsetzt und ich hob leicht hilflos die Schultern.
"Ich habe einfach nicht daran gedacht!", versuchte ich zu erklären, was aber sowohl Elena als auch Bonnie, die neben ihr stand, nur den Kopf schütteln ließ. Schon den gesamten Tag, seit ich ihnen es vor der ersten Stunde davon erzählt hatte, hatten mich die beiden über meine Begegnung mit dem Fremden gelöchert. Wir waren auf der Schulanfangs-Party und standen nah am Lagerfeuer, da es schon lange dunkel draußen war. Auf jeden Fall waren meine beiden besten Freundinnen jetzt schon bestimmt seit über zehn Stunden dabei, mich zu verhören, was über den Tag immer mal durch Unterricht und ähnliches unterbrochen worden war.
"Du hast also weder seinen Namen noch seine Nummer", riss mich Elena aus den Gedanken und ich nickte leicht verlegen.
"Ich weiß, es war total blöd von mir nicht zu fragen", sagte ich kleinlaut.
"Ich hätte sofort gefragt!", sagte Bonnie grinsend und Elena nickte zustimmend.
"Tatsächlich?", fragte ich skeptisch, grinste aber auch.
"Natürlich", antwortete Elena, "Wir sind nicht alle so durcheinander wie du." Das brachte mich zum Lachen.
"Na klar. Jede Frau außer mir würde bei einer Begegnung mit dem heißesten Typen, den sie je gesehen hat, vollkommen cool bleiben und einen klaren Gedanken fassen können", sagte ich sarkastisch und Elena wollte antworten, doch ich kam ihr zuvor, "Soll ich Stefan fragen, wie du beim ersten Treffen warst?" Ihre Augen weiteten sich und ich hob triumphierend die Augenbrauen.
"Schhht!", zischte Bonnie und stieß mir leicht in die Seite, "Willst du Elena verraten? Er könnte hier ganz in der Nähe sein." Die Schwarzhaarige deutete auf die Menschenmenge, die uns umgab und aus lauter mehr oder weniger trinkenden und feiernden Teenies bestand. Ich sah mich kurz um, ehe ich erneut mit den Schultern zuckte.
"Hier versteht man doch nicht mal sein eigenes Wort. Da wird er uns kaum belauschen können. Es sei denn er hat ein Super-Gehör", sagte ich, als uns Elena unterbrach.
"Ich will doch gar nichts von Stefan!", sagte sie und Bonnie und ich tauschten einen ungläubigen Blick.
"Als ob", sagte Bonnie schmunzelnd.
"Tu ich wirklich nicht!", versuchte es Elena weiter, doch sie klang noch immer nicht überzeugend.
"Elena", sagte ich mahnend, "Man merkt aus tausenden Metern Entfernung, dass du ihn magst."
"'Ach ich weiß auch nicht'", murmelte die Braunhaarige.
"'Komm schon, Elena!'", drängte Bonnie.
"Du musst uns nichts verheimlichen", unterstützte ich, was Elena seufzen ließ.
"'Okay, ja... Er sieht nicht schlecht aus'", gab sie zu.
"'Er hat diesen Liebesroman-Blick'", meinte Bonnie und ich musste ein Grinsen unterdrücken. Das stimmte wirklich. Stefan sah Elena immer an, als gäbe es außer ihr keine andere Frau aus der Welt und als wäre jederzeit bereit sie als weißer Ritter vor jeder Gefahr zu verteidigen. Man könnte meinen, Stefan wäre einem Märchenbuch entsprungen.
"Und so blickten sie sich tief in die Augen", fing ich poetisch an.
"Und fanden dort ihre Seelen", endete Bonnie im gleichen Tonfall und wir brachen alle drei in Gelächter aus.
Der Alkohol, den wir die ganze Zeit nebenbei aus unseren roten Bechern tranken, machte sich langsam bemerkbar.
"'Wo ist er?'", fragte Bonnie schließlich, als wir uns wieder beruhigt hatten und wie sie blickten Elena und ich uns suchend um.
Dabei entdeckte ich jemanden, den ich heute schon den ganzen Tag absichtlich gemieden hatte.
"Oh je", murmelte ich und trat leicht zur Seite, so dass ich mich unauffällig hinter Elena verstecken konnte.
"Was ist?", fragte diese verwirrt und schaute sich um.
"Da ist dein Bruder", sagte ich und blickte sie direkt an, "Und er ist eindeutig auf der Suche nach mir!" Elena blickte hinter sich und schien ihn auch zu entdecken.
"Oha...", gab sie nur von sich, ehe sie sich leicht zu mir drehte, "Vielleicht solltest du-"
"Ganz schnell verschwinden? Schon dabei!", unterbrach ich sie, bevor sie wieder davon anfangen konnte, dass ich doch mit ihm reden sollte. Schnell entfernte ich mich von ihr und Bonnie und versuchte mich durch die Menschenmenge Richtung Wald zu kämpfen.
Ich hatte mich schon von Elena dazu hinreißen lassen, Jeremy noch eine Chance von vielen zu geben, wenn er diese allerdings für nicht wichtig genug hielt, um zu einem Date zu erscheinen, konnte ich ihm auch nicht helfen! Und ich hatte definitiv keine Lust mir jetzt seine Ausreden dazu anzuhören!
Ich hatte den Wald, in dem er bestimmt nicht nach mir suchen würde, fast erreicht, als ich am Arm gepackt wurde.
"Alie!", hörte ich seine Stimme und ich schloss kurz die Augen. Verdammt.
Langsam drehte ich mich um, nur um Jeremy einen gleichgültigen Blick zu schenken.
"Was?", fragte ich und versuchte gar nicht erst den genervten Unterton zu unterdrücken. Jeremy sah kurz schuldbewusst zu Boden.
"Ich habe dich gesucht", sagte er leise und ich hob wissend die Augenbrauen.
"Ach was?", fragte ich sarkastisch, "Was ein Zufall, das habe ich gestern auf dich bezogen auch getan. Mir war nämlich so gewesen, als ob wir uns treffen wollten."
"Es tut mir leid", murmelte Jeremy, als ich mich mit einem Ruck aus seinem Griff befreite.
"Den Satz kannst du auch schon auswendig, oder?", fragte ich bitter und hob abwehrend die Hand, als er zu einer Antwort ansetzte, "Ich will deine Ausreden nicht hören, Jeremy." Damit wandte ich mich von ihm ab, um in den Wald laufen. Ich weiß, dass es wohl in diesem Moment vernünftiger und wahrscheinlich auch schlauer gewesen wäre, wieder zur Party zurückzugehen. Doch ich wollte einfach nur weg von Jeremy kommen und dass ohne, dass ich von zig anderen Schülern inklusive Elena und Bonnie komisch angesehen wurde.
"Alie!", rief Jeremy mir nach und ich hörte, dass er mir folgte.
"Lass mich einfach in Ruhe!", sagte ich verärgert.
Konnte er mich nicht einfach in Frieden lassen?!
"Bitte! Lass es mich erklären!"
"Nein!", rief ich nun richtig wütend und drehte mich doch nochmal um, "Ich habe dir, weiß Gott, genug Chancen gegeben! Ich habe es satt, ständig enttäuscht zu werden und mir danach deine Ausreden anhören zu müssen, nur damit du dein Gewissen beruhigen kannst! Weißt du, was du mir wirklich schuldest?! Den Respekt, mir genug Freiraum zu lassen, damit ich deine Erklärung nicht hören muss!" Ich wartete seine Reaktion gar nicht erst ab, sondern drehte mich um, um tiefer in den Wald zu laufen, diesmal sogar um einiges schneller, damit er nicht nochmal auf die Idee kam, mir zu folgen.
Nachdem ich bestimmt zehn Minuten nur gelaufen war, blieb ich schließlich stehen, um tief durchzuatmen. Es war nichts mehr zu hören, außer das leise Rascheln der Blätter der Bäume im Wind, als ich leise seufzte.
Ich vermisste den alten Jeremy. Denjenigen, mit dem ich zusammen aufgewachsen war. Denjenigen, der nie einfach so zu einem Date nicht erschienen wäre. Sein altes Ich, in welches ich mich fast verliebt hätte.
Ich spürte wie eine Träne über meine Wange lief und wischte sie schnell weg.
Nein! Wegen ihm würde ich sicher nicht weinen!
Ein lautes Knacken riss mich aus meinen Gedanken und erschrocken sah ich auf.
"Hallo?", fragte ich leise als das Gefühl von gestern wieder in mir hochkroch. Das Gefühl, dass mich jemand beobachtete. Diesmal war es sogar deutlich präsenter als gestern.
"Jeremy?! Bist du das?", fragte ich etwas lauter und trat einen Schritt nach vorne, als ich den wabernden Nebel bemerkte, der sich über den Boden um meine Beine zog und eine eisige Kälte hinterließ. Das war nicht Jeremy, der hier bei mir war...
"Flieh! Lauf weg!", schrie es in mir, doch ich konnte mich nicht rühren. Irgendetwas sagte mir, dass, wenn ich mich bewegte, dieses Wesen, welches mich beobachtete, sofort angreifen würde.
Vollkommen reglos stand ich da, als plötzlich hinter mir ein lautes Knacken ertönte. Erschrocken fuhr ich herum, als mich in diesem Augenblick etwas von hinten an den Haaren packte und meinen Kopf grob zur Seite riss. Ich schrie angsterfüllt auf, verstummte aber, als ich plötzlich einen stechenden Schmerz an meinem Hals spürte.
Irgendwas umschloss meinen Oberkörper samt meinen Armen wie eiserne Fesseln, so dass ich nicht mehr in der Lage war mich zu bewegen, geschweige denn zu wehren. Das Stechen in meinem Hals schien sich in meinem ganzen Körper auszubreiten, was mich merkwürdig schwach werden ließ. Ich wäre wohl schon zu Boden gesunken, wenn ich nicht festgehalten worden wäre.
Was geschah mit mir? Wer oder was hielt mich hier fest? Würde es mich töten?
Ein angsterfülltes Wimmern entfuhr mir, als dieser Gedanke in meinen Kopf schlich.
Da lockerte sich plötzlich der eiserne Griff, der mich gefangen hielt und auch der Schmerz an meinem Hals ließ etwas nach. Doch ehe ich mich umdrehen konnte, um meinen Angreifer zu sehen, wurde ich grob weggestoßen, so, dass ich unsanft am Boden landete. Meine Hände konnten mein Gewicht nicht halten, sodass ich mit dem Kopf an etwas Hartes stieß und alles schwarz wurde.
-Damons Sicht-
Schneller als ein menschliches Auge es hätte wahrnehmen können, rannte die dunkle Gestalt durch den Wald, so weit weg von dem bewusstlosen Mädchen wie es nur möglich war. Immer tiefer in den Wald bis der Lärm der feiernden Schüler, den er meilenweit hören konnte, und der rasselnde Atem des Mädchens endlich verstummten.
Auf einer Lichtung, die wahrscheinlich schon lange kein Mensch mehr betreten hatte, blieb die Gestalt schließlich stehen. Das Mondlicht fiel auf einen Mann herab, der sich schwer atmend mit einem Arm gegen einen Baum lehnte. Seine auffallend blasse Haut hob sich gespenstisch von seiner komplett schwarzen Kleidung ab, genauso wie das scharlachrote Blut, welches an seinen Mundwinkeln klebte. Mit der Hand, die sich nicht an den Baum stützte, strich sich der Mann aufgebracht durch sein ebenfalls schwarzes Haar, um Fassung ringend, welche er schließlich verlor, als er wütend aufschrie und mit der Faust gegen den Baum schlug, dessen Rinde dadurch eine beträchtliche Delle bekam.
Er hatte gezögert! Er hatte schon wieder gezögert! Wieso brachte er es nicht fertig?!
Damon schloss kurz die Augen, um erneut den schwachen Versuch zu unternehmen sich zu beruhigen, was jedoch eher das Gegenteil zur Folge hatte, denn als er sie wieder öffnete, waren sie blutrot und Adern traten unter ihnen hervor.
Er hatte die Kontrolle verloren. In seinem Inneren herrschte ein Sturm, ein einziges riesiges Gefühlschaos, was er nicht mehr abstellen konnte, so sehr er sich auch bemühte.
Und das nur wegen diesem einen Mädchen! Dem Mädchen mit Evies Gesicht!
Erneut schlug Damon gegen den Baum, der dadurch gefährlich knarrte.
Wie viele Jahrzehnte hatte er damit verbracht, seine Gefühle wegzuschließen? Vampire hatten nicht umsonst die Fähigkeit sie einfach abzustellen. Kein Gewissen, keine Reue und vor allem keine Trauer und kein Schmerz. Damons Vampirdasein hatte ihn lange und zuverlässig davor bewahrt. Doch dann war er hierhergekommen. Und er hatte sie gesehen.
Nathalie...
Evie...
Er hatte die Frau gesehen, die er mehr als alles andere geliebt hatte. Die ihm viel zu früh genommen worden war. Und in Sekunden war seine schützende Mauer wie Sand in sich zusammengefallen und alle Gefühle, die er so lange ausgesperrt hatte, waren auf ihn eingeschlagen.
Zuerst hatte er Elena gesehen. Bei ihr war es für ihn auch ein Schock gewesen, doch den hatte er schnell verkraftet. Es war ihm selbst ein Rätsel, dass das Ebenbild der Frau, wegen der er in Mystic Falls war, ihm nicht halb so viel ausmachte, wie das seiner Verlobten, die nun schon fast anderthalb Jahrhunderte tot war!
"Sie ist nicht Evie!" Das versuchte sich Damon immer wieder zu sagen und trotzdem, jedes Mal, wenn er sie sah...
In ihre Augen blickte...
Dann sah er die Frau vor sich, die er einst hatte heiraten wollen, bevor sie gestorben war.
Damon schüttelte leicht den Kopf.
Er wollte sie nicht sehen! Er wollte diese Gefühle nicht! Sie lenkten ihn von dem ab, weswegen er eigentlich hergekommen war!
Das war auch der Grund gewesen, weshalb er sie hatte töten wollen. Damit er dieses Trugbild nicht mehr ertragen musste!
Doch er war gescheitert. Zwei Mal.
Gestern Abend wäre es ein leichtes gewesen, sie umzubringen. Mitten in der Nacht, in einer dunklen Gasse, ohne Zeugen. Doch dann hatte er ihre Stimme gehört. Wie sie gesungen hatte.
Evie hatte es geliebt, zu singen...
Er hatte es nicht über sich gebracht, sie anzugreifen. Nein, stattdessen hatte er sie angesprochen, nur um noch mehr an Evie erinnert zu werden!
Damon lachte spöttisch über seine eigene Dummheit.
Er hatte es sich schwerer gemacht, als es ohnehin schon gewesen war.
Und heute...
Mit Mühe schluckte Damon seine Wut über sich selbst herunter.
Heute war es noch schlimmer gewesen.
Er hatte sie gehabt! Er hätte nur weitermachen müssen und sie wäre tot gewesen! Doch dann hatte er ihr Wimmern gehört. Ihre Angst gespürt. Und er hatte wieder nachgegeben!
Weil er zu schwach war! Er würde sie nie umbringen können, so lange sie für ihn Eveline war.
In diesem Moment kam es Damon plötzlich wie ein Geistesblitz.
Wenn sie für ihn nicht mehr Evie sein würde...
Wenn er Unterschiede finden würde...
Wenn sie jemand anderes werden würde...
Dann würde er sie auch umbringen können!
Das hieß zwar, dass er sie kennenlernen musste, aber es war besser als tagtäglich die Erinnerung an Evie zu durchleben und sich nicht dagegen wehren zu können.
Und wenn sie endlich tot war, konnte er sich auf die Frau konzentrieren, wegen der er eigentlich hier war.
Ein kleines Lächeln schlich sich auf Damons Gesicht.
Katherine.
Doch vorher wurde es Zeit, seinem kleinen Bruder einen Besuch abzustatten.
-Stefans Sicht-
So schnell er konnte, rannte Stefan zu seinem Haus zurück, während ihm tausende Gedanken durch den Kopf rasten.
Damon war hier. Es konnte nicht anders sein. Er hatte es in dem Moment gewusst, als Jeremy Nathalie aus dem Wald getragen und um Hilfe gerufen hatte. In dem Moment, als er die blutende Wunde an ihrem Hals gesehen hatte.
Natürlich hätte sie jeder Vampir der Welt angreifen können, wenn sie allein durch den Wald lief, jedoch war sie im Gegensatz zu den anderen Opfern, die es bereits gegeben hatte, noch am Leben. Kein Vampir hätte sie am Leben gelassen, wenn er einfach nur hungrig gewesen wäre.
Nur jemand, der ihr Gesicht kannte und mit ihr spielen wollte...
Stefan wusste, dass es sich hierbei schlichtweg nur um eine Vermutung handelte und es noch andere Gründe gab, wieso der Vampir sie am Leben gelassen hatte. Doch wollte ihm dieser Gedanke, dass sein Bruder dahintersteckte, einfach nicht aus dem Kopf gehen.
Er kam schließlich bei seinem Anwesen an und betrat den Flur. Ohne nach links und rechts zu sehen, steuerte Stefan sein Zimmer im Obergeschoss an.
"'Hey, was ist los?'", hörte er seinen Neffen besorgt fragen.
"'Noch jemand ist angegriffen worden, Zach, und ich war es nicht!'", antwortete Stefan knapp, ohne ihn anzusehen, ehe er in seinem Zimmer ankam und die Tür schloss.
Sofort spürte er, dass er nicht allein war.
Sein Gefühl wurde bestätigt, als plötzlich eine Krähe vom offenen Balkon aus hereinflog und keinen Moment später ein Mann auf dem Balkon stand, der Stefan nur allzu vertraut war.
"'Damon'", sagte der Dunkelblonde kühl, während es ihm innerlich ganz anders ging. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr er gehofft hatte mit seiner Vermutung falsch zu liegen. Jetzt schwebten Elena und Nathalie in schrecklicher Gefahr.
"'Hallo, Bruder'", sagte Damon ebenso kühl, wobei er das Wort 'Bruder' sarkastisch betonte. Der Schwarzhaarige hatte ein halbes Lächeln auf den Lippen, doch in seinen eisblauen Augen konnte man keinerlei Gefühlsregung erkennen.
"'Die Krähe ist übertrieben, findest du nicht?'", fragte Stefan und nickte in Richtung des schwarzen Vogels.
"'Mein Nebel ist noch viel eindrucksvoller'", erwiderte Damon nur und betrat den Raum.
"'Was willst du hier?'", fragte der Dunkelblonde direkt. Sein Bruder war der Letzte, von dem er Prahlerei hören wollte.
"'Ich wollte deinen ersten Schultag doch nicht verpassen'", antwortete der Schwarzhaarige mit einem Hauch Spott in der Stimme, während er sich interessiert im Zimmer umsah, "'Du trägst die Haare anders. Finde ich schick.'" Das Grinsen, das in seinem Gesicht erschien, passte zu seinem spöttischen Unterton.
Stefan kam nicht umhin, genervt die Augen zu verdrehen.
"'Es ist 15 Jahre her, Damon!'"
"'Gott sei Dank! In den 90ern war es nicht auszuhalten. Dieser grauenhafte Grunge Look stand dir nicht, Stefan. Weißt du, man sollte nicht jeden Modetrend mitmachen-'"
"'Was willst du hier?!'", fiel ihm Stefan ins Wort, welcher langsam die Geduld verlor.
"'Ich vermisse mein Brüderchen'", erwiderte der Schwarzhaarige sarkastisch und machte sich noch nicht einmal die Mühe, seine offensichtliche Lüge zu verbergen.
"'Du hasst Kleinstädte. Hier ist es langweilig. Das ist nichts für dich'", sagte Stefan kopfschüttelnd.
"'Ich kann mich immer irgendwie beschäftigen'", erwiderte Damon, der noch immer durch den Raum lief und Stefan zu umkreisen schien, wie ein Löwe seine Beute.
"Du hast sie getötet", sagte Stefan, dessen Geduld nun am Ende war, "Du hast jeden getötet, den du angefallen hast, seit du hier bist. Außer dieses Mädchen heute Nacht, wie erklärst du mir das?"
Er meinte so etwas wie Ärger über Damons Gesicht zucken zu sehen, jedoch war er sich nicht sicher.
"Vielleicht hatte ich keinen Hunger mehr", antwortete der Schwarzhaarige nur, ohne seinem Bruder in die Augen zu schauen. Stefan hätte ihn nicht einmal sehen müssen, um zu merken, dass da mehr dahintersteckte. Viel mehr.
"'Was willst du hier, sag schon!'", sagte er, was Damon stehen bleiben und ihn direkt ansehen ließ.
"'Ich könnte dich dasselbe fragen, wie dem auch sei. Ich bin mir sicher, deine Antwort lässt sich prima in einem einzigen Wort zusammenfassen: Elena'", Damon lachte kurz spöttisch auf, "'Es hat mir echt die Sprache verschlagen. Elena. Sie ist das Ebenbild von Katherine.'"
"Wir wissen beide, dass es dir hier nicht um Elena geht!", sagte Stefan, der langsam wütend wurde.
"Natürlich nicht. Es gibt hier bei Weitem interessantere Frauen hier... und interessantere Doppelgänger", erwiderte der Schwarzhaarige und grinste wieder, als er Stefan direkt ansah, "Aber dir geht es um Elena. Was würdest du also tun, wenn ich sie ins Visier nehme?"
Stefan konnte nur den Kopf schütteln. Damon lenkte absichtlich von sich ab und versuchte ihn zu reizen.
Heute Abend würde er wohl keine Antwort mehr bekommen.
Nice To Meet You
Geschockt riss ich die Augen auf und schreckte bestimmt zum hundertsten Mal heute aus dem Schlaf. Mein Atem ging unregelmäßig und das Herz pochte mir bis zum Hals, während ich mich orientierungslos umsah bis ich das Krankenzimmer wiedererkannte. Ich schloss kurz die Augen und atmete gezielt langsam aus, um mich zu beruhigen, was durch das schnelle Piepen des Vitalparameter-Monitors erschwert wurde.
Zwei Tage waren seit meinem Unfall im Wald vergangen und noch immer konnte ich mich nicht erinnern, was genau passiert war. Alles was ich noch wusste war, dass ich vor Jeremy weggelaufen war und dann... nichts. Danach wurde alles verschwommen.
Die Ärzte hatten gesagt, dass der Biss an meinem Hals wahrscheinlich von einem Tier stammte und die Platzwunde an meinem Kopf wohl von einem Sturz. Der daraus gefolgten Gehirnerschütterung hatte ich wohl auch meine Amnesie zu verdanken.
Aber trotz dessen, dass ich mich an nichts erinnerte, hatte ich ständig irgendwelche Alpträume. Doch auch an die konnte ich mich nur schwer nach dem Aufwachen erinnern. Alles was ich dann noch wusste war, dass ich schreckliche Angst gehabt hatte.
Ich schüttelte leicht den Kopf.
Es wurde Zeit, dass ich hier rauskam. Mit Sicherheit war das Krankenhaus schuld daran, dass ich so schlecht schlief. Ich hasste Krankenhäuser einfach.
"Alie?", riss mich da eine vertraute Stimme aus den Gedanken und verwirrt sah ich auf. Jeremy stand an der Tür, die wohl eine Schwester offengelassen hatte, und musterte mich besorgt.
"Jeremy?", fragte ich mit rauer Stimme und räusperte mich kurz, "Was machst du denn hier?"
Seit ich vorgestern aufgewacht war, hatte ich ständig Besuch gehabt. Als Erstes hatte meine Familie zu mir gehen dürfen, jedoch waren nur Tyler und meine Mutter da gewesen, weil mein Vater zu beschäftigt war. Doch das war ich ja gewohnt. Tyler hatte ohnehin genug Besorgnis für fünf mitgebracht. Er konnte echt manchmal der liebste Bruder der Welt sein.
Außer meiner Familie waren noch Elena und Bonnie öfter bei mir gewesen, die mir Gute-Besserungs-Wünsche von den anderen Schulkameraden ausgerichtet hatten. Auch Caroline hatte einmal reingeschaut und sich damit entschuldigt, dass sie viel mit dem Training der Cheerleader zu tun hatte. Und da ich dort auch Mitglied war, musste ich mir natürlich einen Vortrag anhören, wie ich das verlorene Training am besten wieder aufholte. Jedoch war sonst niemand anderes da gewesen. Insbesondere nicht Elenas kleiner Bruder.
"Ich...", riss mich da Jeremy aus den Gedanken, der wohl bis jetzt nicht recht gewusst hatte, was er sagen sollte, "Ich wollte nur...", er räusperte sich kurz, "Wie geht’s dir?" Besorgt blickte er mich an und ich wusste nicht recht, ob ich es süß oder gruselig finden sollte, dass er wahrscheinlich wer weiß wie lange an meinem Bett gewartet hatte, bis ich aufgewacht war.
"Ganz gut eigentlich", antwortete ich langsam und setzte mich etwas auf, "Ich komme mit Glück heute vielleicht sogar hier raus." Zumindest wenn die Schwester nicht wie gestern plötzlich wieder feststellte, dass ich noch viel zu blass aussah. Wenn sie es nochmal machte, würde ich nach einem richtigen Arzt verlangen.
"Das ist gut", sagte Jeremy leise und trat unsicher an mein Bett heran. Ich seufzte etwas.
Ich hatte unseren Streit noch immer im Kopf und wollte ihn nicht so einfach damit davonkommen lassen, nur weil ich im Krankenhaus lag.
"Was willst du wirklich hier?", fragte ich ernst und hob die Augenbrauen. Verwirrt runzelte er die Stirn.
"Ich wollte wissen, wie es dir geht", sagte er schlicht und ich legte den Kopf leicht schräg.
"Jeremy, unser Streit-", fing ich an, doch er unterbrach mich sofort.
"Wegen unserem Streit bist du in den Wald gegangen!", sagte er aufgebracht, "Es ist also meine Schuld, dass du angegriffen wurdest!"
Ich öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber er redete schon weiter:
"Außerdem, wieso sollte ich nicht nach dir sehen? Immerhin war ich es, der dich im Wald gefunden hat!"
"Warte!", unterbrach ich ihn, "Was?" Vollkommen perplex sah ich ihn an, in dem Glauben mich verhört zu haben. Er war es gewesen, der mich gerettet hatte?
"Ich habe dich gefunden", wiederholte er etwas leiser, "Ich bin dir gefolgt. Ich weiß, das hätte ich nicht tun sollen, aber wenn ich daran denke, was wohl passiert wäre, wenn ich es nicht getan hätte-" Er verstummte, als ich meine Hand auf seine legte, die auf dem Tisch neben meinem Bett ruhte. Ich wusste nicht wieso, aber seine Worte ließen alle Wut auf ihn augenblicklich wie Dampf verpuffen und ein seltsam warmes Gefühl schien sich in meiner Brust auszubreiten. Er hatte mir wahrscheinlich das Leben gerettet und das obwohl ich ihn vorher angeschrien hatte.
"Danke", sagte ich und schenkte ihm nach Monaten das erste ehrliche Lächeln. Überrascht blickte er zu mir auf. Anscheinend hatte er mit einer solchen Reaktion nicht gerechnet.
Da trat er plötzlich einen weiteren Schritt vor und nahm meine Hand in seine andere. Fast schon sanft wanderte sein Daumen über meinen Handrücken und hinterließ auf meinem Körper ein wohliges Gefühl.
"Alie", begann er und blickte mir dabei direkt in die Augen, "Ich weiß, dass du keine Entschuldigungen mehr hören willst und ich habe auch nicht vor dir mit weiteren Ausreden zu kommen", er hielt kurz inne, ehe er meine Hand fester umgriff, "Ich will es wieder gut machen. Nicht nur die Sache mit dem Angriff, sondern alles, was ich in den letzten Monaten verbockt habe..." Flehend blickte er mir in die Augen und ich spürte wie mein Widerstand zu brechen begann, obwohl ich verzweifelt versuchte standzuhalten.
Da war er. Der alte Jeremy, den ich so sehr vermisst hatte. Doch wie lange würde es dauern, bis er doch wieder zu demjenigen wurde, der mich in letzter Zeit so mies behandelt hatte?
Ich konnte nicht darauf vertrauen, dass er sich tatsächlich ändern würde. Ich konnte unmöglich...
"Ich vermisse dich, Alie!", riss er mich aus meinen Zweifeln, während er sich langsam auf mein Bett setzte und mir damit noch näher kam, "Ich vermisse dich wahnsinnig und ich verspreche dir, mich zu ändern", er brach den Blickkontakt und sah zu Boden, "Alles was ich will, ist eine letzte Chance", damit blickte er mich wieder an, "Bitte."
Ich schluckte schwer. Wie konnte es sein, dass ich plötzlich eine solche Sehnsucht nach ihm hatte? Mein Körper schien wie in einem Bann zu stehen, welcher den Widerstand verschwinden ließ, an dem ich wie verrückt festgehalten hatte.
Ich war mir bisher sicher gewesen, dass zwischen uns nichts mehr als mildes Interesse gewesen war.
Und jetzt nach ein paar einfachen Worten wünschte ich mir plötzlich nichts mehr, als mich in seine Arme zu werfen? Was zum Teufel war bloß los mit mir?!
"Jer... ich...", begann ich, stoppte aber sofort wieder, da ich nicht wusste, was ich sagen sollte.
Mein Herz schrie förmlich nach diesem Jungen, während mein Verstand sich mit aller Macht dagegen wehrte. Wieso konnte sich mein Körper nicht mal einig sein?
"Was tust du hier? Du darfst hier noch nicht rein!" Zeitgleich mit Jeremy blickte ich erschrocken auf. Eine Krankenschwester stand an der Tür und funkelte Jeremy verärgert an.
"'Die Besuchszeit fängt erst um neun an'", sagte sie und lief ins Zimmer, um kurz einen Blick auf den Monitor zu werfen, welcher etwas schneller piepte als normal. Danke für deine Diskretion, blödes Herz!
"Ich weiß", antwortete Jeremy, "Tut mir leid." Es klang vollkommen ehrlich, doch die Tatsache, dass er meine Hand noch etwas fester umklammerte, sprach eher gegen seine Reue.
"Sie braucht Ruhe", sagte die Schwester und nickte Richtung Monitor und ich verdrehte die Augen.
"Sie ist im Raum und bei Bewusstsein!", sagte ich verärgert. Ich hasste es, wenn man von mir sprach als wäre ich nicht da. Die Schwester beachtete meinen Einwand jedoch nicht, sondern legte Jeremy bestimmend eine Hand auf die Schulter.
"Komm schon. Raus mit dir", sagte sie und Jeremy seufzte, ehe er sich erhob und Richtung Tür ging. Meine Hand, die er losgelassen hatte, fühlte sich nun merkwürdig kalt an. An der Tür drehte er sich nochmal zu mir.
"Kann ich dich nachher besuchen?", fragte er hoffnungsvoll und wie von allein begann ich zu lächeln.
"Ich hätte ja gesagt, aber ich werde wahrscheinlich entlassen, bevor du aus der Schule rauskommst", sagte ich kopfschüttelnd, was ihn leicht grinsen ließ.
"Wer braucht schon Schule?", fragte er und ich sah ihn tadelnd an.
"Ich dachte, du wolltest dich ändern?", sagte ich und hob die Augenbrauen und er seufzte erneut, was mich wieder lächeln ließ.
"Los jetzt", sagte die Krankenschwester ungeduldig und schob ihn endgültig aus der Tür.
"Ich komme doch heute hier raus, oder?", fragte ich sie da, bevor sie auch den Raum verlassen konnte.
"Ehrlich gesagt würde ich dich gerne-", begann sie und drehte sich zu mir.
"Oh nein, nein, nein, nein!", fiel ich ihr ins Wort, "Sie haben mich hier lange genug eingesperrt! Ich gehe heute hier raus! Ob Sie das nun wollen oder nicht!", sagte ich ernst und funkelte sie böse an. Ich hörte, wie sie genervt ausatmete, ehe sie die Arme verschränkte.
"Na schön", sagte sie, "Aber dir ist klar, dass du gegen ärztlichen Rat handelst?"
"Ja, ja", winkte ich ab und konnte dabei einen erleichterten Seufzer nicht unterdrücken. Ich kam endlich hier raus. In meinem eigenen Bett würde ich heute Nacht hundert pro besser schlafen als in diesem verdammten Krankenhaus!
***
"Endlich!", murmelte ich als ich aus dem großen weißen Gebäude trat. Nach mehreren Stunden hatte ich es endlich geschafft, die ganzen Formulare auszufüllen, meine Sachen zu packen und dieses verfluchte Seuchenhaus zu verlassen.
Dummerweise waren meine Eltern beide mit ihrer Arbeit beschäftigt und Tyler noch immer in der Schule, was bedeutete, dass ich wohl ein Taxi nehmen musste. Oder mal wieder lief. Vielleicht lief ich ja wieder irgendeinem heißen Typen über den Weg, vor dem ich mich blamieren konnte.
Noch während ich überlegte, was ich machen sollte, lief ich schon einmal Richtung Straße, während ich an meinem Kaffee nippte, den ich mir mit den letzten paar Dollar, die ich noch in der Tasche gehabt hatte, geradeso hatte kaufen können. Ich hatte zu der Lagerfeuer-Party natürlich meine Brieftasche nicht mitgenommen. Die hätte ich auch hundertprozentig bei dem Angriff verloren. Auch wenn sich Tiere wahrscheinlich eher weniger dafür interessierten. Zumindest hatte ich noch meine Notfall-Kreditkarte, mit der ich das Taxi bezahlen könnte. Auch wenn mein Vater dann wieder meckern würde, da das ja in seinen Augen kein Notfall war.
Ich unterbrach meinen Gedankengang unfreiwillig, als mich ein starker Schwindel befiel. Benommen blieb ich stehen und schloss kurz die Augen. Verdammter Blutverlust! Im Liegen war es doch gar nicht so schlimm gewesen.
Normalerweise hätte ich mich irgendwo abgestützt, um mich wieder zu fangen, doch da ich in der einen Hand meine Tasche und in der anderen den Kaffee hielt, machte sich das schlecht.
Ich atmete einmal tief durch, ehe ich die Augen wieder öffnete und einen Schritt nach vorne trat. Allerdings hatte mein Bein damit wohl nicht gerechnet, da es bei dieser Bewegung plötzlich einknickte.
Ich spürte wie mir der Becher aus der Hand glitt und machte mich auf eine unsanfte Bodenlandung gefasst, als ich plötzlich spürte wie starke Arme um meine Taille griffen und mich auffingen.
Der unverwechselbare Geruch von Leder stieg mir in die Nase, gepaart mit schwerem maskulinen Duft, welcher zweifellos von einer verdammt teuren Parfummarke stammen musste. Hinzu kam eine leichte Duftmarke von Bäumen und Erde, welcher aber nicht so recht zu den anderen Gerüchen zu passen schienen.
Gott! Mein Kopf war schon so umnachtet, dass ich mir schon über irgendwelche Gerüche Gedanken machte.
In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich gerade in den Armen von irgendjemandem lag und mich nicht rührte.
Zögerlich öffnete ich die Augen und blickte auf. Es brauchte einen Augenblick bis sich meine Sicht soweit wieder geklärt hatte, dass ich erkennen konnte, dass es ein Mann war, der mich festhielt.
"Na, na, na. Wer wird denn da gleich so anhänglich?", hörte ich ihn fragen und prompt verschwand meine Benommenheit. Wahrscheinlich dank des Adrenalins, was ich in diesem Moment ausschüttete. Ich kannte diese Stimme.
Es war die Stimme des fremden Mannes, von dem ich gedacht hatte, ich würde ihn wahrscheinlich nie wiedersehen.
Ich musste wohl aussehen wie ein Reh vor den Autoscheinwerfern, als ich mich überwand ihn direkt anzusehen. Dabei musste ich verhindern, dass mein Mund aufklappte. Die Dunkelheit, die es letztes Mal erschwert hatte, ihn genau zu erkennen, hatte anscheinend nicht nur vorgetäuscht, wie höllisch gut er aussah. Sein Gesicht war nach wie vor makellos, sein Haar noch immer tiefschwarz und seine Augen waren blauer denn je.
Himmel, dieser Mann musste doch in einem Gen-Labor gezüchtet worden sein.
"Hat dir mein Aussehen die Sprache verschlagen oder habe ich dich mal wieder zu Tode erschreckt?", fragte er da und grinste schief. Ich dankte in diesem Moment meiner Blutarmut, die verhinderte, dass ich rot wurde. Und er konnte mich wohl immer noch furchtbar leicht durchschauen.
"Nein, ich... ich... ich-", stotterte ich, ehe ich mich leicht räusperte, um die Fassung wiederzukriegen, "Ich habe nur nicht damit gerechnet dich hier wiederzusehen."
Gott! Nathalie, reiß dich zusammen!
"Anscheinend hat es dich sehr gefreut, so wie du mir in die Arme gefallen bist", sagte der Schwarzhaarige noch immer grinsend und erst jetzt bemerkte ich, dass ich noch immer in seinen Armen lag.
"T-tut mir leid", murmelte ich verlegen und brachte schnell Abstand zwischen uns, "Das war keine Absicht."
"Das war auch nicht zu übersehen. Zumindest glaube ich nicht, dass du deinen Kaffee freiwillig fallen gelassen hast." Er deutete auf den Becher am Boden, welcher in einer großen braunen Pfütze lag.
"Oh nein!", fluchte ich und stöhnte genervt, "Das war mein letztes Bargeld", beleidigt trat ich den Becher weg, "Warum muss mir auch schwindlig werden?" Der fremde Mann lachte, worauf ich ihm instinktiv einen bösen Blick zuwarf.
"Wenn es dir so schlecht geht, solltest du dann nicht ins Krankenhaus rein statt rausgehen?", fragte er schmunzelnd und ich schüttelte schnell den Kopf.
"Da kriegen mich keine zehn Pferde mehr rein!", sagte ich bestimmt, was ihn schmunzeln ließ, ehe er mich direkt ansah.
"Ich wüsste etwas, das gegen Schwindel hilft", murmelte er und die Art wie er es sagte, jagte mir einen warmen Schauer über den Rücken, was durch seinen direkten Blick noch verstärkt wurde. War die Zweideutigkeit Absicht oder bildete ich mir das ein?
"Und was?", fragte ich unsicher und war erneut dankbar, dass ich nicht rot werden konnte. Da erschien plötzlich wieder ein schiefes Grinsen auf seinem Gesicht.
"Zucker", sagte er da und ich hätte beinahe einen enttäuschten Laut von mir gegeben, was mich innerlich den Kopf schütteln ließ.
Himmel, was war nur los mit mir? Als ob jemand wie er mit mir flirten würde. Diesmal ging meine Fantasie tatsächlich zu weit.
"Und wo soll ich hier Zucker herbekommen?", fragte ich und hob die Arme, um die Umgebung anzudeuten. Dabei versuchte ich zu lächeln, während ich meinen Gedankenwirrwarr erst mal aus meinem Kopf verbannte.
"Nun ja", erwiderte der Schwarzhaarige und drehte sich leicht zur Seite, um die Straße hinunter zu deuten, "Da vorne ist ein Eiscafé. Dort wirst du sicher fündig." Er drehte sich wieder zu mir und grinste noch immer amüsiert.
"Danke für den Rat, aber der Kaffee da auf dem Boden war mein letztes Geld. Also macht sich das eher schlecht", sagte ich und zuckte mit den Schultern. Ich würde nie wieder mein Portmonee daheim lassen. Das war mal sicher!
"Nun, ich könnte dich natürlich auf einen Kaffee einladen, der nicht auf dem Boden landet", begann der Dunkelhaarige da und mein Herzschlag beschleunigte sich hundertfach, "Allerdings musst du mir dafür deinen Namen verraten." Er wollte mich einladen und meinen Namen wissen? Flirtete er doch mit mir?
"Nathalie." Ich konnte meinen Namen nur hauchen, da ich zu sehr damit beschäftigt war mich zu beruhigen.
"Und weiter?" Mit dieser Frage gewann ich etwas von meinem Selbstbewusstsein zurück. Er war wohl wirklich interessiert.
"Zuerst will ich deinen Namen wissen", sagte ich und lächelte ihn herausfordernd an.
"Na schön", erwiderte er, als er plötzlich meine Hand griff und sich leicht nach vorne beugte, "Damon Salvatore. Schön dich kennenzulernen." Damit drückte er einen leichten Kuss auf meinen Handrücken, was meine Knie zu Pudding werden ließ. Ich fing mich jedoch wieder, als es in meinem Inneren klingelte.
Den Nachnamen kannte ich doch.
"Salvatore?", wiederholte ich, "Wie Stefan Salvatore?" Er schmunzelte.
"Ja. Mein kleiner Bruder. Ihr geht wohl in eine Klasse?", fragte er und etwas widerwillig nickte ich. Das klang so, als wäre ich noch ein kleines Kind.
"Dann bist du wohl Nathalie Zoey Lockwood", sagte er da plötzlich und teils überrascht teils entsetzt blickte ich ihn an.
"Das hat Stefan erzählt?", fragte ich. Wie konnte er von diesem verdammten Zweitnamen wissen?
"Ja, muss er wohl von seiner neuen Freundin haben. Wie hieß sie noch gleich?", er überlegte kurz, "Elena?" Gott, ich würde ihr den Hals umdrehen! Wie konnte sie mir das antun? Sie wusste genau, dass ich nicht wollte, dass jemand von diesem Namen wusste! Und jetzt hatte es genau der Falsche erfahren. Super! Das Mädchen konnte etwas erleben, wenn ich sie in die Finger bekam. Und Stefan auch!
"Also, Zoey", riss mich Damon aus meinen Rache-Plänen, "Darf ich dich auf einen Kaffee einladen?"
"Eigentlich benutze ich diesen Namen nicht", erklärte ich zögernd, "Meine Freunde nennen mich Alie..."
"Ich bin aber kein Freund", unterbrach mich Damon und lächelte auf eine Weise, die unmöglich nicht zweideutig sein konnte.
"Und was bist du dann?", fragte ich und erwiderte sein Lächeln.
"Finde es doch heraus", antwortete er nur, ehe er meine Hand losließ, die er zu meiner Überraschung bis jetzt festgehalten hatte, und Richtung Eiscafé ging. Ohne darüber nachzudenken lief ich ihm hinterher. Planänderung! Ich würde ab jetzt öfter meine Brieftasche daheim lassen.
***
Lächelnd ließ ich mich in den Autositz zurücksinken und sah zu wie die Landschaft draußen vorbeizog.
Damon saß neben mir und fuhr den Wagen. Wir redeten nicht und außer der Taylor Swift Musik, die leise im Radio lief und von der ich bezweifelte, dass es tatsächlich sein Musikgeschmack war, war es vollkommen ruhig. Doch es war keine unangenehme Stille. Wir hatten uns immerhin die letzten Stunden fast durchgehend unterhalten. Es war schon fast gruselig wie schnell die Zeit dabei vergangen war.
Ich warf einen verstohlenen Blick zu Damon hinüber, welcher konzentriert auf die Straße blickte.
Ich konnte es immer noch nicht glauben, dass so ein Mann wie er tatsächlich an mir interessiert sein könnte. Und doch hatte er mir im Café mindestens genauso viele Fragen gestellt wie ich ihm.
Ich wusste nun einiges über ihn, wie zum Beispiel, dass er am liebsten Bourbon trank, jeden für verrückt hielt, der keine Gurken mochte, schwarz seine Lieblingsfarbe war und er wie ich eine sarkastische Ader hatte, jedoch hatte ich trotzdem das Gefühl, nach wie vor nicht das Geringste über ihn zu wissen. Es war, als wäre da eine unsichtbare Mauer um ihn herum, wodurch er mich auf Abstand hielt.
Doch das konnte ich mir genauso gut einbilden. Ich hatte ja ein Talent dafür.
Wo ich mir allerdings hundertprozentig sicher war, war, dass ich ihn wiedersehen wollte. Ich wusste zwar nicht genau, ob das heute ein Date gewesen war, doch ich hatte definitiv nichts gegen ein Weiteres. Oder ein Erstes.
"So da wären wir", sagte Damon plötzlich und hielt den Wagen an, was mich überrascht nach draußen blicken ließ. Wir waren tatsächlich schon bei der Lockwood-Villa angekommen.
"Danke fürs Mitnehmen." Lächelnd blickte ich den Schwarzhaarigen an, welcher mir ebenfalls lächelnd zunickte. Ich war echt froh gewesen, kein Taxi nehmen zu müssen. Mein Vater hätte wieder einen Aufstand gemacht.
"Ich fand den Nachmittag sehr schön."
"Ich auch", erwiderte er und kurz blickte ich ihn überrascht an, ehe mir bewusst wurde, dass ich das gerade laut gesagt hatte. Wieder einmal froh, dass ich momentan nicht rot werden konnte, griff ich nach meiner Tasche im Fußraum, als mir noch etwas einfiel.
"Kann ich dich etwas fragen?" Ich blickte Damon direkt an, welcher die Augenbrauen hob.
"Ein bisschen spät, um um Erlaubnis zu bitten, oder?", fragte er und ich lachte leicht.
"Stimmt", murmelte ich, ehe ich kurz tief Luft holte, "Gehst du morgen zu dem Fest?"
"Welches Fest?", fragte er, grinste dabei aber leicht. Wahrscheinlich wusste er mal wieder genau, was ich von ihm wollte. Eine Eigenschaft von ihm, die äußerst unpraktisch war.
Schnell wich ich seinem amüsierten Blick aus, als ich mal wieder nervös wurde.
"Naja, morgen ist ja die Nacht des Kometen und die Stadt veranstaltet deswegen ein Fest. Eigentlich ziemlich öde. Man zündet eine Kerze an und beobachtet den Sternenhimmel." Kurz war es still und ich brauchte einen Moment, um den Mut zu fassen, ihm wieder in die Augen zu sehen. Unsere Blicke trafen sich und ich war mir nicht sicher, ob er überlegte oder mich einfach nur warten ließ. Sein Gesicht war eine undurchdringliche Maske.
"Ich bin mir sicher, dass wir uns dort sehen werden", antwortete er schließlich und ich konnte geradeso verhindern, wie eine Irre vor Freude aufzuschreien. Stattdessen lächelte ich nur und nickte.
"Okay", ich wandte mich leicht um und öffnete die Autotür, ehe ich mich nochmals zu ihm drehte, "Also dann... Gute Nacht, Damon."
"Gute Nacht, Zoey", erwiderte er und ich stieg aus, "Schlaf gut und träum süß." Ich schmunzelte und musste zugeben, dass der Name aus seinem Mund sogar ganz schön klang. Ich warf ihm noch einen letzten Blick zu, ehe ich die Autotür zuschlug und Richtung Haustür ging.
Es war zwar schon dunkel, doch wenn ich Glück hatte, war noch niemand daheim.
Leise schloss ich die Tür auf und schaute bevor ich eintrat noch dem wegfahrenden Oldtimer hinterher. Das Auto hatte echt Stil. Ich musste Damon unbedingt mal fragen, was das für ein Modell war...
Wenn ich ihn wiedersah.
Mein Herz flatterte aufgeregt bei diesem Gedanken.
Ich lehnte mich gegen die Haustür und lauschte kurz. Anscheinend war wirklich noch niemand daheim.
Erschrocken zuckte ich zusammen, als in diesem Moment mein Handy klingelte. Schnell zog ich es aus der Tasche und grinste als ich auf das Display sah, ehe ich den Anruf annahm.
"Elena, das glaubst du mir nicht!"
The Night Of The Comet
"Danke", sagte ich, als ein Mädchen ihre brennende Kerze an meine hielt, um sie ebenfalls anzuzünden. Sie lächelte mich kurz an, ehe sie weiterging, während ich meine Kerze mit beiden Händen umgriff und hörbar ausatmete. Immer wieder ertappte ich mich dabei, wie mein Blick suchend über die Menge glitt. Ich stand auf dem großen Platz direkt vor dem Grill und wartete wie alle anderen um mich herum auf den Kometen, der bald oben am Nachthimmel vorbeiziehen würde. Ihm zu Ehren hielt auch jeder von uns eine Kerze in der Hand. Jedoch interessierte mich der Komet momentan eher weniger. Es war ein gewisser schwarzhaariger Kerl, der mich beschäftigte.
Damon hatte gesagt, er würde kommen. Nur war er bisher noch nicht aufgetaucht.
Vielleicht hatte ich etwas missverstanden? Oder vielleicht hatte er es sich anders überlegt?
Ich seufzte leise.
Ich machte mir definitiv zu viele Gedanken.
"Und? Ist er hier?" Erschrocken fuhr ich zusammen, als Elena neben mich trat und mich angrinste.
"Nein", sagte ich und ein wehleidiger Ton schwang in meiner Stimme mit.
"Ach er kommt schon noch", sagte Elena zuversichtlich und ich sah sie leicht irritiert an.
"Seit wann bist du denn so optimistisch?", fragte ich nach, doch sie zuckte nur mit den Schultern.
"Ich bin halt neugierig", sagte sie lächelnd, "Er muss ja echt was Besonderes sein so wie du geschwärmt hast. Außerdem ist er Stefans Bruder-"
"Was eh schon beweist, dass er gut aussehen muss?", unterbrach ich sie und wir lachten beide leicht.
"Nein, das meinte ich nicht", sagte sie kopfschüttelnd, während sie ebenfalls begann sich suchend umzusehen, "Stefan scheint nur nicht gern über ihn zu reden. Ich habe schließlich nur durch dich erfahren, dass er überhaupt einen Bruder hat." Ich runzelte leicht die Stirn. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Stefan hatte ihn tatsächlich nie erwähnt.
"Vielleicht haben sie Streit", sagte ich und blickte meine beste Freundin direkt an.
"Ja...", murmelte sie und erwiderte meinen Blick, "Oder sie verbergen etwas." Ich lachte bei ihren letzten Worten.
"Ja genau! In Wahrheit sind sie Zombies, die uns bei der nächstbesten Gelegenheit das Gehirn aussaugen werden!" Nun lachte auch Elena.
"Man weiß ja nie", meinte sie, doch ich schüttelte den Kopf.
"Das wäre wenigstens mal ein interessanter Tod. Nicht wie ich: Dumm genug sein, um blindlings tief in einen Wald zu rennen, um dann von einem Tier angefallen zu werden." Ich erntete einen schmerzhaften Rippenstoß.
"Hey, das ist nicht witzig! Weißt du, was für eine Angst ich um dich hatte?", fragte Elena nun ernst und ich blickte kurz schuldbewusst zu Boden.
"Tut mir leid", murmelte ich und sah wieder auf, "Aber keine Sorge, du wirst mich noch lange genug ertragen, glaub mir." Damit brachte ich sie wieder zum Lächeln, ehe sie kurz darauf erneut ernst wurde, als ihr Blick auf etwas oder jemanden hinter mir fiel.
"Hast du eigentlich mit Jeremy darüber geredet?", fragte sie und ich folgte ihrem Blick und sah wie Jeremy aus dem Grill trat.
"Nein", seufzte ich und drehte mich wieder zu der Dunkelhaarigen, "Und ich habe auch keine Ahnung wie ich das anstellen soll." Ich musste unbedingt noch mit ihm reden. Ich wollte ihm klarmachen, dass das nichts mit uns werden konnte. Auch wenn er gestern im Krankenhaus super süß gewesen war, so war es ein anderer Mann, der meine Gedanken beherrschte. Und ich war nicht so ein Mädchen, das sich zwei Kerle warmhielt. Nein, definitiv nicht!
"Naja, ich schätze, egal wie du es machst, es wird ihm nicht gefallen", sagte Elena und zuckte erneut mit den Schultern.
"Wenigstens versuchst du nicht mich umzustimmen", sagte ich und sie lächelte verstehend.
"Ich durfte mir auch tausend Mal anhören, dass ich Matt noch eine Chance geben soll, obwohl ich keine Gefühle mehr für ihn hatte, also..."
"Hey Alie!", hörte ich es da hinter mir und ohne mich umzudrehen wusste ich bereits wer es war.
"Viel Glück", murmelte Elena und tätschelte kurz meinen Arm, ehe sie sich abwandte.
Jetzt ließ sie mich auch noch allein mit ihm?
"Feigling", murrte ich nur, ehe ich zu Jeremy drehte, der lächelnd auf mich zukam.
"Hey Jer", antwortete ich ihm, als er mich, ehe ich reagieren konnte, in eine Umarmung schloss, welche für meinen Geschmack auch etwas zu lange anhielt.
"Ich habe dich schon gesucht", murmelte er an meinem Ohr, bevor er sich leicht von mir löste, jedoch immer noch seine Arme um mich gelegt hatte. Definitiv zu viel Nähe!
"Jeremy...", begann ich da und versuchte ihn sanft von mir wegzuschieben, "Wir müssen reden."
Seine Miene wurde ernst und langsam ließ er mich los.
"Was ist?", fragte er nach und ich hörte die Unsicherheit in seiner Stimme. Ich biss mir auf die Lippe und überlegte, wie ich anfangen sollte.
"Ich will deine Frage von gestern beantworten", sagte ich schließlich und er sah mich verwirrt an.
"Frage?"
"Du wolltest wissen, ob ich dir noch eine Chance gebe", half ich ihm auf die Sprünge und sein Blick verdunkelte sich merklich.
"Und du tust es nicht, richtig?", fragte er und ich blickte zu Boden. Warum fühlte ich mich, als ob ich mit ihm Schluss machte, obwohl gar nicht in einer Beziehung waren?
Zögerlich blickte ich ihm wieder in die Augen.
"Ich... Ich...", stotterte ich nervös, ehe ich mich zusammenriss, "Ich will mit dir befreundet sein, Jeremy. Ich will mit dir Abende im Grill verbringen. Mit dir reden können, wenn ich Sorgen habe. Mit dir auf Evanescence-Konzerte gehen, die du dir nur mir zuliebe antust", er schmunzelte bei den letzten Worten leicht, doch ich sah, dass es seine Augen nicht erreichte, "Aber aus uns wird nie mehr werden können.... als Freunde." Entschuldigend blickte ich ihn an und wartete auf seine Reaktion. Jedoch starrte er mich einfach nur an, ohne dass sein Gesicht irgendeine Emotion zeigte.
"Wer ist er?", fragte er schließlich und ich spürte den Stich meines Gewissens in meinem Inneren.
"Wer?", fragte ich nach, obwohl ich wusste, wen er meinte.
"Wer ist der Kerl, in den du dich verliebt hast?", sagte er direkter und ich biss mir auf die Lippe. War ich so leicht zu durchschauen? Ich begegnete Jeremys Blick und sah seine Wut, die mir etwas Angst machte.
"Das hat gar nichts damit zu tun", versuchte ich ihn zu besänftigen, jedoch schien es eher das Gegenteil zu bewirken.
"Sicher", sagte er kopfschüttelnd, als er sich plötzlich von mir abwandte, "Vergiss es einfach." Damit ging er schnellen Schrittes davon.
"Jeremy!", rief ich und lief ihm ein paar Schritte nach, ehe ich es doch bleiben ließ.
Es würde ihm nicht helfen, egal was ich sagen würde.
"Unerwünschte Verehrer loszuwerden ist immer unangenehm", hörte ich es da plötzlich amüsiert hinter mir und fuhr erschrocken herum. Damon stand etwas entfernt von mir und musterte mich mit undefinierbarem Blick. Sofort lief ich rot an. Hatte er das Gespräch mit Jeremy etwa mit angehört?
"Du hast zugehört?", fragte ich unsicher nach und als er nickte, senkte ich beschämt den Blick. Das kam ja ganz toll rüber, dass ich kurz vor unserem ersten/zweiten Date mit einem anderen Schluss machte.
"Tut mir leid", murmelte ich und sah wieder auf als er zu mir trat, "Das solltest du nicht sehen."
"Alles in Ordnung", erwiderte Damon nur und lächelte schief, "Ich kenne solche Situationen selbst." Ich atmete erleichtert aus. Er war mir also nicht böse.
"Ja, du hast sicher schon etliche Verehrerinnen loswerden müssen", versuchte ich das Thema aufzulockern, als mir bewusstwurde, was ich da eigentlich gesagt hatte und mir erneut das Blut in die Wangen schoss. Ich hoffte, die Blutarmut ließ mein Gesicht nicht allzu sehr wie eine Tomate wirken.
Damon legte den Kopf leicht schräg.
"Ich nehme das mal als Kompliment", sagte er und grinste wieder. Ich lachte nervös.
"So in etwa war es auch gemeint", sagte ich und blickte auf die Kerze in meiner Hand.
Kurz herrschte Stille zwischen uns, als ich spürte, wie er dichter neben mich trat.
"Du solltest lieber in den Himmel anstatt auf deine Kerze schauen, sonst verpasst du den Kometen, wegen dem du mich hierher eingeladen hast", hörte ich ihn sagen und ich musste lächeln, als ich wieder aufblickte und in den Himmel sah.
Dort flog der Komet. Von meiner Perspektive aus war er nur ein kleiner weißer Fleck, der sich langsam vorwärtsbewegte, aber dennoch hatte es etwas seltsam Romantisches, wie er da zwischen den Sternen entlang flog.
"Darf ich?", fragte da Damon und ich sah ihn verwirrt an, "Da ich keine Kerze habe, muss ich mich wohl mit an deiner beteiligen." Ich spürte wie sich seine Hand langsam über meine, welche noch die Kerze hielt, legte, war jedoch nicht in der Lage mich von seinen blauen Augen zu lösen.
"Es sei denn, du hast etwas dagegen", fügte er leiser hinzu, worauf ich nur leicht den Kopf schütteln konnte. Ich wurde wieder Herrin meiner Sinne, als er den Blickkontakt brach und nach oben schaute. Ich hingegen sah auf unsere vereinten Hände und musste schwer an mich halten, mich nicht auch noch gegen ihn zu lehnen, auch wenn alles in meinem Körper danach schrie.
"Der Komet zieht alle 145 Jahre hier vorbei", murmelte Damon leise und riss mich damit aus meinen Gedanken. Langsam blickte ich wieder in den Sternenhimmel.
"Ja", sagte ich, "Ein nie endender Kreislauf."
"Du hast wirklich Glück ihn zu deinen Lebzeiten sehen zu können", erwiderte der Schwarzhaarige abwesend, worauf ich ihn irritiert ansah. Zu meinen Lebzeiten?
"Du meinst zu unseren?", fragte ich nach, was ihn zu mir blicken ließ. Kurz sah er mich mit einem leeren Blick an, ehe er ein paar mal blinzelte, als wäre er gerade ganz woanders gewesen.
"Ja natürlich. Zu unseren", stimmte er mir zu und wandte den Blick wieder Richtung Himmel, wirkte jedoch noch immer etwas abwesend. Besorgt musterte ich ihn und versuchte seinen Blick zu deuten.
War da Trauer?
"Damon...", setzte ich zögerlich an, als ich plötzlich unterbrochen wurde.
"Alie!", rief jemand und ich blickte zur Seite, wo ich Elena entdeckte, die auf mich zukam.
Ich unterdrückte ein Seufzen. Das Mädchen hatte noch nie ein gutes Timing.
"Ich will ja nicht stören, aber die anderen wollen jetzt ins Grill, etwas trinken. Kommst du mit?", fragte sie, doch ich sah ihren neugierigen Blick auf Damon und wusste genau, dass ihre Frage lediglich ein Vorwand war, um ihn aus der Nähe zu sehen. Jetzt entkam mir doch ein Seufzer.
"Elena...", begann ich gedehnt und zog mich widerwillig etwas von Damon zurück, "Darf ich vorstellen: Das ist Damon. Damon, das ist Elena." Ich machte eine ausladende Handbewegung und Damon, der sich offenbar wieder gefangen hatte, lächelte leicht als er Elena eine Hand reichte.
"Nett dich kennenzulernen. Ich habe schon viel von dir gehört", meinte er und Elena ergriff ebenfalls lächelnd seine Hand. Mit leichter Freude stellte ich fest, dass er ihr nur normal die Hand schüttelte. Also gab er nicht jeder Frau einen Handkuss.
"Ich wünschte, ich könnte das Gleiche sagen", erwiderte Elena, worauf Damon grinste.
"Ja, mein Bruder redet nicht gern von mir."
"Wieso eigentlich nicht?", fragte ich da neugierig, wohlwissend das Elena auch diese Frage auf der Zunge brannte.
"'Es liegt ihm nun mal nicht zu prahlen'", antwortete Damon jedoch nur und ich atmete genervt aus. Die Brüder schienen beide nicht gerne über ihr Verhältnis zu reden.
Schweigen legte sich über uns, welches Elena jedoch schnell wieder brach, bevor es unangenehm wurde.
"Also Alie...?", begann sie und sah mich fragend an, als mir ihre anfängliche Frage wieder einfiel.
"Naja. Eigentlich-", fing ich an, doch Damon unterbrach mich.
"Geh ruhig. Ich muss sowieso noch etwas erledigen." Unsicher blickte ich ihn an, ehe ich etwas nickte.
"Okay?", meinte ich nur, konnte jedoch den fragenden Unterton nicht unterdrücken.
"Es dauert nicht lange", sagte er und nahm meine Hand und küsste sie genauso wie gestern, "Ich bin so schnell es geht wieder da." Ich konnte nur nicken, da ich zu sehr damit beschäftigt war, meine Knie, welche zu Pudding geworden waren, vor dem Einknicken zu bewahren.
Damit ließ er meine Hand wieder los und ging mit einem letzten Lächeln in meine Richtung davon.
Elena blickte ihm kurz hinterher, ehe sie sich mit einem breiten Grinsen zu mir drehte.
"Du hattest recht", sagte sie und ich sah sie fragend an.
"Recht?"
"Ja", erwiderte Elena grinsend und hakte sich bei mir ein, "Er sieht gut aus." Daraufhin lachten wir beide.
***
"Und dann hat Tyler ihn so hart aus dem Feld gestoßen, dass er nicht mehr aufgestanden ist!", erzählte Matt und wir lachten, während Tyler neben mir nur die Augen verdrehte. Wir saßen zu sechst, also Tyler, Matt, Bonnie, Caroline, Elena und ich, an einem Tisch im Grill und unterhielten uns. Matt und Tyler waren gerade dabei irgendwelche Football-Geschichten zu erzählen, jedoch hörte ich nur mit halbem Ohr zu. Meine hauptsächliche Aufmerksamkeit lag auf der Tür. Damon war nun schon über eine halbe Stunde weg und so langsam machte ich mir Sorgen.
"Er kommt schon noch", flüsterte mir Elena, die meinen Blick wohl bemerkt hatte, zu und ich lächelte sie dankbar an.
"Wo ist eigentlich Stefan?", fragte ich, was die Braunhaarige nur mit den Schultern zucken ließ.
"Er hat sich heute Abend noch nicht blicken lassen", antwortete sie und ich legte eine Hand auf ihren Arm.
"Er kommt schon noch", wiederholte ich ihre Worte und sie schmunzelte.
"Wer kommt schon noch?", fragte Tyler da neugierig und ich blickte zu ihm.
"Das geht dich leider gar nichts an, Bruderherz", sagte ich und er hob die Augenbrauen.
"Wenn er sich mit dir trifft, geht's mich was an", sagte er und ich seufzte. Wehe sein übertriebener Beschützerinstinkt ruinierte mir die Sache mit Damon.
"Ich bin mal kurz zur Toilette", sagte ich bevor mein Bruder mich ausfragen konnte und erhob mich vom Tisch.
Im Bad angekommen blickte ich kurz in den Spiegel, dabei richtete ich mein Halstuch, welches die hässliche Bisswunde von dem Tierangriff verdecken sollte, da es etwas verrutscht war. Danach musterte ich mein Gesicht. Graue Augen blickten mir entgegen, die sich etwas gespenstisch von meiner sehr blassen Haut abhoben, was wohl einerseits am Neonlicht, andererseits an meiner Blutarmut lag. Normalerweise hatte ich nämlich immer eine gesunde Bräune auf der Haut. Mein Haar hatte ich heute ausnahmsweise geglättet, da meine Naturlocken sich anscheinend gedacht hatten extra durcheinander auszusehen, weil ich ja ein Date hatte. Durch die Glättung waren sie nun auch noch länger als ohnehin schon. Statt bis zur Taille reichten sie mir nun fast bis zur Hüfte.
Was sollte ich sagen? Ich hatte eine Schwäche für langes Haar. Elena meinte immer es wäre ihr zu viel Arbeit, weswegen sie es nur bis knapp über die Schultern trug, doch mir persönlich war das viel zu kurz.
Ich unterbrach meinen Gedankengang als mein Blick auf das Waschbecken fiel, auf welchem eine rote Flüssigkeit klebte. Unsicher berührte ich sie.
War das Blut? War hier jemand verletzt oder angegriffen worden?
Schnell schüttelte ich den Kopf und wusch mir die Hände. Das war sicher nur ein bescheuerter Streich.
Diesen Gedanken beiseiteschiebend verließ ich die Damentoilette wieder und ging zurück zu meinem Tisch nur um überrascht stehen zu bleiben. Jeremy war an diesen nämlich gerade herangetreten und hatte mich anscheinend noch nicht gesehen. Schnell sah ich mich nach einer Fluchtmöglichkeit um, als ich ihn reden hörte.
"'Hey hat einer von euch Vicky gesehen? Ich finde sie nirgendwo'", fragte er und sah die anderen am Tisch fragend an.
"Suchst jetzt eine Neue, die du stalken kannst, Gilbert?", fragte Tyler spöttisch, "Hat meine Schwester dich endlich abserviert?" Ich verengte verärgert die Augen und normalerweise wäre ich dazwischen gegangen, jedoch irritierte es mich etwas, dass Jeremy nach Vicky suchte. Die beiden hatten doch nie etwas miteinander zu tun gehabt, oder? Zumindest hatte Jeremy das immer gesagt.
"Halt die Klappe!", erwiderte Jeremy und Wut schwang in seiner Stimme mit.
"Tut mir leid, Pillenverticker. Sie hat wohl doch eingesehen, dass nicht gut genug für sie bist", provozierte Tyler weiter, doch meine Aufmerksamkeit lag auf seinen ersten Worten. Er nannte ihn Pillenverticker? Hieß das etwa…
"'Wieso Pillenverticker?'", fragte auch Elena und sah erschrocken zwischen Tyler und Jeremy hin und her.
"'Frag ihn'", sagte Tyler nur und Jeremy trat bedrohlich einen Schritt auf ihn zu.
"'Du willst unbedingt Feindschaft?! Gut von mir aus!'", rief er, während ich langsam die Arme verschränkte. Was lief hier?
"Du dealst?", fragte Elena ungläubig, was Jeremy jedoch ignorierte.
"Sieh es ein, Gilbert", sagte Tyler, "Nathalie hat es nicht getan und auch Vicky wird es nie mit dir machen."
"'Das hat sie schon!'", rief Jeremy aus und ich riss geschockt die Augen auf, "'Und zwar immer und immer wieder!'" Das konnte doch nicht wahr sein! So ein verlogener Mistkerl!
"Was?", fragte ich nach und alle Blicke schnellten zu mir. Jeremy selbst brauchte wohl einige Sekunden, um die Situationen zu realisieren, während seine Hand zu seinem Mund schnellte, als könnte er so das Gesagte zurücknehmen.
"Alie-", fing er an, doch ich unterbrach ihn.
"Du hast mit Vicky geschlafen?! Mehrmals?! Während du versucht hast, mich zurückzugewinnen?!" Jeremy blickte mich nur sprachlos an. Anscheinend wusste er nicht, was er sagen sollte.
"Ist das wahr?", fragte Elena scharf und auch die anderen begannen zu tuscheln.
"Also du hast Vicky Donovan Alie vorgezogen?", fragte Caroline ungläubig, was mich nur die Augen verdrehen ließ, "Also du findest Vicky Donovan attraktiver als Alie?"
"So war es nicht! Ich…", rief Jeremy kopfschüttelnd, als ich mich auch schon abwandte und durch die Tür nach draußen lief. Ich würde mir bestimmt nicht schon wieder seine Ausreden anhören. So ein verdammter Heuchler! Mir vorwerfen jemand anderen kennengelernt zu haben, aber Hauptsache mit einer anderen ins Bett steigen!
"Alie!", hörte ich Elena hinter mir rufen und blickte kurz über die Schulter. Als ich sah, dass sie allein war, blieb ich auch stehen, "Es tut mir so leid." Mitleidig sah sie mich an, was mich jedoch nur mit den Schultern zucken ließ.
"Was soll's", sagte ich, "Immerhin weiß ich jetzt, dass meine Entscheidung richtig war." Elena seufzte leicht.
"Ja…", sagte meine beste Freundin leise, "Ich hätte ihm sowas auch nicht zugetraut. Ich meine, ich erkenne ihn gar nicht mehr wieder", sie blickte kurz zu Boden, ehe sie wieder aufsah und aufmunternd lächelte, "Naja… lass dir davon nicht den Abend verderben! Nimm das hier und warte auf den hoffentlich besseren Kerl." Sie hielt mir eine Bierflasche hin, welche ich zögerlich annahm.
"Danke dir", sagte ich und nippte etwas an der Flasche.
"Langsam trinken!", warnte Elena mit erhobenem Finger und ich schmunzelte. Ich vertrug eigentlich kein Bier und das wusste sie. Aber gerade konnte ich es gut gebrauchen und auch das wusste sie.
"Ich gehe wieder rein und sehe, ob ich Matt bei der Suche nach Vicky helfen kann. Keiner weiß, wo sie steckt", sagte Elena und ich hob die Augenbrauen.
"Bin ich ein schlechter Mensch, wenn ich hoffe, dass sie von einem Bus überfahren worden ist?", fragte ich und Elena lachte etwas.
"Zumindest solltest du es nicht laut sagen", sagte sie kopfschüttelnd, ehe sie sich abwandte und wieder ins Grill ging. Ich lief währenddessen zurück auf den großen Platz, wo vorhin noch alle den Kometen beobachtet hatten. Jedoch war nun keine Menschenseele mehr hier.
Wahrscheinlich waren alle feiern gegangen oder so.
Langsam ließ ich mich auf einer Parkbank nieder und nahm einen großen Schluck von meinem Bier.
Das mit Jeremy regte mich noch immer auf. Ich wollte gar nicht wissen, was passiert wäre, hätte ich mich auf ihn eingelassen. Hätte er dann weiterhin mit Vicky geschlafen?
Mir wurde schlecht bei dieser Vorstellung und ich verzog das Gesicht, als ich noch einen großen Schluck aus meiner Flasche trank. Dabei spürte ich bereits wie der Alkohol langsam in meinen Kopf stieg.
Wie gesagt, Bier vertrug ich absolut nicht.
A Nightwalk
Bestimmt schon eine viertel Stunde saß ich auf dieser Parkbank und trank das Bier, das Elena mir gegeben hatte. So langsam fragte ich mich, wann Damon endlich kommen würde. Schließlich saß ich hier nur, weil ich auf ihn wartete. Ich blickte gen Himmel, wo noch immer der Komet zu sehen war, auch wenn er sich seit dem letzten Mal schon ein gutes Stück fortbewegt hatte.
"Hier bist du." Ich fuhr erschrocken zusammen und blickte hinter mich. Damon stand dort und lächelte mich schief an.
"Hey", sagte ich leise und wie von allein erschien ein Lächeln auf meinem Gesicht. Ich hatte schon fast befürchtet, er würde gar nicht mehr kommen.
"Ich hatte erwartet dich drinnen zu finden", sagte der Schwarzhaarige, als er auf mich zu kam und sich neben mich auf die Bank setzte.
Ich schmunzelte und trank etwas von meinem Bier, welches inzwischen nur noch halb voll war.
"Tja, hättest du meine Nummer, hättest du mich anrufen und fragen können, wo ich bin", sagte ich lächelnd und verdankte wahrscheinlich allein dem Alkohol, dass ich den Mut für diesen Satz hatte.
"Dazu müsstest du mir deine Nummer geben", erwiderte Damon belustigt und ich sah ihn kurz überrascht an, ehe ich mich wieder fing. Das war ja einfach.
"Dann gib mir dein Handy", sagte ich und streckte fordernd die Hand aus, was ihn schmunzelnd in seine Jackentasche greifen ließ, ehe er mir sein Telefon in die Hand drückte. Es war ein IPhone, jedoch hatte ich keine Ahnung welches, was mir aber auch egal war.
Ich entsperrte es ohne, dass ein Passwort verlangt wurde.
"Mutig", bemerkte ich und er zuckte mit den Schultern.
"Ich habe keine dunklen Geheimnisse darauf versteckt, also…", sagte er amüsiert und ich lachte etwas, während ich meine Nummer einspeicherte.
"Wo denn sonst?", fragte ich und er blickte mich direkt an.
"Finde es doch heraus", sagte er und lächelte mich kokett an, was tausende Schmetterlinge in meinem Bauch zu entfachen schien. Schüchtern erwiderte ich sein Lächeln und gab ihm das Handy zurück, als ich plötzlich jemanden nach mir rufen hörte und aufsah.
"Wie es scheint, sucht da jemand nach dir", bemerkte Damon und wie er blickte ich in Richtung Grill, wo Tyler gerade herausgetreten war und meinen Namen rief.
"Oh nein", sagte ich kopfschüttelnd und sprang auf. Dabei griff ich, ohne darüber nachzudenken, Damons Hand und zog ihn ebenfalls auf die Füße.
"Komm mit!", bat ich ihn, während ich ihn schon wegzog, bevor mein Bruder die Chance bekam, uns zu sehen.
"Wieder ein unerwünschter Verehrer?", fragte Damon, als wir uns etwas entfernt hatten, und sah mich mal wieder amüsiert an. Ich seufzte nur.
"Nein, von denen habe ich erstmal die Nase voll. Das war gerade mein Bruder aka Mr. Ich-bringe-jeden-Kerl-um-der-meiner-Schwester-zu-nahe-kommt", erklärte ich und Damon lachte auf.
"Danke für deine Sorge, aber ich bin mir sicher, dass ich mich zur Wehr setzen kann", sagte er und ich seufzte erneut.
"Daran habe ich auch keinen Zweifel, jedoch lasse ich bestimmt nicht zu, dass mein Bruder das zwischen uns mit seiner bescheuerten Art einfach kaputt macht", murmelte ich, als mir bewusstwurde, was ich gerade gesagt hatte.
"Das zwischen uns?", fragte Damon nach und diesmal lag keine Belustigung in seiner Stimme.
Verdammt! Verdammt! Verdammt! Ich hätte das Bier nicht trinken sollen! Der Alkohol ließ mich zu viel Unbedachtes sagen.
"Ja… ähm… also…", stotterte ich leicht, während ich zu Boden starrte, als mir ein rettender Themawechsel einfiel, "Wo warst du eigentlich vorhin?" Ich sah zu Damon auf, welcher den Blick geradeaus auf den Gehweg gerichtet hatte, auf dem wir entlangliefen.
"Das ist nicht so wichtig", blockte er ab und ich schluckte. Hatte ich ihn jetzt mit meinem gedankenlosen Geplapper verschreckt?
"Musstest du etwa auch mit einer unerwünschten Verehrerin Schluss machen?", versuchte ich die Stimmung aufzulockern und tatsächlich lächelte er etwas.
"Nein", antwortete er kopfschüttelnd und ich beließ es dabei. Anscheinend wollte er nicht darüber reden. Vielleicht hatte es etwas mit Stefan zu tun?
Egal! Wir mussten auf ein anderes Thema kommen!
"Wie viele Exfreundinnen hast du eigentlich?", fragte ich da und leicht perplex blickte Damon mich an, "A-also, ich meine, die, wo es dir wirklich ernst war?", fügte ich leicht verunsichert hinzu und ich sah wie sein Blick sich merklich verdunkelte. Genauso wie vorhin, als er so still geworden war.
Bravo, Nathalie! Du hast anscheinend einen verdammt wunden Punkt getroffen!
Damon wandte den Blick von mir ab und schwieg nur, dabei merkte ich, dass sich sein Griff um meine Hand, welche er zu meiner Überraschung noch immer festhielt, leicht verfestigte. Er war angespannt. Anscheinend hatte ich wirklich ein unangenehmes Thema erwischt.
"Tut mir leid", sagte ich schließlich zögerlich, "Du musst es mir nicht sagen, wenn du nicht willst. Ich war nur neugierig und-"
"Nein, schon gut", unterbrach er mich und blickte mich wieder an, "Es gab bisher…", er zögerte kurz, "Zwei Frauen, mit denen es mir ernst war."
Ungläubig sah ich ihn an. Das waren weniger als ich erwartet hatte. Na gut, ich hatte ja auch nur nach ernsten Beziehungen gefragt.
"Wie seid ihr auseinandergegangen?", fragte ich nach ohne zu Überlegen und biss mir danach sofort schmerzhaft auf die Lippen. Ich sollte das Thema nicht vertiefen, wenn es ihm unangenehm war. Unsicher blickte ich ihn an, während er wieder nur stur geradeaus sah.
Er holte tief Luft und für einen kleinen Moment, als er seine Gesichtszüge wohl nicht ganz unter Kontrolle hatte, sah ich Trauer. Die gleiche, welche ich vorhin schon gemeint hatte zu sehen.
"Sie sind tot", sagte Damon da, "Beide." Ich hielt kurz den Atem an.
"Was?", fragte ich geschockt und blieb stehen. Da er meine Hand festhielt, war er gezwungen es mir nachzutun. Jedoch vermied er es mehr als nur offensichtlich, mich anzusehen.
"Sie sind gestorben", wiederholte er und ich konnte nur entsetzt den Kopf schütteln. Wie mies konnte das Schicksal denn sein? Er verliebte sich in zwei Frauen und beide starben?
Ein Wunder, dass er es überhaupt noch versuchte und noch nicht an Depressionen erkrankt war.
"Damon", sagte ich leise und trat an ihn heran, während ich meine freie Hand an seine Wange legte, "Das tut mir so leid." Bei diesen Worten sah er mich doch an und es schien als würde er für ein paar Sekunden seine kühle Maske fallen lassen und mir seine Gefühle zeigen.
Seine Mundwinkel hoben sich minimal zu einem dankbaren Lächeln, während er seine eigene freie Hand über meine auf seiner Wange legte. In diesem Moment hätte ich alles dafür gegeben, ihn einfach zu küssen. Jedoch wäre es nicht richtig gewesen. Nicht jetzt, wo er sich mir zum ersten Mal öffnete und seine Gefühle preisgab.
Mit diesen Gedanken beließ ich es bei einem aufmunternden Lächeln, ehe ich mich etwas von ihm zurückzog und meine Hand von seiner Wange nahm. Dabei schien auch er wieder zu sich zu kommen und mit etwas Wehmut sah ich, wie seine Miene sich mir wieder verschloss.
"Es ist schon lange her", sagte er schließlich und lächelte, jedoch erreichte es seine Augen nicht, "Ich komme damit klar."
Ich nickte leicht, als wir uns wieder in Bewegung setzten und weiter der Straße folgten, jedoch glaubte ich ihm das nicht im Geringsten.
"Erzähl mir von ihnen", sagte ich sanft und er warf mir einen ungläubigen Blick zu.
"Ich denke nicht, dass du etwas von Frauen hören willst mit denen ich… naja", sagte er etwas belustigt, doch ich schüttelte nur lächelnd den Kopf.
"Sie sind ein wichtiger Teil deines Lebens. Und ich würde gern mehr von dir erfahren, auch wenn du das nicht zulassen willst." Tadelnd blickte ich ihn an und er hob überrascht die Augenbrauen.
"Ist das so offensichtlich?", fragte er und grinste schief.
"Nein, aber jetzt habe ich meine Bestätigung. Danke", sagte ich ebenfalls grinsend, ehe wir beide lachten. Erleichtert blickte ich ihn an.
Er war wohl wieder er selbst.
"Also was willst du wissen?", fragte Damon und nun war ich überrascht. Es fiel ihm plötzlich so leicht darüber zu reden? Also entweder schien er mir zu vertrauen oder er wollte es einfach nur schnell hinter sich bringen.
"Erzähl mir was du willst", sagte ich, "Wie hießen sie? Wie sahen sie aus? Wie war ihr Charakter?" Neugierig blickte ich ihn an und sah zu, wie ein Lächeln auf seinem Gesicht erschien, als er sich erinnerte.
"Katherine ist-", er räusperte sich kurz, " …war kompliziert. Vom Äußeren her wunderschön und begehrenswert. Sie wirkte für mich und wahrscheinlich auch jeden anderen Mann unerreichbar. Charakterlich war sie etwas schwierig. Sie war sehr selbstsüchtig und egoistisch, doch zeitgleich auch sexy und verführerisch. Ich kann bis heute nicht sagen, was mich zu ihr hingezogen hat, aber…", er hielt inne und ich lächelte verstehend.
"Du hast dich verliebt", half ich ihm und er nickte, offenbar ganz in Gedanken versunken.
"Mit Eveline war es vollkommen anders", fuhr er fort und die Art und Weise, wie er den Namen aussprach schien viel intensiver zu sein, als bei Katherine, "Sie war… wie ein Engel. Freundlich, hilfsbereit, gütig, ehrlich… Jedoch war sie auch sehr schüchtern und still. Es war immer sehr schwierig ihre eigene Meinung zu hören, da sie es gewohnt war, das zu sagen, was man von ihr hören wollte."
"Klingt nach dem kompletten Gegenteil von Katherine", bemerkte ich und er nickte.
"Das war sie auch", murmelte Damon, als er mich direkt ansah mit einem undefinierbaren Blick, "Du erinnerst mich sehr an sie", sagte er leise und es schien, als hätte es ihn viel Überwindung gekostet, das zu sagen.
"An Eveline?", fragte ich überrascht und er nickte leicht. Ich kam nicht umhin etwas geschmeichelt zu sein, immerhin verglich er mich mit einer Frau, die er als Engel bezeichnet hatte. Und die er geliebt hatte.
"Sehe ich ihr ähnlich?", fragte ich nach und er nickte erneut, ohne den Blick von mir abzuwenden.
"Äußerlich zumindest. Es ist schon fast etwas Angst einjagend", sagte er und lächelte etwas, doch ich sah ihn nur mitleidig an. Das musste furchtbar für ihn sein. Eine Frau ansehen zu müssen, die seiner verstorbenen Freundin sehr ähnlich sah.
"Das muss schlimm sein", sprach ich meine Gedanken aus, was sein Lächeln deutlicher werden ließ.
"Es ist okay. Du siehst ihr vielleicht äußerlich ähnlich, doch vom Wesen her scheinst du vollkommen anders zu sein", sagte er und ich war mir unsicher, ob das positiv oder negativ gemeint war.
"Ist das eine Beleidigung oder ein Kompliment?", fragte ich scherzhaft und er schmunzelte.
"Ein Kompliment", antwortete er, "Ich bin froh, dass du anders bist, als sie es war."
"Und ich bin froh, dass du trotz diesem Verlust weitermachst", erwiderte ich, woraufhin er mich fragend ansah, "Ich meine, du hast zwei Menschen verloren, die dir sehr nahe standen, aber trotzdem lässt du es hinter dir und lebst weiter ohne weiterhin auf sie fixiert zu sein."
Daraufhin schwieg er und richtete seinen Blick wieder nach vorne, was ich ihm gleichtat.
Ich hätte nie gedacht, dass es so einfach sein würde, offen und ehrlich mit ihm über unangenehmere Themen zu sprechen. Und vor allem hätte ich nicht erwartet, dass er so leicht seine Mauer fallen lassen würde. Zugegeben er hatte es nur kurz getan, aber dennoch…
"Hmm, wie es aussieht, musst du heute nicht nach Hause gefahren werden", sagte Damon plötzlich und ich sah auf. Vor uns stand die Lockwood-Villa.
Waren wir echt so weit gelaufen?
"Oha", murmelte ich perplex, ehe ich mich verlegen zu Damon drehte, "Ich hoffe, du hast nicht beim Grill geparkt?" Entschuldigend sah ich ihn an, doch er grinste nur schief.
"Schon gut. Ich muss nur ein Stück zurücklaufen", sagte er und ich nickte erleichtert.
"Gut", sagte ich und wir liefen das letzte Stück zu meiner Haustür, vor welcher wir schließlich zum Stehen kamen.
Langsam drehte ich mich zu Damon um, welcher mich mal wieder mit unlesbarem Blick musterte.
"Also…", sagte ich leise, ohne zu wissen, was ich eigentlich sagen wollte.
"Also?", erwiderte Damon und ich lächelte.
"Es war schön heute, auch wenn… naja, die Themen etwas trauriger waren", sagte ich und Damon erwiderte mein Lächeln.
"Du bist die erste Frau, die sich je für meine Trauer interessiert hat. Die einzige, die mir zugehört hat. Also ja. Ich fand es auch schön", erwiderte er und unsere Blicke trafen sich wie vorhin schon einmal und erneut schien es so als würde er mir für einen kurzen Augenblick seine Gefühle zeigen. Doch diesmal war da keine Trauer, sondern irgendwas anderes, was ich nicht richtig einordnen konnte.
"Damon…", hauchte ich leise, als ich spürte wie er mir langsam näherkam. Ich verlor mich in seinen Augen und spürte schon fast seinen warmen Atem auf meinem Gesicht, als plötzlich mit einem lauten Klick hinter mir, die Haustür aufging und ich unsanft aus diesem Moment erwachte. Es war, als hätten man mich mit kaltem Wasser überschüttet.
"Ach du bist das, Schätzchen!", hörte ich die Stimme meiner Mutter und ich schloss kurz die Augen.
Wieso jetzt, verdammt nochmal?!
Mit aufgesetztem Lächeln drehte ich mich zu ihr, während Damon einen Schritt von mir zurücktrat.
"Ist alles in Ordnung?", fragte meine Mutter skeptisch und blickte neugierig auf Damon. Sie dachte sich jetzt bestimmt sonst was.
"Ja, Mom", sagte ich bemüht ruhig, "Alles gut. Du kannst wieder reingehen. Ich komme gleich."
Gott sei Dank verstand sie den Wink mit dem Zaunpfahl und lächelte mich kurz verschmitzt an, ehe sie die Tür wieder schloss.
Ich atmete hörbar aus. Den Moment hatte sie ja toll zerstört.
"Ich sollte langsam gehen", hörte ich da Damon hinter mir sagen und ich fuhr zu ihm herum. Er lächelte entschuldigend, ehe er sich leicht vorbeugte.
"Ich wünsche dir süße Träume, Zoey", sagte er, als er meine Hand nahm und sie sanft küsste. Ich spürte wie Enttäuschung in mir hochstieg und konnte nur etwas nicken, als er sich von mir abwandte und die Treppe hinunter Richtung Straße ging. Kurz sah ich ihm wie erstarrt hinterher. Das war es also gewesen?
Doch dann durchfuhr es mich wie ein Blitzschlag: So würde ich ihn nicht gehen lassen!
"Damon!", rief ich aus und er blieb stehen, ehe er sich halb zu mir drehte, "Ich weiß, dass wir uns noch nicht lange kennen und… und dass für sowas wahrscheinlich viel zu früh ist, aber…", als würden meine Worte ihm Stromschläge verpassen, drehte er sich plötzlich komplett zu mir und kam schnellen Schrittes auf mich zu, "Ich will nur… Ich will…", versuchte ich weiterzusprechen, als er bei mir ankam, eine Hand um meine Hüfte legte, um mich an sich heranzuziehen, ehe ich seine Lippen auf meinen spürte.
Mir blieb die Luft weg, als von dem Punkt, wo er mich berührte, ein glühendes Feuer quer durch meinen Körper zu schießen schien, welches in einem riesigen Gefühlsfeuerwerk in meinem Bauch endete.
Ich schlang die Arme um seinen Hals und war kaum in der Lage, die Leidenschaft, welche er mir mit diesem Kuss entgegen schleuderte, im gleichen Maße zu erwidern. Ich spürte, wie sich seine freie Hand auf meine Wange legte, während er mich mit der anderen noch dichter an sich heranzog.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, als wir beide nicht mehr genug Luft hatten, löste wir uns schließlich schwer atmend voneinander, wobei Damon lediglich von meinen Lippen abließ mich aber dennoch weiterhin festhielt.
"Wow", entwich es mir und er lächelte sanft.
"Ich sehe dich morgen", sagte er leise und ich hörte, dass seine Stimme leicht heiser war. Langsam löste er sich von mir, ehe er sich diesmal wirklich zum Gehen wandte und mir einem letzten Blick über die Schulter zuwarf.
Ich stand noch immer dort, wo er mich zurückgelassen hatte und versuchte krampfhaft mich zu beruhigen. Dabei strich ich zitternd mit meinen Fingern über meine Lippen.
Man hatte mir ja immer gesagt, dass der erste Kuss etwas Besonderes sein würde, aber verglichen mit dem, was gerade passiert war, war das die Untertreibung des Jahrhunderts!
-Damons Sicht-
Schnell lief er die Straße entlang, ehe der Schwarzhaarige um eine Ecke bog, wo er sich in einer leeren Gasse wiederfand. Damon atmete tief durch, als auch schon das Blut in seine Augen schoss und sie sich blutrot färbten.
Er hatte sich eben schwer zusammenreißen müssen, damit Nathalie ihn nicht so sah. Der Hunger brannte ihm in der Kehle, welcher bei dem Kuss ohne Vorwarnung entstanden war.
Damon lehnte sich seufzend gegen, eine Hauswand neben ihm und bekam sein Gesicht mit Mühe wieder unter Kontrolle.
Das Verlangen nach Blut ging leider nur allzu oft einher mit dem Verlangen nach anderen Dingen. Dinge, die der Kuss und die vorherigen Worte dieses Mädchens in ihm ausgelöst hatten.
Damon schüttelte leicht den Kopf. Wieso hatte er das zugelassen? Er hatte sie doch nur kennenlernen wollen. Sich klarmachen wollen, dass sie nicht Eveline war.
Nun, sein Plan war aufgegangen. Sie war für ihn nicht länger seine verstorbene Verlobte. Zwar sah er ab und an noch Ähnlichkeiten in ihren Bewegungen, Ausdrucksweisen und Ähnlichem. Doch dennoch war dieses Mädchen für ihn einfach nur noch Nathalie.
Womit er jedoch nicht gerechnet hatte, war, dass der Drang sie zu töten zeitgleich mit ihrer Ähnlichkeit zu Evie verschwunden war. Er wollte und konnte sie nicht mehr verletzen, im Gegenteil er hatte sogar fast den Wunsch sie zu beschützen.
Was war der Grund dafür?
Damon seufzte erneut und fuhr sich durch sein Haar. Diese Frage konnte er sich selbst beantworten.
Er mochte sie.
Das hatte sie ihm heute wieder und wieder gezeigt. Sie strahlte so viel Wärme und Vertrauen aus, dass er sie an sich herangelassen hatte, ohne es überhaupt zu merken. Sie hatte ihm zugehört, ohne ihn zu verurteilen oder gelangweilt zu wirken. Damon lächelte etwas.
Sie war wirklich eine seltene Art von Mädchen. Die Art in die er sich sogar verlieben könnte.
Damon schüttelte schnell den Kopf. Soweit durfte es nicht kommen!
Er hatte Katherine. Wegen ihr war er überhaupt hier. Und er würde sie nach 145 Jahren bestimmt nicht wegen einem Menschen aufgeben.
Die Miene des Schwarzhaarigen verhärtete sich wie Stein.
Bis er Katherine hatte, würde Nathalie eine nette Ablenkung sein. Mehr aber auch nicht.
Sie war ein Mensch und es somit nicht wert.
Mit diesen Gedanken wandte Damon sich ab und verschwand in übermenschlicher Geschwindigkeit in die Nacht.
Es wurde Zeit, sich sein Abendessen zu besorgen.
Er kam auf dem Parkplatz beim Grill zum Stehen und grinste leicht.
Vielleicht etwas Blondes…
Dinner
"Bonnie…", seufzte ich und sah meine Freundin, welche gerade ihr rechtes Bein dehnte, zweifelnd an.
"Ich sage nur, du solltest vorsichtig sein! Du kennst ihn doch noch gar nicht so richtig", sagte die Dunkelhaarige und ich seufzte erneut. Seit ich Bonnie und Elena erzählt hatte, dass ich seit vorgestern offiziell mit Damon zusammen war (und Elena nun auch mit Stefan), war Bonnie in einem merkwürdigen Beschützermodus. Sie warnte Elena und mich die ganze Zeit, dass wir aufpassen mussten, weil mit den Brüdern irgendetwas nicht stimmte.
"Ich kenne ihn gut genug und auf jeden Fall besser als du. Ich meine, du hast ihn doch noch nicht einmal gesehen!", sagte ich leicht belustigt, doch Bonnie blieb ernst.
"Ich meine ja nur", murmelte sie, was mich nur den Kopf schütteln ließ, ehe ich aufstand und ebenfalls meine Beine dehnte. Das war mein erstes Cheerleadertraining nach den Sommerferien und ich hoffte, dass Caroline Gnade walten lassen würde, wenn ich einige Figuren noch nicht hundertprozentig konnte. Apropos Caroline. Ich hatte sie heute den ganzen Tag noch nicht gesehen und ans Handy ging sie auch nicht. Hoffentlich war nichts passiert.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich hinter mir ein Räuspern hörte, und drehte mich um.
"Elena?", fragte ich ungläubig, als meine beste Freundin grinsend auf uns zulief.
"Oh mein Gott! Du hier?", fragte Bonnie ebenfalls überrascht, als ich Elena auch schon umarmte.
Sie hatte seit dem Tod ihrer Eltern nicht mehr mit uns trainiert.
"'Ich kann nicht bis in alle Ewigkeit rumtrauern!'", sagte Elena und löste sich von mir, "'Du kannst nur zur Normalität zurückfinden, wenn du normale Dinge machst!'", damit begann sie ebenfalls sich zu dehnen, "'Und übrigens ihr beide kommt heute Abend zum Essen!'", fügte sie noch hinzu und ich hob leicht die Augenbrauen.
"Ach?", fragte ich zeitgleich mit Bonnie und kurz grinsten wir uns an.
"Jep! Damit du Stefan und Damon besser kennenlernst!", antwortete Elena an Bonnie gewandt, ehe sie zu mir sah, "Du bringst ihn heute Abend mit, Alie!" Ich sah sie perplex an. Sonst war Caroline die, mit dem Befehlston.
"Ähm… Sir, ja, Sir?", erwiderte ich und Elena lachte leicht.
"Entschuldige, ich meine natürlich, ob du fragst, ob er Lust hat", sagte sie und ich grinste.
"Hat er bestimmt", sagte ich nickend.
"Heute ist ungünstig", sagte da Bonnie, die ihr Gesicht zu einer leidenden Miene verzogen hatte.
"Jetzt gib den beiden doch wenigstens eine Chance!", sagte Elena verärgert.
"'Habt ihr Caroline gesehen? Sie antwortet auf keine SMS'", versuchte Bonnie jedoch nur abzulenken und ich verdrehte die Augen.
"Bonnie!", sagte ich mahnend und sie sah mich flehentlich an.
"'Du kannst das Thema wechseln so viel du willst, Bonnie Bennet! Du kommst heute Abend!'", verkündete Elena und Angesprochene seufzte aufgebend.
"Na gut. Ich komme", murrte sie und Elena grinste.
"Gut", nickte sie zufrieden und gemeinsam setzten wir uns wieder auf die Wiese. Damit beendeten wir das Aufwärmen und vielleicht zehn Minuten später, stieß Caroline zu uns.
"Hey Leute!", grüßte sie die Gruppe und ich hob die Augenbrauen als ich sah, dass sie einen Schal trug. Es waren doch gefühlte dreißig Grad! Und Sport machten wir auch noch! Und da trug sie ernsthaft einen Schal?
"'Tut mir leid, dass ich zu spät bin, ich war beschäftigt. Also in fünf Minuten fangen wir an!'", erklärte die Blonde und ich wechselte einen Blick mit Bonnie und Elena.
"Sie war beschäftigt?", fragte ich skeptisch, "Und diese Sache war wichtiger als der heutige Unterricht?"
"Vielleicht hatte sie ja gestern Abend ein Date", mutmaßte Elena, doch Bonnie hob die Augenbrauen.
"Der letzte Kerl hinter dem sie her war, war Stefan. Ich glaube nicht, dass sie so schnell jemand neuen gefunden hat", sagte die Schwarzhaarige kopfschüttelnd und ich verzog etwas das Gesicht.
"Damon würde auch gut in ihr Beuteschema passen, aber ich hoffe, dass sie ihn in Ruhe lässt", murmelte ich und ein ungutes Gefühl stieg in mir hoch, welches sich jedoch verflüchtigte, als ich hinter mir das laute Heulen eines Motors hörte. Ich blickte hinter mich und sah einen mir nur allzu bekannten Oldtimer die Straße entlang fahren, welcher in der Einfahrt zu unserer Trainingswiese zum Stehen kam.
"Wow", murmelte Elena und ich warf ihr einen ungläubigen Blick zu. Was wollte Damon denn hier?
"Wer ist das denn?", hörte ich Bonnie fragend, während ich mich langsam aufrichtete, als Damon ausstieg und geradewegs auf mich zu kam. Dabei sah er mit seiner schwarzen Kleidung und der Sonnenbrille, die er trug, fast aus wie ein Rockstar, der über den roten Teppich an seinen Fans vorbeilief. Kurz gesagt, er sah aus wie der Mann von dem alle Mädchen träumten. Und dieser Mann lief direkt auf mich zu.
Ein freudiges Flattern durchfuhr mich bei diesem Gedanken.
"Hallo Schönheit", sagte Damon da und kam direkt vor mir zum Stehen, während er die Sonnenbrille absetzte.
"Hi", gab ich schüchtern zurück, als ich alle Blicke auf mir spürte. Ich hasste es im Mittelpunkt zu stehen!
"Was machst du denn hier?", fragte ich leise, während ich versuchte die Blicke zu ignorieren, und Damon grinste schief.
"Ich wollte dich sehen", sagte er als wäre es selbstverständlich und sein Blick wanderte kurz über meinen Körper, "Und es hat sich gelohnt, wenn ich mir dein Outfit so anschaue." Ich spürte wie ich rot anlief und senkte den Blick. Es machte ihm offenbar gar nichts aus, dass hier lauter andere gutaussehende Mädchen standen und hörten, wie er mit mir flirtete.
"Damon…", murmelte ich tadelnd und schüttelte den Kopf. Dabei musste ich trotzdem etwas lächeln. Die meisten Mädels hatten sich in der Zwischenzeit Gott sei Dank wieder abgewandt und unterhielten sich wieder, auch wenn Damon und ich wohl jetzt das Topthema waren.
"Was?", fragte Damon gespielt unwissend, ehe er mit einer Hand mein Kinn leicht anhob und mir einen flüchtigen Kuss gab, "Ich sage nur die Wahrheit." Ich blickte ihm in die Augen und spürte wie ich mal wieder bei dem Blau dahin schmolz.
"Hey Damon!", rief da plötzlich Elena hinter mir und ich atmete genervt aus, während ich verärgert die Lippen aufeinanderpresste. Das entging Damon natürlich nicht, weswegen er wegen meiner Reaktion kurz schmunzelte, ehe er zu Elena aufsah, die zusammen mit Bonnie neben mich getreten war. Irgendwann würde ich ihr wirklich nochmal den Hals umdrehen.
"Elena. Schön dich wiederzusehen", grüßte er sie freundlich und ich blickte ebenfalls zu ihr und Bonnie.
"Gleichfalls. Das hier ist übrigens Bonnie!", Elena nickte zu der Schwarzhaarigen, welche Damon mit einem aufgesetzten Lächeln zunickte. Sehr diskret, Elena…
"Hi", sagte sie knapp und Damon erwiderte ihr Lächeln, auch wenn seines nicht aufgesetzt war.
"Bonnie, Alie und ich wollten heute zusammen bei mir zu Hause zu Abend essen", fuhr Elena fort und ich blickte sie stirnrunzelnd an, als sie Stefan geflissentlich wegließ, "Wir würden uns freuen, wenn du auch kommst." Erwartungsvoll sah sie den Schwarzhaarigen an, welcher überrascht die Augenbrauen gehoben hatte.
"Nun…", sagte er langsam, "Ich habe heute Abend noch etwas zu tun…", er warf einen Seitenblick auf mich und ich sah ihn bittend an, "Aber ich werde versuchen später dazuzustoßen."
"Super! Ich wohne in der Maple Street 2104", erwiderte Elena grinsend, während ich Damon dankend anlächelte. Elena hätte mich wahrscheinlich zusammengefaltet, wenn er verneint hätte. Und das obwohl ich noch nicht mal etwas dafürgekonnt hätte.
"Entschuldigt, aber wollt ihr trainieren oder nur im Weg stehen?" Caroline war zu uns getreten und blickte Elena, Bonnie und mich streng an. Ich unterdrückte ein Seufzen.
"Wir kommen schon", sagte Elena nickend, aber auch bei ihr sah ich, wie sie versuchte nicht die Augen zu verdrehen.
Caroline nickte zufrieden, ehe sie sich mit einem seltsamen Seitenblick auf Damon umdrehte und zum Rest der Gruppe zurücklief. Bonnie und Elena taten es ihr nach, während ich mich noch kurz zu Damon wandte.
"Wir sehen uns nachher?", fragte ich.
"Ja. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob das ein Essen oder ein Verhör wird", antwortete er und grinste schief. Auch ich musste lächeln.
"Wahrscheinlich beides", erwiderte ich, ehe ich ihm noch einen flüchtigen Kuss gab und ebenfalls zu den anderen zurückging, um mit dem Training zu beginnen.
***
"Denkst du echt, es war eine gute Idee, Stefan und Damon ohne ihr Wissen voneinander einzuladen?", fragte ich noch immer unsicher, während wir den Tisch im Esszimmer deckten.
"Natürlich! Sonst hätten sie doch nie zugesagt", sagte Elena überzeugt, erntete aber trotzdem zweifelnde Blicke von mir und Bonnie, die in der Küche stand.
Wir waren nach dem Cheerleader-Training direkt zu Elena nach Hause gefahren, um alles für das Abendessen vorzubereiten. Elena hatte jedoch nur Fertiggerichte gekauft, da keiner von uns in der Lage war, etwas Vernünftiges zu kochen.
Doch das war nicht mein Problem. Ich machte mir Sorgen wie Stefan und Damon aufeinander reagieren würden. Vor allem da sie sich unvorbereitet treffen würden.
"Das wird nicht gut gehen", murmelte Bonnie kopfschüttelnd, während sie Elena die Teller reichte.
"Und woher willst du das wissen?", fragte Elena herausfordernd, "Von deinen hellseherischen Kräften?" Ich musste etwas schmunzeln.
"Sehr witzig", murrte Bonnie, "Und nein, es ist einfach nur ein Gefühl. Meine Kraft habe ich aber trotzdem nicht erfunden."
"Bonnie…", sagte ich gedehnt und sah sie zweifelnd an. Das war doch echt absurd. Sowas wie Hellseher und Hexen gab es nicht.
"Erklärt ihr es mir!", erwiderte die Schwarzhaarige, "'Gestern Abend habe ich ferngesehen, dann gabs die Werbepause und ich dachte: 'Ich wette, jetzt kommt die Telefon-Werbung!' Und was kam? Der Junge und das Mädchen mit der Bank! Er fliegt nach Paris, er fliegt zurück, sie schießen ein Foto!'"
"So oft wie die im Fernsehen läuft, könnte ich die auch voraussagen", sagte ich schulterzuckend und auch Elena schien ihr nicht zu glauben.
"Dann eben das: Ich sehe heute schon den ganzen Tag drei Zahlen vor mir! Immer die dieselben drei Zahlen! Acht, vierzehn und zweiundzwanzig! Wie verrückt ist das denn?", fuhr Bonnie fort, als Elena sie plötzlich ernst ansah.
"'Vielleicht sollten wir es mit Lotto versuchen'", sagte sie und ich lachte auf.
"Den Jackpot könnte ich gebrauchen."; fügte ich grinsend hinzu, während Bonnie uns beide genervt ansah.
"Rede doch mit deiner Grandma darüber", schlug ich daraufhin vor und ließ mich auf einem Stuhl am Tisch nieder, während Elena ein paar Schüsseln aus einem Küchenschrank holte.
"Die fängt dann nur wieder mit dem Hexending an", seufzte Bonnie. Sie schien auch nicht an sowas zu glauben.
"Also ich würde keine Hexe sein wollen", sagte ich und schüttelte mich kurz.
"Ich auch nicht!", antworteten meine Freundinnen im Chor.
"Auf Hakennase und Warzen kann ich gut verzichten", fügte Elena noch hinzu und wir lachten leicht, als sie das Fertigessen aus der Aluschale in eine der Schüsseln kippte.
"'Selbst, wenn du es in eine nette Schüssel tust, fällt niemand darauf rein!'", sagte Bonnie und lächelte die Braunhaarige mitleidig an.
"Käme auf einen Versuch an", sagte ich, ehe ich aufstand, um Elena die Schüssel abzunehmen und sie auf den Tisch zu stellen.
"'Okay…'", murmelte Elena und sah sich um, "'Servierlöffel… Wo sind die Servierlöffel?'"
"'Mittlere Schublade. Da links'", antwortete Bonnie da ohne zu Überlegen und deutete auf einen Küchenschrank. Ich runzelte die Stirn, als Elena unsicher auf jene Schublade zulief und sie öffnete. Tatsächlich waren dort die gesuchten Servierlöffel.
"Wow", murmelte ich und sah Bonnie nun etwas beeindruckt an.
"Okay", sagte Elena nun auch etwas verblüfft, "Klar, du warst in dieser Küche ja auch schon tausend Mal", tat sie es ab.
"Das wird es sein", antwortete Bonnie sarkastisch, als es an der Tür klingelte.
"Das wird dann wohl Stefan sein", sagte ich und Elena nickte, ehe sie zur Tür eilte. Damon hatte ja gesagt, dass er später kommen würde.
"Keine Panik", sagte ich zu Bonnie, als ich ihr Gesicht sah, und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln, welches sie nervös erwiderte.
***
Absolute Stille herrschte, während wir zu viert am Tisch saßen und aßen. Sowohl Stefan als auch Bonnie waren sehr schweigsam und bisher war jeder Versuch von Elena und mir, ein Gespräch anzufangen, gescheitert. Es war nun mal nicht leicht Eis zu brechen.
"'Hat Tanner es dir vorhin schwer gemacht?'", fragte Elena da Stefan, um einen neuen Versuch zu wagen.
"'Naja, ich bin jetzt im Team. Schätze irgendwas hat ihn überzeugt'", antwortete der Blonde und lächelte etwas. Ach ja. Stefan war ja in der Footballmannschaft aufgenommen worden, was meinem Bruder gar nicht gepasst hatte. Hoffentlich ließ er mich damit in Ruhe.
"'Bonnie, du hättest ihn heute sehen sollen! Tyler wollte ihn mit einem Ball abwerfen und-'", erzählte Elena, wurde jedoch von Angesprochener unterbrochen.
"'Ja schon gehört'", sagte die Schwarzhaarige nickend.
"Tut mir leid", sagte ich an Stefan gewandt, "Mein Bruder kann ein ganz schöner Idiot sein."
"Schon gut", wank Stefan ab und lächelte mich an.
"'Erzähl doch Stefan etwas von deiner Familie!'", sagte Elena nun etwas lauer, die wohl die Nase langsam davon voll hatte, dass Bonnie sich die ganze Zeit so verschloss. Diese warf ihr kurz einen bösen Blick zu, ehe sie antwortete.
"'Geschieden. Keine Mom. Wohne bei meinem Dad'", sagte die Schwarzhaarige knapp.
"'Nein, das mit den Hexen!'", sagte Elena.
Daraufhin sah Stefan fragend zwischen den beiden hin und her.
"Ein paar von Bonnies Vorfahren sollen Hexen gewesen sein", erklärte ich und nun erntete ich von Bonnie einen bösen Blick.
"'Ist ziemlich cool'", sagte Elena nachdrücklich.
"'Als cool würde ich das nicht bezeichnen!'", antwortete Bonnie und ein verärgerter Unterton schwang in ihrer Stimme mit.
"'Ist auf alle Fälle interessant'", sagte Stefan da,"'Ich kenne mich zwar nicht so gut aus, aber ich weiß, es gibt keltische Druiden, die im 19. Jahrhundert hier eingewandert sind.'"
"'Meine Familie kommt aus Salem'", sagte Bonnie, während Elena und ich uns einen triumphierenden Blick zuwarfen. Wir hatten sie ins Gespräch gekriegt. Und so schlecht verstanden sie sich gar nicht. Jetzt mussten wir das nur noch mit Damon klären.
Als hätte Gott meine Gedanken gehört, klingelte es in diesem Moment an der Tür.
"Ich gehe schon!", sagte ich und stand auf.
"Ich komme mit!" Damit stand Elena ebenfalls auf, um mir zu folgen.
"Erwartet ihr noch jemanden?", hörte ich Stefan Bonnie fragen und war froh, dass ich diese Frage nicht beantworten musste.
Nun etwas nervös werdend, ging ich zusammen mit Elena zur Tür, um sie zu öffnen.
"Hallo Schönheit", sagte Damon, der leicht lächelnd am Türrahmen lehnte, ehe sein Blick zu der Braunhaarigen glitt, "Elena."
"Hallo", erwiderte die Braunhaarige lächelnd.
"Hi", sagte ich und beugte mich vor, um ihm einen kurzen Kuss zu geben, "Bitte sei nicht böse", hauchte ich ihm dabei zu, woraufhin er mich verwirrt ansah.
"'Was machst du hier?'", hörte ich da Stefan, ehe er zu uns trat. Ich sah wie sich die Blicke der beiden Brüder trafen und fast sofort spürte man die Feindseligkeit, die von ihnen ausging.
"'Darauf warten, dass Elena mich reinbittet'", antwortete Damon gelassen, doch trotzdem merkte ich, dass er angespannt war. Genau sowas hatte ich befürchtet.
"'Oh ja natürl-'", fing Elena an, doch Stefan unterbrach sie.
"'Oh nein! Er kann nicht…'", Stefan hielt kurz inne, "'Das geht nicht. Er kann nicht bleiben.'"
Also, was immer zwischen den beiden geschehen war, es musste echt schlimm gewesen sein.
"Es ist okay, Stefan", versuchte ich die Lage zu beruhigen, "Wir haben ihn eingeladen." Stefan sah mich kurz mit einem seltsamen Blick an. War da Angst in seinen Augen?
"'Eigentlich wollten wir gerade gehen'", murmelte er und sah wieder zu Damon, der leicht die Augen verengt hatte.
"'Ist schon okay,'", wank Elena ab, ehe sie sich zu Damon wandte, "'Komm rein.'"
Daraufhin trat Damon langsam ein, während Stefan fast panisch zwischen ihm und Elena hin und her sah.
"'Dein Zuhause gefällt mir, Elena'", bemerkte der Schwarzhaarige, als er sich im Flur umsah.
"'Danke'", erwiderte Angesprochene, als ich zu Damon trat.
"Setzen wir uns doch ins Wohnzimmer", schlug ich vor und griff unauffällig nach seiner Hand, um ihn mit ins genannte Zimmer zu ziehen.
Elena und Stefan folgten uns langsam und auch Bonnie gesellte sich zu uns.
Wir saßen nun zu fünft auf den beiden Sofas und erstmal herrschte unangenehme Stille. Dabei sah ich wie Stefan Damon mit Blicken erdolchte, was der Schwarzhaarige jedoch gekonnt ignorierte. Stattdessen blickte er nur zu mir und legte lächelnd einen Arm um mich. Sehr merkwürdig.
"Also Elena", begann er da plötzlich und fragend sah die Braunhaarige ihn an, "Ich habe gehört, du wohnst hier mit deiner Tante und deinem Bruder?"
"Ähm… ja", antwortete Elena etwas unsicher, "Es war das Haus meiner Eltern und seit sie nicht mehr…" Sie hielt inne und ich sah sie mitleidig an.
"'Tut mir leid'", sagte Damon, "'Ich weiß, was es heißt, seine beiden Eltern zu verlieren.'" Erschrocken sah ich ihn an.
Seine Eltern waren auch gestorben?
"Das hast du nie erwähnt", murmelte ich und der Schwarzhaarige blickte zu mir.
"'Naja, wenn Stefan und ich eine Liste machen müssten, würden wir in diesem Leben wohl nicht mehr fertig werden. Wir haben nämlich so ziemlich jeden Menschen sterben sehen, der uns etwas bedeutet hat.'" Ich traute meinen Ohren kaum.
Wenn das stimmte, war es tatsächlich ein Wunder, dass weder Damon noch Stefan depressiv geworden waren oder gar Schlimmeres. Ich sah es ja bereits bei Elena und Jeremy und die hatten "nur" ihre Eltern verloren.
"'Nicht nötig jetzt darüber zu reden'", blockte Stefan ab und warf seinen Bruder erneut einen tödlichen Blick zu.
"'Du hast ja recht, Stef. Tut mir leid. Dich an sie zu erinnern war das Letzte, was ich wollte'", entgegnete Damon in einem Ton, der so gar nicht zu ihm zu passen schien. Es hatte etwas Hinterhältiges in seiner Stimme gelegen, was ich jedoch nicht einordnen konnte.
"Von wem redet ihr?", fragte Elena verwirrt und auch Bonnie und ich sahen interessiert zwischen den Brüdern hin und her. Kurz blieb es still, als Damon überrascht die Augenbrauen hob.
"'Oh'", murmelte er, "'Ihr habt das Gespräch über die Verflossenen noch nicht geführt?'"
Elena sah ihn kurz perplex an, ehe sie langsam den Kopf schüttelte.
"'Ups. Dann wird es jetzt wohl dazu kommen'", sagte der Schwarzhaarige und fuhr sich durchs Haar. Also hatte Stefan auch eine Frau verloren, die er geliebt hatte.
So langsam wurde das Ganze etwas merkwürdig. Es konnte doch kein Zufall sein, dass um die Brüder herum so viele Menschen gestorben waren… oder?
-Damons Sicht-
Der Schwarzhaarige musste schwer an sich halten, nicht zu grinsen, als die Mädchen schließlich in die Küche verschwanden, um den Abwasch zu machen, und er mit Stefan allein war.
"Was zum Teufel machst du?", fragte Stefan und Damon hörte den unterdrückten Zorn in seiner Stimme, was ihn leicht grinsen ließ.
"Der geübte Beobachter würde es wohl als Sabotage deiner Beziehung bezeichnen", antwortete er und sah mit Genugtuung, dass Stefan noch wütender wurde.
"Halt dich fern von Elena!", zischte der Blonde.
"Auch wenn ich es wollte, könntest du es nicht verhindern. Ich meine…", Damon lehnte sich zurück und machte eine ausladende Handbewegung, "Ich wurde ja eingeladen."
Er sah wie Stefan nach Worten rang, jedoch fand er keine. Und Damon wusste genau, warum. Ihm war klar, dass er recht hatte.
"Aber keine Sorge", fügte der Schwarzhaarige schließlich hinzu, "Elena interessiert mich nicht. Ich habe meine eigene Cheerleaderin." Er grinste erneut.
"'Das sind Menschen, Damon!'", erwiderte Stefan, "'Nathalie ist keine Puppe! Sie ist nicht nur zu deinem Vergnügen da, damit du, wenn es dir gerade passt, ihr Blut saugen kannst!'"
"'Ah, ah, ah", Damon schüttelte amüsiert den Kopf, "Noch habe ich sie nicht gebissen… außer das eine Mal. Dafür habe ich eine andere."
"Wen?", fragte Stefan sofort, "Vicky?"
"Nein", murmelte der Schwarzhaarige abwesend, als würde er übers Wetter reden, "Mir war nach etwas Blonderem."
"Wer ist es?", wiederholte Stefan, doch Damon grinste nur.
"Glaubst du, das sage ich dir?", erwiderte er.
"Wieso nicht Nathalie?", fragte Stefan skeptisch und unwillkürlich spannte sich Damon an. Es passte ihm gar nicht, dass sein kleiner Bruder mal wieder versuchte, Gutes in ihm zu finden.
"Vorfreude ist die schönste Freude, oder?", antwortete er und lächelte emotionslos, "Außerdem ist übermorgen das Gründerfest. Und rate mal in wessen Haus das stattfinden wird und in welches ich dann hereingebeten werde."
"Du wirst ihr nichts tun", sagte Stefan kopfschüttelnd.
"Verlass dich nicht drauf", erwiderte Damon gefährlich ruhig, als plötzlich Schritte ertönten und beide Brüder aufsahen. Elena war zurückgekommen.
"Stefan?", fragte sie den Jüngeren, "Können wir reden?"
"Klar", antwortete Angesprochener und stand auf, um ihr aus dem Raum zu folgen.
Damon sah ihnen kurz hinterher, ehe er ebenfalls aufstand.
-Nathalies Sicht-
Völlig in Gedanken versunken räumte ich die Spülmaschine ein. Ich war allein in der Küche, da Bonnie vor ein paar Minuten nach einem dringenden Anruf von ihrem Vater gegangen war und Elena mit Stefan reden wollte. Das taten sie jetzt wohl auf der Veranda.
Das war mir jedoch relativ egal. Viel größere Gedanken machte ich mir wegen Damon. Es war mehr als nur offensichtlich, dass er Stefan eins auswischen wollte. Doch wofür? Irgendwas sagte mir, dass es etwas mit dieser "sie" zu tun hatte, die er vorhin Stefan gegenüber erwähnt hatte. Und ich hatte auch einen Verdacht, wer das sein konnte.
"Brauchst du Hilfe, Schönheit?", ertönte es da plötzlich hinter mir und erschrocken fuhr ich herum, so sehr, dass mir der Teller, den ich gerade in die Spülmaschine hatte räumen wollen, aus der Hand glitt. Jedoch wurde er kurz vor dem Boden noch rechtzeitig gefangen und mit großen Augen sah ich zu Damon auf, der direkt vor mir stand und schmunzelte (wahrscheinlich wegen meines Blickes).
"Musst du dich so anschleichen?", fragte ich aufgebracht und versuchte mein rasendes Herz zu beruhigen.
"Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe", sagte Damon leise und beugte sich zu mir vor.
"Gib es zu. Du machst es mit Absicht", hauchte ich zurück, was ihn erneut schmunzeln ließ, ehe er seine Lippen auf meine senkte. Kurz ließ ich es zu und genoss den Kuss, ehe ich eine Hand auf seine Brust legte und ihn leicht von mir wegschob. Ich musste ihn das fragen.
"Was?", fragte er etwas verwirrt als ich ihn nachdenklich musterte.
"Diese Frau, von der du vorhin gesprochen hast… Wer war sie?" Ich merkte, wie Damon sich etwas anspannte, jedoch wich er nicht zurück.
"Stefan hat sie geliebt. Und sie ist gestorben. Mehr musst du nicht wissen", erklärte er kurz und erneut war da dieser feindselige Unterton, der mich stutzig machte.
"Es ist Katherine, nicht wahr?", sagte ich und für den Bruchteil einer Sekunde sah er mich perplex an, ehe er bitter lächelte.
"'Gut geschlussfolgert'", sagte er, bevor er sich abwandte und sich ein paar Schritte von mir entfernte. Ich atmete hörbar aus.
Also hatte ich richtig gelegen. Es konnte ja auch nur sie sein. Er sprach mit Stefan mit einer solchen Feindseligkeit über sie und Eveline hätte sowas wahrscheinlich nie getan, wenn Damons Beschreibung zutraf.
"Ihr habt sie also beide geliebt?", fragte ich vorsichtig, während Damon mir noch immer den Rücken zukehrte und aus einem Küchenfenster sah.
"Kann man so sagen", antwortete er knapp und ich merkte, dass das wohl ein verdammt heikles Thema war.
"Und für wen hat sie sich entschieden?" Ich griff nach weiterem Geschirr, um es einzuräumen, damit ich etwas zu tun hatte und die folgende Stille überbrücken konnte.
"Dazu ist es nie gekommen", sagte Damon schließlich und drehte sich zu mir, "Wir waren beide mit ihr zusammen, wir haben sie beide geliebt, doch wen sie von uns wirklich wollte, hat sie nie gesagt. Und dann ist sie gestorben." Ich hielt in meinem Tun inne und blickte zu ihm auf. Ein leichter Groll kam in mir auf und ich war überrascht von mir selbst, dass ich eine Abneigung gegen eine Frau entwickeln konnte, die bereits tot war und die ich nie gekannt hatte. Sie hatte allem Anschein nach beide Brüder begehrt und ihre Liebe zu ihr schamlos ausgenutzt. Und das hatte dafür gesorgt, dass die beiden sich nun hassten.
"Und deswegen hast du dich mit Stefan zerstritten?", fragte ich und trat vorsichtig einen Schritt auf ihn zu, aus Angst er könnte sich mir entziehen.
"Es gab viele Gründe", antwortete Damon knapp, doch ich wusste, dass das nur eine Ausrede war.
"Du solltest versuchen, es hinter dir zu lassen", sagte ich sanft und trat noch näher zu ihm, als ich seine Hand griff, "Ich weiß zwar nicht, was genau passiert ist, aber für mich klingt es, als hätte Katherine euch beide benutzt. Und das war ihr Fehler. Nicht deiner oder Stefans."
Gedankenverloren sah Damon mich an und schien tatsächlich über meine Worte nachzudenken.
"Hey, alles in Ordnung?", kam es da plötzlich von der Tür und ich blickte zu Elena, die gerade in die Küche getreten war. Ich seufzte innerlich, während ich mich zu einem Lächeln zwang. Elenas Talent in unpassenden Momenten aufzutauchen kannte keine Grenzen.
"Alles bestens", antwortete auch Damon und unsicher sah ich zu ihm. Er hatte ein Lächeln aufgesetzt und wirkte wieder ganz wie der Alte. Jedoch war es nun eine Maske, die seine wirklichen Gefühle zu überdecken schien.
Hoffentlich hatte ich zu ihm durchdringen können.
Seducing Devotion
"Das ist doch echt nicht normal! Was für ein Tier greift Menschen mitten in der Stadt an?", fragte Elena, die auf meinem Bett saß und mich dabei beobachtete, wie ich im Zimmer auf und ab lief.
"Es soll angeblich ein Puma gewesen sein", sagte ich und richtete zum hundertsten Mal mein Haar.
"Ein Puma, der ungesehen einen Lehrer tötet ohne, dass man ihn schreien hört?", erwiderte Elena und wir schüttelten zeitgleich ungläubig den Kopf. Das war echt absurd.
Gestern hätte eigentlich ein Footballspiel stattfinden sollen, was jedoch in letzter Minute abgesagt worden war, weil man die Leiche unseres Teamtrainers und Geschichtslehrers Mr. Tanner gefunden hatte. Und heute Morgen hatte man dann in den Nachrichten verkündet, dass die Gefahr wohl von einem Puma ausgegangen war, welcher aber inzwischen eingefangen wurde und somit für die Menschen keine Gefahr mehr darstellte.
"Du wurdest doch auch angegriffen. Hast du eine Ahnung, ob es tatsächlich ein Puma gewesen sein könnte?", fragte Elena und sah mich zweifelnd an.
"Ich erinnere mich nicht mehr an den Angriff", erklärte ich und drehte mich zu meiner besten Freundin, "Alles was ich noch weiß ist, dass ich in den Wald gelaufen bin. Danach war ich im Krankenhaus." Ich zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich war es auch besser, dass ich es nicht mehr wusste. Die Alpträume, die ich ohne Erinnerungen ohnehin schon hatte, reichten mir völlig.
"Sie hätten das Gründerfest absagen sollen", sagte Elena seufzend und blickte auf ihr Handy, um die Uhrzeit zu prüfen.
"Du kennst doch meine Eltern. Die gehen für Feste in ihrem Haus sogar über Leichen", sagte ich und ein genervter Unterton schwang in meiner Stimme mit. Ich wäre nicht mal überrascht, wenn sie die Sache mit dem Puma erfunden hätten, nur damit dieses Fest stattfinden konnte.
Elena nickte leicht, ehe sie von meinem Bett aufstand.
"Ich gehe aber schon mal nach unten. Bonnie ist bestimmt schon da", sagte sie, doch ich wusste, dass das lediglich eine Ausrede war, und lächelte wissend.
"Wir wissen beide, dass du nach jemand anderen Ausschau hältst", sagte ich und mein Lächeln wurde zu einem Grinsen, als sie leicht rot wurde.
"Du etwa nicht?", antwortete sie jedoch nur und verließ mein Zimmer, während ich kopfschüttelnd noch einmal zu dem kleinen Schminktisch neben der Tür lief, um mein Makeup zu prüfen. Ich hatte mir extra viel Mühe mit meinem Aussehen gegeben, schließlich würde Damon höchstwahrscheinlich auch auf diesem Fest sein, welches in meinem eigenen Haus stattfand. Ich konnte mir meine Hintergedanken deswegen nicht verkneifen. Unweigerlich glitt mein Blick zu meinem Bett.
'Himmel, Nathalie! Es wird nicht so weit kommen!', maßregelte ich mich gedanklich und wandte mich schnell ab. Vielleicht zu schnell, denn als ich mich etwas zu hastig zur Tür drehte, stieß ich gegen meinen Schminktisch und ein Parfümfläschchen, welches bereits schon einmal am Boden gelandet war, fiel um und zerschellte in tausende Splitter auf dem Tisch.
"Verdammt!", fluchte ich und starrte verärgert auf die Scherben.
Gott sei Dank war die Flasche leer gewesen, doch der liebliche Geruche nach dem Parfüm verbreitete sich dennoch im gesamten Zimmer. Aber ich hatte jetzt weder Zeit noch Geduld das aufzuräumen. Ich würde mich später darum kümmern.
Mit einem genervten Seufzer wandte ich mich ab und verließ den Raum.
***
Leicht gelangweilt lief ich durch den Salon im Erdgeschoss unseres Hauses, wo meine Mutter alte Erbstücke der Gründerfamilien ausgestellt hatte. Ich hatte mich schon vor Jahren daran gewöhnt in einem halben Museum zu wohnen, doch diese Gründerfeste waren wirklich das Schlimmste. Vor allem, wenn man niemanden hatte, mit dem man etwas trinken oder sich unterhalten konnte. Elena war mit Stefan beschäftigt, Bonnie und Caroline konnten sonst wo im Haus sein und von Damon fehlte bisher jede Spur.
Dabei war das Fest schon seit Stunden im Gange! Es war sogar schon dunkel geworden und trotzdem hatte Damon sich noch nicht blicken lassen. Zugegeben, wir hatten uns auch nicht verabredet, aber ich war fest davon ausgegangen, dass er hier auftauchen würde. Immerhin hatte er mich gestern schon mal versetzt, als wir uns vor dem Footballspiel hatten treffen wollen. Aber bei dem, was gestern los gewesen war, hatte ich ihm das auch nicht verübelt.
Ich seufzte leise und betrachtete irgendein Tagebuch, welches vor mir auf einem Tisch ausgestellt war.
War er vielleicht sauer auf mich? Hatte ich vorgestern etwas Falsches gesagt?
"Guten Abend, Schönheit", hörte ich es da plötzlich hinter mir und erschrocken fuhr ich herum. Damon stand mit zwei Champagner Gläsern vor mir und grinste leicht, als er meinen Blick sah.
"Im Ernst, du musst damit aufhören!", sagte ich und sah ihn böse an. Irgendwann bekam ich nochmal einen Herzinfarkt.
"Womit?", fragte er unschuldig und drückte mir eins der Gläser in die Hand. Dabei beugte er sich kurz zu mir vor, um mir einen flüchtigen Kuss auf die Lippen zu geben.
"Das weißt du genau", sagte ich leise, musste aber lächeln, "Wo warst du denn so lange? Ich habe mir schon Sorgen gemacht."
"Ich bin aufgehalten worden", antwortete der Schwarzhaarige knapp, was mich fragend die Augenbrauen heben ließ. Dabei nahm ich einen Schluck aus meinem Glas und spürte die prickelnde Flüssigkeit.
"Und von wem?"
"Ich glaube, das willst du gar nicht wissen", antwortete er, woraufhin meine Augenbrauen noch höher wanderten, "Von deiner Mutter." Bei diesen Worten musste ich schwer an mich halten, den Champagner den ich gerade getrunken hatte nicht sofort wieder auszuspucken.
"Meine Mutter?", wiederholte ich geschockt, als ich den Schaumwein mit Mühe heruntergeschluckt hatte.
"Ja, sie wollte wohl wissen, ob du in guten Händen bist", sagte Damon schulterzuckend, "Zumindest ließen ihre vielen Fragen das vermuten."
"Sie wollte wohl eher wissen, ob ich in reichen, gutaussehenden Händen bin", murmelte ich bitter und Damon sah mich fragend an.
"Meinen Eltern geht es nur um ihr Ansehen", erklärte ich kühl, "Ich kann jeden anschleppen, Hauptsache er hat Geld und er sieht gut aus."
Verachtend schüttelte ich den Kopf. Ich hasste sowas.
"Hmm, dann kann ich ja nur hoffen, dass du nicht so oberflächlich bist." Leicht amüsiert sah Damon mich an.
"Naja, dein Aussehen ist mir schon aufgefallen", sagte ich und lächelte leicht, was ihn schmunzeln ließ, "Aber ich habe keine Ahnung, ob du ein Millionär bist oder dein Auto nur gestohlen hast und damit unter einer Brücke wohnst." Das brachte ihn richtig zum Lachen und auch ich musste über meinen übertriebenen Vergleich grinsen.
"Sagen wir…", begann er schließlich, als er sich wieder beruhigte, "Dass ich den Vorstellungen deiner Mutter ziemlich genau entspreche."
"Tatsächlich?", fragte ich, doch überraschen tat es mich nicht, "Wieso bist du dann hier in einer verschlafenen Kleinstadt und gibst dich mit einem gewöhnlichen Mädchen wie mir ab, anstatt nach Hollywood oder so zu gehen?" Diese Frage war eigentlich scherzhaft gemeint gewesen, doch Damon wurde bei ihr plötzlich ernst, als er einen Schritt näher zu mir trat.
"Wieso sollte ich nicht in deiner Nähe sein wollen?", fragte er und es hörte sich fast nach einer rhetorischen Frage an. Ich nahm einen großen Schluck aus meinem Glas und wich seinem direkten Blick aus.
"Naja… Jemand wie du könnte doch bestimmt jede Frau haben", sagte ich, was ich jedoch sofort wieder bereute. Wieso sagte ich sowas? Am Ende verließ er mich tatsächlich…
"Du hast wohl keine Ahnung, wie wunderschön du bist", sagte Damon da leise und strich mit einer Hand sanft über meine Wange, was mich zu ihm aufblicken ließ, "Sonst würdest du nicht so etwas sagen." Ich schmiegte mich leicht an seine Hand, als ich ihm in die Augen sah und sachte den Kopf schüttelte.
"Ich bin nicht wunderschön", murmelte ich, doch er blickte mich nur ungläubig an, als würde ich gerade das Offensichtlichste der Welt in Frage stellen. Er beugte sich leicht zu mir vor, so dass ich seinen Atem auf meinem Gesicht spürte.
"Denkst du, ich nenne dich Schönheit nur aus einer Laune heraus?", fragte er und ich spürte wie bei seinen Worten meine Knie weich wurden. Ohne darüber nachzudenken überwand ich die letzten Zentimeter zwischen uns und küsste ihn. Doch dieser Kuss war nicht so flüchtig und kurz wie es der letzte gewesen war.
Nein, er ähnelte mehr unserem ersten Kuss, denn wie beim ersten Mal spürte ich die unzähmbare Leidenschaft, die von Damon ausging und ich kaum im gleichen Maße erwidern konnte. Ich bemerkte wie er sein Glas auf dem Tisch neben uns abstellte, was ich ihm sogleich nachtat, ehe er beide Hände um meine Hüfte zu legte und mich näher an sich heranzog. Ich ließ es zu und vergrub meine Hände in seinem Haar, als mich ein neues unbekanntes Gefühl überkam.
Es war eine Art Feuer, welches in meiner Brust zu erwachen schien und sich durch meinen gesamten Körper zog. Doch am stärksten spürte ich es schließlich zwischen meinen Beinen und mir wurde klar, was das für ein Gefühl war: Erregung. Ich fühlte wie mein Herz bei diesem Gedanken aufgeregt flatterte und als würde Damon dies ebenfalls spüren, verstärkte er seinen Griff um mich, was meinen Körper natürlich nicht kalt ließ.
"Alie? Bist du hier?", hörte ich da plötzlich jemanden rufen und augenblicklich löste sich Damon von mir, um wieder einen normalen Abstand zwischen uns herzustellen. Ich blickte mich verwirrt um und fühlte mich als hätte man mich aus einem schönen Traum gerissen.
Mein Verstand klärte sich langsam wieder, als ich spürte wie Damon (mit gewissem Abstand zu mir) meine Hand griff und jemand zur Tür reinkam.
"Da bist du ja", sagte Elena, die gefolgt von Stefan gerade den Raum betreten hatte und ich unterdrückte ein Zähneknirschen. War ja klar, dass wieder einmal nur Elena so ein mieses Timing haben konnte.
"Wieso antwortest du denn nicht, wenn jemand dich ruft?", fragte sie mich lächelnd, worauf mir jedoch keine passende Erwiderung einfiel.
"Ich schätze, sie war mal wieder in Gedanken", antwortete Damon da für mich und kurz warf ich ihm einen dankbaren Blick zu, ehe ich nickte.
"Ja… Ich war abgelenkt. Entschuldige", sagte ich und merkte dabei, wie Stefan Damon misstrauisch musterte. Was hatte er denn schon wieder?
"Was gibt es hier drin denn so Ablenkendes?", fragte Elena und warf mir ein wissendes Lächeln zu, was ich mit einem bösen Blick beantwortete.
"Ich habe mir lediglich dieses alte Zeug hier angesehen." Ich deutete auf ein paar eingerahmte, uralte Dokumente an der Wand.
"Als ob du sowas spannend findest…", sagte Elena kopfschüttelnd, ehe sie meinem Blick folgte und überrascht die Augenbrauen hob, "Oh seht mal, die Original-Gästeliste."
"Ja, die ist vom ersten Gründerfest", sagte ich und trat gefolgt von den anderen an sie heran, "Meine Mutter ist sehr stolz darauf."
"Die Gründerfamilien von Mystic Falls, Virginia, heißen Sie herzlich willkommen zur Gründerratseröffnungsfeier", las Elena vor und schien sich sehr dafür zu interessieren, doch meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Geschichte war noch nie mein Lieblingsfach gewesen und ich hatte, da ich hier wohnte, mehr als genug Zeit gehabt, mir die Hinterlassenschaften unserer Vorfahren zu Gemüte zu führen. Während Elena die Liste betrachtete, warf ich einen verstohlenen Blick zu Damon, welcher diesen im gleichen Augenblick erwiderte. Ein kaum erkennbares Lächeln erschien auf seinem Gesicht und ich spürte, wie er mit dem Daumen zärtlich über meine Hand strich, die er noch immer festhielt. Ich spürte wie meine Gefühle von vorhin begannen zurückzukehren und wandte schnell den Blick ab.
'Nicht jetzt Nathalie!', versuchte ich mich zu beruhigen, 'Falscher Ort! Falscher Zeitpunkt!'
"Sind das… Damon Salvatore und… Stefan Salvatore?", riss mich da Elena aus den Gedanken und ich blickte zu ihr. Sie zeigte mit dem Finger mitten auf die Gästeliste und als ich genauer hinsah, erkannte ich was sie meinte. Die Namen der Brüder standen auf der Liste! Wieso war mir das nicht schon eher aufgefallen? Was zum Teufel hatte das zu bedeuten?
"'Die ursprünglichen Salvatore-Brüder'", erklärte Damon und fragend sah ich ihn an, "'Unsere Vorfahren. War eine tragische Geschichte.'" Ich öffnete den Mund, um zu fragen, was er damit meinte, jedoch war Stefan schneller als ich.
"'Langweilen wir sie nicht mit Familiengeschichten'", sagte er und warf Damon einen seltsamen Blick zu, den ich nicht einordnen konnte.
"Ich würde gerne mehr darüber erfahren", sagte ich und war von mir selbst überrascht, wie schnell sich mein Desinteresse in Neugierde gewandelt hatte.
"Ich kann es dir erzählen, wenn du willst", sagte Damon und ich nickte leicht, ehe ich Elena einen vielsagenden Blick zuwarf. Hoffentlich verstand sie den Wink.
Und sie tat es.
"Ich würde lieber gerne tanzen", sagte sie und griff nach Stefans Hand, "Tanzt du mit mir?" Stefan blickte daraufhin kurz zu mir und Damon und für einen Moment schien es, als würde er krampfhaft nach einer Ausrede suchen hier zu bleiben, ehe er ein Lächeln aufsetzte und Elena zunickte.
"Dann bis später", sagte ich und schenkte Elena ein dankbares Lächeln, welches sie erwiderte, "Viel Spaß."
"Dir auch", erwiderte sie und grinste verheißungsvoll, was ich augenverdrehend abtat, ehe sie gefolgt von Stefan den Raum verließ und ich mit Damon wieder allein war.
"Also, was möchtest du wissen?", hauchte er nah an meinem Ohr, was mir eine Gänsehaut verpasste. Langsam drehte ich mich zu ihm um und überlegte. Einerseits war in mir immer noch der Wunsch das fortzusetzen, was wir eben begonnen hatten, doch hier würden wir früher oder später eh wieder gestört werden, weswegen ich es lieber bleiben ließ. Es war immer noch der falsche Ort und wahrscheinlich auch der falsche Zeitpunkt.
"Deine Familie hat also schon früher hier gelebt?", fragte ich stattdessen und hakte mich bei ihm unter, was ihn kurz grinsen ließ.
"Ja, sie hatte sogar viel Einfluss", erzählte er und führte mich langsam aus dem Raum in den Flur, "'Der Name Salvatore genoss in der Stadt praktisch königliches Ansehen. Bis zum Krieg. Es gab hier eine Schlacht am Willow Creek.'"
"Ich weiß", sagte ich nickend als wir an ein paar mehr oder weniger betrunkenen Leuten vorbeigingen, "Das behandeln wir gerade im Geschichtsunterricht. Konföderierte Soldaten haben Zivilisten in einer Kirche erschossen."
"'Fast richtig. Die Geschichtsbücher lassen dabei aus, dass niemand, der getötet wurde, zufällig da drin war. Man hielt sie für Sympathisanten der Union und ein paar Gründer auf Konföderiertenseite wollten sie bei lebendigem Leibe verbrennen sehen", Damon hielt kurz inne und wir blieben stehen, "'Stefan und Damon hatten jemanden in der Kirche, den sie liebten…Sie wollten die Person retten und wurden erschossen. Einfach ermordet.'" Er sprach die letzten Worte mit einer solchen Bitterkeit aus, dass ich leicht zurückschreckte. Er musste wohl so etwas Ähnliches selbst schon erlebt haben.
"Wer war in der Kirche?", fragte ich leise und Damon blickte mich an.
"'Na bestimmt… eine Frau. Geht es nicht immer um das Gleiche, um die Liebe?'" Wie schon so oft sah ich wie Trauer in seine Augen trat und mein Herz wurde schwer.
"Ich hoffe sehr, dass du und Stefan, dass wieder hinkriegt", sagte ich und ergriff sanft seine Hand, "Und dass du über den Verlust von Eveline und Katherine hinwegkommst."
Er lächelte etwas und legte wie vorhin schon eine Hand auf meine Wange.
"Wenn ich bei dir bin, habe ich das Gefühl es wäre schon geschehen", murmelte er und mir schien es als sei ihm gar nicht bewusst gewesen, dass er das gerade laut gesagt hatte. Dennoch spürte ich, wie sich ein wunderbar warmes Gefühl in mir ausbreitete, als ich mich zu ihm vorbeugte, um ihn zu küssen. Jedoch kam ich nicht so weit, da ich in diesem Moment von hinten angerempelt wurde und mein Gleichgewicht verlor.
Dem Himmel sei Dank hatte Damon aber schnelle Reflexe und konnte mich noch fangen, bevor ich am Boden landete. Dabei hörte ich jedoch ein verdächtiges Knacken und keinen Moment später musste mich Damon erneut festhalten, als ich leicht schwankte.
"Alles in Ordnung?", fragte der Schwarzhaarige besorgt, welcher mich stützte, als ich leicht den Saum meines Kleides hochzog, um meine Füße zu sehen. Anscheinend war durch den Stoß mein linker Absatz abgebrochen.
"Verdammt!", fluchte ich und sah mich nach dem Übeltäter um, der mich geschubst hatte.
"Es war ein betrunkener Junge. Er ist schon wieder weg", sagte Damon, der meinen suchenden Blick wohl bemerkt hatte.
Ich gab einen genervten Seufzer von mir, ehe ich meine Beine nacheinander hob, um meine Schuhe auszuziehen. Dabei löste ich mich aus Damons Griff.
"Die sind wohl hin", murrte ich und betrachtete die schwarzen Pumps in meiner Hand.
"Das kann man reparieren lassen", meinte Damon, der mich leicht amüsiert musterte.
"Nein, nicht nötig. Sie waren eh etwas unbequem", sagte ich kopfschüttelnd, "Aber ich werde mir mal eben ein neues Paar holen gehen." Damit lief ich ein paar Schritte Richtung Treppe, bevor ich stehenblieb und mich nochmal zu dem Schwarzhaarigen drehte, der mich abwartend ansah. Ich konnte ihn hier doch nicht einfach stehenlassen…
"Willst du mitkommen?", fragte ich und ungewollt schwang Unsicherheit in meiner Stimme mit. Damon lächelte nur zur Antwort und trat neben mich, was ich als 'Ja' nahm.
Ich spürte wie ich erneut nervös wurde, als ich schließlich gefolgt von Damon die Treppen hochstieg und den langen Flur entlang zu meinem Zimmer ging.
Ich zögerte kurz, als ich direkt davor stand.
'Ich hatte doch aufgeräumt, oder?', schoss es mir durch den Kopf.
"Ich kann draußen warten, wenn du willst", hörte ich Damon, der mein Zögern wohl bemerkte hatte, hinter mir sagen und ich drehte mich zu ihm. Nein, diese Möglichkeit konnte ich nicht in Betracht ziehen. Am Ende würde Tyler ihn hier sehen und einen Streit anfangen.
"Nein, schon gut", sagte ich kopfschüttelnd, "Komm rein." Ich öffnete die Tür und lief geradewegs auf meinen Kleiderschrank zu, um ihn zu öffnen.
Ich würde nur schnell neue Schuhe anziehen und dann konnten wir wieder verschwinden. Ich hörte, wie Damon die Tür schloss und merkte wie sich mein Herzschlag beschleunigte.
Jetzt waren wir allein in meinem Zimmer…
Schnell schüttelte ich den Kopf, um diesen Gedanken abzuschütteln, während ich nach dem erst besten Paar schwarzer High Heels griff und hineinschlüpfte.
"Du hast ein schönes Zimmer", sagte Damon und ich drehte mich zu ihm. Er stand in der Mitte des Raumes und sah sich interessiert um.
"Ach… Ist nichts Besonderes", sagte ich schulterzuckend und trat zu ihm, "Es ist wie jedes andere Schlafzimmer. Schrank, Schreibtisch, Bücherregal, Bett…" Ich stockte bei dem letzten Wort und blickte auf zu Damon, dessen Augen ebenfalls zu mir gewandert waren und einen tieferen, dunkleren Ausdruck angenommen hatten. Unweigerlich spürte ich die Spannung, die sich zwischen uns aufbaute.
Nein. Das hier war falsch. Ich kannte ihn doch noch nicht lange. Wir sollten noch warten…
"Wir… wir sollten wieder runtergehen", hauchte ich und mit viel Willenskraft schaffte ich es, mich von Damon abzuwenden und zur Tür zu gehen. Doch gerade als ich sie öffnen wollte, presste sich eine Hand neben mir gegen das Holz und verhinderte somit, dass ich sie auch nur einen Millimeter bewegen konnte.
Ich erzitterte leicht, als ich Damons heißen Atem in meinem Nacken spüren konnte und ein warmer Schauer dabei über meinen Rücken jagte.
"Zoey…", hörte ich ihn flüstern, als ich mich langsam zu ihm drehte und nun mit dem Rücken an der Tür lehnte, während Damon nun beide Hände links und rechts neben meinen Kopf abstützte und mir immer näherkam. Ich starrte ihn nur an ohne mich regen zu können, während meine Atmung sich meiner Kontrolle entzog und hektisch und unregelmäßig wurde.
In meinem Inneren kämpfte noch immer meine Vernunft gegen das stetig wachsende Verlangen an, doch ich spürte bereits, wer als Sieger hervorgehen würde.
"Was tust du nur mit mir?", murmelte Damon kaum hörbar, als er schließlich den letzten kleinen Abstand überwand und seine Lippen auf meine senkte.
Diese Geste ließ schließlich auch den letzten Widerstand ihn mir zerbrechen und ich seufzte aufgebend als ich seinen Kuss erwiderte.
Es konnte nicht falsch sein. Nicht, wenn es sich so richtig anfühlte.
Seine Lippen glitten über die meinen, als wären sie füreinander gemacht und wie von allein öffnete sich mein Mund, um seiner fordernden Zunge Einlass zu gewähren.
Ich spürte wie sein Kuss schnell fordernder wurde und merkte wie seine Arme von der Tür glitten, um sich um meinen Körper zu schlingen. Instinktiv griff ich nach dem Kragen seines Hemds, um ihn noch näher zu mir zu ziehen, während er mich nun von der Tür wegzog und stattdessen gegen den Schminktisch neben ihr presste. Dabei stießen seine Hüften einmal hart gegen meine, wodurch ich eine unmissverständliche Härte fühlte, die das Feuer zwischen meinen Beinen noch stärker zu entfachen schien.
Damon ließ schließlich von meinen Lippen ab und wanderte nun zu meinem Hals, um diesen ebenfalls mit Küssen zu bedecken, dabei griff er mit einer Hand nach meinem linken Bein, um es nach oben zu seiner Hüfte zu ziehen, wobei der Stoff meines Kleides gefährlich hochrutschte. Jedoch schien das genau die Absicht des Schwarzhaarigen gewesen zu sein, da er es kurz darauf noch höher zog, wodurch ich mich mit einer Hand kurz auf dem Tisch hinter mir abstützen musste, um nicht zu fallen. Dabei merkte ich ein kaum spürbares Stechen in meiner Hand, was mir jedoch in diesem Moment herzlich egal war.
Ich fand mein Gleichgewicht wieder und ließ meine Hände zu seinem Hemd wandern, um es langsam aufzuknöpfen, als Damon sich von meinem Hals löste, nur um erneut meine Lippen mit seinen zu verschließen. Ich ließ von seinem nun halboffenen Hemd vorerst ab, um meine Hände an seine Wangen zu legen, damit ich ihn näher zu mir ziehen und den Kuss vertiefen konnte.
In diesem Moment löste sich Damon jedoch plötzlich abrupt von mir und verwirrt blickte ich zu ihm auf. Er hielt mich zwar noch immer mit eisernem Griff fest, doch rührte er sich nicht mehr und sah mich mit einem merkwürdigen Blick an, den ich nicht richtig einordnen konnte.
"Damon?", fragte ich unsicher und nahm langsam die Hände von seinen Wangen. Dabei bemerkte ich, dass an meiner rechten Handfläche Blut klebte.
"Oh", entfuhr es mir überrascht und kurz blickte ich auf die rote Flüssigkeit, als es mir einfiel. Ich hatte eben wohl in die Scherben gegriffen, die ich nicht weggeräumt hatte. Erneut sah ich zu Damon auf, an dessen Wange auch etwas Blut war.
"Tut mir leid, ich wollte dich nicht-", ich stoppte in meinem Satz, als ich plötzlich sah wie sich Damons Augen unnatürlich rot färbten, "Damon?!" Als hätte er sich an mir verbrannt, ließ der Schwarzhaarige mich plötzlich los und wandte mir den Rücken zu. Dabei entfernte er sich ein paar Schritte von mir. Ich stand noch dort, wo er mich zurückgelassen hatte und konnte mich nicht rühren. Was war das gewesen?
"Deine Augen…", murmelte ich und konnte die leichte Angst in meiner Stimme nicht unterdrücken. So eine unnatürliche Färbung hatte ich noch nie zuvor gesehen…
"Es ist nichts. Mir geht es gut", hörte ich ihn sagen, doch ich merkte wie seine Stimme vor Anstrengung leicht bebte.
"Das glaube ich nicht", sagte ich kopfschüttelnd, als ich mich vorsichtig von dem Tisch hinter mir löste und einen Schritt auf ihn zutrat, "Damon, deine Augen waren rot. Sowas habe ich noch nie-" Ich wurde unterbrochen, als er zu mir herumfuhr und mich etwas grob an den Armen packte. Dabei sah ich wie seine Augen, die wieder eine normale Farbe angenommen hatten, eine merkwürdig tief und dunkel wurden.
"Vergiss, was du gesehen hast", sagte er eindringlich, doch ich konnte nur verwirrt die Stirn runzeln.
"Wieso sollte ich?", fragte ich aufgebracht, "Ich weiß, was ich gesehen habe!"
Damon sah mich daraufhin geschockt an, was mich noch mehr verwirrte als ohnehin schon, ehe er mich plötzlich losließ und sich Richtung Tür wandte.
"Wo willst du hin?", fragte ich erschrocken, als er sie auch schon öffnete.
"Ich muss gehen", erwiderte er nur, ehe die Tür mit einem lauten endgültigen Knall zufiel.
Vollkommen überfordert sank ich zu Boden und versuchte zu verstehen, was gerade geschehen war.
-Damons Sicht-
Gehetzt lief Damon schnellen Schrittes durch den Flur, während er verzweifelt versuchte die Fassung zu bewahren. Er musste hier verschwinden, so schnell wie möglich. Doch vorher musste er etwas trinken und das möglichst bevor…
Damon kniff kurz die Augen zusammen, als erneut spürte wie Blut in seine Augen trat, um es mit großer Mühe wieder zurückzudrängen.
Er hatte die Kontrolle verloren. Komplett. Sein Verlangen hatte seine Sinne vernebelt. Er war drauf und dran gewesen, sich diesem Mädchen vollkommen hinzugeben. Und als wäre das nicht schlimm genug, hätte sie ihn auch noch fast enttarnt!
Damon schüttelte leicht den Kopf, als er die Treppen hinunter lief und das Haus Richtung Garten verließ.
Normalerweise konnte ihn eine so kleine Schnittwunde nicht aus der Fassung bringen. Doch sein Verlangen war so groß gewesen. Und als er das Blut gesehen hatte… war das Verlangen zu Hunger geworden. Zu einem Hunger, der nahezu unerträglich war. Um ein Haar hätte er sie verletzt. Glücklicherweise hatte er aber seine Beherrschung weit genug zurückerlangen können, bevor es dazu kommen konnte.
Jedoch hatte Stefan ihr wohl Eisenkraut gegeben, so dass er sie nicht hatte manipulieren können, alles zu vergessen.
Damon presste wütend die Lippen zusammen, während sein Blick suchend über den Rasen glitt.
Er würde seinem Bruder noch zeigen, was es für Folgen hatte ihm derartig in den Rücken zu fallen. Doch vorher brauchte er noch etwas anderes…
Da fand der Schwarzhaarige endlich die Person, nach der er gesucht hatte und lief schnell auf sie zu.
Bei ihr angekommen griff er das blonde Mädchen grob am Arm.
"Komm mit", zischte er und zog sie bestimmend mit sich.
"Was ist denn los?", fragte Caroline verängstigt, gehorchte jedoch, dank Damons früherer Manipulation.
Er führte sie von den anderen Gästen weg, so weit, dass man die beiden weder sehen noch hören konnte.
"Ist es wegen der Bisswunden? Ich habe sie versteckt, aber Elena hat sie trotzdem irgendwie gesehen! Ich habe aber nichts gesagt! Ehrlich nicht!", brabbelte Caroline panisch und Damon sah sie erschrocken an. Auch das noch!
"Halt die Klappe!", befahl der Schwarzhaarige noch wütender als ohnehin schon und trat hinter sie.
"Es tut mir leid", hauchte die Blonde, während Damon ihr langsam die Haare vom Hals strich.
"Schon gut", murmelte er und strich mit einem Finger über ihre nun freigelegte Pulsader. Kurz war es still, während Caroline etwas ruhiger wurde.
"Was machen wir hier?", fragte sie schließlich, als Damon seine Maske fallenließ und sein vampirisches Gesicht hervortrat.
"Hier töte ich dich", flüsterte er, ehe er auch schon zubiss. Dabei packte er sie an beiden Armen, damit sie sich nicht wehren würde, was jedoch überflüssig war, da die Blonde vor Angst erstarrt zu sein schien, so dass sie sich weder wehren noch schreien konnte.
Dies zufrieden feststellend, wandte Damon alle Aufmerksamkeit der Stillung seines Hungers zu. Er trank ihr Blut schnell und ohne jede Rücksicht auf die Schmerzen, die dies bei dem Mädchen auslösen würde. Sie war sowieso gleich tot, also was für eine Rolle spielte es, ob sie noch Schmerzen haben würde?
Da spürte Damon plötzlich ein merkwürdiges Brennen in der Kehle, was sich rasch in einen heftigen Hustenreiz verwandelte. Perplex ließ er von Caroline ab, während das Brennen sich noch verstärkte und nun auch in seine Gliedmaßen fuhr. Er hustete heftig und sank auf die Knie, als die Kraft aus seinen Beinen verschwand.
"'Was zum Teufel…?'", murmelte er verwirrt, während Caroline bewusstlos neben ihm zusammenbrach und auch er langsam aber sicher zu Boden sank.
In diesem Moment trat plötzlich jemand neben ihn. Mit größter Anstrengung konnte Damon ihn erkennen: Stefan. Da wurde es ihm klar! Er hatte gerade eisenkrautverseuchtes Blut getrunken.
"'Ich wusste, ich konnte dir nichts in den Drink tun und dass du Nathalie nicht anrühren würdest. Also habe ich es Caroline gegeben.'" Echohaft drang Stefans Stimme zu ihm durch, ehe er endgültig das Bewusstsein verlor.
Crimson Eyes And Beastly Fangs
Tief atmete ich durch, als ich schließlich vor dem großen Haus zum Stehen kam.
Das hier war es also…
Ich zuckte zusammen als mein Handy in meiner Hosentasche vibrierte und holte es nervös hervor.
Elena, 2:47 PM
- Bist du dir sicher, dass du das machen willst?
Nochmals atmete ich tief durch, ehe ich antwortete.
Nathalie, 2:48 PM
- Ja.
Schnell steckte ich das Handy wieder weg, ehe ich wieder zu dem großen Gebäude vor mir aufsah. Das war also das Salvatore-Anwesen. Ich hatte es mir viel kleiner vorgestellt, oder eher gehofft, dass es das war. Es war nämlich wesentlich leichter in ein kleineres Haus einzubrechen und es komplett zu durchsuchen.
Ja genau. Ich hatte vor, in Damons Haus einzubrechen. Jedoch hatte ich auch einen verdammt guten Grund dafür!
Damon war nämlich seit dem Gründerfest vor vier Tagen spurlos verschwunden, genauso wie Stefan es gewesen war, bevor er gestern plötzlich wiederaufgetaucht war und nur gemeint hatte, dass Damon die Stadt verlassen und nicht vorhatte, wiederzukommen. Ich hatte meinen Zorn und meine Enttäuschung (und einen daraus resultierenden Heulkrampf), die seine Worte in mir ausgelöst hatten, bisher gut verdrängen können, jedoch nur, weil ich mir erfolgreich eingeredet hatte, dass Stefan gelogen hatte. Ich konnte und wollte nicht glauben, dass Damon einfach verschwunden war. Zumindest nicht, wenn seine Gefühle, die er mir gegenüber gezeigt hatte, echt gewesen waren. Und bei dem was an dem Abend vor vier Tagen zwischen uns vorgefallen war, steckte definitiv mehr dahinter, was die Tatsache, dass Stefan weder mir noch Elena verraten wollte, wo er und Damon gewesen waren, noch verstärkte.
Wie schon so oft in den letzten Tagen stiegen mir die Bilder von Damons Augen, Augen die so rot wie Blut gewesen waren, eine Farbe, die ein menschliches Auge niemals von allein annehmen könnte, in den Kopf, bei denen ich mir noch immer nicht sicher war, ob ich sie mir nicht doch eingebildet hatte. Doch Elena hatte ebenfalls merkwürdige Sachen bei Stefan bemerkt und ich bezweifelte, dass wir beide eine so übertriebene Fantasie hatten.
All diese Anzeichen hatten mich schließlich gestern Abend zusammen mit Elena den Entschluss fassen lassen, dass wir endlich rausfinden mussten, was hier vorging. Elena hatte sich bereit erklärt, Stefan heute bei der Autowasch-Aktion, welche Caroline organisiert hatte, möglichst lange zu beschäftigen, so dass ich einmal sein Haus unter die Lupe nehmen konnte. Ich wusste, dass Stefans und Damons Onkel hier auch wohnte und betete, dass ich das Glück hatte, dass er nicht zu Hause war.
Unschlüssig stand ich nun vor der Haustür und überlegte. Elena war einmal hier gewesen und da war sie offen gewesen. Doch ich bezweifelte, dass ich auch so viel Glück hatte.
Halbherzig drückte ich die Klinke herunter, nur um erschrocken einen Schritt zurückzuspringen, als die Tür tatsächlich knarrend aufging.
Okay… das war gruselig.
Vorsichtig trat ich in die dunkle Eingangshalle und staunte nicht schlecht. Das Haus war definitiv so groß wie es von außen aussah. Es machte ja sogar meiner Villa Konkurrenz, nur dass es hier etwas rustikaler war.
Doch ich hatte jetzt keine Zeit die Einrichtung zu bewundern, ich musste mich beeilen!
Aber wo sollte ich anfangen?
Unsicher lief ich ein paar Schritte nach vorne, als plötzlich ein leises Klirren zu hören war, was mich heftig zusammenzucken und erschrocken umsehen ließ.
Was zum Teufel war das?
Da ertönte das Geräusch erneut und schlagartig wurde mir klar, dass ich nicht allein war.
"Hallo?", fragte ich unsicher, doch ich erhielt keine Antwort, "Mr. Salvatore? Es tut mir leid, wenn ich hier so reinplatze, aber…", ich hielt inne als das Klirren wieder zu hören war und ich langsam in die Richtung lief, aus der es kam, "Aber die Tür war offen und…" Ich verstummte, als ich bei einer geschlossenen Tür ankam, aus welcher dieses seltsame Klirren immer wieder echohaft drang.
Ich öffnete sie zögerlich und blickte direkt auf eine steile Treppe hinab, die tief nach unten führte.
Der Keller. Wieso musste es ausgerechnet der Keller sein?
Ich spürte wie mein Herz schneller schlug, als ich langsam die Stufen hinabstieg und das Klirren immer lauter wurde.
Meine innere Stimme riet mir umzukehren und schnell aus dem Haus zu verschwinden, doch ich musste wissen, was das war.
Ich fand mich in einem langen modrigen und nur spärlich beleuchteten Gang wieder, in welchem sich unzählige Türen befanden. Jedoch kam das Klirren vom Ende des Ganges, von einer Tür, die sich deutlich von den anderen abhob. Denn diese war als Einzige mit Metall verstärkt und hatte ein kleines vergittertes Fenster. Fast wie die Tür zu einer Gefängniszelle.
Erneut ertönte das Klirren und mein Atem beschleunigte sich als ich mich langsam nährte.
"Mr. Salvatore?", fragte ich viel leiser, als eigentlich geplant und plötzlich wurde es still. So still, dass ich mein schnell pochendes Herz schon fast hören konnte. Doch nun konnte ich auch etwas anderes wahrnehmen. Schweres, rasselndes Atmen drang durch die Tür, als ich vor ihr ankam und langsam durch das Fenster spähte.
"Oh mein Gott!", entwich es mir, als ich eine zusammengesunkene Gestalt in einer Ecke des sehr kleinen Raumes sitzen sah, welche ich kurz darauf erkannte, "Damon?" Der Schwarzhaarige blickte langsam zu mir auf und erneut erschrak ich.
Er sah furchtbar aus! Er war leichenblass, dunkle Augenringe hoben sich gespenstisch von seiner weißen Haut ab und sein Blick wirkte, als wäre er nicht richtig bei Sinnen. Auch fiel mir auf, dass er noch die gleichen Klamotten trug, wie auf dem Gründerfest. Er musste schon seit Tagen hier unten sein!
"Z-Zoey…?", hauchte er mit heiserer Stimme und blickte mich ungläubig an, "Was… tust du… hier?" Er hustete leicht, was absolut nicht gesund klang.
"Ich habe dich gesucht", sagte ich, als ich ohne darüber nachzudenken, die Verriegelung an der Tür löste und sie öffnete, "Stefan meinte, dass du…", ich hielt inne als die Erkenntnis in mir hochstieg, "Hat er dich hier eingesperrt?!"
"Du solltest nicht hier sein…", murmelte Damon leise und schien meine Frage gar nicht gehört zu haben. Ich schüttelte nur den Kopf, als ich zu ihm lief und mich neben ihn kniete. Der Raum schien tatsächlich eine Art Zelle zu sein, dem hölzernen Bett und dem alten knarzenden Stuhl, welche die einzigen Möbel hier drin waren, nach zu urteilen. Doch warum sollte Stefan Damon hier einsperren? Hier stimmte etwas ganz gewaltig nicht.
"Was ist passiert?", fragte ich, während ich zwei Finger an seinen Hals legte, um seinen Puls zu fühlen. Ich merkte, dass sein Herzschlag unnatürlich schnell ging und meine Sorge wuchs.
"Unwichtig…", antwortete er nur und ich blickte ihn ungläubig an.
"Wenn Stefan dich hier tagelang einsperrt und mir erzählt, du hättest die Stadt verlassen, ist es wohl alles andere als unwichtig!", sagte ich aufgebracht, doch Damon schien mich gar nicht zu hören, denn sein Blick war eisern auf mein Handgelenk gerichtet, welches ich gerade von seinem Hals zurückzog.
"Damon?", fragte ich unsicher nach und kurz darauf löste er den Blick, um mich wieder direkt anzusehen.
"Zoey", hauchte er, bevor er erneut hustete, "Du musst gehen. Sofort…"
"Nicht ohne dich!", sagte ich stur, ehe ich aufstand und es schaffte, mir einen seiner Arme um die Schulter zu legen und ihn damit ebenfalls halbwegs aufzurichten.
"Ich bin so hungrig", murmelte Damon und ich blickte ihn besorgt an. Er hatte wahrscheinlich seit Tagen nichts gegessen.
"Wir holen dir etwas. Aber erst müssen wir hier raus", sagte ich, als Damon urplötzlich sein Gewicht verlagerte, so dass ich drohte mit ihm umzukippen. Jedoch konnte ich mich noch an einer Zellenwand abfangen, so dass ich nun eng an eine Mauer gepresst stand und Damon sich schwer gegen mich lehnte. Ich holte erstickt Luft, ehe ich mich gegen ihn stemmte.
"Damon!", sagte ich, als ich erfolglos versuchte ihn wegzuschieben, "Ich kann dich so nicht stützen!" Der Schwarzhaarige machte sich daraufhin noch schwerer, was es mir fast unmöglich machte, mich überhaupt noch zu bewegen.
"Zoey…", murmelte er leise ohne auf meine Worte zu reagieren, als er seinen Kopf auf meine Schulter sinken ließ, "Ich bin so… hungrig."
Ich spürte noch seine Lippen an meinem Hals, ehe mich plötzlich ein stechender Schmerz durchfuhr, während Damon blitzschnell meine Arme packte und sie eisern und mit unbändiger Kraft festhielt.
Mir stockte der Atem und Angst stieg in mir hoch. Was geschah hier?!
"Damon, hör auf!", sagte ich mit zitternder Stimme und versuchte mich von ihm zu befreien, "Damon, lass mich los!", rief ich lauter, doch es half nichts. Er reagierte nicht auf meinen Ruf und sein Griff war so fest, dass er schon schmerzte.
Da spürte ich, wie sich das Stechen an meinem Hals in meinen Körper ausbreitete und Schwäche durch meine Gliedmaßen zog, wodurch mich die Erkenntnis traf wie ein Blitzschlag.
Die Nacht des Angriffs… Mit einem Mal hatte ich sie wieder genau vor Augen. Ich war nicht von einem Tier angegriffen worden! Nein, ein Mann hatte mich gepackt!
Damon hatte mich gebissen…
Er hatte mich verletzt…
Er hatte mich töten wollen…
Tränen stiegen mir bei diesen Gedanken in die Augen und ich schrie verzweifelt auf, ehe ich nochmals erfolglos versuchte, mich aus seinem Griff zu befreien.
"Lass sie sofort los!", rief da plötzlich jemand, als Damon schmerzvoll aufstöhnte und von mir abließ. Ich konnte gerade noch erkennen, dass ein fremder Mann ihn mit einem stumpfen Gegenstand geschlagen hatte, ehe der Schwarzhaarige mich achtlos beiseite stieß, woraufhin ich schmerzhaft zu Boden stürzte. Ich blickte angsterfüllt auf und mir blieb der Schrei im Hals stecken, als ich Damons Gesicht sah. Seine Augen waren tiefrot, während ihr einstiges Blau noch gespenstisch darin glühte. Pulsierende Adern hoben sich unter ihnen ab und in seinem Mund, der zu einem boshaften Grinsen verzerrt war, hoben sich zwei große Reißzähne ab, welche blutbenetzt waren. Von meinem Blut…
Ein entsetztes Wimmern entfuhr mir und verzweifelt versuchte ich auf die Beine zu kommen, als Damon sich dem fremden Mann zuwandte, welcher wohl Zach Salvatore war, und mit einer einzigen kurzen Bewegung sein Genick brach. Ich hielt in meiner Bewegung inne, als der Mann wie eine Puppe leblos zu Boden sank und Damon sich zu mir drehte.
Erneut entfuhr mir ein Wimmern, als Todesangst in mir hochkroch, während langsam schwarze Punkte in mein Blickfeld traten, welche rasch größer wurden. Meine Hand schnellte zu meinem Hals und ich spürte wie das Blut noch immer aus der Wunde floss. Mein Körper hielt dem Blutverlust nicht stand…
Nein, nicht jetzt! Ich durfte nicht bewusstlos werden! Damon würde mich umbringen, ohne dass ich mich wehren konnte!
Ich versuchte noch gegen die Ohnmacht anzukämpfen, doch ich war zu schwach. Gegen meinen Willen kam die Dunkelheit über mich und ich sandte noch ein kurzes Stoßgebet an Gott, dass ich wieder aufwachen würde.
***
'Wo bin ich?', war die erste Frage, die mir durch den Kopf schoss als ich wieder zu mir kam. Mein Kopf hämmerte furchtbar und ohne, dass ich mich bewegte spürte ich bereits den Schwindel. Ganz vorsichtig öffnete ich die Augen und blickte mich um. Ich lag in einem mir fremden Schlafzimmer auf einem Bett. Da es draußen schon dunkel war, konnte ich durch das geringe Licht, das durch die Fenster hereinfiel nicht viel erkennen.
Was tat ich hier? Wie kam ich hierher?
Stöhnend setzte ich mich auf, als dabei ein leichtes Ziehen durch meinen Hals schoss und meine Hand reflexartig dorthin schnellte. Meine Finger ertasteten eine Wunde und getrocknetes Blut, welches sie bedeckte, was mit einem Schlag meine Erinnerung zurückkehren ließ.
Das Salvatore-Anwesen!
Der Keller!
Damon! Er hatte mich angegriffen!
Ich spürte wie meine Angst zurückkehrte und sah mich hektisch um. Ich war allein im Raum, doch bestimmt nicht mehr lange. Ich musste hier raus!
Schnell stand ich auf und lief, den aufkommenden Schwindel ignorierend, durch den Raum zu der einzigen Tür. Ich lauschte kurz, ob draußen irgendwelche Geräusche zu hören waren, doch es war totenstill.
Ich atmete tief durch, ehe ich sehr langsam die Tür öffnete, welche dadurch schrecklich laut quietschte. Ich schloss kurz die Augen und betete, dass mich keiner gehört hatte. Jedoch blieb es weiterhin still, so dass ich nun auf den Flur trat, wo die Lichter angeschaltet waren und ich endlich erkannte, wo ich war. Ich befand mich noch immer im Salvatore-Anwesen!
Nur war ich jetzt im oberen Stockwerk.
Eilig, jedoch so leise wie möglich folgte ich dem Flur bis ich an seinem Ende die gesuchte Treppe entdeckte, die nach unten führte.
In diesem Moment spürte ich jedoch einen Windzug hinter mir und fuhr herum, nur um angsterfüllt aufzukeuchen.
Stefan stand direkt vor mir und musterte mich besorgt.
"Nathalie! Du bist aufgewacht!", sagte er und trat einen Schritt auf mich zu, doch ich wich so gleich zwei weitere zurück.
"Lass mich in Ruhe", sagte ich und meine Stimme war vor Angst nicht mehr als ein Flüstern, "Ich will einfach nur nach Hause."
"Du kannst noch nicht gehen", sagte Stefan kopfschüttelnd und trat nochmals auf mich zu, "Du weißt nicht, was hier los ist. Lass es mich erklären."
"Nein!", rief nun etwas lauter, "Ich brauche keine Erklärung! Damon ist ein Monster und du wahrscheinlich auch! Und diese Tierangriffe sind euer Werk! Das alles wart ihr!" Noch während ich die Worte aussprach wurde mir klar wie richtig ich lag und diese Erkenntnis trieb mir Tränen in die Augen. Wie hatte ich nur auf Damon hereinfallen können?
Ich ließ Stefan keine Zeit zu antworten, sondern drehte mich um, um die Treppe hinunter zu sprinten in den Flur Richtung Haustür. Doch kurz bevor ich sie erreichte, tauchte Stefan plötzlich vor mir auf und ich schrie auf, ehe ich kurz hinter mich sah und wieder zu ihm.
Wie konnte er sich so schnell bewegen?! Er war doch eben noch hinter mir gewesen!
Da packte Stefan meine Arme genau wie Damon vorhin und mir entfuhr ein Wimmern, während die Tränen nun haltlos über meine Wangen liefen.
Das war ein Alptraum. Ein verdammter Alptraum aus dem ich nicht erwachen konnte.
"Nathalie, bitte! Du musst dich beruhigen und mir zuhören!", sagte Stefan und blickte mich eindringlich an, während seine Augen die gleiche Tiefe annahmen, wie Damons als er mich beim Gründerfest gebeten hatte, zu vergessen, was ich gesehen hatte.
Ich hielt kurz inne, so dass ich spürte, wie er den Griff leicht lockerte, ehe ich mich losriss und zur Haustür stürzte.
"Nathalie!", rief Stefan mir hinterher, als ich die Tür aufriss und nach draußen rannte.
"Lass mich in Ruhe!", rief ich aus und lief über den Asphalt der Einfahrt, als Stefan erneut aus dem Nichts vor mir auftauchte und ich durch mein abruptes Abbremsen mein Gleichgewicht verlor und rückwärts zu Boden fiel.
Rückwärts und auf allen Vieren kroch ich nun von ihm weg, als plötzlich hinter Stefan ein Auto in die Einfahrt fuhr, was ihn dazu veranlasste sich umzudrehen.
Auch ich blickte zu dem Wagen, den ich durch die hellen Scheinwerfer nicht genau erkennen konnte, als ich eine Autotür knallen hörte.
"Stefan, was ist hier los?", hörte ich Elena fragen und ich war noch nie so erleichtert gewesen ihre Stimme zu hören. Ich sah wie sie zu Stefan trat und mich kurz darauf entdeckte.
"Oh mein Gott! Alie!", rief sie aus und rannte zu mir, um sich neben mich zu knien, "Was ist passiert? Du blutest ja!"
"Elena, wir müssen hier weg", hauchte ich leise und blickte panisch zu Stefan, der uns beide wie erstarrt ansah. Elena folgte meinem Blick und ihre Augen weiteten sich leicht.
"Hast du ihr das angetan?!", fragte sie und ich hörte die gleiche Angst in ihrer Stimme, die auch ich spürte.
"Elena-", fing Stefan an, doch sie unterbrach ihn.
"'Was bist du?!'", fragte sie und richtete sich auf.
Stefan blickte kurz zwischen uns beiden hin und her, ehe er hörbar ausatmete.
"Ihr wisst es", sagte er, doch Elena schüttelte den Kopf.
"'Nein… Keine Ahnung'", sagte sie leise und auch ich konnte nur den Kopf schütteln. Sie konnten nicht das sein, was ich glaubte. Das hier war die Realität. Hier gab es keine fiktiven Kreaturen oder Fantasy-Wesen. Das waren alles nur Geschichten… Oder?
"Ihr müsst es wissen. Sonst wäret ihr nie hierhergekommen", sagte Stefan ruhig.
"'Das ist völlig unmöglich! Undenkbar!'", sagte Elena und ihre Stimme zitterte leicht. Stefan trat einen Schritt auf sie zu, doch genau wie ich vorhin, wich sie zurück.
"Alles, was ihr wisst und alles woran ihr glaubt, wird sich ändern. Seid ihr dafür bereit?", fragte er.
"Meine beste Freundin liegt hier blutend auf dem Boden mit einer verdammten Bisswunde am Hals!", rief Elena wütend aus, "Ich will die Wahrheit wissen! Jetzt sofort!"
Stefan blickte sie kurz schweigend an, während ich mich mühsam aufrichtete und dicht neben Elena trat.
"'Ich bin ein Vampir'", antwortete Stefan schließlich und die Worte trafen mich wie ein Schlag ins Gesicht.
Vampir… Bluttrinkende Dämonen der Nacht ohne Seele, ohne Gewissen. Es war so absurd und dennoch passte das, was ich gesehen hatte haargenau.
Mir lief es eiskalt den Rücken herunter, als ich mich an Damons rote Augen und riesige Reißzähne erinnerte.
"Wir hätten nicht kommen sollen", sagte Elena leise, als sie meine Hand griff und mich wegzog, "Komm, Alie."
"'Nein! Bitte!'", sagte Stefan und wollte auf uns zu kommen, doch Elena stieß ihn mit ihrer freien Hand von sich, ehe wir Richtung Auto liefen. Ich ließ ihre Hand los, um auf die Beifahrerseite zu gelangen, als Stefan wie so oft zuvor aus dem Nichts auftauchte und direkt vor Elena stand.
Diese sah geschockt zwischen ihm und seiner vorherigen Position hin und her. Ich hielt angespannt die Luft an und beobachtete die beiden wie erstarrt.
"'Wie hast du das gemacht?'", fragte Elena und trotz ihrer Angst blieb ihre Stimme fest.
"'Bitte habt keine Angst vor mir'", sagte Stefan kopfschüttelnd und griff sie wie mich eben schon an den Armen.
"Lass uns gehen!", rief Elena aus und befreite sich, ehe sie in ihr Auto stieg, was ich ihr so gleich nachtat, ehe sie auch schon losfuhr und mit einer halsbrecherischen Geschwindigkeit über die Straßen rauschte.
***
"Hier. Leg das auf deinen Hals", sagte Elena und reichte mir ein feuchtes kühles Tuch, ehe sie die Tür schloss. Wir waren zu ihr nach Hause gefahren und hatten uns in ihrem Schlafzimmer eingeschlossen. Außer Jeremy war sonst niemand im Haus, doch wir konnten es ihm nicht erzählen. Er würde uns für durchgeknallt halten. Genauso wie jeder andere.
"Also was ist passiert, als du da drin warst?", fragte Elena und setzte sich neben mich aufs Bett.
"Damon…", sagte ich leise und Elena runzelte die Stirn, "Ich habe ihn im Keller gefunden. Er war eingesperrt gewesen. Ich wollte ihm helfen… Doch dann hat er mich gepackt und mich… gebissen." Es war so surreal das Geschehene auszusprechen.
"Damon hat dir das angetan?", fragte Elena erschrocken, "Und Stefan?"
"Er hat mich gefunden, nachdem ich in irgendeinem Schlafzimmer aufgewacht bin. Er wollte nicht, dass ich gehe. Ich habe mich gewehrt", erklärte ich und Elena nickte verstehend.
"Elena!", ertönte es da hinter uns und erschrocken fuhren wir beide herum. Stefan stand plötzlich im Zimmer und sah uns bittend an. Wie zum Teufel kam er hier rein?
Sofort glitt mein Blick zur Tür und zeitgleich mit Elena sprang ich auf, um zu ihr zu laufen. Jedoch war Stefan schneller als wir und stellte sich uns in den Weg, bevor wir auch nur ansatzweise in die Nähe kamen. Rein reflexartig griff ich Elenas Hand und drückte sie, was sie erwiderte.
"'Ich würde euch nie verletzen'", sagte Stefan und hob beruhigend die Hände, "'Ihr seid bei mir sicher.'" Das konnte er ja leicht behaupten.
"Ach ja? Und die Morde? Die angeblichen Tierangriffe?", fragte ich, was Stefan nur den Kopf schütteln ließ.
"'Nicht doch! Das war Damon!'", sagte er und ich blickte ihn ungläubig an.
"Damon?", wiederholte ich kaum hörbar. Eigentlich hätte es mir bei seinem Angriff schon klar sein müssen, jedoch hatte ich es bis jetzt erfolgreich vermeiden, können darüber nachzudenken. Aber jetzt, da Stefan es mir ins Gesicht sagte…
"'Ja! Ich trinke kein Menschenblut, weil ich so nicht überleben will, aber Damon schon!'", erklärte der Blonde und ich fühlte mich, als hätte mir jemand in den Magen geschlagen.
"Ich glaube mir wird schlecht", sagte ich leise, als ich Elena losließ und eine Hand auf meinen Mund presste.
Das konnte nicht sein!
Damon war ein Mörder. Ein Psychopath! Und ich hatte ihn in mein Haus gelassen! In mein Zimmer! Und beinahe hätte ich mit ihm…
Ich spürte wie meine Übelkeit überhandnahm und stürzte zur Tür, die ins Badezimmer führte, wo ich gerade noch die Toilette erreichte, bevor ich mich übergab.
Als sich mein Magen langsam wieder beruhigte und ich aufsah, bemerkte ich erst, dass Elena neben mir saß und mir ein Glas Wasser hinhielt.
Ich nickte ihr dankbar zu und spülte meinen Mund aus, bevor sie mir hoch half und mich zurück in ihr Zimmer führte.
"Stefan ist weg", sagte sie beruhigend, als sie meinen suchenden Blick sah, "Ich habe ihm gesagt, er soll verschwinden und jetzt ist er fort." Ich nickte nur, als wir uns auf das Bett sinken ließen und ich spürte wie sich ein dicker Kloß in meinem Hals bildete.
Es war alles nur ein Spiel gewesen… Damon hatte mit mir gespielt, wie ein Raubtier mit seiner Beute. Und ich war so naiv gewesen und hatte ihm alles geglaubt.
Dass er mich tatsächlich mögen würde…
Dass das zwischen uns echt wäre…
"Alie", sagte Elena leise und legte einen Arm um mich, "Es tut mir so leid." Ich blickte zu ihr auf, als ein Schluchzen meiner Kehle entkam und meine gesamte Selbstbeherrschung in sich zusammenbrach. Ich spürte, wie Elena mich vollends in ihre Arme zog, während ich den Tränen freien Lauf ließ.
Truth Or Lie
"I know the truth now
I know who you are
And I don't love you anymore
It never was and never will be
You don't know how you've betrayed me
And somehow you've got everybody fooled"
-Everybody's Fool, Evanescence
Liebes Tagebuch,
dies ist gerade mal mein zweiter Eintrag und obwohl nur wenige Wochen seit dem ersten vergangen sind, kommt es mir vor, als wäre es schon Monate oder Jahre her. Es ist nämlich etwas passiert. Etwas, das ich kaum begreifen kann, was auch der einzige Grund ist, warum ich es überhaupt aufschreibe. Vielleicht wird es klarer für mich, wenn ich es in Worte fasse. Leichter begreifbar...
Aber vielleicht erklär ich erstmal, was los ist: Und zwar habe ich jemanden kennengelernt. Einen Mann. Ich werde ihn dir nicht beim Namen nennen, falls dieses Buch je in falsche Hände geraten sollte. Jedenfalls habe ich die letzten Wochen mit ihm verbracht und ich dachte, er wäre DER Mann, derjenige mit dem ich mein Leben verbringen könnte. Bestimmt bist du jetzt verwirrt, da ich ja in meinem letzten Eintrag noch etwas von Jeremy geschrieben habe, doch dieser Mann hat mich ihn komplett vergessen lassen. Ich habe geglaubt, er wäre alles, was ich immer gesucht habe. Ich dachte, ich hätte mich in ihn verliebt...
Jetzt fragst du dich wohl, warum ich in der Vergangenheitsform schreibe, oder? Nun, es hat sich herausgestellt, dass das alles nur eine Lüge war. Dass er nur eine Lüge war.
Und nein, es ist nicht das übliche Teenagerdrama, bei welchem ein Mädchen heult, weil der Kerl anders ist, als sie gedacht hatte. Dieser Mann ist anders! Er ist kein Mensch, sondern...
Ein Vampir. Wenn du wüsstest, wie lange ich gezögert habe, dieses Wort aufzuschreiben. Himmel, wenn das hier je jemand liest, werde ich wohl für immer in eine Psychiatrie gesperrt.
Aber es ist wahr. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen... und gespürt. Ich habe gespürt, wie sich diese riesigen Fangzähne in mein Fleisch gebohrt und mit Gewalt mein Blut genommen haben. Ich habe immer geglaubt, ich wüsste, was real ist und was nur reine Fiktion. Ich hatte solche Wesen immer für wilde Erfindungen von Autoren gehalten, die verzweifelt etwas Spannendes erschaffen wollten. Doch es ist real. Vampire sind real.
Und zwar nicht solche, die in der Sonne glitzern oder solche, die man sich mit Knoblauch, Kreuzen oder Weihwasser vom Hals halten kann. Nein, ich weiß, welche Vampire real sind und ich weiß auch wozu sie fähig sind.
Der Mann, von dem ich gesprochen habe, ist nicht der einzige in der Stadt. Es gibt noch einen anderen. Einen, der geschworen hat, gute Absichten Elena und mir gegenüber zu hegen, auch wenn ich ihm das noch nicht so recht glaube. Er hat uns alles erzählt. Wozu Vampire fähig sind, was sie schwächt, was sie tötet.
Sie sind stark, stärker als zehn erwachsene Männer zusammen, und schnell, schneller als es ein menschliches Auge wahrnehmen kann. Außerdem sind sie unsterblich. Das heißt, sie altern nicht. Sie leben einfach ewig weiter, in dem Alter, in dem sie verwandelt wurden. Falls sie vorher nicht gewaltsam zu Tode kommen, natürlich.
Und sie können uns Menschen manipulieren... uns ihren Willen aufzwingen und zwar ohne, dass wir es überhaupt bemerken. Allerdings scheint es gegen diese Fähigkeit eine Pflanze namens Eisenkraut zu geben. Trägt man dies am Körper oder nimmt es zu sich, ist man gegen diese Gedankenkontrolle immun. Jedoch scheine auch ich irgendeine Art von Immunität zu haben. Denn obwohl ich kein Eisenkraut besitze und es auch nie getan habe, konnten mich beide Vampire nicht manipulieren. Seltsam, nicht wahr? Ich habe nicht den geringsten Schimmer, woher diese Immunität kommt, doch momentan bin ich ganz froh darüber.
Nun zu ihren Schwächen: Das Offensichtlichste ist wohl, dass sie Blut brauchen, um zu überleben. Kriegen sie kein Blut, werden sie schwächer und trocknen aus, so dass sie irgendwann nicht mehr fähig sind sich zu bewegen. Jedoch kann es sie nicht umbringen.
Wie ich dir bereits schrieb, gibt es das Eisenkraut. Es schützt nicht nur uns Menschen vor ihnen, es schwächt Vampire auch körperlich, wenn sie es zu sich nehmen. Es verbrennt sie, vergiftet sie und nimmt ihnen so ihre Kraft. Auch Sonnenlicht kann Vampire schwächen oder gar töten, auch wenn dies zweifelsohne nicht auf alle zutrifft, wie ich bereits feststellen musste. Will man einen Vampir töten, sollte man auf einen hölzernen Pflock zurückgreifen. Hier scheinen manche Vampirromane ausnahmsweise Recht zu behalten. Einen Pflock ins Herz und der Vampir stirbt umgehend. Enthauptung und Entfernung des Herzens sollen ebenfalls funktionieren, doch über sowas will ich nicht weiter nachdenken... Jedoch sollte ich das. Der Mann, der mich so getäuscht hat, ist gefährlich. Er hat schon unzählige Menschen getötet. Auch mich hat er bereits mehrfach angegriffen. Ich muss mich verteidigen können, wenn es nochmal passiert. Ich darf nicht zulassen, dass es wieder geschieht.
Ich werde mich nicht erneut von ihm täuschen lassen. Nein, nie wieder!
Ich hielt inne und schloss die Augen, während ich versuchte das Gefühlschaos in meinem Inneren zu beruhigen. Langsam öffnete ich meine Augen wieder und starrte auf die frisch geschriebenen Zeilen in meinem kleinen Büchlein.
Hier stand es nun also schwarz auf weiß. Ich hatte alles aufgeschrieben, was ich erfahren hatte und trotzdem ging es mir nicht besser.
Ich schnaubte leise.
Wieso auch? Es aufzuschreiben, machte es auch nicht ungeschehen. Damon war immer noch ein Vampir, immer noch ein Lügner und immer noch ein Mörder.
Ich biss mir schmerzhaft auf die Lippe, als ich spürte wie erneut Schmerz und Tränen in mir hochstiegen.
Der Damon, von dem ich dachte, ich würde ihn lieben, hatte nie existiert. Der perfekte attraktive Kerl mit dem charmanten schiefen Grinsen, dem sarkastischen Humor und der tief verborgenen Trauer... Alles eine Illusion. Er war nie da gewesen und würde es auch niemals sein.
Ungewollt entkam ein Schluchzen meiner Kehle und ich schluckte hart, während ich schnell die Tränen von meinen Wangen wischte.
Ich musste damit aufhören! Es durfte mich nicht mehr so fertig machen!
Er hatte mit mir gespielt. Für ihn war ich nichts weiter als ein Spielzeug. Er war meine Tränen nicht wert.
Ich zuckte zusammen, als mein Handy vibrierte, das neben mir auf dem Bett lag. Ich brauchte nur einen kurzen Blick, um zu erkennen, dass es wieder eine SMS von Elena war.
Sie war heute bereits den ganzen Tag mit Stefan unterwegs, um sich über das Thema Vampire aufklären zu lassen. Ich hatte mich heute Morgen nicht in der Lage gefühlt Stefan oder noch schlimmer vielleicht Damon gegenüberzutreten, weswegen ich einfach bei Elena zu Hause geblieben war. Ich hatte ja ohnehin schon bei ihr übernachtet, da war es nicht weiter aufgefallen.
Auf jeden Fall hielt mich Elena deswegen schon den ganzen Tag mit SMS auf dem neusten Stand, so dass ich nun gezwungenermaßen auch alles über Vampire wusste.
Zusätzlich wusste ich auch, dass Damon und Stefan über 145 Jahre alt waren und dass Katherine, von der ich gedacht hatte, sie wäre auch nur eine Erfindung, tatsächlich existiert hatte, und nicht nur das. Sie war auch die Vampirin gewesen, die die beiden Brüder verwandelt hatte, bevor sie gestorben war. Ich hatte diese Frau ja vorher schon nicht leiden können, doch jetzt glaubte ich, sie so langsam zu hassen. Es war alles ihre Schuld.
Wäre sie nicht gewesen, wäre das alles nicht passiert.
Kurz stellte ich mir vor, wie Damon wohl als Mensch gewesen war. Als er noch wie jeder andere Kerl gewesen war. Als er noch keinen Menschen umgebracht hatte, als er noch unschuldig gewesen war...
Zitternd griff ich nach meinem Handy, um Elenas Nachricht zu lesen. Sie waren jetzt auf dem Heimweg. Gut.
Wenn Elena wieder hier war und ich nicht mehr allein in ihrem Zimmer saß, machte ich mir vielleicht weniger Gedanken wegen Damon.
Ich warf das Handy wieder aufs Bett und erhob mich langsam von diesem, als mein Magen unmissverständlich knurrte. Mein Blick schnellte zur Uhr. Es war bereits 16 Uhr und ich hatte noch immer nichts gegessen, seit ich mich gestern Abend übergeben hatte. Kein Wunder, dass mein Magen solche Geräusche von sich gab.
Auch wenn ich nach wie vor nicht den geringsten Appetit verspürte, sollte ich trotzdem etwas essen. Vielleicht ging es mir dann besser.
Ich atmete einmal tief ein und aus, ehe ich zur Tür ging und diese vorsichtig öffnete.
Ich betrat den Flur und lief so gleich zur Treppe, um nach unten zu gehen, jedoch hielt ich unten an der Haustür inne, als ich aus der Küche Geräusche vernahm.
Es war jemand zu Hause. Ich hatte so gehofft, dass Jenna und Jeremy noch nicht da waren.
Wie sollte ich erklären, warum ich um die Uhrzeit ohne Elena bei ihnen daheim war? Nein, auf dieses Gespräch hatte ich definitiv keine Lust. Ich wollte mich gerade wieder zur Treppe drehen, um wieder nach oben zu laufen, als ich eine Stimme direkt hinter mir vernahm.
"Alie?" Erschrocken fuhr ich herum und erblickte Jeremy, der gerade aus dem Wohnzimmer kam und mich überrascht musterte, "Was machst du denn hier?"
Verdammt.
"Hey, Jer. Ich... ähm...", stotterte ich leicht, "Ich hatte heute bei Elena übernachtet, weil es mir nicht gut ging und... naja, jetzt bin ich eben immer noch hier." Etwas hilflos blickte ich ihn an, während er besorgt die Stirn runzelte und zu mir trat.
"Alles okay?", fragte er nach, woraufhin ich etwas nickte.
"Jeremy?!", ertönte da plötzlich ein Ruf aus der Küche und ich erkannte Vickys Stimme, was meine Laune, die ohnehin schon beim Erdkern war noch tiefer sinken ließ.
"Ein Date mit Vicky, hm?", fragte ich möglichst gelassen und sah Jeremy direkt an, "Da will ich euch mal nicht weiter stören." Damit wollte ich mich abwenden, als Jeremy meinen Arm griff.
"Alie, nein! So ist das nicht! Lass es mich erklären!", flehte er und ich drehte mich halb zu ihm.
"Du musst mir nichts erklären, Jeremy. Wir sind kein Paar, schon vergessen?", erwiderte ich und meinte kurz so etwas wie Bedauern über sein Gesicht huschen zu sehen.
"Ich weiß, aber ich will, dass du es weißt", sagte er und blickte mir dabei ehrlich in die Augen, "Vicky und ich sind nicht zusammen. Ich hab das mit ihr schon vor Tagen beendet."
Etwas überrascht blickte ich ihn an. Damit hatte ich nun nicht gerechnet.
"Und was macht sie dann hier?", fragte ich nach, als ich es in der Küche erneut rascheln hörte.
"Keine Ahnung, ehrlich. Ich meine, sie läuft mir schon seit einiger Zeit hinterher und will mit mir reden und wissen, wieso ich Schluss gemacht habe und so weiter. Aber heute hat sie geklingelt, ist einfach schnurstracks hierein marschiert und isst unseren gesamten Kühlschrank leer. Ich denke, sie hat irgendwas genommen", erklärte Jeremy unsicher und ich runzelte die Stirn.
"Und du lässt sie einfach machen?"
"Nein, aber... Es kam mir falsch vor, sie einfach rauszuwerfen. Ich habe Matt angerufen. Er sollte bald hier sein", sagte er und ich nickte. Das war vielleicht das Beste. Wenn Jeremy nicht genau wusste, welche Art Drogen Vicky genommen hatte, war es besser, erstmal Matt herzuholen. Er hatte sie wahrscheinlich schon öfter in solchen Situationen erlebt.
"Ist wirklich alles okay bei dir?", fragte Jeremy da und ich blickte zu ihm auf, "Du siehst aus, als hättest du geweint." Ich spürte, wie er mit der rechten Hand, die meine griff, während er mit der anderen Anstalten machte über meine Wange zu streicheln. Jedoch wich ich instinktiv vor ihm zurück.
"Jeremy, nicht...", hauchte ich und entzog mich ihm ganz. Das durfte er nicht tun. Diese Nähe war zu schmerzhaft, um sie zuzulassen.
Jeremy seufzte hörbar und blickte schuldbewusst zu Boden.
"Es tut mir leid. Ich weiß, dass du mit Stefans Bruder zusammen bist. Aber ich kann meine Gefühle für dich nun mal nicht einfach abschalten", murmelte er und blickte wieder zu mir auf, was meinem ohnehin schon in tausend Scherben zerbrochenen Herzen mal wieder einen Stich versetzte. Wieso hatte ich mich nicht für Jeremy entschieden? Wieso hatte ich mich in Damon verliebt und nicht in ihn?
"Damon und ich, wir... wir sind kein Paar", sagte ich leise und Jeremy sah mich erschrocken an, "Nicht mehr."
"Deswegen hast du geweint", sagte er feststellend und ich wich seinem Blick aus, indem ich zu Boden sah, "Was hat er getan?" Nein, ich konnte es ihm nicht sagen. Er würde mir nie glauben. Mal abgesehen davon, dass ich ihn damit in schlimme Gefahr bringen würde.
"Es ist nicht wichtig, Jer!", wehrte ich ab, "Es ist halt einfach so." Ich blickte ihn wieder in die Augen und beobachtete seine Mimik. Er schien kurz zu überlegen, ob er weiter nachhaken sollte, ehe er sich wohl dagegen entschied, da er hörbar ausatmete.
"Na schön. Aber ich will, dass du weißt, dass ich immer für dich da bin, falls du jemanden zum Reden brauchst", sagte er leise und ich spürte, wie mit diesen Worten der sehnliche Wunsch in mir hochstieg, ihm alles zu erzählen. Von Damon, von Vampiren, von allem. Es wäre so schön, es einfach rauszulassen. Sich jemanden anzuvertrauen.
Aber es ging nicht. Ich würde Jeremy wie gesagt nur in Gefahr bringen, vor allem da er sicher versuchen würde gegen Damon vorzugehen, wenn er wüsste, was er mir angetan hatte.
Nein, ich musste schweigen.
"Danke", sagte ich nur und versuchte mich an einem Lächeln.
Ich zuckte erschrocken zusammen, als es plötzlich klingelte.
"Das ist wohl Matt", murmelte Jeremy, als er sich zur Haustür wandte, um diese zu öffnen.
"'Wo ist sie?'", fragte Matt sofort, als er reinkam.
"'Komm mit'", antwortete Jeremy nur, ehe er ihn in die Küche führte.
Ich folgte den beiden und erschrak leicht bei dem Anblick, der sich mir in der Küche bot. Vicky saß auf dem Boden an einen der Schränke gelehnt und hatte sämtliche Inhalte des Kühlschranks vor sich auf dem Boden verteilt, während sie sich immer wieder etwas anderes in den Mund stopfte.
Gab es Drogen, die so einen Heißhunger verursachen konnten?
"'Auf was ist sie?'", fragte Matt nach und ein genervter Unterton schwang in seiner Stimme mit.
"'Keine Ahnung'", antwortete Jeremy ebenfalls etwas genervt, als Matt sich Vicky vorsichtig nährte.
"'Hey Vic. Wie geht’s dir?'", fragte er und setzte ihr die Sonnenbrille ab, was mich erneut verwirrte. Es war draußen doch bewölkt. Wozu brauchte sie eine Sonnenbrille?
"'Nicht gut, Matty'", murmelte sie, "'Es tut weh.'"
"'Okay. Wo tut es weh?'", fragte Matt nach.
"'Mein Zahnfleisch! Mein Kiefer tut weh! Da ist etwas in meinem Zahnfleisch, das weh tut!'", rief die Dunkelhaarige nun laut und ich wechselte einen ratlosen Blick mit Jeremy. Heißhunger und Zahnschmerzen? Von so einer Kombination von Symptomen bei Drogen hatte ich noch nie gehört.
"'Okay, Vic. Jetzt komm mal wieder runter!'", sagte Matt nun etwas härter, "'Lass uns nach Hause gehen und-'"
"'SCHALT ES SOFORT AB!'", schrie Vicky da plötzlich und wir alle drei sahen sie irritiert an.
"'Was abschalten?'", fragte Jeremy.
"'Das Gerede, das Gequatsche! Schalt es einfach ab!'", rief Vicky aufgebracht, ehe sie aufstand und zum Wohnzimmer lief, wo der Fernseher eingeschaltet war und gerade die Nachrichten liefen.
"'Hier ist Logan Fell. Ich berichte live vom Tatort eines schrecklichen Verbrechens, dass mich zutiefst erschüttert hat. Drei Leichen wurden gefunden, die offenbar Opfer eines Drogenkriegs rivalisierender Banden sind. Die Leichen wurden noch nicht identifiziert. Sie wurden heute früh auf dem alten Friedhof von Mystic Falls aufgefunden'", berichtete der Nachrichtensprecher, als Jeremy sich fragend zu Vicky drehte.
"'Da wolltest du doch gestern Abend hin!'", sagte er und ich blickte fragend zu Vicky, der nun Tränen über die Wangen liefen.
"'Was ist passiert, Vic?'", fragte Matt ruhig, doch Vicky schien nicht fähig zu sein zu antworten, sondern starrte einfach nur weiter auf den Bildschirm. Was war denn nur los mit ihr? Was war auf dem Friedhof geschehen? Kurz beschlich mich die leise Vermutung, dass Damon etwas damit zu tun haben könnte, doch ich verwarf sie schnell wieder. Er würde die Leichen nicht verbrennen... oder doch?
"'Ich ruf die Bullen an'", sagte Matt schließlich kopfschüttelnd und wollte sich abwenden, als Vicky ihn am Arm griff.
"'Nein! Tu das nicht!'", rief sie flehend.
"'Was ist da passiert, Vicky?!'", fragte Jeremy nun direkt und trat an sie heran, während er Anstalten machte nach ihrem Arm zu greifen. Jedoch schien Vicky dies gar nicht zu passen, denn sie stieß Jeremy von sich und zwar mit einer solchen Kraft, dass er nach hinten fiel und hart gegen das Sofa vor dem Fernseher knallte.
"Jer!", rief ich besorgt aus und lief zu ihm, "Alles okay?" Ich legte eine Hand an seine Wange und wollte ihn untersuchen, jedoch entzog er sich mir schnell.
"Ja, alles bestens!", murrte er verärgert und stand wieder auf, während ich kurz die Augenbrauen hob. Anscheinend hatte nur sein Stolz etwas abgekriegt.
"'Verdammt, Vic'", kam es verblüfft von Matt und auch ich musterte die Dunkelhaarige nun skeptisch. Wie hatte sie so viel Kraft aufbringen können, Jeremy einfach wegzustoßen? Immerhin war er einen ganzen Kopf größer als sie.
Da hörte man plötzlich das Auf- und Zuschlagen der Haustür, als keinen Moment später Elena gefolgt von Stefan den Raum betrat. Ich spannte mich beim Anblick von Letzterem unwillkürlich an und ging unauffällig auf Abstand.
Ich traute ihm noch immer nicht.
"'Was ist hier los?'", fragte Elena und blickte skeptisch in die Runde.
"'Sie ist völlig durchgeknallt'", antwortete Matt nur und deutete auf Vicky, die sich nun leicht panisch umsah, als würde sie einen Fluchtweg suchen.
"'Elena, geh mal bitte zur Seite'", sagte Stefan da und schob Angesprochene leicht weg, ehe er an Vicky herantrat und ihr tief in die Augen sah, "'Vicky, sieh mich an. Konzentrier dich. Du wirst wieder gesund. Es wird alles wieder gut.'" Ich erkannte den Klang seiner Stimme und spannte mich noch mehr an. Er manipulierte sie.
Vicky nickte etwas, während sie ihm wie hypnotisiert in die Augen starrte, während Stefan sich nun von ihr abwandte.
"'Hey Jungs, bringt sie ins Bett. Verdunkelt das Zimmer! Sie braucht Ruhe, macht schon!'", sagte er an Matt und Jeremy gewandt. Erster reagierte sofort und legte einen Arm um Vicky, um sie wegzuführen, während Jeremy noch zögerte und mich fragend ansah, fast so als würde er um Erlaubnis bitten, was mich kurz minimal lächeln ließ.
"Nun geh schon", sagte ich und er nickte etwas, ehe er sich Matt anschloss.
Stefan folgte den beiden noch kurz, während Elena nun zu mir trat.
"Hey, alles okay?", fragte sie besorgt, was mich wie mechanisch nicken ließ.
"Geht schon", antwortete ich nur, als Stefan wieder zu uns zurückkam und zu uns trat, was mich sofort einen Schritt Abstand nehmen ließ, was natürlich sowohl Elena als auch Stefan nicht entging.
"'Weißt du, was mit Vicky los ist?'", fragte Elena an Stefan gewandt, während sie mir noch kurz einen besorgten Blick zuwarf, den ich jedoch ignorierte.
"'Ja'", antwortete Angesprochener nickend und eine dunkle Ahnung stieg in mir auf.
"Und was?", fragte ich zeitgleich mit Elena, was den Dunkelblonden hörbar ausatmen ließ.
"'Sie verwandelt sich'", sagte er leise und ich sog scharf Luft ein.
"'Sie verwandelt sich in was?!'", fragte Elena nach, doch ich kannte die Antwort schon.
"'In einen Vampir'", antwortete Stefan und ich schüttelte leicht den Kopf. Das konnte doch nicht wahr sein!
"'Was?!'", fragte Elena entsetzt und ihr Gesicht spiegelte haargenau meine eigenen Gefühle wieder.
"'Damon muss sich ihrer bemächtigt haben. Noch ganz frisch. Sie hat die Verwandlung noch nicht komplett vollzogen'", erklärte Stefan und seine Worte trafen mich wie Faustschläge in den Bauch. Damon hatte ihr das angetan. Also hatte ich eben doch richtig gelegen. Mal wieder ging alles böse nur von ihm aus.
Ich wandte mich leicht von Elena und Stefan ab und schloss kurz die Augen, um tief durchzuatmen, als mir schon wieder übel wurde.
"'Und wie... wie macht sie das?'", fragte Elena zögerlich.
"'Sie muss jetzt Menschenblut trinken'", erwiderte Stefan, was meine Übelkeit noch mehr steigerte, als in mir eine Frage aufstieg.
"Was, wenn sie es nicht macht?", fragte ich und drehte mich wieder zu den beiden, "Was, wenn wir einfach abwarten?" Konnte sie dann vielleicht wieder zum Menschen werden?
"Dann wird sie sterben", sagte Stefan jedoch und erneut stieg Entsetzen in mir hoch.
"Also hat sie die Wahl zwischen Sterben und Monster werden?!", fragte ich ungläubig nach, was Stefan kurz innehalten ließ, ehe er etwas nickte.
Elena fuhr sich daraufhin aufgebracht durchs Haar und begann im Raum auf und ab zu laufen, während ich nur die Arme verschränkte und mich an die Wand lehnte, noch immer die Übelkeit in mir bekämpfend.
"'Ihr bleiben nur noch ein paar Stunden'", sagte Stefan schließlich nach kurzem Schweigen.
"'Sie ist jetzt mit den beiden da oben!'", sagte Elena aufgebracht und reflexartig schnellte mein Blick zur Treppe. Sie hatte recht. Was, wenn sie Jeremy angriff?
"'Es ist okay. Sie weiß noch nicht, was in ihr vorgeht.'". versuchte Stefan uns zu beruhigen, doch wirklich helfen tat mir das nicht.
"'Und wann wird sie es wissen?'", fragte Elena unruhig.
"'Im Moment erinnert sie sich an gar nichts. Ein Teil von ihr ist immer noch Mensch. Doch mit dem Fortschreiten der Verwandlung kommen die Erinnerungen zurück und dann wird sie wissen, dass sie die Entscheidung treffen muss'", erklärte Stefan und ich schnaubte leise.
"Sterben oder Monster werden", murmelte ich und wechselte einen Blick mit Elena, die sich daraufhin direkt zu Stefan drehte.
"'Dieselbe Entscheidung, die du getroffen hast?'", fragte sie anklagend und auch ich blickte ihn feindselig an. Auch Damon hatte diese Wahl getroffen. Beide hatten sich bewusst für ihr Dasein entschieden. Sich dafür entschieden, solche Monster zu werden und Menschen zu quälen und zu töten.
Stefan antwortete nicht auf Elenas Frage, sondern sah nur zu Boden. Die Dunkelhaarige schien auch keine Antwort zu erwarten, denn sie wandte sich schnell von ihm ab und machte sich daran das Chaos zu beseitigen, das Vicky hinterlassen hatte.
Ich beschloss mich ihr anzuschließen und sei es auch nur, damit ich etwas zu tun hatte und Stefan nicht weiter ins Gesicht sehen musste.
Es wurde absolut still im Haus und man hörte nur noch das Rascheln und Klirren der Sachen, die Elena und ich wieder an ihren Platz räumten.
Doch kurz darauf ertönten plötzlich laute Schritte auf der Treppe, ehe man auch das Klicken der Haustür hörte.
"Vic?!", hörte ich Matt rufen und blickte auf. Ich sah gerade noch so, wie Vicky die Treppe zur Veranda hinunterrannte, als Matt und Jeremy ihr auch schon hinterherliefen.
"VIC!", rief Matt erneut, als auch Elena, Stefan und ich zur Haustür liefen und nach draußen sahen.
"'Sie war ganz ruhig und dann ist sie plötzlich ausgerastet!'", sagte Jeremy und hob leicht hilflos die Schultern.
"'Ich geh sie suchen! Ruft mich an, wenn ihr was hört!'", sagte Matt sofort und rannte los.
"'Ich kann sie aufspüren'", hörte ich Stefan leise sagen und drehte mich zu ihm. Er blickte fragend zwischen Elena und mir hin und her. Dann sollte er doch gehen!
"'Geh!'", sagte Elena nickend, die das gleiche zu denken schien, und auch Stefan lief los, während Jeremy, Elena und ich allein zurückblieben.
Schweigend gingen wir wieder in die Küche zurück und räumten nun zu dritt weiter auf, während nun langsam auch die Sonne unterging.
Ich sortierte gerade das Besteck wieder ein, als mein Blick auf die Uhr fiel. Ich war jetzt schon über 24 Stunden nicht mehr daheim. Ich sollte vielleicht Tyler anrufen, damit er sich keine Sorgen machte. Sicher hatte er mich auch schon angerufen.
Ich griff an meine Hosentasche, wo ich normalerweise mein Handy hatte, jedoch war sie leer.
Kurz überlegte ich. Wo hatte ich zuletzt mein Handy?
Da fiel es mir ein. In Elenas Zimmer.
"Alie?", hörte ich Jeremys besorgte Stimme, "Alles in Ordnung?" Ich drehte mich zu ihm und lächelte beruhigend.
"Ja. Alles gut. Ich hab nur mein Handy oben vergessen. Ich bin gleich wieder da", sagte ich und verließ die Küche schnellen Schrittes, bevor Jeremy weiter nachfragen konnte.
Ich betrat Elenas Zimmer und entdeckte sogleich mein Handy, was vor sich hin vibrierte.
Ich musste kurz lächeln, als ich auf das Display sah.
Tyler und ich waren offenbar telepathisch verbunden. Naja, das wurde Zwillingen ja auch nachgesagt.
Ich nahm den Anruf an und hielt das Handy an mein Ohr.
"Mir geht es gut, Ty", sagte ich, bevor er etwas sagen konnte und ich konnte förmlich hören, wie er erleichtert ausatmete.
"Nathalie! Gott sei Dank, gehst du ran! Wo bist du denn, verdammt?", fragte er ernst und ich ließ mich kurz auf Elenas Bett sinken.
"Bei Elena. Ich hatte bei ihr übernachtet und bin den ganzen Tag bei ihr geblieben. Eine spontane Pyjama-Party sozusagen", sagte ich so gelassen wie möglich und bekam ein wenig ein schlechtes Gewissen. Die letzte Nacht war alles andere als eine Party gewesen.
"Himmel, weißt du, was ich mir für Sorgen gemacht habe?! Du bist seit gestern spurlos verschwunden und dann kam in den Nachrichten noch dieser Bericht von drei nicht identifizierbaren Leichen! Weißt du, was Mom und Dad für einen Aufstand gemacht hätten, wenn sie mitgekriegt hätten, dass du die ganze Nacht nicht da warst?!", rief Tyler aufgebracht und mein schlechtes Gewissen machte sich noch mehr bemerkbar.
"Ich weiß. Ich hätte Bescheid sagen sollen, es tut mir leid. Ich habe es gestern einfach vergessen", sagte ich entschuldigend und kurz war es ruhig auf der anderen Seite des Hörers. Ich konnte fast vor meinem geistigen Auge sehen wie er versuchte sich wieder zu beruhigen.
"Ruf das nächste Mal einfach an, ja?", sagte er schließlich und ich lächelte schmerzlich. Er war einfach der beste Bruder der Welt, trotz der Tatsache, dass er sich anderen gegenüber wie ein Arsch verhielt. Und ich log ihn zum Dank an.
"Mach ich. Versprochen. Ich komme heute sicher nach Hause", sagte ich und nahm mir fest vor heute wieder in meinem eigenen Bett zu schlafen.
"Das will ich dir auch geraten haben!", sagte Tyler in einem gespielt strengem Ton, was mich tatsächlich zum Lachen brachte.
"Hör auf, du klingst schon fast wie Dad!", entgegnete ich und hörte wie er erschrocken Luft holte.
"Oh Gott, bloß nicht!", antwortete er und ich lachte erneut, ehe kurz Stille herrschte, "Ich hab dich lieb, kleine Schwester", sagte er dann schließlich, was mich sofort die Augen verdrehen ließ. Ich war nicht seine kleine Schwester!
"Ich dich auch, 'großer' Bruder", erwiderte ich und betonte das Wort 'großer' sarkastisch, was ihn lachen ließ, ehe wir beide auflegten.
Ich atmete hörbar aus. Es hatte echt gutgetan, mit Tyler zu reden und einfach mal kurz so zu tun, als wäre alles in Ordnung.
Auch wenn das schlechte Gewissen deutlich in meinem Inneren nagte, ging es mir etwas besser. Doch jetzt musste ich mich wieder der Realität stellen.
Seufzend erhob ich mich vom Bett und lief nach draußen in den Flur. Jedoch blieb ich dort direkt an der Treppe stehen, als ich Jeremy und Elena reden hörte.
"Ich weiß, dass mit ihr etwas nicht in Ordnung ist!", sagte Jeremy gerade und ich runzelte die Stirn. Sprach er von Vicky?
"Sie ist sicher nur etwas müde, das ist alles", wehrte Elena ab und ich trat leise ein paar Stufen nach unten, um sie besser hören zu können.
"Ich weiß, dass sie sich von Damon getrennt hat!", sagte Jeremy da und ich horchte auf. Sie redeten von mir!
Elena schien kurz innezuhalten.
"Woher weißt du das?", fragte sie unsicher nach.
"Sie hat es mir erzählt, aber nicht warum. Zwischen ihnen muss irgendwas vorgefallen sein. Weißt du etwas darüber?" Ich spannte mich kurz an. Ich wollte nicht, dass Jeremy da mit hineingeriet. Weder in die Vampirsache noch in mein Beziehungsdrama mit Damon.
"Jeremy, wenn Alie wollte, dass du es weißt, hätte sie es dir gesagt, oder?", antwortete Elena jedoch nur und ich atmete erleichtert aus. Sie war nicht umsonst meine beste Freundin. Sie verstand mich.
Da klingelte es plötzlich an der Tür und reflexartig lief ich die wenigen Stufen wieder nach oben, ehe ich mich an die Wand neben dem Geländer presste, so dass man mich von unten aus nicht mehr sehen konnte. Wer klingelte denn um die Uhrzeit?
Vorsichtig blickte ich um die Ecke zur Haustür, wo Elena und Jeremy bereits standen.
Erstere öffnete die Tür, nur um sie sofort wieder zu zuschlagen, als sie erkannte, wer da vor ihrem Haus stand. Auch ich holte erschrocken Luft, als ich ihn erkannte.
Damon. Was zum Teufel wollte er hier?
Elena schaffte es fast die Tür wiederzuzuschlagen, doch griff Damon im letzten Moment dazwischen und stieß sie ohne viel Mühe wieder auf.
"Jeremy, geh nach oben, na los!", sagte Elena gefasst, doch ich hörte trotzdem das Zittern in ihrer Stimme, als sie Jeremy kurz einen bedeutenden Blick zuwarf. Sie wollte, dass Jeremy zu mir ging und mich davor bewahrte, Damons Anwesenheit zu bemerken. Nun, dafür war es zu spät.
Jeremy blickte Damon auf Elenas Aussage hin noch kurz an und auch wenn ich sein Gesicht nicht sehen konnte, wusste ich, dass sein Blick wohl mehr als tödlich war, ehe er sich abwandte und die Treppen nach oben lief, wo er mich natürlich sofort hinter der Wand entdeckte.
Ich sah wie er zum Sprechen ansetzte, als er mit mir hinter der Wand stand, doch ich legte schnell eine Hand auf seinen Mund.
"Ich weiß", formte ich nur stumm mit den Lippen, "Ist okay." Jeremy blickte mich darauf nur zweifelnd an, doch als ich ihn bittend ansah, gab er schließlich nach und trat einen Schritt zurück, um mir den Weg frei zu machen. Ich trat etwas an ihm vorbei, warf ihm jedoch noch einen weiteren bittenden Blick zu und wieder verstand er, was ich von ihm wollte.
Mit sichtlich genervtem Blick, der genau zeigte, dass ihm das gar nicht recht war, öffnete er die Tür zu seinem Zimmer und verschwand darin.
Gut. Jeremy sollte das nicht mitkriegen.
Ich atmete kurz hörbar aus, ehe ich wieder an der Wand vorbei nach unten zur Haustür sah.
Damon lehnte noch immer im Türrahmen und schien Elena mit Blicken zu durchdringen. Er hatte mich noch nicht bemerkt.
"'Du hast ja Angst vor mir'", stellte er schließlich fest, "'Ich werde mal etwas vorpreschen und raten: Stefan musste endlich ein Geständnis nach der Sache mit Zoey ablegen." Ich schluckte.
So nannte er das also? Eine Sache?
"'Hör auf und bleib weg von mir und vor allem weg von Alie!'", erwiderte Elena kalt und ich hoffte, dass Damon das erneute Zittern in ihrer Stimme überhörte.
"'Hey, hey, hey. Kein Grund grantig zu werden. Ich suche bloß Stefan'", sagte Damon gelassen und gerade noch so sah ich, wie er begann den Flur mit den Augen abzusuchen, so dass ich schnell wieder hinter meiner schützenden Wand verschwand. Ich konnte ihm noch nicht in die Augen sehen.
"Obwohl es mich auch interessieren würde, wo sich deine beste Freundin aufhält. Zu Hause war sie nämlich nicht", fügte er da hinzu und erneut schluckte ich. Er hatte bereits nach mir gesucht. Was hatte er vor? Wollte er zu Ende bringen, was er gestern begonnen hatte?
"Sie ist nicht hier", antwortete Elena sofort, doch vielleicht etwas zu schnell, denn Damon schien ihr nicht wirklich zu glauben.
"Natürlich", murmelte er ironisch, "Darf ich dann reinkommen?", es folgte eine kurze Pause und ich war mir sicher, dass Elena gerade dazu ansetzte zu widersprechen, als er auch schon weiterredete, "'Ach warte! Klar, darf ich! Ich wurde ja eingeladen.'" Damit hörte ich wie er das Haus betrat und mir lief es eiskalt den Rücken runter. Dieses Detail hatte ich vergessen. Vampire konnten Häuser von Menschen nur betreten, wenn sie hereingebeten worden waren.
Elena hatte Damon bereits hereingebeten... genauso wie ich. Er konnte einfach so jederzeit in mein Haus.
"'Wir können gleich auf den Punkt kommen, ich werde dich jetzt nicht töten'", fuhr Damon da fort und ich spannte mich an, "'Es würde meine Pläne durcheinanderbringen. Zumal es für meine Beziehung mit Zoey nicht gerade förderlich wäre.'" Ich presste die Lippen zusammen als langsam Wut in mir hochstieg. Wenn er Elena auch nur ein Haar krümmte, konnte er etwas erleben! Ich schloss kurz die Augen und nahm all meinen Mut zusammen. Ich durfte sie nicht länger da unten allein lassen.
Mit diesem Gedanken stieß ich mich von der Wand ab und trat am Geländer vorbei zur Treppe. Damon, der inzwischen mitten im Raum direkt gegenüberstand, schien meine kaum hörbaren Schritte trotzdem wahrzunehmen und sein Blick schnellte zu mir.
Mir gefror das Blut in den Adern, als ich ihm direkt in die Augen sah, doch versuchte ich mir äußerlich nichts anmerken zu lassen.
"Hallo Schönheit", sagte er und drehte sich ganz zu mir, als ich langsam die Treppe hinunterstieg, "Ich hab dich schon gesucht." Ich spürte wie meine Brust vor Schmerz zu verglühen schien, als er den Kosenamen benutzte, doch bewahrte ich eine kühle Miene.
"Du kannst mit den Spielchen aufhören, Damon", sagte ich so kalt und feindselig wie möglich, "Stefan hat uns alles erzählt." Ich merkte, wie Damons Blick sich deutlich verdunkelte und bekam etwas Angst, als er Elena und mir leicht den Rücken zuwandte.
Ich war inzwischen unten angekommen und stellte mich sofort neben Elena, die sich daraufhin leicht vor mich stellte, als könnte sie mich so vor Damon schützen.
"'Wo ist denn mein redseliger kleiner Bruder?'", fragte Damon da und ich wechselte einen kurzen Blick mit Elena.
"'Er ist draußen und sucht nach Vicky!'", antwortete diese und man hörte den Unterton deutlich heraus. Damon drehte sich wieder zu uns um und legte den Kopf leicht schräg.
"Jetzt seht mich nicht so vorwurfsvoll an", sagte er und trat einen Schritt auf uns zu, "'Die Kleine wird mir noch für alles dankbar sein.'" Jetzt trat ich an Elena vorbei einen Schritt vor, so dass ich ihm so nah war, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte. Diese Nähe ließ mein Herz zwar wieder vor Schmerz beben, doch ich ignorierte es. Ich würde ihm gegenüber keine Schwäche zeigen.
"So dankbar, wie ich dir war, als du mir die Kehle aufgerissen hast?", fragte ich leise, doch sein Gesicht ließ darauf keinerlei Emotionen erkennen, "Oder so dankbar wie du Katherine warst?" Es war schlichtweg nur geraten, dass Damon bei seiner Verwandlung wahrscheinlich ebenfalls wenig begeistert gewesen war, doch anscheinend hatte ich ins Schwarze getroffen, als er kurz die Kontrolle über seine gefühllose Maske zu verlieren schien und ich Emotionen wie Trauer und Reue über sein Gesicht huschen sah. Jedoch fasste er sich schnell wieder und wandte mir den Rücken zu, wahrscheinlich, um meinem Blick zu entgehen.
"Ihr habt wohl die ganze Lebensgeschichte gehört, hm?", fragte er, ohne uns anzusehen.
"'Genug jedenfalls'", antwortete Elena und trat wieder neben mich.
"'Oh, das bezweifle ich'", murmelte Damon leise, was mich kurz die Stirn runzeln ließ. Gab es da noch mehr?
Da drehte sich Damon wieder zu uns und sein Blick glitt zwischen uns beiden hin und her, ehe er etwas länger an mir hängen blieb. Ich hielt seinem Blick nur starr stand, ohne eine Regung zu zeigen. Für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, dass er mir etwas sagen wollte, doch dann wandte sich Damon Richtung Tür und öffnete sie.
"'Sagt Stefan, dass ich ihn suche'", sagte er so gelassen, als würde er übers Wetter reden, ehe er nach draußen trat und sich nochmal kurz zu uns drehte.
"'Ach noch etwas. Seid lieber vorsichtig, wen ihr in Zukunft in euer Haus einladet'", sagte er noch, ehe er leicht grinste und die Tür schloss.
Ich hörte noch seine Schritte auf der Veranda, ehe es komplett still wurde und meine gesamte Selbstbeherrschung in sich zusammenbrach. Ich atmete hörbar aus und spürte, wie der Schmerz in meiner Brust mir sofort die Tränen in die Augen trieb, die ich mit meiner gefühlskalten Haltung so lange unterdrückt hatte.
"Alie!", hörte ich Elena besorgt sagen, doch ich konnte nicht darauf reagieren. Mit Mühe drängte ich den Schmerz wieder zurück und wischte mir schnell die Tränen aus den Augen, ehe zu Elena aufsah, die vor mich getreten war und mich mitleidig ansah.
"Schon gut", murmelte ich und räusperte mich, als meine Stimme leicht brüchig wurde, "Es geht mir gut."
"Es geht dir nicht gut", widersprach meine beste Freundin und legte tröstend ihre Arme um mich. Jedoch schob ich sie schnell wieder weg.
Ich ertrug ihr Mitleid jetzt gerade nicht. Nicht ihren Blick, der mich ansah, als wäre ich nur noch ein kaputtes Wrack und auch nicht ihre Umarmungen, die mir nur wenig Trost spendeten. Ich wollte einfach nur noch allein sein und mir daheim die Augen aus dem Kopf weinen.
"Tut mir leid. Ich... ich sollte wohl besser nach Hause gehen", sagte ich kopfschüttelnd und wollte an ihr vorbei zur Tür, doch sie griff meinen Arm.
"Etwa zu Fuß? Nein! Nicht, wenn Damon noch da draußen rumläuft! Komm, ich fahr dich!", sagte sie bestimmend, als sie sich kurzerhand ihre Autoschlüssel schnappte und mit mir zur Tür ging.
Ich nickte einfach nur.
Ich sollte sie wohl nicht auf die Tatsache aufmerksam machen, dass Damon auch wenn ich zu Hause war, jederzeit ohne Probleme an mich herankam, wenn er es wollte. Dann würde Elena mich gar nicht mehr allein lassen.
***
-Damons Sicht-
Bestimmt seit einer halben Stunde stand der Schwarzhaarige in dem vollkommen dunklen Zimmer und wartete.
Nachdem er Stefan schlussendlich aufgespürt, ihn notgedrungen vor einem Vampirjäger gerettet hatte und Vicky ihnen entwischt war, hatte er seinen Tageslichtring, den Stefan ihm abgenommen hatte, zurückgeholt und war zur Lockwoodvilla gegangen, so wie er es vor ein paar Stunden schon einmal getan hatte. Jedoch hatte er Nathalie dort beim ersten Mal nicht angetroffen.
Damon schloss kurz die Augen, als er an die Begegnung mit Nathalie in Elenas Haus zurückdachte. Wie sie ihn angesehen hatte. Absolut kalt und gefühllos.
Natürlich wusste Damon, dass das lediglich eine Maske gewesen war, die ihre wahren Gefühle verstecken sollte. Jedoch sorgte er sich genau um diese versteckten Gefühle.
Der Schwarzhaarige spürte wie Reue in ihm hochstieg und atmete hörbar aus.
Der gestrige Vorfall im Keller beschäftigte ihn noch immer. Er hatte sie nicht angreifen wollen, sie nicht so sehr verschrecken und verletzen wollen. Es war sein Hunger gewesen, der ihn in diesem Moment gelenkt hatte. So hatte er ihr ungewollt die Bestie in sich gezeigt, die er so lange sorgfältig vor ihr verborgen hatte.
Nochmals atmete Damon hörbar aus und fuhr sich durchs Haar.
Nathalie hätte es nicht so erfahren dürfen. Sie hätte es gar nicht erfahren dürfen.
Wieder wunderte er sich über sich selbst. Wieso machte es ihm so viel aus?
Sonst hatte er all seine Gefühle doch auch unter Kontrolle. Er hatte den gesamten Tag mit Vicky Donovan verbracht und sie getötet. Und es war ihm egal gewesen.
Er hatte Zach, seinen einzigen noch menschlichen Verwandten, mit einer einfachen Handbewegung das Genick gebrochen, ohne dass es ihn gekümmert hatte.
Er hatte Caroline Forbes regelmäßig gebissen, sie manipuliert und sie für seine Zwecke missbraucht. Und er hatte nichts dabei gefühlt.
Elena wusste nun alles über ihn. Katherines Ebenbild verachtete ihn nun und doch spürte er auch hier keinerlei Gefühlsregung. Als wäre seine Menschlichkeit nach wie vor abgeschaltet.
Doch wenn es um Nathalie ging... Wenn er an sie dachte...
Dann fühlte er plötzlich. Und zwar so viel auf einmal, dass er es kaum auseinanderhalten konnte.
Wieder erinnerte er sich an ihren Blick, mit dem sie ihn angesehen hatte. Die Worte, die sie ihm an den Kopf geworfen hatte. Nach außen hin hatte er natürlich so getan, als würde es ihn völlig kalt lassen, doch in seinem Inneren hatte es ganz anders ausgesehen.
Damon hätte es wohl nie zugegeben, doch in Wirklichkeit hatte Nathalies abweisende Haltung ihm in der Seele wehgetan. Vor allem, da sie ihn nun für jemanden hielt, der er nicht war: Für einen manipulativen Lügner, der nur mit ihr gespielt hatte.
Der Schwarzhaarige schnaubte leise.
Er konnte sich genau vorstellen, was Stefan alles über ihn erzählt hatte. Wie gefühlskalt und rücksichtslos er Damon aus seiner Sicht dargestellt hatte.
Natürlich war Damon bewusst gewesen, dass Stefan so über ihn dachte. Doch hatte es ihn nie gekümmert. Genauso wenig wie es ihn kümmerte, dass Elena nun auch so über ihn dachte.
Aber Nathalie sollte nicht so denken. Stefan hatte kein Recht gehabt, ihr dieses Bild von ihm zu übermitteln, bevor Damon selbst die Chance gehabt hatte, sich vor ihr zu rechtfertigen.
Das war der Grund gewesen, warum er nach ihr gesucht hatte. Da er seinen Tageslichtring nicht gehabt hatte und zuvor zuerst seinen Durst hatte stillen müssen, bevor er sie erneut ungewollt angriff, war Damon erst heute Abend dazu gekommen. Und natürlich war sie nicht allein zu Hause gewesen, sondern bei Elena.
Dort im Flur unter dem stetigen anklagenden Blick von der Dunkelhaarigen, war es Damon unmöglich gewesen, vernünftig mit Nathalie zu reden. Vor allem, da sie von Stefan bereits ein völlig falsches Bild von ihm vor Augen hatte.
Also war er gegangen. Nur um jetzt allein in ihrem Zimmer zu stehen und auf sie zu warten.
Er musste mit ihr reden. Und zwar ohne, dass jemand wie Elena dazwischenfunkte.
Er wollte sich erklären. Das war er ihr schuldig.
Und tief in seinem Inneren hoffte er sogar, dass sie ihn verstand. Dass sie ihm verzeihen würde. Jedoch war das Wunschdenken.
Damon wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er Nathalies Stimme im unteren Stockwerk hörte.
"Ich gehe jetzt nach oben. Gute Nacht!" Er spannte sich unwillkürlich an. Sie hatte bis jetzt mit ihrer Familie zu Abend gegessen. Doch nun würde sie nach oben kommen.
Zu ihm kommen...
-Nathalies Sicht-
Zügig stieg ich die Treppen in meinem Haus nach oben und lief den Flur entlang bis ich schließlich endlich an meiner Zimmertür ankam.
Schnell betrat ich den Raum, ehe ich die Tür schloss und mich seufzend dagegen lehnte, als ich spürte wie meine Maske von mir fiel und mir sofort Tränen in die Augen traten.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich das Abendessen eben überlebt hatte ohne, dass jemand aus meiner Familie gemerkt hatte, was in mir vorging. Doch irgendwie hatte ich es geschafft mir ein paar qualvolle Bissen rein zu zwängen, ehe ich mich mit einem Lächeln auf den Lippen zurückgezogen hatte.
Und nun war ich endlich allein. Jetzt konnte ich endlich meine Mauern fallen lassen und meine Gefühle freien Lauf lassen.
Zeitgleich mit diesem Gedanken entwich ein Schluchzen meiner Kehle.
Langsam löste ich mich von der Tür und trat etwas in den Raum, während ich meine Jacke und meine Tasche aufs Bett warf. Ich hatte noch nicht einmal das Bedürfnis das Licht einzuschalten. Ich wollte mir nur in der Dunkelheit zwischen meinen Kissen mir die Augen aus dem Kopf heulen.
"Zoey", hörte ich da plötzlich eine tiefe Stimme und mir lief es eiskalt den Rücken herunter, als mein Blick zur Seite schnellte. Die einzige Lichtquelle im Zimmer war das Mondlicht, was durch die Fenster hereinschien, und so fiel es direkt auf Damon, der in der Ecke meines Zimmers stand und mich mit unergründlicher Miene musterte.
Ich keuchte angsterfüllt auf, ehe ich auch schon zur Tür herumfuhr, um nach draußen zu flüchten. Jedoch machte mir Damon da einen Strich durch die Rechnung, als sich seine Hand direkt gegen die Tür presste, in dem Moment, als ich sie öffnen wollte. Verzweifelt rüttelte ich am Türgriff, doch egal wie sehr ich zog, die Tür bewegte sich keinen Millimeter. Ich hatte keine Chance gegen Damons Kraft.
Ich spürte seinen Atem an meinem Nacken direkt hinter mir und musste unweigerlich an die Nacht des Gründerfestes denken. Dort hatten wir uns in einer ähnlichen Situation befunden. Und doch kam es mir vor, als wäre ich hier nun mit einem komplett anderen Mann.
Ich wimmerte und lehnte meine Stirn gegen das Holz, nicht fähig mich zu ihm herumzudrehen. Zu sehr fürchtete ich mich davor, was ich sehen würde.
Seine gespenstischen roten Augen und seine großen Reißzähne, die mich jeden Augenblick töten würden.
"Zoey. Bitte", hörte ich ihn sagen und seine Stimme war so ruhig, dass ich kurz stutzig wurde, "Ich möchte nur reden." Nur reden?
Zitternd vor Angst drehte ich mich da doch langsam zu ihm herum, auch wenn ich mich mit aller Kraft gegen das Holz der Tür presste, um so viel Abstand zwischen uns zu haben wie möglich.
Damon schien dies zu bemerken, denn er ging sofort ein paar Schritte zurück, was mich innerlich etwas aufatmen ließ.
Abwartend blickte ich ihn nun an, während noch immer Tränen über meine Wangen liefen. Ich hatte keine Kraft mehr, meine Gefühle zu verbergen. Weder vor ihm noch vor irgendjemand anderem.
"Ich wollte mich bei dir entschuldigen", begann er leise, "Für gestern. Ich... ich wollte dich nicht verletzen. Ich war nicht ich selbst." Er blickte mir ehrlich in die Augen, während er das sagte und kurz sah ich in ihm den alten Damon, denjenigen von dem ich dachte, er wäre nur eine Illusion.
Schnell schüttelte ich den Kopf. Er war nur eine Illusion! Der Damon, den ich liebte, existierte nicht! Ich durfte mich nicht schon wieder von ihm manipulieren lassen.
"Wieso tust du das?", fragte ich kaum hörbar und er blickte mich verwirrt an.
"Was meinst du?", fragte er nach.
"Wieso spielst du dieses Spiel weiter? Deine Maskerade ist aufgeflogen! Ich weiß, dass das alles nur eine Lüge war! Also warum versuchst du weiter mit mir zu spielen? Wieso tust du mir das an?" Ich schloss kurz die Augen, um wieder etwas Fassung zu kriegen, ehe ich sie wieder öffnete und ihn ansah. Damon hatte die Stirn bei meinen Worten leicht gerunzelt und schüttelte kaum merklich den Kopf.
"Das ist kein Spiel!", sagte er und die Ehrlichkeit in seiner Stimme brachte mich fast um.
"Ach nein?", fragte ich etwas lauter und trat einen Schritt auf ihn zu, die Tränen, die nun leicht meinen Blick verschleierten, ignorierend, "Du bist ein Mörder, Damon! Ein Vampir! Du hast unzählige Menschen umgebracht, Caroline missbraucht, Vicky verwandelt und mich hast du auch angegriffen! Und dieses Getue von dem charmanten Kerl war kein Spiel?!"
"So einfach ist das nicht!", widersprach Damon, der nun auch etwas aufgebracht war.
"Doch ist es", sagte ich leise, "Du hast mich belogen, Damon. Es war alles eine Lüge. Alles, was zwischen uns war."
"Das ist nicht wahr!", entgegnete der Schwarzhaarige nun energisch und nun trat er einen Schritt auf mich zu, worauf ich jedoch wieder zurückwich, so dass ich mal wieder die Tür im Rücken spürte, "Es mag sein, dass ich dir viele Dinge verschwiegen habe, aber alles, was ich dir von mir erzählt habe, war die Wahrheit! Auch, was meine Gefühle für dich betrifft."
Ich sah ihn nur ungläubig an, als ein leises Schluchzen meiner Kehle entwich.
Seine Worte taten so weh. Fast hätte ich mir gewünscht, dass er immer noch genauso kalt wäre, wie es in Elenas Haus der Fall gewesen war. Dann hätte ich genau gewusst, woran ich war und hätte mich nicht in diesem Gefühlschaos befunden.
"Ich würde dir so gerne glauben", hauchte ich und sein Blick wurde hoffnungsvoll, als er noch einen Schritt auf mich zukam.
"Zoey, ich-", begann er, doch ich hob meine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen.
"Ich kann nicht, Damon. Ich kann dir nicht mehr vertrauen und...", ich schluckte hart, "Ich kann dich nicht ansehen, ohne dass mein Herz vor Schmerz zerspringt. Allein deine Nähe tut so unfassbar weh, dass ich es kaum ertrage", ich sah, wie er erneut zum Sprechen ansetzte, doch ich ließ es nicht zu, "Ich will, dass du gehst und auch nicht wieder herkommst. Lass mich einfach in Ruhe." Ich sprach die letzten Worte härter aus, als eigentlich beabsichtigt, jedoch verfehlten sie dennoch ihre Wirkung nicht. Ich sah wie jegliches Gefühl aus Damons Augen wich und sein Blick sich verhärtete.
"Wie du willst", sagte er und die Kälte in seiner Stimme ließ mich kurz erzittern, ehe er einfach aus meinem Blickfeld verschwand.
Mein Blick glitt zu einem weit offenen Fenster, aus dem er wahrscheinlich gesprungen war.
Schnell lief ich hinüber und schloss es sorgfältig, ehe ich mich einfach in mein Bett fallenließ und das tat, was ich ohnehin vorgehabt hatte: Mich in den Schlaf weinen.
Halloween
Gedankenverloren starrte ich aus dem Fenster und sah zu, wie die Landschaft draußen vorbeizog. Wie es eigentlich schon die ganze Woche zuvor gewesen war, saß ich mit Tyler zusammen in unserem Auto und fuhr mit ihm von der Schule nach Hause. Auch wenn ich keine Ahnung hatte, wie ich die letzten Schultage überhaupt hinter mich gebracht hatte.
Denn auch wenn ich im Unterricht zwar körperlich anwesend gewesen war, waren meine Gedanken immer ganz woanders.
Ich seufzte etwas.
Fünf Tage war es jetzt her, seit ich Damon an jenem Abend fortgeschickt hatte und obwohl er sich tatsächlich an meine Bitte hielt, sich von mir fernzuhalten, ging er mir dennoch nicht aus dem Kopf. Immer wieder dachte ich über ihn und diese ganze Vampirsache nach. Ob es richtig gewesen war, ihn einfach wegzuschicken. Ob er nicht eventuell doch die Wahrheit gesagt hatte.
Aber das war absurd. Es passte nicht mit seinen restlichen Taten zusammen. Ein Mensch... oder Vampir, was auch immer, konnte doch nicht zwei so unterschiedliche Seiten an sich haben, oder? Es sei denn, er hatte eine gespaltene Persönlichkeit. Konnten Vampire sowas haben?
"Nathalie?", riss mich da Tyler aus den Gedanken und ich blickte zu ihm.
"Hm?" Mein Bruder sah kurz zu mir herüber, ehe er sich wieder auf die Straße konzentrierte.
"Alles okay bei dir?", fragte er besorgt und ich runzelte die Stirn.
"Klar. Wieso nicht?", antwortete ich wie automatisch und erschrak kurz über mich selbst, wie sehr ich es inzwischen schon gewohnt war mich zu verstellen. Ich hatte die letzten Tage wahrscheinlich mehr gelogen, als in meinem gesamten Leben zuvor.
"Ach komm schon. Ich kenne dich, kleine Schwester", sagte Tyler jedoch kopfschüttelnd und blickte wieder kurz zu mir herüber, "Ich sehe doch, dass etwas nicht mit dir stimmt."
Ich lächelte etwas. War ja klar, dass ich ihm nichts vormachen konnte. Aber dennoch würde ich ihm nichts von meinen Sorgen erzählen können. Zumindest nicht viel.
"Es ist nichts", erwiderte ich schulterzuckend, "Nur Mädchenkram." Ich sah Tyler direkt an und merkte, wie er skeptisch eine Augenbraue hob.
"Der da wäre?", fragte er nach und ich verdrehte kurz die Augen.
"Ich mache mir Gedanken wegen einem Kerl, okay?", gab ich auf und er spannte sich an.
"Wie heißt er?", fragte er nach und ich verkniff mir ein Augenverdrehen.
"Das sage ich dir bestimmt nicht", sagte ich und schmunzelte ein wenig über seinen Beschützerinstinkt, "Es ist alles okay, Ty. Belassen wir es dabei."
Tyler schien kurz zu überlegen, ob er mir glauben sollte, ehe er etwas seufzte und nickte.
"Na gut. Wenn du es sagst", sagte er und ich nickte leicht. Daraufhin schwiegen wir und ich war kurz davor meinen Gedanken wieder nachzuhängen, als Tyler noch etwas sagte: "Gehst du eigentlich zu der Halloween-Party heute?"
Etwas überrascht sah ich ihn an. Wir waren eigentlich beide keine Fans von Kostümpartys und dennoch fragte er mich? Na gut, letztes Jahr hatten wir die Feier auch besucht, aber nur weil unsere Freunde uns gedrängt hatten.
"Hatte ich nicht vor. Willst du etwa dahin?", fragte ich nach.
"Naja...", begann er etwas zögerlich, "Ja, schätze schon. Etwas Ablenkung von dem ganzen Wirbel." Nun sah ich ihn besorgt an.
"Wirbel?"
"Ja. Vicky ist jetzt schon seit Tagen verschwunden und obwohl der Suchtrupp schon die ganze Stadt durch hat, finden sie sie nicht. Das macht mir langsam echt Sorgen", sagte Tyler kopfschüttelnd, als ich spürte wie sich mein schlechtes Gewissen meldete.
Elena hatte mir erzählt, dass Stefan Vicky an jenem Abend gefunden hatte, jedoch war es zu spät gewesen. Sie hatte bereits Blut getrunken und war nun vollständig zum Vampir geworden. Deswegen hatte Stefan sie auch bei sich eingesperrt, um ihr beizubringen sich zu kontrollieren. Darum war sie die ganzen Tage auch verschwunden.
"Sie finden sie bestimmt", sagte ich beruhigend zu Tyler, der mir jedoch nicht so recht zu glauben schien.
"Ich habe nur Angst, dass ihr etwas passiert ist", sagte er leise und mein Herz wurde schwer. Auch wenn er sich Vicky gegenüber nicht gerade angemessen verhalten hatte, schien sie ihm etwas zu bedeuten. Und jetzt, wenn er sich Sorgen um sie machte, konnte ich ihm nicht sagen, wo sie war, obwohl ich es genau wusste.
Ich hasste diese Heimlichtuerei!
Vielleicht sollte ich einmal zum Salvatore-Anwesen rüberfahren und schauen wie weit Stefan mit ihr war.
Mich durchfuhr kurz ein Schauer, bei dem Gedanken, Damon dort zu begegnen, doch ich musste doch irgendwie helfen. Möglicherweise konnte ich irgendetwas beitragen, damit Vicky sich schneller eingewöhnte.
Ich musste es versuchen. Tyler zuliebe.
***
Tief ausatmend parkte ich den Wagen in der Einfahrt der Salvatore-Villa, ehe ich langsam ausstieg.
Ich hatte Tyler, als wir daheim angekommen waren die Schlüssel abgenommen mit der Ausrede, dass ich nochmal zu Elena wollte. Naja, so sehr gelogen war das gar nicht, da besagte Dunkelhaarige sich nach einer SMS, die ich ihr geschickt hatte, mir kurzerhand angeschlossen hatte, so dass sie bereits an ihrem Auto, das ebenfalls in der Einfahrt stand, auf mich wartete.
"Hey", grüßte sie mich und sah mich wie die letzten Tage schon besorgt an.
"Hey", erwiderte ich und versuchte mich an einem Lächeln, auch genau wie die letzten Tage davor schon. Jedoch glaubte ich, dass es mir so langsam wieder halbwegs gelang.
"Bereit?", fragte sie mich, als wir zusammen an die Haustür traten und ich nickte, ehe Elena die Klingel betätigte.
'Bitte lass Damon nicht zu Hause sein.', sandte ich ein kurzes Stoßgebet an Gott, als die Tür auch schon aufging und besagter schwarzhaariger Vampir direkt vor uns stand. Na super.
Ohne eine Emotion zu zeigen, lehnte sich Damon an den Türrahmen, während er Elena nur kurz ansah, ehe sein Blick zu mir glitt.
Ich schluckte, als sich unsere Blicke kreuzten und ich spürte, wie sowohl Schmerz als auch leichte Sehnsucht in mir aufstiegen. Noch immer sah ich in ihm den Kerl, in den ich mich verliebt hatte, bei welchem ich mir vor ein paar Tagen noch so sicher gewesen war, dass er nicht existierte. Doch inzwischen waren Zweifel und Hoffnung in mir aufgekeimt.
"'Ist Stefan da?'", riss mich da Elena aus meinem Gedankengang und Damon brach daraufhin unseren Blickkontakt, als er wieder zu ihr sah.
"'Jep'", antwortete er kühl.
"'Wo ist er?'", fragte Elena weiter.
"'Ich wünsche euch auch einen guten Morgen, werte Damen 'Wir sind auf einer Mission unterwegs''", erwiderte Damon da sarkastisch, als sein Blick erneut zu mir glitt, "Weißt du, Zoey, es ist nicht einfach sich von dir fernzuhalten, wenn du vor meiner Haustür stehst."
Ich blickte kurz schuldbewusst zu Boden. Er hatte recht. Das war absolut nicht fair von mir,
ihn erst wegzuschicken mit den Worten, dass ich ihn nicht mehr sehen will, aber dann vor seiner Tür zu stehen.
"Ich weiß. Es tut mir leid", sagte ich leise und blickte wieder zu ihm auf, während Elena fragend zwischen uns hin und her sah, "Ich wollte nur nach Vicky sehen..."
Ich zwang mich Damon direkt anzusehen und hielt seinem blauen Blick stand, der nach wie vor keine Gefühle zeigte, ehe er wohl nachgab, da er hörbar ausatmete.
"Vicky ist oben. Zusammen mit Stefan", sagte er schließlich, "Sie singen das 'Grün zu Grün'", fügte er noch sarkastisch hinzu, ehe er an uns vorbei nach draußen trat.
Dabei spürte ich wie seine Hand für einen kurzen Moment meine streifte, was mir eine Gänsehaut verpasste.
Schnell folgte ich Elena nach drinnen und versuchte mir nichts anmerken zu lassen.
Verdammt nochmal, ich musste meine Gefühle langsam in den Griff kriegen!
Elena schloss die Tür hinter mir und so standen wir nun allein in dem großen Flur.
"'Stefan?'", rief Elena und trat an die Treppe.
Sie sprach es nicht an. Sie wusste genau, dass ich nicht darüber reden wollte.
Fast gruselig wie genau meine beste Freundin mich kannte.
Ich trat neben sie an die Treppe und verdrängte schnell die Erinnerungen, die beim Anblick der Stufen in mir hochstiegen.
Elena erhielt keine Antwort auf ihren Ruf.
"Stefan?", rief ich nun etwas lauter.
"Ja?", ertönte da eine Stimme hinter uns und fast zeitgleich fuhren wir herum.
Stefan stand ein paar Meter von uns entfernt im Raum und blickte uns fragend an.
Konnte er nicht einfach mal normal die Treppe benutzen, wie ein gewöhnlicher Mensch, anstatt uns so zu erschrecken?
"'Wo ist Vicky?'", fragte Elena nach und Stefan legte einen Finger auf den Mund.
"'Scht. Sie ist oben'", antwortete er leise und trat zu uns. Sie war noch so instabil, dass sie unser Gespräch nicht hören durfte?
"Die Stadt sucht inzwischen seit Tagen nach ihr, ist dir das klar?", fragte ich nach und Stefan nickte.
"'Ich weiß. Ich arbeite mit ihr daran, aber es dauert ein bisschen'", erklärte er, "'Sie ist ziemlich flatterhaft und impulsiv. Sie nimmt viele Drogen. Das spielt alles eine Rolle dabei, wie ihr Körper reagiert.'"
Also war sie ein Vampirjunkie? Klasse.
"'Dann ist sie ein Vampir mit Problemen?'", fragte Elena, die auch nicht begeistert zu sein schien, "'Was sollen wir tun? Wir beide sind gezwungen sämtliche Menschen anzulügen, die uns etwas bedeuten, also was ist mit ihr?'"
"Tyler macht sich total verrückt wegen ihr", unterstützte ich, "Wie lange muss ich ihm noch sagen, dass man sie bestimmt bald findet?"
"Ich weiß es nicht. Ich muss sie hierbehalten, bis sie keine Gefahr mehr ist", antwortete Stefan.
"'Und wie lange dauert das?'", ertönte da eine Stimme von der Treppe her und wir alle blickten auf zu Vicky, die dort stand und Stefan fragend ansah. Dieser atmete genervt aus.
"'Wir besprechen das später, ja?'", antwortete er, was Vicky nur seufzen ließ.
"'Hey, Vicky...'", begann Elena da zögerlich, "'Wie geht es dir?'"
"'Wie es mir geht?'", wiederholte Angesprochene spöttisch, "'Ihr wollt mich verarschen, stimmts?'"
Wow. Die Verwandlung hatte sie nicht gerade sympathischer gemacht.
***
"Alles okay?", fragte ich Elena leise, was die Braunhaarige etwas nicken ließ. Bestimmt schon über eine Stunde saß ich jetzt mit ihr, Stefan und Vicky im Esszimmer und sah dabei zu, wie Stefan Vicky Dinge über das Leben als Vampir beibrachte.
Jedoch hatte ich das Gefühl, dass Vicky ihm nicht einmal richtig zuhörte, sondern das ganze einfach als unwichtig abtat. Ich presste etwas verärgert die Lippen zusammen. So war sie auch schon als Mensch gewesen, jedoch hatte sie da nur ihr eigenes Leben mit ihrer Verantwortungslosigkeit gefährdet. Nun brachte sie damit auch alle anderen in Gefahr.
"'Ach, geht dieses miese Gefühl irgendwann mal weg?'", fragte Vicky da und ich blickte zu ihr auf, "'Ich fühl mich übel verkatert. Und die Tageslichtsache ist Mist!'" Damit stand sie auf, während ich kurz einen Blick auf Stefans Ring warf. Wie viele Vampire wohl so etwas hatten, um bei Tag draußen herumzulaufen?
"'Ich brauch mehr Blut!'", verlangte Vicky, während sowohl Stefan als auch Elena sie mehr als genervt ansahen. Mir ging es ähnlich. Mein Bruder hatte wirklich einen schrecklichen Frauengeschmack.
"'Wo ist dein Bad? Ich muss pinkeln!'", fragte sie nun, "'Wieso muss ich denn pinkeln? Ich dachte, ich wäre tot?'" Stefan deutete nur hinter sich auf eine Tür, durch die Vicky sogleich verschwand, was mich erleichtert seufzen ließ.
Dass Stefan das so lange ausgehalten hatte.
"'Ich werde ihr jetzt noch etwas holen'", sagte der Dunkelblonde schließlich und stand auf, "'Also, ich beeil mich.'" Damit verließ er den Raum und ich tauschte mit Elena einen resignierten Blick.
"Langsam glaube ich, dass Pfählen einfacher wäre", sagte ich leise, woraufhin ich einen bösen Blick von meiner besten Freundin erntete.
"Alie!", sagte sie erschrocken, doch trotzdem sah ich wie sie etwas lächelte.
"Ist doch nur ein Scherz", murmelte ich kopfschüttelnd, ehe ich aufstand und mich streckte.
Auch Elena erhob sich langsam, als die Tür aufging und Vicky wieder hereinkam.
"'Falscher Alarm. Mein Körper fühlt sich schräg an. Irgendwie abgefahren'", plapperte sie, "'Schon gut, aber trotzdem merkwürdig.'" Ich wechselte einen weiteren Blick mit Elena, nur dass er diesmal genervter war. Da griff Vicky plötzlich nach ihrem Handy und tippte darauf herum.
"'Wen rufst du an?'", fragte Elena nach und auch ich trat skeptisch einen Schritt näher.
"'Jeremy'", antwortete Vicky wie selbstverständlich und ich spannte mich an.
"'Vicky, jetzt kannst du Jeremy nicht mehr treffen'", sagte Elena ernst, doch wie schon so oft zuvor bei Stefan tat Vicky auch ihre Worte einfach ab.
"'Oh komm schon, fang nicht damit an. Ich kann treffen, wen ich will'", sagte sie gelassen, was bei mir das Fass zum Überlaufen brachte.
"Nein, kannst du nicht!", sagte ich etwas harsch und Vicky blickte zu mir, "Du bist jetzt ein Vampir, Vicky! Da kannst du nicht einfach raus gehen und dich volllaufen lassen, oder sonst was! Es gibt nämlich keine Garantie dafür, dass du jemanden verletzt oder sogar umbringst! Also halt dich von Jeremy und auch von allen anderen Menschen fern!"
"Ach", erwiderte die Braunhaarige da und trat bedrohlich ein paar Schritte auf mich zu, "Also darfst du bestimmen, mit wem sich Jeremy trifft und mit wem nicht? Denkst du, nachdem du ihn abgewiesen hast, darf ihn niemand anderes haben?"
Ich schüttelte nur verständnislos den Kopf. Hörte sie mir überhaupt zu?
"Davon rede ich doch gar nicht! Ich-" Ich wurde unterbrochen, als Vicky plötzlich mit übermenschlicher Geschwindigkeit auf mich zu schnellte, mich am Hals packte und gegen die nächste Wand drückte, so dass meine Füße ein paar Zentimeter über dem Boden hingen.
"Alie!", rief Elena erschrocken aus, wagte es jedoch nicht dazwischen zu gehen, was wahrscheinlich auch schlauer war. Ich gab nur einen erstickten Laut von mir, als ich verzweifelt versuchte zu atmen.
"Jetzt hör mal zu, du kleine Schlampe!", zischte Vicky nun dicht an meinem Ohr, während sie mir die Luft abschnürte, "Ich habe jetzt lange genug die zweite Wahl gespielt! Fast zehn Jahre lang hat sich Jeremy nur für dich interessiert und dann hast du ihn abblitzen lassen! Also hör jetzt endlich auf uns im Weg zu stehen, denn sonst werde ich nicht zögern, dir deinen hübschen kleinen Kopf abzureißen, kapiert?!" Ich war nicht fähig auf ihre Worte zu reagieren, da mir langsam, aber sicher die Luft ausging, als Vicky mit einem Mal verschwand und ich hustend zu Boden fiel.
"Alles okay?!", fragte Elena erschrocken und eilte zu mir, während ich röchelnd nach Atem rang, nicht in der Lage ihr zu antworten.
In dem Moment betrat Stefan den Raum und sah uns besorgt an.
"Was ist passiert?", fragte er, als Elena mir hoch half und ihm kurz erzählte, was geschehen war. Dabei kam ich endlich wieder etwas zu Atem und konnte mich beruhigen.
Vicky hatte es eindeutig auf Jeremy abgesehen. Wir mussten ihn unbedingt beschützen.
"Sie hat Alie bedroht, Stefan!", sagte Elena schließlich aufgebracht und ich legte eine Hand auf ihre Schulter.
"Geht schon wieder", sagte ich auch wenn meine Stimme etwas heiser klang.
"'Sie ist gereizt. Stellt euch vor, alle Sinne eures Körpers arbeiten super schnell'", erklärte Stefan, "'Ich meine, sie fühlt sich nicht wohl in ihrer eigenen Haut und die Probleme, die sie sonst noch hat-'"
"Gewöhnt man sich irgendwann daran?", fragte ich nach und blickte ihn zweifelnd an.
"Ja. Aber es dauert seine Zeit. Das ist bei jedem unterschiedlich", sagte er und ich seufzte, "'Die Sache ist die, es ist hart bestimmten Menschen zu widerstehen, besonders wenn man frisch verwandelt ist. Du kannst deine Gefühle nicht auseinanderhalten. Liebe, Lust, Ärger, Verlangen verschmelzen zu einem einzigen Drang: Hunger.'" Bei diesen Worten musste ich unweigerlich an die Nacht des Gründerfestes denken, als ich mit Damon in meinem Zimmer gewesen war. Und mit einem Mal konnte ich verstehen, was dort geschehen war. Ich hatte mich geschnitten und als Damon das Blut bemerkt hatte, war das geschehen, was Stefan gerade beschrieben hatte: Sein Verlangen war zu Hunger geworden ohne dass er es gewollt hatte.
Vielleicht hatte er mich unten im Kerker tatsächlich nicht absichtlich angegriffen...
Aber sein Angriff im Wald ließ sich dadurch noch immer nicht erklären!
"'Und was bedeutet das?'", fragte Elena und holte mich damit wieder in die Realität zurück.
"'Sie darf Jeremy nicht treffen'", sagte Stefan und ich sog scharf Luft ein.
"Aber wie sollen wir das verhindern?", fragte ich und rieb leicht über meinen Hals. Elena und ich würden wohl kaum in der Lage sein, Vicky zu stoppen, wenn sie etwas unbedingt wollte.
"Bleibt bei ihm. Sorgt dafür, dass er nicht auf Vickys Nachrichten antwortet. Geht am Besten mit ihm irgendwohin, damit sie ihn zu Hause nicht vorfindet", erklärte Stefan, "Ich versuche in der Zeit Vicky verständlich zu machen, dass sie sich nicht mit ihm treffen kann."
Na super. Dann konnten wir nur hoffen, dass Stefan Vicky noch heute Abend überzeugt bekam, sonst konnten die nächsten Tage lustig werden.
"Okay. Dann sollten wir jetzt besser gehen", meinte ich schließlich und sah kurz zu Elena, die leicht nachdenklich wirkte, ehe sie zu mir aufsah und leicht nickte.
Zusammen gingen wir Richtung Ausgang, während Stefan uns einfach nur hinterher sah, doch darauf achtete ich nicht wirklich.
"Ist heute nicht diese Halloween-Party an unserer Schule?", fragte Elena da plötzlich, als wir das Haus verlassen hatten und ich blickte sie verwirrt an.
"Ja. Wieso?"
"Wir könnten doch dort mit Jeremy hingehen!", schlug sie vor, "Dann wäre er nicht daheim und wir hätten auch mal etwas Ablenkung von all dem-"
"Wirbel. Klar", unterbrach ich sie und musste an Tylers Worte von heute Nachmittag denken. Vielleicht würde es mir tatsächlich einmal ganz gut tun etwas zu feiern und die Welt zu vergessen.
***
"Also wirklich, Tyler, bei dem Kostüm hättest du auch gleich in Unterhose kommen können", sagte ich kopfschüttelnd, als ich mit ihm aus dem Auto stieg und bereits vom Parkplatz die laute Musik hören konnte, die aus der Turnhalle der Schule drang.
Tyler grinste nur bei meinen Worten. Er hatte sich als "Krieger von Sparta" verkleidet, wie er es genannt hatte. Jedoch bestand sein Kostüm zu diesem Zweck lediglich aus einem roten Cape, offenen Sandalen und einer sehr kurzen Lederhose. Sonst trug er nichts. Ich hatte ihm bereits versprochen, dass er sich draußen den Hintern abfrieren würde, aber wer nicht hören wollte...
"Wenigstens trag ich etwas Neues", sagte Tyler da und ich blickte ihn genervt an, "Nicht so wie du, Miss Old Fashion Vampir." Ich schüttelte leicht den Kopf.
"Ich wusste ja auch bis vor ein paar Stunden nicht, ob ich komme", verteidigte ich mich, als wir zusammen Richtung Turnhalle liefen. Ich hatte, als ich Elenas Vorschlag mit Jeremy hierher zu gehen zugestimmt hatte, mein altes Kostüm vom letzten Jahr anziehen müssen, da sonst kein anderes vorhanden gewesen war. Und ironischerweise, war ich letztes Jahr als Vampir gegangen. Das Schicksal hasste mich anscheinend.
Jedoch war das Dracula-mäßige Kleid gar nicht mal so hässlich und diese albernen Plastik- Reißzähne hatte ich dieses Jahr auch weggelassen. Dunkles Make-Up hatte es an deren Stelle auch getan.
"Also dann, ich hole mir etwas zu trinken. Wir sehen uns später", meinte Tyler schließlich, als wir direkt vor der Halle standen und lief geradewegs zu einem Stand, am Wegesrand.
Ich sah ihm kurz hinterher, ehe ich wieder Richtung Eingang der Halle sah und leise seufzte.
Jetzt, als ich hier stand, bekam ich doch ein schlechtes Gefühl. War das wirklich eine gute Idee gewesen?
Ich zuckte etwas zusammen, als ich spürte, wie mein Handy in meiner kleinen Handtasche vibrierte, die an meiner Schulter baumelte.
Schnell holte ich das besagte Gerät hervor, um die eingegangene SMS von Elena zu lesen.
Elena, 8:47 PM
- Wo bist du? Wir warten drinnen beim Eingang.
Erneut blickte ich zum Eingang und atmete tief durch, als ich das Handy wieder wegsteckte.
Wird schon schief gehen.
Damit lief ich durch die große Tür nach drinnen, wo ich kurz einen Moment brauchte, um mich an das bunt flackernde Licht zu gewöhnen, welches es schwer machte hier etwas zu sehen.
Ich blinzelte ein paar Mal, ehe ich Elena entdeckte, die zusammen mit Matt zwischen ein paar anderen Schülergruppen stand. Jedoch fehlte von Jeremy jede Spur. Seltsam.
"Hi", sagte ich, als ich zu den beiden trat.
"Hey", erwiderten sie im Chor.
"Auch gleiches Kostüm wie letztes Jahr?", fragte Matt belustigt und ich nickte, als mir auffiel, dass sowohl er als auch Elena ihre alten Horrordoktor-Outfits trugen.
"Wo hast du Jeremy gelassen?", fragte ich an Elena gewandt. Wegen ihm waren wir ja überhaupt hier.
"Er wollte nach dir suchen, glaub ich", erwiderte die Dunkelhaarige und ich hob die Augenbrauen, "Ich hab ihm gesagt, dass du kommst und ich glaube, seit deiner Trennung mit Damon macht er sich wieder Hoffnung", fügte sie hinzu und ich seufzte laut.
"Klasse", fluchte ich. Als ob es beim ersten Mal nicht schon schwer genug gewesen war, Jeremy zu sagen, dass das mit uns nichts werden würde.
Auch wenn ich mich von Damon getrennt hatte und ich mir mit meinen Gefühlen für diesen Vampir unsicher war, so hatten sich meine Gefühle Jeremy gegenüber nicht verändert. Ich mochte ihn sehr, aber nicht genug, dass ich durch ihn Damon einfach vergessen könnte.
"Du und Stefans Bruder habt euch getrennt?", fragte Matt überrascht nach und ich nickte etwas, "Hat ja nicht lange gehalten." Autsch. Danke.
"Ich will nicht drüber reden", sagte ich nur, was den Blonden verstehend nicken ließ.
"Wie geht es dir eigentlich?", wechselte Elena da das Thema und sah Matt fragend an, "Wegen der Sache mit Vicky und so weiter?"
"'Naja, wir hatten Zoff, als sie nach Hause gekommen ist'", begann er zu erzählen und ich sah erschrocken auf, "'Ich will sie nicht bevormunden oder so, aber irgendwie will ich sie heute im Auge behalten.'" Ich fühlte mich, als hätte mir jemand in den Magen geschlagen. Sollte Vicky nicht noch bei Stefan sein?!
"'Vicky ist hier?!'", fragte Elena entsetzt und sprach damit meine Gedanken aus. Sie war hier! Wie hatte sie Stefan entwischen können?! Und wieso verdammt nochmal, hatte er uns nicht Bescheid gesagt?!
"'Ja. Kaum zu übersehen. Sie ist ein Vampir'", antwortete Matt gelassen und mir wurde noch übler. Makabrer ging es wohl nicht mehr.
Ich tauschte einen mehr als nur beunruhigten Blick mit Elena, ehe ich kurz durchatmete.
"Wie dem auch sei. Ich geh mal schauen, wo Jeremy steckt", sagte ich möglichst gelassen, was Matt nichtsahnend nicken ließ, während Elena sich bereits suchend umsah, ehe ich mich zügig von den beiden entfernte und suchend durch die Halle lief, was alles andere als einfach war. Man hatte sie in mehrere Bereiche eingeteilt und mit unzähligen Gängen ausgestattet, so dass es fast wie ein Labyrinth wirkte. Dies und die Tatsache, dass hier unzählige Schüler durcheinanderliefen, machte es so gut wie unmöglich den Überblick zu behalten.
Wie um Gottes Willen sollte ich Jeremy oder Vicky hier finden?
Ich wählte den erstbesten Gang, den ich sah und folgte ihm. Dabei bekam ich mehrmals Probleme weiterzukommen, weil es entweder zu voll war, jemand versuchte mir den Weg zu versperren, weil er "gruselig" sein wollte, oder ich mich von irgendwelchen Deko-Spinnweben befreien musste, die klebten wie sonst was. Schließlich kam ich nach mehreren Minuten (oder Stunden?) wieder am Eingang raus, was mich laut seufzen ließ. Das konnte doch nicht wahr sein!
"Alie!", hörte ich da einen Ruf zu meiner rechten und ich drehte mich leicht, als ich Jeremy entdeckte, der lächelnd auf mich zulief. Ich spürte wie mir ein Stein vom Herzen fiel.
"Gott sei Dank, da bist du ja", sagte ich erleichtert und ließ sogar zu, dass er mich umarmte.
"Ich freue mich auch dich zu sehen", erwiderte er, als er sich wieder von mir löste, als mein Blick hinter ihn fiel.
Dort entdeckte ich Stefan, der Vicky am Arm gegriffen hatte, welche alles andere als begeistert wirkte.
Er hatte sie gefunden. Gut.
"Hey, gehen wir doch die anderen suchen", sagte ich zu Jeremy, welcher etwas irritiert nickte, als ich zurück zu der Stelle gehen wollte, wo ich Matt und Elena zuletzt gesehen hatte.
Dabei warf ich einen weiteren Blick Richtung Stefan und Vicky und mir gefror das Blut in den Adern, als ich dem Blick Letzterer begegnete, welcher uns entdeckt hatte. Etwas dunkles Bedrohliches lag in ihren Augen und ich erinnerte mich an ihre Drohung, dass sie mich umbringen würde, sollte ich mich zwischen sie und Jeremy stellen.
Ihr Blick ließ mich wie angewurzelt stehen bleiben und meine Angst wuchs, als ich sah wie Elena, gefolgt von Matt zu den beiden trat.
"Alie?", hörte ich Jeremy besorgt fragen, "Alles okay?" Ich konnte ihm nicht antworten, sondern einfach nur starr die Szene beobachten.
"'Du sollst aufhören mich zu belästigen, kapiert?!'", rief Vicky da plötzlich laut und stieß Stefan von sich, ehe sie sich neben Matt stellte, welcher natürlich sofort reagierte und sich zwischen sie und Stefan postierte.
Oh nein. Wenn Matt dabei war, konnte Stefan nicht reagieren, vor allem wenn Vicky ihn als Bedrohung darstellte.
"Komm!", sagte ich zu Jeremy und griff seine Hand, ehe ich ihn zügig durch die Schülermengen zog zu irgendeinem der unzähligen Gänge. Ich musste mit Jeremy hier weg, bevor Vicky uns folgen konnte!
"Warte doch mal! Wo willst du denn hin? Was ist los?", hörte ich ihn fragen und spürte wie er etwas langsamer wurde, doch trotzdem versuchte ich ihn weiterzuziehen, was natürlich nicht so einfach war, da er doch etwas stärker war.
"Wir müssen hier weg. Und zwar schnell, bevor-", ich hielt kurz inne, ehe ich weitersprach, "Vertrau mir einfach, okay?" Ich blickte ihn über die Schulter bittend an, was ihn nach kurzem Zögern nicken ließ, ehe er mir ohne Widerstand folgte. Ich konnte ihm nicht die Wahrheit sagen. Dafür war keine Zeit, mal abgesehen davon, dass er mich für komplett durchgeknallt halten würde.
Eine Ewigkeit, so kam es mir vor, irrten wir nun durch die Gänge, ohne einen Ausgang zu finden, was mich immer panischer werden ließ.
Vicky suchte bestimmt schon längst nach uns und Stefan konnte uns kaum helfen, da er zum einen nicht wusste, wo wir waren und zum anderen mit Matt zu tun hatte und zu schwach war, um ihn oder andere mögliche Zeugen zu manipulieren. Und ohne seine Handynummer konnte ich ihn sowieso nicht herholen, falls Vicky uns finden würde.
Ich konnte maximal Elena anrufen, doch sie war auch nur ein normales Mädchen wie ich. Wir hatten nicht ansatzweise die Kraft Vicky aufzuhalten.
Nein, Jeremy und ich waren auf uns allein gestellt.
In diesem Moment entdeckte ich plötzlich eine kleine Seitentür an der äußeren Wand der Halle und Hoffnung keimte in mir auf. Vielleicht ging es dort raus!
Schnell zog ich Jeremy zu jener Tür und zu meiner unendlichen Erleichterung führte sie tatsächlich nach draußen. Zu zweit traten wir an die kühle Luft, ehe ich die Tür mit einem Knall wieder zuschlug und hörbar ausatmete. Hier sollten wir sicher sein fürs Erste.
"Erzählst du mir jetzt endlich, was los ist?", fragte Jeremy und ich drehte mich zu ihm.
"Das ist... kompliziert", sagte ich zögerlich und fuhr mir unruhig durchs Haar. Was sollte ich ihm denn jetzt sagen?
Ich sah wie Jeremy den Mund öffnete, um zu antworten, als plötzlich die Tür hinter mir erneut knallte, was mich erschrocken herumfahren ließ.
Jedoch konnte ich niemanden sehen und auch die Tür sah unverändert aus.
"Was war das?", fragte Jeremy nun angespannt und ich trat etwas näher zu ihm.
"Ich weiß es nicht", sagte ich leise, was aber teilweise gelogen war. Ich hatte eine ziemlich genaue Ahnung, was das war.
Suchend ließ ich meinen Blick von der Tür über die vielen gelben Schulbusse gleiten, die auf dem riesigen Parkplatz standen und gespenstische dunkle Schatten warfen, und dann über die Holzbalken, die säuberlich gestapelt an der Mauer der Turnhalle lagen.
Vicky war hier.
Sie hatte uns gefunden, da war ich mir relativ sicher.
Doch wie sollte ich mich gegen sie wehren ohne Hilfe?
Da kam mir mit einem Schlag jemand in den Sinn. Jemand der stark genug war, Vicky aufzuhalten und jeden möglichen Zeugen alles Gesehene vergessen zu lassen.
Schnell griff ich in meine Handtasche, um mein Handy hervorzukramen, ehe ich es entsperrte und schnell die Nummer eintippte, die ich Gott sei Dank auswendig konnte. Doch ehe ich auf den grünen bestätigenden Hörer tippen konnte, sah ich plötzlich eine Bewegung im Seitenblick und ehe ich aufschauen konnte, wurde ich grob an der Kehle gepackt und wie schon einmal heute leicht hochgehoben.
"Alie!", hörte ich Jeremy erschrocken rufen, während ich entsetzt in Vickys blutrote Augen starrte.
"Ich habe dich gewarnt, Miststück!", zischte sie leise, als ich verzweifelt versuchte mich aus ihrem Griff zu befreien. Doch ich hätte sie genauso gut streicheln können, so wirkungslos waren meine Versuche.
"Vicky! Was soll das?! Lass sie los!", rief Jeremy aus und versuchte dazwischen zugehen, doch Vicky hielt ihn ohne Mühe mit einer Hand fest, so dass es ihm unmöglich war. Ihr Griff um meinen Hals wurde fester und ich rang erstickt nach Luft, was sie aber nur grinsen ließ.
Da schmiss sie mich mit unmenschlicher Kraft quer über den Platz direkt in einen Stapel Holzbalken hinein. Ich hätte wahrscheinlich geschrien, wenn sie mir zuvor nicht die Luft abgedrückt hätte, doch so entwich mir nur ein erstickter Laut, als ich auf dem Holz aufkam und unendliche Schmerzen durch meinen Körper schossen. Das Holz gab unter der enormen Wucht nach und zerbrach in tausende Splitter, ehe es zur Ruhe kam und ich einfach nur still da lag.
Ich lebte noch...
"ALIE!", hörte ich Jeremys leicht echohaften Schrei und mein Blickfeld begann zu verschwimmen, als ich versuchte mich zu bewegen. Jedoch schossen bei dem Versuch erneut Schmerzen durch meinen Körper und ich merkte, dass sie im Bauch am schlimmsten waren.
Ich atmete zitternd tief ein und aus, als ich drohte ohnmächtig zu werden und tastete, ohne richtig etwas zu sehen, meinen Bauch ab, als meine Hände auf etwas spitzes Hölzernes stießen, das aus meinem Unterbauch ragte.
Schreckliche Angst stieg in mir hoch und schnell blinzelte ich ein paar Mal, worauf sich mein Blick wieder etwas klärte. Panisch sah ich mich nun um.
Ich konnte Jeremy und Vicky nirgends mehr entdecken, was darauf schließen ließ, dass sie ihn wohl weggezerrt haben musste. Ich musste ihnen folgen! Doch wie?
Mit wachsender Angst sah ich nun langsam an meinem Körper herunter, der zerkratzt mit unzähligen offenen Wunden in den Holzsplittern lag. Mein Blick blieb an dem blutigen Holzstück hängen, welches in meinem Bauch steckte und ich wimmerte.
War es das? Würde ich hier und jetzt sterben?
Ich spürte wie die Bewusstlosigkeit erneut nach mir griff, doch ich wehrte mich dagegen.
Ich wollte nicht sterben!
Verzweifelt blickte ich mich um. Wo war mein Handy? Vielleicht konnte ich Hilfe holen!
Da entdeckte ich meine Handtasche, die ein paar Meter von mir entfernt auf dem Asphalt lag.
Wenn ich zu ihr gelangen könnte...
Vorsichtig versuchte ich mich aufzusetzen, was mich erneut wimmern ließ, als glühende Schmerzen durch meinen Bauch schossen und ich spürte, wie mir Tränen in die Augen stiegen.
Nein, mit diesem Splitter konnte ich mich nicht bewegen. Ich saß hier fest.
Da fiel mir etwas ein. Ich hatte das Handy doch in der Hand gehabt, als Vicky mich angegriffen hatte, oder? Und ich hatte es auch nicht losgelassen, bis sie mich weggeschleudert hatte...
Dann musste es hier in meiner Nähe sein. Wo war es?
Mit wachsender Schwäche suchte ich erneut meine Umgebung ab, als ich es schließlich entdeckte.
Das Handy lag ein Stück weiter neben mir auf einem der Holzbalken mit einem großen Riss im Display. Doch abgesehen davon, schien es noch in Takt, da es noch immer entsperrt war und die von mir eben gewählte Nummer anzeigte.
Ich biss die Zähne zusammen und streckte trotz der aufkommenden Schmerzen die Hand danach aus, die vor Anstrengung und Schwäche mehr als nur zitterte. Ich erwischte es schließlich mit den Fingerspitzen, ehe ich es komplett gegriffen bekam und mit letzter Kraft auf den grünen Hörer drückte und es mir ans Ohr hielt, während nun schwarze Punkte in mein Blickfeld traten, die rasch größer wurden.
Ich spürte wie ich unendlich müde wurde und schaffte es nur noch mit äußerster Willenskraft wach zu bleiben, während ich entfernt das regelmäßige Tuten hörte, obwohl das Handy direkt an meinem Ohr war.
Bitte, nimm ab. Bitte, nimm ab.
"Du scheinst deine eigenen Worte wohl nicht besonders ernst zu nehmen, Zoey", ging er da schließlich ran und hätte ich genug Luft gehabt, hätte ich wohl erleichtert ausgeatmet.
"Damon, bitte...", murmelte ich und meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, "Bitte, hilf mir." Ich war mir nicht sicher, ob er mich überhaupt hören konnte, so leise wie ich sprach, doch hatte ich keine Kraft mehr irgendwie lauter zu werden.
"Wo bist du?", fragte er da und mit einem Mal war jede Kälte und jede Unnahbarkeit aus seiner Stimme verschwunden. Er hatte mich gehört!
"Turnhalle", antwortete ich kaum hörbar und schloss leicht die Augen, "Bus... Parkplatz."
"Ich bin sofort da. Bleib wach, hörst du?", erwiderte er, was mich trotz der Schmerzen ein wenig lächeln ließ, ehe das Handy aus meiner Hand glitt und ich fast endgültig das Bewusstsein verlor. Doch noch kämpfte ich dagegen.
Ich glitt in eine Art Dämmerzustand und hatte keine Ahnung wie viel Zeit verging, ehe ich plötzlich entfernt Schritte hörte, die langsam lauter wurden.
Mit aller Kraft versuchte ich meine Augen wieder zu öffnen und konnte durch einen kleinen Schlitz verschwommen eine Gestalt sehen, die sich rasch auf mich zu bewegte.
Da hörte ich eine Stimme und auch wenn ich nicht verstehen konnte, was sie sagte, erkannte ich sie.
"Damon", wollte ich sagen, doch da kein Ton meiner Kehle entweichen wollte, formte ich seinen Namen nur stumm mit den Lippen.
Ich spürte, wie er vorsichtig unter meinen Körper griff und mich sanft hochhob, was meinen Körper vor Schmerz erbeben, aber auch ein paar Lebensgeister in mir wieder erwachen ließ und die Dunkelheit etwas zurückdrängte.
Ich stöhnte schmerzerfüllt und schaffte es nun doch die Augen etwas zu öffnen. Ich erkannte Damon direkt über mir, der mich fest im Arm hielt und besorgt meinen Bauch beäugte.
"Damon...", hauchte ich erneut und diesmal gehorchten mir meine Stimmenbänder, wenn auch nur sehr schwach und zittrig.
Da blickte mich der Schwarzhaarige direkt an, ehe er mir beruhigend das Haar aus dem Gesicht strich.
"Scht. Keine Sorge", murmelte er leise, ehe er mich auf dem kalten Asphalt ablegte und mit einer Hand um den Holzsplitter griff, "Das wird jetzt weh tun." Fragend blickte er mich an und ich nickte unsicher auf seine stumme Frage hin, als er mit einem Ruck das Holz herauszog, was mich heiser aufschreien ließ.
Der Schmerz glühte nun unerträglich in meinem Bauch und mir traten erneut Tränen in die Augen, als Damon sich über mich beugte und mir sein Handgelenk hinhielt, an dem eine rote Flüssigkeit klebte.
"Trink das. Dann wird es besser", sagte er ruhig und ich blickte ihn ängstlich an. Was war das?
"Vertrau mir", fügte er sanft hinzu, was mich etwas beruhigte, ehe ich zuließ, dass er sein Handgelenk auf meinen Mund presste. Ich spürte wie die metallisch schmeckende Flüssigkeit in meinem Mund lief und schluckte sie mit Mühe herunter, als keinen Moment später der schreckliche Schmerz endlich nachließ und ich erschöpft in eine angenehme Ohnmacht fiel.
***
Ich erwachte, als ich ein leises Knarren neben mir hörte. Es war angenehm warm um mich herum und ich lag auf einer weichen Unterlage. Wo war ich?
"Alie?", fragte jemand und blinzelnd schlug ich die Augen auf. Ich musste einige Male blinzeln, doch schließlich klärte sich mein Blick und ich konnte meine Umgebung erkennen.
Ich war in Elenas Schlafzimmer. Wie kam ich denn hier her?
"Alie! Gott sei Dank, du bist wach!" Mein Blick schnellte zur Seite zu Elena, die neben mir am Bett saß und mich besorgt musterte.
"Elena... Was ist passiert?", fragte ich leise und richtete mich etwas auf.
"Vicky ist komplett durchgedreht", sagte die Dunkelhaarige kopfschüttelnd, "Sie wollte mit Jeremy verschwinden, doch wir haben sie noch rechtzeitig gefunden."
"Wo ist sie jetzt?", fragte ich angespannt und spürte wie Angst in mir hochstieg, als ich die Erinnerungen vom Parkplatz in mir hochstiegen.
"Sie ist...", Elena hielt kurz inne, "Ich wollte sie aufhalten, als sie Jeremy in ihrer Gewalt hatte und dann hat sie mich angegriffen", sie fuhr sich kurz am Hals entlang und ich konnte die große Bisswunde dort erkennen, "Stefan hat sie getötet, bevor sie mit ernsthaft etwas tun konnte." Ich atmete unendlich erleichtert auf. Sie war tot! Sie konnte uns nichts mehr tun.
"Aber wie geht es dir?", fragte Elena nun besorgt, "Damon hat gesagt, sie hätte auch dich angegriffen." Ich horchte auf.
"Du hast mit Damon gesprochen?", fragte ich nach und sie nickte.
"Er hat dich hergebracht, kurz nachdem ich mit Jeremy hier angekommen war. Glücklicherweise schienst du keine ernsthaften Verletzungen zu haben." Erleichtert lächelte sie mich an, während ich etwas verwirrt über meinen Unterbauch strich. Doch konnte ich nur weiche glatte Haut ertasten. Keine Spur einer Wunde. Was zum Teufel hatte mir Damon gegeben? Ein Wunderheilmittel?
"Alie?", fragte Elena besorgt nach, was mich schnell nicken ließ.
"Ja, mir geht’s gut. Gott sei Dank", sagte ich nur, als mir noch etwas anderes einfiel, "Was ist eigentlich mit Jeremy?" Wenn ich bedachte, was er heute Abend alles gesehen hatte, musste er doch bestimmt mehr als nur fertig sein.
Elena blickte bei meinen Worten etwas schuldbewusst zu Boden. Ich kannte diesen Blick genau und setzte mich noch mehr auf.
"Was hast du gemacht?", fragte ich ernst und sie blickte wieder zu mir auf.
"Ich... Ich hab Damon gebeten ihn den Abend komplett vergessen zu lassen", gestand sie und ich setzte erschrocken zum Widerspruch an, doch sie redete schon weiter, "Du hättest ihn vorhin sehen sollen, Alie! Er war komplett außer sich. Er dachte du wärst tot und Vicky hat er auch sterben sehen. Ich wollte einfach nicht, dass er in all das mit hineingerät und womöglich noch öfter in Gefahr kommen würde!", erklärte sie und ich blickte sie nachdenklich an.
Irgendwie hatte sie ja recht. Auch ich wollte nicht, dass Jeremy zwischen die Fronten geriet und von dieser ganzen Vampirsache wusste. Vielleicht war es tatsächlich besser, wenn er vergaß, was geschehen war.
"Und Damon hat ihn einfach so für dich manipuliert?", fragte ich schließlich und Elena zuckte leicht mit den Schultern.
"Ich hatte erst Stefan darum gebeten, doch er meinte, dass er dafür nicht stark genug wäre, also hat es Damon angeboten." Ich nickte langsam, auch wenn ich es nicht verstand.
Ich wurde aus Damon einfach nicht schlau. Ich war mir so sicher gewesen, dass er mir etwas vorgespielt hatte und in Wirklichkeit nur ein gefühlskalter Mörder war. Doch dann war er mir einfach so, ohne zu zögern zu Hilfe gekommen. Er hatte mir das Leben gerettet!
Und dann erfüllt er auch noch Elenas Wunsch, Jeremy zu manipulieren? Worauf war er aus? War das wieder ein Spiel oder war doch etwas Menschliches in ihm?
"Wie auch immer. Ich werde nochmal nach Jeremy sehen. Kommst du klar?", fragend sah Elena mich an.
"Ja, ist okay. Geh ruhig", antwortete ich abwesend, was sie aufstehen und zur Tür gehen ließ.
"Wir müssen uns etwas einfallen lassen, was wir den anderen sagen können", sagte sie noch, bevor sie hinausging und sah mich über die Schulter an, "Einen Grund, wieso Vicky niemals gefunden werden wird." Ich nickte leicht, als sich mein Gewissen meldete.
Tyler würde Vicky nie wiedersehen können und nie erfahren, was mit ihr geschehen war.
Das war jedoch immer noch besser, als wenn sie ihn, Jeremy oder sonst wen verletzt oder gar umgebracht hätte. Nein, da war mir diese Variante tausend Mal lieber.
Elena erwiderte mein Nicken, ehe sie den Raum endgültig verließ und die Tür schloss.
Leicht seufzend ließ ich mich in mein Kissen zurückfallen, ehe ich nochmals meinen Körper abtastete. Nicht eine Verletzung war zu sehen oder zu spüren.
Ich zuckte etwas zusammen, als es plötzlich an der Tür klopfte. Wer konnte das denn sein?
Jeremy? Oder Jenna?
"Ja?", fragte ich unsicher, als sich die Tür darauf öffnete und jemand ins Zimmer trat, "Damon!", murmelte ich überrascht, als ich ihn erkannte und konnte einen erfreuten Unterton in meiner Stimme nicht unterdrücken.
"Hey", sagte der Schwarzhaarige und blickte mich teils besorgt teils prüfend an, "Ich wollte nur mal nach dir sehen. Ob alles in Ordnung ist." Etwas unsicher stand er in der Tür und ich musste etwas lächeln.
"Klar. Komm rein", sagte ich, was ihn die Tür hinter sich schließen ließ, ehe er etwas ans Bett herantrat.
Kurz herrschte bedrückendes Schweigen zwischen uns, ehe Damon sich etwas räusperte und mich direkt ansah.
"Also, wie geht es dir?", fragte er.
"Gut", antwortete ich und blickte etwas skeptisch an mir herunter, "Zu gut, um ehrlich zu sein. All meine Wunden sind verschwunden. Was hast du mir gegeben?"
Damon schien kurz zu zögern, ehe er mir antwortete.
"Mein Blut", sagte er schließlich und ich blickte ihn erschrocken an, "Vampirblut heilt selbst die schlimmsten Verletzungen bei Menschen", erklärte er daraufhin, was mich immer noch etwas erschrocken nicken ließ. Diese Information war neu.
"Und... macht mich das jetzt auch zum Vampir?", fragte ich nun etwas ängstlich, was Damon kurz schmunzeln ließ.
"Nein", erwiderte er beruhigend und ich atmete erleichtert aus, "Nur wenn du mit meinem Blut im Organismus stirbst. Also solltest du es in den nächsten Tagen vermeiden dich mit durchgedrehten Vampiren anzulegen." Das brachte mich tatsächlich etwas zum Lachen und auch Damon lächelte minimal, ehe wir beide wieder ernst wurden.
"Ich wollte dir danken", sagte ich schließlich nach kurzer Stille, "Für das, was du heute getan hast."
"Nein", erwiderte Damon sofort und schüttelte den Kopf, während er sich neben mir am Bettrand sinken ließ.
"Doch. Du hast mich heute da draußen gerettet, obwohl ich dich so von mir gestoßen habe. Ich danke dir wir-"
"Nein!", unterbrach mich Damon wieder und legte eine Hand auf meine, ehe er mir direkt in die Augen sah, "Du bist mir weder Dankbarkeit noch irgendetwas anderes schuldig! Denn nur wegen mir warst du heute in Gefahr. Ich habe Vicky zum Vampir gemacht. Ich habe zugelassen, dass sie frei herumläuft und dich somit verletzen konnte. Also bitte bedanke dich nicht bei mir." Ich runzelte bei seinen Worten die Stirn und sah ihn nachdenklich an. Man sah ihm die Reue deutlich an und noch mehr als je zuvor sah ich in ihm den guten Kerl und nicht mehr das Monster, für das ich ihn gehalten hatte und als das Stefan ihn dargestellt hatte. Wie konnte das sein? War meine Menschenkenntnis wirklich so schlecht?
"Ich habe dir trotzdem Unrecht getan", sagte ich schließlich, "Ich habe Stefan einfach geglaubt und dir nie die Chance gegeben dich zu erklären", Damon blickte mich bei meinen Worten nur schweigend an, "Ich will die Geschichte auch aus deiner Sicht hören. Und ich will alles wissen. Keine Geheimnisse mehr. Keine Lügen." Ich sah wie daraufhin ein überraschter Ausdruck auf sein Gesicht trat, ehe er etwas lächelte und nickte.
"Ich werde dir alles sagen, was du wissen willst", stimmte er zu und ich nickte leicht, ehe ich sein Lächeln vorsichtig erwiderte.
Wir wurden aufgeschreckt, als plötzlich die Tür aufging und Elena ins Zimmer trat, die sogleich die Augen verengte als sie Damon sah.
"Was tust du denn hier? Du solltest dich doch nur um Jeremy kümmern-", fing sie verärgert an, doch ich unterbrach sie.
"Ist schon gut, Elena. Es ist alles okay", sagte ich ruhig, während Damon sich langsam vom Bett erhob.
"Das ist mir egal. Ich will ihn nicht in meinem Zimmer haben", erwiderte die Dunkelhaarige noch immer verärgert, während Damon sie nur kurz provokant angrinste. Da war es wieder.
Elena gegenüber zeigte Damon sich noch immer als Monster, was ihre Reaktion durchaus verständlich machte, doch wieso war er dann mir gegenüber so menschlich?
Elena trat einen Schritt zur Seite und wies mit einer Hand durch die offene Tür in den Flur, während sie Damon auffordernd ansah. Dieser sah jedoch nur mit ausdrucksloser Miene zu mir, dennoch erkannte ich die Frage in seinen Augen, was mich innerlich seufzen ließ. Ich hätte gerne das Gespräch mit ihm weitergeführt, doch das hier war nun mal Elenas Haus und damit auch ihre Regeln.
"Du solltest jetzt gehen. Wir reden morgen weiter", sagte ich und blickte ihn bittend an. Er nickte kaum merklich, ehe er, ohne Elena eines Blickes zu würdigen, an ihr vorbei nach draußen ging.
Meine beste Freundin ließ die Tür hörbar ins Schloss fallen und blickte mich prüfend an, was mich hörbar ausatmen ließ.
Wie zum Teufel sollte ich ihr jetzt diese Situation erklären?
Revelations
"Ach komm schon, Elena! Rede wenigstens darüber!", sagte ich seufzend und drehte mich im Bett leicht zu ihr um.
"Da gibt es nichts zu reden!", kam es nur gedämpft durch die Decke, die sie sich über den Kopf gezogen hatte, was mich leicht die Augen verdrehen ließ. Schon seit zwei Tagen, genauer gesagt seit Halloween verkroch sich Elena in ihrem Zimmer und lag nichts tuend im Bett. Nur einmal war sie nach draußen gegangen und das war heute früh gewesen, weil sie beim Sheriff eine Aussage wegen Vickys Verschwinden hatte machen müssen.
Wir hatten es so gedreht, dass Vicky die Stadt einfach verlassen hatte und keiner von uns wusste wohin. Das hatte uns Sheriff Forbes Gott sei Dank auch abgekauft, doch das war nicht das Problem.
Nein, das Problem war, dass Elena mit Stefan endgültig Schluss gemacht hatte, da sie der Meinung war mit dieser ganzen Vampirsache nicht fertig zu werden, was an sich ja auch ihr gutes Recht war, doch schien sich die Dunkelhaarige über ihre Entscheidung nun doch nicht ganz sicher zu sein, wenn sie nur noch schmollend im Bett lag.
Und ich als beste Freundin musste sie natürlich aufmuntern, weswegen ich mein längst überfälliges Gespräch mit Damon schon zwei Mal verschoben hatte, doch noch einmal würde ich es nicht tun.
"Du willst also einfach den Rest deines Lebens unter dieser Decke verbringen?", fragte ich Elena herausfordernd und zog leicht an besagtem Stoff, doch sie hielt ihn eisern fest.
"Jap", kam es trocken von ihr, ehe sie kurz innehielt und leicht unter ihrer Decke hervor lugte, "Warum kommst du eigentlich plötzlich so prima damit klar?"
"Tu ich nicht", erwiderte ich kopfschüttelnd, "Ich habe nur den ersten Schock verdaut und versuche nun mich daran zu gewöhnen, dass es die Monster wirklich gibt, über die wir immer Witze gerissen haben." Das war zwar die Untertreibung des Jahrhunderts, doch war es tatsächlich so, dass ich inzwischen etwas besser zurechtkam. Zumindest seit die Hoffnung in mir aufgekeimt war, dass in Damon vielleicht doch etwas von dem Kerl war, den ich mochte.
"Also hast du einfach akzeptiert, dass Damon ein Psychopath ist und nun ist alles wieder gut?", fragte sie zweifelnd nach und ich seufzte erneut. Ging diese Diskussion wieder los.
"Nein! Ich denke, dass er nicht das ist, was er zu sein scheint. Oder was Stefan behauptet, was er ist." Nun setzte sich Elena ganz auf und blickte mich skeptisch an.
"Du glaubst also ernsthaft, dass sich hinter dieser Fassade ein netter, einfühlsamer Mensch verbirgt?", fragte sie ungläubig.
"Ja... Nein... Ach keine Ahnung!", murmelte ich und schüttelte den Kopf, "Eben das will ich ja rausfinden", damit blickte ich sie wieder direkt an, "Und sowas geht am Besten indem man miteinander redet." Diese Worte ließen nun Elena seufzen, ehe sie sich wieder unter ihrer Decke verkroch. Immerhin versuchte ich die Sache zu klären und verkroch mich wie sie in meinem Bett. Gut, das hatte ich anfangs auch getan, aber jetzt nicht mehr!
"Elena", sagte ich gedehnt und zog wie eben schon an dem Stoff, "Entweder du versuchst dich mit Stefan auszusprechen, wie ich es mit Damon vorhabe, oder aber du findest dich damit ab, dass ihr getrennt seid. Aber hör auf dich in diesem Bett zu verkriechen!" Ein genervter Unterton schwang in meiner Stimme mit, doch Elena schien von meinen Worten null beeindruckt zu sein, da sie ihre Decke noch immer eisern festhielt, was mich wieder einmal seufzen ließ. Es war hoffnungslos.
In dem Moment klopfte es plötzlich an der Tür und ich sah auf, als auch schon Bonnie das Zimmer betrat. Ah ja, sie hatte ja geschrieben, dass sie vorbeikommen wollte.
"Hey, seid ihr wach?", fragte sie leise und ich nickte, ehe sie die Tür schloss und ins Zimmer trat.
"Nein", antwortete Elena kühl.
"Gut, dass du da bist. Ich brauche Verstärkung", sagte ich und deutete auf die Dunkelhaarige neben mir.
Bonnie lächelte bei meinen Worten, ehe sie neben Elena ans Bett trat und ihr mit einem kräftigen Ruck die Decke vom Kopf zog.
"'Nein, nein!'", jammerte Elena darauf und sah wenig begeistert zu ihr auf.
"'Willst du für immer da drinbleiben?'", fragte Bonnie mit hochgezogenen Augenbrauen.
"Will sie", sagte ich nickend und auch Bonnie seufzte, ehe sie sich zu unseren Füßen auf das Bett setzte.
"Was ist denn los? Müsste Alie nicht diejenige sein, die sich im Bett verkriecht?", fragte sie darauf, was mich nur mit den Schultern zucken ließ, während Elena einfach ihre Zimmerdecke anstarrte.
"'Ich habe es satt immer nachzudenken. Immer zu reden, ich...'", murmelte sie nur, ehe sie wieder verstummte, woraufhin mich Bonnie hilfesuchend ansah.
"'Kriege ich vielleicht eine Kurzfassung, damit ich so tun kann, als ob ich ihr helfen würde?'", fragte sie leise und ich setzte zu einer Antwort an, jedoch kam mir Elena zuvor.
"'Stefan und ich haben uns getrennt'", sagte sie und Bonnie blickte sie erschrocken an.
"Oh nein, nicht ihr auch noch! Das tut mir schrecklich leid", sagte die Schwarzhaarige kopfschüttelnd, "Für euch beide", fügte sie mit einem Blick auf mich hinzu, was mich nur dankbar nicken ließ, "'Geht es dir gut?'", fragte sie dann an Elena gewandt, worauf sie jedoch nur einen genervten Blick als Antwort bekam, "'Stimmt, blöde Frage.'"
"Lasst uns einfach das Thema wechseln", sagte ich, ehe ich fragend zu Bonnie sah, "Gibt es bei dir irgendwas Neues? Am besten irgendwas Spannendes, um uns abzulenken?"
Das ließ Bonnie plötzlich grinsen, was sowohl mir als auch Elena nicht entging, da wir sie beide irritiert ansahen.
"'Du hast mich drum gebeten, nicht vergessen!'", sagte sie da zu mir, ehe sie vom Bett aufsprang und das einzige offene Fenster im Raum schloss, ehe sie sich die Nagelpfeile von Elenas Nachttisch schnappte und damit eines der Kissen aufschlitzte, ehe sie die Federn auf dem Bett ausschüttete.
"'Hey!'", protestierte Elena, die sich nun aufgesetzt hatte und Bonnie mehr als nur verwirrt ansah. Mir ging es ähnlich. Was hatte sie vor? Uns in Federn ertränken?
"'Habt Geduld!'", meinte Bonnie nur, was mich zweifelnd nicken ließ, ehe sie sich neben dem Federhaufen wieder aufs Bett fallen ließ, "'Zuerst müsst ihr schwören es geheim zu halten!'", sagte sie da und ich spürte wie mir kurz übel wurde, als sich mein schlechtes Gewissen meldete. Noch ein Geheimnis? Es war schon schwer genug die ganze Vampirsache zu verschweigen. Wir konnten es ja nicht mal Bonnie sagen.
"Oh weh", murmelte ich nur und auch Elena sah nicht begeistert aus.
"'Das ist 'ne ganz schlechte Woche für solche Sachen'", meinte sie, doch Bonnie ließ nicht nach.
"'Schwört!'", forderte sie, "'Ich darf euch das eigentlich nicht zeigen!'" Kurz sah ich sie skeptisch an, ehe ich mit den Schultern zuckte. Was soll's.
"Na schön, ich schwöre", sagte ich und hob symbolisch eine Hand.
"Ich schwöre", schloss sich Elena an, auch wenn sie immer noch nicht begeistert klang.
"'Also...'", begann Bonnie langsam, "'Hier ist kein Fenster offen, oder?'"
"Nein, du hast es ja grad zugemacht", erwiderte ich und hob eine Augenbraue, doch Bonnie ignorierte meine Worte.
"'Es gibt keine Klimaanlage, kein Ventilator..."', fuhr sie fort.
Was tat das zur Sache?
"'Nein'", stimmte Elena ihr zu, "'Was hast du vor?'" Gute Frage.
"'Grandma hat mir das gezeigt! Es wird euch gefallen! Seid ihr bereit?'", fragte Bonnie lächelnd, was mich langsam nicken ließ. Jetzt war ich gespannt.
Da hob Bonnie ihre Hand und hielt sie ausgestreckt über eine der vielen Federn vor ihr. Sie schloss kurz konzentriert die Augen, ehe sie ihre Hand langsam hob... und die Feder sich mit ihr in die Luft bewegte.
Ich spürte wie mein Mund aufklappte, als ich die schwebende Feder unter ihrer Hand sah, die still in der Luft verweilte, als würde sie irgendein Windstrom oben halten. Doch Bonnie hatte es selbst gesagt: Hier drin war kein Wind.
"Wie...?", murmelte ich leise, als Bonnie ihre Hand wieder sinken ließ und auch die Feder damit wieder aufs Bett fiel.
"'Bonnie, wie ist das möglich?'", fragte auch Elena. Bonnie lächelte nur zur Antwort, ehe sie beide Hände hob und nun mehrere Federn in die Luft schweben ließ.
Ich musste lächeln. Dieser Anblick war wunderschön. Wie die Federn sich sanft durch die Luft bewegten, als könnte sie nichts auf der Welt erschüttern.
Wieder ließ Bonnie ihre Hände und damit auch die Federn sinken, ehe sie nur mit einer Augenbewegung alle Federn gleichzeitig in die Luft beförderte und diese begannen sich langsam um uns herum zu drehen.
Fasziniert blickte ich mich um und zum ersten Mal seit langer Zeit entwich mir ein Lachen. Elena stimmte ein und zusammen erhoben wir uns, so dass wir auf dem Bett standen, damit wir die Federn besser sehen konnten.
Auch Bonnie lachte, während ich vorsichtig eine der Federn anstupste, die an mir vorbeiflog.
"Wow", flüsterte ich und lachte erneut, ehe ich einen begeisterten Blick mit Elena tauschte.
"'Es stimmt'", sagte Bonnie da und wir blickten zu ihr, "'Alles, was mir meine Grandma gesagt hat. Es ist unmöglich und es ist wahr. Ich bin eine Hexe.'" Sie war eine Hexe...
Noch vor einer Woche hatten wir uns darüber lustig gemacht und jetzt...
"'Ich glaube dir, Bonnie'", sagte Elena und setzte sich wieder hin, ohne den Blick von den Federn zu wenden.
"Wir glauben dir", ergänzte ich, was uns drei wieder begeistert auflachen ließ.
Vielleicht gab es noch mehr Übernatürliches, wenn sowohl Vampire als auch Hexen existierten. Vielleicht hatten diese Wesen auch schöne und gute Seiten an sich.
Wieder sah ich hinauf zu den Federn.
Ja, das Übernatürliche hatte definitiv schöne Seiten!
***
Ich atmete tief durch, als das Auto schließlich anhielt und ich gemeinsam mit Elena, die hinter mir geparkt hatte, ausstieg.
"Vielleicht sollte ich doch wieder gehen", sagte die Dunkelhaarige leise, als sie auf das große Anwesen starrte, was mich zu ihr gehen und ihren Arm greifen ließ.
"Nein! Du bringst das jetzt hinter dich, sonst kriegst du Ärger, verstanden?", sagte ich streng, was sie leicht die Augen verdrehen ließ.
Nachdem Bonnie sich vorhin verabschiedet hatte, hatte Elena sich schlussendlich entschieden doch einmal mit Stefan zu reden. Und da ich sowieso zu Damon wollte, waren wir zusammen, wenn auch in getrennten Autos, hergefahren.
"Aber was, wenn-", begann sie, als wir zur Haustür liefen, doch ich unterbrach sie.
"Nichts da! Du machst dir keine Sorgen über hypothetische Verläufe eures Gesprächs, okay?"
Prüfend sah ich sie an, was sie hörbar ausatmen ließ, ehe sie nickte.
"Okay", gab sie auf, worauf ich mich zufrieden wieder von ihr abwendete und die Türklingel betätigte.
"'Es ist offen! Herein!'", ertönte es da von drinnen und ich spannte mich unwillkürlich an. Das war die Stimme einer Frau gewesen. Eine Stimme, die ich definitiv nicht kannte.
Ich wechselte einen skeptischen Blick mit Elena, ehe ich die Haustür langsam öffnete und gefolgt von ihr hereintrat.
Wir kamen in der Mitte des Flurs zum Stehen, als plötzlich eine blonde Frau um die Ecke bog mit nichts weiter als einem Handtuch, dass um ihren Körper gewickelt war.
"'Oh mein Gott!'", entwich es ihr da, als sie Elena und mich sah und blickte zwischen uns beiden hin und her, so erschrocken, als wären wir Geister, "'Ähm, wie...? Wer...?'", stotterte sie und ich runzelte die Stirn. Warum starrte sie uns so an? Hatte sie noch nie andere Frauen gesehen?
"'Ich bin Elena'", stellte sich meine beste Freundin zögerlich vor.
"Nathalie", sagte ich nur, während uns die Frau noch immer irritiert musterte, "Und du bist?"
"'Lexi. Eine Freundin von Stefan'", antwortete die Blonde und mir fiel innerlich ein Stein vom Herzen. Eine Freundin von Stefan, nicht von Damon.
"'Ist er da?'", fragte Elena und man hörte die Anspannung deutlich in ihrer Stimme, was mich besorgt zu ihr blicken ließ. Ihr ging es jetzt wahrscheinlich genau umgekehrt.
"'Er ist unter der Dusche'", antwortete Lexi, "'Wollt ihr warten?'" Oh je. Unter der Dusche? Aus der sie gerade gekommen war?
"'Nein'", sagte Elena kopfschüttelnd und wandte sich Richtung Tür.
"Elena!", rief ich beschwichtigend, doch sie hob nur abwehrend die Hand.
"'Schon gut!'", antwortete sie, ehe sie nach draußen lief und die Tür mit einem lauten Knall zufiel. Langsam drehte ich mich wieder zu Lexi, die mich fragend ansah.
"Willst du auf Stefan warten?", fragte sie vorsichtig, doch ich schüttelte den Kopf.
"Eigentlich wollte ich zu-", begann ich, wurde jedoch unterbrochen.
"Zoey!", ertönte es hinter mir und ich fuhr herum zu Damon, der gerade die Treppe hinunterkam, "Du bist ja schon da."
"Hey", erwiderte ich und war froh mit dieser seltsamen Frau nicht mehr allein zu sein, "Ja, ich bin etwas früher gekommen. Ist das schlimm?"
"Ganz und gar nicht", antwortete der Schwarzhaarige und lächelte mich warm an. Ich erwiderte sein Lächeln vorsichtig, als sich Lexi hinter mir hörbar räusperte.
"Deine neue Freundin, Damon?", fragte sie mit einem seltsamen Unterton in der Stimme, was mich verwirrt zu dem Schwarzhaarigen blicken ließ, dessen Miene kalt geworden war.
"Wüsste nicht, was dich das angeht", antwortete er und lächelte die Blonde sarkastisch an, ehe er sich wieder mir zuwandte, "Komm." Er bedeutete mir ihm zu folgen, was ich auch nach kurzem Zögern tat. Dabei sah ich nochmal kurz über die Schulter prüfend zu Lexi, welche uns jedoch bereits den Rücken zugekehrt hatte und zügig davon ging.
Damon führte mich die Treppen hinauf durch den Flur, ehe er schließlich eine der vielen Türen öffnete und mich eintreten ließ.
Kurz sah ich mich staunend um, als ich den Raum betrat. Es war ein riesiges Schlafzimmer mit einem direkt angrenzenden Badezimmer. Das musste dann wohl Damons Zimmer sein.
Ich hörte wie der Schwarzhaarige die Tür hinter uns schloss und drehte mich wieder zu ihm, als ich etwas nervös wurde. Unsere Begegnungen in Schlafzimmern waren bisher nicht sehr positiv verlaufen.
"Wir können auch woanders hingehen, wenn du dich hier unwohl fühlst", sagte Damon, der meine Nervosität wohl bemerkt hatte, was mich schnell den Kopf schütteln ließ.
"Nein, schon gut", antwortete ich schnell, "Ähm, kannst du mir verraten, wer zum Teufel diese Frau eben war?", lenkte ich ab und es schien sogar zu funktionieren, denn Damon verdrehte etwas genervt die Augen.
"Das war Lexi", antwortete er und nun war ich dran damit, die Augen zu verdrehen.
"So weit war ich auch schon. Sie meinte, sie wäre eine Freundin von Stefan?", fragte ich nach und Damon schmunzelte etwas.
"Eine Freundin ist vielleicht etwas untertrieben. Sie ist, genauer gesagt, seine älteste", erklärte er und ich hob die Augenbrauen als die Erkenntnis in mir hochstieg.
"Also ist sie ein..."
"Vampir. Richtig", sagte Damon und ich merkte, dass er nicht sonderlich begeistert klang.
"Du scheinst sie nicht wirklich zu mögen", sprach ich meine Gedanken aus, was ihn kurz innehalten ließ.
"Sagen wir, wir kommen nicht sonderlich gut miteinander aus", erwiderte er nur und ich setzte zu einer weiteren Frage an, als er schon fortfuhr, "Aber genug von ihr. Du bist schließlich doch nicht hier, um mich über Stefans beste Freundin auszuquetschen, oder?"
Ich hielt inne, ehe ich leicht nickte und meine Frage für mich behielt. Er hatte recht. Darüber wollte ich nicht reden.
"Gut", sagte Damon, ehe er an mir vorbei Richtung Bett ging, ehe er sich wieder zu mir drehte, "Also, du hast Antworten von mir verlangt und ich bin gewillt sie dir zu geben, doch vorher brauche ich erst einmal Fragen." Er verschränkte die Arme und sah mich abwartend an, während ich einmal tief Luft holte.
Also dann. Was wollte ich wissen?
Ich überlegte etwas und versuchte meine vielen Fragen zu ordnen.
"Du hattest mir erzählt, dass alles, was du mir bisher gesagt hast, die Wahrheit gewesen ist", fing ich zögerlich an, was ihn etwas nicken ließ, "Und Stefan hat gesagt, dass Katherine ein Vampir war und dass sie euch beide verwandelt hat."
"Kann man so sagen, ja", murmelte Damon und verschränkte die Arme, "Und was willst du jetzt genau wissen?" Ich biss mir kurz auf die Lippen. Es war gerade mal meine erste Frage und schon war es mir unangenehm dieses Thema anzusprechen. Immerhin hatte er vorher auch schon nicht gern darüber geredet... Doch ich wollte es wissen.
"Ich verstehe nicht, wie Eveline da mit hineinpasst", sagte ich kopfschüttelnd und merkte sofort, dass er sich anspannte, "Hast du sie später getroffen oder war sie doch nur eine Erfindung oder-"
"War sie nicht!", unterbrach mich Damon etwas verärgert, ehe seine Miene traurig wurde, worauf sich natürlich sofort mein schlechtes Gewissen meldete. Er hatte doch gesagt, dass er mich nicht angelogen hatte. Wieso vertraute ich ihm nicht einfach?
"Das mit Eveline war vor dem Ganzen", begann er zu erzählen, "Lange bevor Katherine zu uns kam, lange bevor ich überhaupt von Vampiren etwas wusste."
"Also... wart ihr beide Menschen?", fragte ich unsicher nach, während Damon sich umdrehte und sich am Ende seines Bettes niederließ, ehe er nickte.
"Ja", sagte er leise, während sein Blick ins Leere glitt, als er sich erinnerte, "Ich kannte sie schon, als wir noch Kinder waren. Schon damals wuchsen die Kinder der Gründerfamilien stets zusammen auf und es war auch üblich sie untereinander zu verheiraten." Ich runzelte die Stirn, während ich neben Damon ans Bett trat.
"Also gab es damals nur arrangierte Hochzeiten?", fragte ich nach.
"Nicht nur. Aber viele. Eveline und ich hatten einfach... Glück. Zumindest anfänglich-"
"Warte!", unterbrach ich ihn da, "Ihr wart verheiratet?!" Ich spürte wie leichte Eifersucht in mir hochstieg, auch wenn es komplett unlogisch war. Diese Frau war schließlich seit über hundert Jahren tot.
"Nein", beantwortete Damon meine Frage da kopfschüttelnd und ich sah wie genau die Trauer in sein Gesicht trat, die ich von Anfang an immer mal wieder bemerkt hatte, "Wir hatten es vorgehabt, aber... Nun, es war zunächst erst mal schwierig gewesen, die Zustimmung unserer Familien für unsere Verlobung zu kriegen", ich wollte zu einer weiteren Frage ansetzen, doch Damon redete schon weiter, "Wir kamen zwar beide aus Gründerfamilien, jedoch hielt mein Vater anfangs Stefan für geeigneter, da er und Eveline das gleiche Alter hatten und er mir nicht zutraute, ein vernünftiger Ehemann zu sein."
"Wie hast du ihn umgestimmt?", fragte ich und ließ mich neben ihm aufs Bett nieder. Damon starrte noch immer ins Leere, offenbar vollkommen in Erinnerungen versunken.
"Stefan half mir. Er wusste, um meine Gefühle für Eveline und hatte selbst auch kein Interesse an ihr. Außerdem versprach ich meinem Vater für seine Zustimmung in die konföderierte Armee einzutreten, um so mein Pflichtbewusstsein unter Beweis zu stellen. Ich weiß noch, wie ich kurz vor meiner Abreise zu Eveline ging, um mich zu verabschieden..." Er fuhr sich leicht durchs Haar, ehe sein Blick in die Ferne glitt.
1861
Mystic Falls, Amerika
-Evelines Sicht-
"Sie sollten sich wirklich ausruhen, Miss Eveline. Ich fürchte Ihr Fieber ist schon wieder gestiegen", hörte ich die besorgte Stimme meiner Zofe, ehe sie vor mir eine Schale mit Wasser abstellte.
"Ist schon gut, Gretka. Ich bin nur etwas müde. Das ist alles", antwortete ich ihr beruhigend, ehe ich ein Tuch in das kühle Wasser tauchte und mir damit die Stirn abtupfte. Schon seit ein paar Tagen wurde ich von Fieber und Husten geplagt. Ich hatte mir wohl auf den unzähligen Spaziergängen in den letzten Tagen eine Erkältung eingefangen.
"Ich werde Ihnen trotzdem zur Sicherheit noch einen Tee machen", meinte Gretka kopfschüttelnd und ich lächelte etwas, als sie aus der Tür eilte.
"Dankeschön", sagte ich leise, ehe sie das Zimmer verließ. Sie war wirklich ein liebes Mädchen.
Ich tauchte das durchnässte Tuch in meiner Hand erneut ins Wasser, als mich wie heute schon so oft zuvor ein starker Hustenanfall überkam, so dass ich mir das Tuch vor dem Mund statt an die Stirn hielt. Ich kniff die Augen zusammen, als dabei leichte Schmerzen in meine Brust traten, ehe sich meine Lunge wieder beruhigte und ich aufatmen konnte.
Möglicherweise hatte Gretka doch recht. Vielleicht sollte ich mich tatsächlich ausruhen.
"Miss Eveline?" Ich blickte auf und sah Gretka, die wieder ins Zimmer gekommen war, fragend an.
"Was ist denn?"
"Mr. Damon Salvatore wünscht, Sie zu besuchen", erklärte sie und sofort spürte ich wie Freude in mir hochstieg.
"Dann bring ihn doch bitte zu mir", sagte ich, was Gretka nicken ließ, ehe sie erneut den Raum verließ. Ich stand währenddessen auf und strich mein Kleid glatt, während ich kurz prüfend in den Spiegel an der Wand sah.
"Evie!", hörte ich eine tiefe Stimme hinter mir und ich unterdrückte ein Lächeln, ehe ich mich zur Tür drehte, wo Gretka Damon gerade in den Raum geführt hatte. Ich spürte wie meine Knie weich wurden, als ich in seine blauen Augen sah und musste mich zusammenreißen, ihm nicht sofort in die Arme zu stürzen.
"Mr. Salvatore", sagte ich stattdessen freundlich nickend, während ich ihn tadelnd anblickte. Er wusste doch, dass er mich nicht so vertraut ansprechen durfte, wenn wir nicht allein waren.
"Lässt du uns bitte allein, Gretka?", wandte ich mich zu meiner Zofe, welche verstehend lächelte, bevor sie das Zimmer verließ und die Tür schloss.
Als hätte er nur darauf gewartet, lief Damon da zu mir herüber, nur um mich sofort in einen sehnsüchtigen Kuss zu ziehen, welchen ich im ersten Moment sogar erwiderte, ehe ich ihn schnell wieder wegschob.
"Damon!", sagte ich mahnend, "Wenn uns jemand sieht-"
"Wir sind doch allein, oder nicht?", unterbrach er mich und küsste mich erneut, was es mir deutlich schwerer machte, ihm zu widerstehen, "Außerdem sind wir jetzt verlobt. Das bedeutet ich darf dich küssen, wann ich will." Er setzte zu einem weiteren Kuss an, doch ich hielt ihn zurück indem ich ihm einen Finger auf die Lippen legte.
"Eigentlich darfst du das erst, wenn wir verheiratet sind", widersprach ich lächelnd.
"Es hätte mich längst in den Wahnsinn getrieben, wenn wir so lange gewartet hätten", erwiderte Damon nur kopfschüttelnd, ehe er mich erneut küsste, was ich diesmal zuließ. Wer wusste schon, wann wir das, das nächste Mal tun konnten.
"Wann musst du eigentlich weg?", fragte ich leise, als wir uns nach einer gefühlten Ewigkeit voneinander lösten, "Ich dachte, du wärst schon längst fort?"
"Ohne mich von dir zu verabschieden? Für was für einen Menschen hältst du mich?", erwiderte er amüsiert und strich mit einer Hand sanft über meine Wange.
"Für einen, der unangenehmen Situationen gerne aus dem Weg geht", antwortete ich, woraufhin er etwas ertappt zu Boden sah, was mich erneut lächeln ließ. Ich kannte ihn nun einmal sehr gut.
"Wenn du da bist, kann es gar nicht unangenehm werden", sagte er und ich wollte etwas erwidern, als mich ein weiterer Hustenanfall überkam und ich mich gerade noch rechtzeitig aus Damons Armen lösen konnte, um mich von ihm wegzudrehen.
"Evie!", rief der Schwarzhaarige besorgt und spürte, wie er mich festhielt, ehe ich mich wieder beruhigte und leicht nach Luft rang.
"Es sei denn, ich huste dir direkt ins Gesicht. Das wäre tatsächlich unangenehm", sagte ich mit etwas heiserer Stimme, doch Damon schien das nicht besonders amüsant zu finden.
"Ist alles in Ordnung?", fragte er besorgt und drehte mich mit sanfter Gewalt wieder zu sich, ehe er mir einige Strähnen aus dem Gesicht strich, welche sich aus meiner Frisur gelöst hatten.
"Ja, es geht mir gut. Ich habe mir wohl eine Erkältung eingefangen. Mach dir keine Sorgen." Ich lächelte ihn beruhigend an, während er mich weiterhin besorgt musterte.
"Wann musst du aufbrechen?", versuchte ich abzulenken, was auch funktionierte, als Damon seine Taschenuhr herausholte und prüfend darauf sah.
"In... Vor zwanzig Minuten", antwortete er, was uns beide etwas lachen ließ.
"Nun, dann solltest du dich beeilen", sagte ich und er nickte zustimmend. Ich begleitete ihn aus dem Raum in den Flur zu meiner Haustür, wo er sich noch einmal zu mir herumdrehte.
"Bist du sicher, dass es dir gut geht?", fragte er leise.
"Ja, es ist alles gut. Jetzt geh endlich! Sonst bekommst du noch Ärger", sagte ich und öffnete die Tür, während ich ihn leicht nach draußen schob. Damon blickte daraufhin kurz prüfend die Straße vor unserer Tür entlang, wo keine Menschenseele zu sehen war, ehe er sich nochmals zu mir drehte, bevor er mich kurz, aber intensiv küsste.
"Sei bitte vorsichtig", sagte ich leise, als er sich wieder von mir löste. Ich hatte den Gedanken bisher lange genug verdrängen können, dass Damon für die nächsten Monate fort sein würde. Er würde im Krieg sein. Das wurde mir nun schmerzlich bewusst.
"Das bin ich. Warte auf mich. Und sei noch da, wenn ich zurückkomme", erwiderte Damon sanft und griff meine Hand, um sie zu drücken.
"Ich werde hier sein. Versprochen", sagte ich und erwiderte den Druck seiner Hand, "Ich liebe dich, Damon."
"Ich dich auch, Evie", sagte er, ehe er noch einen letzten Kuss auf meinen Handrücken drückte, bevor er mich endgültig losließ und die Treppen hinunter zur Straße ging.
Ich blickte ihm noch nach, bis er nicht mehr zu sehen war, während ich ein Gebet an Gott sandte.
Bitte lass ihn wohlbehalten zurückkehren.
Gegenwart
-Nathalies Sicht-
"Das war das letzte Mal, dass ich sie gesehen habe", endete Damon schließlich. Seine Stimme und seine Miene waren während seiner gesamten Erzählung ausdruckslos geblieben, doch ich wusste inzwischen, dass er sehr gut darin war, seine Gefühle zu verstecken.
Bei mir funktionierte das nicht so leicht.
Ich konnte ihn nur entsetzt anblicken, während tief empfundenes Mitleid in mir aufstieg. Das war schlimmer als alles, was ich mir ausgemalt hatte. Er war für sie in den Krieg gezogen, nur um bei seiner Rückkehr zu erfahren, dass sie gestorben war?
"Woran ist sie gestorben?", fragte ich kaum hörbar.
"Schwindsucht", antwortete Damon wie mechanisch und schien es nach wie vor tunlichst zu vermeiden mich anzusehen, "Heute wohl eher bekannt als Tuberkulose."
Ich erinnerte mich dunkel an den Geschichtsunterricht. Die Krankheit war damals nicht heilbar gewesen. Und fast niemand hatte sie überlebt. Er hatte echt großes Glück gehabt, dass er sich nicht angesteckt hatte. Wenn man es als "Glück" bezeichnen konnte, dass man nicht zusammen mit seiner Verlobten starb, sondern allein zurückblieb.
"Das tut mir so leid, Damon", sagte ich ehrlich, ehe ich zögerlich meine Hand auf seine legte, die flach auf dem Bett ruhte, "Du hättest mir das nicht erzählen müssen." Das ließ ihn endlich zu mir aufblicken, doch trotzdem sah ich, dass er nach wie vor versuchte, seine Gefühle vor mir zu verbergen.
"Ich habe versprochen, dir alles zu sagen, was du wissen willst. Und ich halte mein Wort", sagte er leise, ehe sein Blick zu meiner Hand glitt, die noch immer auf seiner lag. Es schien, als würde er einen kurzen Moment zögern, bevor er seine Hand zurückzog und sich vom Bett erhob. Ich spürte einen kurzen stechenden Schmerz im Brustkorb, doch ließ mir äußerlich nichts von dieser indirekten Zurückweisung anmerken.
"Außerdem ist es schon lange her", sprach Damon weiter, als wäre nichts geschehen, "Ich habe mich mit ihrem Tod abgefunden und Katherine kennengelernt." Seine Stimme klang im Gegensatz zu eben sehr gefasst und mir schien es, als hätte er seine Trauer nun wieder tief in sich eingeschlossen.
Ich blickte ihn wehmütig an. Es war sicher alles andere als gesund, so viel Schmerz und Trauer einfach wegzuschließen, doch wer war ich schon, ihm etwas anderes vorzuschreiben. Es war wohl besser dieses Thema erst mal sein zu lassen.
"Hat Stefan eigentlich, was Katherine betrifft die ganze Wahrheit gesagt?", fragte ich schließlich, worauf ich sofort bemerkte, wie sich Damons Augen leicht verengten, "Oder hat er etwas weggelassen?"
"Vielleicht", sagte er knapp und verschränkte die Arme, was mich die Stirn runzeln ließ.
"Also... es stimmt so weit, dass Katherine euch beide zu Vampiren gemacht hat, oder?", fragte ich.
"Sozusagen", antwortete Damon kühl, was meinen Geduldsfaden langsam reißen ließ.
"Das hast du vorhin schon gesagt. Was heißt 'Sozusagen'?", fragte ich ungeduldig, was Damon seufzen ließ, ehe er begann im Raum auf und ab zu gehen.
"Das heißt, dass sie uns nicht wirklich absichtlich verwandelt hat", begann er, doch ich fiel ihm ins Wort.
"Das weiß ich", sagte ich nickend, "Stefan hat gesagt, dass Katherine seinetwegen entdeckt worden war und bei dem Versuch sie zu retten, seid ihr beide gestorben und als Vampire wieder aufgewacht."
"Fast", erwiderte Damon nur, ehe er mit dem Rücken zu mir schließlich stehenblieb, und ich musste mich unwillkürlich an seine Worte in Elenas Haus vor einigen Tagen zurückerinnern. Er hatte bezweifelt, dass Stefan uns die ganze Geschichte erzählt hatte.
"Was hat Stefan ausgelassen?", fragte ich ruhig und der Schwarzhaarige drehte sich langsam wieder zu mir, während er mich prüfend musterte.
"Glaubst du denn überhaupt, dass er was ausgelassen hat?", fragte er scharf, was mich aber nicht beeindruckte.
"Wenn du es sagst, ja", erwiderte ich und hielt seinem prüfenden Blick stand. Ich meinte so etwas wie Überraschung über sein Gesicht huschen zu sehen, ehe seine Miene etwas weicher wurde.
"Du weißt sicher noch, dass Vampire nach ihrem Erwachen zuerst Menschenblut trinken müssen, um ihre Verwandlung vollständig zu machen?", fragte er schließlich nach kurzer Stille und ich nickte leicht als ich mich an Vicky erinnerte.
"Ja, man muss die Wahl treffen. Ob man sterben oder..." Ich zögerte bei den letzten Worten.
"Zum Monster werden will", vervollständigte Damon den Satz für mich und kurz blickte ich ihn überrascht an. Er nannte es genauso wie ich.
"Stefan und ich hatten uns beide für den Tod entschieden", sprach Damon weiter und wieder war ich überrascht, "Katherine war gestorben. Sie war der einzige Sinn dahinter gewesen zum Vampir zu werden. Ich wollte nicht ohne sie leben", er ließ eine kurze Pause, ehe ein Ausdruck in sein Gesicht trat, der mir etwas Angst machte: Ein Ausdruck von purer Enttäuschung.
"Doch dann kam Stefan", Damon lachte kurz spöttisch, "Er war losgegangen, um unserem Vater Lebewohl zu sagen, jedoch hat er ihn stattdessen getötet und sein Blut getrunken. Als vollständiger Vampir brachte er mich dazu, ebenfalls Blut zu trinken, damit er nicht allein sein musste", er sah vom Boden, den er die ganze Zeit über angestarrt hatte, auf und blickte mich direkt an, "Stefan hat uns zu diesen Monstern gemacht."
Ich schüttelte schockiert den Kopf. Das war komplett neu. Davon hatte Stefan gar nichts erzählt.
"Damon, ich-", begann ich, brach jedoch ab, als der Schwarzhaarige von mir abwandte und sich ein paar Schritte entfernte. Er wollte mein Mitleid nicht, das merkte ich deutlich. Er hatte es bei seiner Erzählung von Eveline nicht gewollt und wollte es bei Stefans egoistischer Entscheidung jetzt auch nicht. Doch trotzdem hatte ich immer mehr Mitleid mit ihm.
Es war unfair von Stefan, Damon als den Bösen hinzustellen. Ja, er hatte schlimme Dinge getan, doch Stefan anscheinend genauso.
"Warum hast du das nicht schon früher gesagt?", fragte ich schließlich und trat etwas an ihn heran.
"Hättest du mir geglaubt?", stellte Damon eine Gegenfrage und drehte sich wieder zu mir, was mich nur den Blick senken ließ, "Siehst du." Er hatte recht. Vor einer Woche hätte ich ihm das nie geglaubt.
"Es tut mir leid, ich-"
"Entschuldige dich nicht", sagte er kopfschüttelnd, ehe er ebenfalls auf mich zutrat, so dass er nun direkt vor mir stand, "Ich habe dir schließlich auch nicht viel Grund gegeben mir zu vertrauen." Ich erinnerte mich an den Tag, als ich mich bei Elena versteckt hatte und erschauerte kurz. Ich hatte solche Angst vor ihm gehabt. So fest war ich davon überzeugt gewesen, dass er ein Monster war und mich die ganze Zeit belogen hatte. Und dennoch hatte er mit aller Macht versucht, sich mir zu erklären. Hatte mir von Evelines Tod, seiner Trauer und von seiner Enttäuschung Stefan gegenüber erzählt. Solch private Dinge erzählte man doch niemanden einfach so.
"Wieso tust du das eigentlich?", fragte ich leise und er runzelte fragend die Stirn, "Wieso erzählst du mir alles einfach so und beharrst so darauf, dass ich dich die Wahrheit kenne?"
Lag ihm vielleicht doch mehr an mir, als ich dachte? Waren seine Gefühle wirklich so echt, wie es meine waren?
Damon antwortete nicht sofort, sondern hielt inne, als müsste er erst überlegen, was er sagte.
"Ich will nur, dass du mich verstehst", murmelte er schließlich, was mich verwirrte. Er wollte nur das?
"Du willst mich also nicht zurückgewinnen?"
Damon atmete hörbar aus, ehe er mich entschuldigend ansah, woraufhin mir schockierend bewusst wurde, dass ich das gerade ungewollt laut gesagt hatte.
"Ich...", begann Damon langsam, ehe er kurz stoppte und nochmal anfing, "Es wäre nicht fair dir gegenüber. Es gibt Dinge, die du noch nicht weißt und... Ich bin nicht gut für dich und würde dir nur das Herz brechen. Wir sollten nicht zusammen sein."
Seine Worte trafen mich tief. Tiefer, als ich es mir eingestehen wollte.
Ich spürte einen brennenden Schmerz in der Brust und wie mir dieser Schmerz die Tränen in die Augen trieb, doch ich hielt sie zurück. Stattdessen nickte ich bei seinen Worten nur leicht und versuchte krampfhaft meine ausdruckslose Miene beizubehalten.
Wieso tat diese Abweisung nur so verdammt weh? Wir waren doch schon vorher nicht mehr zusammen gewesen. Warum machte es mir dann so viel aus?
"Zoey...", begann Damon da sanft, der mich wohl wie immer komplett durchschaut hatte, doch ich schüttelte schnell den Kopf.
"Nein, schon gut", sagte ich und trat ein paar Schritte von ihm zurück, "Du hast wahrscheinlich recht." Ich war von mir selbst überrascht, wie ruhig und gelassen meine Stimme klang. Schnell sah ich auf meine Armbanduhr, einerseits um die Uhrzeit zu checken, andererseits, um woanders hinsehen zu können als in Damons Gesicht.
"Es ist schon spät. Ich komm noch zu spät zu Carolines Party, also..." Damit wandte ich mich von ihm ab und lief Richtung Tür.
"Zoey!", rief Damon und ich hörte wie er mir folgte, "Bitte lass es mich erklären!" Ich blieb vor der Tür stehen und amtete einmal tief durch, um die Fassung zu behalten, ehe ich mich zu ihm drehte.
"Du musst dich dafür nicht rechtfertigen, Damon. Ich habe heute eh schon genug Erklärungen von dir verlangt." Mit diesen Worten wandte ich mich endgültig von ihm ab und verließ den Raum.
Schnellen Schrittes lief ich nun durch den Flur, die Treppen hinunter, ehe ich durch die Haustür nach draußen trat und in mein Auto stieg.
Dort ließ ich mich kraftlos in den Ledersitz zurücksinken, als ich gerade noch so ein Schluchzen unterdrücken konnte.
Es tat so weh. Die Schmerzen, die Damons Worte in meiner Brust ausgelöst hatten waren unerträglich.
Ich spürte wie Tränen über meine Wangen rannen und unterdrückte erneut ein Schluchzen, während ich den Motor des Autos startete.
Ich musste hier weg, bevor Damon hören würde, dass ich weinte. Verfluchtes Vampirgehör.
Ich durchquerte die Einfahrt mit dem Wagen, während ich verzweifelt versuchte ein- und auszuatmen, in der Hoffnung, den Schmerz dadurch irgendwie zu betäuben.
Und ohne, dass ich es wollte schlichen sich plötzlich wieder Damons Worte in meinen Kopf.
"Ich würde dir nur das Herz brechen."
Nun entwich mir doch ein Schluchzen, als mir diese eine Tatsache schmerzlich bewusst wurde: Er hatte mein Herz bereits gebrochen.
***
Gedankenverloren nippte ich an meiner Limo, von der ich mir inzwischen zum tausendsten Mal wünschte, dass sie Alkohol wäre. Doch leider hatte ich so weit nicht gedacht, als ich mit meinem Auto zum Grill gefahren war, um dort auf Carolines Party zu gehen. Mein ganzes Dilemma mit Damon hatte mich einfach zu sehr abgelenkt. Wenn auch noch nicht so sehr, dass ich auf die Idee kam betrunken Auto zu fahren.
Mal abgesehen davon, dass mir meine Eltern den Kopf abreißen würden, wenn sie merkten, dass ich getrunken hatte. Denn anders als Tyler, vertrug ich nicht so viel und war gleichzeitig noch gut darin es zu verstecken.
Deswegen saß ich hier an meiner dritten alkoholfreien Erdbeer-Limonade und beäugte die vielen Leute, die im Grill auf der Tanzfläche standen oder mit ihren Freunden an einem Tisch saßen und sich unterhielten.
Ich hatte auch schon Bonnie und Caroline gesehen, doch hatte ich es vermieden mit ihnen zu reden. Ich hatte momentan keine besonders große Lust darauf mich zu verstellen und so zu tun, als ob alles Bestens wäre.
Ich seufzte leise.
Elena war die Einzige, mit der ich über Damon sprechen konnte, doch selbst mit ihr wollte ich jetzt nicht reden, selbst wenn sie hier wäre. Sie war von dem schwarzhaarigen Vampir ohnehin nicht überzeugt und würde nur ein "Ich hab's dir doch gesagt" von sich geben. Sie würde mich nicht verstehen.
"Hey!", ich sah auf, als sich jemand neben mich setzte und erkannte Lexi, die mir leicht lächelnd ein Glas herüberschob, "Du siehst aus, als könntest du einen Drink vertragen."
Kurz blickte ich sehnsüchtig auf das Whiskeyglas vor mir, das den Schmerz in meiner Brust sicher lindern würde, doch dann wandte ich den Blick wieder zu Lexi und schüttelte den Kopf.
"Der Gesundheit meines Autos zuliebe, sollte ich das lieber lassen", erwiderte ich und räusperte mich, als ich bemerkte wie heiser meine Stimme klang, "Aber trotzdem danke."
"Dann bleibt mehr für mich!", sagte Lexi daraufhin nur schulterzuckend, ehe sie ihren eigenen und anschließend meinen Shot austrank. Ich schmunzelte etwas, als sie danach etwas angeekelt das Gesicht verzog.
"Ich wusste nicht, dass du hier sein würdest", sagte ich schließlich, worauf die Blonde mich fragend ansah, "Ist so eine Kleinstadt-Party nicht zu langweilig für einen Vampir?"
"Denkst du, dass Vampire nur in Großstädten feiern können?", stellte Lexi amüsiert eine Gegenfrage und lachte etwas.
"Naja, ich kenne nicht sonderlich viele Vampire, also weiß ich über ihre Vorlieben nicht so genau Bescheid...", sagte ich und schmunzelte, "Außer, dass sie gerne duschen." Lexi verstand die versteckte Andeutung und verdrehte die Augen, was mich lächeln ließ.
"Habt ihr Elena jetzt eigentlich mal über das Missverständnis aufgeklärt?", fragte ich nach, woraufhin Lexi die Hand hob und quer durch den Raum auf jemanden zeigte.
"Ich glaube Stefan tut das gerade", sagte sie noch immer amüsiert und ich blickte in die gewiesene Richtung, wo ich Stefan und Elena entdeckte, die zusammen am Billardtisch standen und sich unterhielten. Na endlich redeten die beiden miteinander.
"Apropos aufklärende Gespräche", begann Lexi da und ich sah wieder zu ihr, "Ich hab heute früh deinem langen Austausch mit Damon belauscht." Etwas erschrocken blickte ich sie an. Sie hatte zugehört?
"Tut mir leid", meinte sie daraufhin und lächelte entschuldigend, "Vampirgehör und so."
Ich seufzte hörbar und fuhr mir durchs Haar, als meine gerade etwas verbesserte Laune wieder auf null sank.
"Dann weißt du ja, dass das Gespräch nicht besonders positiv verlaufen ist", sagte ich und blickte in mein Glas, das ich mit beiden Händen umgriffen hatte.
"Nun, ich war eigentlich ziemlich überrascht", meinte Lexi, was mich doch wieder zu ihr aufsehen ließ, "Er scheint dich sehr zu mögen. Und dir zu vertrauen." Nun runzelte ich etwas die Stirn. Ich hatte eher das Gefühl gehabt, dass das Gegenteil der Fall war. Immerhin hatte er mich zurückgewiesen.
"Wie kommst du darauf?", fragte ich nach.
"Naja...", begann die Blonde gedehnt, "Er hat immerhin seine Gefühle wieder eingeschaltet. Und glaub mir, das hat echt lange gedauert." Die letzten Worte sprach sie mit starker Bitterkeit aus, doch ich konnte nur noch verwirrter den Kopf schütteln.
"Er hat seine Gefühle was?", fragte ich verständnislos, worauf Lexi wissend die Augenbrauen hob.
"Oh, den Teil vom Vampirdasein haben die Brüder wohl ausgelassen?", fragte sie schmunzelnd, ehe sie ernst wurde, "Du musst wissen, Vampire besitzen die Fähigkeit ihre Gefühle abzuschalten. Das heißt, jedes Gefühl, egal ob Liebe, Trauer, Wut, Reue oder Ärger, alles ist einem Schlag weg." Vollkommen perplex sah ich sie an. Vampire konnten das einfach so? Das klang absolut nicht gut.
"Und was bleibt dann übrig?", fragte ich leise, obwohl ich die Antwort schon ahnte.
"Ein Vampir, dem alles egal ist und einer, der tötet, wann, wen und wo er will", antwortete Lexi und ich schluckte. Genau so hatte Stefan Damon beschrieben. Das war also der Grund? Sie konnten einfach ihre Gefühle aussperren? Ihre Seele?
"Machen das viele Vampire?", wollte ich wissen.
"Fast alle", antwortete Lexi und erneut sah ich sie erschrocken an, "Deswegen sind wir ja so verhasst, von den Menschen, die sich unserer Existenz bewusst sind."
"Aber wieso? Wieso stellen Vampire ihre Gefühle ab?", fragte ich.
"Weil sie nicht fühlen wollen. Ihre Gefühle sind verstärkt und für viele überwiegen die negativen Gefühle. Wenn Trauer zu Verzweiflung wird und Reue zu Selbsthass, dann bleibt Abschalten der einzige Ausweg", erklärte Lexi schulterzuckend und ich nickte langsam. Auf merkwürdige Art und Weise ergab das irgendwie Sinn.
"Und Damon hatte seine Gefühle abgeschaltet", sagte ich leise und es war mehr eine Feststellung, als eine Frage.
"Jap. Fast ein halbes Jahrhundert lang. Doch du hast es wohl geschafft, dass er sie wieder eingeschaltet hat. Zumindest teilweise", sagte Lexi und lächelte, was ich jedoch nicht erwidern konnte. Zu sehr war ich damit beschäftigt diese neuen Informationen zu verarbeiten. Vampire konnten ihre Gefühle abschalten.
Das erklärte diese seltsamen zwei Seiten von Damon, aus denen ich bisher einfach nicht schlau geworden war. Wie das gefühllose Monster mit dem Mann, den ich liebte, zusammenpasste.
Doch warum hatte er seine Gefühle meinetwegen wieder eingeschaltet?
"Aber wieso denkst du, dass er meinetwegen wieder fühlt? Das kann doch tausend andere Gründe haben. Außerdem hat er ja heute gewissermaßen mit mir Schluss gemacht. Also so viele Gefühle können da ja nicht sein", sagte ich zweifelnd, doch Lexi schüttelte bestimmend den Kopf.
"Glaub mir, es ist deinetwegen. Und du scheinst Damon noch nicht gut genug zu kennen", sie beugte sich vor und sah mich eindringlich an, "Er ist egoistisch und selbstsüchtig. Er nimmt sich, was er will, ohne Rücksicht auf Verluste."
Ich schüttelte ungläubig den Kopf.
"Nein, so ist er nicht-"
"Siehst du", fiel mir Lexi ins Wort, "Schon allein, dass dir diese Seite von ihm vollkommen fremd ist, beweist, dass er Gefühle für dich hat. Weil er dir gegenüber nicht so ist. Wäre das der Fall, hätte er nicht Schluss gemacht, sondern dich einfach ausgenutzt und dann fallengelassen."
Vollkommen sprachlos ließ ich mich in meinen Stuhl zurücksinken, während nun Schmerz, Zweifel und neu entflammte Hoffnung in einem einzigen Gefühlschaos in mir tobten.
"Was ich damit eigentlich sagen wollte", sagte Lexi und blickte mich verstehend an, "Gib deine Hoffnung noch nicht auf. Selbst wenn er Schluss gemacht hat, er hat Gefühle für dich."
Langsam blickte ich Lexi an, die mich aufmunternd anlächelte, ehe ich langsam ihr Lächeln erwiderte.
"Danke, Lexi", sagte ich ehrlich, was das Lächeln der Blonden in ein Grinsen verwandelte.
"Gerne doch", erwiderte sie, ehe sie aufstand und durch den Raum zur Bar lief.
Ich sah ihr noch kurz nach, bevor ich nach meiner Tasche griff und aufstand.
Ich hatte absolut keine Lust mehr auf diese Party und daheim konnte ich wenigstens in Ruhe über Lexis Worte grübeln.
_______________________________________________________________________________
Ich danke an dieser Stelle TheRealLoca, die meine Kapitel immer fleißig betaliest und mir bei meinen unzähligen Unsicherheiten zur Seite steht!
Du bist die Beste!
Haunted
Vielen lieben Dank an HappyBabyFeet für ihre super lieben Reviews und natürlich an TheRealLoca fürs Betalesen!
Das gesungene Lied ist "Devil on My Shoulder" von Faith Marie.
Viel Spaß!
_________________________________________________________________________________________________________
"Beautiful silence. Beautiful pain. We're only human. We're meant to dream", sang ich leise vor mich hin, als ich schließlich den Föhn abstellte und mit einem prüfenden Blick in den Spiegel durch meine langen Locken fuhr, "Lost in a life full of mistakes. We do what feels right then fall with no grace." Normalerweise brachte mich Singen immer auf andere Gedanken, doch heute wollte es einfach nicht funktionieren.
Nachdem ich heute morgen festgestellt hatte, dass die erste Stunde ausfiel, hatte ich die Gelegenheit genutzt, einmal ausgiebig zu duschen. Danach hatte ich mich angezogen und meine Haare getrocknet. Und nun stand ich vor meinem Badezimmerspiegel und war eigentlich mehr als bereit in den Schultag zu starten.
Das einzige Problem war nur, dass sich meine Gedanken ganz und gar nicht um Schule drehten.
Nein, sie drehten sich wie immer seit den letzten Wochen um einen bestimmten Vampir.
Mir spukten Lexis Worte von gestern noch immer im Kopf herum und gegen meinen Willen hatte sich mal wieder Hoffnung in mir breit gemacht.
Ich hasste dieses immer wiederkehrende Gefühlschaos. Erst die Hoffnung, dann die Enttäuschung, dann der Schmerz und dann wieder die Hoffnung. Konnte das nicht langsam aufhören?
"Chased by the sun. Escaping flatlines. Dreams are a curse. Wake up you're alive!", sang ich kopfschüttelnd weiter, als ich das Handgelenk hob, um auf meiner Armbanduhr zu sehen, wie spät es war. Ich hatte noch mehr als genug Zeit, um zur Schule zu kommen.
"Oh slowly fading from the misery. I've accepted who I'm supposed to be. I've accepted who I'm supposed to see, Lady in the mirror." Ich verließ das Bad und lief, ohne wirklich aufzuschauen durch mein Schlafzimmer zu meinem Bett herüber. Dort griff ich nach meinem Handy, das seit gestern Abend am Ladegerät auf meinem Nachttisch gelegen hatte. Prüfend blickte ich auf das Display.
Mehrere verpasste Anrufe? Sie waren alle von Elena. Seltsam.
"Ein viel zu trauriges Lied für eine so schöne Stimme", ertönte es da plötzlich hinter mir und ich fuhr so sehr zusammen, dass mir mein Handy aus der Hand aufs Bett glitt, während ich zeitgleich mit weitaufgerissenen Augen erschrocken hinter mich sah.
Damon stand am Fenster und lehnte mit verschränkten Armen an der Wand.
"Du solltest vielleicht in Betracht ziehen, Sängerin zu werden", fuhr er fort und grinste leicht.
"Musst du dich immer so anschleichen?", fragte ich kopfschüttelnd und atmete einmal tief durch, um meinen Herzschlag zu beruhigen.
"Entschuldige. Eine alte Angewohnheit", erwiderte Damon und lächelte mich auf eine Weise an, bei der mir die Knie weich wurden. Schnell wandte ich den Blick ab und widmete mich meiner Schultasche, die auf dem Bett lag.
"Was willst du überhaupt hier?", fragte ich währenddessen und ich hörte wie er ausatmete.
"Ich wollte mit dir reden", sagte er leise und als ich merkte wie angespannt seine Stimme plötzlich klang, drehte ich mich doch zu ihm, "Und zwar bevor Elena oder Stefan mir zuvorkommen."
Ich runzelte die Stirn. Er wirkte sehr nervös. Und die Tatsache, dass er zu Boden sah und es vermied mich direkt anzusehen, verstärkte diesen Effekt zusätzlich.
Und da beschlich mich eine Ahnung.
"Was hast du getan?", fragte ich ernst und drehte mich ganz zu ihm herum. Er wollte mit mir reden, bevor Stefan oder Elena das tun würden. Das hieß, er musste irgendetwas getan haben. Etwas, das ich nicht gutheißen würde. Das würde auch die verpassten Anrufe erklären.
Damon schaute nun langsam zu mir auf, während ich die Arme vor meiner Brust verschränkte.
"Ich...", er zögerte kurz, "Ich habe Lexi getötet." Ich riss entsetzt die Augen auf.
"Du hast was?!", rief ich aus. Das konnte doch nicht sein Ernst sein!
"Bitte lass es mich erklären!", erwiderte Damon und hob abwehrend die Hände, als würde ich gerade eine Pistole auf ihn richten. Ich sah ihn bei seiner Bitte nur abwartend an, was er als Bestätigung nahm.
"Ich musste es tun! In der Stadt hat es schon zu viele Tote gegeben. Sie waren auf der Suche nach Vampiren. Ich musste ihnen einen liefern, sonst wären Stefan und ich aufgeflogen!", erklärte er schnell.
"Wer ist 'Sie'?", fragte ich verwirrt.
"Der Gründerrat", antwortete Damon und meine Augen weiteten sich, wenn das überhaupt noch möglich war, noch mehr. Der Gründerrat war doch nur eine Organisationsgruppe der Gründerfamilien. Meine Eltern und die vieler meiner Freunde waren dort Mitglied. Sie kümmerten sich lediglich um Feste und andere Veranstaltungen.
Zumindest hatte ich das gedacht.
"Sie wissen von Vampiren?", fragte ich leise.
"Was denkst du, wer 1864 alle Vampire in der Kirche verbrennen wollte?", erwiderte Damon, "Der Gründerrat besteht seit mehreren Generationen. Du und Elena werdet wahrscheinlich auch eingeweiht, wenn ihr alt genug seid."
"Oh mein Gott." Ich ließ mich auf mein Bett sinken, während ich fassungslos ins Leere starrte. Meine Eltern wussten Bescheid. Sie hatten die ganze Zeit von Vampiren gewusst.
"Und sie machen Jagd auf euch?", fragte ich schließlich, als ich mich wieder halbwegs gefangen hatte.
"Jetzt nicht mehr", sagte Damon kopfschüttelnd, "Sie denken jetzt sie haben den verantwortlichen Vampir." Ich spürte, wie mir schlecht wurde. Damon hatte Lexi getötet, um das Vertrauen des Rates zu gewinnen?
"Dabei bist du der verantwortliche Vampir", sagte ich leise und sah ihn kalt an. Damon erwiderte meinen Blick und seufzte.
"Zoey, bitte-", begann er, doch ich fiel ihm ins Wort.
"Du hast sie getötet, Damon! Du hast die beste Freundin deines Bruders getötet!"
Kurz malte ich mir aus, wie es mir ginge, wenn Tyler Elena aus so einem Grund umbringen würde. Nein, das war einfach zu schrecklich.
"Ich hatte keine Wahl!", rechtfertigte sich der Schwarzhaarige verärgert.
"Du hättest die Stadt verlassen können! Dann hätte dir der Rat auch nichts mehr anhaben können!", erwiderte ich und wurde ebenfalls wütend. Den Schmerz, der bei der Vorstellung, dass er für immer gehen würde, durch meine Brust schoss, ignorierte ich.
"Ich kann noch nicht gehen! Nicht bevor ich-" Damon hielt plötzlich inne, ehe er sich durchs Haar fuhr und mir den Rücken zudrehte, während ich ihn fragend anstarrte.
"Nicht, bevor du was?", fragte ich nach, doch er reagierte nicht. Ich schluckte etwas, als seine Worte von gestern in mir hochkamen. Gegen meinen Willen wurde meine Wut plötzlich von Schmerz und Hoffnung verdrängt, welche zusammen einen dicken Kloß in meinem Hals bildeten.
"Du sagtest gestern, dass es Dinge gibt, die ich nicht weiß. Dinge, wegen denen wir nicht zusammen sein können", sagte ich leise, "Was verschweigst du mir?"
"Das ist nicht wichtig. Es-", begann Damon ohne sich umzudrehen, doch ich unterbrach ihn sofort.
"Du hast gesagt, du sagst mir alles. Dass du nichts geheim hältst. Ich will wissen, was du mir verschweigst." Kurz blieb es ruhig, ehe Damon hörbar ausatmete, bevor er sich langsam zu mir herumdrehte.
"Es ist Katherine", sagte er, "Sie ist noch am Leben."
***
"'Weswegen bist du eigentlich so sauer auf Bonnie?'", fragte Elena verwirrt.
"'Sie ist eine Diebin, deswegen! Ich habe ihr meine Halskette gegeben und sie gibt sie mir nicht wieder!'", erwiderte Caroline genervt. Wir liefen gerade zu dritt über den Schulhof in Richtung unserer Autos. Wir hatten den Schultag hinter uns gebracht und Elena und Caroline diskutierten über irgendeine Halskette, die Bonnie nicht zurückgeben wollte, doch ich hörte nur mit halbem Ohr zu, wie ich es eigentlich schon den ganzen Tag bei allem tat.
Seit Damon mir eröffnet hatte, dass Katherine noch lebte und lediglich in einer Gruft unter der Kirchenruine gefangen war, fiel es mir schwer, meine Gedanken auf irgendetwas anderes zu richten. Genauer gesagt, seit dem Moment, als Damon sagte, dass er sie sich zurückholen wollte. Denn das hatte all meine Hoffnung aufs Neue zunichte gemacht.
Katherine war der Grund, warum er nicht mit mir zusammen sein wollte. Wegen ihr war er in die Stadt gekommen. Er hatte immer sie gewollt und nicht mich. Und das Schlimmste daran war, dass ich es ihm noch nicht einmal vorwerfen konnte.
Sie hatte mir über hundert Jahre voraus und Damon hatte sicherlich nicht so lange gewartet, um sie dann einfach fallenzulassen. Vor allem nicht wegen eines unbedeutenden Menschen wie mir...
"Okay, du sagst mir jetzt sofort, was mit dir los ist!", riss mich da Elena aus den Gedanken und ich blinzelte sie irritiert an.
"Was?", fragte ich nach und blickte mich um. Wir waren offenbar längst am Parkplatz angekommen und auch Caroline hatte sich wohl schon verabschiedet ohne, dass ich es bemerkt hatte.
"Du bist schon den ganzen Tag so still, du hast noch nicht mal wirklich reagiert, als ich erzählt habe, dass Damon Lexi getötet hat! Das bedeutet, dass dich irgendetwas mehr aufregt. Also, was ist es?"
Ich wich dem prüfenden Blick meiner besten Freundin aus und starrte zu Boden.
"Es ist nichts. Alles gut", sagte ich, was ich mir aber auch hätte sparen können, da Elena sich eh nie mit so einer Antwort zufriedengegeben hätte.
"Alie", sagte sie streng, was mich seufzen ließ, ehe ich sie doch ansah.
"Ich will nicht darüber reden, okay?", sagte ich und ging an ihr vorbei, um mich in ihr Auto zu setzen. Natürlich hatten wir gerade heute unseren Mädelsabend mit Caroline und Bonnie. Ich durfte also noch den ganzen Abend Elenas bohrende Blicke aushalten.
Doch ich wollte ihr nichts sagen. Damon hatte mich zwar gebeten, darüber kein Wort zu verlieren, aber mein Schweigen hatte noch einen anderen Grund. Ich wollte nicht, dass Elena das gleiche Problem mit Katherine bekam, wie ich.
Es reichte schon, wenn dieses, entschuldigt meine Ausdrucksweise, Miststück zwischen mir und Damon stand. Sie sollte nicht auch noch zwischen Elena und Stefan stehen.
Elena stieg neben mir ein und musterte mich erneut prüfend, was mich laut seufzen ließ.
"Damon und ich haben endgültig Schluss gemacht und heute früh durfte ich erfahren, dass er auch noch die Frau umgebracht hat, die mir gestern Abend noch Hoffnung gemacht hat. Meine Laune ist also gerade irgendwo beim Erdkern", rechtfertigte ich mich schließlich und Elenas Blick wurde mitleidig, was mir gerade noch gefehlt hatte, "Bitte, schau mich nicht so an!"
"Entschuldige, ich... ich hatte keine Ahnung, dass es zwischen euch endgültig aus ist", sagte sie leise, was mich innerlich erleichtert aufatmen ließ. Sie bohrte nicht weiter nach. Gut.
"Sag mir bitte, dass es zwischen dir und Stefan besser läuft." Elena setzte zu einer Antwort an, als plötzlich eine der hinteren Autotüren aufging und Bonnie einstieg, während sie sich gehetzt umsah.
"Alles okay?", fragte Elena verwirrt und auch ich sah die Dunkelhaarige besorgt an.
"Fahr bitte einfach los, ja?", sagte sie jedoch nur, worauf Elena und ich einen fragenden Blick tauschten, ehe meine beste Freundin der Bitte nachkam und losfuhr.
"Erzählst du uns jetzt, was los ist?", fragte ich schließlich, als wir auf der Hauptstraße Richtung Maple Street fuhren.
"Ach, es war Damon. Er... er hat mir aufgelauert", murmelte Bonnie und ich blickte erschrocken über die Schulter zu ihr.
"Aufgelauert? Wieso? Was wollte er?", fragte ich und auch Elena blickte in den Rückspiegel, um Bonnie fragend anzusehen.
"Er will meine Halskette. Keine Ahnung, wieso. Grandma meinte das Ding wäre ein Hexentalisman und hätte meinen Vorfahren gehört", erklärte sie. Ich blickte bei ihren Worten kurz auf den bernsteinfarbenen Kristall, der in einer Metallfassung um ihren Hals hing.
Dahinter war Damon her? Vielleicht brauchte er ihn für diese verdammte Gruft.
"Gehörte die Kette nicht Caroline?", fragte ich nach. Sie hatte sich vorhin ja noch darüber beschwert.
"Ja, bis sie sie mir geschenkt hat. Und seitdem werde ich von Damon, Caroline und einem Geist verfolgt!", erwiderte Bonnie verärgert und ich runzelte die Stirn.
"Geist?"
"Ja, von Emily. Sie war eine von Bonnies Vorfahren", sagte Elena und blickte kurz zu mir, "Das wüsstest du, wenn du deine Zeit mehr mit deinen Freunden anstatt mit einem Kerl verbringen würdest, der dich sowieso nur unglücklich macht." Ich verdrehte bei ihren Worten nur die Augen. Sie glaubte mir immer noch nicht, dass Damon auch eine gute Seite hatte.
Okay, wie sollte sie auch, er zeigte diese Seite ja auch nur mir gegenüber.
Ob er wohl zu Katherine auch so war?
"'Er ist ein übler Typ, Alie! Er hat mir richtig Angst gemacht!'", warf Bonnie ein und ich unterdrückte ein Seufzen. Ich hatte keine Lust das jetzt auszudiskutieren.
"'Ihr solltet euch so weit wie möglich von Damon fernhalten. Alle beide!'", sagte Elena ernst.
"Klar, weil das ja auch so einfach ist", sagte ich sarkastisch.
Vor allem, wenn er plötzlich in meinem Zimmer stand.
"Ich sag euch was. Ihr übernachtet heute bei mir. Da haben wir unsere Ruhe und ihr seid nicht allein", sagte Elena und blickte kurz fragend zwischen mir und Bonnie im Rückspiegel hin und her, ehe sie wieder auf die Straße sah. Konnte sie etwa Gedanken lesen?
"Schön, von mir aus", sagte ich schulterzuckend. Vielleicht brachte mich das mal auf andere Gedanken. Und es würde auf jeden Fall verhindern, dass Damon mich wieder aufsuchen würde. Zumindest für diese Nacht.
"Halt bitte mal an", sagte Bonnie da plötzlich.
"Was?", fragte Elena irritiert.
"Halt bitte an!", wiederholte Bonnie und zögerlich hielt Elena mitten auf der Straße.
Kaum war der Wagen zum Stehen gekommen, stieg Bonnie hastig aus, ehe sie sich die Kette vom Hals riss und sie im hohen Bogen in das Weizenfeld am Straßenrand warf.
"Was tut sie denn da?", fragte ich Elena, als Bonnie sich wieder zu uns drehte und zurück ins Auto stieg.
"Alles okay?", fragte ich vorsichtig und begegnete Bonnies erleichterten Blick.
"'Jetzt schon! Ich habe nur Probleme, seit ich das Ding trage!'", sagte sie kopfschüttelnd, "'Warum hab ich das nicht schon früher getan?'"
"'Was wird deine Grandma dazu sagen?'", fragte Elena zögerlich. Sie würde auf jeden Fall nicht begeistert sein.
"'Grandma wird schließlich nicht von einem 150 Jahre alten Geist verfolgt, oder?'", entgegnete Bonnie, was Elena mit einem aufgebenden "'Okay'" weiterfahren ließ.
Ich blickte noch kurz auf das Feld, in dem die Halskette verschwunden war, bevor es außer Sichtweite war. Wenn Damon das Ding tatsächlich für die Gruft brauchte, würde er es fürs Erste nicht wiederfinden. Ich spürte wie bei dem Gedanken etwas Freude in mir aufstieg, was sich jedoch sogleich mit einem schlechten Gewissen mischte.
Ich sollte nicht so egoistisch sein. Wenn er mich fragte, musste ich ihm sagen, wo das Medaillon war. Immerhin war er auch ehrlich zu mir gewesen. Das war nur fair.
***
"Also das Teil wird langsam echt gruselig", sagte ich leise und starrte auf das bernsteinfarbene Medaillon, das auf Elenas Küchentisch lag. Es lag hier, obwohl ich vor ein paar Stunden noch zugesehen hatte, wie Bonnie es weggeworfen hatte.
Wie konnte das sein? Sie hatte es in das Feld geworfen und dann waren wir zu Elena gefahren. Und trotzdem hatte Caroline, die kurz danach zu uns gestoßen war, eben diese Kette wieder in Bonnies Tasche gefunden. Deswegen war auch ein Streit zwischen den beiden ausgebrochen, den sie jetzt unter sich im Wohnzimmer klärten, während ich mit Elena in der Küche wartete.
"Vielleicht hat Bonnie recht und Emilys Geist verfolgt sie tatsächlich", sagte meine beste Freundin, die neben mir stand, nachdenklich. Ich blickte sie nur erschrocken an.
Erst Vampire und Hexen und jetzt auch noch Geister?
Was kam als nächstes? Zombies? Oder Werwölfe? Konnte nicht mindestens ein übernatürliches Lebewesen aus Fantasy-Büchern tatsächlich nur Fantasie sein?
"Weißt du, was Damon mit dieser Kette vorhat?", fragte mich Elena da und ich spürte wie sich mein schlechtes Gewissen meldete.
"Nein, wieso sollte ich?", fragte ich und versuchte ihrem bohrenden Blick standzuhalten, doch Elena schien mir nicht so recht zu glauben.
"Ich habe vorhin Stefan angerufen und ihm von der Kette und Damons Interesse daran erzählt. Er hat bestätigt, dass Emily zu der Zeit hier gelebt hat, als die beiden noch Menschen waren und dass das Emilys Medaillon war... bis sie es Katherine gegeben hat", erklärte die Dunkelhaarige und ich schluckte hörbar. Also hatte ich richtig gelegen. Damon brauchte das Medaillon für die Gruft.
"Also, weißt du was Damon damit vorhat?", wiederholte Elena ihre Frage und ich blickte zu Boden.
"Ich... ich habe vielleicht eine Ahnung", gab ich zögerlich zu und sofort hörte ich wie Elena erschrocken Luft holte.
"Und wieso sagst du mir dann nichts?!", fragte sie empört und ich seufzte.
"Weil ich nicht darüber reden will! Und glaub mir, du willst das sowieso nicht wissen!", sagte ich kopfschüttelnd. Elena öffnete den Mund, um zu antworten, als sie von Caroline unterbrochen wurde.
"'Elena! Alie! Kommt rein, wir sind fertig!'", rief die Blonde vom Wohnzimmer aus und ich nutzte meine Chance zur Flucht, als ich die Küche verließ und durch den Flur ins Wohnzimmer ging. Ich merkte wie Elena mir folgte und spürte auch ihre bohrenden Blicke im Rücken, welchen ich aber ignorierte.
Ich entdeckte Caroline und Bonnie auf der Couch und ließ mich neben ihnen fallen, während Elena sich auf eine der Lehnen setzte und mich dabei weiterhin prüfend musterte.
"'Also hier liegt einfach viel zu viel Drama-Stimmung in der Luft!'", meinte Caroline kopfschüttelnd, "'Was wollt ihr jetzt machen?'"
Ich zuckte nur mit den Schultern. Was konnte man gegen Geister schon tun?
"'Ah! Ich hab eine Idee!'", sagte Caroline da und blickte begeistert zwischen uns hin und her, "'Wollen wir eine Séance abhalten?'" Erschrocken blickte ich sie an. Wir sollten den Geist absichtlich rufen? Das würde doch auf jeden Fall schief gehen!
Auch Elena gab einen verneinenden Laut von sich, während Bonnie wohl am wenigsten überzeugt wirkte.
"'Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist", sagte sie kopfschüttelnd und ich wollte ihr zustimmen, jedoch kam Caroline mir zuvor.
"'Ach kommt schon! Rufen wir ein paar Geister! Ich finde, wir haben von dieser Emily eine Erklärung verdient!'", sagte sie, ehe sie aufstand und uns auffordernd ansah.
Tja, wenn man von alldem Übernatürlichen nichts wusste, konnte man auch keine Angst haben. Um dieses Unwissen beneidete ich Caroline gerade.
"Wir könnten es versuchen", sagte Elena nachdenklich und blickte Bonnie und mich fragend an, "Sie ist nur ein Geist also was soll sie schon tun?" Ich hob zweifelnd die Augenbrauen.
"Du hast auch noch nie Paranormal Activity gesehen, oder?", fragte ich.
"Ach Quatsch! Das ist nur ein Film, jetzt lasst uns hochgehen!", sagte Caroline abwinkend und ging in den Flur Richtung Treppe. Elena, Bonnie und ich folgten ihr zögerlich, während wir nochmals unsichere Blicke tauschten.
Wir hatten in letzter Zeit nur allzu oft feststellen müssen, dass Dinge, die sonst nur in Büchern oder Filmen existent gewesen waren, durchaus real sein konnten. Und genau das machte mir Angst. Genauso wie Bonnie. Nur Elena und Caroline schienen das für bloße Fantasie zu halten.
Wir versammelten uns schließlich oben in Elenas Zimmer, wo wir ein paar Kerzen in der Mitte des Raumes auf dem Boden aufstellten und das Zimmer verdunkelten.
Danach setzten wir uns im Kreis um die brennenden Kerzen herum und fassten uns in dem schwachen flackernden Licht an den Händen.
Schweigend saßen wir nun da ohne, dass etwas geschah und ich kam mir auch langsam etwas albern vor. Vielleicht war eine Séance doch nur irgendein Mythos, an dem nichts Wahres dran war.
"'Und was passiert jetzt?'", fragte Bonnie leise.
"'Keine Ahnung'", kam es trocken von Elena, die wohl noch immer bezweifelte, dass hier etwas passieren würde.
"'Scht! Seid still und konzentriert euch!'", wies Caroline uns an, "'Okay, jetzt macht die Augen zu'", zögerlich folgte ich ihrer Aufforderung und schloss die Augen, "'Gut, jetzt atmetet tief ein. Bonnie, ruf sie.'" Kurz herrschte absolute Stille, ehe Bonnie zu sprechen begann.
"'Emily? Bist du hier?'", fragte sie da und ich öffnete irritiert die Augen wieder. War das ihr Ernst?
"Nicht sehr überzeugend", sprach ich meine Gedanken aus, worauf ich einen bösen Blick von ihr kassierte.
"'Ist das echt alles was dir einfällt?'", fragte auch Caroline, "'Komm schon!'"
"'Schon gut. Ja...'", sagte Bonnie seufzend und ich hörte wie angespannt sie war. Mir ging es auch nicht viel besser. Ich verfluchte mich in diesem Augenblick für meine Vorliebe für Horrorfilme. Dadurch war meine Fantasie viel zu ausgeprägt.
"'Emily?'", begann Bonnie da erneut und ich schloss die Augen, "'Ich rufe dich! Ich weiß, dass du eine Botschaft hast. Ich bin bereit dich anzuhören."
Ich spürte wie sich bei ihren Worten eine Gänsehaut über meinen Rücken zog, doch sonst blieb es vollkommen ruhig im Zimmer. Ich öffnete die Augen wieder etwas. Das hier war wohl wirklich sinnlos.
Kaum hatte ich diesen Gedanken vollendet, schossen plötzlich die Flammen der Kerzen vor uns in die Höhe, fast so als würden sie durch eine Gaszufuhr vergrößert werden.
Ich fuhr zeitgleich mit den anderen erschrocken zusammen, so sehr, dass ich meine Hände zurückzog und sie schützend um meinen Körper schlang.
"'Sind sie gerade...?'", fragte Elena zögerlich.
"'Ja, da ist etwas passiert!'", sagte Caroline und ich sah mich ängstlich um.
"Können wir bitte das Licht anschalten?", fragte ich leise. Ich fühlte mich in dieser Dunkelheit absolut nicht mehr wohl.
"Noch nicht", erwiderte Caroline, als die Kerzenflammen wieder auf normale Größe schrumpften und ein eisiger Wind durch das Zimmer wehte, was mich meine Arme noch enger um meinen Körper schlingen ließ. Auch Caroline erzitterte leicht.
"Nur der Wind", sagte Elena beruhigend und blickte besorgt zu mir. Ich fand das Ganze gar nicht mehr lustig.
"'Fragt sie nach einem Zeichen!'", sagte Caroline, doch ich schüttelte nur den Kopf, "'Fragt sie!'"
Ich würde hier sicher nichts mehr machen, was den Geist oder was auch immer wir hier gerufen hatten, noch mehr anspornen würde.
"'Emily!'", rief Caroline nun selbst, "'Wenn du hier bist, schick uns noch ein Zeichen!'"
Angespannt starrten wir nun auf die Flammen, jedoch regte sich dort gar nichts mehr.
"'Siehst du? Es funktioniert nicht!'", sagte Bonnie, doch das Zittern in ihrer Stimme, ließ sie nicht besonders überzeugend wirken.
Da schlug plötzlich mit einem lauten Knall, das Doppelfenster hinter mir auf und ich schrie zeitgleich mit den anderen erschrocken auf.
"'Nein! Ich kann das nicht!'", rief Bonnie und sprang auf, "'Mir reicht‘s!'" Sie riss sich die Kette vom Hals und warf sie zu den Kerzen, welche kurz darauf ausgingen.
"Macht jetzt endlich das Licht an!", rief ich aus und stand ebenfalls auf, "Sofort!"
Elena folgte meiner Bitte und lief zum Lichtschalter.
"'Wartet, ich mach's an!'"
Ich atmete auf, als der Raum erhellt wurde und die Dunkelheit verschwand.
"'Leute? Die Halskette ist weg...'", murmelte Bonnie und ich blickte zu den Kerzen. Die Kette war verschwunden!
"Das kann doch wohl nicht wahr sein", murmelte ich und fuhr mir durchs Haar. Ich fühlte mich langsam wirklich wie in einem Horrorfilm. Ich wollte, dass das aufhörte!
"'Okay, der Spaß ist vorbei, Caroline!'", sagte Elena und drehte sich zu der Blonden, "'Wir haben kapiert, was du sagen willst. Jetzt gib sie wieder zurück!'" Ich schüttelte nur den Kopf, während Bonnie sich suchend im Raum umsah.
Wir waren alle vier von den Kerzen weggesprungen als die Fenster aufgegangen waren. Keiner von uns hätte die Kette von dort wegnehmen können.
"'Was?! Ich war es nicht!'", sagte Angesprochene und Elena seufzte.
"Ich glaube auch nicht, dass sie es war", unterstützte ich, als ich plötzlich ein Geräusch im Flur hörte und herumfuhr. Hatte sich dort gerade etwas bewegt?
"Habt ihr das auch gesehen?", fragte ich und blickte zu den anderen, die ebenfalls erstarrt durch die offene Tür in die Dunkelheit sahen. Das hieß wohl 'Ja'.
"'Ich weiß nicht'", sagte Elena nur, ehe sie in den Flur ging und das Licht anschaltete, "'Jeremy? Bist du zu Hause?'", rief sie, doch es kam keine Antwort.
"'Ähm... Leute?'", murmelte Bonnie leise und ich drehte mich zu ihr. Sie starrte durch die offene Tür ins Badezimmer. Ich trat langsam neben sie und folgte ihrem Blick. Dort lag die Halskette! Sie lag auf den Fliesen und glänzte gespenstisch im Mondlicht, das durch das Fenster hereinfiel.
Zögerlich lief Bonnie darauf zu, während ich hörte wie Elena und Caroline hinter mich traten.
Bonnie hob die Kette auf, als in diesem Moment plötzlich die Tür zwischen uns zufiel.
"Bonnie!", rief ich aus und griff die Türklinke, um sie zu öffnen, doch die Tür rührte sich nicht.
"'Was ist los?!'", rief Caroline aus, als sie mit Elena neben mich trat und wir zu dritt versuchten die Tür wieder aufzukriegen.
Da begann Bonnie durch die Tür zu schreien und schreckliche Angst kroch in mir hoch. Was passierte da mit ihr?!
"BONNIE!", rief ich erneut und hämmerte mit aller Kraft gegen die Tür, doch es half nichts.
"'BONNIE, MACH DIE TÜR AUF!'", rief Elena, ehe sie in den Flur rannte und wohl dort versuchte, die andere Tür zum Badezimmer zu öffnen.
Bonnie schrie daraufhin nur noch lauter und ich bekam vollends Panik.
"BONNIE, BITTE!", schrie ich und stemmte mich weiter gegen die Tür. Caroline zog noch immer an der Klinke und Elena hatte an der anderen Tür wohl auch keinen Erfolg gehabt, als sie wieder zu uns stieß.
Da begann das Licht um uns herum zu flackern und Bonnie stieß noch einen langen spitzen Schrei aus, als es plötzlich absolut still wurde.
Ich hielt genau wie Elena und Caroline in meinem Tun inne, als sich auch das Licht wieder beruhigte und mit einem Klicken die Tür zum Badezimmer aufschwang.
Bonnie stand noch genau dort, wo ich sie zuletzt gesehen hatte, die Hände schützend auf ihrem Gesicht, während sie schwer atmete.
"Bonnie?", fragte ich leise und trat zögerlich einen Schritt auf sie zu.
"'Was war da eben los, alles in Ordnung?!'", fragte Elena aufgebracht, als sich Bonnies Atem plötzlich beruhigte und sie die Hände von ihrem Gesicht nahm.
Gelassen blickte die Schwarzhaarige nun zu uns auf.
"'Nichts passiert'", sagte sie kühl und ich blickte sie ungläubig an.
"Du hast geschrien wie am Spieß. Es kann nicht „nichts“ passiert sein!", sagte ich kopfschüttelnd.
"'Einfach unglaublich! Das war bloß Theater?!'", kam es da wütend von Caroline, "'Du hast mir richtig Angst gemacht!'" Damit wandte sie sich ab, während ich einen zweifelnden Blick mit Elena tauschte. Irgendetwas stimmte hier nicht.
Eben hatte sie noch geschrien, als würde sie um ihr Leben kämpfen und jetzt tat sie, als wäre nichts geschehen?
So würde Bonnie sich definitiv nie verhalten, da war ich mir sicher!
"'Bonnie?'", fragte Elena zögerlich nach, als die Schwarzhaarige uns noch immer kühl musterte,
"'Es geht mir gut. Es ist alles Bestens'", sagte sie jedoch nur, ehe sie an uns vorbei ging.
"'Ich kann nicht glauben, dass ich darauf reingefallen bin!'", sagte Caroline noch immer sauer, als Bonnie an ihr vorbei Richtung Flur ging. Wir folgten ihr auf dem Fuß.
"'Was hast du denn?'", fragte Elena besorgt, als sie an der Treppe ankam.
"'Ich muss gehen!'", sagte die Schwarzhaarige nur und lief die Treppen hinunter.
"'Wenn sie geht, dann geh ich auch!'", sagte Caroline, was ich jedoch ignorierte.
"Wo willst du denn hin?", fragte ich.
"'Dorthin, wo alles begann'", antwortete Bonnie, ehe sie vor der Haustür stehenblieb und zu uns aufsah, "'Danke, dass ihr mich hergebeten habt. Ich übernehme das jetzt'"
"Hergebeten?", echote ich verwirrt, ehe bei mir der Groschen fiel und ich erschrocken Luft holte, "Nein..."
"Was?", fragte Elena und sah mich ungeduldig an.
"Das ist nicht Bonnie!", sagte ich und lief die Treppen hinunter als "Bonnie" die Haustür öffnete.
"Emily! Stopp!", rief ich aus und sie fuhr zu mir herum.
"'Er darf ihn nicht bekommen! Er muss zerstört werden!'", sagte sie, ehe sie nach draußen trat und die Tür mit einem lauten Knall zufiel.
"Oh mein Gott!", hörte ich Elena sagen, die neben mich getreten war, als ich versuchte die Haustür wieder zu öffnen, doch wie beim Bad eben, ließ sie sich nicht bewegen.
"'Was ist mit der Tür?!'", fragte Caroline, die nun auch die Treppe hinunterkam.
"Das Scheißding bewegt sich nicht mehr!", fluchte ich und zog nochmals mit aller Kraft, als die Tür plötzlich nachgab und ich mehrere Schritte nach hinten stolperte, um nicht zu fallen.
"'Was soll denn das?!'", rief Jeremy da in den Raum, welcher gerade die Tür von draußen geöffnet hatte, ehe er mit einem bösen Blick auf Elena an uns vorbei in die Küche ging.
"'Ich- Ich verschwinde!'", stotterte Caroline, die mit den Nerven offensichtlich am Ende war, ehe sie nach draußen lief zu ihrem Auto.
"Was machen wir jetzt?!", fragte Elena und blickte mich verzweifelt an. Ich fuhr mir durchs Haar und überlegte.
"Wir müssen Bonnie finden!", sagte ich. Doch wo könnte sie hingegangen sein?
"Aber wir haben doch keine Ahnung, wohin sie gegangen ist!", sprach Elena meine Gedanken aus, als es mir kam wie ein Geistesblitz.
Der Ort, wo alles begann... Das hatte sie gesagt. Sie hatte von der Gruft gesprochen! Und die Gruft lag unter der Kirche!
"Fells Kirche! Dort wird sie hingehen!", sagte ich, "Schnapp dir deine Autoschlüssel! Los!"
"Woher weißt du das?", fragte Elena unsicher, griff aber dennoch nach ihrem Schlüssel, der auf einer Kommode neben der Tür lag.
"Erzähl ich dir unterwegs!", sagte ich und zog sie mit nach draußen, "Und du musst Stefan anrufen. Wir brauchen jede Hilfe, die wir kriegen können!"
Jetzt hatte ich keine Wahl mehr. Ich musste Elena von Katherine und der Gruft erzählen.
Doch das war jetzt auch nicht mehr wichtig.
Wichtig war nur, dass Bonnie nichts passieren würde.
***
"Und Katherine ist in dieser Gruft eingeschlossen?!'", fragte Elena, als sie das Auto vor dem Friedhof anhielt und wir ausstiegen.
"Ja, und Damon will sie befreien. Dafür braucht er den Kristall!", sagte ich, als wir zusammen zwischen den Gräbern durch die Dunkelheit Richtung Kirche liefen.
Elena hatte Stefan bereits angerufen und ich hoffte, dass er bereits vor uns hier war, um Emily aufzuhalten.
"Aber Emily sagte doch: 'Er darf ihn nicht bekommen, er muss zerstört werden'", meinte Elena verwirrt und ich schluckte. Ich wusste genau, was das bedeutete.
Emily wollte verhindern, dass Damon die Gruft öffnen würde. Sie wollte den Kristall zerstören, wodurch Damon Katherine nie wiedersehen würde.
Ich spürte wie erneut das Gefühlschaos von Hoffnung und schlechtem Gewissen in mir hochstieg und mich meiner Kontrolle Stück für Stück beraubte.
Innerlich hoffte ich so sehr, dass Emily die Kette zerstörte, doch dann konnte ich mich wieder für meinen Egoismus ohrfeigen.
Damon hatte es verdient nach all dieser Zeit glücklich zu werden. Das sollte ihm nicht genommen werden. Er hatte 145 Jahre lang gewartet, war gegen seinen Willen ein Vampir geworden nur um irgendwann wieder mit der Frau, die er liebte, vereint zu werden. Ich hatte keinerlei Recht ihm das zu verwehren.
"Da vorne!", sagte Elena da und deutete auf drei dunkle Gestalten, die etwas entfernt von uns vor der Ruine standen. Ich griff Elena am Arm und wir wurden etwas langsamer.
Vorsichtig nährten wir uns nun der Szene und als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten konnte ich im Mondlicht endlich erkennen, wer die drei Personen waren.
Bonnie oder eher Emily stand direkt vor der Kirche und zeichnete mit einem Ast irgendwelche Muster um sich herum in die Erde, während etwas entfernt von ihr Stefan und Damon standen und über irgendetwas diskutierten.
Ich wechselte einen kurzen Blick mit Elena, ehe wir noch näherkamen, als ich Damons Stimme hörte.
"'Wieso nicht?! Sie haben 27 Leute umgebracht! Und sie haben es Kriegsschlacht genannt! Sie haben alles verdient!'", rief er aus und die entsetzliche Wut in seiner Stimme machte mir etwas Angst.
"'27 Vampire, Damon! Das waren Vampire! Die kannst du nicht einfach zurückholen!'", rief Stefan aus und mir wurde übel. Es war also nicht nur Katherine dort unten gefangen. Es waren alle Vampire von damals dort unten. Und deswegen wollte Emily auch den Kristall zerstören!
"'Diese Stadt hat es verdient!'", sagte Damon kalt und wir waren inzwischen so nah, dass ich sein Gesicht sehen konnte. Purer Hass stand in seinem Gesicht geschrieben und ich schluckte.
"'Du machst unschuldige Menschen für etwas verantwortlich, was vor 145 Jahren geschehen ist!'", erwiderte Stefan kopfschüttelnd und griff Damon an den Armen, worauf dieser ihn aber von sich stieß.
"'Da ist nichts Unschuldiges an den Bewohnern hier! Und glaub ja nicht, dass das nicht wieder passieren wird!'", rief der Schwarzhaarige wütend, "'Dafür wissen sie schon zu viel und sie werden deine kleine Hexennachfahrin direkt neben uns verbrennen, glaub mir!'", wandte er sich an Emily, welche in ihrem Tun innehielt und aufsah.
Ich spürte wie Tränen in mir hochstiegen, doch ich hielt sie zurück. So dachte er nicht wirklich. So konnte er nicht denken. Der Hass sprach gerade aus ihm. So musste es sein.
"'Die Dinge sind jetzt anders'", sagte Emily unbeeindruckt.
"'Tu das nicht!'", sagte Damon und ich hörte wie seine Stimme etwas zitterte, was mir innerlich einen Stich versetzte.
"'Ich kann sie nicht freilassen! Das werde ich nicht!'", sagte Emily, ehe sie ihre Arme hob, "'Incendia!'" Daraufhin begann der Kreis in der Erde um Emily herum zu brennen und helle Flammen umgaben sie nun wie ein Schutzschild.
"Bonnie!", rief Elena besorgt und lief aus der schützenden Dunkelheit zu ihr. Ich folgte ihr, wenn auch etwas langsamer.
Ich bezweifelte nämlich, dass wir irgendwie durch diese Flammen zu ihr gelangen konnten.
Stefan hielt Elena noch fest, bevor sie zu nah ans Feuer kam und ich trat neben die beiden, als Emily sich das Medaillon vom Hals riss und es hochhielt.
"'NEIN!'", rief Damon aus, als sie die Kette mit Magie schließlich in die Lüfte erhob und sie dort in gleißenden Funken zersprang. Ich blickte besorgt zu Damon dessen Gefühle nun nicht mehr sichtbar, sondern einer eisernen Maske gewichen waren.
Da erlosch das Feuer, das Emily geschützt hatte und etwas verwirrt blickte die Schwarzhaarige nun auf, was mich erleichtert aufatmen ließ. Das war wieder Bonnie. Emily war mit dem Zauber verschwunden.
Kurz war es ruhig, was jedoch unterbrochen wurde, als Damon mit einem wütenden Schrei auf Bonnie zu schnellte, sie packte und den Hals biss.
"Nein!", rief ich entsetzt und wollte dazwischen gehen, doch Stefan war schneller. Innerhalb einer Sekunde hatte er Damon gepackt und von Bonnie weggestoßen, welche daraufhin bewusstlos zusammenbrach.
Ich sah wie Damon Anstalten machte erneut auf sie loszugehen, doch ich stellte mich ihm in den Weg.
"Damon, nicht!", rief ich aus und hob die Hände abwehrend, als er langsam auf mich zukam. Ich erzitterte vor Angst, als ich seine gefühlskalten roten Augen sah und mich unweigerlich an dem Moment im Keller erinnern musste, als er mich angefallen hatte.
"Damon, das ist nicht mehr Emily! Das ist Bonnie!", redete ich weiter und meine Stimme wurde brüchig, "Bitte, lass sie in Ruhe." Damon stoppte in seiner Bewegung und kurz blickte er mich unschlüssig an, ehe das Blut aus seinen Augen wich und nur noch ein glasiges Blau zurückblieb.
Zitternd ließ ich meine Hände sinken, während nun doch eine Träne meine Bemühungen überwand und über meine Wange lief.
"'Sie lebt noch, aber ist schwach! Ich kann sie retten!'", sagte Stefan da und ich drehte mich zu ihm. Er und Elena saßen beide bei Bonnie, während Stefan sich nun in sein Handgelenk biss und es anschließend Bonnie auf den Mund drückte, damit sie sein Blut trank.
Bonnie würgte einige Male, ehe sie es doch hinunterschluckte und erleichtert sah ich zu, wie sich die klaffende Bisswunde langsam schloss.
"'Ihr Hals... Er heilt'", hauchte Elena und blickte nickend zu mir. Ich schloss kurz die Augen und atmete tief ein und aus, um mich zu beruhigen.
Bonnie ging es gut... Aber Damon nicht.
Sofort drehte ich mich wieder zu dem Schwarzhaarige, welcher sich gerade abgewandt hatte und langsam in den Wald lief.
"Ich... ich komme gleich wieder", sagte ich noch über die Schulter und ich musste Elena nicht mal direkt ansehen, um ihren ungläubigen Blick zu bemerken, doch das war mir egal.
Schnellen Schrittes lief ich Damon hinterher bis die anderen außer Sicht- und Hörweite waren.
Der Schwarzhaarige blieb schließlich stehen, drehte sich aber nicht um. Dennoch war mir klar, dass er genau wusste, dass ich hinter ihm stand.
Ich wartete darauf, dass er etwas sagte, doch nichts geschah. Wir standen einfach nur zusammen schweigend in der Dunkelheit.
"Damon...", begann ich da leise, als er mir plötzlich ins Wort fiel.
"Wusstest du, dass Manipulationen von Vampiren verschwinden, wenn du selbst zu einem wirst?", fragte er und ich nickte etwas, ohne daran zu denken, dass er mich gar nicht sehen konnte. Ich hatte es bei Vicky gesehen. Sie hatte alles wieder gewusst, was sie hatte vergessen sollen.
"Stefan wollte mir heute klar machen, dass meine Gefühle für Katherine nicht echt gewesen waren. Sie hatte ihn manipuliert sie zu lieben und Stefan war der festen Überzeugung gewesen, dass sie es auch mit mir gemacht hatte." Ich trat etwas dichter an ihn heran, als sich Damon zu mir herumdrehte. Jedoch sah er mich nicht an, sondern blickte nur zu Boden.
"'Katherine hat mich aber nie gezwungen. Ich habe alles vorher gewusst... Ich wusste, was mir bevorsteht. Für mich war es echt", sagte er leise und ich sah ihn mitleidig an.
"Es tut mir so leid", sagte ich, was Damon nun doch zu mir aufblicken ließ.
"Nein. Es... Mir tut es leid", erwiderte er und trat an mich heran, "Es tut mir leid, dass du meinetwegen so viel durchmachen musstest." Er hob eine Hand und strich mit dem Daumen sanft über meine Wange.
"Damon, ich-", fing ich an, doch er unterbrach mich.
"Ich werde jetzt gehen. Mich hält hier nichts mehr." Damit ließ er seine Hand sinken und wandte sich von mir ab. Ich spürte wie Tränen über meine Wangen rannen, als ich einen Schritt nach vorne machte und meinen Mund öffnete. Ich wollte etwas sagen. Seinen Namen rufen, ihn auffordern stehenzubleiben, ihn anflehen jetzt nicht zu gehen...
Doch kein Ton entwich meinen Lippen. Ich konnte ihm nur wie erstarrt hinterher blicken bis er in der Dunkelheit verschwand, während der gleiche Schmerz wie gestern in meiner Brust brannte.
Wie in Trance wandte ich mich von der Richtung, in die er verschwunden war, ab und lief zurück zu Elenas Wagen.
"'Du läufst einfach so weg?!'", hörte ich da Elena rufen, was mich etwas aus meiner Trance riss und ich blickte auf. Ich sah Elena, die an ihrem Auto stand und zu Stefan blickte, der sich gerade von ihr abgewandt hatte und genau wie Damon eben in die Dunkelheit des Waldes lief. Elena schaffte das, was ich gerade nicht gekonnt hatte. Sie rief ihm hinterher. Jedoch hatte es genauso viel Effekt wie mein Schweigen. Es brachte gar nichts.
"'Geh nicht einfach weg, Stefan!'", rief Elena aus, doch der Blonde reagierte nicht, "'STEFAN!'" Ich hörte wie ihre Stimme brach und lief zu ihr. Sie blickte zu mir, als sie meine Schritte hörte und ich konnte die Tränen in ihren Augen sehen, was es äußerst schwierig machte, meine eigenen zurückzuhalten.
"Was ist mit Damon?", fragte sie kaum hörbar und ich konnte zur Antwort nur den Kopf schütteln. Da zog sie mich in ihre Arme und erneut liefen Tränen über meine Wangen, als ich mich hilfesuchend an meiner besten Freundin festklammerte.
"Er ist fort", hauchte ich und ich spürte wie Elena mich fester drückte, ehe sie mich etwas von sich schob.
"Wir müssen uns erstmal um Bonnie kümmern", sagte sie mit gebrochener Stimme und nickte zu ihrem Wagen. Ich blickte auf den Beifahrersitz, wo Bonnie mit schock geweiteten Augen ins Leere blickte. Ja, wir mussten uns wirklich um sie kümmern. Wir mussten ihr endlich die Wahrheit sagen.
"Lass uns nach Hause fahren", sagte ich nickend, ehe ich ins Auto stieg und mir die verbleibenden Tränen aus dem Gesicht wischte.
The Turning Point
"You look in my eyes, I'm stripped of my pride.
And my soul surrenders, and you bring my heart to it's knees.
And it's killing me when you're away, I wanna leave and I wanna stay.
And I'm so confused, So hard to choose.
Between the pleasure and the pain.
And I know it's wrong, and I know it's right.
Even if I try to win the fight, my heart would overrule my mind.
And I'm not strong enough to stay away..."
-Not Strong Enough, Apocalyptica
"Gehst du heute Abend eigentlich zu der Career Night?", fragte Elena mich als wir zusammen aus der Schule traten und Richtung Parkplatz liefen.
"Ich denke nicht. Auch wenn ich mir dann wieder einen Vortrag von meinem Vater anhören darf", antwortete ich seufzend und zog mir meine Jacke über, die ich bisher in der Hand gehalten hatte. So langsam brach der Herbst über uns herein sodass man die Kälte immer mehr wahrnahm.
"Ich weiß auch nicht, ob ich gehen soll", sagte Elena nachdenklich, "Ich meine, ich bin momentan nicht sehr motiviert Zukunftspläne zu schmieden."
"Wer ist das schon, nachdem man von dem Mann verlassen wurde, von dem man gedacht hat, dass er einen festen Platz darin einnehmen würde?", erwiderte ich und lächelte matt.
"Tja, ich durfte mir auch schon von Bonnie anhören, dass wir mit Stefan und Damon ohnehin keine Zukunft hätten haben können", sagte Elena und ich hob die Augenbrauen.
"Nett", sagte ich nur und trat im Laufen einen Pappbecher vor meinen Füßen weg.
Schon den ganzen Tag hatte ich schlechte Laune und auch Elena war nicht viel besser drauf. Selbst Bonnie, die geradeso den Angriff von Damon überlebt hatte und gestern Nacht von uns über die ganze Vampirsache aufgeklärt worden war, ging es besser als uns. Doch wen wunderte das schon?
Elena und ich wurden von den Männern, die wir liebten, verlassen und wir konnten rein gar nichts dagegen tun, außer es einfach hinzunehmen. Doch niemand hatte gesagt, dass es einfach wird.
Seit gestern Abend hatten wir weder etwas von Damon noch von Stefan gehört. Wahrscheinlich waren sie schon längst fort.
Vor allem Damon. Katherine war der einzige Grund gewesen, weshalb er hier gewesen war. Und jetzt da sie unerreichbar war, hielt ihn hier nichts mehr. Das hatte er selbst gesagt.
"Weißt du, sie hätten sich wenigstens verabschieden können", sagte ich leise und Elena seufzte.
"'Stefan tut das wohl mit Absicht nicht. Er denkt er würde mich beschützen. Ein sauberer Schnitt, oder sowas...'", sagte sie kopfschüttelnd, als mein Blick auf die Parkbänke vor uns fiel und ich unweigerlich stehen blieb.
"Wenn man vom Teufel spricht", murmelte ich und blickte zwischen den beiden Brüdern hin und her. Stefan saß auf einer der Bänke und lächelte minimal als er uns erblickte, während Damon neben ihm an einem Baum lehnte und uns oder eher mich mit unergründlicher Miene musterte.
"Was macht ihr denn hier?", fragte Elena, die ebenfalls stehen geblieben war. Die gleiche Frage stellte ich mir auch.
Was wollten die Brüder hier? Ich dachte, sie wären längst fort... Oder wollten sie sich verabschieden?
"Hey", sagte Stefan und erhob sich von der Bank, um ein paar Schritte auf uns zu zukommen, "Kann ich dich sprechen?", fragte er an Elena gewandt, welche darauf fragend zu mir sah.
"Geh schon", murmelte ich und sie nickte etwas, ehe sie mit Stefan davon ging.
Ich blickte fragend zu Damon, der sich nun vom Baum gelöst hatte und zu mir trat. Ich spürte den mir mittlerweile allzu bekannten Schmerz in meiner Brust als ich in seine blauen Augen sah und behielt mit Mühe meine ausdruckslose Miene.
"Und was willst du?", fragte ich so gelassen wie möglich.
"Ich wollte mit dir reden", antwortete der Schwarzhaarige, "Kann ich dich ein Stück mitnehmen?" Er drehte sich leicht um und deutete auf seinen Wagen, der hinter den Parkbänken auf dem Schulparkplatz stand.
Ich verschränkte die Arme.
"Wenn du dich jetzt so verabschieden willst-", fing ich an, doch er unterbrach mich.
"Das ist kein Abschied", sagte er kopfschüttelnd und überrascht sah ich ihn an, "Es geht um was Wichtiges." Kurz überlegte ich, ob ich mich tatsächlich darauf einlassen sollte, doch dann gab ich nach und nickte leicht. Was hatte ich schon zu verlieren?
Damon erwiderte mein Nicken und ich folgte ihm zu seinem Wagen, wo ich auf der Beifahrerseite einstieg.
Ich atmete den mir bereits bekannten Geruch des Oldtimers ein und erinnerte mich unweigerlich an meine erste Fahrt hier drin.
Ich hatte Damon gerade erst kennengelernt und von ihm geschwärmt wie ein kleines Mädchen. Ich war so glücklich gewesen...
Ich wurde aus den Gedanken gerissen als Damon neben mir einstieg und den Wagen startete.
"Bevor wir zur Sache kommen, wollte ich mich noch bei dir entschuldigen", sagte Damon da und ich blickte ihn verwirrt an. Was meinte er?
"Entschuldigen?"
"Ja. Für das, was ich gestern gesagt habe", erwiderte er und fuhr los. Ich behielt meinen verwirrten Blick bei. Für was wollte er sich da entschuldigen? Dafür, dass er Katherine liebte und nicht mich? Dafür, dass er die Stadt verlassen und mich allein zurücklassen wollte?
"Was meinst du?", sprach ich meine Gedanken aus und kurz wandte Damon den Blick von der Straße, um mich direkt anzusehen.
"Ich weiß, dass du das, was ich gestern zu Stefan gesagt habe, mitgehört hast", sagte er leise, "Ich habe im Eifer des Gefechts ein paar unschöne Dinge gesagt und... das war nicht fair von mir. Es tut mir leid." Ich schluckte etwas. Er dachte gar nicht daran, dass er Katherine mir vorzog. Er dachte, er hätte mich mit seinen Worten gestern gekränkt.
Zugegeben er hatte Recht damit, aber das war momentan wirklich meine geringste Sorge.
"Schon gut", sagte ich nur und vermied es ihn direkt anzusehen, "Deine Wut war ja durchaus verständlich. Immerhin sind meine Vorfahren daran schuld, dass du Katherine verloren hast."
"Trotzdem hat Stefan Recht. Du und deine Familie habt nichts damit zu tun. Es tut mir wirklich leid" Ich spürte seinen Blick auf mir und biss mir leicht auf die Unterlippe. Ich konnte ihn nicht ansehen.
"Ist okay. Wirklich", sagte ich und sah auf meine Hände, die zusammengefaltet auf meinem Schoß lagen, "Also, worüber wolltest du eigentlich mit mir sprechen? Ich dachte, du und Stefan hättet die Stadt bereits verlassen?"
"Ich kann nicht von hier fortgehen", sagte Damon und nun blickte ich ihn doch an, als Hoffnung in mir aufkam, "Noch nicht."
"Und weswegen?", fragte ich leise. Hatte es vielleicht etwas mit mir zu tun?
"Sheriff Forbes kam heute Morgen zu mir. Es wurde noch eine Leiche gefunden", erklärte Damon und ich sah ihn erschrocken an.
"Leiche?", wiederholte ich, obwohl ich eine ziemlich genaue Ahnung hatte, was er damit meinte.
" Ein weiteres Opfer von Vampiren", bestätigte Damon meinen Verdacht.
"Hast du...?", fragte ich unsicher, doch er schüttelte den Kopf.
"Nein. Weder ich noch Stefan haben etwas damit zu tun. Es muss also noch einen Vampir in der Stadt geben." Ich holte entsetzt Luft, als Angst in mir hochstieg. Es war noch ein Vampir hier. Jemand, der skrupellos mordete.
"Wisst ihr, wer es ist?", fragte ich und schluckte schwer, um die aufkommende Übelkeit zu verdrängen.
"Nein", erwiderte Damon, als er den Wagen plötzlich mitten auf der Straße anhielt und sich zu mir drehte, "Aber ich werde nicht von hier fortgehen, bis wir ihn haben. Ich werde erst gehen, wenn du in Sicherheit bist, hörst du?" Eindringlich sah er mich an, während er mir beruhigend ein paar widerspenstige Strähnen aus dem Gesicht strich. Ich musste bei seinen Worten etwas lächeln und instinktiv griff ich nach seiner Hand, die er gerade von meinem Gesicht zurückziehen wollte.
"Danke", murmelte ich und er erwiderte mein Lächeln etwas, als mir Lexis Worte in den Sinn kamen: "Gib deine Hoffnung noch nicht auf. Selbst wenn er Schluss gemacht hat, er hat Gefühle für dich." Vielleicht hatte sie Recht.
Ich wurde unsanft aus diesem Moment gerissen, als ein lautes Hupen hinter uns ertönte und wir von einem Auto überholt wurden. Ich zuckte zusammen, wobei ich unabsichtlich meine Hand aus Damons zog, welcher daraufhin wieder auf Abstand ging. Kurz verfluchte ich innerlich sowohl mich als auch diesen verdammten Autofahrer für die Zerstörung dieses Moments.
Unangenehmes Schweigen kam nun auf, was ich schließlich brach als ich mich räusperte.
"Also, was machen wir jetzt?", fragte ich und er blickte mich verwirrt an, "Wie sollen wir diesen Vampir finden?" Damon schwieg daraufhin kurz, fast so, als müsste er seine Gedanken neu ordnen, ehe er in seine Hosentasche griff und eine goldene Taschenuhr herauszog.
"Nun, ich habe einen Plan. Allerdings brauche ich dafür deine Hilfe." Er sah mich bittend an, während ich nur überrascht die Augenbrauen hob.
"Meine Hilfe?", echote ich. Wie sollte ich als einfacher Mensch denn bei einer Vampirjagd behilflich sein?
"Das hier", Damon hob die Taschenuhr und drückte sie mir in die Hand, "ist ein Kompass. Ein Kompass, der auf Vampire zeigt." Skeptisch betrachtete ich die Uhr in meiner Hand und klappte sie zögerlich auf. Ich blickte auf den großen Zeiger in der Mitte, der sich suchend drehte, ehe er anhielt und direkt auf Damon zeigte.
Diese Uhr kannte ich doch irgendwoher. Nur hatte sie damals, als ich sie als Kind gesehen hatte noch normale Zeiger, wie die einer richtigen Uhr.
"Gehörte die nicht Elena und Jeremy?", fragte ich unsicher und Damon nickte leicht.
"Der Kompass wurde von Jonathan Gilbert erfunden. Elenas Vorfahren. Damit haben sie es überhaupt geschafft alle Vampire 1864 aufzuspüren und einzusperren. Er wurde in der Familie immer weitervererbt", erklärte der Schwarzhaarige.
"Aber wie bist du dann an ihn gekommen?", fragte ich verwirrt.
"Ich hab ihn Logan Fell abgenommen, als ich er im Begriff gewesen war, Stefan zu töten", erwiderte Damon und ich blickte ihn erschrocken an, "Verstehst du jetzt, warum ich den Verdacht so dringend auf jemand anderen lenken musste?" Ich nickte langsam.
Deshalb war Logan Fell auch nicht mehr im Fernsehen zu sehen gewesen. Damon hatte ihn umgebracht, um Stefan zu retten. Er hatte den vampirweisenden Kompass an sich genommen und Logan und Lexi getötet, damit die beiden Brüder in Sicherheit waren.
"Und wozu brauchst du jetzt mich?" Fragend blickte ich den Schwarzhaarigen an.
"Ich kann den Kompass nicht richtig benutzen, weil ich das Signal störe. Allerdings konnte ich herausfinden, dass er in dieser Gegend unruhiger dreht und nicht einfach nur still auf mich zeigt", erklärte Damon und deutete auf das Gerät. Ich blickte ebenfalls darauf und stellte fest, dass er Recht hatte. Der Zeiger drehte sich tatsächlich immer mal wieder suchend im Kreis, bevor er wieder bei Damon hängen blieb.
"Der Kompass hat nur eine bestimmte Reichweite. Ich will, dass du seinem Signal folgst bis du das Gebäude findest, indem der Vampir sich versteckt. Es ist helllichter Tag, er kann dir also so lange du draußen bist nichts tun", fuhr er fort und ich nickte verstehend.
Ich konnte den Kompass als Mensch ohne Störsignal benutzen und wenn Damon außer Reichweite war, konnte ich den fremden Vampir so finden.
"Okay, ich krieg das hin", sagte ich und öffnete die Autotür, als Damon mich am Arm packte.
"Wenn du das Versteck gefunden hast, rufst du mich sofort an. Du gehst da nicht rein, verstanden?", sagte er ernst und ich nickte nochmals, während ich etwas lächelte. Er machte sich Sorgen um mich.
Ich verließ endgültig den Wagen und schlug die Tür zu, während ich kurz prüfend auf den Kompass und dann auf meine Umgebung sah. Wir befanden uns hier im Industriegebiet.
Hier gab es unzählige leer stehende Lagerhäuser, fernab von jeglichen Bewohnern.
Wäre ich ein Vampir würde ich mich hier wahrscheinlich auch verstecken.
"Sei vorsichtig", sagte Damon, der das Auto inzwischen wieder gestartet hatte, mahnend durchs offene Fenster und ich lächelte erneut, ehe ich zu ihm sah.
"Du hast es doch selbst gesagt, im Sonnenlicht kann er mir nichts anhaben. Ich ruf dich an, wenn ich ihn gefunden habe", sagte ich, was Damon zögerlich nicken ließ, ehe er davonfuhr und mich allein zurückließ.
Ich blickte auf den Kompass, der sich nun wieder suchend drehte und nun in eine neue Richtung wies.
Ich atmete einmal tief durch, als doch leichte Anspannung in mir aufstieg. Auch wenn der Vampir im Sonnenlicht nicht an mich herankam, so machte es mir jetzt doch etwas Angst allein direkt zu seinem Versteck zu laufen.
Doch es ging nicht anders. Ich musste da jetzt durch.
"Dann wollen wir mal", murmelte ich und lief in die Richtung, die der Kompass mir zeigte.
***
"Bist du sicher?", fragte Damon durch das Handy an meinem Ohr.
"Ja, absolut sicher. Der Kompass zeigt eindeutig auf dieses Lagerhaus", antwortete ich und blickte nochmals prüfend auf den Zeiger, welcher nur absolut still auf das Gebäude vor mir zeigte. Wie ich mir schon vorher gedacht hatte, war es ein unbenutztes Lagerhaus.
"Okay, ich bin sofort bei dir", sagte Damon und legte auf. Ich nahm das Handy vom Ohr und steckte es in meine Tasche, während ich unsicher auf das Lagerhaus blickte.
Es wirkte irgendwie gespenstisch. Es war von den anderen Gebäuden weit abgelegen und war zudem noch von unzähligen Bäumen umgeben.
Wenn ich hier um Hilfe schreien würde, würde mich sicher niemand sehen oder hören.
Unruhig sah ich auf meine Armbanduhr. Ich hatte viel zu lange gebraucht.
Es dämmerte bereits und es war nur noch eine Frage von Minuten bis die Sonne endgültig untergehen würde.
Da spürte ich einen Luftzug hinter mir und erschrocken fuhr ich herum.
"Gott, Damon!", murmelte ich, als ich ihn erkannte und atmete tief durch.
"Entschuldige", sagte der Schwarzhaarige, ehe er zu dem Lagerhaus sah, "Hier ist es?"
"Ja", sagte ich nickend und drückte ihm den Kompass in die Hand, "Und was machen wir jetzt?"
"Ich geh da jetzt rein und du siehst zu, dass du hier wegkommst", sagte Damon und ich sah ihn erschrocken an.
"Du willst allein da rein?", fragte ich ungläubig, "Das darfst du nicht tun! Das ist viel zu gefährlich! Du weißt noch nicht einmal, ob es einer oder mehrere sind!", sagte ich aufgebracht.
"Ich werde schon mit ihm oder ihnen fertig. Mach dir keine Sorgen", erwiderte er, doch ich konnte nur verständnislos den Kopf schütteln.
"Dann lass mich mit dir da reingehen!", forderte ich, als ich sah wie er bereits zum Widerspruch ansetzte, "Oder wenigstens hier draußen auf dich warten!"
"Auf keinen Fall!", erwiderte Damon energisch und ich seufzte, "Die Sonne geht jeden Moment unter und wenn das geschieht, solltest nicht mehr in der Nähe von diesem Ort sein!"
"Ich lasse dich hier nicht allein!", sagte ich fest.
"Zoey! Geh!", sagte er und es hörte sich fast an wie ein Befehl, doch ich dachte nicht daran ihm zu gehorchen.
"Zwing mich doch!", sagte ich leise und konnte gerade noch ein triumphierendes Grinsen unterdrücken, als er die Augen verengte. Wir wussten beide genau, dass er das nicht konnte.
"Dein Glück, dass ich dich nicht manipulieren kann", murrte er nur, was mich jetzt doch leicht grinsen ließ, "Schön, du kannst hier warten. Aber wenn ich in fünf Minuten nicht wieder rauskomme, verschwindest du von hier und rufst Stefan an!"
"Okay", stimmte ich sofort zu und war froh nicht länger darüber diskutieren zu müssen. Nur verschwieg ich ihm die Tatsache, dass ich sicher auch nicht gehen würde, wenn er da drin Hilfe brauchte.
Damon musterte mich noch kurz prüfend, ehe er sich abwandte und zum vorderen Eingang des Lagerhauses ging.
Sehr vorsichtig griff er an die Türklinke und drückte sie langsam nach unten, um die schwere Stahltür zu öffnen, die dadurch furchtbar laut quietschte.
Damon sah noch kurz über die Schulter zu mir und ich nickte ihm angespannt zu, ehe er eintrat und die Tür hinter ihm zufiel.
Stille folgte und ich atmete einmal tief ein und aus, als plötzlich laute Schüsse durch die Nacht schallten. Und die Schüsse kamen direkt aus dem Lagerhaus.
"Nein!", hauchte ich und trat einige Schritte vor, als schreckliche Angst in mir hochkroch. Damon hatte keine Waffe bei sich gehabt. Das hieß irgendjemand anderes musste gerade geschossen haben.
Suchend sah ich mich um. Ich musste ihm helfen!
Doch ohne Waffe konnte ich nichts ausrichten!
Da fiel mein Blick auf eine alte verrostete Brechstange, die zwischen unzähligen anderen Metallteilen vor der Halle auf dem Boden lag. Schnell lief ich zu ihr hin und hob sie auf, ehe ich zu dem Lagerhaus aufsah.
Ich konnte unmöglich durch die gleiche Tür, wie Damon. Das war viel zu laut und außerdem würde ich dort sofort entdeckt werden.
Es musste doch noch einen Eingang geben.
Und da entdeckte ich ihn. Leicht von Gestrüpp verdeckt, befand sich auf der anderen Seite der Mauer eine weitere Tür, die nach drin führte. Und im Gegensatz zu der Tür, durch die Damon gegangen war, bestand diese hier nur aus Holz.
Sie würde also hoffentlich weniger Lärm beim Öffnen erzeugen.
Kurz zögerte ich als ich zwischen dem Brecheisen in meiner Hand und der Tür hin und her sah. Vielleicht sollte ich das doch bleiben lassen. Am Ende war Damon gar nicht in Gefahr und ich würde ihn nur in welche bringen, wenn ich dazwischenfunkte.
Doch da ertönten erneut Schüsse und ich konnte jemanden schmerzvoll aufschreien hören. Das war Damons Stimme!
In Sekundenschnelle lösten sich meine Zweifel in Luft auf und ich lief entschlossen auf die Holztür zu, um sie zu öffnen. Ganz langsam und darauf bedacht so wenig Geräusche wie möglich zu machen trat ich in die spärlich beleuchtete Halle und sah mich suchend um. Ich erblickte unzählige Regale, auf denen Kartons standen, die mit sonst was gefüllt waren, doch darauf achtete ich nicht lange. Ich musste Damon finden.
"'Ich habe Tonnen von diesen Holzpatronen, also... keine Spielchen!'", hörte ich jemanden sagen und ich zuckte zusammen. Das war von dort hinten gekommen. Konzentriert bewegte ich mich zwischen den Regalen entlang, darauf bedacht kein Geräusch zu machen.
"'Das würde ich dir nicht raten, glaub mir!'" Das war Damon! Doch ehe ich mich darüber freuen konnte, dass er noch lebte schallten erneut Schüsse gemischt mit seinen Schreien durch den Raum und meine Hand schnellte zu meinem Mund, um mich daran zu hindern irgendeinen Laut von mir zu geben.
"'Das kommt davon!'", sagte die erste Stimme und ich runzelte die Stirn als ich zitternd weiterging. Ich kannte diese Stimme irgendwoher.
"'Wofür ist das?!'", fragte Damon und seine Stimme bebte vor Anstrengung. Hoffentlich war er nicht schwer verletzt.
Ich bog um ein weiteres Regal und dann sah ich sie.
Damon lag etwas entfernt von mir auf dem Boden. Sein Hemd war durchlöchert und blutgetränkt, was meine Sorge ungemein verstärkte. Doch meine hauptsächliche Aufmerksamkeit lag auf dem Mann, der mit dem Rücken zu mir vor Damon auf und ab lief mit einer Pistole in der Hand. Das musste der Vampir sein.
"'Du hast mich dazu gemacht!'", sagte er und mir wurde klar, woher ich die Stimme kannte. Das war Logan Fell! Damon hatte doch gesagt, dass er ihn getötet hat! Wie war er zum Vampir geworden?
"'Ich hab dich getötet, nicht verwandelt!'", sagte Damon, während er stöhnend versuchte sich die Holzgeschosse aus dem Körper zu ziehen.
"'Ich weiß, was ihr beide seid, du und dein Bruder. Ich habe euch eine Weile beobachtet'", sagte Logan und ließ dabei Damon nicht aus den Augen. Das war meine Chance.
Ich umgriff die Brechstange fest mit beiden Händen und nährte mich ihm so leise wie möglich. Dabei hoffte ich inständig, dass Damons Schmerzenslaute, das Geräusch meiner Schritte überdecken würde.
"'Ich wusste, dass du früher oder später hier auftauchen würdest und ich bin froh, dass du hier bist'", fuhr Logan fort und drehte beiläufig eins der Holzgeschosse in seiner Hand hin und her, "'Ich hab nämlich ein paar Fragen!'"
Da fiel Damons Blick auf mich und ich hielt kurz in meiner Bewegung inne, als er den Blick sofort wieder abwandte und keinerlei Reaktion zeigte.
Er ließ sich nichts anmerken. Gut.
"'Ich zuerst!'", forderte er an Logan gewandt und ich nährte mich den beiden weiter, "'Wer hat dich verwandelt?'"
"'Woher soll ich das wissen?!'", antwortete Logan wütend werdend, "'Ich erinnere mich nur noch daran, dass ich dabei war deinen Bruder zu pfählen! Dann hast du mich gepackt! Das war's!" Ich stand nun direkt hinter ihm und ich hörte wie das Adrenalin in meinen Ohren rauschte, als ich ausholte und mit meiner gesamten Körperkraft zuschlug.
Logan stöhnte schmerzvoll auf und ging zu Boden, was ich nutzte, um noch einmal zu zuschlagen. Daraufhin rührte er sich nicht mehr und ich atmete auf, als ich mit zitternden Händen die Brechstange fallenließ.
Damon blickte nur perplex auf den bewusstlosen Vampir, ehe er den Kopf zu Boden sinken ließ.
"Wow", murmelte er nur, während ich neben ihm auf die Knie fiel.
"Das ist alles, was dir einfällt?!", fragte ich aufgebracht, während ich versuchte mein Zittern zu beruhigen.
"Naja, ich hätte nie gedacht, dass du es schaffst ihn bewusstlos zu schlagen", sagte Damon, ehe er erneut schmerzvoll aufstöhnte.
"Na besten Dank auch", sagte ich kopfschüttelnd und atmete nochmals tief durch, "So schwächlich bin ich nun auch nicht!"
Damon blickte zu mir auf.
"Es gehört aber einiges an Kraft dazu, einen Vampir k.o. zu schlagen. Kraft, die ein Mensch und vor allem ein zierliches Mädchen wie du nicht haben sollte", sagte er und ich musste trotz der Situation etwas lächeln.
"Tja, dann nimm dich in Zukunft wohl besser in Acht vor mir", sagte ich scherzhaft, ehe ich wieder ernst wurde, "Wir müssen hier weg, bevor er wieder aufwacht"
"Ich werde den Dreckskerl umbringen, bevor er wieder aufwacht!", sagte Damon verärgert und wollte sich aufrichten, ehe er aufstöhnte und wieder zu Boden ging, "Nur kann ich mich mit diesen verdammten Holzkugeln im Körper nicht bewegen!", fluchte er und ich blickte besorgt auf seine Verletzungen.
"Was kann ich tun?", fragte ich unsicher. Ich konnte Logan ja wohl kaum selbst töten. Mal abgesehen davon, dass ich mich psychisch dafür gar nicht in der Lage sah, war hier rein gar nichts in der Nähe, was einen hölzernen Pflock nahekam.
Ich wurde aus meinen Überlegungen gerissen, als Damon sein ohnehin ruiniertes Hemd plötzlich in der Mitte aufriss, was den Blick auf seinen Oberkörper freigab.
"Du musst mir helfen sie rauszuholen", sagte er und ich spürte wie mir das Blut in die Wangen schoss, als ich auf seinen durchtrainierten Torso blickte. Ich sollte die Kugeln entfernen?!
"M-mit bloßen Händen?", stotterte ich und hoffte, dass er mein Starren nicht bemerkt hatte.
"Ja, es geht nicht anders", sagte der Schwarzhaarige angestrengt und mit noch immer zitternden Händen griff ich langsam in das erste Einschussloch in seinem Bauch.
Sofort stöhnte er erneut schmerzerfüllt auf und ballte die Hände zu Fäusten.
"Tut mir leid, tut mir leid, tut mir leid...", murmelte ich, als ich die Kugel schließlich zu fassen bekam und rauszog, "Damon, da ist so viel Blut..." Ängstlich blickte ich auf seinen blutüberströmten Bauch.
"Ist okay", presste der Schwarzhaarige heiser hervor, "Du weißt doch, was Vampire töten kann, oder? Blutverlust gehört nicht dazu."
Ich nickte. Er hatte Recht. Ich brauchte mir wegen dem Blut keine Sorgen machen, auch wenn es gespenstisch aussah.
Etwas sicherer widmete ich mich nun dem Einschussloch in seiner Brust.
"Was, wenn die ins Herz gegangen wäre?", fragte ich, als ich kurz danach die zweite Kugel herauszog und blickte ihn direkt an. Holz im Herzen konnte Vampire doch umbringen.
"Naja...", sagte er, ehe er schief grinste, "Dann müsstet du dir wirklich Sorgen machen." Erschrocken sah ich ihn an, ehe ich ihm leicht gegen die Schulter schlug.
"Ist das dein Ernst?!", fragte ich verärgert und er sah mich entschuldigend an, "Das hätte dich umbringen können?!"
"Hat es doch nicht", erwiderte Damon und legte beruhigend seine Hand auf meine, "Keine Sorge, das wird wieder."
"Vielleicht auch nicht!", ertönte es da plötzlich hinter mir und bevor ich mich umdrehen konnte, legte sich ein Arm grob um meinen Hals und zog mich nach hinten. Ich schrie auf, verstummte aber als der Griff um meinen Hals so fest wurde, dass mir die Luft wegblieb.
"Nein!", rief Damon aus und ich sah, dass er versuchte aufzustehen, was ihm aber noch immer nicht gelang.
Ich versuchte verzweifelt mich zu befreien, als der Arm um meinen Hals sich plötzlich lockerte, bevor eine Hand sich um meine Kehle schlang und ich unsanft gegen eins der Regale gedrückt wurde.
Ich erkannte Logan vor mir und rang erstickt nach Luft, als sein Griff mir erneut die Luft abschnürte.
"Sieh an, sieh an. Nathalie Lockwood, die Tochter des Bürgermeisters und Oberhauptes des Rates der Vampirjäger, eilt einem Vampir zur Hilfe", sagte er und grinste spöttisch, ehe sein Blick dunkler wurde und sich seine Pupillen unnatürlich erweiterten, "Hör auf dich zu wehren!" Ich wusste sofort, was passierte. Er versuchte mich zu manipulieren, was nicht funktionieren würde. Doch wenn er glauben würde, dass es das tat, dann konnte ich vielleicht fliehen.
Ich ließ meine Hände, die seine an meinem Hals bisher umklammert gehalten hatten, sinken.
"Du wirst nicht fliehen! Du wirst nicht schreien!", befahl Logan noch, als er meinen Hals losließ und ich nach Luft rang, während ich bemühte, ihm ausdruckslos in die Augen zu starren.
"Ich werde nicht fliehen. Ich werde nicht schreien", wiederholte ich monoton und er schien mir tatsächlich zu glauben.
"Logan!", rief Damon aus und ich blickte zu ihm, "Ich schwöre bei Gott, wenn du ihr etwas tust, reiß ich dir das Herz raus!" Er lag noch immer am Boden und versuchte verzweifelt irgendwie auf die Füße zu kommen, doch es nützte nichts. Er war noch zu geschwächt.
Logan grinste bei seinen Worten nur und hob seine Pistole, um sie auf mich zu richten. Ich holte entsetzt Luft und schaffte es geradeso nicht zu schreien. Er würde mich erschießen...
Wieso hatte ich ihm die Pistole nicht abgenommen, als ich ihn bewusstlos geschlagen hatte? Wie hatte ich so dumm sein können?
"Ich glaube kaum, dass du gerade in der Position bist, um mir zu drohen", sagte Logan und der Spott in seiner Stimme passte zu seinem Grinsen, "Aber keine Sorge. Ich habe nicht vor sie zu töten", er ließ die Pistole wieder sinken und ich atmete auf, "Ich habe mit dem Bürgermeister noch ein Hühnchen zu rupfen und wie es der Zufall so will, gibt sie ein hervorragendes Druckmittel ab. Aber vorher", er hob die Pistole erneut und richtete sie auf Damon, "hätte ich noch eine Frage. Wie kannst du im Sonnenlicht herumlaufen?"
"'Wer hat dich verwandelt?'", stellte Damon eine Gegenfrage, während er sich unauffällig eine weitere Kugel aus dem Körper zog.
"'Wieso kannst du ins Sonnenlicht?!'", wiederholte Logan und ich blickte angespannt zwischen den beiden hin und her.
"'Wer hat dich verwandelt?!'", antwortete Damon wieder, was bei Logan wohl den Geduldsfaden reißen ließ.
"'Weißt du, ich war bisher sehr nett zu dir, aber ich werde dich töten!'", rief er wütend und trat mit erhobener Waffe ein paar Schritte auf Damon zu.
"'Dann wirst du es nie erfahren!'", sagte dieser und kam auf die Füße. Bevor Logan irgendwie reagieren konnte, schnellte Damon plötzlich auf ihn zu und griff an. Ein Gerangel entstand und ich blickte mich suchend um, unwissend was ich tun sollte.
"ZOEY! LAUF!", rief Damon mir dazu und ich gehorchte. Ich sprintete an den beiden vorbei Richtung Tür und zog mit Mühe die schwere Stahltür auf. Da hörte ich plötzlich mehrere Schüsse hinter mir und ich blickte angsterfüllt über die Schulter. Damon brach gerade vor Logan zusammen und rührte sich nicht mehr, während Logan selbst langsam zu mir aufsah.
Panisch zwang ich mich durch die halb offene Tür nach draußen und rannte.
Jedoch kam ich nicht weit, da ich keinen Moment später plötzlich an den Haaren gepackt und mit voller Kraft zurückgezerrt wurde. Ich schrie so laut ich konnte, als ich noch einen Schlag auf dem Kopf spürte und in endlose Dunkelheit fiel.
***
Als ich erwachte, wusste ich nicht, wo ich war. Dröhnende Kopfschmerzen machten es schwer sich zu konzentrieren und bewegen konnte ich mich auch nicht richtig. Mit Mühe schlug ich die Augen auf und als sich mein verschwommener Blick klärte, erkannte ich, dass ich auf dem Rücksitz eines Autos lag. Und dieses Auto war in Bewegung.
Verwirrt versuchte ich mich aufzurichten, jedoch konnte ich sowohl meine Arme als auch meine Beine noch immer nicht richtig bewegen. Ich blickte an mir herunter und erkannte den Grund dafür. Ich war gefesselt! Meine Arme und Beine wurden von Seilen zusammengehalten!
Da kamen mit einem Schlag meine Erinnerungen zurück.
Logan Fell hatte mich niedergeschlagen! Ich hatte es nicht geschafft, zu fliehen!
Vorsichtig sah ich durch die zwei Sitze in den vorderen Teil des Wagens. Durch die Spiegelung in der Frontscheibe erkannte ich Logan, der das Auto fuhr und noch jemanden auf dem Beifahrersitz. Caroline!
Er hatte auch sie geschnappt? Was hatte er nur vor?
Und wo war Damon?
Ich erzitterte als ich mich an die Schüsse erinnerte und daran, wie er leblos zu Boden gesunken war. Nein, er durfte nicht... Er war nicht...
Ich weigerte mich, diesen Gedanken zu vollenden.
"Hey Liz!", schreckte mich Logans Stimme auf und ich blickte zu ihm, "'Deine Tochter hat Interesse am Journalismus geäußert. Ich finde es wichtig jungen Geist zu fördern!'"
Kurz war ich verwirrt, bis ich erkannte, dass er telefonierte. Er telefonierte mit Carolines Mutter. Dem Sheriff.
"'Was willst du?!'", hörte ich ihre aufgebrachte Stimme durch das Handy, dass ich Logan ans Ohr hielt.
"'Die Befriedigung, deine Tochter und die des Bürgermeisters in Vampire zu verwandeln!'", sagte Logan und ich wimmerte angsterfüllt. Das konnte er doch nicht ernst meinen. Das durfte nicht passieren! Verzweifelt sah ich mich nach einem Fluchtweg um, doch ich konnte absolut nichts entdecken, was mir helfen würde.
Logan hielt den Wagen an und drehte sich zu Caroline, als plötzlich Arme durch das offene Fenster nach Logans Jacke griffen und ihn mit übermenschlicher Geschwindigkeit aus dem Wagen beförderten.
Verwirrt versuchte ich den Verantwortlichen zu erkennen, als Schüsse ertönten und Logan aufschrie.
"'Rache ist verdammt süß, nicht wahr?!'", hörte ich Damons Stimme und ich spürte wie mich unendliche Erleichterung durchströmte. Es ging ihm gut.
Da ging die Autotür neben mir auf und ich erkannte Stefan, der mich aus dem Auto hob und meine Fesseln löste.
"Hey, alles okay?", fragte er besorgt und ich nickte leicht, während ich hinüber zu Damon sah, der Logan in Schach hielt.
"Mir geht’s gut. Kümmere dich lieber um Caroline", sagte ich und Stefan nickte leicht, ehe er Caroline ebenfalls aus dem Auto hob.
"Ich werde sie nach Hause bringen. Du kommst klar?", fragte er mich und ich nickte, woraufhin Stefan mit der Blonden auf dem Arm verschwand.
Damon schoss nochmals auf Logan, welcher nun wie Damon selbst vorhin stöhnend am Boden lag, ehe der Schwarzhaarige sich abwandte und das Handy aufhob, das Logan gerade fallengelassen hatte. Ich stützte mich hilfesuchend am Auto ab, als mir etwas schwindelig wurde.
"'Sheriff? Hier ist Damon. Nein, den Mädchen ist nichts passiert. Ich bin auf der Elm Street!'", sagte er knapp, ehe er auflegte und mit besorgter Miene zu mir rüberkam.
"Ist alles okay?", fragte er besorgt und musterte mich prüfend von Kopf bis Fuß.
"Das wollte ich dich gerade auch fragen", sagte ich leise und fuhr mit der Hand über meine Stirn, die leicht brannte, aber kein Vergleich zu den hämmernden Kopfschmerzen war.
"Du blutest...", murmelte Damon und auch ich sah erschrocken auf das Blut, dass nun auf meiner Handfläche klebte.
"Geht schon", sagte ich und blickte zu ihm auf, "Ich habe nur etwas Kopfschmerzen." Das war vielleicht etwas untertrieben, doch ich wollte nicht, dass er sich noch mehr Sorgen machte.
Damon wollte etwas erwidern, als Logan hinter ihm nochmals stöhnte und sich seine Miene verhärtete.
"Ich bin gleich wieder bei dir", sagte er zu mir, als er einen hölzernen Pfahl unter seiner Jacke hervorzog und sich nun zu Logan drehte.
"'Ich versuch's noch ein letztes Mal'", sagte er und hielt den Pfahl angriffsbereit über Logans Brust, "'Wer hat dich verwandelt?!'"
"'Ich sage doch, ich weiß es nicht!'", erwiderte Logan und ich schnaubte. Er würde Damon nie die Wahrheit sagen.
"'Sind das deine letzten Worte?'", fragte Damon und holte mit dem Pfahl aus.
"'Wie kannst du dich auf deren Seite schlagen?'", fragte Logan kopfschüttelnd.
"'Ich schlag mich auf keine Seite! Du hast versucht mein Mädchen umzubringen! Ich will dich einfach nur tot sehen!'", rief Damon wütend und vollkommen perplex sah ich ihn an, als mein Herz unweigerlich begann schneller zu schlagen. War ihm bewusst, was er gerade gesagt hatte?
"'Noch ein letztes Mal: Wer hat dich verwandelt?'", fragte er nochmal.
"'Weiß ich nicht!'", wiederholte Logan trotzig, was Damon seufzen ließ, ehe er mit dem Pfahl endgültig ausholte, "'Warte, ich weiß es!'", rief Logan plötzlich und Damon hielt inne.
"'Du lügst'", sagte Damon kopfschüttelnd.
"'Glaubst du, du bist der einzige der in die Gruft will?! Ich lüge nicht, der Zauber kann gebrochen werden!'", sagte Logan und ich blickte erschrocken zwischen ihm und Damon hin und her. Es gab doch noch eine Möglichkeit in die Gruft zu kommen? Damon würde sich nie so eine Chance entgehen lassen...
Da blickte der Schwarzhaarige zu mir auf und unsere Blicke kreuzten sich. Ich blickte ihn nur schweigend an und versuchte keine Emotion zu zeigen. Ich wollte ihn in seiner Entscheidung, die wahrscheinlich schon feststand, nicht beeinflussen.
"Ist mir egal", sagte Damon da plötzlich und stieß Logan den Pfahl ins Herz.
Logan schrie auf, ehe er erschlaffte und seine Haut sich aschgrau färbte.
Mit offenem Mund starrte ich auf die Szene. Er hatte ihn getötet... Trotz der Versprechung, die er ihm über die Gruft gemacht hatte. Er hatte die Chance Katherine zurückzukriegen einfach fallen gelassen?
"Werde ohnmächtig", sagte Damon, der sich aufgerichtet hatte, da zu mir und ich blickte ihn verwirrt an.
"Was?"
"Tu so, als wärst du bewusstlos! Sheriff Forbes wird gleich hier sein und wenn sie merkt, dass du alles gesehen hast, wird das eine Menge Fragen aufwerfen", erklärte Damon schnell und trat zu mir.
"Okay", murmelte ich, während ich noch versuchte die vielen Gedanken in meinem Kopf zu ordnen.
"Lass dich einfach fallen", sagte Damon leise und legte die Arme um mich, "Ich halte dich." Ich blickte ihm in die Augen, ehe ich etwas nickte und die Augen schloss.
Ich spürte, wie er mit einer Hand unter meine Kniekehlen griff und mich ganz hochhob.
Allerdings schien diese Gewichtsverlagerung meinem Kopf gar nicht zu gefallen, als er darauf noch stärker dröhnte und der Schwindel überhandnahm.
Ich fühlte mich, als würde ich Karussell fahren und spürte wie ich allmählich erneut in tiefe Dunkelheit fiel, während in meinem Gedankenwirrwarr zwei Worte deutlich hervorbrachen: Mein Mädchen...
***
Als ich erwachte spürte ich eine angenehme Wärme um mich herum. Alles war weich und kein einziger Schmerz zog durch meinen Körper.
"Zoey?", hörte ich eine vertraute Stimme und blinzelnd öffnete ich die Augen.
Ich lag in einem Schlafzimmer. Ich erinnerte mich, das hier war Damons Zimmer. Ich war im Salvatore-Anwesen.
"Hey", mein Blick schnellte zu dem Schwarzhaarigen, der neben mir auf dem Bett saß und mir mit einem nassen Lappen über die Stirn strich, "Du hast mich ganz schön erschreckt."
"Hey", erwiderte ich leise, ehe ich mich etwas aufrichtete. Damon nahm den Lappen von meiner Stirn und warf ihn achtlos in die Schüssel, die neben ihm auf dem Nachttisch stand.
"Meine Kopfschmerzen sind weg", sagte ich verwirrt und blickte fragend zu Damon auf, der mich entschuldigend ansah.
"Ich habe dir etwas Blut gegeben", sagte er, "Ich wusste nicht, wie schlimm deine Verletzungen waren und als ich gemerkt habe, dass du tatsächlich bewusstlos geworden bist, habe ich mir Sorgen gemacht. Ich wollte kein Risiko eingehen."
Ich nickte verstehend.
"Schon okay", sagte ich und lächelte beruhigend, "Danke." Damon erwiderte mein Lächeln und ich blickte ihm direkt in die Augen, als eine Frage in mir aufstieg.
"Wieso hast du ihn getötet?", fragte ich leise.
"Hätte ich das nicht tun sollen?", fragte Damon verwirrt und ich biss nervös auf die Lippe.
"Durch ihn hättest du eine neue Chance bekommen können, Katherine wiederzukriegen", sagte ich, was Damon die Stirn runzeln und zu Boden blicken ließ.
"Er war eine Gefahr für dich", sagte er kaum hörbar, "Das war es mir nicht wert. Außerdem hat er wahrscheinlich sowieso gelogen."
Ich spürte, wie bei seinen Worten die unerträgliche Sehnsucht in mir hochstieg, die ich seit Wochen nach ihm verspürte, und ich schluckte hörbar.
Ich musste es ihm jetzt sagen. Wenn ich es jetzt nicht tat, würde er gehen und es wäre alles vorbei.
"Damon", begann ich leise und griff nach seiner Hand, "Ich muss dir etwas sagen-"
"Du solltest besser nach Hause gehen", unterbrach er mich da und ich blickte ihn verwirrt an, als er sich mir entzog und aufstand, "Elena ist noch hier bei Stefan. Sie kann dich sicher mitnehmen", sagte er noch und ging Richtung Tür. Ich schüttelte nur den Kopf. Er durfte nicht schon wieder vor mir weglaufen!
Das würde ich nicht nochmal mit mir machen lassen!
"Ich werde nicht gehen!", sagte ich energisch und stand ebenfalls auf, "Ich werde hierbleiben, so lange bis du mir zugehört hast!" Damon hielt in seiner Bewegung inne und ich hörte wie er ausatmete, ehe er sich zu mir herumdrehte.
"Ich...", fing ich zögernd an, ehe ich kurz die Augen schloss und all meinen Mut zusammennahm, "Ich weiß, du hast mir gesagt, wir können nicht zusammen sein und... und dass du mir nur das Herz brechen würdest und dass du Katherine liebst, aber...", ich holte tief Luft, "Aber ich glaube, dass du auch Gefühle für mich hast-"
"Zoey, nicht-", sagte Damon kopfschüttelnd und wich einen Schritt zurück, was bei mir das Fass zum überlaufen brachte.
"Damon, ich liebe dich!", brach es da aus mir hervor und ich merkte, wie er bei meinen Worten erstarrte und mich vollkommen ungläubig ansah.
"Ich liebe dich!", wiederholte ich und trat an ihn heran, "Ich liebe dich seit Ewigkeiten, so sehr, dass ich den Gedanken nicht ertragen kann, dass du von hier fortgehst! So sehr, dass all die schlimmen Dinge, die du getan hast, mich nicht abschrecken können! Und glaub mir, ich habe versucht dich zu vergessen, aber das funktioniert nicht! Es ist, als würde mein Verstand versuchen über mein Herz zu bestimmen, was aber nicht geht, weil...", ich hielt kurz inne und legte meine Hände an seine Wangen, "Weil ich das will, was ich will...", hauchte ich noch, ehe ich meine Lippen auf seine legte und ihn voller Sehnsucht küsste. Doch dennoch zeigte Damon nach wie vor keine Reaktion, was mein Herz vor Schmerz erbeben ließ. Ich spürte wie mir Tränen in die Augen stiegen, als ich den Kuss langsam löste und ihn schmerzlich ansah.
Anscheinend hatte ich mich geirrt...
Ich hatte mir all die Zeichen der Zuneigung von ihm nur eingebildet.
Ich wollte meine Hände von seinem Gesicht zurückziehen, als er plötzlich nach meinen Handgelenken griff und sie eisern an Ort und Stelle hielt. Verwirrt blickte ich ihm in die Augen, welche mich nicht länger ungläubig musterten, sondern irgendein anderes Gefühl zeigten, dass ich aber nicht deuten konnte.
"Ach verdammt!", fluchte er da plötzlich und keinen Moment später spürte ich erneut seine Lippen auf meinen, nur dass der Kuss diesmal von ihm ausging.
Völlig überrumpelt erwiderte ich den Kuss, während er meine Handgelenke nun losließ und seine Arme stattdessen um meine Hüften legte, um mich näher zu sich zu ziehen.
Ich lächelte gegen seine Lippen als unfassbares Glück in mir hochstieg und die schmerzhafte Sehnsucht endlich etwas nachließ.
Ich schlang meine Arme um seinen Hals, vergrub meine Finger in seinem Haar und ließ zu, dass er mich so dicht an sich heranzog, dass nicht mal mehr ein Blatt Papier zwischen uns gepasst hätte.
Ich wusste nicht, wie lange wir hier so standen, doch keiner von uns beiden schien daran zu denken je wieder aufzuhören. Zumindest bis zu dem Moment, als plötzlich das Klingeln eines Handys durch den Raum schallte.
Widerwillig ließ ich zu, dass Damon sich langsam von mir löste. Schweratmend lehnte er seine Stirn an meine, während er versuchte wieder zu Atem zu kommen. Danach griff er in seine Hosentasche, um sein Handy hervorzuholen, das dieses störende Klingeln von sich gab.
"Das ist der Sheriff", sagte er und ich musste kurz lächeln, als ich merkte wie heiser seine Stimme klang, "Ich bin gleich wieder da", er blickte zu mir auf und küsste mich erneut, "Nicht weggehen", sagte er noch, als er sich endgültig von mir löste und mit einem Lächeln auf den Lippen das Zimmer verließ.
Ich spürte wie meine Mundwinkel sich ebenfalls hoben und ein begeisterter Laut meinen Lippen entkam, als erneut diese unfassbare Freude in mir hochstieg.
Ich hatte es getan! Ich hatte ihm meine Gefühle gestanden! Und dann hatten wir uns geküsst! Entgegen aller Wahrscheinlichkeit fühlte er das gleiche für mich! Er hatte Katherine absichtlich für mich aufgegeben! Für mich!
Noch immer lächelnd ließ ich mich auf dem Bett sinken, während ich ungeduldig Richtung offener Tür sah und auf Damons Rückkehr wartete.
Jedoch war es nicht Damon, der plötzlich ins Zimmer trat.
"Elena?", fragte ich verwirrt, als ich meine beste Freundin erkannte, die mich mit glasigem Blick ansah, "Was ist los?" Sie sah wirklich aufgebracht aus, so sehr, dass ich mir ernsthaft Sorgen machte.
Elena sagte nichts, sondern hielt mir zwei Zettel hin, während sie schwer schluckte, als müsste sie an sich halten, nicht in Tränen auszubrechen.
Langsam lief ich zu ihr herüber, ehe ich verwirrt die Zettel entgegennahm, als ich bemerkte, dass das gar keine Zettel waren, sondern Fotos. Und zwar sehr alte Fotos.
Ich blickte auf das erste Bild und holte erschrocken Luft. Das war Elena, aber... Ihre Haare, ihre Kleider, so etwas hatte Elena nie getragen. Doch als ich den Untertitel las, stieg Übelkeit in mir auf: Katherine Pierce, 1864.
Entsetzt sah ich zu Elena auf, doch sie starrte nur auf das andere Bild, welches ich jetzt ebenfalls genauer betrachtete.
Das war Damon, er trug das Haar anders und auch sein Kleidungsstil unterschied sich komplett von der Gegenwart, aber dennoch war es er. Er hielt eine Frau im Arm... mich?
Ich blinzelte einige male, um auch sicher zu sein, dass meine Augen mir keinen Streich spielten. Das war mein Gesicht, aber... Ich hatte nie so langes Haar gehabt und auch nie so ein Kleid getragen. Verwirrt runzelte ich die Stirn.
Langsam glitt mein Blick zu den Zeilen, die unter diesem Bild geschrieben standen: Damon Salvatore und seine zukünftige Frau Eveline Lockwood 1860.
Ungläubig schüttelte ich den Kopf.
"Das... Ich...", stotterte ich, ehe ich nochmals, doch diesmal heftiger den Kopf schüttelte, "Sicher gibt es eine Erklärung dafür." Es musste eine geben. Eine logische, sinnvolle Erklärung. Mein Verstand weigerte sich, etwas anderes zu glauben.
"Alie!", sagte Elena eindringlich und ihre Stimme zitterte leicht, als ich zu ihr aufsah, "Es gibt eine Erklärung! Und sie ist ganz einfach: Stefan und Damon haben uns nur benutzt!" Ich spürte wie sich bei ihren Worten ein dicker Kloß in meinem Hals bildete.
"Nein", hauchte ich, während ich wieder und wieder den Kopf schüttelte, "Nein, das ist nicht wahr." Es konnte nicht sein. Das war alles ein Missverständnis. Damon und ich waren endlich glücklich. Wir hatten doch alles geklärt. Es konnte nicht sein, dass er mich schon wieder belogen hatte. Er hatte doch versprochen, mich nie mehr zu belügen...
"Überleg doch mal...", sagte Elena leise, "Damon war von Anfang an, nur an dir interessiert. An niemand anderen. Hast du dich nie gefragt, aus welchem Grund?", ich schluckte bei ihren Worten hart, als mir Tränen in die Augen stiegen, "Alie, wir waren nur Ersatz."
Ich spürte wie mein gerade erst geheiltes Herz bei diesem Satz in tausend Stücke zu zerspringen schien und der unerträgliche glühende Schmerz mit voller Kraft in meine Brust zurückkehrte. Das war also der Grund gewesen. Er war in meiner Nähe, weil ich aussah wie Eveline. Deswegen hatte er sich auch für mich und nicht für Katherine entschieden.
Ich schluchzte leise.
Er hatte sich nicht für mich entschieden... Sondern für Eveline. Für seine Evie.
Als hätte man mich in Watte gepackt, merkte ich am Rande, wie Elena meine Hand griff und mich mit nach draußen zog.
Ich wehrte mich nicht.
Ich spürte nur noch den Schmerz und wie eine einzige Träne heiß über meine Wange lief.
-Damons Sicht-
Seufzend legte Damon auf, als Sheriff Forbes sich endlich mit seiner Erklärung zufriedengegeben und ihm eine Gute Nacht gewünscht hatte. Es war nicht einfach gewesen, sie davon zu überzeugen, dass Nathalie nichts mehr von dem Abend wusste, außer dass sie überfallen worden war und es ihr gut ging, so gut, dass keine Notwendigkeit bestand, ihre Eltern zu informieren. Vor allem beim letzten Punkt war Liz Forbes schwierig zu überreden gewesen, doch Damon hatte sie mit dem Argument umstimmen können, dass Richard und Carol Lockwood sich nur unnötig Sorgen um ihre Tochter machen würden.
Natürlich war es Damon völlig egal, was ihre Eltern dachten. Jedoch wollte er Nathalie das unangenehme Gespräch mit ihnen ersparen. Sie hatte eh schon genug für Damon und Stefan gelogen. Da musste sie nicht auch noch ihren eigenen Eltern etwas vormachen.
Damon steckte das Handy wieder in seine Hosentasche, ehe er aus dem Gästezimmer trat, in das er zum Telefonieren gegangen war, ehe er den langen Flur hinunter sah zu der Tür, die in sein eigenes Schlafzimmer führte.
Er musste lächeln.
Nathalie hatte ihm ihre Gefühle gestanden. Sie hatte ihm gesagt, dass sie ihn liebte.
Der Schwarzhaarige schüttelte leicht den Kopf. Nicht einmal Katherine hatte das je laut zu ihm gesagt. Und Nathalie tat es einfach so, ohne zu wissen, ob er das gleiche für sie empfand.
Damon runzelte die Stirn.
Empfand er das gleiche? Liebte er sie auch?
Er konnte sich diese Frage nicht beantworten. Wenn er an Nathalie dachte, spürte er starke Empfindungen für sie. Durch sie ebbte der Schmerz von Evelines Tod immer weiter ab. Durch sie erschien ihm selbst Katherine als immer mehr verblassender Traum.
Ja, er hatte definitiv Gefühle für Nathalie, doch ob es tatsächlich Liebe war, konnte er nicht sagen.
Er hatte immer geglaubt, dass er Katherine lieben würde. Dass seine Gefühle für sie, der Inbegriff von Liebe seien. Und doch fühlte er vollkommen anders, wenn er an Nathalie dachte. Nicht in besserer oder schlechterer Hinsicht, sondern einfach anders.
Damon schüttelte erneut den Kopf. Er musste sich dringend darüber klar werden.
Er musste sich entscheiden, was er wollte.
Jedoch wurde ihm schnell bewusst, dass er das schon so gut wie getan hatte.
Logan hatte Informationen darüber gehabt, wie die Gruft zu öffnen war und doch hatte er ihn getötet. Weil ihm Nathalies Schutz wichtiger gewesen war als das Wissen, wie er Katherine befreien konnte.
Damon erwachte aus seinen Gedanken als er draußen hörte, wie ein Auto startete und losfuhr.
Verwirrt trat er an ein Fenster und sah gerade noch so, wie der schwarze Geländewagen die Auffahrt verließ und auf die Straße bog.
Elena fuhr schon nach Hause?
Kaum hatte Damon diesen Gedanken vollendet, überkam ihn ein ungutes Gefühl.
Er fuhr herum und lief schnellen Schrittes durch den Flur zurück in sein Schlafzimmer.
"Zoey?", rief er fragend in den Raum, doch ein Blick genügte, um festzustellen, dass sie nicht mehr hier war.
Jedoch entdeckte er ihre Jacke, die noch auf dem Bett lag, was sein ungutes Gefühl verstärkte. Sie war in Eile gewesen. Doch warum? Und wieso sollte sie einfach verschwinden, ohne ihm Bescheid zu geben?
Sofort zog Damon sein Handy hervor und wählte ihre Nummer, noch während es klingelte, ging er einige Schritte nach vorne, den Raum mit den Augen nach weiteren Hinweisen absuchend. Dabei spürte er, wie er auf etwas trat, was unter seinem Gewicht leise raschelte und sein Blick schnellte zu Boden.
Sein Anruf wurde weggedrückt, doch das nahm Damon nicht wirklich wahr.
Langsam beugte er sich nach vorne, um die beiden Papierstücke aufzuheben.
"Nein, nein, nein!", murmelte er kopfschüttelnd, als er die ihm bekannten Bilder erkannte.
Das konnte doch nicht wahr sein!
"Elena?!", hörte er da Stefans Rufe im Flur, als Wut in ihm aufstieg, die sich mit seiner Sorge vermischte. Schneller als ein menschliches Auge wahrnehmen konnte, rannte er aus dem Raum, um Stefan, der gerade durch den Flur gelaufen war unsanft zurückzustoßen.
"Was zum Teufel hast du getan?!", rief Damon wütend und Stefan blickte ihn verständnislos an.
"Wovon redest du?", fragte er. Damon hielt ihm anklagend die Bilder hin.
"Wieso lässt du die offen in deinem Zimmer herumliegen, genau da wo Elena sie finden und Zoey zeigen kann?!", rief der Schwarzhaarige zornig, als Stefan ihm langsam die Bilder aus der Hand nahm.
Das Schlimme war nicht nur, dass Nathalie mal wieder durch Elena völlig falsche Schlüsse gezogen haben musste, sondern auch, dass die beiden nun allein nachts über die Straßen fuhren, wo ihnen sonst was passieren konnte.
"Die Bilder müssen sie verwirrt haben", sagte Stefan leise und Damon wurde noch wütender.
"Ach, was du nicht sagst!", fuhr er seinen kleinen Bruder an, ehe er sich abwandte und zur Treppe lief. Er musste sie finden.
"Wo sind sie?", fragte Stefan nach.
"Sie sind weg! Aber ich werde sie finden!", sagte Damon und lief die Treppen hinunter.
"Das solltest du nicht tun", sagte Stefan da und stand eine Sekunde später kopfschüttelnd neben ihm, "Sie werden erstmal Abstand brauchen." Damon blickte ihn verständnislos an.
War er völlig von Sinnen?!
"Du scheinst es nicht zu kapieren, kleiner Bruder! Elena fährt völlig aufgewühlt mit Zoey mitten in der Nacht über die Straßen! Was denkst du wie konzentriert sie dabei sein wird und wie hoch die Chancen für einen Unfall sind?!", Stefan wollte etwas antworten, doch Damon fuhr schon fort, "Zoey hat mein Blut in ihrem Organismus und ich werde nicht zulassen, dass ihr etwas geschieht! Also bleib du von mir aus hier und gib ihnen Freiraum! Ich werde sie jetzt suchen!"
Damit stürmte Damon aus dem Haus und verschwand mit übermenschlicher Geschwindigkeit in die Nacht.
Wenn Nathalie jetzt etwas geschah und sie zum Vampir wurde, nur weil er sie belogen hatte, würde sie ihm niemals verzeihen. Er würde sich selbst nie verzeihen...
-Nathalies Sicht-
Ich schluchzte leise, während Elena mit viel zu hoher Geschwindigkeit über die Hauptstraße fuhr. Ich hatte keine Ahnung, wohin wir eigentlich fuhren, doch dass Elena den Ortsausgang ansteuerte war mir schon ganz recht.
Ich wischte mit meinem bereits durchnässten Ärmel über meine nassen Wangen.
Ich hatte es satt zu weinen. Ich hatte es so satt von Damon immer und immer wieder verletzt zu werden... immer wieder belogen zu werden.
Er hatte mir versprochen, mir alles zu sagen. Doch dann hatte er mich wieder belogen.
Das Wichtigste hatte er mir vorenthalten.
Ich sah aus wie sie. Es war so absurd und dennoch ergab es Sinn. Nur deshalb hatte sich Damon so für mich interessiert. Das war der einzige Grund, warum er sich mir öffnete.
Ich war für ihn Eveline und nicht Nathalie.
Erneut schluchzte ich, während ich hörte wie Elena tief durchatmete, um die Fassung zu behalten.
"Warum haben sie das getan?", hauchte ich leise, doch Elena hörte es trotzdem und sie blickte kurz zu mir.
"Wir waren der perfekte Ersatz", sagte sie kalt und auch meine Miene verhärtete sich, als erstmals, neben dem Schmerz, Wut in mir aufstieg.
"Ja... Die perfekten Doppelgänger", stimmte ich zu und blickte wieder auf die Straße, als ich in diesem Moment dort eine Gestalt in der Dunkelheit erkannte.
"Elena! Pass auf!", rief ich aus und ich hörte das Quietschen der Reifen, als sie versuchte noch zu Bremsen, doch es war zu spät. Wir trafen, die Gestalt mit voller Wucht und ich merkte noch wie das Auto seinen Halt auf der Straße verlor und unkontrolliert zur Seite schleuderte, ehe ich nur noch einen gleißenden Schmerz spürte, bevor alles schwarz wurde.
I'm Not Her
"I hate you I love you
I hate that I love you
Don't want to, but I can't put
Nobody else above you
I hate you I love you
I hate that I want you
You want her, you need her
And I'll never be her..."
-i hate u i love u, gnash
-Damons Sicht-
Damon war einige Straßen entfernt, als er den Unfall hörte.
Er hatte bis jetzt die Straße abgesucht, die Elena und Nathalie gewöhnlich nach Hause gefahren wären. Doch diese war wie ausgestorben gewesen.
Der ohrenbetäubende Lärm des Unfalls, den er nur dank seines Vampirgehörs wahrnehmen konnte, kam aus einer vollkommen anderen Richtung.
Erst hatte Damon das Quietschen der Reifen gehört, den verzweifelten Versuch zu bremsen, dann den Knall als die Stoßstange auf Widerstand traf, dann nochmals das Quietschen der Reifen, als der Wagen unkontrolliert schleuderte und dann war da nur noch das Schlagen von Blech und das Splittern von Glas. Der Wagen musste sich überschlagen haben.
Natürlich hätte er nicht wissen können, dass es Elenas Auto war, das diesen Unfall gebaut hatte, doch in seinem Inneren war es Damon irgendwie bewusst.
Wie vom Blitz getroffen rannte er los, schneller als ein normaler Mensch es gekonnt hätte, querfeldein durch den Wald zielgerichtet auf den Punkt zu, wo der Lärm stattgefunden hatte.
Es war inzwischen ruhig geworden, was Damons Sorge um ein Vielfaches steigerte. Es war viel zu ruhig.
Er hatte das Ende des Waldes, wo die Hauptstraße lag, die aus der Stadt führte, fast erreicht als er einen hellen panischen Schrei hörte. Er erkannte Elenas Stimme und beschleunigte. Es war tatsächlich ihr Wagen gewesen.
Endlich kam er an der Straße an und erkannte die Situation innerhalb eines Wimpernschlags.
Er sah Elenas Auto, das auf dem Dach mitten auf der Straße lag, die Glassplitter, die überall verteilt waren, doch am meisten schockierte ihn etwas anderes.
Er erkannte Nathalie, die still ein paar Meter vom Auto entfernt am Boden lag und über sie hatte sich eine Gestalt gebeugt.
Ein Mann.
Mehr konnte Damon nicht erkennen, da sein Gesicht von einer Kapuze verdeckt wurde.
Jedoch wusste er genau, dass das kein Mensch war und dass er sich sicher nicht über Nathalies Hals beugte, weil er ihren Puls fühlen wollte.
"Hände weg!", rief Damon aus und er spürte, wie ihm vor Wut das Blut in die Augen schoss, als der Mann erschrocken aufsah und im nächsten Moment mit übermenschlicher Geschwindigkeit im Wald verschwand.
Damon hatte in diesem Moment große Lust ihm zu folgen und jedes Organ einzeln aus dem Körper zu reißen, doch er konnte nicht. Nicht bevor er sich um Nathalie gekümmert hatte.
"Damon?", hörte er Elenas zitternde Stimme und warf ihr einen kurzen Blick zu. Sie hing kopfüber im Auto in ihrem Sitz. Sie war angeschnallt gewesen. Nathalie nicht.
Elena nicht weiter beachtend, lief Damon schnellen Schrittes zu dem bewegungslosen Mädchen, die in einem Scherbenmeer bäuchlings auf dem Asphalt lag. Sie musste bei dem Aufprall aus dem Auto geschleudert worden sein.
"Zoey?", fragte er kaum hörbar, als er sich neben sie kniete und eine Hand nach ihrer Schulter ausstreckte.
Er spürte, wie ihm die Angst die Kehle zuschnürte und atmete bemüht ruhig aus.
Sie war nicht tot... Sie durfte es nicht sein...
"Bitte hilf ihr!", rief Elena und er hörte, wie sie versuchte sich aus dem Autowrack zu befreien, doch darauf konnte er nicht achten.
Er nahm einen tiefen Atemzug, ehe er Nathalies Schulter ergriff und sie vorsichtig auf den Rücken drehte. Sie war voller Blut, was Damon normalerweise viel Selbstbeherrschung gekostet hätte, seinem vampirischen Instinkt zu widerstehen, doch in diesem Moment ließ es ihn völlig kalt.
Da spürte er, wie ihr Körper unter seinen Händen vor Schmerz erbebte und sie keuchend nach Luft schnappte.
"Zoey!", rief er aus, ehe er mit einem Arm unter sie griff, um ihren Oberkörper leicht aus den Scherben zu heben, während er in die Pulsader seiner freien Hand biss.
Er blickte in Nathalies Gesicht, die nun flatternd ihre Lider öffnete, bevor ihr Blick den seinen fand. Er sah die Tränen, die aus ihren Augen rannen und wie sich ihr Mund leicht öffnete im schwachen Versuch etwas zu sagen.
"Scht. Schon gut", sagte Damon kopfschüttelnd, als er ihr auch schon sein blutendes Handgelenk auf den Mund drückte, "Gleich ist alles wieder gut." Nathalie schüttelte leicht den Kopf hin und her, versuchte sich zu wehren, doch es half nichts.
Damon war in dem Moment egal, wie sauer oder enttäuscht sie von ihm war, er würde sie nicht sterben lassen, ob sie seine Hilfe nun wollte oder nicht.
Schließlich hörte er, wie Nathalie widerwillig begann, zu schlucken, ehe er erleichtert beobachtete wie sich die unzähligen offenen Wunden an ihrem Körper langsam schlossen.
Er löste sein Handgelenk von ihrem Mund und blickte ihr wieder in die Augen aus denen noch immer Tränen rannen, was ihn etwas verunsicherte, schließlich sollte sein Blut die schlimmsten Schmerzen beseitigt haben.
"Es wird gleich besser", flüsterte Damon und sah an ihrem glasigen Blick, dass sie wohl kurz davor war ohnmächtig zu werden. Behutsam strich er über die tränennassen Wangen und befreite die blutverkrusteten Haarsträhnen, die an ihrer Haut klebten, als sie plötzlich zitternd sein Handgelenk griff und es etwas wegschob. Es sah aus, als hätte sie gern mehr getan als das, jedoch ließ ihre Schwäche das wohl nicht zu.
Damon blickte sie fragend an, als sie leicht Luft holte und mit gebrochener, leiser Stimme nur einen Satz herausbrachte.
"Ich... bin nicht... Evie!" Da schien sie der Rest ihrer Kraft zu verlassen, als ihr Griff um sein Handgelenk sich lockerte, ihre Augen zu fielen und sie in seinen Armen erschlaffte.
Damon sah sie nur erschrocken an. Die Enttäuschung und dieser unerträgliche Schmerz, der bei diesen Worten ihrem Blick gelegen hatten, hatten ihn erschaudern lassen.
So sehr hatte sie diese Erkenntnis verletzt? Dachte sie wirklich, dass er sie nur deswegen wollte? Nur weil sie Eveline ähnlich sah?
Schnell schüttelte Damon den Kopf. Er würde mit ihr reden, wenn sie wieder bei Sinnen war. Er würde alle Unklarheiten beseitigen und dann würden sie glücklich sein.
Damon hatte es ja selbst gesagt: Es würde alles wieder gut werden.
***
-Nathalies Sicht-
Das erste was ich spürte, als ich erwachte, waren hämmernde Kopfschmerzen.
Ich stöhnte leise und verzog instinktiv das Gesicht, ehe ich mit einer Hand über meine Stirn fuhr und blinzelnd die Augen aufschlug. Ich brauchte einen Moment, um meine Umgebung zu erkennen, ehe sich mein Blick klärte und ich mein Zimmer erkannte.
Wie kam ich hierher? Was war passiert?
Da öffnete sich plötzlich die Tür zu meinem Badezimmer und Elena trat heraus. Ihr Haar war noch feucht und sie trug Klamotten, die eigentlich mir gehörten. Sie musste gerade geduscht haben.
Dunkel stiegen Erinnerungen in mir hoch. Wir waren gestern bei Stefan und Damon gewesen. Elena war zu mir gekommen und hatte mir die Bilder gezeigt, die unsere Beziehungen auf einen Schlag verändert haben.
"Hey! Du bist wach!", sagte meine beste Freundin erleichtert als sie mich sah und ich nickte etwas benommen, als sie zu mir lief und sich neben mich aufs Bett setzte.
Da fiel mir die Nacht wieder ein. Wir waren auf der Straße gewesen! Elena hatte nicht mehr rechtzeitig bremsen können!
"Alles okay?", fragte Elena, die mein Gesicht besorgt musterte.
"Ja...", sagte ich leise, ehe ich zu ihr aufsah, "Ich versuche nur die letzte Nacht zusammenzukriegen."
Die Dunkelhaarige nickte verstehend.
"Wir hatten einen Unfall", sagte sie.
"Ich weiß. Und ich weiß auch noch dunkel, dass uns jemand zur Hilfe kam, aber wer das war und was danach passiert ist, ist verschwommen. Elena, wie sind wir hierhergekommen?" Fragend blickte ich sie an, während sie tief Luft holte und sich angespannt durchs nasse Haar fuhr.
"Damon ist uns zur Hilfe gekommen", antwortete sie schließlich und ich sah sie überrascht an, "Er hat uns beide vor dem Vampir gerettet, der den Unfall verursacht hat."
"Warte! Ein Vampir ist dieses Ding auf der Straße gewesen?!", fragte ich erschrocken und Elena nickte. Also gab es noch mehr Vampire, von denen wir nichts wussten.
Ich seufzte. Als hätten wir mit den bekannten Beiden nicht schon genug Probleme.
"Damon hat ihn verjagt und dich mit Blut geheilt. Danach hat er uns hierhergebracht, nur...", Elena hielt kurz inne.
"Nur was?"
"Tyler war noch wach. Er hatte im Wohnzimmer gewartet, als hätte er geahnt, dass etwas nicht stimmt", erzählte sie und ich sog scharf Luft ein. Das war gar nicht gut.
"Was habt ihr ihm gesagt?", fragte ich vorsichtig.
"Die Wahrheit. Naja fast. Damon sagte, dass wir einen Autounfall hatten und wir gerade aus dem Krankenhaus gekommen wären. Und dass du auf der Fahrt eingeschlafen wärst." Ich hob die Augenbrauen.
"Und das hat er euch geglaubt?", fragte ich zweifelnd, doch Elena zuckte nur mit den Schultern.
"Damon hat es etwas überzeugender formuliert als ich", sagte sie, was mich bitter schnauben ließ.
"Ja... Lügen kann er", murmelte ich, als die Wut und Enttäuschung von gestern zurückkehrte.
Elena blickte mich mitfühlend an, ehe sie meine Hand griff und fest drückte. Ich erwiderte den Druck und schluckte den Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte, mit Mühe herunter.
Ich konnte es immer noch nicht glauben, dass die Brüder uns das angetan hatten.
Keinem von ihnen hätte ich so etwas zugetraut.
Ich wurde aus meinen düsteren Gedanken gerissen, als es an der Tür klopfte.
"Ja?", fragte ich und blickte auf.
Die Tür ging auf und Tyler trat ein, der ähnlich erleichtert aussah wie Elena zuvor, als er mich sah.
"Hab ich doch richtig gehört", sagte er, ehe er über die Schulter sah, "Mom! Sie sind wach!", rief er in den Flur.
"Dir auch einen guten Morgen, Ty", sagte ich und legte den Kopf leicht schräg. Tyler grinste nur und blickte mich provokant an.
"Guten Morgen, kleine Schwester", sagte er, worauf ich nach einem Kissen griff, um es nach ihm zu werfen. Er fing es jedoch mit Leichtigkeit, was ihn noch breiter grinsen ließ.
"Ihr solltet wohl eher guten Tag sagen", sagte Elena, die auf ihr Handy blickte, "Es ist schon Nachmittag." Ach herrje. Hatte ich so lange geschlafen?
Tylers Grinsen wich einer besorgten Miene, als er mit dem Kissen in der Hand zum Bett hinüberging und sich neben mir niederließ.
"Wie geht es dir?", fragte er, "Du warst ja gestern nicht mehr ansprechbar." Ich sah die Zweifel in seinen Augen und schluckte leise. So gut konnte Damon dann wohl doch nicht lügen.
"Mir geht es gut. Ich hab nur etwas Kopfschmerzen", sagte ich und lächelte beruhigend.
"Was ist überhaupt genau passiert?", fragte Tyler und sah fragend zwischen Elena und mir hin und her. Ich sah wie Elena den Mund öffnete, um zu antworten, doch ich kam ihr zuvor.
"Ein Tier ist auf die Fahrbahn gesprungen", log ich, "Wahrscheinlich ein Hirsch oder ein Fuchs oder sowas. Elena wollte noch bremsen, doch es war zu spät. Wir haben es gerammt und haben dann den Halt verloren. Aber anscheinend hat das Vieh irgendwie überlebt, es war nicht mehr da, als das Auto endlich stillstand." Ich spürte mein Gewissen in meinem Inneren nagen, während mir diese falsche Geschichte federleicht über die Lippen kam, doch ich ignorierte es. Tyler war der letzte den ich mit in dieses ganze Vampir-Dilemma ziehen wollte.
Mein Bruder runzelte bei meiner Erzählung leicht die Stirn, ehe er etwas nickte und zu Elena sah.
"Sieht der Wagen schlimm aus?", fragte er. Meine beste Freundin zuckte mit den Schultern.
"Hätte schlimmer sein können.", antwortete sie.
"Ist nur ein Blechschaden", fügte ich hinzu, worauf sie mich für den Bruchteil einer Sekunde ungläubig ansah.
Okay, das war sehr untertrieben gewesen. Es war ein ziemlich großer Blechschaden.
"TYLER! ZOEY! ELENA!", hörte ich die Stimme meiner Mutter von unten rufen, "KOMMT RUNTER! ESSEN IST FERTIG!"
"JA, MOM!", erwiderten Tyler und ich im Chor, was uns alle drei auflachen ließ.
"In dieser Hinsicht seid ihr wirklich Zwillinge", sagte Elena kopfschüttelnd, während Tyler und ich uns nur grinsend ansahen. Tja, manchmal merkte man es.
"Geht ruhig schon mal", sagte ich schließlich und stand vom Bett auf, woraufhin jedoch pochende Schmerzen quer durch meinen Körper zogen, dass ich mich an dem Gestell fest halten musste und nur mit Mühe verhindern konnte, mein Gesicht vor Schmerz zu verziehen. "Ich will erstmal duschen." Heilung durch Vampirblut hatte wohl auch seine Grenzen.
Elena nickte leicht und stand ebenfalls zeitgleich mit Tyler auf, ehe sie durch die Tür nach draußen in den Flur ging.
Nur Tyler stand noch im Raum und blickte mich nachdenklich an. Das Grinsen war von seinem Gesicht verschwunden.
"Was ist?", fragte ich ihn über die Schulter, als ich zu meinem Schrank lief und frische Klamotten herauszog.
"Geht's dir wirklich gut?", fragte er und ich runzelte die Stirn, als ich mich verwirrt wieder zu ihm drehte.
"Klar. Ich hab wie gesagt nur Kopfschmerzen. Eine Tablette und ich bin wieder fit", antwortete ich und lächelte etwas, doch er blieb ernst.
"Du weißt, dass ich das so nicht meinte", sagte er und ich spannte mich an. Ich hatte keine Ahnung, wie er und Damon es ständig schafften mich zu durchschauen, doch bei allen beiden war das mehr als unvorteilhaft.
"Es ist alles okay, Ty. Wirklich!", versuchte ich nochmals ihn zu überzeugen. Dabei drehte ich ihm jedoch wieder den Rücken zu, in der Hoffnung, dass es irgendwas bringen würde, wenn er mein Gesicht nicht sah.
"Machst du dir immer noch Gedanken wegen diesem mysteriösen Kerl?", fragte er und ich erinnerte mich an unser Gespräch, was wir auf einer Heimfahrt von der Schule geführt hatten.
"Jap", erwiderte ich aufgebend und unterdrückte ein Seufzen. Die Wahrheit zu sagen war vielleicht doch einfacher. Zumindest ein Bruchteil der Wahrheit.
"Es ist Damon, oder?", sagte Tyler da und ohne, dass ich es wollte, blickte ich ihn erschrocken über die Schulter an.
"Woher- Ich meine... Wie kommst du denn darauf?", fragte ich, was Tyler die Augen verdrehen ließ.
"Oh bitte, Nathalie! Ich bin nicht blind! Denkst du, ich sehe euch nicht, wenn ihr zusammen auf dem Gründerfest seid oder du wie gestern von ihm von der Schule abgeholt wirst?"
Ich blickte bei seinen Worten nur schuldbewusst zu Boden. Er hatte recht. Er hätte echt blind sein müssen, um es nicht zu bemerken.
"Nathalie", begann Tyler da sanfter und trat an mich heran, "Das geht jetzt schon über Wochen so. Ständig bist du mit den Gedanken woanders und schließt mich und Mom und Dad komplett aus. Dabei kann ich sehen, dass dich irgendwas total fertig macht. Und wenn das seine Schuld ist, dann-"
"Nein, Tyler! Nicht!", unterbrach ich ihn und sah ihn bittend an, "Ich weiß, mein Verhalten war unmöglich und die letzten Wochen echt stressig, aber...", ich hielt inne und suchte nach den richtigen Worten, "Ich will dich nicht in dieses Drama mit reinziehen. Das ist eine Sache zwischen mir und Damon und so wie es momentan aussieht, sehe ich sowieso keine Zukunft für uns beide, also..." Ich brach ab, als meine Stimme bei den letzten Worten leicht brüchig wurde und mir Tränen in die Augen stiegen, die ich aber noch zurückhalten konnte.
Es war furchtbar es auszusprechen, doch es war die Wahrheit. Im Moment konnte ich mir nicht vorstellen, weiter mit Damon zusammen zu sein.
"Hey", sagte Tyler da leise, der mich wohl wieder gelesen hatte wie ein offenes Buch und umarmte mich, "Ist schon gut." Ich erwiderte seine Umarmung und hatte immer mehr Mühe damit die Tränen zu unterdrücken. Doch die Geborgenheit, die in mir aufstieg, tat so gut, dass ich es nicht über mich brachte, die Umarmung zu lösen und mich ihm wieder zu verschließen.
"Wenn du es wirklich so willst", sagte Tyler schließlich leise, "Dann halte ich mich raus. Aber falls du mich doch irgendwann brauchst..." Ich löste mich aus der Umarmung und blickte ihn direkt an.
"Bist du da. Ich weiß", sagte ich und lächelte leicht, ehe ich die Träne wegwischte, die meine Bemühungen überwunden hatte, "Danke, Ty."
"Immer, kleine Schwester", erwiderte er, was mich noch mehr zum Lächeln brachte, ehe er sich räusperte, "Ich glaube, ich sollte langsam nach unten gehen. Sonst dürfen wir uns wieder einen Vortrag anhören."
"Von Mom sind die doch nicht so schlimm", sagte ich kopfschüttelnd.
"Aber von Dad", sagte Tyler und ich sah ihn erschrocken an.
"Ist er zu Hause?", fragte ich nach.
"Jep."
"Oha, dann beeile ich mich mal lieber", sagte ich, was Tyler nur nicken ließ, ehe er den Raum eilig verließ. Ich lief ebenfalls eilig ins Bad und bewältigte meine Morgenroutine im Schnelldurchlauf, während ich meinen Gedankenwirrwarr wegen Damon erstmal aus meinem Kopf verbannte.
Vorträge von meinem Vater waren echt nicht witzig.
***
"Alie! Du bist gerademal ein paar Stunden wach!", sagte Elena tadelnd, als ich das Whiskey-Glas an meine Lippen setzte und in einem Zug die bernsteinfarbene Flüssigkeit austrank.
Ich verzog angewidert das Gesicht, ehe ich mit den Schultern zuckte.
"Es ist schon dunkel draußen, also macht es denke ich keinen Unterschied, wie lange ich bereits wach bin", sagte ich nur, ehe ich beim Barkeeper einen weiteren Shot bestellte.
Nachdem wir es endlich geschafft hatten, uns aus meinem Haus davonzustehlen, hatte ich Elena mit ins Grill geschleppt. Hier hatte ich die Hoffnung, dass Damon und Stefan uns nicht allzu schnell finden würden.
Es war nämlich offensichtlich, dass sie bereits nach uns suchten. Zumindest sprachen die unzähligen Nachrichten auf Elenas und auf meinem Handy dafür.
Jedoch wollte ich nicht, dass sie uns fanden. Ich wusste genau, was dann geschehen würde.
Damon würde mich mit seinen verdammten blauen Augen entschuldigend anblicken und mir irgendeine Erklärung auftischen, die seine Lügen rechtfertigte.
In der Hinsicht waren sich er und Jeremy gar nicht mal so unähnlich.
Jedoch ging es hier nicht wie bei Jeremy um ein vergessenes Date, sondern darum, dass Damon mich einfach nur als Ersatz für Eveline benutzt hatte.
Ich war mir sicher, dass Eveline selbst sich im Grab herumdrehen würde, wenn sie davon wüsste. Das würde ich zumindest tun.
Schnell schüttelte ich den Kopf. Ich wollte diese Gedanken endlich loswerden!
Ich griff nach dem neuen Whiskey-Glas und trank es wie das vorherige aus.
Hoffentlich würde der Alkohol meine Gedanken zum Schweigen bringen.
"Alie!", sagte Elena nun energischer und griff mich am Handgelenk.
"Du solltest auch was trinken!", erwiderte ich nur und sah sie auffordernd an.
"Alkohol wird unsere Probleme nicht lösen", sagte sie kopfschüttelnd und ich hob die Augenbrauen.
"Milch auch nicht", konterte ich und bestellte diesmal zwei Whiskey-Shots. Es hatte schon etwas Praktisches direkt an der Bar zu sitzen.
Da klingelte bestimmt zum hundertsten Mal heute Elenas Handy und genervt blickte die Dunkelhaarige auf das Display. Ihrem Blick sah ich an, dass es wieder einmal Stefan war, doch zu meiner Überraschung drückte sie ihn nicht weg, sondern nahm den Anruf an.
"Was?!", fragte sie in ihr Telefon und ich rutschte etwas näher zu ihr, um mitzuhören.
"'Elena, wo seid ihr?'", fragte Stefan sofort, was Elena und mich nur einen Blick wechseln ließ. Als ob wir ihm das verraten würden.
"'Du hast gelogen!'", sagte Elena stattdessen. Hm, sie war genauso direkt wie er.
"'Kann ich es dir erstmal erklären? Bitte!'", erwiderte Stefan.
"'Dann hast du also nicht gelogen?'", antwortete Elena, doch man hörte in ihrem Ton, dass die Frage nicht ernst gemeint war.
"'Sag mir doch, wo ihr seid. Dann kann ich euch abholen'", sagte er erneut, doch Elena ignorierte seine Bitte gekonnt.
"'In welcher Verbindung stehen Alie und ich zu Eveline und Katherine?!'", fragte sie ernst und nun war ich auf eine Antwort gespannt.
"'Ich weiß es nicht. Ganz ehrlich, ich weiß es nicht!'", antwortete Stefan jedoch nur und ich schnaubte. Wie konnte ich auch eine vernünftige erklärende Antwort erwarten?
Auch bei Elena schien der Geduldsfaden zu reißen.
"'Und du meinst wirklich, ich glaube dir das?!'", erwiderte sie verärgert.
"'Ich weiß es ehrlich nicht! Ich... Elena, hör mal-'" Weiter kam Stefan nicht, da Elena in diesem Moment das Handy vom Ohr nahm und den Anruf beendete.
"Idiot", murmelte sie nur, während ich ihr schweigend das Whiskey-Glas rüberschob.
Kurz starrte sie darauf, ehe sie nahm und genau wie ich vorher in einem Zug austrank. Sie gab einen angewiderten Laut von sich, ehe sie das Glas abstellte und von sich wegschob.
"Noch eins?" Fragend sah ich sie an.
"Noch eins!"
***
"Maaaaaaatt", rief Elena gedehnt und ich kicherte, als sie dem Blonden energisch zuwinkte, damit er zu uns rüberkam, "Bringst du uns noch eine Runde?" Sie grinste ihn an, während er nur seufzte.
"Ihr hattet echt genug", sagte er und blickte zwischen Elena und mir hin und her.
"Ich nicht!", protestierte ich und kicherte erneut, "Elena vielleicht."
"Hey!", rief Genannte beleidigt, was ich grinsend ignorierte, jedoch war es trotzdem die Wahrheit. Elena war deutlich betrunkener als ich und das obwohl wir ungefähr gleich viel intus hatten. Ich hätte mich selbst sogar nur als angetrunken und nicht vollkommen betrunken eingeschätzt. Keine Ahnung, woher ich diese Toleranz hatte.
Dass wir bis jetzt hatten trinken können hatten wir wohl trotzdem allein Matt zu verdanken, von dem ich bis jetzt nicht einmal gewusst hatte, dass er als Kellner im Grill angefangen hatte.
"Matt bitteeee", bettelte Elena immer noch und bearbeitete ihn mit Welpen-Blicken. Dieser seufzte erneut, ehe er kopfschüttelnd hinter die Bar ging und zwei neue Gläser hervorholte.
Elena grinste mich darauf triumphierend an, was ich erwiderte, ehe ich kurz auf die Uhr sah.
Es war echt schon spät. Aber wenn ich bedachte, wer zu Hause wahrscheinlich auf mich wartete, blieb ich doch lieber noch hier.
Schnell schüttelte ich den Kopf, als die Gedanken, die der Alkohol-Nebel erfolgreich verdrängt hatte, sich einen Weg zurück in meinen Kopf bahnten.
Da schob Matt uns die neuen Whiskey-Shots rüber und ich stürzte meinen sofort hinunter, als wäre es in der Wüste die letzte rettende Flüssigkeit.
Elena brauchte etwas länger und als ich sah wie sie auf ihrem Stuhl schwankte, musste ich Matt Recht geben. Sie hatte wirklich langsam genug.
Ich wurde aus den Gedanken gerissen, als ich hörte, wie sich die Eingangstür öffnete, worauf mein Blick sofort in jene Richtung glitt.
"Oh scheiße", entwich es mir und drehte mich schnell mit dem Rücken zur Tür, in der noch so geringen Hoffnung nicht erkannt zu werden. Doch das war unmöglich. Wir waren immerhin die Einzigen hier drin.
"Was?", fragte Elena benommen und drehte den Kopf ebenfalls kurz zur Tür, ehe ich sah wie jegliche Heiterkeit aus ihrem Blick wich, "Scheiße."
Ich starrte auf das leere Whiskey-Glas vor mir auf den Tisch, während ich die Schritte hörte, die immer näherkamen und schließlich direkt hinter uns verstummten.
"Sieh an. Da kommt die Spaßpolizei", sagte Elena, die sich gar nicht die Mühe gemacht hatte, sich wegzudrehen.
"Wohl eher Lügenpolizei", sagte ich da und drehte mich zu Stefan und Damon herum, die uns mit unlesbarer Miene musterten.
Ich spürte Damons prüfenden Blick auf mir und vermied es tunlichst ihm in die Augen zu sehen.
"Wurde auch Zeit, dass ihr kommt", meldete sich da Matt hinter uns und ich warf ihm einen ungläubigen Blick zu.
"Danke für den Anruf", sagte Stefan nickend und ich schnaubte. Matt hatte ihnen also gesagt, dass wir hier waren. Ganz toll.
Na gut, er wusste auch nicht, was zwischen uns vorgefallen war.
"Komm. Ich bring dich nach Hause", sagte Damon da und griff sanft nach meiner Hand, welche ihm jedoch sofort entzog.
"Danke. Aber den Weg finde ich allein", entgegnete ich kühl, ehe ich vom Barhocker glitt und nach meiner Jacke griff, die auf dem freien Hocker neben mir gelegen hatte, "Kommst du klar?" Fragend sah ich zu Elena, die bis jetzt Stefan mit Blicken erdolcht hatte, ehe sie meinen erwiderte.
"Ja, ich werde auch nach Hause gehen", kam es müde von ihr und ich nickte leicht, ehe ich ein paar Dollar-Scheine auf den Tisch legte und ohne Damon eines Blickes zu würdigen an ihm vorbei Richtung Tür lief. Dabei war ich kurz stolz, wie wenig ich dabei schwankte, was bei dem Alkoholkonsum doch echt beeindruckend war.
Ich warf nochmals einen Blick über die Schulter zu Elena, ehe ich endgültig nach draußen ging. Es widerstrebte mir, sie so betrunken allein zu lassen, doch ich vertraute darauf, dass Stefan sie trotz unserer derzeitigen Meinungsverschiedenheit sicher nach Hause bringen würde. Ich wollte einfach nur weg von Damon.
Ich trat an die frische Luft, die bedauerlicherweise den ohnehin schon etwas lichter gewordenen Nebel in meinem Kopf noch mehr vertrieb, ehe ich die Straße entlanglief, die mich zu meiner Villa bringen würde.
Dabei stiegen ungewollt die Erinnerungen in mir hoch, wie ich Damon hier zum ersten Mal begegnet war und wie wir hier spazieren gegangen waren, kurz bevor wir uns geküsst hatten.
Nein!
Energisch schüttelte ich den Kopf.
Ich wollte diese Erinnerungen nicht. Ich wollte nicht an Damon denken.
Ich wollte den Nebel zurück, der verhinderte, dass ich an irgendetwas dachte.
Erneut schüttelte ich den Kopf, als mir erst in diesem Moment auffiel, dass hinter mir Schritte waren. Ich seufzte genervt.
"Ich sagte doch, ich kann allein laufen", sagte ich, ohne mich umzudrehen, was auch nicht nötig war. Es war klar gewesen, dass Damon mir folgen würde.
"Denkst du, ich lasse dich allein nachts nach Hause gehen, wenn hier ein Vampir frei herumläuft?", kam es trocken von ihm und ich verdrehte die Augen.
"Du bist momentan der einzige Vampir, vor dem ich Schutz bräuchte", sagte ich kühl.
Ich wusste, dass diese Aussage gemein und etwas unfair war, doch in diesem Moment war es mir herzlich egal.
Ich war angetrunken, enttäuscht und so langsam auch wütend. Wenn er sich zu diesem Zeitpunkt in meiner Nähe aufhalten wollte, war er selbst schuld.
"Zoey...", sagte er leise und ich spürte den Stich meines Gewissens, was mich ungewollt stehenbleiben ließ.
"Was?!", fragte ich und drehte mich halb zu ihm. Er war ebenfalls ein paar Schritte hinter mir stehengeblieben und sah mich nun entschuldigend mit seinen eisblauen Augen an, was mich angespannt die Lippen zusammenpressen ließ.
Genau den Blick hatte ich befürchtet.
"Können wir bitte darüber reden?", fragte er und ich spürte wie mit einem Schlag die gesamte Wut zurückkam.
"Damit du mir neue Lügen auftischen kannst?!", fragte ich und wandte mich wieder von ihm ab, um weiterzulaufen.
Dabei achtete ich auch gar nicht mehr wohin ich eigentlich ging. Ich wollte nur von ihm weg.
"Ich hab dich nicht angelogen!", wiedersprach er und ich hörte, wie er mir wieder folgte.
"Sicher!", sagte ich sarkastisch und bog um eine Ecke, "Du hast mir nur verschwiegen, dass ich genauso aussehe wie deine tote Exverlobte! Eine völlig irrelevante Information! Wie könnte das auch ansatzweise wichtig sein?!" Ich musste stehenbleiben, als ich plötzlich vor einer meterhohen Mauer stand.
Ich war in eine Sackgasse gelaufen. Verdammter Mist.
"Es ist für mich auch nicht wichtig!", sagte Damon fest und ich drehte mich langsam zu ihm herum, "Zoey, wenn du glaubst, dass du für mich nur ein Ersatz für sie bist dann-"
"Dann liege ich damit falsch?!", unterbrach ich ihn ungläubig, "Wieso hast du es mir dann verschwiegen?! Du hast versprochen, mir alles zu sagen! Nur damit du mich dann sofort wieder belügst?!" Ich spürte, wie die Enttäuschung mir Tränen in die Augen trieb, doch ich ignorierte es. Damon öffnete den Mund und schloss ihn wieder, als müsste er überlegen, was er sagte.
"Ich... ich wollte dich nicht belügen", sagte er schließlich, "Ich habe einfach nicht darüber nachgedacht, als ich dir von ihr erzählt habe. Es war mir einfach nicht bewusst, dass ich es dir nicht gesagt habe. Die Ähnlichkeit zwischen dir und Evie selbst war mir nicht mehr wirklich bewusst-"
"Oh bitte!", unterbrach ich ihn erneut und blickte ihn zweifelnd an, während ich nah dran war, aufzulachen. So langsam wurden seine Ausreden absurd.
"Willst du mir ernsthaft erzählen, dass dir die Ähnlichkeit zwischen Eveline und mir nicht bewusst war?!"
"So meinte ich das nicht, ich-", begann er, doch ich fiel ihm wieder ins Wort.
"Du willst wirklich behaupten, dass dein starkes Interesse an mir, dass du von Anfang an gezeigt hast, nichts mit dieser Ähnlichkeit zu tun hatte?!", rief ich aus und wurde immer wütender.
"Das habe ich nie gesagt!", widersprach Damon und ich bemerkte, wie auch bei ihm langsam Ärger aufstieg, aber das war mir ganz recht.
"Dann sag mir doch, was du gedacht hast, als du mich zum ersten Mal sahst!", forderte ich ihn heraus und konnte einen spöttischen Unterton nicht zurückhalten, "Sicher, hast du keinen Gedanken daran verschwendet, dass ich aussehe wie deine ach so tolle Evie!", ich hielt kurz inne, während Damon mich nun einfach schweigend anblickte. Nur an seiner Brust, die sich immer schneller hob und senkte, merkte ich, dass ich seine Selbstbeherrschung gerade an seine Grenzen brachte. Doch genau das war mein Ziel.
"Bestimmt hatte Eveline nichts damit zu tun, dass du mir in dieser einen Nacht auf der Straße aufgelauert hast!", fuhr ich fort, "Zweifellos hast du meine Stimme nur bewundert, weil du ihren Klang mochtest und nicht weil es Evelines Stimme war! Weil du den perfekten Doppelgänger gefunden hattest!", meine Stimme triefte nur so von Sarkasmus und zittere unter meiner Wut leicht, während ich sah wie sich Damons Unterkiefer anspannte, "Wieso sagst du mir nicht, was du gedacht hast, wenn nicht das, Damon?! Was hast du in dieser Nacht gedacht?! Was hattest du vor?!"
"ICH WOLLTE DICH UMBRINGEN!", rief er da aus, so laut, dass seine Stimme mehrmals in der kleinen Gasse wiederhallte.
Ich hielt entsetzt inne und brauchte mehrere Sekunden, um diesen einen Satz zu verarbeiten.
Er hatte mich... töten wollen?
"Was?", fragte ich kaum hörbar und wich unweigerlich einen Schritt vor ihm zurück, als zum ersten Mal seit Ewigkeiten Angst in mir hochstieg. Angst vor ihm.
"Dein Anblick war für mich eine Qual!", begann Damon leise, seine Stimme zum zerreißen gespannt, "Ich hatte meine Gefühle seit über 50 Jahren abgestellt! Ich fühlte nichts! Keinen Schmerz, keine Trauer, keine Reue! Ich hatte nur mein klares Ziel vor Augen! Die Gruft zu öffnen und mir Katherine zurückzuholen! Doch dann kamst du!", ich zuckte unweigerlich zusammen, als er mich direkt ansah, "Elena war lediglich eine Überraschung. Ein kurzer Schreck, mehr nicht. Doch dann sah ich dich und alles brach zusammen! Alle Gefühle waren plötzlich wieder da! Alles, was ich sorgfältig ausgesperrt hatte, wütete unkontrolliert in mir und ich konnte es einfach nicht abstellen!", er schüttelte den Kopf, während ich mich angespannt an die Mauer hinter mir presste, "Dich zu sehen... dieses Trugbild zu sehen, machte mich wahnsinnig! Es war, als ob Evie da wäre und auch wieder nicht! Ich wollte nur, dass es aufhörte!"
"Also wolltest du mich töten...", hauchte ich und erinnerte mich an seinen Angriff im Wald. Er hatte mich dort umbringen wollen. Ich hätte dort sterben sollen...
Unweigerlich stiegen mir bei dieser Erkenntnis Tränen in die Augen.
Ich hatte mit meiner Anschuldigung mehr Recht gehabt, als gedacht. Sein Interesse war tatsächlich von Eveline ausgegangen. Nur in sehr viel schlimmerer Hinsicht.
"Ja...", murmelte Damon und fuhr sich durchs Haar, "Doch ich konnte nicht. Die Erinnerung an Evie war zu stark. Ich konnte dich nicht angreifen, ohne das Gefühl zu haben sie zu verletzen. Also beschloss ich, dich kennenzulernen..." Er blickte zu Boden.
"Damit du Unterschiede findest", murmelte ich, während sich in meinem Kopf endlich das gigantische Puzzle zusammensetzte. Deshalb war er mir nähergekommen. Er hatte einfach nur nach Unterschieden gesucht... versucht die Ähnlichkeit auszumerzen.
"Und dann willst du mich umbringen?", fragte ich mit gebrochener Stimme, "Wenn meine Ähnlichkeit zu ihr endlich verschwunden ist?" Ich spürte, wie mehrere Tränen über meine Wangen liefen, während ein neuer Schmerz in meine Brust trat, der viel intensiver war, als jeder vorherige.
Das übertraf alles, was ich mir ausgemalt hatte.
"Das hatte ich vor", sagte Damon und blickte auf, um mich direkt anzusehen, "Doch ich hatte nicht vor, mich in dich zu verlieben. Aber genau das ist geschehen." Ich konnte nur den Kopf schütteln. Das glaubte er doch nicht wirklich.
"Wann war dir das klar?", fragte ich bitter und wischte die Tränen aus meinem Gesicht, "Bevor ich gesagt habe, dass ich dich liebe? Bevor ich wusste, dass du ein Vampir bist? Bevor wir fast miteinander geschlafen hätten?!"
"Bevor ich dich das erste Mal geküsst habe", erwiderte Damon ernst, "Nur wollte ich es mir da noch nicht eingestehen."
Schweigen legte sich über uns, während ich mich langsam von der Mauer löste und ihn dabei unschlüssig anblickte. Dabei versuchte ich verzweifelt über das Gefühlschaos in meinem Inneren Herr zu werden.
Es wäre in diesem Moment so leicht gewesen ihm einfach zu glauben. Doch das konnte ich nicht. Es war einfach zu viel.
Ich hatte in den letzten Wochen einiges ertragen und runtergeschluckt. Doch das hier schaffte ich nicht mehr. Ich hatte meine Schmerzgrenze erreicht.
"Zoey", sagte Damon sanft und trat an mich heran, ehe er eine Hand ausstreckte, um über meine Wange zu streichen, "Ich liebe-"
"Nein!", entwich es mir da und schreckte unweigerlich von ihm zurück, "Sag es nicht."
"Aber es ist die Wahrheit!", sagte er fest und ich schloss kurz die Augen, aus denen noch immer Tränen rannen. Nein... es war eine Lüge.
"Ich glaube dir, dass du das denkst", sagte ich leise, "Und es mag sein, dass du damit leben kannst dich selbst zu belügen, aber ich kann es nicht." Ich sah, wie er ungläubig den Kopf schüttelte.
"Zoey, das ist nicht-"
"Es ist wahr", widersprach ich ihm, bevor er ausreden konnte, "Auch, wenn du es nicht wahrhaben willst, alles was du für mich fühlst, kommt eigentlich von Evie." Er schüttelte leicht den Kopf, doch ich sah dennoch die leisen Zweifel, die langsam in seine Augen traten.
Ich streckte meine Hände aus und legte sie an seine Wangen.
"Sie ist es, die du liebst und brauchst, aber...", ich unterdrückte ein Schluchzen, "Ich bin nicht sie und werde es auch nie sein." Damon holte tief Luft und setzte zum Sprechen an, doch ich redete schon weiter.
"Finde einen Weg die Gruft zu öffnen. Befreie Katherine und verschwinde mit ihr von hier. Werde glücklich und vergiss Eveline... und mich." Wie erstarrt blickte er mich bei meinen letzten Worten an, während ich langsam meine Hände zurückzog und irgendwie ein Lächeln zu Stande brachte. Es hatte mich viel Überwindung gekostet das zu sagen und es war eigentlich das Letzte, das ich wollte, doch es musste sein. Es war die einzige Lösung.
"Zoey", murmelte er kopfschüttelnd und ich sah wie er mit sich rang.
"Ist schon gut", sagte ich und wischte die letzten Tränen aus meinem Gesicht, "Ich komme zurecht", ich trat einen Schritt vor, um ihn zu umarmen, "Wir sehen uns, Damon." Ich schloss die Augen und genoss ein letztes Mal seine Nähe, ehe ich mich schmerzlich von ihm löste und an ihm vorbei zurück zur Hauptstraße lief, die mich nach Hause führen würde.
50's Decade Dance
Hey Leute, hier bin ich wieder mit einem neuen Kapitel für euch^^ Ich bedanke mich bei LastDarkHope und HappyBabyFeet für eure lieben Reviews, ich freue mich wie immer über jedes einzelne und am meisten danke ich natürlich wieder TheRealLoca fürs Betalesen, du bist die Beste <3
Viel Spaß!
____________________________________________________________________________________________________________________________
"I'm still missing you
But it has to be this way
'Cause I'm not right for you
And that's why love's to blame
And I can't see you right now
'Cause my heart just can't take it
Can't be near you right now
'Cause I know you're no longer mine..."
-Love's To Blame, Joel & Luke
"Du bist was?!", fragte ich ungläubig und starrte, genau wie Bonnie neben mir, Elena an, die uns gegenüber am Tisch saß.
"Adoptiert", wiederholte Elena, "Stefan hat es mir erzählt, als wir über diese ganze Katherine-Sache geredet haben."
Ich konnte nur den Kopf schütteln. Also waren Elena und Katherine wohl tatsächlich verwandt. Das war ja bei mir und Eveline offensichtlich gewesen.
Doch nun ergab es auch bei den beiden einen Sinn.
Deshalb hatte sie uns also im Grill treffen wollen. Am Telefon war sie so geheimnisvoll gewesen, dass ich mir schon vorher Gedanken gemacht hatte. Aber das sprengte alle Erwartungen.
Jetzt war ich doch froh, dass ich gekommen war.
Ich hatte nämlich erst mit den Gedanken gespielt daheim in meinem Bett zu bleiben, wo ich die ganzen letzten Tage verbracht hatte, zumindest wenn ich nicht in der Schule sein musste.
Es war inzwischen drei Tage her, dass ich endgültig mit Damon Schluss gemacht hatte, doch meine Stimmung hatte sich bisher noch nicht wirklich gebessert. Ich hoffte, dass das geschehen würde, wenn Damon endlich mit Katherine verschwand.
Ich unterdrückte ein Seufzen. Ich musste diese Gedanken ausschließen. Wir hatten immerhin gerade ganz andere Probleme.
"'Ich kann nicht glauben, dass du adoptiert bist'", brach Bonnie da schließlich das Schweigen, das zwischen uns entstanden war, "Es wäre mir nie in den Sinn gekommen!'"
"Bist du sicher?", fragte ich nach und Elena nickte leicht.
"Ich habe es Jenna im Streit vorgeworfen. Sie hat es zugegeben", erwiderte sie, ehe sie enttäuscht den Kopf schüttelte, "Nicht zu glauben, dass sie mir das verschwiegen hat."
"Vielleicht gab es gute Gründe", mutmaßte Bonnie und ich nickte zustimmend.
"Hast du Jenna mal gefragt?", fügte ich hinzu, doch Elena schüttelte den Kopf.
"Dafür hatte ich keine Nerven mehr", sagte sie nur, "'Aber es wird noch seltsamer. Auf meiner Geburtsurkunde stehen Miranda und Grayson Gilbert als meine leiblichen Eltern drauf. Da stimmt doch was nicht!'"
Hm, das war wirklich komisch.
"Noch ein Grund Jenna zu fragen", sagte ich, was Elena nur seufzen ließ.
"'Also, Erstens, will die Elena, die ich kenne immer die Wahrheit wissen, ob sie nun gut oder schlecht ist'", begann Bonnie.
"'Und Zweitens?'", fragte Elena nach.
"'Du hast gerade rausgefunden, dass dein Freund ein Vampir ist'", erwiderte Bonnie etwas gedämpfter, "'Und wenn deine Eltern nicht gerade von einem anderen Stern sind, schlimmer kanns kaum werden.'"
Elena lächelte etwas, während ich nur erneut ein Seufzen zurückhielt.
Im Gegensatz zu Damon und mir, waren Elena und Stefan ja nach einem aufklärenden Gespräch wieder zusammengekommen.
Ich wollte keinesfalls die neidische eifersüchtige Freundin sein, das überließ ich lieber Caroline, dennoch hatten sich eben solche Gefühle in mir breit gemacht, als ich davon erfahren hatte.
Stefan und Elena standen aber auch nicht ansatzweise vor so einem Problem wie Damon und ich.
Stefan war sich sicher, nie tatsächlich etwas für Katherine empfunden zu haben und Katherine war auch nicht gestorben, sondern lediglich in einer Gruft eingesperrt, was ihn jedoch nicht besonders interessierte. Also war so gesehen zwischen den beiden alles geklärt.
Nicht so wie bei Damon und mir...
"Komm doch mit, Alie!", riss mich Elena plötzlich aus den Gedanken und etwas irritiert sah ich zu ihr auf.
"Was?", fragte ich verwirrt nach und Elena verdrehte etwas belustigt die Augen.
"Ich sagte, ich muss noch in den Laden. Ich brauche noch so einige Accessoires für mein Outfit morgen", sagte sie und kurz überlegte ich, ehe es mir einfiel. Morgen fand ja schon die Fünfziger-Tanzparty statt.
"Und warum soll ich da mitkommen?", fragte ich nun. Ich hatte nicht vor, zu dieser Party zu gehen, wo ich nur lauter glückliche Paare sehen würde, also was sollte ich dann in dem Schmuckladen, in den Elena wollte?
"Du kannst sicher auch noch was für morgen gebrauchen", sagte Elena und grinste leicht, während ich mein lange zurückgehaltenes Seufzen doch ausstieß.
"Ich hab dir schon zwei Mal gesagt, dass ich nicht zu dieser blöden Party gehe!", sagte ich, während etwas Ärger in mir hochstieg. Seit ihrer Wiedervereinigung mit Stefan war sie der reinste Sonnenschein, trotz der Tatsache, dass da draußen noch immer ein unbekannter Vampir herumlief und wir uns eigentlich Sorgen machen müssten.
Keine Frage, ich gönnte ihr diese Freude vollkommen, doch mich sollte sie damit bitte in Ruhe lassen. Ich hatte genug mit meinem eigenen Beziehungsdrama Liebeskummer zu kämpfen, als dass ich auch noch das perfekte Pärchen namens Stefan und Elena auf der Party verliebt tanzen sehen wollte.
"Jetzt gib dir schon einen Ruck, Alie!", unterstützte Bonnie da und mein genervter Blick wechselte von Elena zu ihr, "Es wird dir gut tun, wieder unter Leuten zu sein!"
"Ja, du musst wieder deine Fühler ausstrecken!", sagte Elena und griff mich am Arm, um mich auf die Füße zu ziehen, "Jeremy wird auch da sein! Vielleicht redet ihr mal wieder miteinander!" Sie lächelte mich aufmunternd an, während ich tief durchatmete, um dem Drang zu widerstehen, sie zu erwürgen. Ich wollte nichts von Jeremy. Das wusste sie und auch Bonnie ganz genau.
Die beiden taten so, als wäre Damon lediglich ein kleiner Flirt gewesen, aus dem nichts geworden war. Sie konnten oder eher wollten nicht verstehen, wie nah mir diese Trennung ging. Wie auch? Aus ihrer Sicht war Damon ein Monster. Sie würden nicht einmal ansatzweise positive Gefühle ihm gegenüber nachvollziehen können, geschweige denn Liebe.
In diesem kurzen Moment, als mir jener Gedanke durch den Kopf ging, fühlte ich mich plötzlich so allein, wie noch nie zuvor.
"Was sagst du, Alie?", riss Elena mich da jedoch wieder aus diesen dunklen Gedanken und ich sah sie unschlüssig an, ehe ich nochmals tief ausatmete und nickte.
"Von mir aus", sagte ich schulterzuckend. Ich hatte keine Lust jetzt weiter darüber zu streiten.
Sie würde es sowieso nicht verstehen.
"Dann müssen wir aber jetzt los. Die machen gleich zu", sagte Elena und blickte prüfend auf ihr Handy.
"Geht ruhig. Ich bezahl für euch", sagte Bonnie und nickte verstehend. Ich blickte kurz prüfend auf unsere drei Kaffeetassen auf dem Tisch. Ja, die Rechnung sollte nicht allzu teuer sein.
"Danke dir", murmelte ich und rang mir ein Lächeln ab.
"Danke", sagte auch Elena, "Bis dann." Damit lief sie Richtung Tür und ich folgte ihr nach draußen.
"Du bist mit dem Auto da?", fragte ich, als wir über den Parkplatz liefen.
"Ja, Jenna hat mir ihren gegeben, bis meiner aus der Werkstatt kommt", erwiderte Elena und ich hob die Augenbrauen.
"Kann das nicht dauern?"
"Jap. Ist ein Totalschaden", meinte sie, als plötzlich mein Handy klingelte.
Ich stöhnte genervt und begann in meiner Tasche danach zu kramen, als wir bei Elenas Wagen ankamen und sie aufschloss.
Ich fand mein Handy und zog es hervor, ehe ich verwirrt die Stirn runzelte.
Anrufer unbekannt?
Zögernd tippte ich auf den grünen Hörer und hielt es mir ans Ohr.
"Hallo?"
"Hallo Nathalie", sagte eine männliche Stimme, die ich nicht kannte und kurz durchfuhr mich ein kalter Schauer.
"Wer sind Sie?", fragte ich unsicher, was Elena aufblicken ließ.
"Ihr habt mich mit dem Auto überfahren", antwortete der Mann lediglich und ich erstarrte, "Ist das ein neues?" Panik stieg in mir hoch und ich begann mich hektisch auf dem Parkplatz umzusehen.
Er war hier! Er konnte uns sehen! Er musste hier sein!
"Was ist los?", fragte Elena besorgt, doch ich wies sie nur stumm an, einzusteigen, als ich ihn entdeckte.
Ein Mann, dessen Gesicht von einer Kapuze verdeckt wurde, stand auf der anderen Seite des Parkplatzes und hielt ein Telefon an sein Ohr.
"Einmal seid ihr mir entkommen", sagte er leise und begann auf uns zu zulaufen, "Aber ein zweites Mal werdet ihr das nicht."
Da erwachte ich endlich aus meiner Starre, beendete den Anruf und stieg ebenfalls zu Elena ins Auto.
"Fahr!", befahl ich ihr, doch sie runzelte verwirrt die Stirn.
"Was ist los?", wiederholte sie ihre Frage und ich drehte fast durch.
"Fahr einfach los!", rief ich panisch aus, "Der Vampir vom Unfall!", mit einem Blick durch die Heckscheibe sah ich die dunkle Gestalt, die noch immer auf uns zukam, "Er jagt uns!" Ich sah wie Elena, die meinem Blick gefolgt war, erbleichte, ehe sie ebenfalls panisch werdend den Wagen startete.
"Schnall dich an!", sagte sie herrisch und ich folgte ihrem Befehl, als sie mit durchdrehenden Reifen anfuhr und den Parkplatz verließ. In der Panik gefangen traute ich mich kaum nach hinten zu sehen, doch mit einem tiefen Atemzug blickte ich doch über die Schulter durch die Heckscheibe auf den Mann, der stehengeblieben war, ehe Elena um eine Kurve fuhr und ich ihn nicht mehr sehen konnte.
Ich drehte mich wieder um, ehe ich mich angsterfüllt am Sitz festkrallte, während Elena viel zu schnell Kurve um Kurve nahm.
"Elena, nicht so schnell!", sagte ich zitternd, doch sie ignorierte mich, "ELENA, LANGSAMER!"
"Dann holt er uns ein!", widersprach sie und ich blickte sie verständnislos an.
"Er ist ein verdammter Vampir! Er holt uns so oder so ein, wenn er will! Aber wenn du nicht langsamer fährst, haben wir gleich den nächsten Unfall!"
Sie schien kurz über meine Worte nachzudenken, ehe sie etwas nickte und nicht mehr das Gas durchdrückte. Ich sah, wie wir an dem Schmuckladen vorbeifuhren, doch das war mir ganz recht. Ich würde erst wieder aussteigen, wenn wir vor einem Haus standen, in das der Vampir uns nicht folgen konnte.
Ein paar Minuten vergingen in denen ich immer wieder prüfend nach hinten sah. Jedoch konnte ich außer Dunkelheit nichts erkennen.
Da hielt Elena den Wagen an und ich sah verwirrt auf. Wir waren in der Maple Street.
"Schnell, komm mit rein!", sagte Elena und ich nickte, als wir zeitgleich ausstiegen und eilig zu Elenas Haus liefen, wo Elena mit zitternden Händen die Tür aufschloss, ehe wir eintraten und Elena sie etwas laut zuknallte.
Erleichtert atmete ich aus, ehe ich ein paar Schritte in den Flur trat.
Der Vampir kam hier nicht rein, ohne hereingebeten zu werden. Hier waren wir sicher.
"Was hat euch die Tür getan?", fragte jemand und ich blickte auf zu Jeremy, der im Obergeschoss am Treppenabsatz stand und uns leicht belustigt musterte.
Ich schloss kurz die Augen und versuchte mich zu beruhigen.
"Nichts! Es... es war nur... Nichts!", stotterte Elena, der das gerade nicht zu gelingen schien.
"Elena muss nur lernen ihre Kräfte richtig einzuschätzen", sagte ich da, ehe ich eine Maske aufsetzte und Jeremy unbekümmert anlächelte.
Er erwiderte mein Lächeln und ich atmete innerlich auf. Gut. Er sollte keinen Verdacht schöpfen. Er wusste immer noch nicht Bescheid.
"Ja, ähm... ich werde kurz Stefan anrufen", sagte Elena immer noch etwas zittrig, "Bescheid sagen, dass wir gut angekommen sind", fügte sie hinzu und wir tauschten einen wissenden Blick, ehe sie nach oben an Jeremy vorbei in ihr Zimmer ging. Dieser kam nun langsam die Treppe hinunter, während ich mir nun nervös werdend auf die Unterlippe biss.
Jeremy war momentan so ziemlich der letzte Mensch, mit dem ich reden wollte. Okay, nach Damon.
"Ist alles okay bei ihr?", fragte Jeremy mich und nickte nach oben Richtung Elenas Zimmer.
"Ja, sie ist nur etwas durch den Wind", sagte ich, "Sie macht sich total Gedanken über die Party morgen. Auf die sich mich übrigens mitschleift." Jeremy lachte etwas und ich stimmte ein, auch wenn meine Nervosität nicht im Geringsten nachließ.
Warum erzählte ich ihm das? Es wäre besser gewesen, wenn er nicht gewusst hätte, dass ich dort bin.
"Tja, ohne Partner macht ein romantischer Tanzabend auch nicht wirklich viel Spaß", meinte Jeremy und ich spannte mich etwas an, "Ich kann verstehen, warum du nicht hin willst."
Ich nickte nur, ehe mir einfiel, was Elena vorhin gesagt hatte.
"Hast du einen Partner?", fragte ich nach und er sah mich direkt an.
"Nein", sagte er leise und ich schluckte. Gott, konnte ich einmal etwas sagen oder tun, dass er nicht in falscher Weise auffassen konnte?
"Achso. Naja, Elena meinte, dass du morgen kommst, deswegen hab ich mich gewundert", sagte ich, was ihn schmunzeln ließ.
"Nein- Also ja schon, ich bin da, aber nicht als Gast. Ich muss den Punsch servieren", erklärte er und ich blickte ihn ungläubig an.
"Wahrscheinlich nicht freiwillig", sagte ich und das erste ehrliche Lächeln heute erschien auf meinem Gesicht
"Nein, als Strafarbeit. Das hat man davon, wenn die Noten im Keller sind", sagte er kopfschüttelnd und erwiderte mein Lächeln, während ich ihn nun nachdenklich musterte.
Was immer Damon getan hatte, als er Jeremy manipuliert hatte, Vicky zu vergessen, es hatte ihm wirklich gut getan.
Nachdem was Elena erzählt hatte, war er komplett clean und gab sich alle Mühe seine Noten wieder in den Griff zu bekommen. Er war wieder der alte Jeremy, den ich so sehr gemocht hatte. Aber das machte das Ganze nur noch schlimmer.
Nicht einmal so konnten meine Gefühle für ihn ansatzweise mit dem, was ich für Damon empfand, mithalten.
In diesem Moment klingelte es plötzlich an der Tür und ich zuckte unwillkürlich zusammen.
Wer klingelte denn noch so spät?
"Erwartest du noch jemanden?", fragte ich Jeremy, als die Angst, die ich gerade erst verdrängt hatte, wieder in mir hochstieg.
"Ja, ich hatte Pizza bestellt", sagte Jeremy gelassen und ging zur Tür, "Ein Wunder, dass die noch ankommt, das ist nämlich schon über eine Stunde her." Damit öffnete er die Tür.
Ein Mann stand auf der Veranda in Pullover und Jeans.
Er sah ganz normal aus.
Ich schüttelte innerlich den Kopf über mich selbst. Diese verfluchte Vampir-Sache machte mich ganz paranoid.
"Hey", grüßte der Mann Jeremy freundlich, ehe er einen Pizzakarton hochhielt, "Das macht dann 22 Dollar." Jeremy blickte daraufhin auf die Kommode, neben der Tür.
"Verdammt, Jenna hat den Geldbeutel wieder mit genommen", fluchte er leise, ehe er über die Schulter sah, "Elena?!", dann drehte er sich zu dem Mann zurück, "Hey, komm doch kurz rein und leg sie schon mal auf den Tisch." Der Mann trat langsam ein, während ich mich zu Jeremy drehte.
"Ich kann das zahlen", sagte ich und zückte meine Brieftasche, ehe ich ihm ein paar Dollarscheine hinhielt.
"Das ist nicht nötig, Alie..." sagte Jeremy kopfschüttelnd und ich verdrehte die Augen.
"So oft, wie ihr mich durchfüttert, ist das sehr wohl nötig", sagte ich und grinste ein wenig, ehe ich mich zu dem Pizzalieferanten drehte und ihm die Scheine in die Hand drückte, "Stimmt so."
"Danke", sagte er und lächelte, "Einen schönen Abend wünsche ich dir." Er zwinkerte mir zu, während ich etwas irritiert die Augenbrauen hob, ehe ich, nachdem er aus dem Haus getreten war, die Tür schloss.
Kein guter Zeitpunkt, um mit mir zu flirten.
Aber vielleicht tat dieser Typ das mit jedem Mädchen, an das er eine Pizza lieferte.
"Alie?" Ich drehte mich um zu Elena, die oben an der Treppe stand, "Kommst du hoch?"
"Klar", erwiderte ich, ehe ich Jeremy kurz zu lächelte, bevor ich an ihm vorbei nach oben ging.
So wie es aussah verbrachte ich die Nacht wieder einmal bei Elena.
Das war jedoch immer noch besser, als von einem Vampir umgebracht zu werden.
***
"Kann ich nicht einfach hier bleiben?", jammerte ich und ließ mich auf Elenas Bett fallen.
"Nein", kam es trocken aus dem Bad von meiner besten Freundin und ich seufzte, ehe ich nach der goldenen Taschenuhr griff, die auf dem Nachttisch lag.
Stefan hatte uns heute früh den Vampirkompass vorbeigebracht, den wir bereits gegen Logan benutzt hatten, so dass Elena und ich wussten, wenn Gefahr drohte.
Das war zwar keine dauerhafte Lösung, aber es beruhigte mich irgendwie. Trotzdem hatte ich noch immer keine Lust auf diesen verdammten Tanzabend mit Stefan und Elena.
Eine schlimmere Gefühlsfolter konnte ich mir nicht vorstellen.
Ich seufzte leise, ehe ich meine Willenskraft zusammennahm und wieder aufstand.
"Bist du dann endlich fertig?", fragte ich ins Bad.
"Ja, ja. Gleich", erwiderte Elena abwesend, ehe ich nur noch einen Föhn hörte, was mich die Augen verdrehen ließ.
"Elena, glatter werden deine Haare nicht", sagte ich genervt, doch sie hörte mich nicht.
Da spürte ich plötzlich wie der Kompass in meiner Hand begann zu vibrieren.
Erschrocken klappte ich ihn auf, nur um zu sehen, wie der Zeiger unruhig im Kreis umherglitt.
"Elena?!", rief ich alarmiert und der Föhn verstummte, als die Dunkelhaarige auch schon aus dem Bad trat.
"Was?"
"Der Kompass dreht sich", sagte ich bemüht ruhig und hielt ihr das Gerät hin. Elena spannte sich daraufhin an und ich sah wie auch sie versuchte Ruhe zu bewahren.
"Okay, ich... Ich ruf Stefan!", sagte sie und ich nickte etwas, ehe sie ihr Handy aus der Hosentasche zog und Stefans Nummer wählte. Während sie das tat, liefen wir zusammen aus ihrem Zimmer nach unten in den Flur.
Außer uns war niemand im Haus. Jenna und Jeremy waren bereits losgegangen.
Elena stellte auf Lautsprecher und ich hörte wie es klingelte, während ich begann im Flur unruhig auf und ab zu laufen.
"Er kann nicht rein", sagte ich leise, mehr zu mir, als zu Elena, "Er kann nicht rein." Wir waren hier sicher.
"'Stefans Apparat, kann ich behilflich sein?'", hob da endlich jemand ab, allerdings war es Damon, der da sprach.
"'Wo ist er?!'", fragte Elena unruhig.
"'Er ist auf dem Weg zu euch. Hat sein Handy vergessen'", erwiderte Damon und zeitgleich atmeten Elena und ich auf.
"'Ah, Gott sei Dank'", seufzte Elena und drehte mir den Rücken zu, "'Dieser Kompass hat sich immer zu gedreht-'" Was sie danach sagte, hörte ich nicht mehr, da sich in diesem Moment eine kalte Hand auf meinen Mund presste und ich mit übermenschlicher Geschwindigkeit zurückgezogen wurde.
Ich versuchte zu schreien, doch die Hand auf meinem Mund dämpfte das Geräusch zu sehr, als dass Elena es hätte hören können.
Ich wurde in die Küche um eine Ecke gezogen, wo ich gewaltsam herumgedreht wurde, so dass der Vampir direkt vor mir stand.
"Schrei nicht", befahl der Vampir leise und auch, wenn die Manipulation nicht wirkte, blieb mir der Schrei im Hals stecken als ich ihn erkannte. Es war der Pizzabote von gestern!
Jeremy hatte ihn hereingebeten.
"Alie?!", hörte ich Elena panisch aus dem Flur, doch ich konnte nicht reagieren. Ich starrte nur angsterfüllt auf den Vampir, der fasziniert mit einem Finger über meine Wange hinunter bis zu meinem Hals strich.
"Kyra...", hauchte er, ehe seine Augen sich blutrot färbten und blaue Adern unter ihnen hervortraten. Dann schnellte er nach vorne und griff an.
Ich spürte den Biss an meinem Hals und als der furchtbare Schmerz, den ich nie wieder hatte spüren wollen, eintrat, löste ich mich endlich aus meiner Angststarre und schrie auf, während ich verzweifelt versuchte, ihn von mir wegzudrücken, was mir natürlich nicht gelang.
"Nathalie!", rief da plötzlich jemand, ehe der Vampir von mir weggerissen wurde.
Meine Knie gaben nach und ich glitt zu Boden, als ich keinen Moment später spürte, wie sich Arme schützend um mich legten. Elena hielt mich fest, während der Vampir, der von Stefan, wie ich nun erkannte, weggestoßen worden war, mit übermenschlicher Geschwindigkeit aufsprang und durch die Hintertür nach draußen flüchtete.
"Alles in Ordnung?", fragte Stefan und wandte sich besorgt zu uns, "Keine Angst, er ist weg."
Ich konnte nur den Kopf schütteln. Nichts war in Ordnung.
Ich wusste nicht wie lange ich dort zitternd in Elenas Armen auf dem Boden saß, doch allmählich beruhigte sich mein rasender Puls wieder und ich atmete tief durch, ehe ich langsam aufstand.
"Geht's?", fragte Elena besorgt und ich nickte etwas, bevor ich nach einem Tuch, das bei der Spüle lag, griff, um es mir auf die blutende Wunde zu drücken.
"Wie ist er hier reingekommen?", fragte Stefan verwirrt, als wir langsam ins Wohnzimmer gingen, wo Elena sich auf dem Sofa niederließ, doch ich blieb stehen. Ich war zu unruhig, um mich hinzusetzen.
"Keine Ahnung, ich-", begann Elena, doch ich unterbrach sie.
"Gestern", murmelte ich, "Jeremy hat sich Pizza bestellt. Er hat sie geliefert. Ich...", ich atmete zitternd aus, "Ich hab ihm sogar Trinkgeld gegeben. Er wirkte völlig normal."
"Jeremy hat ihn reingebeten?!", fragte Elena entsetzt und ich nickte etwas.
In diesem Moment schlug plötzlich die Haustür auf, was sowohl Elena als auch mich unweigerlich zusammenzucken ließ, als ich Damon erkannte, der gehetzt den Raum betrat.
"Gott! Damon!", sagte Elena teils erschrocken teils verärgert, was der Schwarzhaarige jedoch gekonnt ignorierte. Sein Blick glitt nur suchend durch den Raum, ehe er meinen kreuzte.
"Was tust du hier?", kam es fragend von Stefan, doch auch das ignorierte der Schwarzhaarige, als er quer durch den Raum zu mir lief.
"Alles okay? Geht's dir gut?", fragte er besorgt und ich schluckte, als ich direkt in seine blauen Augen sah, bei deren Anblick sofort wieder diese unerträgliche Sehnsucht nach ihm in mir aufstieg.
"Alles gut", antwortete ich leise, "Woher weißt du von dem Angriff?" Fragend sah ich ihn an, während ich versuchte mich etwas vor ihm zurückzuziehen, doch er ließ es nicht zu. Stattdessen griff er sanft unter mein Kinn, um es leicht zu heben und einen Blick auf meinen Hals zu erhaschen.
"Ich hab dich am Telefon schreien hören", erwiderte er und musterte besorgt die Wunde, "Was ist passiert?" Er war extra hierher gesprintet, nur weil er meinen Schrei gehört hatte?
Ich spürte wie mir bei seinen Worten wunderbar warm wurde, doch ich verdrängte dieses Gefühl schnell wieder.
Er machte sich nur Sorgen um mich wegen Eveline. Auch wenn es ihm selbst anscheinend noch immer nicht ganz klar war, ich musste das unbedingt im Gedächtnis behalten. Sonst würde ich nie von ihm loskommen.
"Dieser Vampir vom Unfall hat Alie angegriffen", erklärte Elena und Damon drehte sich verwirrt zu ihr.
"'Wieso konnte er rein?'", fragte er.
"'Er ist reingebeten worden'", erwiderte Elena.
"'Er war gestern Abend hier und hat sich als Pizzalieferant ausgegeben'", fügte Stefan hinzu, während ich etwas von Damon wegtrat.
"'Tja, der Punkt geht an ihn'", sagte der Schwarzhaarige leise, "'Hat er gesagt, was er will?'"
"Nein, er war zu sehr damit beschäftigt, Alie die Kehle rauszureißen!", sagte Elena genervt, was Damon die Augen verdrehen ließ. Doch mir fiel in diesem Moment etwas ein.
"Kyra...", murmelte ich und erntete sofort fragende Blicke von den anderen, "Er hat mich Kyra genannt, bevor er..." Ich wollte den letzten Teil nicht aussprechen.
"Wer ist das?", fragte Elena, doch ich konnte nur mit den Schultern zucken, "Noch ein Doppelgänger?" Oh nein.
"Oh bitte nicht!", sagte ich kopfschüttelnd und spürte wie Wut in mir hochstieg, "So langsam habe ich es satt von Vampiren angefallen zu werden, weil ich irgendeiner anderen Frau ähnlich sehe!" Ich merkte im Seitenblick, wie Damon schuldbewusst den Blick senkte, doch das war mir im Moment egal.
"Hast du eine Ahnung, wer diese Kyra und der unbekannte Vampir sein könnten?", fragte Stefan da an Damon gewandt.
"'Nein?'", erwiderte dieser jedoch nur, was Stefan skeptisch die Augen verengen ließ, "'Hey, sieh mich nicht so an! Ich hab dir gesagt, dass wir Gesellschaft haben!'"
"Dann sind es also doch mehrere", sagte ich angespannt.
"'Das wissen wir noch nicht'", sagte Damon und trat wieder an mich heran, um mir beruhigend über den Rücken zu streichen. Ich widerstand dem Drang mich an seine Schulter zu lehnen und zog mich stattdessen erneut von ihm zurück. Damon bemerkte es und ich sah den Schmerz, der kurz über sein Gesicht glitt, bevor sich seine Miene wieder verschloss.
Gott, warum musste er es mir so schwer machen?
"'Damon'", brach Stefan das aufkommende Schweigen, "'Er ist reingebeten worden.'"
Damon blickte zu ihm auf, ehe er nickte.
"'Dann müssen wir ihn uns heute schnappen'", sagte er, "'Seid ihr dabei?'" Fragend blickte er zwischen Elena und mir hin und her.
"'Was sollen wir machen?'", fragte Elena und sprach damit meine Gedanken aus. Wie sollten wir bei einer Vampirjagd behilflich sein?
"'Lasst euch von uns zum Tanzen ausführen'", schlug Damon vor, "'Vielleicht taucht er da ja auf.'" Erschrocken sah ich ihn an. War das sein Ernst? Er wollte, dass wir zusammen ausgingen?
"'Das finde ich nicht gut'", sagte Stefan sofort. Da waren wir ja schon zwei.
"'So lange wir ihn nicht haben ist das Haus nicht sicher. Und zwar für jeden, der hier wohnt'", warf Damon ein und ich nickte verstehend. Elenas gesamte Familie wäre in Gefahr. Und wenn Elena und ich uns so in der Öffentlichkeit präsentierten, konnten wir ihn vielleicht tatsächlich anlocken.
"'Es ist ein Versuch wert'", fügte Damon noch hinzu und Elena seufzte.
"Na schön", sagte ich und blickte fragend zu meiner besten Freundin.
"'Einverstanden'", sagte sie nach kurzem Zögern, ehe sie beruhigend nach Stefans Hand griff, der noch immer nicht begeistert aussah, "'Zusammen mit euch beiden sind wir in Sicherheit.'"
Obwohl diese Aussage an Stefan gerichtet war, beruhigten Elenas Worte auch mich etwas.
Sie hatte recht. Stefan und Damon würden uns beschützen.
Auch wenn der Abend jetzt noch schlimmer werden würde, als gedacht.
Ich würde nicht nur mit dem Traumpaar ausgehen, sondern auch noch mit dem einen Mann, dessen Nähe ich momentan nicht ertragen konnte.
Ich hatte mich geirrt.
Es gab eine schlimmere Gefühlsfolter.
***
"Und schon wieder in der Turnhalle", seufzte ich leise, als wir den Parkplatz verließen und nun direkt vor besagtem Gebäude standen. Hoffentlich würde diese Party anders enden, als die letzte, die hier stattgefunden hatte.
"Also dann", sagte Elena nach kurzem Schweigen, ehe sie fragend zwischen uns dreien hin und her sah, "Wollen wir?"
Ich zupfte etwas nervös an meinem Halstuch, dass ich notgedrungen trug, um die riesige Bisswunde an meinem Hals zu verdecken, ehe ich etwas nickte.
Als Elena sich jedoch mit Stefan in Bewegung setzte und ich Anstalten machte ihnen zu folgen, griff Damon mich plötzlich am Arm.
"Geht ruhig schon. Wir kommen nach", sagte der Schwarzhaarige zu Stefan und Elena, die kurz fragend über die Schulter sahen, ehe sie weitergingen. Auch ich blickte Damon verwirrt an.
"Was ist?", fragte ich und spannte mich etwas an. Was ich noch weniger wollte, als mit ihm auf dieser Party zu sein, war, mit ihm allein zu sein.
"Ich will mit dir reden", sagte Damon, den Blick jedoch noch auf Stefan und Elena gerichtet, die in diesem Moment die Halle betraten, "Und zwar allein."
"Und weswegen?", fragte ich und meine Anspannung stieg, "Ich dachte, wir hätten alles geklärt."
"Ich hab gemerkt, wie du mir ausweichst", sagte Damon und blickte mich nun direkt an, während ich verständnislos die Stirn runzelte.
"Natürlich mache ich das! Weil wir nicht mehr zusammen sind, auch wenn du dich so verhältst, als wären wir es noch!"
"Das tue ich nicht!", widersprach er, was mich jedoch nur die Augenbrauen heben ließ, "Okay, vielleicht ein wenig", gab er da zu, ehe er seufzte, "Zoey, hör zu. Ich kann verstehen, dass du mich nach allem was passiert ist nur noch hassen und meiden willst. Aber ich habe noch immer Gefühle für dich und die kann ich nicht einfach ignorieren", ich setzte zu einem Widerspruch an, doch er redete schon weiter, "Ich weiß, was du darüber denkst. Ich... ich...", er hielt kurz inne, bevor er mich bittend ansah, "Ich fände es nur schön, wenn wir freundschaftlich miteinander umgehen könnten. Zumindest so lange bis ich hier verschwinde und du mich nicht mehr sehen musst."
Sprachlos sah ich ihn an. Er dachte, dass ich mich so verhielt, weil ich ihn hasste? Weil er für mich gestorben war?
"Ich hasse dich nicht!", sagte ich etwas energisch und musste mich im nächsten Moment zurückhalten, weiterzusprechen, "Ich..."
'Ich bin so zu dir, weil ich dich liebe!', hörte ich die Worte in meinen Gedanken und ich schloss kurz die Augen. Wie gerne hätte ich das laut gesagt, aber ich konnte nicht.
Es würde das alles nur schwerer machen.
"Ja", sagte ich schließlich, "Wir können Freunde sein bis du...", ich hielt kurz inne, als meine Stimme leicht wegbrach, was ich mit einem Räuspern kaschierte, "Bis du gehst."
Ich spürte wie sich ein dicker Kloß in meinem Hals bildete und behielt mit Mühe meine ausdruckslose Miene, als Damon mich erleichtert anlächelte.
"Danke", sagte er leise und ich nickte etwas, ehe er mir seinen Arm hinhielt, "Wollen wir dann?" Ich atmete einmal tief durch, ehe ich mich zögernd bei ihm einhakte und wir zusammen die Halle betraten. Dabei schluckte ich mit Mühe den Kloß wieder herunter und verdrängte den Schmerz und die Sehnsucht, was erstaunlich gut funktionierte. Wieso auch nicht? Ich hatte ja inzwischen Übung darin.
Kaum waren wir eingetreten schlug uns schon laut dröhnende Musik und der starke Geruch von Alkohol entgegen, was mich unwillkürlich das Gesicht verziehen ließ.
Wäre ich doch nur daheim geblieben.
Ich ließ mich von Damon durch den schmalen Gang führen bis wir in der Haupthalle standen, die über und über mit Schülern gefüllt war.
Einige waren an der Bar, ein paar an den Tischen am Rand der Halle, aber die meisten befanden sich auf der gigantischen Tanzfläche in der Mitte. Wie, um Gottes Willen, wollten die Brüder hier den Vampir finden?
"Siehst du irgendwen?!", fragte ich Damon und musste fast schreien, um die Musik zu übertönen.
Wo waren Stefan und Elena nur abgeblieben? Soweit konnten sie doch nicht sein.
Damon schüttelte nur den Kopf, ehe sein suchender Blick an einem bestimmten Punkt hängenblieb und er etwas grinste. Ich runzelte die Stirn und folgte seinem Blick, wo ich Bonnie und Caroline erkannte, die an einem der Tische standen. Sofort wusste ich, woran er dachte.
"Damon! Nein!", sagte ich sofort, doch er sah mich nur belustigt an.
"Komm schon, lass mir den Spaß!", sagte er und gegen meinen Willen musste ich etwas schmunzeln, ehe ich mich aufgebend von ihm zu den beiden rüber ziehen ließ. Eigentlich hätte ich ihm widersprechen müssen, doch da ich selbst etwas sauer auf Bonnie war, was sehr viel damit zu tun hatte, dass sie sich weigerte meine Gefühle für Damon ernst zu nehmen, ließ ich es doch zu.
"'Hi Bonnie!'", rief Damon, als Bonnie und Caroline beide zu uns aufsahen. Allerdings ignorierten sie Damon gekonnt und sahen stattdessen nur mich an.
"Hey, Alie!", sagte Caroline und betonte meinen Namen extra, fast als wollte sie damit klarstellen, dass sie nur mich willkommen hieß.
"Hi", erwiderte ich und setzte ein Lächeln auf.
"Du bist mit ihm hier?", fragte Bonnie jedoch nur erschrocken, was mich mit den Schultern zucken ließ.
"Die Umstände haben sich geändert", meinte ich nur und versuchte ihr dabei mit Blicken zu verstehen zu geben, dass ich ihr es nicht erklären konnte, so lange Caroline ahnungslos daneben stand. Aber in Wahrheit hatte ich auch nicht besonders viel Lust ihr die Situation zu erklären.
Sie konnte sich ruhig einmal Gedanken darüber machen, wieso ich hier mit Damon aufkreuzte.
"'Willst du tanzen?'", fragte Damon da, der unserem Gespräch keine Beachtung schenkte, an Bonnie gewandt, jedoch konnte ich an seinem Grinsen sehen, dass er die Antwort genau kannte. Er wusste genau, wie er sie auf die Palme brachte.
"'Ich verschwinde hier'", sagte Bonnie nur düster, ehe sie sich von uns abwandte.
"'Verzieh dich, Damon!'", fügte Caroline hinzu, ehe sie der Dunkelhaarigen folgte.
Damon grinste nur noch breiter, während ich den Kopf schüttelte.
"Du bist ein Arsch", sagte ich und musste dennoch etwas lächeln.
"Ich weiß", erwiderte er, "Und es macht höllischen Spaß." Mein Lächeln erstarb und nachdenklich sah ich ihn an, als ich eine Frage in meinen Kopf schlich.
Wieso zeigte er nach wie vor nur mir sein wahres Ich?
Noch bevor ich diese Frage zu Ende gedacht hatte, wusste ich die Antwort und sie verpasste meiner gerade erst verbesserten Laune einen ordentlichen Dämpfer: Er sah in mir nach wie vor Eveline.
In diesem Moment traten plötzlich Elena und Stefan zu uns und ihren Gesichtern nach zu urteilen, hatten sie die Szene mit Bonnie und Caroline mitbekommen.
"'Wo sind sie denn hin?'", fragte Elena scharf.
"'Keine Ahnung'", antworte Damon jedoch nur.
"'Was hast du zu ihnen gesagt?'", fragte Stefan nach.
"'Ich war absolut höflich!'", sagte Damon überzeugt, was mich die Augen verdrehen ließ.
"Höflich... Und provokativ", fügte ich hinzu und der Schwarzhaarige blickte zu mir, ehe er wieder grinste.
"Vielleicht", sagte er nur, während ich im Seitenblick merkte, wie Elena und Stefan synchron den Kopf schüttelten.
"Also ich für meinen Teil würde gerne tanzen", meinte meine beste Freundin schließlich, "'Darf ich um diesen Tanz bitten?'", fragte sie an Stefan gewandt, welcher nur zustimmend lächelte, ehe die beiden zusammen auf die Tanzfläche gingen.
Ich sah ihnen nur seufzend hinterher. Genau das hatte ich nicht sehen wollen.
"Also Zoey", riss mich Damon aus den Gedanken und ich blickte zu ihm, "Erweist du mir die Ehre mit mir zu tanzen?" Er hatte sich vor mich gestellt und hielt mir auffordernd eine Hand hin, während ich ihn überrascht ansah.
"Ich dachte, wir sind nur Freunde?", fragte ich nach.
"Auch Freunde können miteinander tanzen", widersprach Damon und ich hob leicht die Augenbrauen, "Ich kann es dir beweisen, wenn du mich lässt." Ich spürte wie die Gefühle, die ich gerade erst verdrängt hatte, zurückkehrten und die furchtbare Sehnsucht sich leicht mit dem Schmerz in meiner Brust mischte.
Ich wollte nichts lieber, als seine Hand greifen und mich in seine Arme ziehen lassen, jedoch würde diese Geste andererseits nur wieder schrecklich wehtun.
"Damon, ich weiß nicht...", sagte ich kopfschüttelnd, doch er unterbrach mich.
"Komm schon. Willst du nicht auch dem Traumpärchen die Show stehlen?", fragte er und nickte Richtung Tanzfläche, wo Stefan und Elena bereits die ersten Blicke auf sich zogen. Diese Worte brachten mich wieder zum lächeln.
Ihn nervte das anscheinend genau so sehr wie mich.
Ich zögerte noch einen Moment, ehe ich aufgab und Damons Hand ergriff.
Zusammen gingen wir auf die Tanzfläche, als jedoch genau in diesem Moment die Musik wechselte. Anstatt langsam und sanft spielte nun etwas schnelleres und lauteres, etwas, bei dem ich keine Ahnung hatte, wie man dazu tanzte.
"Okay, ich hab's mir anders überlegt", sagte ich zu Damon und wollte mich ihm entziehen, doch er hielt meine Hand eisern fest.
"Oh nein! Jetzt erst recht!", sagte er und grinste.
"Damon, ich kann vielleicht singen, aber im Tanzen bin ich eine absolute Null, vor allem zu solcher Musik!", flehte ich und blickte ihn hilflos an.
"Keine Angst", sagte er jedoch nur sanft, als er einen Arm um meine Hüfte legte und mich in die Richtige Position zog, "Du musst nicht gut tanzen können. Lass dich einfach von mir führen", da beugte er sich etwas vor, "Glaub mir, die Menge wird uns applaudieren", flüsterte er noch und ich wollte etwas erwidern, jedoch kam ich nicht mehr dazu, als er mich plötzlich mit dem einsetzenden Refrain eine Drehung machen ließ und die nachfolgenden Bewegungen so schnell gingen, dass ich nicht mehr sagen konnte, was mein Körper genau tat. Ich wusste nicht mehr, wo oben und unten war, und alles, was ich spürte, war die Musik in meinen Ohren und Damons Hände, die es schafften, dass ich mich genau passend zum Takt bewegte.
Mir entwich ein atemloses Lachen und es war fast seltsam, wie viel Spaß mir das machte, obwohl ich nicht einmal wusste, was genau ich da tat.
Doch es fühlte sich dennoch an, wie beim Singen: Man gab sich vollkommen der Musik hin und vergaß dabei die gesamte Welt um sich herum.
Da endete das Lied plötzlich und ich fand mich schließlich außer Atem knapp über dem Boden in Damons Armen wieder, der mich mit einer Hand an meiner Hüfte und einer unter meiner Kniekehle festhielt und somit verhinderte, dass ich komplett zu Boden glitt.
Ich sah ihm direkt in die Augen und spürte dabei seinen vollkommen ruhig gebliebenen Atem auf meinem Gesicht, das nur Zentimeter von seinem entfernt war, als ich mich dabei ertappte, wie mein Blick für den Bruchteil einer Sekunde zu seinen Lippen glitt.
Doch ehe ich mir mehr Gedanken darüber machen konnte, zog Damon mich wieder in eine aufrechte Position. Da ertönte plötzlich lauter Beifall um uns herum und erschrocken sah ich auf. Die anderen Schüler, die zuvor neben uns getanzt hatten, hatten nun einen Kreis um uns gebildet und klatschten begeistert.
"Siehst du", sagte Damon leise und ich spürte wie mir sämtliches Blut in die Wangen schoss, als ich schüchtern den Blick senkte.
Doch genauso schnell wie die Aufmerksamkeit der Menge gekommen war, so schnell verschwand sie wieder, als ein neues Lied begann und die Schüler wieder selbst tanzten.
Ich drehte mich langsam wieder zu Damon, der mich abwartend musterte.
"Das war... wow", brachte ich nur heraus, was ihn mal wieder grinsen ließ.
"Willst du nochmal?", fragte er herausfordernd, doch ich schüttelte schnell den Kopf.
"Oh Gott nein! Ich brauche erstmal eine Pause", sagte ich und lächelte entschuldigend, "Sonst kriege ich noch Atem-Probleme."
"Dann hol ich uns mal etwas zu trinken", erwiderte Damon, der mit so einer Antwort wohl gerechnet hatte und ich nickte dankbar.
"Ja, bitte", sagte ich noch, als er sich von mir abwandte und in der Menge verschwand.
Ich blickte ihm lächelnd hinterher, ehe ich mich besann und kurz die Augen schloss.
Von wegen Freundschaftstanz! Dieser Tanz hatte nur bewirkt, dass ich mich jetzt noch mehr nach ihm sehnte als vorher. Einfach großartig.
"Alie!", hörte ich da plötzlich jemanden hinter mir rufen und ich drehte mich um zu Elena, die sich wohl gerade durch die Menge gekämpft hatte und beunruhigt zu mir trat, "Wo ist Damon? Er war doch eben noch bei dir!"
"Ja, er ist nur etwas zu trinken holen...", erklärte ich, ehe ich innehielt, "Elena, was ist los?", fragte ich alarmiert, als die ganzen Sorgen von vorhin mit einem Schlag wieder da waren.
"Ich hab den Vampir gesehen", sagte sie leise und Angst stieg in mir hoch, als ich mich unauffällig umsah.
"Wo?"
"Hinten an der Bar. Er ist durch eine der Notausgänge geflohen, als ich ihn entdeckt habe", erklärte sie schnell, "Stefan ist ihm gefolgt und hat noch gemeint ich soll dich und Damon holen."
"Okay", murmelte ich leise, während ich versuchte ruhig zu bleiben, "Dann lass uns zu Damon gehen! Er müsste noch an der Bar sein!"
Elena wollte etwas erwidern, als in dem Moment ihr Handy klingelte. Ich spürte wie Übelkeit in mir hochstieg, als sie langsam das Telefon aus der Tasche zog und den Anruf annahm.
Sie sagte nichts, jedoch konnte ich an ihrem Gesicht, das kreidebleich wurde, ganz genau sehen, wer da am Telefon war.
Verzweifelt blickte ich mich in der Halle um. Damon musste doch jeden Moment wieder hier sein!
"Nein!", sagte Elena da energisch und ich sah sie besorgt an. Der Vampir wollte wahrscheinlich, dass wir die Halle verließen.
Doch dazu konnte er uns nicht zwingen!
Kaum hatte ich diesen Gedanken vollendet, glitt Elenas Blick an mir vorbei und sie wurde, wenn das überhaupt noch möglich war, noch blasser. Ich folgte ihrem Blick und entdeckte die Bar, wo Jeremy an der Theke stand und Damon, der ihm gegenüberstand und gerade ein Getränk entgegennahm.
Doch was mich entsetzt Luft holen ließ, war der Mann, der ein paar Meter entfernt von den beiden stand und sich ein Telefon ans Ohr hielt. Ich erkannte ihn sofort, auch wenn er nun seinen Kapuzenpullover abgelegt hatte, womit er wahrscheinlich auch Stefan und Elena getäuscht hatte.
Doch was mich wirklich entsetzte, war sein Blick, der eisern auf Jeremy gerichtet war und mir ging ein Licht auf.
Er würde ihn umbringen, wenn wir nicht taten, was er sagte.
"'Wage es ja nicht, ihn anzufassen!'", sagte Elena neben mir, was meinen Verdacht bestätigte.
Angsterfüllt blickte ich zu Damon, der mit Jeremy in ein Gespräch vertieft war und nichts von alldem mitbekam.
Wir waren allein.
Da griff Elena plötzlich nach meiner Hand und zog mich zu einer der Ausgangstüren, die in die Schule führten, als sie das Telefonat beendete.
"Komm. Wir müssen-", begann sie mit zitternder Stimme, doch ich unterbrach sie.
"Ich weiß!", sagte ich nur, als ich ihr nach draußen in den dunklen Flur folgte, wo wir schließlich losrannten.
In vollem Sprint liefen wir durch die vollkommen verlassenen Gänge und während Elena immer wieder nach hinten sah, wagte ich es nicht mich herumzudrehen.
Wir bogen um unzählige Ecken und obwohl ich mich eigentlich im Schulgebäude auskannte hatte ich inzwischen keine Ahnung mehr, wo wir waren.
Jedoch hatten wir bei den Türen, durch die wir liefen, auch nicht viel Auswahl, da die meisten verschlossen waren.
Dennoch rannten wir weiter und ich spürte wie mir langsam die Puste ausging, was meine Panik ungemein vergrößerte.
Wenn er uns einholte waren wir tot. Wir durften nicht stehenbleiben!
Da endete der Gang und Elena stieß eine Doppeltür auf, die Gott sei Dank offen war, und ich erkannte, wo wir waren.
Wir waren bis zur Mensa gerannt. Dieser Raum hatte jedoch nur zwei Eingänge.
Durch den einen waren wir gekommen und bei dem anderen konnte ich schon von weitem sehen, dass ein Schloss daran hing.
"Nein!", keuchte ich und fuhr zeitgleich mit Elena herum, als der Vampir, der nicht im Mindesten aus der Puste war, ebenfalls durch die Tür schritt und amüsiert zwischen Elena und mir hin und her sah.
Ich griff meine beste Freundin an der Hand und zog sie instinktiv hinter mich, während wir zeitgleich vor ihm zurückwichen.
Da schnellte der Vampir jedoch plötzlich mit übermenschlicher Geschwindigkeit nach vorne, so dass er dicht vor uns stand und ich erstarrte wie schon einmal heute, voller schrecklicher Angst.
Der Vampir musterte mich kurz, ehe er den Kopf leicht schräg legte.
"Dich hatte ich schon", sagte er kühl, als er mich an den Schultern packte und wie eine Puppe einfach zur Seite warf. Ich schrie auf, als ich quer durch die Luft flog und schmerzhaft in mehreren Stühlen landete.
Ich stöhnte kurz auf, fing mich jedoch schnell wieder. Es tat weh, jedoch war der Schmerz, als Vicky mich in die Holzpaletten geworfen hatte, wesentlich schlimmer gewesen.
"Jetzt bist du dran", hörte ich den Vampir sagen und ich blickte auf, als ich sah wie er auf Elena losging. Diese hatte jedoch nach einem Becher mit Bleistiften gegriffen, die auf einem der Tische gestanden hatten, welche sie ihm nacheinander in die Hand rammte, ehe sie es sogar schaffte ihn von sich zu stoßen.
Ich musste ihr helfen!
Zitternd versuchte ich auf die Füße zu kommen, doch außer Schmerzen zeigte mein Körper keine Reaktion. Ich hatte keine Kraft mehr.
Der Sprint und der Blutverlust hatten mich zu sehr ausgelaugt.
Ich blickte wieder auf, als ich ein Fauchen hörte und sah wie der Vampir sich wieder aufrichtete und mit Leichtigkeit den zerbrochenen Besenstiel abfing, den Elena gerade in seine Brust hatte rammen wollen. Er schmiss den improvisierten Pfahl weg, ehe er erneut auf Elena losging, die nun ohne Waffe dastand.
"ELENA!", rief ich verzweifelt aus, als in diesem Moment etwas durch den Raum schnellte.
Unendlich erleichtert erkannte ich Stefan, der den Vampir von hinten packte und ihn, bevor er Elena mit seinen Fangzähnen erreichte, auf die andere Seite des Raumes warf.
"'Hey Sackgesicht!'", rief jemand und mein Blick schnellte zu Damon, der an der Tür stand und einen Pfahl in den Händen hielt, "'Niemand will dich töten. Wir wollen uns nur unterhalten!'", sagte er, was jedoch den Vampir, der sich blitzschnell wieder aufgerichtet hatte, nicht sonderlich zu beeindrucken schien.
Er grinste bei Damons Worten nämlich nur spöttisch, ehe er zu mir herumfuhr und keine Sekunde später direkt über mir war. Ich schrie angsterfüllt auf, jedoch wurde er, bevor er nach mir greifen konnte, erneut quer durch den Raum geschleudert, nur diesmal von Damon.
"Ich korrigiere", sagte dieser nun, ehe er mit dem Pfahl ausholte und ihn in den Bauch des Vampirs rammte, bevor dieser die Chance hatte sich wieder aufzurichten, "Jetzt steht es in den Sternen, ob du hier lebend rauskommst!"
"'Leck mich doch!'", spuckte der Vampir wütend und versuchte sich von dem Holzstück in seinem Körper zu befreien.
Jedoch machte Stefan ihm einen Strich durch die Rechnung, als er urplötzlich neben Damon stand und den Pflock griff, um ihn langsam in der Wunde herumzudrehen, was den Vampir aufschreien ließ.
"Alles okay?" Ich sah auf zu Elena, die zu mir gelaufen war und mich besorgt auf die Füße zog. Ich nickte leicht, ehe ich wieder zu den anderen sah.
"'Wieso machst du das?'", fragte Stefan leise, was den Vampir jedoch nur grinsen ließ.
"'Weil's Spaß macht'", antwortete er wie selbstverständlich, was nun Damon nach dem Pfahl greifen ließ, um ihn erneut in der Wunde herumzudrehen. Der Vampir schrie erneut und ich merkte wie Elena neben mir wegsah, doch mich ließ dieser Anblick seltsamerweise ziemlich kalt. Ich hatte ja schon des Öfteren gesehen, wie Vampire von irgendwas durchbohrt worden, seien es nun Pflöcke, Holzkugeln oder Bleistifte.
"'Was willst du von Nathalie und Elena?!'"; fragte Stefan direkter und der Blick des Vampirs wanderte zu uns. Mir lief es eiskalt den Rücken herunter und jetzt wandte ich doch den Blick ab.
"Sie sehen aus wie Kyra und Katherine...", murmelte er leise und ich schluckte. Also hatte Elena recht behalten. Kyra war ein weiterer Doppelgänger.
"Wer zum Teufel ist Kyra?", fragte Damon verwirrt und sprach damit meine und wahrscheinlich auch die Gedanken der anderen aus. Ich sah wieder auf das Geschehen und wartete auf die Reaktion des Vampirs. Dieser grinste jedoch nur spöttisch.
"Oh...", er legte den Kopf leicht schräg, "Hat Katherine euch etwas nicht genug vertraut, um von ihrer besten Freundin zu erzählen? Dabei dachte ich, ihr hättet ihr nah gestanden."
Ich presste beunruhigt die Lippen zusammen und sah zwischen den beiden Brüdern hin und her. Hoffentlich ließen sie sich nicht provozieren.
Jedoch zeigte weder Stefan noch Damon eine Reaktion, was mich etwas erleichterte.
"'Sag mir, wie man in die Gruft kommt'", sagte Damon schließlich und ich spannte mich an. Jetzt war es so weit. Jetzt würde Damon erfahren, wie er Katherine zurückbekommen konnte.
Ich ignorierte den Schmerz, den dieser Gedanke in meiner Brust auslöste.
"'Nein'", erwiderte der Vampir trotzig und ich hielt die Luft an. Er wusste es also.
Stefan griff daraufhin erneut nach dem Pfahl und diesmal schrie der Vampir nicht, sondern stöhnte nur erstickt auf. Ihm ging die Kraft aus.
"'Das Grimoire!'", sagte er da schließlich schwer atmend.
"Wessen Grimoire?!", fragte Damon, der langsam ungeduldig wurde. Grimoire? Also ein Zauberbuch?
"'Emilys!'", antwortete der Vampir widerstrebend, ehe er schmerzerfüllt das Gesicht verzog, da Stefan den Pfahl nach wie vor nicht losließ.
"'Wo ist es?!'", fragte Damon weiter. Der Vampir blickte ihn nur wütend an, als Stefan nochmals den Pfahl in seinem Bauch herumdrehte.
"'Seht das Tagebuch durch! Jonathans Tagebuch! Jonathan Gilberts!'", rief er da aus und ich tauschte einen Blick mit Elena. Das Tagebuch ihres Vorfahren führte also zu diesem Buch? Und dieses Buch konnte die Gruft wieder öffnen?
"'Wer arbeitet mit dir zusammen?'", fragte Stefan, der ebenfalls einen Blick mit Damon getauscht hatte.
"'Wer ist noch mit dabei?!'", fragte Damon nach, als der Vampir mal wieder nicht antwortete.
"'Nein'", sagte er ruhig und es war klar, dass er das niemals verraten würde, egal wie viel Schmerz die Brüder ihm zufügen würden.
Auch Stefan und Damon schienen das zu wissen, als Damon leicht nickte und Stefan sich zu dem Vampir hinunter beugte, um den Pfahl aus seinem Bauch zu ziehen.
Dieser holte erleichtert Luft, als Stefan plötzlich nochmals zustieß, nur dass er den Pflock diesmal in die Brust des Vampirs rammte, der darauf ein letztes Mal qualvoll aufstöhnte, ehe jegliche Farbe von seiner Haut wich und er erschlaffte.
Ich atmete erleichtert auf und schloss kurz die Augen.
Es war vorbei.
Wir hatten die Nacht überstanden. Der Vampir war tot und konnte weder Elena noch mir noch irgendetwas antun. Und Damon hatte endlich herausgefunden, wie die Gruft zu öffnen war.
Der ganze Horror würde bald ein Ende haben.
Ich öffnete die Augen wieder und blickte schmerzlich zu Damon.
Bald würde er für immer aus meinem Leben verschwinden.
Broken
"Now the day bleeds
Into nightfall
And you're not here
To get me through it all
I let my guard down
And then you pulled the rug
I was getting kinda used to being someone you loved..."
-Someone You Loved, Lewis Capaldi
Es war bereits dunkel, als ich aus dem Auto stieg und hastig über den Asphalt Richtung Haustür lief. Stefan wartete an der Tür und trat einen Schritt zur Seite, um mich herein zu lassen. Ich hatte das Anwesen kaum ganz betreten, als mein Blick, den von Damon traf.
Er saß vor dem großen Kamin im Salon und rührte sich nicht. Er starrte einfach still und mit ausdruckloser Miene in die Flammen.
Fragend sah ich kurz zu Stefan, welcher nur schweigend den Kopf schüttelte, was mich leise seufzen ließ.
Das alles war meine Schuld...
Mehrere Stunden zuvor...
"Und räum die Klamotten sofort in deinen Schrank, Zoey!"
"Ja, Mom", erwiderte ich abwesend und verdrehte für sie nicht sichtbar die Augen, als sie auch schon wieder aus meinem Zimmer verschwand und die Tür schloss.
Ich schaltete die Musik auf meinem Mp3-Player wieder ein, ehe ich ihn mir in die Hosentasche steckte und seufzend von meinem Bett aufstand, während die Musik durch die Kopfhörer in meinen Ohren dröhnte.
"I fell in love with the devil. And now I'm in trouble", begann ich leise mitzusingen, während ich mir eines der frisch gewaschenen Jeans schnappte, die meine Mutter ins Zimmer gebracht hatte und sie in meinen Kleiderschrank räumte, "I fell in love with the devil. I'm underneath his spell." Ich drehte mich um und schnappte mir das nächste Paar Jeans, während ich hörbar ausatmete.
Ich hätte nie gedacht, dass ich lieber mal zur Schule gehen würde, anstatt Ferien zu haben.
Und dennoch wäre mir der langweilige Geschichtsunterricht, der durch unseren neuen Lehrer Mr. Saltzman nur geringfügig besser geworden war, momentan tausend Mal lieber, als hier daheim rumzusitzen und krampfhaft zu versuchen nicht an Damon und die Gruft, die er öffnen wollte, zu denken.
Und da war es schon wieder passiert! Verdammt nochmal!
"Someone send me an angel! To lend me a halo!", sang ich nun lauter und schüttelte den Kopf, um die Gedanken darin loszuwerden, was mir natürlich nicht gelang.
Ich griff nun nach einem meiner Shirts und faltete es sorgfältig zusammen.
Ich hatte seit gestern nichts mehr von den anderen gehört. Damon, dem Stefan noch am Abend der Tanzparty seine Hilfe zugesagt hatte, war dem Tagebuch von Elenas Vorfahren auf der Spur gewesen. Mehr hatte er mir nicht erzählt, als er gestern Nachmittag wie so oft in letzter Zeit in meinem Zimmer gestanden hatte.
Jedoch hatte ich auch nicht mehr wissen wollen. Ich wollte nichts mit dieser Gruftsache zu tun haben. Ich wollte nicht sehen, wie Damon Katherine befreite und dann mit ihr glücklich in den Sonnenuntergang ritt.
"I fell in love with the devil. Please, save me from this hell..." Ich schluckte den Kloß herunter, der sich bei den letzten Worten in meinem Hals bildete und atmete einmal tief durch, ehe ich das gefaltete Oberteil, das ich bis jetzt umklammert gehalten hatte, in den Schrank legte.
Ich drehte mich wieder zu dem Wäschehaufen auf meinem Bett, als mir ein gellender Schrei entwich und ich einen Schritt zurücksprang. Stefan stand direkt vor mir und hob nun beschwichtigend die Hände.
"Ganz ruhig! Ich bin's!", sagte er leise, nachdem ich mir die Kopfhörer aus den Ohren gerissen hatte und ihn einfach nur mit großen Augen ansah.
"Zoey, Schatz? Alles in Ordnung?", hörte ich meine Mutter gedämpft durch die Tür und ich drehte mich kurz zu ihr.
"Ja, alles gut. Ein Vogel ist gegen die Scheibe geflogen und hat mich zu Tode erschreckt", erklärte ich knapp und hatte Mühe meine Stimme dabei ruhig zu halten.
Als darauf keine Antwort mehr kam, drehte ich mich langsam wieder zu Stefan, während ich krampfhaft versuchte meinen rasenden Herzschlag zu beruhigen.
"Was verdammt nochmal machst du in meinem Zimmer?!", fragte ich aufgebracht, auch wenn ich meine Stimme gesenkt hielt, für den Fall, dass meine Mutter noch im Flur stand.
"Tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken", sagte Stefan entschuldigend.
"Ich weiß ja nicht, ob ihr Vampire das verlernt habt oder es einfach nicht für nötig haltet, aber normalerweise ist es üblich, wenn man eine Person sprechen will, dass man an ihre Haustür klopft und höflich fragt, ob sie Zeit hat. Man lauert ihr nicht in ihrem Schlafzimmer auf!" Sauer funkelte ich den Dunkelblonden an, welcher meinen Blick nur ernst erwiderte.
"Glaub mir, das mache ich normalerweise auch so, nur habe ich momentan keine Zeit dafür", sagte er und ich wollte etwas erwidern, doch er sprach schon weiter, "Nathalie, Elena ist entführt worden!" Meine Wut schwand in sekundenschnelle und wurde zu Entsetzen.
"Was?!", fragte ich erschrocken, "Wie? Wer? Warum?!", sprudelte es aus mir heraus.
"Anna hat sie gestern Abend geschnappt, als wir-", fing Stefan, doch ich unterbrach ihn sofort.
"Wer zum Teufel ist Anna?" Stefan seufzte.
"Sie ist die Tochter von Pearl, Katherines damaligen Vertrauten", erklärte er und ich erinnerte mich. Stefan hatte sie einmal erwähnt als er Elena und mich aufgeklärt hatte.
"Also ist sie ein Vampir?", fragte ich nach und Stefan nickte, "Und wieso hat sie Elena entführt?" Hoffentlich war das nicht schon wieder so eine Doppelgänger-Sache.
"Sie will ebenfalls in die Gruft", erwiderte Stefan schlicht, "Sie will ihre Mutter befreien. Jedoch hat Damon das Grimoire und um darum verhandeln zu können, hat sie sich Elena geschnappt. Damit ich für sie mit Damon verhandle." Ich begann unruhig im Raum auf und ab zu laufen, während Stefan sprach. Also hatte Damon das Zauberbuch tatsächlich gefunden.
"Dann verhandle doch mit Damon!", sagte ich und sah ihn verständnislos an. Wieso verschwendete er Zeit mit mir, wenn er lieber mit Damon reden und Elena so schnell wie möglich befreien sollte?!
"Das hab ich versucht!", sagte Stefan nun etwas aufgebracht, "Aber seit gestern Abend ist er nicht sonderlich gut auf mich zu sprechen..." Er senkte den Blick und ich spannte mich an.
Aus irgendeinem Grund konnte ich mir ziemlich genau denken, wieso Damon nicht gut auf seinen Bruder zu sprechen war.
"Du hast ihn verraten, nicht wahr?", fragte ich leise. Stefan antwortete nicht, sondern blickte weiter zu Boden. Ich schnaubte, als erneut Wut in mir aufstieg.
Genau deshalb war Damon gestern bei mir gewesen. Er hatte mich gefragt, ob er Stefan und Elena vertrauen konnte, dass sie ihm helfen würden. Ob ich es selbst tat.
Mich durchfuhr ein Schauer als ich an seinen Blick zurückdachte, der in diesem einen kurzen Augenblick so verletzlich und unsicher gewesen war.
"Wie konntest du ihm das antun?", fragte ich leise und Stefan blickte ungläubig zu mir auf.
"Was? Ich konnte doch nicht zulassen, dass er all diese Vampire auf euch loslässt-"
"Alles, was er wollte, war Katherine da rauszuholen! Wieso gönnst du ihm das nicht?!", Stefan wollte etwas erwidern, doch ich sprach schon weiter, "Was, wenn Elena da drin wäre?! Würdest du sie auch zum Wohle der Allgemeinheit für immer da drin versauern lassen?!" Herausfordernd sah ich ihn an.
Stefan öffnete leicht den Mund und schloss ihn wieder, anscheinend hatte er keine Antwort darauf.
Seufzend drehte ich ihm den Rücken zu und zog eine Jacke aus meinem Schrank.
"Bring mich einfach zu ihm", sagte ich und wandte mich wieder zu Stefan. Dieser nickte erleichtert.
"Danke", meinte er, doch ich schüttelte den Kopf.
"Damit das klar ist, ich mache das nicht für dich, sondern für Elena!" Er nickte erneut, ehe er mir Richtung Tür folgte.
Der Tag konnte ja nur eine Katastrophe werden.
***
Langsam lief ich durch den dunklen Flur des Salvatore-Anwesens, während außer meinen Schritten nichts im Haus zu hören war.
Stefan hatte mich vor der Tür abgesetzt und war direkt weitergefahren, um nach Bonnie zu sehen, da sie als Bennett-Hexe die einzige war, die die Gruft öffnen konnte, konnte auch sie in Gefahr sein.
Ich war also allein mit Damon. Wenn er überhaupt zu Hause war, denn ich hatte ihn bisher weder in seinem Schlafzimmer noch im Salon finden können.
Doch kaum hatte ich diesen Gedanken vollendet, entdeckte ich ihn durch die offene Tür, die in die Bibliothek führte.
Dort stand er, still wie eine Statue, mit einem Whiskeyglas in der Hand.
Ich schluckte. Ich musste es um jeden Preis schaffen ihn zu überzeugen. Nur durch ihn konnten wir Elena finden. Wenn wir zu spät kommen würden...
Schnell schüttelte ich den Kopf, um diesen Gedanken loszuwerden.
Ich atmete tief durch und betrat den Raum, während Damon noch immer keine Reaktion zeigte, auch wenn ich mir sicher war, dass er mich bereits gehört hatte, als ich das Haus betreten hatte.
"Damon?", begann ich sanft und trat vorsichtig auf ihn zu. Kurz stand er weiterhin still da, ehe er sich etwas regte, jedoch nur um das Whiskeyglas an seinen Mund zu führen.
"Ich wusste, dass du früher oder später herkommen würdest", sagte er leise und nippte an dem Glas, "Lass mich raten, Stefan hat dich geschickt, um herauszufinden, wo seine heiß geliebte Elena ist." Seine Stimme klang bitter und spöttisch, was meine Wut auf Stefan noch mehr steigerte. Durch seinen Verrat hatte er Damon dazu gebracht sein gutes wahres Ich noch mehr zu verstecken und jetzt sogar mir nur noch das Monster zu zeigen für das ihn jeder hielt. Ich konnte es ihm nicht einmal verübeln. Es hieß nicht umsonst, dass der beste Weg seine Gefühle nicht verletzen zu lassen, der war, so zu tun, als hätte man keine.
"Ja", antwortete ich ihm gerade heraus, was ihn schnauben ließ.
"Tut mir leid, Zoey", sagte er, jedoch schwang keinerlei Gefühl in seiner Stimme mit, "Aber ich werde den Teufel tun, ihren Aufenthaltsort zu verraten, nur, weil mein Bruder dich vorschickt, um meine Schwäche auszunutzen." Ich hob kurz überrascht die Augenbrauen.
Er sah mich als seine Schwäche an?
Ich schüttelte wie eben schon den Kopf und verwarf den Gedanken wieder. Darum ging es jetzt nicht.
"Ich bin nicht hier, um Stefan zu helfen", sagte ich fest, "Ich bin hier, weil meine beste Freundin in Gefahr ist und du der einzige bist, der sie retten kann!"
Damon schnaubte erneut, ehe er sich umdrehte und ohne mich anzusehen an mir vorbei zu einem kleinen Tisch lief, um sich etwas in sein Glas zu schütten, was meine geringe Hoffnung noch mehr sinken ließ.
Wie sollte ich zu ihm durchdringen, wenn er so war?
"Ich weiß, was Stefan dir angetan hat", versuchte ich weiter auf ihn einzureden, "Und glaub mir ich bin genau so sauer auf ihn wie du-"
"Ach, bist du das?!", fuhr er mich plötzlich an und drehte sich zu mir herum, was mich leicht zusammenzucken ließ. Doch genau das schien ihn wohl etwas zur Besinnung zu bringen, denn er hielt kurz inne, ehe er hörbar ausatmete und an mir vorbei in die Flammen des Kamins starrte.
Wieder wurde es ruhig und ich wagte es nicht, mich zu bewegen oder etwas zu sagen.
"Ich habe dich gestern gefragt, ob ich ihm vertrauen sollte", murmelte Damon da und es schien, dass er es mehr zu sich selbst als zu mir sagte.
"Und ich habe Nein gesagt", sagte ich leise und musterte ihn mitleidig als er schnaubte.
"Richtig...", er schüttelte leicht den Kopf, "Hätte ich mal auf dich gehört."
"Dafür ist es noch nicht zu spät!", sagte ich nun wieder etwas fester und sein Blick glitt zu mir, "Du kannst jetzt auf mich hören!", langsam trat ich an ihn heran, "Hilf mir, Elena zu befreien. Sie aus Rache an Stefan sterben zu lassen, wird dieses miese Gefühl, das du spürst, nicht mildern!"
"Ich fühle nichts", erwiderte Damon nur kühl und ich begegnete seinem Blick, der genauso eisig war wie das Blau seiner Augen, was mich leise schlucken ließ.
Nein, ich durfte mich davon nicht täuschen lassen. Ich kannte ihn zu gut, als dass er mich damit abschrecken könnte.
"Doch, tust du", sagte ich und trat direkt vor ihn, so nah, dass ich bereits seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte, "Du willst nur nicht, dass andere es sehen. Du willst, dass dich alle wieder für das Monster halten, das du vorgibst zu sein. Doch bei mir funktioniert das nicht. Nicht mehr." Ich hielt seinem Blick stand und triumphierend sah ich wie die eisige Mauer etwas zu bröckeln schien und er mit sich haderte.
"Bitte hilf mir, Elena zu retten", wiederholte ich leise, als mir etwas in den Sinn kam, was mich kurzerhand einen Entschluss fassen ließ, "Und ich verspreche dir dafür, dir zu helfen Katherine zu befreien." Gerade so konnte ich verhindern bei den letzten Worten schmerzerfüllt das Gesicht zu verziehen.
Es war das letzte auf der Welt, das ich tun wollte, doch es war unmöglich, dass Damon mir ohne Gegenleistung helfen würde und außerdem musste dieser Kampf irgendwann ein Ende haben.
"Dieses Versprechen habe ich schon einmal gehört", murmelte Damon und seine Stimme war genauso leise wie es meine zuvor gewesen war.
"Ja, von Stefan. Doch diesmal verspreche ich es dir!", sagte ich fest, während er mich weiterhin zweifelnd ansah, "Vertraust du mir?"
Als wäre das die entscheidende Frage gewesen, wurde sein Blick plötzlich weicher und sämtlicher Zweifel verschwand aus seinem Gesicht.
"Du bist die Einzige in dieser Stadt, der ich vertraue", sagte er als er eine Hand hob und sanft mit dem Daumen über meine Wange strich. Ich erschauerte bei der Berührung und für diesen einen schmerzhaften Moment ließ ich seine Nähe zu, wohlwissend dass bald eine andere an meiner Stelle sein würde.
"Dann glaube mir, wenn ich dir verspreche, dass ich dir helfen werde", hauchte ich, als er seine Hand wieder sinken ließ und hörbar ausatmete. Ein paar qualvolle Sekunden verstrichen ohne, dass einer von uns etwas sagte.
"Ich glaube dir", sagte Damon da schließlich und erleichtert atmete ich auf, "'Lass es mich nicht bereuen.'" Ich nickte.
Ich würde ihn nicht enttäuschen.
***
-Damons Sicht-
Im schnellen Laufschritt bahnte sich der Schwarzhaarige einen Weg durch den Wald des Friedhofs, während er dabei dem einen oder anderen betrunkenen Schüler ausweichen musste.
Natürlich fand genau heute Nacht eine Party auf dem alten Friedhof statt, keinen Kilometer von der Gruft voller Vampire entfernt, die sie in den nächsten Stunden öffnen würden.
Nachdem Nathalie ihn schlussendlich überzeugt hatte, war alles sehr schnell gegangen.
Er hatte ihr Annas Adresse gegeben und sie war damit sofort zu Stefan gegangen, damit er Elena und wie sich später herausgestellt hatte, auch Bonnie befreien konnte, die Anna ebenfalls geschnappt hatte.
Damon musste zugeben, dass er anfangs noch etwas misstrauisch gewesen war, ob Nathalie ihm nun nach der Rettung tatsächlich helfen würde, die Gruft zu öffnen, doch nur ein paar Stunden später hatte sie ihm per Anruf Bescheid gegeben, dass sie die Gruft noch heute Nacht öffnen würden, was ihn vollkommen überrascht hatte.
Er hatte ja leichte Zweifel gehabt, ob Nathalie überhaupt versuchen würde, ihm zu helfen, doch dass sie es innerhalb weniger Stunden geschafft hatte, die Bennett-Hexen, Elena und auch noch Stefan zu überzeugen, wäre ihm nicht einmal im Traum eingefallen.
Aber eigentlich hätte es ihn nicht wundern sollen, er hatte immerhin erst vor wenigen Stunden am eigenen Leib erfahren wie überzeugend sie sein konnte.
"Hey, warte mal!", hörte der Schwarzhaarige da plötzlich jemanden rufen und etwas verwirrt blieb er stehen, um über die Schulter zu sehen, "Damon, stimmt's?"
Kurz runzelte Damon irritiert die Stirn und fragte sich, warum Elenas kleiner Bruder, ihn ansprach als wären sie sich noch nie begegnet bis es ihm einfiel. Er hatte Jeremy manipuliert Vickys Tod zu vergessen und dabei auch seine Erinnerungen an das Gespräch darüber gelöscht. So gesehen hatten die beiden also tatsächlich noch kein Wort miteinander gewechselt. Selbst auf der Tanzparty hatten sie nur Blicke gewechselt.
"Der einzige Wahre", antwortete Damon auf die Frage, "Und du bist Jeremy, richtig? Elenas kleiner Bruder?" Er bemerkte, wie Jeremy bei den letzten Worten kurz die Augen verengte und musste ein Grinsen unterdrücken. Er mochte es wohl nicht als Kind angesehen zu werden. Auch wenn er eins war.
"Ich bin ein Freund von Alie", erwiderte Jeremy nur und nun war Damon dran damit die Augen zu verengen, was einerseits daran lag, dass er deutlich den eifersüchtigen Unterton in Jeremys Stimme herausgehört hatte, andererseits weil er immer noch eine Aversion gegen den Spitznamen hatte, den Jeremy und Elena für Nathalie hatten. Unkreativer hätten sie da nicht sein können.
"Nachdem, was ich gehört habe bist du eher ihr Exfreund, oder?", erwiderte Damon ein wenig spöttisch, als auch bei ihm etwas Eifersucht hochkam. Genau genommen war Jeremy nicht einmal das. Nathalie hatte ihn abgewiesen noch bevor er ihr irgendwie hätte näherkommen können.
"Du doch auch", konterte Jeremy und Damon spannte seinen Kiefer leicht an als Wut in ihm hochstieg, welche er jedoch schnell wieder unter Kontrolle brachte. Er konnte hier vor all den Schülern keine Szene machen, auch wenn dieser Junge, der nicht einmal ein Viertel so alt war wie er, keinen Gegner für ihn darstellte.
"Wieso interessiert dich das?" Damon war selbst kurz beeindruckt davon wie ruhig und gleichgültig seine Stimme klang. Seine Fähigkeit seine Gefühle vor anderen zu verbergen hatte ihn wohl noch nicht ganz im Stich gelassen. Nur bei Nathalie...
"Ich dachte, du bist mit Anna zusammen?", fügte der Schwarzhaarige schnell hinzu, bevor seine Gedanken weiter in diese Richtung gehen konnten.
Jeremy hatte tatsächlich sehr viel Zeit mit Annabell verbracht, was auch der Grund war, wieso sie überhaupt in Elenas Haus gekommen war und sie hatte entführen können.
"Ich bin nicht mit Anna zusammen!", widersprach Jeremy etwas heftig und Damon hob ungläubig die Augenbrauen, "Ja, ich weiß, dass das so aussieht und wenn es nach ihr ginge, wäre das wohl auch so, aber..." Er hielt inne und Damon konnte eins und eins zusammenzählen.
"Aber du willst es nicht, wenn du Nathalie haben kannst", vervollständigte er den Satz und musste im nächsten Moment die Augen schließen, als er spürte wie durch seine aufkommende Wut das Blut in sie schoss. Der Gedanke, Nathalie in den Armen dieses Jungen zu sehen machte ihn fuchsteufelswild.
Doch er durfte nicht.
Damon nahm ein paar tiefe Atemzüge und brachte damit seine Gefühle wieder unter Kontrolle.
Er hatte keinerlei Recht wütend zu sein. Er hatte keinen Anspruch mehr auf Nathalie.
Außerdem war seine Liebe zu ihr sowieso nicht echt. Das hatte sie selbst gesagt. Seine Gefühle kamen nur von Evie...
Aber wieso verdammt nochmal zweifelte er selbst so sehr daran?!
"Richtig", sagte Jeremy leise und riss ihn damit aus den Gedanken und langsam sah er zu dem Jungen auf, der noch immer vor ihm stand, aber offenbar selbst in seinen eigenen Gedanken versunken gewesen war.
Damon atmete hörbar aus. Er musste Nathalie loslassen. Er war wegen Katherine hier. Nicht wegen ihr.
"Nathalie und ich sind nur Freunde", sagte Damon schließlich, "Wenn sie dir also etwas bedeutet-"
"Ich liebe sie!", erwiderte Jeremy etwas energisch und Damon unterdrückte ein spöttisches Schnauben. Er hatte doch nicht die leiseste Ahnung von Liebe.
"Wenn du sie liebst", begann Damon erneut, "Dann sei mit ihr zusammen, bevor-"
"Du es dir anders überlegst?", unterbrach Jeremy ihn erneut und nun war er derjenige mit einem spöttischen Unterton, doch diesmal ließ Damon das völlig kalt.
"Bevor jemand anderes kommt", beendete er seinen Satz, "Ein Mädchen wie sie lässt kein Mann freiwillig gehen." Damit wandte er sich ab und ließ Jeremy hinter sich zurück, der ihm nur verwundert hinterher sah.
Nun etwas schneller als zuvor entfernte sich Damon von der Party und steuerte sein eigentliches Ziel an, während er mehrmals leicht den Kopf schüttelte, um diesen wieder frei zu kriegen.
Er war spät dran. Er musste sich beeilen.
Einige Minuten lief er durch den Wald, während der Lärm der feiernden Teenager immer leiser wurde und er spürte, wie er auch selbst wieder etwas zur Ruhe kam.
Der Gedanke an Nathalie konnte ihn immer wieder aufs Neue auf die Palme bringen. Damon hoffte inständig, dass sich das ändern würde, sobald Katherine wieder in seinen Armen sein würde. Doch noch wagte Damon das nicht zu hoffen.
Er hatte schon viel zu oft auf Katherines Befreiung gehofft und viel zu oft war diese Hoffnung brutal zerstört worden.
Er würde also erst zu hoffen wagen, wenn er den eindeutigen Beweis hatte.
Als wären seine Gedanken erhört worden, tauchte die alte Ruine der Kirche vor ihm auf, vor der eine Gestalt stand und wartete.
Nathalie. Wieso war sie allein?
"Solltest du nicht Gesellschaft haben?", fragte Damon misstrauisch und sie blickte erschrocken auf in seine Richtung. Sie konnte ihn als Mensch in der bloßen Dunkelheit natürlich nicht sehen.
"Da bist du ja endlich!", sagte sie, als ihn schließlich erkannte, als er nähergetreten war, "Du kommst sehr spät."
"Ich bin aufgehalten worden", erwiderte Damon kühl, während er sich unauffällig umsah. Weit und breit war niemand zu sehen. War es doch eine Lüge gewesen?
"Von wem?", fragte Nathalie nach, doch das würde Damon ihr sicher nicht verraten.
"Unwichtig", wank er nur ab, ehe er sie skeptisch ansah, "Solltest du nicht zwei Hexen an deiner Seite haben?"
"Sie sind schon unten", antwortete Nathalie beruhigend und ungewollt durchfuhr ihn Erleichterung, ehe er sich zusammenriss. Wieso konnte er vor jedem seine Gefühle verstecken außer vor ihr?
"Der Deal ist, dass sie die Tür öffnen, du Katherine rausholst und Stefan dann die restlichen Vampire verbrennt", erklärte Nathalie und kurz stutzte Damon. Davon hatte sie vorhin nichts erwähnt.
Aber das war auch unwichtig. Ihm sollte es recht sein.
Er nickte, was sie erwiderte, ehe er ihr zu der Treppe folgte, die durch einen schmalen Gang unter die Erde in die Gruft führte, welche schon durch mehrere Fackeln erhellt wurde.
Bonnie und ihre Großmutter Sheila Bennett standen in der Mitte des Raumes und hielten sich an den Händen, während sie irgendwelche Zaubersprüche vor sich hin murmelten. Sie hatten also bereits angefangen. Nur ob dieser ganze Hokuspokus klappte, wagte Damon immer noch zu bezweifeln.
Damon ließ seinen Blick weiterschweifen und entdeckte Stefan und neben ihm stand zu seinem großen Missfallen Elena.
Dieses Mädchen musste auch überallhin mitkommen.
"Du kommst spät", sagte Stefan, der seinen Bruder nun gesehen hatte, was Damon nur schief grinsen ließ.
"Die Besten kommen immer zu spät zur Party", erwiderte er nur, ehe er in seine Jackentasche griff und einen Blutbeutel hervorzog, den er zuvor eingepackt hatte.
"'Was ist das?'", fragte Stefan misstrauisch und auch Nathalie und Elena blickten auf den Blutbeutel in seinen Händen.
"'Das ist für Katherine. Irgendwie muss ich sie ja auf die Beine bringen'", sagte Damon schulterzuckend, "'Es sei denn deine Freundin bietet eine Vene zum Anzapfen an.'" Er erntete einen Stoß in die Rippen und blickte zu Nathalie, die ihn nur tadelnd ansah, was ihn erneut zum Grinsen brachte, ehe er seine Aufmerksamkeit auf die beiden Hexen richtete.
Skeptisch lief er an ihnen vorbei und blieb vor der großen steinernen Tür stehen.
Kurz versuchte er ihren Murmeln zu zuhören, doch gab bald auf. Er konnte verdammt viele Sprachen sprechen und verstehen, aber hier konnte er nicht einmal identifizieren, was da gesprochen wurde.
"'Was sagen die da?'", fragte Damon an die anderen gewandt.
"'Hört sich wie Latein an'", mutmaßte Stefan.
"Das ist definitiv kein Latein", meinte Nathalie jedoch kopfschüttelnd und Damon musste ihr zustimmen. Er konnte selbst die Grundlagen dieser toten Sprache und das, was die Hexen da sprachen hatte zwar Ähnlichkeit damit, aber Latein war es auf keinen Fall.
Noch immer skeptisch beobachtete Damon die Hexen, die mit geschlossenen Augen immer wieder die gleichen Worte aufsagten, als plötzlich ein unnatürlicher Wind durch den Raum zog und die Fackeln aufflackerten.
"'Was geht da vor?!'", fragte Elena, die sich erschrocken an Stefans Arm klammerte, während Damon und Nathalie einfach nur konzentriert das Geschehen beobachteten.
Da ertönte plötzlich ein tiefes Grollen und Damon fuhr herum zur Tür, die sich knirschend langsam öffnete.
Ungläubig blickte er auf die offene Tür, als unfassbare Vorfreude in ihm hochstieg.
Es hatte tatsächlich funktioniert. Die Gruft war offen. Sein Weg zu Katherine war frei!
Die Erinnerung an Katherine, die wie ein Traum in all der Zeit, die er mit Nathalie verbracht hatte, immer mehr verblasst war, kehrte nun mit aller Kraft zurück und erfüllte Damons gesamten Körper mit Freude, so sehr, dass jeglicher Schmerz von Eveline und Nathalie verschwand.
145 Jahre hatte er auf diesen einen Moment gewartet. Darauf gewartet, diese dunkle Schönheit wieder in seinen Armen zu halten und jetzt war es so weit. Sein Leiden und auch ihres hatte endlich ein Ende.
Wie in Trance trat Damon einen Schritt nach vorne, ehe er sich besann. Er durfte trotz allem seine Vorsicht nicht fallen lassen.
Die Hexen waren ihm immer noch feindlich gesinnt.
"'Wolltest du nicht ein Feuer vorbereiten?'", fragte er und drehte sich zu Stefan, der leicht nickte,
"'Ich hol das Benzin, ich bin gleich wieder da", sagte er zu Elena, ehe er sich umdrehte und eilig die Treppen nach oben stieg, um die Benzinkanister zu holen, die Damon eben bereits oben entdeckt hatte. Damons Blick glitt zu den beiden Bennett-Hexen und ein ungutes Gefühl stieg in ihm auf.
Er durfte ihnen nicht vertrauen.
"'Gehen wir?'", fragte er an Elena gewandt, die ihn perplex ansah.
"'Was?'"
"'Glauben Sie etwa ich betrete die Gruft allein und dann schließen Sie mich ein?!'", fragte er an Sheila gewandt, als er Elena grob am Arm griff und sie zu sich zog.
"'Nehmen Sie sie nicht mit!'", rief Sheila sofort.
"Damon, nein!", widersprach auch Nathalie, doch er ignorierte sie.
Er konnte jetzt auf sie keine Rücksicht nehmen. Nicht, wenn er Katherine so nah war.
"'Ich bringe die Mauern zum Einsturz!'", drohte Sheila, doch Damon beeindruckte das herzlich wenig.
"'Sie bringen sie zum Einsturz, wenn ich es nicht tue!'", sagte er nur, "'Meinen Sie, ich vertraue Ihnen?!'"
"'Ebenso so sehr wie ich Ihnen'", erwiderte Sheila, ehe die beiden sich einfach nur feindselig ansahen.
Gott, er hasste Hexen.
"Hört auf!", ging Nathalie plötzlich dazwischen, "Wir waren uns einig! Wir holen Katherine da raus und verbrennen den Rest, damit sich keiner mehr Sorgen um diese verdammte Gruft machen muss!", sagte sie, ehe sie sich zu Damon wandte, "Lass mich mit dir da reingehen. Dann hast du deine Absicherung."
Unschlüssig erwiderte Damon ihren entschlossenen Blick. Er hatte nicht ohne Grund Elena gewählt. In der Gruft waren jede Menge ausgehungerte Vampire, sie waren zwar halb mumifiziert und so gut wie bewegungsunfähig, aber dennoch war es da drin nicht ganz ungefährlich für einen Menschen.
"Ich lasse dich bestimmt nicht allein mit ihm da rein gehen!", sagte Elena aufgebracht und griff Nathalie am Arm, was Damon die Augen verdrehen ließ. Konnte sie ihm einmal nicht in die Quere kommen.
"Dann gehen wir eben zusammen!", sagte Nathalie ruhig und Damon kam nicht umhin kurz ihren Mut anzuerkennen, sich mit nichts weiter als einer Taschenlampe in eine Höhle voller Vampire zu trauen.
Kurz sah er abschätzend in die absolute Finsternis der Gruft, ehe er sich umdrehte und nach einer der Fackeln im Boden griff.
Auch wenn er in der Nacht so gut sehen konnte wie am Tag, konnte absolute Finsternis ohne eine einzige Lichtquelle auch ihn erblinden lassen.
Mit der Fackeln in der Hand betrat Damon nun die Gruft und hörte, wie die beiden Mädchen ihm folgten.
Er hörte wie sofort Geflüster durch die Gänge schallte und lächelte kurz.
Katherines Stimme musste unter ihnen sein.
"'Was ist das?'", fragte Elena ängstlich hinter ihm.
"'Sie können euch spüren'", antwortete Damon abwesend, ehe der Gang breiter wurde und sie in einem großen dunklen Raum stand, "Also, wo ist sie?" Damit lief Damon in die Dunkelheit, die Rufe der Mädchen hinter sich nicht weiter beachtend.
Er musste Katherine finden. Er hatte so lange auf diesen Moment gewartet.
Es war nur noch eine Frage von Minuten bis er sie endlich wieder im Arm halten würde. Bis er sie endlich wieder küssen konnte!
Vor seinem inneren Auge erschien ein Bild von ihr, von ihrem langem samtweichen lockigen Haar, ihren dunklen feurigen Augen, die sich so sehr von Elenas unterschieden, obwohl sie die gleiche Farbe hatten.
Von freudiger Ungeduld erfüllt musterte Damon jeden Körper, an dem er vorbei ging, jeden Vampir. Katherine hatte an dem Abend, als sie eingesperrt worden war, ein Kleid getragen. Ein Schulterfreies aus rotem Samt. Es sollte nicht schwer wiederzufinden sein.
Damon brauchte mehrere Minuten, um den Raum zu durchsuchen, jedoch wurde er nicht fündig.
Sie musste tiefer drinnen sein. Entschlossen folgte er einem weiteren Gang, der ihn in einen zweiten Raum führte.
Auch hier lagen wieder dutzende leblose Körper.
Jedoch trugen alle von ihnen Hosen... außer einer. Angespannt hielt Damon inne und beugte sich zu der Frau hinunter, als er vorsichtig durch den Stoff des Kleides strich.
Nein, der war gelb. Das war nicht Katherine.
Seine Anspannung wuchs, als er sich wiederaufrichtete und nochmals im Raum umsah, und verdrängte langsam aber sicher seine Vorfreude.
Hier war sie auch nicht...
Sein Griff um den Blutbeutel wurde fester, so dass er schon fast platzte, als er noch einen Gang entdeckte, der weiter ins Innere führte.
Wie groß konnte die verdammte Gruft denn sein?!
Der Gang endete in einem Raum, der so klein war, dass Damons Fackel reichte, um ihn komplett zu erleuchten.
Doch hier lag nur ein Vampir und das war ein Mann.
"Das kann nicht sein...", hauchte Damon kaum hörbar. Hatte er sie übersehen? Nein, das war nicht möglich. Er hatte jeden Vampir untersucht, war durch alle Räume gegangen. Aber er konnte sie nicht finden!
Damon konnte entfernt hinter sich Rufe hören, doch darauf konnte er nicht achten.
E spürte wie Panik in ihm hochstieg. Etwas stimmte nicht! Etwas stimmte ganz und gar nicht!
Er spürte wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete, als er ein paar staubige Leinensäcke, die in einer Ecke lagen, hochhob und beiseite warf, in der noch so geringen Hoffnung, seine Geliebte darunter zu finden.
Seine Panik wuchs zu vollständiger Verzweiflung, als die Erkenntnis in ihm hochstieg: Katherine war nicht hier.
"'Sie ist nicht hier...'", flüsterte er, "'Sie...'"
"'Damon!'", hörte er Stefan entfernt hinter sich rufen und fuhr zu ihm herum, als die Verzweiflung der Wut Platz machte.
"Wo ist sie?!", fragte er und fixierte seinen Bruder, der ihn nur verständnislos ansah, "Wo ist sie, verdammt?!" Damon wusste innerlich, dass Stefan ihm diese Frage nicht beantworten konnte, doch das war ihm in diesem Moment egal.
"'Was meinst du damit?'" Stefan musterte ihn noch immer verständnislos, was Damons Wut noch mehr steigerte.
"'SIE IST NICHT HIER!'", schrie er und warf den Blutbeutel mit voller Kraft gegen eine Wand, wo er wie eine Wasserbombe zerplatzte.
Er verstand nichts mehr.
Katherine musste hier drin sein! Es gab keine Möglichkeit, dass es anders war! Sie musste hier sein!
Hätte sie einen Weg gefunden zu entkommen, hätte sie ihn doch aufgesucht!
"'Damon, wir müssen hier raus!'", hörte er Stefan wie durch Watte zu ihm sagen.
"'Ich verstehe das nicht! Sie wurde doch hier eingeschlossen!'", sagte der Schwarzhaarige kopfschüttelnd, nicht fähig seinem Bruder zu zuhören.
"'Wenn wir jetzt nicht gehen, kommen wir hier nicht wieder raus!'", rief Stefan lauter, doch es hatte noch immer keinen Effekt.
"'Verdammt, wieso ist sie nicht hier?!'", fragte Damon und so sehr er sich auch bemühte, er fand keine Antwort auf diese eine Frage, die drohte ihm die Kehle zu zuschnüren. Er sah sich erneut in dem kleinen Raum um, doch wie die Male zuvor, fand er noch immer keinen weiteren Körper, den er vorher übersehen hatte.
"'Willst du dich für die Ewigkeit hier unten einschließen lassen?! Das ist sie nicht wert!'", rief Stefan nun aufgebracht und griff ihn am Arm.
"'NEIN!'", rief Damon und funkelte seinen Bruder zornig an. Das alles war seine Schuld!
"Das ist deine Schuld!", sprach Damon seine Gedanken aus und packte seinen Bruder am Kragen, um ihn gegen die nächste Wand zu drücken.
"Damon!", hörte er Elenas Stimme, die Katherines so sehr ähnelte hinter sich, was seinen Zorn noch mehr steigerte.
Sein Bruder hatte das Mädchen, das er liebte und er nicht! Was war daran fair?! Stefan war Schuld daran, dass Damon Katherine verloren hatte! Also wieso hatte Stefan das Happy End und er nicht?!
"Damon!", sagte da plötzlich eine andere Stimme und er spürte wie sich eine Hand auf seinen Arm legte, "Beruhige dich!" Sein Kopf fuhr zur Seite und er blickte in Nathalies graue Augen. Als würden diese ihm einen Schlag versetzen, spürte er wie plötzlich jegliche Wut aus ihm wich und die anfängliche Verzweiflung zurückkehrte, viel stärker als zuvor.
Katherine war nicht hier...
Er war sich so sicher gewesen, sie hier zu finden... Hatte so lange darauf gewartet und dann war sie nicht da.
Genau wie Evie damals nicht da gewesen war, als er aus dem Krieg zurückgekehrt war...
Damon fühlte sich, als ob die Welt über ihn zusammenzubrechen schien.
Er spürte wie sich alles um ihn herum zu drehen begann, als er nicht länger in der Lage war, das Gefühlschaos in seinem Inneren zu bändigen.
Diesen Schmerz, diese Wut, diesen Hass, er hielt es nicht aus!
Wie in Trance ließ er seinen Bruder los, während er sich wieder umsah.
"Sie muss hier sein", hauchte er, "Sie muss..." Er konnte nicht weitersprechen. Der Schmerz in seiner Brust brannte so sehr, dass er jegliche Kontrolle über seinen Körper verlor. Er konnte nicht sprechen, sich nicht rühren, nicht atmen...
"Damon, sieh mich an!", hörte er da jemanden entfernt sagen und langsam blickte hinunter zu Nathalie, die sanft eine Hand an seine Wange gelegt hatte, "Hör mir zu! Katherine ist nicht hier. Sie war es nie", sagte sie leise und griff mit ihrer freien Hand seine, "Dich hält hier nichts mehr. Komm. Komm mit mir." Er spürte wie ihre Worte ihn etwas von dem Schock befreiten und die Taubheit zurückdrängten, so dass er wieder in der Lage war sich zu bewegen.
Irgendwie brachte er ein Nicken zu Stande und ließ zu, dass sie ihn mit sich zog.
Nur am Rande seines Bewusstseins nahm er war, wie sie nach draußen liefen, als keinen Moment später, die steinerne Tür wieder zufiel, deren Öffnung sich Damon so herbeigesehnt hatte.
Er ließ Nathalies Hand los und fuhr herum zur Tür, ehe er langsam seine Stirn dagegen lehnte.
Er hatte alles getan, um diese Tür zu öffnen... Und Katherine war nicht da gewesen...
Wieso war sie nicht da drin gewesen?
Damon spannte sich an, als eine neue Entschlossenheit in ihm hochstieg, die den Schock fürs Erste zurückdrängte.
Es gab nur eine Person, die ihm diese Frage beantworten konnte.
***
-Nathalies Sicht-
"Wie geht's ihr?", fragte ich leise, als Bonnie zurück ins Wohnzimmer kam.
"Sie ist sehr erschöpft. Sie hat sich gerade etwas hingelegt", erwiderte die Dunkelhaarige und ich nickte leicht, ehe ich mir seufzend durchs Haar fuhr.
Ich hatte gerade Bonnie und ihre Großmutter nach Hause gefahren, während Elena das gleiche mit Jeremy gemacht hatte. Anna hatte ihn benutzen wollen, um ihre Mutter zurückzuholen. Naja, zumindest Letzteres war ihr gelungen.
Ich erschauerte kurz, als ich mich daran erinnerte, wie sie Elena gepackt und gebissen hatte, nur um ihr blutendes Handgelenk dann ihrer Mutter hinzuhalten.
Erneut seufzte ich.
Diese Gruft war einfach nur grausig gewesen. Nicht nur, dass Elena und Jeremy verletzt worden waren und Bonnie und ihre Grams sich fast umgebracht hatten, um das Siegel offenzuhalten, sondern dass Katherine, der eigentliche Grund, wieso wir da drin gewesen waren, nicht dort gewesen war.
Erneut dachte ich an die Verzweiflung, die ich in Damons Augen gesehen hatte und erzitterte.
Ich wollte nicht wissen, was er jetzt wohl fühlen musste.
Er war sofort nachdem die Gruft geschlossen war nach oben gerannt und spurlos verschwunden, was mir noch mehr Sorgen bereitete. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wo er hingegangen war.
Tief ein- und ausatmend vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen, um die Fassung zu behalten.
Was hatte ich nur getan? Wieso hatte ich alle überredet diese verdammte Gruft zu öffnen?
"Alles okay?", fragte Bonnie leise und ich blickte zu ihr auf.
"Müsste ich nicht eigentlich dir diese Frage stellen?", fragte ich und lächelte emotionslos, als in dem Moment die Haustür aufging und Elena eintrat.
"Da bin ich! Ist alles okay so weit?", fragte sie und klang genauso fertig wie ich mich fühlte.
"Ja, Grams hat sich etwas hingelegt. Ich koche ihr noch einen Tee", meinte Bonnie und stand auf, um in der Küche zu verschwinden.
"Wie geht es Jeremy?", fragte ich Elena, die sich ihre Jacke auszog und sich neben mich setzte.
"Ganz gut, so weit. Er scheint sich Gott sei Dank an nichts zu erinnern", sagte sie und ich nickte erleichtert.
Da hatten wir wirklich Glück gehabt.
Ich zuckte etwas zusammen als plötzlich das Handy in meiner Hosentasche vibrierte und zog es hervor.
Stefans Name leuchtete auf den Display und nahm den Anruf an.
"Hast du ihn gefunden?!", fragte ich sofort und diese eine Sekunde, die Stefan brauchte um zu antworten schien in diesem Moment endlos zu sein.
"Ja... Er ist zu Hause, aber...", sagte er etwas zögerlich.
"Aber?!", fragte ich ungeduldig nach.
"Nathalie, du solltest herkommen", erwiderte er nur, was mich sofort auflegen und aufspringen ließ.
"Was ist denn los?", fragte Elena, als ich nach meiner Jacke griff und sie mir überzog.
"Es ist Damon, ich...", ich hielt inne und überlegte wie ich es ihr erklären sollte ohne, dass sie mich verurteilend ansah, "Ich muss zu ihm. Ich kann ihn jetzt nicht allein lassen." Flehend sah ich sie an, ehe sie zu meiner großen Verwunderung einfach nur verständnisvoll nickte.
"Ich würde das gleiche tun, wenn es Stefan wäre", sagte sie, als sie meinen Blick sah, "Geh ruhig, ich kümmere mich schon um Bonnie." Ich nickte erleichtert.
"Danke", sagte ich ehrlich, ehe ich mein Handy wieder einsteckte und durch die Haustür nach draußen zu meinem Auto lief.
Gegenwart
Das alles war meine Schuld...
Einzig und allein dieser Gedanke schoss mir durch den Kopf, während ich einfach nur im Flur stand und Damon musterte.
Hätte ich einfach nur locker gelassen... ihn nicht so vehement in Katherines Richtung gestoßen... Er hätte sie aufgegeben und wäre nie so verletzt worden...
"Ich lass euch allein", sagte Stefan leise zu mir und ich konnte nur nicken, als er durch die Haustür nach draußen verschwand und sie mit einem dumpfen Schlag ins Schloss fiel.
Langsam lief ich durch den Raum, ehe ich unschlüssig neben dem Sofa, auf dem er saß, stehenblieb. Mein Blick fiel auf die Minibar, neben dem Kamin.
Ich hatte zwar keine Ahnung wie Alkohol bei Vampiren wirkte, doch bei Menschen konnte es Schmerz betäuben...
Ich trat an die Bar heran und griff nach der erstbesten Flasche Bourbon, ehe ich die Flüssigkeit in ein Glas schüttete und damit zu Damon ging.
"Hier", sagte ich leise und drückte ihm das Glas in die Hand, "Vielleicht hilft das."
Der leere Blick des Schwarzhaarigen glitt vom Kamin langsam auf das Glas.
Unsicher setzte ich mich neben ihn. Ich wusste nicht, was ich tun konnte.
Es schmerzte mich, ihn so leiden zu sehen, doch was konnte ich tun, um diesen Schmerz zu lindern?
Ich wusste genau, was er empfinden musste, doch als ich mich damals so gefühlt hatte, hatte ich auch nichts gefunden, was geholfen hatte.
"Ich war bei Anna", murmelte Damon mit gebrochener Stimme, "Sie sagte, dass Katherine 1864 entkommen ist, bevor sie eingesperrt wurde." Ich sah ihn nur mitleidig an.
Das hatte ich mir bereits gedacht. Es hatte keine andere Möglichkeit gegeben.
"Sie sagte, dass Katherine die ganze Zeit wusste, wo ich war", sprach Damon weiter, "Sie wusste, wo ich war und es...", er hielt inne, als seine Stimme etwas brach, "Es war ihr egal... Ich war ihr egal."
"Damon-", begann ich und wollte nach seiner Hand greifen, als er plötzlich aufsprang und das volle Glas in den Kamin warf, wo es zerschellte und der Alkohol das Feuer etwas auflodern ließ.
Ich spürte wie mir Tränen in die Augen stiegen und stand ebenfalls auf.
Ich fühlte den Schmerz so stark, dass ich mir nicht mehr sicher war, ob es seiner oder mein eigener war.
Vorsichtiger als zuvor griff ich nach seiner Hand und drückte sie fest.
Wir verharrten in dieser Position, als das Feuer sich etwas beruhigte und Damon seinen Blick auf unsere verschränkten Hände richtete.
"Falls du dich meinetwegen so gefühlt hast, wie ich mich jetzt fühle...", murmelte er kaum hörbar und sah zu mir auf, "Dann tut es mir leid."
Ich schüttelte nur den Kopf, als eine Träne meine Bemühungen überwand und meine Wange hinab rann.
"Schon gut", sagte ich mit zitternder Stimme und löste instinktiv meine Hand aus seiner, um ihn komplett in meine Arme zu ziehen, "Schon gut", wiederholte ich, während ich ihn einfach nur festhielt.
Ich spürte wie er langsam die Umarmung erwiderte, sein Gesicht in meinem Haar vergrub und seine Hände sich schmerzhaft fest in meine Schultern krallten, als wäre er ein Ertrinkender im Meer und ich der Anker, der ihn über Wasser hielt.
Ich klammerte mich ebenfalls an ihn und schloss die Augen, darauf wartend, dass der brennende Schmerz in meiner Brust endlich abnehmen würde.
___________________
Ich bedanke mich sehr bei HappyBabyFeet und YukiMukami für die lieben Reviews und natürlich bei der einzig wahren TheRealLoca fürs Beta'n!
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende! :)
Changed
"You're dripping like a saturated sunrise
You're spilling like an overflowing sink
You're ripped at every edge but you're a masterpiece
And now you're tearing through the pages and the ink
Everything is blue
His pills, his hands, his jeans
And now I'm covered in the colors
Pulled apart at the seams
And he's blue
And he's blue..."
-Colors, Nightcore (Originally by Halsey)
"Hey, Bonnie! Ähm... Ich bin's. Schon wieder, ich weiß. Ich wollte nur mal nachfragen, wie es dir geht. Ich hoffe deine Tante ist nicht zu anstrengend. Melde dich doch mal. Hab dich lieb", sprach ich auf den Anrufbeantworter, ehe ich auflegte und seufzend mein Gesicht in meinem Händen vergrub.
"Alles okay?" Ich blickte auf zu Tyler, der gerade mit einem vollgeladenen Teller das Esszimmer betrat und sich neben mir am Tisch niederließ. Ich blickte ihn durch meine Finger hindurch an.
"Ja", sagte ich leise, "Ich hab nur Bonnie grad nochmal auf die Mailbox gesprochen."
"Geht sie immer noch nicht dran?", fragte Tyler nach, was mich nur den Kopf schütteln ließ.
Noch am gleichen Abend, als wir diese verfluchte Gruft geöffnet hatten, war Bonnies Großmutter verstorben. Die Beerdigung war erst vor ein paar Tagen gewesen und seitdem wohnte Bonnie erstmal bei ihrer Tante in Seattle. Ich hatte in den letzten Tagen ständig versucht sie anzurufen. Schließlich war es eigentlich meine Schuld, dass ihre Grams gestorben war, da ich sie zur Öffnung der Gruft überredet hatte. Und da Bonnie diese Anrufe offensichtlich ignorierte, dachte sie wohl genau das gleiche, was dafür sorgte, dass ich mich noch mieser fühlte als ohnehin schon.
Ich wurde aus den Gedanken gerissen, als mein Handy vibrierte und ich einen eingehenden Anruf auf den Display sah. Als ich jedoch den Namen las, schüttelte ich nur genervt den Kopf und drückte auf den roten Hörer.
"Du bist aber auch nicht gerade zuverlässig, was die Annahme von Anrufen betrifft", meinte Tyler, der mich dabei beobachtet hatte, amüsiert, was mich nur erneut seufzen ließ.
"Ich habe momentan einfach keinen Nerv für Jeremys Versuche sich mit mir zu treffen", sagte ich nur.
Ich hatte absolut keine Ahnung, weshalb Jeremy so vehement versuchte, mich auf ein Date einzuladen, doch seit er mich am Morgen nach der Nacht des Gruftzaubers angerufen und ich ihn abgewiesen hatte, da ich deutlich andere Probleme gehabt hatte, rief er mich immer wieder an. Und ich drückte ihn immer wieder weg.
"Noch immer nicht über Damon hinweg, hm?", fragte Tyler und biss von seinem Brötchen ab, während ich ihn überrascht ansah. Wann hatte ich ihm denn erzählt, dass wir endgültig Schluss gemacht hatten?
"Wie kommst du denn darauf?", fragte ich verwirrt und Tyler zuckte mit den Schultern.
"Nur so eine Vermutung. Warum solltest du sonst einem Date mit Jeremy Gilbert so abgeneigt sein? Ich meine, ihr wart mal unzertrennlich, bevor Damon hier aufgetaucht ist", sagte er und ich runzelte nachdenklich die Stirn.
Irgendwie hatte er ja recht. Bevor Damon aufgetaucht war, hatte ich wirklich über eine ernsthafte Beziehung mit Jeremy nachgedacht. Das Einzige, was mich abgeschreckt hatte, war sein Drogenkonsum gewesen, doch der war dank Damon komplett verschwunden. Und dennoch konnte ich mir jetzt nicht einmal mehr im Entferntesten vorstellen mit Jeremy zusammen zu sein.
In diesem Punkt hatte Tyler dann wohl auch recht. Es lag eindeutig an Damon.
"Außerdem hab ich was Interessantes aufgeschnappt, als ich auf Dukes Party war", sprach Tyler weiter, wobei er seine Worte gezielt betonte und ich musste kurz überlegen. Dukes Party? Ach ja, die Party, die auf dem Friedhof in der gleichen verdammten Nacht stattgefunden hatte.
"Was meinst du?", fragte ich nach.
"Naja, ich hab ein bisschen was mitgekriegt, als Damon und Jeremy sich unterhalten haben", sagte Tyler und nun wurde ich hellhörig, "Anscheinend war Jeremy auf Streit aus, jedoch hat Damon klargestellt, dass ihr beide nur befreundet wärt." Damon war an dem Abend auf der Party gewesen?
Dunkel erinnerte ich mich. Er war erst sehr spät zu der Ruine gekommen. Das war dann wohl Jeremys Schuld gewesen.
"Was hat er noch gesagt?", fragte ich.
"Dass Jeremy sich beeilen sollte, wenn er mit dir zusammen sein will. Weil du ein Mädchen wärst, das kein Mann freiwillig gehen lässt", sagte Tyler und sah mich kurz ernst an, ehe er begann zu grinsen, "Meine Schwester ist eine Herzensbrecherin." Ich verdrehte bei den letzten Worten die Augen und schlug ihn leicht gegen den Arm, was ihn nun richtig lachen ließ.
Ich konnte nur etwas lächeln, viel zu sehr beschäftigten mich seine Worte.
Damon hatte also Jeremy gesagt, dass er mich zurückgewinnen konnte. Das erklärte zumindest Jeremys neu aufgeflammtes Interesse an mir. Was Damon natürlich nicht gewusst hatte, war, dass Jeremy noch immer nicht die geringste Chance hatte, da mein Herz nach wie vor ihm gehörte. Und mit Damon konnte ich nicht zusammen sein, weil seine Gefühle für mich nach wie vor nicht echt waren, dank Eveline. Und er selbst ist momentan damit beschäftigt Katherine nach zu trauern.
Gott, warum musste das so kompliziert sein?!
Ich schreckte aus den Gedanken, als die Tür zum Flur aufging und meine Mutter eilig den Raum betrat mit mehreren Kartons auf dem Arm.
"Oh, hey ihr zwei!", sagte sie lächelnd, als sie Tyler und mich sah, ehe sie die Kartons auf dem Tisch abstellte.
"Hi, Mom", antworteten wir zeitgleich, wobei es bei Tyler etwas undeutlich klang, da er den Mund voll hatte.
"Ist das das Zeug für die Spendenaktion?", fragte ich nach und meine Mutter nickte.
"Ja, ich muss auch gleich los zum Grill und die Lose vorbereiten. Ich hoffe nur, dass Liz inzwischen noch ein paar Bewerber gefunden hat", sagte sie und ich hob leicht die Augenbrauen.
Der Gründerrat sammelte im Grill heute Abend Spenden für das Gründerfest, das in ein paar Tagen mal wieder stattfand und um den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen hatte sich meine Mutter etwas sehr Seltsames ausgedacht. Und zwar wurden Dates mit den begehrtesten Junggesellen der Stadt verlost, also zumindest mit denjenigen, die sich für sowas breitschlagen ließen.
"Sind wenigstens hübsche Männer dabei?", fragte ich scherzhaft, während meine Mutter mehrere Dekosachen zwischen den Kartons sortierte.
"Ja, aber ich glaube den Hübschesten hast du schon, Schätzchen!", erwiderte sie und lächelte mich verschmitzt an, was mich schlucken ließ, "Wie geht es Damon eigentlich? Du könntest ihn ruhig mal mitbringen!" Ich wich ihrem Blick aus und starrte unbehaglich auf den Tisch vor mir.
Natürlich hatte ich meine Mutter nicht von meinen Beziehungsproblemen in Kenntnis gesetzt.
"Sie sind nicht zusammen, Mom", antwortete Tyler für mich und ich warf ihm einen dankbaren Blick zu.
"Naja, was nicht ist, kann ja noch werden", sagte sie nur und ich biss mir auf die Unterlippe, "Du solltest ihn dir nicht entgehen lassen, Zoey. Er ist ein guter Fang."
"Mhm", erwiderte ich nur, als sie die Kartons wieder zusammenpackte und damit den Raum wieder verließ.
Ich sah ihr kurz nach, ehe ich Tylers Blick auf mir spürte, woraufhin ich mich seufzend zu ihm drehte.
"Was hätte ich denn sagen sollen? Du weißt wie sie ist, wenn es darum geht, mit wem wir beide zusammen sind", rechtfertigte ich mich und hob leicht hilflos die Schultern.
"Das brauchst du mir nicht zu sagen", sagte mein Bruder jedoch nur kopfschüttelnd und ich nickte etwas. Er hatte seine Beziehung mit Vicky lange vor unseren Eltern geheim gehalten, genau aus diesem Grund.
Reich und gutaussehend. Das waren ihre Devisen.
"Allerdings finde ich, auch wenn ich Mom da widerspreche und selbst nie gedacht hätte, dass ich das sage...", er hielt kurz inne und ich blickte ihn fragend an, "Dass Jeremy die bessere Wahl ist." Meine Augenbrauen schossen hoch bis zu meinem Haaransatz, als ich ihn vollkommen perplex anstarrte. Ich war es ja gewohnt, dass Elena sowas zu mir sagte oder Bonnie oder Caroline, doch von meinem Bruder, der Jeremy absolut nicht leiden konnte und von Damons Vergangenheit nicht die geringste Ahnung hatte, hätte ich das nie gedacht.
"Wer bist du und was hast du mit meinem Bruder angestellt?", fragte ich und er verdrehte die Augen.
"Ich meine ja nur... Du warst viel besser drauf, als du Jeremy gedatet hast und das, obwohl er gerade richtig am Abstürzen war. Seit du mit Damon zusammen bist, scheint es dir deutlich schlechter zu gehen als vorher mit Jeremy", sagte Tyler kopfschüttelnd und ich atmete hörbar aus.
Leider hatte er absolut recht damit. Mein Leben war vor der ganzen Sache mit Damon viel einfacher gewesen.
"Glaub mir, wenn ich mir meine Gefühle aussuchen könnte, würde ich auch Jeremy nehmen", erwiderte ich, ehe ich nach meinem Handy griff und aufstand, "Ist jetzt auch egal. Ich muss nochmal weg."
"Wohin?", fragte Tyler skeptisch, als ich mich Richtung Tür bewegte.
"Zu Elena. Sie wollte sich wegen irgendwas mit mir treffen", antwortete ich. Dass unser Treffen erst heute Abend im Grill war, konnte er ja nicht wissen.
"Aha", meinte Tyler darauf nur und wandte sich wieder seinem Essen zu, während ich durch die Tür in den Flur trat, "Viel Spaß bei Damon!" Erschrocken sah ich ihn über die Schulter durch die offene Tür an, doch er sah von seinem Essen nicht mal mehr auf. Kopfschüttelnd lief ich in die Eingangshalle.
Wieso versuchte ich überhaupt ihn anzulügen? Er wusste es eh immer.
***
Unsicher saß ich im Auto und blickte durch die Frontscheibe nach draußen auf das Anwesen, vor dem ich gerade geparkt hatte.
Ich hatte Damon seit dieser einen Nacht nicht mehr aufgesucht und Stefan gebeten ein Auge auf ihm zu haben, damit er etwas Zeit für sich hatte.
Jedoch hatte ich eigentlich erwartet, dass Damon oder zumindest Stefan mich anrufen würden, doch das war nicht geschehen. Das war auch der Grund, warum ich jetzt hier saß.
Ich wollte nach Damon sehen. Jedoch hatte ich etwas Angst davor, was ich sehen würde.
Am Ende hatte er aus Trauer seine Gefühle abgestellt oder er war genauso starr und still, wie in der Nacht, als ich ihn allein gelassen hatte.
Schnell schüttelte ich den Kopf. Ich musste aufhören mir die schlimmsten Dinge auszumalen! Ich musste da reingehen und mich mit der realen Situation auseinandersetzen!
Damit stieg ich aus dem Auto aus und lief zur Haustür.
Ich klingelte und keinen Moment später wurde die Tür geöffnet.
"Nathalie!", kam es überrascht von Stefan, doch ich runzelte die Stirn, als laute Musik hinter ihm aus dem Haus dröhnte, "Was machst du denn hier?"
"Dir auch Hallo. Ich wollte nach Damon sehen. Ist er da?" Fragend sah ich den Dunkelblonden an, der etwas unsicher über die Schulter sah, ehe er mir wieder ins Gesicht blickte.
"Naja... ja, ist er, aber... Du solltest vielleicht später wiederkommen", antwortete er stotternd, was mich misstrauisch werden ließ. Er verschwieg mir doch etwas.
"Wieso?", fragte ich langsam.
"Er... er schläft noch", erwiderte Stefan noch immer stotternd und mir wurde es zu bunt.
"Um drei Uhr nachmittags? Sicher!", erwiderte ich sarkastisch, "Lass mich vorbei."
"Nathalie, nicht-", begann Stefan, doch ich war schon an ihm vorbei ins Haus getreten und folgte nun der lauten Musik, die eindeutig aus dem Salon kam.
Ich betrat den Raum und blieb sofort wie angewurzelt stehen, während ich entsetzt die Szene vor mir betrachtete.
Damon stand tanzend vor dem Kamin und war von mehreren Frauen umgeben, die nichts weiter als Unterwäsche am Leib trugen und sich lächelnd an ihn drängten.
Ich spürte wie Übelkeit in mir aufstieg, während sich zeitgleich ein dicker Kloß in meinem Hals bildete. Das hatte er also die letzten Tage getan? Sich mit anderen Frauen vergnügt?
Ungewollt schoss bei diesem Gedanken ein stechender Schmerz durch meine Brust.
Unweigerlich glitt mein Blick zu der Frau in Damons Armen, die genüsslich den Kopf in den Nacken gelegt hatte, während der Schwarzhaarige seine Lippen über ihren Hals gleiten ließ, ehe er fast schon zärtlich zubiss.
Meine Übelkeit wurde noch stärker, als ich die unzähligen Bisswunden entdeckte, die bereits auf ihrem und den Körpern aller anderen Frauen verteilt waren.
Ich wollte das nicht sehen. Ich wollte mir diese Szene, die eindeutig dafür gemacht worden war mich zu foltern, nicht weiter ansehen, doch ich konnte den Blick nicht abwenden.
In diesem Moment verstummte plötzlich die ohrenbetäubende Musik und mein Blick glitt zu Stefan, der gerade die Stereoanlage ausgeschaltet hatte und Damon finster anblickte.
Dieser sah nun verwirrt auf und schien einige Momente zu brauchen, um Stefan zu erkennen.
"'Oh nein. Die Spaßbremse!'", sagte er und ich schluckte. Er nahm mich gar nicht wahr.
"Wir haben Besuch, Damon", sagte Stefan ruhig, doch man konnte deutlich heraushören, dass er verärgert war.
Der Schwarzhaarige ließ daraufhin seinen Blick suchend durch den Raum gleiten, ehe er schließlich auf mich fiel. Krampfhaft versuchte ich dabei meine ausdruckslose Miene beizubehalten, obwohl es in meinem Inneren ganz anders aussah.
"Zoey!", rief er aus, als er mich wohl endlich erkannt hatte, "Was machst du denn hier?" Er ließ die Frau in seinen Armen los und kam ein paar Schritte auf mich zu, doch ich wich genauso vor ihm zurück.
"Ich wollte nur nach dir sehen", sagte ich mit überraschend ruhiger Stimme, "Aber wie ich sehe bist du beschäftigt, also..." Damit drehte ich mich auf dem Absatz um und lief zurück in den Flur Richtung Haustür. Ich wollte nur noch raus.
Allerdings erreichte ich die rettende Tür nicht, da Damon keine zwei Sekunden später vor mir auftauchte und mir den Weg versperrte.
"Das wäre aber sehr unhöflich, jetzt schon wieder zu gehen. Immerhin haben wir uns fast eine Woche nicht gesehen", sagte er leise und fast sofort schlug mir der penetrante Geruch von Alkohol entgegen, worauf ich leicht das Gesicht verzog. Er war betrunken. Natürlich.
Wer hätte gedacht, dass die Situation noch schlimmer werden konnte?
Langsam blickte ich zu ihm auf, während die Übelkeit langsam von Wut verdrängt wurde.
"Ich dachte ich gebe dir etwas Zeit. Ich wusste ja nicht, dass du dich in Alkohol und dem Blut von fremden Frauen ertränkst!", sagte ich und konnte den Ärger in meiner Stimme nicht unterdrücken. Damon dagegen schien dies gar nicht wahrzunehmen, denn er grinste bei meinen letzten Worten nur anzüglich, ehe er sich leicht zu mir vorbeugte.
"Du darfst gerne ihren Platz einnehmen, dann sind es keine fremden Frauen mehr", flüsterte er nah an meinem Ohr, ehe er mit einem Arm um meine Taille griff und mich ohne Vorwarnung an sich heranzog, so dass sich mein Oberkörper gegen seinen presste. Und dass sein Hemd offen war, machte alles nur noch schlimmer.
"Damon!", hörte ich Stefan warnend sagen, doch ich war schneller, als ich instinktiv meine Hände gegen seine nackte Brust stemmte und ihn von mir wegstieß.
"Sag mal, tickst du noch ganz richtig?!", fragte ich ihn aufgebracht und trat noch einen weiteren Schritt zurück. Hatte der Alkohol sein Gehirn komplett ausgeschaltet?!
Damon verdrehte bei meiner Reaktion nur die Augen.
"Ach komm schon, Zo. Gönn mir die Ablenkung", sagte er nur und grinste erneut, was mich nur verständnislos den Kopf schütteln ließ.
Zo... So hatte er mich noch nie genannt. Und ich hoffte, er tat es auch nie wieder.
Er war definitiv nicht er selbst. In diesem Zustand war er fast gar nicht wiederzuerkennen.
"Ablenkung?! So längst du dich von Katherine ab?!", fragte ich und hatte Mühe meine Wut im Zaum zu halten. Er lenkte sich ab, indem er so berauscht von Alkohol und Blut war, dass er sich aufführte wie der letzte Mistkerl?
"Von Katherine, von dir... von so ziemlich jeder Frau, die ich liebe und die meine Liebe nicht erwidert", murmelte er schulterzuckend und meine Augenbrauen schossen nach oben. Er dachte, ich liebte ihn nicht mehr? In diesem Moment kamen mir jedoch seine Worte in den Sinn, die er vor der Tanzparty zu mir gesagt hatte:
"Ich kann verstehen, dass du mich, nach allem was passiert ist, nur noch hassen und meiden willst."
Ich hatte ihm nie gesagt, dass das nicht stimmte. Ich hatte es uns einfacher machen wollen. Damit er mit Katherine fortgehen konnte, ohne sich Gedanken um mich zu machen.
Doch Katherine hatte ihn verraten...
Ein wenig konnte ich seine Verzweiflung nachvollziehen, doch dennoch gab ihm das nicht das Recht sich so aufzuführen!
Außerdem hatte er einfach die Rollen zwischen uns vertauscht! Er tat so, als wär er derjenige dessen Liebe nicht erwidert wird! Dabei hatte ich Schluss gemacht, weil seine Liebe zu mir nicht echt war und nicht umgekehrt! Auch, wenn er nicht die ganze Wahrheit kannte, konnte er doch nicht einfach diese Tatsache verdrehen!
Kurz überlegte ich, ob ich einfach meiner Wut freien Lauf lassen und ihm all diese Dinge an den Kopf werfen sollte, doch ich ließ es bleiben.
Ich wollte keine Sekunde länger in seiner Nähe sein, wenn er so war.
"Werde erstmal wieder nüchtern", sagte ich stattdessen nur, ehe ich mich endgültig von ihm abwandte und durch die Haustür nach draußen an die frische Luft trat.
Hierher zu kommen war eine schlechte Idee gewesen.
Mit Mühe schluckte ich den Kloß, der bis jetzt in meinem Hals gesteckt hatte, herunter und lief zu meinem Auto.
"Nathalie, warte", hörte ich da Stefans Stimme hinter mir und kurz blieb ich unschlüssig an der Autotür stehen, ehe ich mich halb zu ihm drehte. Er war mir nach draußen gefolgt und trat nun zu mir, ehe er mit gedämpfter Stimme weitersprach.
"Bitte nimm ihn sein Verhalten nicht übel." Ungläubig sah ich ihn an. War das sein verdammter Ernst?
"Bitte sag mir, dass das ein Scherz ist", sagte ich kaum hörbar.
"Bitte, Nathalie. Das ist seine Art, das alles zu bewältigen. Er ist momentan sehr labil-"
"Und das gibt ihm das Recht, sich mir gegenüber wie der letzte Arsch aufzuführen?!", fuhr ich ihn an, als mir ungewollt Tränen in die Augen stiegen, "Ich habe das gleiche durchgemacht, Stefan! Ich habe mich auch schrecklich gefühlt, als wir uns getrennt haben! Und das war, wie du weißt, nicht nur einmal! Und dabei habe ich mich nie so verhalten, wie er es gerade tut und bin mit den nächstbesten zehn Männern in die Kiste gesprungen, nur um dann meinem Ex anzubieten mit ihnen zu tauschen!", damit riss ich die Autotür auf, um einzusteigen, "Also tut mir leid, aber ich nehme ihm das verdammt übel!"
Damit schlug ich die Tür zu und startete den Motor, ehe ich mit voll durchgetretenem Gas aus der Ausfahrt fuhr, während ich trotzig die Tränen aus meinem Gesicht wischte.
***
Es dämmerte gerade, als ich schließlich am Grill ankam, wo Elena am Eingang bereits auf mich wartete.
"Hey", begrüßte ich sie und lächelte matt.
"Hi", sagte sie und ich runzelte die Stirn, als sie genauso fertig klang, wie ich mich fühlte.
"Was ist denn los?", fragte ich besorgt und sie seufzte.
"Lange Geschichte", erwiderte sie, ehe sie sich kurz umsah, ob jemand in der Nähe war, "Ich hab herausgefunden, wer meine leibliche Mutter ist." Überrascht sah ich sie an. Deswegen hatte sie sich also mit mir treffen wollen.
"Wirklich? Das ist doch toll!", sagte ich und lächelte, ehe ich ihrem Blick begegnete, "Oder nicht?"
"Wie gesagt. Lange Geschichte", sagte sie, "Ich hatte Jenna gebeten etwas für mich zu graben und sie hat herausgefunden, dass ihr Name Isobel war und sie aus North Carolina stammte."
Ich runzelte die Stirn. Dass sie in Vergangenheitsform sprach, bedeutete nichts Gutes.
"War?"
"Alaric Saltzman hatte eine Frau, bevor er hierhergezogen ist. Ihr Name war auch Isobel", fuhr Elena fort. Ich musste einen Moment überlegen, zu wem der Name nochmal gehörte, bis es mir einfiel.
"Unser Geschichtslehrer?", fragte ich nach und sie nickte.
"Er hatte es Jenna bei einem Date erzählt. Er sagte, dass sie ermordet wurde, man aber ihre Leiche nie gefunden hat." Ich sog scharf Luft ein.
"Aber du weißt doch gar nicht, ob es die gleiche Isobel ist", versuchte ich sie zu beruhigen, doch sie schüttelte den Kopf.
"Es ist die gleiche. Jenna hat ihm ein Foto von ihr gezeigt, dass sie im Internet gefunden hat", sagte sie und ich schluckte.
"Mist", murmelte ich und sah sie mitfühlend an.
"Es kommt leider noch schlimmer", sagte Elena leise, "Ich konnte mit Jennas Hilfe eine ehemalige Schulfreundin von Isobel ausfindig machen. Trudy Peterson. Ich war heute Mittag bei ihr und... Sie hat mir Eisenkraut in den Tee gemacht. Sie weiß über Vampire Bescheid und als wäre das nicht verdächtig genug, hat Stefan mir vorhin auch noch erzählt, dass Alarics Frau von einem Vampir getötet wurde!"
Mit angehaltenem Atem hörte ich ihr zu, ehe ich hörbar die Luft wieder aus meinen Lungen entließ. Das war echt heftig.
Erst erfuhr sie wer ihre Mutter war und bei dem Versuch sie zu finden, stellte sich nicht nur heraus, dass sie tot war, sondern dass ein Vampir sie ermordet hatte?
Dagegen waren meine Probleme ja fast lachhaft.
"Und ich dachte mein Tag wäre scheiße gewesen", sagte ich und sie blickte mich fragend an, "Erzähl ich dir drinnen. Ich brauche dringend etwas zu trinken. Und du auch."
Elena nickte etwas, ehe wir zusammen das Grill betraten.
***
"Hat er nicht!", sagte Elena und blickte mich ungläubig an.
"Hat er!", erwiderte ich und nahm einen weiteren Schluck aus meinem Glas.
"Und ich dachte der Herzschmerz tut ihm mal ganz gut, damit er vielleicht mal wieder merkt, dass er eins hat, auch wenn es nicht mehr schlägt!" , sagte sie kopfschüttelnd und ich zuckte nur mit den Schultern. Bisher tat es Damon alles andere als gut.
Ich hatte Elena gerade von meinem Besuch heute im Salvatore-Anwesen erzählt und seit langem waren wir beide mal wieder einer Meinung, was Damon betraf. Er war wirklich ein absoluter Mistkerl gewesen.
"Ich hoffe, du verzeihst ihm das nicht einfach so, Alie!", meinte Elena und ich schüttelte heftig den Kopf.
"Sicher nicht! Auch wenn Stefan meinte, ich soll es ihm 'nicht übelnehmen'." Ich setzte die letzten Worte mit den Fingern in Gänsefüßchen und Elena sah mich erschrocken an.
"Stefan hat ihn verteidigt?"
"Ja! Frag mich nicht, wieso", erwiderte ich verärgert, ehe ich meinen Blick durch den Raum schweifen ließ. Das Grill war heute sehr voll, was aber auch nicht verwunderlich war, da ja in ein paar Minuten die Spendenaktion losging, von der meine Mutter heute Mittag gesprochen hatte. Gefühlt die halbe Stadt war gekommen.
"Wusstest du eigentlich, dass Kelly wieder da ist?", wechselte Elena das Thema und ich blickte sie fragend an.
"Kelly? Matts Mom?", fragte ich nach und Elena nickte, "Seit wann?"
"Seit heute früh. Sie ist da vorne." Elena deutete Richtung Bar und sofort erkannte ich die hellbraunen Locken, die Vickys zum Verwechseln ähnlich sahen.
"Sie hat ja nicht einmal einen Tag gewartet, um sich zu betrinken", sagte ich und hob abschätzig die Augenbrauen.
Matt tat mir in dieser Hinsicht wirklich leid. Seinen Vater hatte er nie kennengelernt und seine Mutter hatte nichts anderes als Alkohol und Männer im Kopf. Deswegen war sie auch fast ein Jahr fort gewesen, weil sie mit irgendeinem Mann unterwegs gewesen war, während sie Matt und Vicky mit dem Haus allein gelassen hatte. Und jetzt war ja nicht einmal Vicky mehr da, was hieß, dass Matt sich allein um alles kümmern musste.
Kelly war nämlich sozusagen der Inbegriff einer Rabenmutter.
Da konnte ich mich mit meiner Familie echt glücklich schätzen.
Ich wurde aus den Gedanken gerissen, als meine Mutter an das große Pult, das in der Mitte des Raumes aufgestellt worden war, trat und die Männer zusammenrief, die diesjährigen Bachelor waren, mit denen man Dates gewinnen konnte.
"Hmm, da ist es ja fast schade, dass wir noch keine Lose kaufen dürfen", sagte Elena scherzhaft und ich lächelte etwas. Sie hatte recht, die Männer sahen wirklich nicht schlecht aus, nur dass die meisten von ihnen für uns etwas zu alt waren.
Alaric Saltzman war sogar einer von ihnen.
"Hat Jenna ein Los gekauft?", fragte ich an Elena gewandt, welche daraufhin leicht grinste.
"Vier", sagte sie und ich lachte, was jedoch augenblicklich erstarb, als der fünfte Bachelor auf die Bühne trat.
"Oh mein Gott", hörte ich Elena neben mir sagen und ich spannte mich unwillkürlich an.
Damon hatte zugesagt ein Bachelor zu sein?!
Hatte er von den Frauen heute früh schon genug und suchte sich jetzt eine Neue, mit der er sich trösten konnte?!
Wie in Trance sah ich zu, wie sich die fünf Männer in einer Reihe aufstellten und meine Mutter begann ihnen der Reihe nach persönliche Fragen zu stellen, doch ich konnte ihr nicht richtig zuhören.
"Geht's?", fragte Elena besorgt und ich nickte etwas, als sich jemand neben uns setzte.
"Hey, entschuldige. Ich wurde noch aufgehalten", sagte Stefan an Elena gewandt, welche ihm kurz zunickte, während ich ihn keines Blickes würdigte. Ihn konnte ich jetzt nicht auch noch gebrauchen.
"Nummer Vier: Alaric Saltzman. Das ist ja ein Zungenbrecher!'", hörte ich meine Mutter sagen und ich blickte wieder nach vorne. Sie war fast bei Damon angekommen...
"'Was machen Sie denn vom Beruf, Alaric?'", fragte sie und hielt Alaric anschließend das Mikrofon hin.
"'Ich bin Lehrer an der Mystic Falls High School'", antwortete dieser schlicht.
"'Oh, gutaussehend und Köpfchen, meine Damen, den muss man sich warmhalten!'", sagte meine Mutter darauf und meine Anspannung stieg ins Unermessliche als sie zu Damon weiterging, "'Und dann haben wir zu guter Letzt Damon Salvatore! Über Sie wissen wir nicht viel...'" Auffordernd sah sie ihn an.
"'Naja, ich passe eben nicht auf eine Karte'", erwiderte Damon lächelnd und ich schloss die Augen. Ich wollte das nicht sehen. Wie er sich als der charmante mysteriöse Kerl gab und alle Frauen im Raum ich anschmachteten.
"'Haben Sie irgendwelche Hobbys? Zum Beispiel Reisen?'", fragte meine Mutter weiter und ich hasste sie in diesem Moment dafür. Natürlich musste sie genau ihm mehr Fragen stellen als allen anderen. Und ich wusste auch genau warum. Sie wollte ihn mir schmackhafter machen.
"'Oh ja!'", antwortete Damon auf die Frage, "'L.A., New York... Vor ein paar Jahren war ich in North Carolina. In der Nähe der Duke University. Ich glaube Alaric hat dort studiert. Stimmt's, Ric?'" Erschrocken öffnete ich meine Augen wieder und sah nach vorne. Was sollte das werden?
"'Ja, denn ich weiß, dass Ihre Frau dort studiert hat!'", fuhr Damon fort und ich warf einen besorgten Blick zu Elena, die zur Salzsäule erstarrt war. Damon kannte ihre Mutter?
Eine dunkle Vorahnung breitete sich in meinem Inneren aus und ich hoffte inständig, dass ich falsch lag, als Damon auch schon weitersprach.
"'Ich war mal mit ihr was trinken. Sie war ein tolles Mädchen! Habe ich Ihnen das nie erzählt? Sie war wirklich... köstlich!'" Das Grinsen, das bei den letzten Worten auf seinem Gesicht erschien, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. In diesem einen Moment konnte ich in ihm nur das Monster sehen. Von dem Damon, den ich liebte war nichts mehr zu erkennen.
Schnell sah ich zu Elena, die wohl kurz davor war, die Fassung zu verlieren.
"Komm", sagte ich leise, ehe ich sie am Arm griff und auf die Füße zog. Stefan schien mein Vorhaben zu durchschauen und griff ihren anderen Arm, ehe wir sie zusammen nach draußen zogen.
Ich hörte wie sie gierig die frische Luft einsog als wir in die Kälte traten und ich tat es ihr gleich.
"Elena-", begann Stefan sanft, wurde jedoch sofort von ihr unterbrochen.
"'Er hat sie getötet?! Damon ist der Vampir, der sie getötet hat?!'", fragte sie aufgebracht, während ich mich hilfesuchend an die Mauer des Gebäudes lehnte.
Das durfte alles nicht wahr sein.
"'Ich weiß nicht, was da passiert ist. Die Leiche wurde nie gefunden!'", erwiderte Stefan nur.
"'Oh mein Gott...'", hauchte Elena und rang sichtlich um Fassung, "'Ich hatte wirklich Mitleid mit ihm! Ich hatte gehofft, dass diese ganze Geschichte mit Katherine ihn ändern würde!'"
"Das tut es bereits", sagte ich leise, "Jedoch zum Schlechterem." Ich schluckte den Kloß, der mal wieder in meiner Kehle entstanden war, hinunter. Ich wollte nicht schon wieder weinen.
"'Er weiß nichts von der Verbindung zu dir'", sagte Stefan kopfschüttelnd an Elena gewandt, "'Ich wollte ihn damit konfrontieren, aber er ist auch schon so fertig-'"
"Wieso verteidigst du ihn schon wieder?!", fiel ich ihm wütend ins Wort.
Seine momentane Gefühlslage entschuldigte nichts von alldem! Weder seine Aktion heute früh, noch diese Vorführung mit Alaric eben!
"'Weil du nicht die Einzige bist, die nach wie vor etwas Gutes in ihm sieht'", antwortete Stefan da und ich hielt inne, als ich die gleiche Hoffnung in seinen Augen sah, die ich immer gespürt hatte und welche gerade nach und nach in mir schwand.
"'Dieser Mann...'", sagte Elena plötzlich und verwirrt sah ich zu ihr, "'Den habe ich auch schon vor Trudys Haus gesehen.'" Ich folgte ihrem misstrauischen Blick und entdeckte einen älteren Mann, der etwas entfernt von uns auf dem Gehweg stand und uns anstarrte.
Auch mich beschlich bei seinem Anblick ein ungutes Gefühl.
"'Geht wieder rein'", sagte Stefan leise, doch ich merkte, dass er ebenfalls angespannt war, "'Kommt schon.'"
Zögerlich ließ ich zu, dass er uns wieder nach drinnen schob.
Gefolgt von ihm und Elena trat ich durch die Tür nach drinnen, als ich plötzlich mit jemandem zusammenstieß und einen Schritt zurück stolperte.
"'Hoppla! Nicht so stürmisch!'", sagte mein Gegenüber und ich erkannte Damon, "'Kauf ein Los, genau wie alle anderen.'" Noch immer konnte ich Alkohol an ihm riechen und ich spürte wie die Wut heiß in meiner Brust brannte, als ich ihm in die Augen sah.
"Du...", begann ich leise, doch mir fiel kein Ausdruck ein, der genug Kraft hätte, für das was ich gerade von ihm hielt.
"'Macht dir das eigentlich Spaß?!'", fragte Elena da, die neben mich getreten war und ihn zornig anfunkelte, "'Dieses Spielchen mit Alaric Saltzman?!'"
"'Was?'", fragte Damon verwirrt und legte den Kopf leicht schräg.
"'Gerade als ich dachte, dass vielleicht doch noch etwas Menschliches an dir wäre-'"
"'Elena!'", unterbrach Stefan die Dunkelhaarige kopfschüttelnd und Damon sah fragend zwischen ihm und uns hin und her.
"'Hab ich irgendwas verpasst?'", fragte er nach.
"'Hab ich bei unserem Gespräch vorhin vergessen zu erwähnen, dass meine leibliche Mutter, die die mich weggegeben hat, eine gewisse Isobel war?!'", fragte Elena und mit Genugtuung sah ich wie Damon innehielt und sie erschrocken anstarrte, "'Nur zu! Schwelge in Erinnerungen daran, wie du sie getötet hast!'" Damit drängte sie sich an ihm vorbei und lief zu unserem Tisch zurück. Stefan folgte ihr auf dem Fuß und ich wollte es ihr nachtun, als Damon mich am Arm griff.
"Zoey, ich-"
"Nein!", rief ich aus und riss mich von ihm los, "Du bekommst sicher nicht die Gelegenheit von mir, dich dafür zu entschuldigen!", sein Blick glitt schuldbewusst zu Boden und etwas leiser, doch nicht weniger wütend fuhr ich fort, "Nur weil es dir momentan dreckig geht, heißt das noch lange nicht, dass du alle anderen um dich herum auch wie Dreck behandeln kannst! Krieg das in den Griff, sonst wirst du noch viel mehr verlieren als deine kostbare Katherine!"
Ich wartete keine Reaktion von ihm ab, sondern ging genau wie Elena vorher an ihm vorbei zurück zu unserem Tisch.
Wenigstens konnte es jetzt nicht mehr schlimmer kommen...
You Ruined Me
"I just wanna know
When did you get so cold
What happened to your soul
Don't you see me
I thought that we were close
But now that door is closed
When did we lose control
Guess you don't need me..."
-I Just Wanna Know, NF
"So, das wäre alles für heute! Und vergesst nicht die Deadline für die Hausarbeit ist nächsten Dienstag!", sagte Mr. Saltzman und als wäre das das Stichwort gewesen, sprangen alle Schüler hastig auf und verließen fast fluchtartig den Raum, was bei der letzten Stunde, die man am Freitag hatte, aber nicht wirklich ungewöhnlich war.
Ich hatte es jedoch nicht so eilig und packte in Ruhe mein Zeug zusammen, ehe ich aufstand und langsam aus dem Klassenzimmer ging, während ich Mr. Saltzman im Rausgehen noch freundlich zunickte.
Eine weitere Schulwoche war nun zu Ende, ohne dass ich großartig etwas vom Unterricht mitbekommen hatte. Wen konnte das auch verwundern, meine Motivation für Schule und andere alltägliche Sachen lag ungefähr bei null.
Seit Damon letzte Woche diese Show im Grill abgezogen hatte, hatte ich ihn weder gesehen noch mit ihm gesprochen, worüber ich auch ganz froh war. Ich hatte diesen Abstand dringend gebraucht, doch trotzdem war es mir nicht gelungen groß an etwas anderes zu denken als an den schwarzhaarigen Vampir. Noch ein Grund, weshalb ich Jeremy noch immer aus dem Weg ging, der nach wie vor nicht locker ließ mit seinen Versuchen mich um ein Date zu bitten.
Jedoch war das Schlimmste dabei auch noch, dass Elena noch am gleichen Abend von einem Mann bedroht worden war. Genauer gesagt von dem Mann, den wir bereits vor dem Grill gesehen hatten. Er hatte sie aufgefordert, aufzuhören nach Isobel zu suchen, da diese sie nicht kennenlernen wolle. Mit diesen Worten hatte er sich dann vor ein fahrendes Auto geschmissen, was eine schreckliche Szene gewesen war. Gott sei Dank war niemandem außer ihm etwas passiert. Doch der Anblick des toten Mannes hatte mir vollkommen gereicht. Auch Elena war vollkommen fertig gewesen, nicht nur wegen des Unfalls sondern auch wegen den Worten des Mannes vorher.
Isobel war somit nicht nur von Damon getötet, sondern auch noch verwandelt worden. Ich hatte mich somit geirrt.
Es konnte immer schlimmer kommen.
Ich seufzte leise, als ich im Flur bei meinem Spind ankam und ihn aufschloss. Ich pfefferte mein viel zu dickes Geschichtsbuch hinein, ehe ich im Seitenblick bemerkte wie jemand neben mich trat.
"Ich dachte, du wolltest mit Stefan fahren", sagte ich, als ich Elena erkannte und sah fragend zu ihr. Sie war eben genau wie alle anderen zusammen mit Stefan aus dem Klassenzimmer gelaufen, weswegen es mich jetzt wunderte, dass sie doch noch auf mich gewartet hatte.
"Ich wollte mit dir reden", erwiderte Elena, "Allein." Sie blickte mich ernst an, während ich die Augenbrauen hob.
"Das sind wir hier aber auch nicht gerade", sagte ich und blickte kurz den belebten Flur entlang, wo dutzende Schüler durcheinanderliefen.
"Naja, bei der Lautstärke ist stark zu bezweifeln, dass uns jemand hören kann, der nicht neben uns steht", sagte die Dunkelhaarige darauf nur und ich musste ihr Recht geben. Hier war es so laut, dass niemand die Chance hatte zu lauschen, wenn er nicht direkt bei uns stand, mögliche Vampire wie Stefan jetzt mal außer Acht gelassen.
"Okay, was ist los?", fragte ich und schloss meinen Spind wieder, ehe ich mich ganz zu ihr drehte. Elena hielt kurz inne, als müsste sie überlegen wie sie am bestenanfing.
"Also, ich habe nachgedacht...", begann sie langsam und ich spannte mich etwas an.
"Über die Sache mit deiner Mutter?", fragte ich vorsichtig, erntete aber sofort einen entnervten Blick von ihr.
"'Du meinst über Isobel, meine leibliche Vampir-Mutter, die mit meiner Vampir-Vorfahrin Katherine verwandt ist, die deinen Vampir-Exfreund und Bruder meines Vampir-Freundes verarscht hat? Nein, daran habe ich noch keinen Gedanken verschwendet", sagte sie sarkastisch und ich blickte sie mitfühlend an. Da war ich ja schön ins Fettnäpfchen getreten.
"Entschuldige", sagte ich, was sie jedoch nur abwinken ließ.
"Ich will mich nur mal einen Tag nicht mit diesem Mist rumschlagen müssen", sagte sie und ich nickte.
"Wem sagst du das?" Sie wusste ja gar nicht, wie sehr ich mir die Normalität zurückwünschte, in der mein größten Problem gewesen war, dass Jeremy mich bei einem Date versetzt hatte oder dass ich die Mathe-Klausur verhauen hatte.
"Deswegen wollte ich eigentlich mit dir reden", begann meine beste Freundin da und als ich ihren bittenden Blick sah, wurde ich misstrauisch, "Caroline hat Stefan und mich dazu breitgeschlagen mit ihr und Matt heute Abend auszugehen. Wahrscheinlich um deutlich zu machen, dass sie jetzt mit Matt zusammen ist." Ich runzelte die Stirn.
"Matt und Caroline sind ein Paar?", fragte ich ungläubig und Elena nickte. Das war ja dann mal wieder typisch Caroline, dass sie eindeutig ihr Revier markieren musste, vor allem da es kein Geheimnis war, dass Matt Elena noch nachtrauerte. Aber das Matt und Caroline zusammengekommen waren, war ja komplett an mir vorbei gegangen.
"Stefan meinte, dass es eine gute Idee wäre", fügte Elena hinzu, "Dass uns ein normaler Abend mal gut täte..." Skeptisch verschränkte ich die Arme vor der Brust. Sie wollte doch etwas von mir.
"Und was habe ich jetzt damit zu tun?", fragte ich nach und wieder setzte sie einen bittenden Blick auf.
"Naja... ich hatte gedacht, dass du mit Jeremy eventuell dazustoßen könntest", sagte sie und ich setzte sofort zum Widerspruch an, als sie schon weitersprach, "Bitte, Alie! Ich halte Carolines Zicken allein nicht aus! Und außerdem glaube ich, dass dir ein normaler Abend auch mal ganz gut tun wird!" Ich konnte sie nur erschrocken anblicken. Sie wollte mich als Puffer zwischen sich und Caroline, das konnte ich ja noch nachvollziehen. Aber mit Jeremy und zwei glücklich verliebten Paaren auszugehen, war kein besonders schöner Gedanke. Untertrieben ausgedrückt.
"Elena, es hatte einen Grund, warum ich Jeremy bisher immer abgesagt habe-", fing ich an, doch sie unterbrach mich.
"Ich weiß, dass du immer noch traurig bist wegen Damon", sagte sie und blickte mich mitleidig an, "Aber vielleicht hilft es ja, wenn du dich wieder mit anderen triffst."
Ich konnte nur den Kopf schütteln. Sie war meine beste Freundin und es war schon fast gruselig, wie gut sie darin war meine Gedanken und Gefühle zu lesen, doch in diesem einen Punkt verstand sie mich absolut nicht. Mich mit Jeremy zu treffen, würde alles nur noch schlimmer machen.
"Es wäre Jeremy gegenüber nicht fair", versuchte ich zu erklären, "Es kann sein, dass ich früher mal etwas für ihn empfunden habe, aber jetzt ist da nur noch Damon! Und Jeremy da etwas anderes vorzumachen, wäre nicht richtig. Ich glaube nämlich nicht, dass ich je wieder etwas für ihn empfinden werde."
"Das sagst du immer wieder", sagte meine beste Freundin kopfschüttelnd und ich seufzte, "Aber woher kannst du das so genau wissen, wenn du es nie versuchst?"
Nachdenklich sah ich sie an, als sich leise Zweifel in meinen Kopf schlichen. Konnte es so einfach sein? War da einfach nur eine Blockade in meinem Kopf, die ich überwinden musste? Konnte ich mich dann Jeremy vielleicht wieder öffnen und Damon irgendwie vergessen?
"Bitte, Alie!", flehte Elena erneut, "Lass uns einen normalen Abend zusammen verbringen, ohne dass wir über Vampire oder andere übernatürlichen Dinge nachdenken müssen."
Einen Moment sah ich sie noch unsicher an, ehe ich erneut seufzte.
"Na gut", gab ich auf, "Ich werde Jeremy fragen."
"Super!", sagte Elena erleichtert, ehe ihr Blick hinter mich fiel, "Dann frag mal." Kurz sah ich sie verwirrt an, ehe ich eine Stimme hinter mir ertönte.
"Hey, Alie!", hörte ich Jeremy rufen und ich schloss kurz die Augen, ehe ich mich langsam zu ihm drehte, "Ich hab gehofft, dich noch zu erwischen!" Himmel, hatte er ein Timing.
Er lächelte mich an und ich spürte den Stich meines schlechten Gewissens, als ich in seine hoffnungsvollen braunen Augen sah.
"Hi, Jer", sagte ich und versuchte sein Lächeln zu erwidern, "Gut, dass du kommst. Ich wollte dich etwas fragen..."
"Ähm, klar!", sagte er darauf etwas perplex, "Was gibt's?"
Ich öffnete den Mund, um ihm die Situation zu erklären, doch kein Laut wollte über meine Lippen kommen. Wieso kam ich mir nur so vor, als würde ich ihm gerade etwas vormachen?
"Also, Matt, Caroline, Stefan und ich gehen heute aus!", sprang Elena da für mich ein, "Und ich habe Alie gefragt, ob sie mit dir dazu kommen will." Ich konnte nur nicken und hoffen, dass mein Gesichtsausdruck nicht verriet wie mies ich mich dabei fühlte.
Jeremy hob die Augenbrauen und schien zu überlegen.
"So eine Art Doppeldate?", fragte er nach und Elena nickte.
"In unserem Fall wäre es wohl eher ein Triple-Date, aber ja", antwortete ich und war froh, dass meine Stimme gelassen und nicht angespannt klang.
"Also, was sagst du?", fragte Elena ungeduldig und genau wie ich zuvor blickte Jeremy seine Schwester unsicher an, ehe er etwas lächelte.
"Sicher. Warum nicht?", sagte er und ich spürte wie die Enttäuschung in mir hochkam, durch die mir klar wurde, wie sehr ich eigentlich gehofft hatte, dass er Nein gesagt hätte.
"Klasse! Dann sehen wir uns heute Abend um acht Uhr im Grill!", sagte Elena und ich konnte förmlich spüren wie erleichtert sie war, als sie sich von uns abwandte und im langen Flur zwischen den ganzen anderen Schülern verschwand.
"Dann... bist du jetzt endlich so weit mit mir auszugehen, was?", fragte Jeremy zögerlich und ich blickte wieder zu ihm, als mein Gewissen erneut in meinem Inneren stach.
"Sieht wohl so aus", antwortete ich und lächelte etwas. Jeremy erwiderte mein Lächeln und griff sanft nach meiner Hand. Ich widerstand dem Impuls sie ihm zu entziehen.
"Das freut mich", sagte er leise, ehe er sich etwas zu mir vorbeugte, "Dann bis heute Abend."
Damit ließ er mich los und verschwand wie Elena vorher in der Menge, während ich mich an den Spind lehnte und meinen Kopf hörbar dagegen sinken ließ.
Das konnte ja nur eine Katastrophe werden.
***
"Ich sage es euch! Matt mogelt!", sagte Elena etwas beleidigt, grinste aber trotzdem.
"Matt mogelt doch immer", sagte ich kopfschüttelnd und wir alle mussten lachen, ehe ich dran war und Genanntem den Spielstock abnahm, um damit die weiße Kugel über den grünen Billardtisch zu jagen.
"Ach verdammt!", jammerte ich, als ich mal wieder keinen einzigen Ball einlochen konnte, was die anderen nur noch mehr zu amüsieren schien.
"Du warst schon mal besser", neckte mich Jeremy grinsend und ich sah ihn böse an.
"Klappe!"
Der Abend lief bisher wesentlich besser als ich erwartet hatte. Wir hatten uns wie verabredet im Grill getroffen, hatten etwas gegessen und nun spielten wir Billard.
Elenas Plan Jeremy und mich als Puffer zu benutzen ging eigentlich sehr gut auf, wir lachten alle zusammen, hatten Spaß und es war noch keine unangenehme Stille entstanden. Durch die Gruppe gelang es mir auch mit Jeremy normal reden zu können, ohne dass er mir private, unangenehme Fragen stellen konnte, was mit Sicherheit geschehen wäre, wären wir allein gewesen.
Doch so konnte der Abend echt noch schön werden.
"Aber Stefan spielt fair, oder was?", riss mich Matt aus den Gedanken und ich blickte zu den beiden Männern. Stefan hatte gerade wieder drei Kugeln hintereinander versenkt und lächelte Matt nun entschuldigend an, während dieser ihn gespielt misstrauisch beäugte.
"Also ich bin ja dafür, dass wir nächste Runde Teams bilden!", sagte Caroline.
"Ich auch!", sagten Elena und ich im Chor und wieder grinsten wir uns an.
"Oh nein", kam es da plötzlich verärgert von Matt und irritiert sah ich zu ihm auf, "'Das darf ja wohl nicht wahr sein.'" Er hatte den Blick in Richtung Bar gerichtet und als ich ihm folgte, sah ich was ihn so aufregte. Seine Mutter Kelly saß an der Bar und trank Shots mit Elenas Tante Jenna und... Damon.
Ich spürte wie meine gerade erst verbesserte Laune wieder erheblich sank und schluckte. Damon betrank sich also immer noch. Dann hatte er seine andere Ablenkungsmethode sicher auch noch nicht aufgegeben.
"Hey, alles okay?", fragte Jeremy leise und ich spürte seinen besorgten Blick auf mir. Ich nickte nur etwas, vermied es jedoch tunlichst ihn anzusehen.
"'Na die haben zumindest Spaß'", kam es trocken von Caroline. Den hatte ich bis vor zehn Sekunden auch noch.
"'Sie sind betrunken'", erwiderte Elena kopfschüttelnd.
"'Wisst ihr noch wie uns nach dem Schulfest Elenas und Jeremys Eltern hier erwischt haben?'", fragte Matt plötzlich und ich musste unweigerlich lächeln als die Erinnerungen in mir hochkam und die düsteren Gedanken verdrängten.
"Oh mein Gott", sagte ich nur und auch Elena, Jeremy und Caroline erinnerten sich.
"'Du meine Güte, ja!'", sagte Letztere und lachte.
"'Waren wir vielleicht fertig! Das war das erste Mal, dass Alie und ich betrunken waren! Schuld war Matt!'", sagte Elena und nun musste auch ich lachen.
"Nicht komplett! Ich hatte Hilfe!", widersprach der Blonde und ich wusste genau wen er meinte.
"Schuldig", sagte Jeremy und wir tauschten einen amüsierten Blick. Er hatte mir an diesem Abend die meisten Drinks geholt. Also ja, so gesehen war es seine Schuld.
"'Eure Eltern setzten sich an den Tisch nebenan'", erinnerte sich Matt.
"'Und Matt wollte, dass ich so tue, als ob ich ersticke, damit wir abhauen konnten!'", sagte Elena und lachte noch mehr.
"Falsche Methode, wenn unser Vater Arzt ist", sagte Jeremy und ich konnte nur grinsend den Kopf schütteln. Da hatte er Recht.
"'Jap und ich bin weggerannt, auf dem nassen Boden ausgerutscht und hingefallen! Drei Stiche, einen tagelangen Kater und den da durfte ich eine Woche lang nicht mal sehen!'", erzählte Elena und deutete auf Matt.
"Wenn du dich auch erwischen lässt", sagte ich schulterzuckend.
"Wie seid ihr denn da rausgekommen?", fragte Stefan neugierig an Jeremy und mich gewandt.
"Ich hab meine Eltern schon gesehen, bevor sie ganz zur Tür reingekommen sind", erwiderte Jeremy schulterzuckend, "Ich hab mir Alie geschnappt und-"
"Und wir sind zur Hintertür raus", endete ich und kurz wurde mir warm als ich mich daran erinnerte, wie Jeremy meine Hand gegriffen und mich lachend mit nach draußen in die Nacht gezogen hatte.
Damals war alles noch so einfach und ohne Sorgen gewesen...
Da spürte ich wie sich eine Hand über meine legte, die auf dem Billardtisch ruhte und ich sah auf zu Jeremy, der wohl einen ähnlichen Gedankengang gehabt hatte. Jedoch ließ das Gefühl beobachtet zu werden meinen Blick weiterwandern und als würde er davon magisch angezogen werden, glitt er zur Bar und kreuzte sich mit Damons, der mich mit undefinierbarer Miene musterte.
Für einen kurzen Moment verlor ich mich im Blau seiner Augen, ehe ich mich besann und den Blickkontakt brach. Schnell richtete ich mich auf, wobei ich auch meine Hand aus Jeremys zog, der mich teils fragend teils besorgt ansah.
"Ich gehe mal kurz auf die Toilette", sagte ich in die Runde, ehe ich mich abwandte und schnellen Schrittes ins rettende Badezimmer lief, wo ich vor dem Spiegel stehenblieb und tief durchatmete.
Das ganze war wie verhext. Jedes Mal, wenn ich Jeremy auch nur ein bisschen näherkam, kam Damon dazwischen, egal ob in meinen Gedanken oder in der Realität, und zerschlug wie ein Vorschlaghammer jede Gefühlsregung, die ich für Jeremy entwickelte.
Ich schloss kurz die Augen und unterdrückte den aufkommenden Heulkrampf.
Ich würde nie wieder Gefühle für Jeremy entwickeln können, wenn Damon nicht verschwinden würde.
Unwillkürlich schrak ich zusammen, als in diesem Moment plötzlich die Tür aufging und Elena hereinkam, die mich sofort besorgt musterte, was mich bitter lächeln ließ.
Sie wusste mal wieder genau was los war.
"Alles okay?", fragte sie und ich nickte etwas.
"Geht schon", sagte ich leise, ehe ich mein Haar mit einem Blick in den Spiegel wieder etwas richtete.
"Ich werde Stefan fragen, ob wir das Treffen zu ihm verlegen können", meinte Elena und ich sah zu ihr, "Da haben wir unsere Ruhe." Ich nickte ihr dankbar zu.
Mit 'Ruhe' meinte sie natürlich, dass wir dort nicht mit Damon und Kelly, die sich zusammen betranken, in einem Raum sein müssten, wodurch sowohl Matt als auch ich uns wesentlich wohler fühlen würden.
"Kommst du oder brauchst du noch einen Moment?", fragte Elena und ich überlegte kurz.
"Ich komme gleich", sagte ich schließlich und sie nickte verstehend, ehe sie wieder nach draußen ging, während ich nochmals tief ein- und ausatmete.
Ich würde einfach da rausgehen und mit den anderen verschwinden, ohne mich weiter mit Damon befassen zu müssen.
Ich nickte meinem Spiegelbild aufmunternd zu, ehe ich die dunklen Locken zurückstrich, und aus dem Bad trat.
Zielstrebig lief ich nun auf die Garderobe zu, wo die anderen sich bereits ihre Jacken überzogen, als sich mir jemand in den Weg stellte.
"Zoey?" Oh nein. Bitte nicht.
Wieso musste er es mir so schwer machen? Hätte er mich nicht einfach gehen lassen können?!
Bemüht ruhig blickte ich langsam zu Damon auf, der mich wie eben schon mit einem undefinierbarem Blick musterte.
"Können wir kurz reden?", fragte er und ich sah ihn unschlüssig an.
Eigentlich wollte ich nichts lieber, als hier zu verschwinden. Doch sein Blick, der nun auch viel klarer wirkte, als vor einer Woche machte mich unsicher.
"Was willst du?", fragte ich leise.
"Mich entschuldigen", antwortete der Schwarzhaarige ebenso leise und ich sah ihn überrascht an. Hatte er endlich eingesehen, wie mies er sich benommen hatte?
"Wofür?"
"Für die ganze Sache im Grill letzte Woche. Du hattest recht. Es war absolut falsch von mir Alaric so vorzuführen und mit dem Mord an Elenas Mutter zu prahlen", sagte er kopfschüttelnd, während ich ihn ungläubig ansah. Das war alles, was ihm leidtat?
"Und was ist mit dem Rest?", fragte ich nur und verschränkte die Arme. Was war mit der Tatsache, dass er mit zig anderen Frauen im Bett war und sich mir gegenüber wie ein absoluter Mistkerl aufgeführt hatte?
Damon sah mich nur verwirrt an.
"Rest?"
"Die Sache im Salvatore-Anwesen?", half ich ihm auf die Sprünge, während erneut die Wut in mir hochstieg, die ich bereits beim letzten Mal verspürt hatte. Er hatte sich wirklich keinerlei Gedanken darüber gemacht.
"Zoey, ich...", fing er langsam an, ehe er verständnislos den Kopf schüttelte, "Ich weiß mein Verhalten war etwas unpassend. Aber ich war betrunken. Das kannst du doch nicht so ernst nehmen." Etwas unpassend?!
Ich schäumte vor Wut und musste in diesem Moment dem Drang widerstehen ihm eine Ohrfeige zu geben. Wie konnte er nur so sein? So tun, als wüsste er nicht, was ich meine?!
"Alie!", ich blickte zu Jeremy, der ein paar Schritte auf uns zu getreten war, "Kommst du?"
Kurz sah ich zwischen ihm und Damon hin und her. Wieder hätte ich dem Schwarzhaarigem am liebsten alles ins Gesicht geschrien, was in mir vorging, doch auch wenn er diesmal deutlich klarer zu sein schien, gab es hier einfach zu viele Zuhörer.
"Vergiss es einfach", sagte ich stattdessen nur, ehe ich ohne Damon noch eines Blickes zu würdigen, an ihm vorbei zu Jeremy und den anderen ging.
***
"'Ja! Das ist wesentlich besser als Damon mit seinen reifen Frauen zu zusehen'", sagte Caroline als wir das Salvatore-Anwesen betraten und ich warf ihr einen tödlichen Blick zu, den sie jedoch nicht bemerkte, "'Nicht böse gemeint'", fügte sie noch hinzu und sah Matt entschuldigend an.
"'Erinnere mich nicht dran'", sagte dieser, als wir in den Salon traten und sich sowohl er als auch Caroline und Jeremy staunend umsahen, "'Mann, ich wollte schon immer mal wissen, wie es hier drin aussieht!'"
"Nicht nur du", sagte Jeremy, der interessiert durch den Raum ging.
"'Ja, ich vermute es ist ein bisschen groß'", sagte Stefan und ich lächelte ein wenig.
"Naja, ich bin da abgehärtet", sagte ich und ließ mich auf einer der Sofas nieder, während ich meine Jacke abstreifte und neben mich legte. Seltsam wie vertraut mir dieser Raum schon war.
"'Ich nicht'", sagte Matt kopfschüttelnd, "'Mein ganzes Haus passt hier zwei Mal rein!'"
"'Also'", sagte Elena, "'Wollt ihr euch vielleicht einen Film ansehen, oder so?'"
Ich öffnete den Mund, um zu antworten, jedoch kam Matt mir zuvor.
"'Wow, die sind ja irre!'" Beeindruckt lief er zu einer Glasvitrine, in der mehrere Modellautos ausgestellt waren.
"'Ja, das ist ein kleines Hobby von mir'", erwiderte Stefan, als Jeremy sich neben mich setzte, während Caroline und Elena ebenfalls zu der Vitrine traten.
"Was denn, bist du kein Autofan?", fragte ich den Dunkelhaarigen leise und versuchte mich mal wieder an einem Lächeln, das echt aussah.
"Du weißt doch, dass ich eher künstlerisch veranlagt bin", antwortete er, ehe sein Blick wie so oft heute schon besorgt wurde, "Alles okay?"
"Das ist deine Lieblingsfrage heute, oder?", fragte ich scherzhaft, jedoch blieb Jeremy ernst, was mich leise schlucken ließ. Verdammt.
"Du siehst nur so aus, als müsste man dich das heute öfters fragen", sagte er nur und ich sah zu den anderen, die noch immer über die Mini-Autos redeten, um seinem Blick auszuweichen.
"Mir geht's gut. Keine Sorge", sagte ich, als Stefan sich plötzlich zu uns drehte.
"Hey, wir gehen kurz zur Garage. Bleibt ruhig hier. Wir sind gleich wieder da", sagte er und ich blickte ihn entsetzt an, was er jedoch nicht mehr sah, da er schon gefolgt von Matt, Caroline und Elena Richtung Flur lief. Letztere warf mir dabei noch einen aufmunternden Blick über die Schulter zu und ich verstand.
Das war ihre Idee gewesen.
Ich unterdrückte ein genervtes Stöhnen. Sie sollte eigentlich wissen, dass es die Situation nicht besser machte, wenn sie mich mit Jeremy allein ließ!
Ich hörte wie ihre Schritte leiser wurden und wie die Haustür auf und zuschlug, ehe bedrückende Stille herrschte.
Nervös werdend stand ich auf und lief zu einem der Bücherregale. Ich hörte wie Jeremy mir folgte, ignorierte das aber, während ich die einzelnen Buchrücken überflog und nach etwas Bekanntem suchte.
"Wieso haben die eigentlich hier Bücherregale stehen, wenn sie eine ganze Bibliothek haben?"
"Keine Ahnung", erwiderte Jeremy und mir wurde bewusst, dass ich das laut gesagt hatte, "Vielleicht war da kein Platz mehr."
Ich schmunzelte etwas, ehe wieder Stille aufkam.
"Du warst schon oft hier, oder?", fragte Jeremy schließlich und ich hielt inne.
"Ja. Zu oft", sagte ich leise und atmete hörbar aus, als mein Blick zum Kamin glitt.
Dort hatte ich Damon im Arm gehalten, als er Katherine verloren hatte...
"Was findest du eigentlich an ihm?", fragte Jeremy plötzlich und erschrocken drehte ich mich zu ihm.
"Was?"
"Was findest du an Damon?", wiederholte er und ich sah an seinem Blick, dass er die Frage absolut ernst meinte. Genau sowas hatte ich befürchtet. Dass er mir unangenehme Fragen stellte, die ich ihm nicht beantworten konnte oder wollte.
"Ich... ich denke nicht, dass dich das etwas angeht, oder?", sagte ich unsicher und Jeremys Blick wurde etwas weicher.
"Entschuldige, ich... Ich frage mich nur, was er hat und ich nicht", sagte er nachdenklich und ich biss mir schmerzhaft auf die Lippen. Was sollte ich dazu sagen? Wie sollte ich auf sowas antworten?
Dann fasste ich einen Entschluss. Ich würde einfach ehrlich zu ihm sein. Naja, zumindest größtenteils.
"Jeremy...", begann ich leise und sah ihn dabei direkt an, "Es gibt absolut nichts an Damon, was ihn besser als dich machen würde. Sogar im Gegenteil. Du hast sogar Eigenschaften, bei denen ich froh wäre, wenn er sie hätte." Wie zum Beispiel ein Mensch zu sein...
"Und trotzdem ist er deine erste Wahl", kam es ebenso leise von Jeremy und sein verletzter Blick versetzte mir einen kleinen Stich.
"Jer, glaub mir, wenn ich meine Gefühle kontrollieren könnte, mir aussuchen könnte, in wen ich mich verliebe-"
"Dann würdest du mich wählen?", fragte er bitter und ich wollte nicken, als er sich kopfschüttelnd von mir abwandte und ein paar Schritte durchs Zimmer ging, "Weißt du, was mich fertig macht?", es blieb kurz still und ich schüttele leicht den Kopf, nicht daran denkend, dass er es nicht sehen konnte, "Dass wir eine reale Chance gehabt hätten, hätte ich mich mehr bemüht, bevor Damon und sein Bruder hier aufgetaucht sind!" Er drehte sich wieder zu mir und ich sah die Wut in seinen Augen. Die Wut auf sich selbst.
Kurz dachte ich über dieses Szenario nach.
Was wäre gewesen, wenn Jeremy nie in diese Drogenphase geraten wäre? Wenn er mich nicht so mies behandelt hätte und zu dem Date, dass wir an dem Abend gehabt hätten, als ich Damon traf, erschienen wäre? Hätte ich mich dann nicht in Damon verliebt? Wäre ich bei Jeremy geblieben?
Ich seufzte. Das war zwar möglich, aber unwahrscheinlich.
Damon hatte von Anfang an eine starke Wirkung auf mich gehabt. Ich bezweifelte, dass sie meine Gefühle für Jeremy nicht begraben hätte, nur weil diese stärker gewesen wären.
"Das wissen wir nicht", antwortete ich schließlich, "Wir können nie wissen, was passiert wäre, wenn wir eine andere Wahl getroffen hätten. Wir alle treffen Entscheidungen und müssen mit den Konsequenzen leben."
"Oder wir tun alles, was in unserer Macht steht, um sie rückgängig zu machen", murmelte Jeremy da und sah ernst zu mir auf, ehe er schnellen Schrittes an mich herantrat. Ich wich instinktiv einen Schritt zurück und spannte mich an. Was hatte er vor?
"Alie, ich bin nicht dazu bereit dich aufzugeben", sagte er und legte eine Hand an meine Wange, während er mir immer näherkam, "Ich werde um dich kämpfen, koste es was es wolle."
Ich wollte vor ihm zurückweichen, ihn von mir stoßen, ihm sagen, dass er keine Chance hatte, doch ich war so angespannt, dass ich nicht fähig war, eine Regung zu zeigen.
'Bitte, bitte, versuch nicht mich zu küssen', schoss es mir nur durch den Kopf. Ich wollte nicht, dass er mich so berührte, wie bisher nur Damon es getan hatte. Bei Damons ersten Kuss war mein Körper vor Gefühlen fast explodiert. Doch nun, wo Jeremy mir so nah war, fühlte ich nichts weiter als Unbehagen. In diesem Moment war es mir klarer als je zuvor: Ich fühlte definitiv nichts mehr für ihn.
Ich spürte bereits seinen Atem auf meiner Haut, als ich plötzlich hörte, wie die Haustür zuschlug, wodurch ich gerade noch rechtzeitig den Kopf zur Seite drehen konnte.
"Die anderen sind wieder da", sagte ich und hatte Mühe meine Erleichterung darüber zu verbergen. Ohne Jeremy anzusehen, drängte ich mich an ihm vorbei und lief durch die Tür Richtung Flur... Nur um dort wie angewurzelt stehenzubleiben.
Nun, ich hatte richtig gehört, es war tatsächlich jemand ins Haus gekommen. Jedoch waren das nicht Elena und die anderen, sondern Damon und Matts Mutter Kelly, die sich küssend in den Armen lagen und meine Anwesenheit nicht mal bemerkten.
Ich konnte förmlich hören, wie mein Herz bei diesem Anblick in tausend Splitter zersprang und mein Körper schien vor Schmerz zu erstarren, als ich einfach nur dastand und die Szene beobachtete.
"Alie?" Wie durch Watte merkte ich, wie Jeremy meinen Namen rief und neben mich trat, nur um überrascht stehenzubleiben. Damon sah nun bei dem Ruf auf und blickte uns erschrocken an. Ich sah wie sich seine Lippen kurz bewegten, wahrscheinlich weil er irgendeinen Fluch ausstieß, doch ich hörte es nicht. Ich konnte nur zitternd Luft holen, während ich versuchte irgendwie den Schmerz in meiner Brust zu ertragen.
Es tat so weh! Wieso musste es so verdammt weh tun?!
"'Mom?!'", schallte es da entsetzt durch den Raum und wie in Trance glitt mein Blick zu Matt, der gefolgt von Elena, Stefan und Caroline gerade durch die Haustür getreten war.
"'Damon?!'", fragte Letztere ebenso entsetzt, als Kelly erschrocken Damon losließ und beschämt den Blick senkte, während der Schwarzhaarige sie gleichgültig ansah.
Ohne es wirklich zu merken, begann ich langsam den Kopf zu schütteln.
Nein... das war zu viel. Ich hielt das nicht mehr aus.
"Oh Gott! Alie!", sagte Elena besorgt und ich spürte, wie sich alle Blicke auf mich richteten, was alles nur noch schlimmer machte.
Schnell senkte ich den Kopf, bevor jemand die ersten Tränen bemerken würde, die den Widerstand meiner Augen überwunden hatten, ehe ich einfach loslief, an den anderen vorbei, durch den Flur direkt ins Badezimmer. Dort angekommen verriegelte ich mit zitternden Händen die Tür, ehe ich an ihr langsam zu Boden sank.
Dabei liefen die Tränen nun über meine Wangen wie kleine Wasserfälle, doch seltsamerweise entwich kein einziges Schluchzen meinen Lippen. Fast als würde meinem Körper inzwischen die Energie dafür fehlen.
Ich schloss die Augen, was aber den Tränen keinen Abriss tat.
Wie konnte das sein? Immer wieder tat Damon mir weh und das zurzeit nur mit seiner bloßen Anwesenheit. Immer wieder brachte er mein Herz dazu, vor Schmerz zu zerspringen, so sehr, dass ich es mir am liebsten selbst aus der Brust reißen wollte, nur damit es aufhören würde wehzutun.
Und trotzdem, gegen alle Logik, konnte ich nicht aufhören ihn zu lieben und mir immer wieder aufs neue Hoffnung zu machen.
Ich hatte vorhin zu Jeremy die Wahrheit gesagt. Ich wollte nichts lieber, als meine Gefühle für Damon wegwischen und stattdessen etwas für Jeremy empfinden. Doch meine geringe Hoffnung, dass das vielleicht doch irgendwie möglich wäre, war, durch mein Unbehagen in Jeremys Nähe und mein unbeschreiblicher Schmerz, wenn ich Damon in den Armen einer anderen Frau sah, komplett zerstört worden.
Ich zuckte etwas zusammen, als es plötzlich an der Tür hinter mir klopfte.
"Alie! Komm schon! Mach auf!", hörte ich Jeremy gedämpft durch das Holz. Als einzige Reaktion darauf zog ich nur meine Beine an meine Brust und umklammerte sie mit meinen Armen, noch immer wartend, dass der Schmerz nachlassen würde.
Jeremy war nach Damon so ziemlich der Letzte, mit dem ich jetzt reden wollte.
Genau genommen wollte ich gerade mit niemanden reden. Nicht mit Damon, nicht mit Jeremy, nicht mit Elena.
Vor allem bei letzteren beiden wusste ich genau, was sie sagen würden.
Dass Damon ein schrecklicher Mensch war.
Dass ich Besseres verdiente.
Dass ich es doch weiter mit Jeremy versuchen sollte.
Ich spürte wie die altbekannte Wut in mir hochstieg.
Sie alle verstanden gar nichts!
"Alie! Bitte!", flehte Jeremy erneut und ich schloss die Augen. Konnte er nicht einfach weggehen?! Konnten nicht alle einfach verschwinden und mich allein lassen?!
"Jeremy", ertönte da plötzlich Elenas Stimme, "Vielleicht wäre es besser, wenn wir sie erstmal in Ruhe lassen. Ich denke, sie braucht jetzt Zeit für sich."
Ich öffnete die Augen wieder und blickte unendlich dankbar auf zur Tür hinter mir, auch wenn Elena es nicht sehen konnte.
Vielleicht verstand sie mich doch...
"Aber-", begann Jeremy.
"Kein Aber! Wenn sie reden wollte, wäre sie nicht da drin. Gib ihr etwas Freiraum!", unterbrach ihn Elena und meine Mundwinkel zuckten ein wenig in einem leichten Echo eines Lächelns.
Ja... Sie verstand mich wirklich.
"Ihr solltet nach Hause fahren", sagte jemand und ich erkannte Stefans Stimme, "Ich kann sie heimbringen, wenn sie sich wieder besser fühlt." Erneut blickte ich dankbar auf.
Das würde mir so viel ersparen. Ich müsste weder mit Jeremy noch mit Elena sprechen und könnte mich einfach allein zu Hause in mein Bett kuscheln. Und heulen.
Kurz war es still vor der Tür und fast konnte ich vor meinem geistigen Augen sehen, wie Elena mit sich rang, während Jeremy wahrscheinlich nicht mal daran dachte zu zustimmen.
"Okay", sagte meine beste Freundin schließlich und dumpf hörte ich Jeremys Proteste, die aber schnell leiser wurden. Wahrscheinlich wurde er durch Elena, Caroline und Matt mehr oder weniger gewaltsam zur Tür gebracht.
"Nathalie?", fragte Stefan da leise und ich horchte auf, "Ich bin draußen im Garten, wenn du nach Hause willst. Sag mir einfach Bescheid. Und lass dir Zeit." Ich spürte wie seine sanften Worte etwas den Schmerz abebben ließen und ich ein wenig meine Vorbehalte gegen ihn verlor.
"Okay", hauchte ich kaum hörbar, doch ich wusste, dass er es trotzdem hörte.
Seine Schritte vor der Tür wurden leiser und verstummten schließlich, während ich einfach die Augen schloss und still ein- und ausatmete.
Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als der drückende Schmerz in meiner Brust etwas zurückgegangen und die Tränen schließlich versiegt waren, doch es war mir auch egal. Etwas steif setzte ich mich auf und trat langsam vor den Spiegel am Waschbecken.
Ich sah echt furchtbar aus.
Meine Augen waren verquollen und meine Nase so rot, dass man mich mit Rudolf dem Rentier verwechseln konnte.
Ich drehte den Hahn auf und schlug mir kaltes Wasser ins Gesicht, ehe ich erneut in den Spiegel sah, was mich nur lautlos seufzen ließ.
Besser wurde es wohl nicht mehr.
Kopfschüttelnd drehte ich mich um und schloss die Tür wieder auf, ehe ich langsam heraustrat.
"Und ich dachte schon, du willst für immer da drinbleiben." Erschrocken schaute ich auf und mir gefror das Blut in den Adern als ich direkt in Damons blaue Augen sah, der mit verschränkten Armen an der gegenüberliegenden Wand lehnte. Obwohl seine Stimme ein wenig amüsiert geklungen hatte, war sein Gesicht todernst, was mich verunsicherte.
Hatte er etwa die ganze Zeit da gestanden und gewartet?
Trotzdem schaffte ich es meinen gleichgültigen Gesichtsausdruck zu bewahren, ehe ich mit einem Schnauben einfach an ihm vorbei ging, um dem Flur zurück zum Salon zu folgen, wo noch meine Jacke lag.
Ich würde bestimmt nicht mit ihm reden!
"Zoey!", rief er mir hinterher, doch ich ignorierte ihn. Ich kam im Salon an und entdeckte meine Jacke auf dem Sofa, als Damon mal wieder direkt vor mir auftauchte und mir den Weg versperrte.
"Was soll das?", fragte er verärgert, während ich nur die Augenbrauen hob.
"Was das soll?", erwiderte ich spöttisch und funkelte ihn wütend an, "Eigentlich sollte ich dir diese Frage stellen!" Damit wollte ich an ihm vorbeigehen, doch er versperrte mir weiterhin den Weg.
"Wieso führst du dich so auf?", fragte Damon weiter, ohne meine Antwort zu beachten und ich sah wie auch bei ihm langsam Wut hochstieg.
"Wieder eine Frage, die ich dir stellen könnte!", sagte ich erneut in einem spöttischen Ton und verschränkte die Arme.
"Zoey, das ist kindisch!"
"Ich bin lieber ein Kind, als ein Riesenarschloch, der alles besteigt, was nicht bei drei auf dem Baum ist!", rief ich nun richtig wütend und ich sah kurz wie Verwirrung in seine Augen trat, ehe sie der Erkenntnis Platz machte.
"Darum geht es hier?!", fragte er ungläubig, als ich es schaffte mich an ihm vorbei zu drängen und Richtung Sofa lief, "Mit wem ich schlafe?!"
"Was dachtest du denn, worum es geht?!", fragte ich, ohne ihn anzusehen und griff nach meiner Jacke. Ich hörte wie er bitter auflachte und drehte mich erschrocken zu ihm.
Fand er das witzig?
"Tut mir leid, aber...", er hielt kurz inne, um wieder Luft zu kriegen, "Ich finde nicht, dass dich das etwas angeht." Ich konnte ihn nur fassungslos anstarren und den Kopf schütteln.
Er verstand es einfach nicht!
"Zoey, du hast mit mir Schluss gemacht!", rief Damon aus und jegliche Belustigung war aus seinem Gesicht verschwunden, "Es ist ja wohl allein meine Sache wie ich mich über dich und Katherine hinwegtröste! Du hast keinerlei Recht mich deswegen zu verurteilen oder die eifersüchtige Ex zu spielen!"
"Gott! Du kapierst es einfach nicht, oder?!", rief ich und spürte wie die geradeerst versiegten Tränen erneut in mir hochstiegen.
"Was kapiere ich nicht?!", erwiderte Damon und blickte mich genauso wütend an, wie ich mich fühlte. Und in diesem Moment hielt ich es nicht mehr aus. All der Zorn und die Verzweiflung, all die Worte und Gedanken, die ich ihm gegenüber so lange unterdrückt hatte, sprudelten mit einem Mal unkontrolliert aus mir heraus.
"Dass ich dich immer noch liebe!", schrie ich den Tränen nah, "Dass ich nie damit aufgehört habe!", ich hielt kurz inne und blickte Damon an, der mich vollkommen perplex anstarrte, "Du tust die ganze Zeit so, als wärst du das Opfer! Als wärst du derjenige, dessen Liebe nicht erwidert wird! Und vielleicht stimmt das auch, was dich und Katherine angeht, aber zwischen uns beiden bin ich das Opfer, nicht du! Ich bin diejenige, deren Liebe nicht erwidert wird! Ich hab Schluss gemacht, weil du nach wie vor Eveline in mir siehst! Du liebst sie und nicht mich..." Ich musste aufhören, als meine Stimme brach und ich zitternd Luft holte, während nun wieder Tränen über meine Wange liefen.
"Zoey..." Damon war einige Schritte auf mich zugetreten, seine Stimme war im starkem Gegensatz zu vorher, leise und sanft geworden. Seine Wut schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Meine jedoch nicht!
"Ich hab mir solche Mühe gegeben, dich zu vergessen!", fuhr ich fort und schloss schmerzerfüllt die Augen, "Damit ich nicht jedes Mal zusammenbreche, wenn ich dich mit einer anderen sehe! Damit ich jemand anderen in mein Leben lassen kann!", ich öffnete die Augen wieder und blickte ihn direkt an, während sämtliche Gefühle, die in mir tobten, sich in meine nächsten Worte legten, "Aber das funktioniert nicht, egal wie sehr ich mich bemühe! Und das ist deine Schuld, Damon! Du hast mir das Herz gebrochen! Du hast mich ruiniert!"
Für einen Moment war es vollkommen still, als ich ihn einfach nur mit tränenverschleierten Augen ansah und er meinen Blick stumm erwiderte. Jedoch wurden wir beide aufgeschreckt, als plötzlich das ohrenbetäubende Splittern von Glas ertönte und ich zu dem Fenster hinter mir herumfuhr, woraufhin ich sofort erschrocken einen Schritt zurücksprang.
Jemand war von draußen durch das Fenster gesprungen und lag nun direkt vor mir auf dem Boden, jedoch nicht lange. Keine Sekunde später sprang der unbekannte Mann auf und ich schrie auf, als ich sein Gesicht sah. Es war ein Vampir!
"Kyra...", knurrte er kaum hörbar, als sich sein roter Blick auf mich richtete und er langsam auf mich zukam.
Bevor er mich jedoch erreichen konnte, schnellte Damon plötzlich mit übermenschlicher Geschwindigkeit vor mich und stieß ihn zurück.
Das ließ der fremde Vampir nicht auf sich sitzen und schlug zu. Damon parierte den Angriff und schlug seinerseits zurück, als plötzlich noch etwas durch das offene Fenster schnellte und direkt hinter Damon zum Stehen kam. Noch ein Vampir! Doch diesmal war es eine Frau!
"Damon, pass auf!", rief ich angsterfüllt, doch zu spät. Die Vampirin jagte dem Schwarzhaarigen eine Glasscherbe in die Schulter, bevor dieser hätte reagieren können und schreckliche Angst kroch in mir hoch, als ich seinen Schmerzensschrei hörte und er auf die Knie sank.
Verzweifelt sah ich mich nach einer Waffe um, als mein Blick auf die Holzscheite neben dem Kamin fiel.
Ohne darüber nachzudenken, griff ich nach einem spitzeren Stück Holz, ehe ich damit auf den männlichen Vampir, der mir gerade den Rücken zugekehrt hatte, zu rannte und ihm das Holz in den Hals stieß. Wie Damon vorher, schrie der Vampir auf und ging zu Boden.
"Lasst ihn in Ruhe!", rief ich und zog das Holz wieder raus, um nochmal zu zustechen, jedoch wurde ich in diesem Moment plötzlich von hinten gepackt und mit voller Kraft weggeschleudert. Ich schrie als ich durch den Raum flog hart am Boden aufkam, dummerweise auch noch direkt im Scherbenmeer vor dem Fenster.
Ich spürte wie sich mein Körper verkrampfte, als ich spürte wie sich das Glas überall in meinen Körper schnitt.
"NEIN!", hörte ich Damon schreien und blickte auf. Er wurde noch immer von dem männlichen Vampir, der sich unglaublich schnell von meinem Angriff erholt hatte, in Schach gehalten, während die Frau langsam auf mich zukam und mich mit ihrem roten Blick musterte, was mich angsterfüllt schlucken ließ.
Ich kannte diesen Ausdruck. Genauso hatte Damon ausgesehen, als er mich im Keller angegriffen hatte. Das war Hunger.
Verzweifelt versuchte ich auf die Füße zu kommen, was meine Wunden durch die Glasscherben allerdings nur noch schlimmer machte, als plötzlich noch jemand durch den Raum schnellte und sich keine Sekunde später ein Holzpfahl von hinten durch die Brust der Vampirin bohrte.
Unendlich erleichtert erkannte ich Stefan, der die sterbende Vampirin, die vor mir zusammenbrach, nicht weiter beachtete und sich zu Damon und dem Mann drehte, der nur entsetzt auf die Leiche starrte, ehe er, bevor einer der Brüder reagieren konnte, durch das offene Fenster nach draußen verschwand.
"Zoey!", rief Damon sofort und kämpfte sich auf die Füße, ehe er keine Sekunde später bei mir war und mich von Kopf bis Fuß besorgt musterte.
"Damon", hauchte ich zitternd und suchte auch ihn nach Verletzungen ab, doch außer einer blutenden Nase und der Verletzung an der Schulter schien es ihm gutzugehen.
Ich ließ zu, dass er mich auf die Füße zog, ehe ich ihn einfach umarmte und mich noch immer vor Schock zitternd an ihm festhielt. Die Schmerzen von den Glasscherben nahm ich nur am Rande war.
Unser Streit, der mir gerade so dumm und unnötig vorkam, war mir in dem Moment egal.
Er hätte sterben können!
Damon schien ähnlich zu denken, denn auch er drückte mich an sich, als fürchtete er, ich könnte ihm entgleiten, wenn er mich nicht fest genug hielt.
"'Ich erinnere mich an die beiden'", sagte Stefan da und ohne Damon loszulassen blickte ich fragend zu ihm, "'Sie sind von 1864. Die waren in der Gruft!'"
"'Ja'", erwiderte Damon, der Stefan ebenfalls beunruhigt ansah, ohne den Griff um mich zu lösen, "'Was das angeht...'"
Oh nein...
_____________________________________________
Vielen Dank an HappyBabyFeet und CrazyCely für eure lieben Reviews! Hab mich sehr gefreut!
Und wie immer tausend Dank an TheReaLoca fürs Betalesen <3
An die restlichen Schwarzleser (ich weiß, dass ihr da seid ^^): Danke auch an euch, dass ihr bis hierher mitgelesen habt, ich hoffe es gefällt euch weiterhin!
House Of Vampires
"Falling a thousand feet per second, you still take me by surprise
I just know we can't be over, I can see it in your eyes
Making every kind of silence, takes a lot to realize
It's worse to finish than to start all over and never let it lie
And as long as I can feel you holding on
I won't fall, even if you said I was wrong..."
-Perfect, Hedley
Ich erwachte an diesem Morgen, als ich das leise Vibrieren meines Handy hörte. Verschlafen öffnete ich die Augen und sah mich erst verwirrt um, ehe mir wieder einfiel, warum ich in einem fremden Schlafzimmer lag.
Ich hatte nach dem Vorfall gestern Abend im Salvatore-Anwesen übernachtet, da Damon absolut dagegen gewesen war mich in dieser Nacht irgendwie allein zu lassen. Jedoch war mir das sowieso ganz recht gewesen. Ich hatte mich hier in Damons unmittelbarer Nähe weitaus sicherer gefühlt, als wenn ich allein daheim in meinem Zimmer gesessen hätte und bei jedem Geräusch draußen zusammengezuckt wäre. Seit Damon gestern erzählt hatte, dass der Zauber den Bonnie und ihre Grams gewirkt hatten, schief gegangen war und nun alle 27 , okay, nach der Toten gestern nur noch 26, Gruftvampire draußen freiherumliefen, wollte ich eigentlich gar nicht mehr allein rausgehen.
Vor allem nicht, wenn alle Vampire meine geheimnisvolle Doppelgängerin Kyra kannten, von der ich noch immer nicht wusste, wer sie genau war, außer dass sie mit Katherine und den Gruftvampiren in Verbindung stand. Der Kerl gestern Abend hatte mich ja offensichtlich mit ihr verwechselt...
Kopfschüttelnd seufzte ich. Ich war noch keine fünf Minuten wach und zerbrach mir schon den Kopf.
Langsam stand ich auf und lief hinüber zum Badezimmer, das direkt an diesem Gästezimmer angrenzte.
Stefan hatte glücklicherweise noch ein paar Wechselklamotten von Elena hier gehabt, so dass ich nicht in meinen normalen Klamotten hatte schlafen müssen. Diese lagen ordentlich zusammengefaltet auf dem kleinen Schrank neben der Dusche, die ich jetzt auf jeden Fall benutzen würde. Ich wollte den ganzen Dreck von gestern abspülen.
Nachdem ich mich halbwegs sauber fühlte und mein nasses Haar in ein Handtuch gewickelt hatte, trat ich vor den Badezimmerspiegel und musterte unsicher die kleinen Schnittwunden, die meinen Körper übersäten.
Die Glassplitter hatten ganze Arbeit geleistet. Glücklicherweise schmerzten diese Wunden aber kaum und waren nur an Stellen, die ich einfach mit Kleidung überdecken konnte. Wir hatten ja sowieso Herbst, da fiel ein Pullover nicht sonderlich auf.
Erleichtert wandte ich den Blick vom Spiegel ab und zog mich an. Dabei musste ich jedoch seufzend feststellen, dass die Glassplitter von gestern, sowohl mein Shirt als auch meine Hose ruiniert hatten. Na klasse.
Ich sah aus, als wäre ich in einen Nagelhaufen gesprungen, was in gewisser Weise auch stimmte. Aber daran konnte ich jetzt nichts ändern.
Ich sollte mir eine passende Ausrede für meine Familie überlegen, wieso meine Klamotten überall Risse hatten und leichte Blutflecken aufwiesen.
Ich befreite meine Haare von dem Handtuch und fuhr kurz mit meiner Hand durch sie hindurch, um sie etwas zu richten. Selbst im feuchten Zustand konnte man sehen, wie sich die dunklen Strähnen bereits zu Locken ringelten.
Aber ich sah durch meine ruinierten Klamotten sowieso schon aus wie eine Obdachlose, da würde mein ungekämmtes Haar auch keinen Unterschied mehr machen.
Ich ließ meine Haare also so wie sie waren. Föhnen, wenn die Brüder sowas wie einen Föhn überhaupt besaßen, lohnte sich auch nicht, bei dem strömenden Regen draußen.
Ich putzte mir also nur noch die Zähne, was auch wieder faszinierend war, dass hier Zahnbürste für Gäste standen, aber keine Bürsten oder Kämme, ehe ich wieder aus dem Badezimmer raustrat und nach meinem Handy griff, das ich auf dem Nachttisch abgelegt hatte.
Zig verpasste Anrufe von Jeremy. War ja klar.
Nicht weiter beachtend löschte ich die Benachrichtigung. Sonst hatte ich keine Nachrichten. Wie gut, dass ich gestern noch dran gedacht hatte, Tyler eine SMS zu schicken, dass ich woanders übernachtete. Wie er das 'woanders' definierte, konnte ich mir schon denken.
Ich steckte mein Handy in die Hosentasche und verließ das Schlafzimmer.
Es war kein Geräusch zu hören als ich aus dem Flur trat, was mich etwas verunsicherte. Wo waren die beiden denn?
Ich lief die Treppe hinunter an der Haustür vorbei, als ich Damons Stimme hörte, bei der mich sofort ein Schauer überlief.
"Jetzt geh ran, verdammt nochmal!", fluchte er leise und ich folgte seiner Stimme in den Salon, wo er unruhig auf und ab ging und sich sein Handy ans Ohr hielt.
Jedoch blieb er abrupt stehen, als er mich sah.
"Zoey!", sagte er etwas überrascht, fast als hätte er vergessen, dass ich noch im Haus gewesen war, ehe er mich einfach nur stumm ansah.
Ich schluckte leise, als ich in seine blauen Augen blickte und mir der gestrige Abend wieder in den Sinn kam.
Wir hatten uns gestritten und dann hatten wir uns nach dem Angriff einfach nur aus Schock in den Armen gelegen, froh, dass dem anderen nichts passiert war...
Doch wie sollten wir jetzt miteinander umgehen? Schließlich hatten wir den eigentlichen Punkt unseres Streits noch immer nicht geklärt.
"Hey...", sagte ich leise, doch mehr brachte ich nicht heraus. Mir fiel einfach nichts ein. Bis zu diesem Moment hatte ich mir natürlich nur den Kopf über die Gruftvampire zerbrochen, aber nicht über ihn und mich.
Da hörte ich die monotone Stimme des Anrufbeantworters aus Damons Handy, das er sich noch immer ans Ohr hielt, was das unangenehme Schweigen durchbrach.
Der Schwarzhaarige nahm es vom Ohr und blickte besorgt auf das Display, ehe er wieder zu mir aufsah und tief Luft holte.
"Ich weiß, dass wir dringend reden müssen", sagte er und ich spannte mich unwillkürlich an, "Aber das muss fürs Erste warten. Stefan ist verschwunden."
Sofort wich meine Anspannung und Sorge stieg in mir auf.
"Was meinst du mit 'Verschwunden'?", fragte ich nach und trat etwas an ihn heran.
"Er ist heute früh los, um zu jagen und eigentlich wollte er vor Stunden wieder hier sein", erklärte Damon, "Und er geht nicht an sein Handy."
Kurz musste ich überlegen. Jagen?
Ach ja. Stefan trank ja ausschließlich Tierblut. Deswegen war er wahrscheinlich in den Wald gegangen, der direkt am Anwesen angrenzte.
"Hast du es bei Elena mal versucht?", fragte ich, "Vielleicht ist er bei ihr?"
"Das dachte ich auch, nur leider geht sie ebenfalls nicht ans Telefon", erwiderte Damon und ich sah ihn erschrocken an, was er aber sofort abwank, "Das hat wahrscheinlich eher den Grund, dass sie meinen Namen auf dem Display sieht." Ich nickte etwas. Das war gar nicht so unwahrscheinlich.
"Warte, lass mich es versuchen!" Schnell zog ich mein Handy hervor und wählte Elenas Nummer.
Es klingelte nur zweimal, als sie auch schon abnahm, was mich erleichtert aufatmen ließ. Ihr ging es also gut.
"Alie! Alles okay bei dir? Wie geht's dir?", fragte sie sofort.
"Alles bestens! Elena, ist Stefan bei dir?", sagte ich ohne Umschweife und ich konnte fast sehen, wie sie verwirrt die Stirn runzelte.
"Nein. Er hat mich heute morgen angerufen und von dem Vorfall gestern erzählt, aber sonst habe ich heute noch nichts von ihm gehört", mein Blick glitt beunruhigt zu Damon, der nun verdammt angespannt wirkte, "Alie?"
"Kannst du ihn auf seinem Handy erreichen?", fragte ich weiter. Vielleicht ignorierte Stefan Damon ja auch.
"Warte kurz", sagte Elena und kurz ertönte der Ton für eine besetzte Leitung, "Nein, ich erreiche nur die Mailbox."
"Verdammt!", fluchte Damon und ich presste die Lippen zusammen. Stefan war also wirklich verschwunden.
"Alie, was ist los?", fragte Elena beunruhigt.
"Komm einfach rüber zum Anwesen", antwortete ich nur und legte auf, ehe ich Damon direkt ansah, "Hast du eine Ahnung, wo er sein könnte?" Eigentlich war die Frage überflüssig, so angespannt wie er war, musste er eine ziemlich genaue Ahnung haben.
"'Was ich denke, wird dir nicht gefallen'", sagte er nur, ehe er zu einem Sofa ging und mir meine Jacke zuwarf, die von gestern noch dort lag, "Komm!"
Mit einem unguten Gefühl im Magen zog ich die Jacke an und folgte ich ihm wortlos nach draußen, wo wir kurz durch den Regen zu seinem Wagen in der Einfahrt liefen.
"Wohin fahren wir?", fragte ich, als wir eingestiegen waren.
"Pearl war gestern morgen bei mir", erklärte Damon knapp als er den Wagen startete und losfuhr, "Sie sagte, dass sie und ein paar andere Vampire aus der Gruft sich in einem Haus im Wald am Stadtrand niedergelassen hätten." Nun wurde mir übel.
"Du meinst, sie hat Stefan?", fragte ich erschrocken und Damon nickte leicht.
"Ich weiß, wo das Haus ist. Wir fahren dahin und dann werde ich Stefan rausholen", sagte er und die Entschlossenheit in seinem Blick ließ keine Widerworte zu.
Die Fahrt vom Anwesen zu der verlassenen Straße, die zu dem einsamen Haus im Wald führte, dauerte keine zehn Minuten.
Damon parkte seinen Wagen etwas abseits zwischen mehreren Bäumen, so dass es vom Haus aus nicht zu sehen war.
"Warte hier", sagte er zu mir und wollte schon aussteigen, als ich seine Hand griff und ihn zurückhielt.
"Warte! Du kannst da doch nicht allein reingehen!", rief ich erschrocken, "Da sind vielleicht über zwanzig Vampire drin! Gegen die kannst du nicht allein kämpfen!"
"Ich hab nicht vor, einen offenen Kampf anzufangen", widersprach Damon und ich sah ihn zweifelnd an, "Zumindest noch nicht. Erst einmal muss ich mir sicher sein, dass Stefan überhaupt da drin ist und wenn ja, werde ich versuchen mit Pearl zu reden. Sie ist zwar ein Biest aber dennoch relativ vernünftig. Vielleicht kann ich sie umstimmen." Noch immer zweifelnd schüttelte ich den Kopf. Das Risiko war einfach viel zu groß.
"Damon-", begann ich, doch er unterbrach mich sofort, während er beruhigend mit dem Daumen über meinen Handrücken strich.
"Keine Sorge", sagte er, "Ich bin sofort wieder da." Damit befreite er sich aus meinem Griff und stieg aus, ehe er auch schon in übermenschlicher Geschwindigkeit verschwand.
Angespannt sah ich in die Richtung, in der das Haus lag und atmete hörbar aus.
Das Ganze war so gefährlich. Nicht nur, dass diese Vampire mehr als deutlich in der Überzahl waren, sie waren auch um so einiges stärker als Damon.
Dunkel erinnerte ich mich an Elenas Worte: "Stefan meinte, je älter der Vampir ist, desto stärker wird er auch."
Ich schüttelte den Kopf. Die Vampire waren definitiv älter als Stefan und Damon. Wie sollten sie da eine Chance haben?
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als mein Handy kurz vibrierte, worauf ich es aus meiner Tasche zog und die SMS las.
Elena war anscheinend beim Anwesen angekommen. Ich tippte ihr eine kurze Antwort, dass sie da warten sollte, ehe ich das Handy wieder einsteckte.
Unruhig sah ich nun immer wieder zwischen dem Haus und der Systemuhr im Auto hin und her.
Der Regen trommelte laut gegen die Windschutzscheibe und es kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor, einfach nur wartend herumzusitzen, auch wenn laut Uhr nur Minuten vergangen waren.
Dann sah ich endlich eine Bewegung zwischen den Bäumen und ich erkannte Damon, der jetzt in menschlicher Geschwindigkeit zum Auto zurückgelaufen kam.
Erleichtert atmete ich auf und stieg aus dem Auto, um ihm entgegen zu kommen. Dabei wurde ich innerhalb weniger Sekunden völlig durchnässt, aber das war mir egal.
"Und?", fragte ich, als ich bei ihm ankam und ich erkannte die Antwort bereits in seinem Blick, noch bevor er den Mund öffnete.
"Pearl ist nicht zu Hause, aber sie hat mit der Sache auch nichts zu tun. Die anderen Vampire handeln auf eigene Faust. Sie haben Stefan. Und ich kann nicht rein!", sagte er kopfschüttelnd und ich wollte schon fragen, wieso, als es mir klar wurde.
"Du musst rein gebeten werden", sagte ich leise und er nickte.
"Sie haben die Besitzerin des Hauses manipuliert, mich niemals rein zulassen", erklärte er und ich überlegte. Es musste doch eine andere Lösung geben. Da fiel es mir ein.
"Ich könnte reingehen-", fing ich an, doch Damon unterbrach mich sofort.
"Nein!", widersprach er heftig.
"Ich kann ohne Aufforderung da rein! Ich könnte mich rein schleichen und Stefan rausholen und-"
"Zoey, nein!", unterbrach er mich erneut und trat an mich heran, "Der Kerl gestern hat dich Kyra genannt, weißt du, was da heißt?!", ich wollte ihm antworten, doch er sprach schon weiter, "Das heißt, wenn sie dich erwischen, und die Chance dafür ist verdammt hoch, dann werden sie dich nicht nur umbringen, sondern dir wahrscheinlich noch weitaus Schlimmeres antun!", ich erschauerte bei seinen Worten leicht, als er mir die durchnässten Strähnen aus dem Gesicht strich, ehe er es mit beiden Händen umfasste, "Und das lasse ich auf keinen Fall zu!"
"Aber was sollen wir dann tun?", fragte ich leise und sah ihn verzweifelt an. Wir konnten Stefan doch nicht da drin sterben lassen!
Ich sah Damon in die Augen und ich wusste, dass ihm das genauso klar war wie mir.
"Uns fällt schon was ein", sagte er kopfschüttelnd, ehe er seine Hände zurückzog und mich am Arm griff, um mich zurück zum Auto zu ziehen, "Lass uns erstmal nach Hause fahren und Elena aufklären. Wir finden eine Lösung!" Ich konnte nur etwas nicken.
Irgendwie hatte ich ein verdammt mieses Gefühl dabei.
***
"Verdammte Scheiße nochmal! Jetzt geh ans Telefon!", rief ich wütend in den Raum als nun zum fünften Mal die monotone Stimme der Mailbox aus meinem Handy kam. Aufgebracht warf ich es aufs Sofa neben mir und begann unruhig im Raum auf und ab zu laufen.
"Wie konntest du nur so blöd sein, hierzubleiben, Nathalie?!", murmelte ich zu mir selbst und fuhr mir durchs Haar, "Selten dämlich! Echt!"
Damon und Elena waren nun schon seit mehreren Stunden fort, während ich hier allein im Salvatore-Anwesen saß und von der Ungewissheit fast wahnsinnig wurde.
Noch immer konnte ich mich selbst dafür erwürgen, dass ich mich hatte überreden lassen, hier zu warten.
Natürlich hatte ich von Anfang an etwas dagegen gehabt, jedoch war es mir unmöglich gewesen zeitgleich gegen Damon und Elena zu debattieren, die sich wohl zum ersten Mal in ihren Leben bei etwas einig gewesen waren.
Es wäre ja viel zu gefährlich. Damon konnte mich vor so vielen Vampiren nicht beschützen.
Ich schnaubte und ließ mich aufs Sofa sinken.
Ja, ich wusste, dass er damit nicht so falsch lag, aber wenn es nach diesem Prinzip ging, hätte Elena auch nicht mitgehen sollen! Zwar durfte sie auch nur den Fluchtwagen fahren und dem Haus auf keine hundert Meter näherkommen, aber trotzdem war sie damit näher am Geschehen als ich. Und ich wusste auch genau, warum Damon das zuließ: Erstens, weil sie gestern nicht von einem Vampir angegriffen worden war, der sie für eine Doppelgängerin gehalten hatte von deren Bedeutung wir noch nichts wussten. Und zweitens, und das war wohl der Hauptgrund, Elenas Sicherheit war für Damon nicht einmal ansatzweise so wichtig wie meine. Und das wusste Elena auch. Nur war es ihr egal gewesen. Sie hatte nur Stefan im Kopf.
Tja, in dieser Hinsicht waren wir gar nicht so unähnlich. Ich machte mir auch hauptsächlich um Damon Sorgen.
Er und Elena hatten, bevor sie zu dem Haus voller Vampir fahren wollten, Alaric Saltzman um Hilfe gebeten. Der wusste ja, wie ich heute erst erfahren hatte, von dem ganzen Vampirzeug und hatte außerdem einen seltsamen magischen Ring, der ihn wiederbeleben würde, sollte er durch ein übernatürliches Wesen sterben. Also durch Vampire.
Zugegeben, das machte ihn für unser Dilemma äußerst hilfreich, aber deswegen sah ich es trotzdem nicht ein, allein hier herumzusitzen, vor allem da keiner von ihnen mehr ans Telefon ging!
Die letzte Nachricht, die ich von Elena erhalten hatte, war eine SMS gewesen, wo sie berichtet hatte, dass Alaric und Damon gerade reingegangen waren. Und das war jetzt eine ganze Stunde her! Seitdem antwortete weder sie noch Damon auf meine Nachrichten und Anrufe. Und das brachte mich vor Sorge fast um. Wenn Elena nur im Auto sitzen würde, sollte sie doch in der Lage zu sein ans Handy zu gehen, oder?!
Und ich konnte ihnen nicht einmal folgen! Ohne Auto war es Wahnsinn diese Strecke zurückzulegen!
Seufzend griff erneut nach meinem Handy, um einen weiteren verzweifelten Anruf zu wagen, als mein Blick auf einen Schlüsselbund fiel, der halb versteckt hinter einem Sofakissen hervor lugte.
Stirnrunzelnd nahm ich ihn in die Hand, als ich ihn erkannte. Das waren Elenas Schlüssel!
Langsam strich mit den Fingern über den größten Schlüssel, als eine Idee in mir aufkam.
Elenas Wagen stand vor der Tür. Sie war in Damons Auto mitgefahren.
Und der Autoschlüssel lag nun in meiner Hand. Das war meine Chance!
Entschlossen sprang ich auf und lief durch den Flur Richtung Haustür nach draußen.
Es regnete noch immer in Strömen, doch das beachtete ich nicht weiter, als ich das Auto entriegelte und einstieg.
Ich lächelte kurz triumphierend als der Wagen startete und fuhr mit Vollgas aus der Einfahrt auf die Hauptstraße.
Zum Glück hatte ich einen guten Orientierungssinn und fand den Weg zum Haus leicht wieder.
Sogar schneller als Damon zuvor kam ich an und stellte den Wagen genau dort ab, wo Damon vorhin seinen geparkt hatte. Auch jetzt stand der Oldtimer hier ein paar Meter entfernt von mir, auch wenn er durch die aufkommende Dämmerung nur noch schwer zu sehen war.
Ich atmete kurz tief ein und aus, ehe ich ausstieg und hinüberlief, während ich mir innerlich bereits eine Erklärung für Elena zurechtlegte, die meine Ankunft sicher schon bemerkt hatte.
Als ich jedoch bei Damons Auto ankam und durch die Scheiben sah, stellte ich fest, dass es leer war.
"So viel zum Thema 'Ich warte nur im Auto'", murmelte ich kopfschüttelnd, als mein Blick auf die Tasche auf dem Beifahrersitz fiel, die gefüllt war mit Pflöcken und Betäubungsspritzen.
Instinktiv zog ich am Türgriff und Erleichterung durchflutete mich, als sie einfach aufging.
Elena hatte den Schlüssel stecken lassen. Gut.
Ich griff nach einer der Spritzen, ehe ich die Tür wieder schloss und dem schlammigen Weg zur Straße zurückfolgte, die mich zum Haus bringen würde.
Jetzt hatte ich wenigstens eine Waffe. Auch wenn ich damit einen Vampir lediglich k.o. setzen konnte, für einen Pfahl hatte ich weder die physische noch psychische Kraft.
Viel schneller als es mir lieb war hatte ich das alte Landhaus erreicht, vor welchem ich erst einmal unschlüssig stehenblieb.
Aus jedem Fenster, das ich sah, drang Licht, jedoch waren die Vorhänge zugezogen, so dass ich dennoch nicht erkennen konnte, was drinnen vorging.
Es wäre Wahnsinn an der Haustür zu klopfen.
Es musste doch einen Hintereingang geben!
Kurz entschlossen lief ich einmal um das Haus herum und entdeckte tatsächlich eine weitere Tür auf der Veranda. Eine Hintertür!
Möglichst leise lief ich die Stufen hinauf an die Tür heran und lauschte.
Drinnen war viel Tumult. Mehrere Stimmen riefen durcheinander und ab und zu gab es Schläge, als würden schwere Möbel umfallen.
War etwa ein Kampf ausgebrochen?
Vorsichtig legte ich eine Hand auf den Türgriff, als die Tür plötzlich von innen aufschwang, was mich erschrocken einen Schritt zurückspringen ließ.
Oh nein, nein, nein, nein!
Angriffsbereit hob ich die Spritze hoch, als ich im letzten Moment Elena erkannte, die gerade jemanden durch die Tür schleifte. Stefan!
"Alie?!", fragte sie verwirrt, während ich versuchte mich zu beruhigen, "Du solltest nicht hier sein!"
"Du doch auch nicht!", konterte ich mit gedämpfter Stimme, ehe ich besorgt zu Stefan sah, den Elena halb trug halb stützte, "Ist er okay?"
"Das wird schon wieder. Ich will ihn gerade zum Auto bringen", erklärte Elena, während ich an ihr vorbei durch die Tür nach drinnen sah, doch dort war niemand zu sehen.
"Wo ist Damon?!", fragte ich und spürte wie Angst in mir hochkroch.
"Er sagte, er lenkt sie ab, damit wir uns raus schleichen können", erwiderte die Dunkelhaarige und sah sich unruhig um, "Alie, wir müssen schnell hier weg!"
"Nimm Stefan und geh! Ich komme nach", sagte ich und ging an ihr vorbei nach drinnen.
"Alie!", fing Elena an, doch ich unterbrach sie.
"Du rettest deinen, ich meinen!", sagte ich nur und schloss die Tür, ehe sie weiter Widerworte geben konnte und sah mich um.
Ich stand in einer ziemlich normal wirkenden Küche. Doch der Lärm, den ich bereits von draußen gehört hatte, war hier nun noch lauter und schien durch die Tür zu dringen, die wahrscheinlich in den Flur führte.
Ich schluckte leicht und hob angriffsbereit meine Spritze, als ich ohne lange nachzudenken jene Tür öffnete.
Ich erstarrte vor Angst als ich die Szene vor mir sah.
Ich erkannte Damon am anderen Ende des Flurs direkt vor der Haustür, wo er mit zwei Vampiren gleichzeitig rangelte, während Alaric ein Stück vor mir am Boden lag und verzweifelt versuchte sich einen Vampir vom Hals zu halten, im wahrsten Sinne.
Keiner schien mich zu bemerken.
Bemüht ruhig atmete ich aus und überlegte, was ich tun sollte. Es wäre dumm irgendwo einfach dazwischen zu gehen. Die Vampire brauchten nur eine Bewegung, um mich umzubringen.
In diesem Moment kam mir eine Idee. Sie war verdammt riskant und ich betete in diesem Moment zu Gott, dessen Existenz ich sonst immer anzweifelte, dass Kyra die Stellung hatte, die ich vermutete.
Ich versteckte die Spritze hinter meinem Rücken, warf mein Haar zurück und hob leicht das Kinn, um eine arrogante und hoffentlich respektgebietende Haltung anzunehmen.
Okay... dann mal los.
"Was geht hier vor?!", rief ich mit herrschender Stimme aus und tatsächlich hielt jeder im Raum augenblicklich inne. Ich unterdrückte den Drang zu Erzittern, als ich die Blicke aller drei Vampire auf mir spürte und sah stattdessen jedem von ihnen abschätzend in die Augen.
"Kyra?", murmelte einer von ihnen und ich atmete innerlich etwas auf, als den Respekt in seiner Stimme hörte. So falsch hatte ich also nicht gelegen.
"Die einzig wahre", erwiderte ich kühl und trat langsam und bedächtig in den Raum.
Kurz sah ich zu Damon, der meinen Blick verdammt angespannt erwiderte.
"Du lebst?", fragte der Vampir, der Alaric eben noch zu Boden gedrückt hatte, jedoch nun von meinem Anblick ganz und gar gefesselt zu sein schien.
"Ich bin nicht so leicht zu töten", sagte ich und lächelte herablassend, während alles vor Angst in mir schrie. Der Anfang meines Plans hatte funktioniert. Aber wie ging es nochmal weiter?!
In dem Moment sah ich jedoch, wie Damon einen Pflock, der am Boden gelegen hatte zu fassen kriegte, weswegen ich im gleichen Moment die Spritze hervorzog und sie dem Vampir, der direkt vor mir Alaric am Boden gehalten hatte, in die Schulter rammte.
Dieser sackte kraftlos in sich zusammen und ich hörte wie einer der anderen aufschrie, als Damon ihm den Pflock von hinten ins Herz rammte.
Der dritte blickte nur entsetzt auf die Szene, als er ebenfalls zusammenbrach nachdem Alaric ihm mit einem seltsam aussehenden Gewehr ebenfalls einen Pflock in die Brust geschossen hatte.
"Oh Gott", hauchte ich erleichtert, als das lang unterdrückte Zittern durch meinen Körper fuhr und ich mich kraftlos an eine Wand sinken ließ.
Noch nie hatte ich solche Angst gehabt. Nicht einmal als Vicky mich fast getötet hatte...
"Bist du komplett wahnsinnig?!", rief Damon aus und ich sah zu ihm auf. Er war zu mir getreten und ich konnte sowohl Wut als auch Sorge in seinem Blick sehen, was mich jedoch nicht überraschte. Immerhin fühlte ich mich gerade ähnlich.
"Nicht wahnsinniger als du, wenn du denkst, ich warte seelenruhig zu Hause, während du hier deinen Hals riskierst", sagte ich leise. Kurz sah er mich sprachlos an, ehe er leicht den Kopf schüttelte. Anscheinend wusste er darauf keine Antwort.
"'Verschwinden wir hier'", sagte da Alaric, der sich aufgerichtet hatte.
"Habt ihr alle erwischt?", fragte ich leise und zu meiner Erleichterung nickte Damon etwas.
"Alle, die hier drin waren sind tot, außer der, der gestern schon mal abgehauen ist, als es brenzlig für ihn wurde", erklärte er und ich schluckte. Ausgerechnet der von gestern war entwischt. Super.
"Wenn ich ihn erwische, ist er tot", fügte Damon noch hinzu, ehe er meine Hand griff und mich Richtung Haustür zog. Alaric folgte uns, jedoch blieben wir alle drei abrupt stehen, als wir nach draußen traten.
Ich spürte wie mir das Blut in den Adern gefror, als ich in die Gesichter unzähliger Vampire blickte, die das Haus umzingelt hatten und langsam auf uns zu kamen.
Ich keuchte angsterfüllt auf und umklammerte mit aller Kraft Damons Hand, der mich sofort schützend hinter sich zog.
"'Wie viele Pfeile mit Eisenkraut haben Sie übrig?'", fragte er leise an Alaric gewandt.
"'Noch einen'", erwiderte er, was meine Panik noch mehr steigerte.
"'Das wird nicht reichen'", sagte Damon, als er mich zurück ins Haus schob und Alaric die Tür hinter uns schloss.
"Was machen wir jetzt?", fragte ich und sah ängstlich zwischen den beiden Männern hin und her.
"Wir müssen uns wohl den Weg frei kämpfen", sagte Damon leise und ich erzitterte erneut, was er deutlich spüren musste, da er ja noch immer meine Hand hielt, "Bleib einfach dicht bei mir, okay?", fügte er beruhigend hinzu, doch in seinen Augen konnte ich die gleiche Angst um mich sehen, die ich um ihn hatte. Um uns beide.
Dennoch nickte ich etwas und umklammerte seine Hand noch fester.
"'Was Sie mir da gesagt haben über meine Frau, damit ich mitmache...'", fing Alaric an, als die Vampire draußen begannen gegen die Tür zu schlagen, "'Das war gelogen, nicht wahr?'"
"'Jap'", erwiderte Damon schlicht und normalerweise hätte ich ihm einen bösen Blick für diese Aktion geschenkt, jedoch hatte ich momentan echt andere Probleme.
"'Aufhören!'", erschallte da plötzlich eine weibliche Stimme von draußen, die genauso herrisch klang wie ich zuvor, als ich Kyra gespielt hatte, "'Was ist hier los?!'" Ich warf einen fragenden Blick zu Damon, der jedoch ganz und gar auf die Haustür fixiert war.
Da ertönte ein Klicken und die Haustür schwang auf. Zwei Frauen traten ein und ich erkannte Pearl und Anna. Erstere hatte sich, seit ich sie halb tot in der Gruft gesehen hatte, wohl deutlich erholt. Sie sah wieder aus wie ein normaler Mensch.
Sowohl sie als auch Anna ließen ihre Blicke entsetzt durch den Raum und über die Toten gleiten, ehe sie an uns hängen blieben.
Oh oh.
Unwillkürlich trat ich noch etwas mehr hinter Damon.
"'Was hast du getan?!'", fragte Pearl schließlich gefährlich leise an ihn gewandt.
"'Wer ich?!'", erwiderte Damon jedoch nur wütend, "'Deine fröhliche kleine Vampirbande hat den Tag damit verbracht meinen Bruder zu foltern!'" Er trat bedrohlich einen Schritt auf sie zu und zog mich dabei mit sich. Pearl sah ihn erschrocken an.
"'Glaub mir, die Verantwortlichen werden mit Konsequenzen rechnen müssen'", sagte sie leise und ich atmete auf. Damon hatte wohl recht gehabt. Sie war wirklich relativ vernünftig im Vergleich zu ihrem Gefolge.
"'Nein! Unsere kleine Abmachung funktioniert nicht, wenn du sie nicht unter Kontrolle hast!'", erwiderte Damon unnachgiebig.
"'Das hätte nicht passieren dürfen!'", sagte Pearl kopfschüttelnd.
"Ist es aber! Und sei froh, dass keinem von denen, die mir nahestehen, ernsthaft etwas passiert ist, sonst würde es hier nämlich noch viel mehr tote Vampire geben, als die die hier bereits liegen!", zischte Damon und nun war er es, der gefährlich leise geworden war. Pearl schien darauf nichts mehr einzufallen, weswegen Damon mich einfach an ihr und Anna vorbeizog, Richtung Haustür zu der Alaric uns folgte.
Damon öffnete die Tür, ehe er sich nochmals zu Pearl drehte.
"'Hätte ich eine gute Seite, würdest du sie niemals sehen!'", sagte er kalt, ehe wir zu dritt nach draußen gingen und die Tür etwas laut hinter uns zuschlug. Die Vampire zogen sich gerade nach und nach von dem Haus in die Dunkelheit zurück. Anscheinend hatten sie das Gespräch mit angehört. Gott sei Dank.
Ich atmete unendlich erleichtert auf, ehe ich Damon direkt ansah.
"Aber du hast eine gute Seite", sagte ich leise zu ihm, was ihn gespielt zweifelnd zu mir sehen ließ.
"Das glaubst du", antwortete er und ich lächelte etwas.
"Das weiß ich", widersprach ich und er erwiderte mein Lächeln.
***
Es war schon spät abends, als Damon mit dem Auto vor meinem Haus hielt und wir zusammen ausstiegen.
Elena hatte Stefan nach Hause gebracht, der noch etwas angeschlagener gewesen war als vorher, da die beiden von dem Vampir angegriffen worden waren, der Damon entkommen war. Jedoch hatten sie ihn Gott sei Dank trotzdem ausschalten können, was bedeutete, dass uns erst einmal kein rachesüchtiger Vampir mehr auf den Fersen war, und das war auch ganz gut so. Ich hatte nämlich heute absolut keine Kraft mehr für ein weiteres Drama. Ich war todmüde.
"Alles okay?", fragte Damon leise, als wir die Treppen hochgestiegen waren und vor meiner Haustür standen. Ich drehte mich zu ihm um und nickte etwas.
"Ja. Ich bin nur total erledigt", antwortete ich, "Danke fürs Nachhause bringen." Ich lächelte ihn an, was er aber nicht erwiderte. Stattdessen sah er zu Boden, was mich verunsicherte.
"Naja", sagte er, "Das geschah nicht ganz ohne Hintergedanken." Ich runzelte verwirrt die Stirn. Was sollte das denn bedeuten?
"Wie meinst du das?", sprach ich meine Gedanken aus.
"Wir haben unser Gespräch von gestern noch nicht beendet. Ich dachte mir, dass jetzt ein guter Zeitpunkt wäre", erklärte er und sofort spürte ich wie die Anspannung von heute Morgen zurückkehrte.
"Das war wohl mehr ein Streit als ein Gespräch", sagte ich unsicher. Und dieser hatte daraus bestanden, dass ich ihn durchgehend angeschrien hatte.
"Richtig. Und genau diesen Streit will ich klären", sagte Damon und ich öffnete den Mund, um zu antworten, verstummte jedoch als er einen Finger auf meine Lippen legte, "Du musst dazu nichts sagen. Du hast mir gestern gesagt, was du denkst. Jetzt bin ich an der Reihe." Er ließ seine Hand wieder sinken und blickte mich abwartend an. Ich konnte nichts weiter tun, als langsam zu nicken.
"Die Sache ist die, ich wusste bis gestern nicht, dass du immer noch Gefühle für mich hast", begann er und erneut wollte ich etwas erwidern, doch diesmal hielt ich mich selbst zurück. Ich sollte ihn einfach reden lassen.
"Ich hatte nicht die Absicht, dich mit meinem Handeln zu verletzen. Ich wollte einfach nur irgendwie den Schmerz verarbeiten. Ich dachte, ich hätte dich, als ich dir deine Ähnlichkeit zu Eveline verschwiegen habe, für immer verloren", er hielt kurz inne, ehe er weitersprach, "Ich weiß, du denkst noch immer, dass meine Gefühle für dich von Eveline kommen, doch ich bin mir sicher, mehr als je zuvor, dass das nicht wahr ist!" Ich wich einen Schritt vor ihm zurück, als Tränen in meine Augen stiegen. Nein, nicht das Thema schon wieder! Ich wollte nicht schon wieder diese Schmerzen ertragen.
"Damon-", begann ich leise, doch er unterbrach mich sofort.
"Ich gebe zu", fuhr er unbeirrt fort und sah mir dabei fest in die Augen, "Dass ich ebenfalls meine Zweifel hatte, wem meine Gefühle wirklich gelten. Ich konnte dieses ganze Gefühlschaos nicht richtig einordnen und als du es mir dann vorgeworfen hast, habe ich den großen Fehler gemacht... und dir geglaubt", er trat den Schritt, den ich eben von ihm gewichen war, wieder an mich heran und strich mit dem Daumen sanft über meine Wange, "Obwohl ich tief in mir wusste, dass es nicht so war." Wie erstarrt blickte ich in seine eisblauen Augen, während eine Träne meinen eigenen entkam und erstmals kleine Zweifel meine so feste Überzeugung ins Schwanken brachten.
"Weißt du, was ich fühle, wenn ich an Eveline denke?", fragte Damon leise, ließ mir jedoch keine Zeit zu antworten, "Schmerz. Da ist nur Schmerz und ein leises Echo der naiven unschuldigen Liebe, die ich einmal für sie empfunden habe. Wenn ich dich ansehe, fühle ich nichts dergleichen. In deiner Nähe zu sein, macht mich wahnsinnig. Und wenn ich es nicht bin, ist es noch schlimmer. Wenn ich bei dir bin, habe ich das Gefühl, die Welt bleibt stehen. Alles, was ich dann will, ist dir nahe zu sein, deinen Atem auf meiner Haut zu spüren, deine Arme um meinen Hals, deine Lippen auf meinen..." Die letzten Worte waren nur noch ein heiseres Flüstern und er war mir so nah gekommen, dass unsere Gesichter nur Millimeter voneinander entfernt waren. Ich erzitterte leicht, als ich seinen warmen Atem spürte und war kurz davor einfach den letzten Abstand zu überwinden und ihn zu küssen. Jedoch zog sich Damon in diesem Moment etwas von mir zurück und blickte mich wehmütig an.
"Ich bin egoistisch, Zoey. Ich nehme mir normalerweise, was ich will. Aber bei dir kann ich das nicht. Ich wünsche mir mehr als alles andere mit dir zusammen zu sein, weil meine Gefühle dir und nur dir gelten, Nathalie Zoey Lockwood", vollkommen sprachlos sah ich ihn an, während eine weitere Träne über meine Wange lief, nur diesmal vor Rührung, "Aber ein Leben mit mir wäre anstrengend und voller Gefahren. Du hast es ja heute gesehen. Du hast dich in schreckliche Gefahr begeben, nur um mir zu helfen... Und ich fürchte, dass das auch nicht das letzte Mal war", er verstummte und holte einmal tief Luft, als würde es ihn größte Mühe kosten, das Nachfolgende zu sagen, "Ich würde dir die Chance auf ein normales Leben nehmen. Ein Leben, dass du mit Jeremy haben könntest. Bitte denke darüber nach, wenn du eine Entscheidung triffst. Denn die Wahl liegt jetzt bei dir...", er griff nach meiner Hand und drückte sie sanft, "Wäre ich ein besserer Mann, würde ich dich freigeben und diese Stadt für immer verlassen, aber dafür habe ich nicht die Kraft. Deswegen musst du diejenige sein, die es beendet..." Vollkommen sprachlos blickte ich ihn an, nicht fähig mich irgendwie zu rühren, geschweige denn etwas zu sagen. Zu sehr tobten die Gefühle in meinem Inneren und auch meine Gedanken überschlugen sich.
Er wollte mich. Er wollte wirklich mich...
"Du musst deine Wahl nicht sofort treffen", sagte Damon sanft, der wohl erahnte, was in mir vorging, "Lass dir Zeit. Ich kann warten." Damit beugte er sich vor und gab mir einen unendlich zärtlichen Kuss auf die Wange, ehe er sich mit einem kleinen Lächeln, das etwas traurig wirkte, von mir abwandte und die Stufen hinunter zu seinem Auto ging.
Wie in Trance sah ich zu, wie er einstieg und davonfuhr, ehe ich langsam mit der Hand zitternd über meine Wange strich, wo eben noch seine Lippen gelegen hatten.
Was sollte ich jetzt nur tun?
____________________________________________________
Hey meine lieben Leser! Ich wünsche euch erstmal allen frohe Weihnachten und hoffe ihr hattet ein paar schöne Feiertage! Es tut mir leid, dass es etwas länger gedauert hat, aber Weihnachtsstress raubt einem doch manchmal etwas mehr Zeit :D
Ich bedanke mich auf jeden Fall erst einmal bei HappyBabyFeet, CrazyCeli und Ravensoul93 für diese rekordverdächtige Zahl an Reviews, die diese Geschichte diesen Monat bekommen hat, also wirklich wow! Und natürlich auch danke an all die neuen Leser, die zu dieser Geschichte gefunden haben, ich hoffe es gefällt euch auch weiterhin!
Zum Schluss bedanke ich mich auch wieder wie üblich bei meiner Lieblingsbetaleserin The RealLoca für ihre Zeit <3
Ich wünsche euch allen noch eine schöne Zeit bis Silvester (wo ich hoffentlich noch ein Kapitel hochgeladen kriege xD) und einen guten Rutsch!
Eure Lyana:)
It's Always Gonna Be Him
"Sorry to my unknown lover
Sorry I could be so blind
Didn't mean to leave you
And all of the things that we had behind
And someone will love you...
Someone will love you...
Someone will love you...
But someone isn't me..."
Sorry, Halsey
"Also so langsam glaub ich, dass der Spruch 'Jetzt kann es nicht mehr schlimmer werden' erfunden ist!", sagte ich kopfschüttelnd, während ich mit Elena durch den Schulflur Richtung Mensa lief.
"Wem sagst du das?", fragte meine beste Freundin kopfschüttelnd und strich sich nachdenklich das Haar hinters Ohr.
Die Situation in Mystic Falls war momentan zum Zerreißen gespannt. Von meiner Gefühlskrise mit Damon mal abgesehen, hatte man noch in der gleichen Nacht als wir Stefan befreit hatten, durch das Unwetter Vickys Leiche gefunden, die Damon im Wald verscharrt hatte. Das hatte natürlich einen riesigen Aufstand gegeben und vor allem Matt und Kelly waren total fertig. Ich war nur froh, dass es Tyler halbwegs verkraftete. Laut Elena schien es Jeremy sogar ziemlich egal zu sein. Sie schien ihm echt nicht so viel bedeutet zu haben, wie ich eigentlich dachte.
Offiziell hieß es, dass sie an einer Überdosis gestorben war, doch wir und leider auch der Gründerrat wussten es besser.
Noch dazu kam, dass Elenas Onkel John seit heute morgen wieder in der Stadt war, und sowohl Elena als auch ihre Tante Jenna waren darüber wenig begeistert. Ich konnte sie verstehen. John Gilbert war mir auch nie besonders sympathisch gewesen. Doch das war im Vergleich zu den anderen Problemen das geringste Übel.
Heute sind nämlich die offiziellen Teilnehmer des Miss Mystic Falls-Wettbewerbs angekündigt worden und sowohl Elena und Caroline als auch ich waren mit dabei. Ich hätte mich erschießen können. Ich hatte momentan absolut Wichtigeres zu tun als diesen blöden Wettbewerb, an dem ich sowieso nur wegen meiner Eltern teilnahm. Und das Schlimmste war, dass sie auch noch mit in der Jury saßen, was hieß, dass man mich definitiv bevorzugen würde. Ich konnte jetzt schon Carolines missbilligende Blicke auf mir spüren.
Und das größte Problem war, dass ich einen Tanzpartner brauchte, was mir etwas sehr spät eingefallen war, da Elena und ich gerade unterwegs waren zur ersten Probe, die auch noch meine Mutter leitete. Dafür würde ich mir was anhören dürfen.
"Hast du Bonnie schon gesehen?", riss mich da Elena aus den Gedanken und kurz sah ich sie erschrocken an, als es mir wieder einfiel. Bonnie wollte ja heute wieder zur Schule kommen!
"Oh Gott, nein. Ich habe sie noch gar nicht gesehen", sagte ich kopfschüttelnd und seufzte. Die Sache mit Bonnie konnte ich meinem Berg an Problemen auch noch hinzufügen.
"Ich habe heute früh mit ihr geredet", begann Elena und ich sah sie besorgt an, als ich hörte wie bedrückt sie klang, "Sie hat kaum ein Wort mit mir gewechselt."
"Kannst du es ihr verübeln?", fragte ich leise, "Ich meine, wir sind sozusagen schuld, dass ihre Grandma tot ist."
"Ich weiß", sagte Elena, "Ich wünsche mir trotzdem, sie würde mit mir reden", ich nickte verständnisvoll, als Elena plötzlich zu mir aufsah, "Apropos reden. Hast du eigentlich mal wieder mit Damon gesprochen seit eurem Streit?"
Ich schluckte bei ihren Worten hörbar und blickte zu Boden.
Ich hatte Elena noch gar nichts von Damons Offenbarung an mich erzählt. Aber dafür hatte ich auch keinen Nerv gehabt. Sie wäre sowieso dafür, dass ich mich für Jeremy entscheide und auf irgendeine Beeinflussung von anderen konnte ich gerade gut verzichten. Vor allem da meine Entscheidung feststand.
Fast eine Woche war es her, dass Damon mich in dieser Nacht nach Hause gebracht hatte und seitdem zerbrach ich mir den Kopf über seine Worte. Naja, eigentlich hatte ich meine Entscheidung, die er von mir wollte, schon am nächsten Tag getroffen, jedoch hatte ich nicht die geringste Ahnung, wie ich ihm das sagen sollte. Vor allem, da immer, wenn wir solche Art von Gesprächen hatten, kurz darauf irgendwas Furchtbares geschehen war.
"Erde an Alie!" Perplex blickte ich auf zu Elena, die mich auffordernd ansah.
"Äh, nein. Noch nicht!", antwortete ich etwas hastig auf ihre Frage, was sie nur skeptisch die Augenbrauen heben ließ.
"Wie geht's eigentlich Stefan? Hat er sich erholt?", fragte ich darauf, um vom Thema abzulenken und es funktionierte. Elena runzelte nachdenklich die Stirn und blickte wie ich zuvor zu Boden.
"Ganz ehrlich? Ich bin mir da nicht so sicher", sagte sie und verwirrt blickte ich sie an. Stefan war erst heute wieder in die Schule gekommen, weil er sich die letzten Tage vom Angriff der Vampire erholen wollte. Und als er heute strahlend und topfit wieder mit uns im Unterricht gesessen hatte, hatte ich eigentlich angenommen, dass alles wieder gut war. Doch Elenas Reaktion nach, gab es da wohl etwas, das sie mir verschwieg.
Gott, die Probleme häuften sich immer mehr.
Ich wollte Elena noch fragen, was sie damit meinte, als wir in dem Moment in die Mensa traten, wo bereits alle Tische und Stühle beiseite geräumt worden waren, damit Platz in der Mitte des Raumes war, wo wir den traditionellen Tanz üben würden.
"Zoey, Schatz! Da bist du ja!", hörte ich die Stimme meiner Mutter und ich tauschte einen leidvollen Blick mit Elena, ehe ich mich zu ihr drehte.
"Ich gehe schon mal zu Stefan", hörte ich Elena leise sagen und ich nickte kaum merklich, ehe ich ihre Schritte hörte, die sich von mir entfernten. Stattdessen trat ich zu meiner Mutter, die lächelnd meine Hand nahm und mich mit sich zog. Okay, wie sollte ich ihr das jetzt sagen?
"Ich nehme an, du hast noch keinen Partner gefunden?", fragte sie da und perplex sah ich sie an.
"Ähm, nein. Tut mir leid, ich hatte noch keine-", fing ich an, doch sie unterbrach mich.
"Das dachte ich mir. Keine Sorge, Schatz, ich hab mich schon drum gekümmert", sagte sie und ich sah sie entsetzt an, als wir in der Mitte des Raumes stehenblieben, wo die anderen Teilnehmer sich bereits aufgestellt hatten. Oh nein, nein, nein. Wenn meine Mutter meinen Partner ausgesucht hatte, konnte das nur bedeuten, dass-
"Zoey?", hörte ich da eine tiefe Stimme hinter mir und blickte direkt in eisblaue Augen.
"Damon", sagte ich leise und wandte sofort den Blick wieder von ihm, da ich das Gefühl hatte, dass er mich wieder las wie ein offenes Buch.
"Schön, dann wäre das geklärt", sagte meine Mutter und lächelte verschmitzt, "Stellt euch schon mal auf, wir fangen in fünf Minuten an!" Damit ging sie davon und unsicher sah ich zu den anderen Paaren, doch keiner schien uns wirklich Beachtung zu schenken. Selbst Stefan und Elena schienen in ein eigenes Gespräch vertieft gewesen zu sein.
"Es tut mir leid", hörte ich da Damon sagen und ich blickte wieder zu ihm, "Das hier war nicht meine Idee und ich wollte auch ablehnen, nur-"
"Nur zu meiner Mutter kann man nicht Nein sagen", sagte ich und er nickte, "Schon gut. Ich wollte ohnehin mit dir reden." Ich konnte sehen, wie er sich anspannte und sein entschuldigender Blick einem unsicheren wich.
"Du... hast dich entschieden?", fragte er langsam und ich nickte etwas, während ich ebenfalls nervös wurde, als ich mich nochmals umsah. Es schien nach wie vor keiner auf uns zu achten, aber trotzdem wollte ich es ihm nicht unbedingt hier sagen.
"Gehst du heute Abend zum Gründerfest?", fragte ich stattdessen und ich sah deutlich seine Verwirrung, ehe er antwortete.
"Ja", sagte er knapp, "Aber was tut das zur Sache?"
"Wir haben im Erdgeschoss einen Salon, den wir nie nutzen", erklärte ich leise, "Im Flur, die zweite Tür rechts. Treffen wir uns da? Sagen wir um acht?" Noch immer verwirrt sah er mich an.
"Wozu diese Geheimnistuerei?", fragte er, "Würde ein 'Ja, ich wähle dich' oder 'Nein, ich wähle ein normales Leben' nicht vollkommen ausreichen?" Ich musste bei seinen Worten etwas lächeln.
"Nicht ganz. Ich habe dir nämlich etwas mehr zu sagen als das", erwiderte ich leise und mein Lächeln wurde breiter, "Und ich möchte mit dir allein sein, wenn ich es tue." Mir war sehr bewusst, wie das klang, aber das war auch teilweise meine Absicht gewesen.
Ich sah wie ein Leuchten in seine Augen trat und jegliche Anspannung aus seinem Körper wich, als er mein Lächeln langsam erwiderte.
"Schön. Dann klären wir das heute Abend", sagte er und nun lächelte ich richtig.
So viel mussten wir ja nicht mehr klären.
"Bonnie!", hörte ich da plötzlich Elenas überraschte Stimme und ich fuhr herum.
Tatsächlich war gerade Caroline gefolgt von Bonnie in den Raum getreten.
"Ich bin gleich wieder da", sagte über die Schulter zu Damon, der verstehend nickte, ehe ich genauso wie Elena zu den beiden trat.
"Hey, Bonnie!", sagte ich und lächelte sie an, als wir bei ihr ankamen, "Du bist wieder da." Ich machte Anstalten sie zu umarmen, doch sie wich kaum merklich zurück, weshalb ich es lieber bleiben ließ. Sie war immer noch nicht gut auf mich zu sprechen.
"Hey", sagte sie stattdessen kühl und ich schluckte den beißenden Schmerz der Zurückweisung herunter.
"'Hey, wie geht's dir?", fragte da Stefan, der zu meiner Überraschung mit uns zu Bonnie gekommen war und ich blickte ihn irritiert an, ehe ich kurz nochmal zu Damon sah, der keinerlei Anstalten machte, näher zu kommen. Stefan war doch immer der mit dem Taktgefühl. Wie kam es jetzt, dass Damon die unangenehme Situation erkannte und auf Abstand blieb, während Stefan das gerade gar nicht zu sehen schien?
Bonnie sah ihn nur verstört an und antwortete nicht, wodurch bedrückende Stille aufkam.
"'Ich hab Bonnie gebeten für Matt einzuspringen. Er arbeitet heute'", sagte Caroline stattdessen und ich nickte verstehend, ehe ich wieder zu Bonnie sah, die sich sichtlich unwohl zu fühlen schien, was mich lautlos seufzen ließ. Diese ganze Situation war doch Mist!
So waren wir noch nie miteinander umgegangen! Wir hatten immer über alles reden können!
"'Bonnie, hast du mal kurz Zeit?'", fragte Elena plötzlich. Sie hatte wohl einen ähnlichen Gedankengang gehabt.
"'Tja... wir haben nur dreißig Minuten, um alles durchzugehen'", begann sie ausweichend, doch ich unterbrach sie.
"Es dauert nicht lange, versprochen", sagte ich und blickte sie bittend an. Kurz zögerte sie noch, ehe sie etwas nickte und aus dem Raum in den Flur ging. Elena und ich folgten ihr.
"'Bonnie, sag uns doch bitte, was los ist!'", sagte Elena, die die Tür hinter uns schloss, und ich biss mir angespannt auf die Lippe. Im Grunde wussten wir ja, was los war.
"'Das ist wirklich nicht der Rede wert!'", sagte Bonnie ausweichend.
"Ich weiß, dass du uns die Schuld gibst, für das, was deiner Grams passiert ist", sagte ich da frei heraus und überrascht sah sie mich an.
"Ich gebe nicht euch beiden die Schuld!", sagte sie kopfschüttelnd und kurz durchfuhr mich Erleichterung, "Ich gebe ihnen die Schuld! Stefan und Damon! Meine Grandma hat immer versucht uns vor den Vampiren der Gruft zu beschützen. Und jetzt sind sie draußen, was bedeutet, sie ist umsonst gestorben."
"'Bonnie, es tut mir so leid, ich-'", begann Elena, brach jedoch wieder ab.
"Können wir irgendwas tun?", fragte ich, doch Bonnie schüttelte den Kopf.
"'Das ist es ja. Ihr könnt nichts tun. Ich will euch nicht in eine Lage bringen, in der ihr euch für eine Seite entscheiden müsst'", sagte sie und ich blickte sie verletzt an.
"Komisch, denn genau das tust du gerade", sagte ich leise und begegnete plötzlich Bonnies offenem feindseligen Blick, vor dem ich unwillkürlich zurückschreckte.
"Selbst wenn, würdest du dich dennoch auf Damons Seite stellen, oder?", fragte sie und schnaubte.
"Ich-", fing ich kopfschüttelnd an, wurde jedoch sofort von ihr unterbrochen.
"Elena kann ich ja noch verstehen! Stefan ist kein übler Kerl, trotz dessen, dass er ein...", sie sprach das letzte Wort nicht aus, "Aber Damon?! Er ist ein Monster, Alie!"
"Das ist nicht wahr!", widersprach ich energisch.
"Um ihn herum sterben Menschen! Immer und immer wieder! Selbst du bist oft genug verletzt worden! Und trotzdem stehst du nach wie vor zu ihm! Unglaublich, dass du das nicht erkennst!", sagte Bonnie nun richtig wütend, während ich sie sprachlos ansah, ehe ich meinen Blick hilfesuchend zu Elena wandte. Diese hatte jedoch nur schweigend die Arme verschränkt und wich meinem Blick aus, was mir einen Schlag versetzte. Sie dachte genau das gleiche!
Ich spürte wie sich ein dicker Kloß in meinem Hals bildete und Tränen in meine Augen traten, als ich durch die Glastür der Mensa zu Damon sah, der meinen Blick besorgt erwiderte.
Er musste alles gehört haben.
Wütend und verletzt zugleich blickte ich wieder zu Bonnie und Elena.
"Ihr versteht gar nichts!", sagte ich mit gebrochener Stimme, ehe ich mich von ihnen abwandte und durch den Flur Richtung Ausgang lief.
Scheiß auf dieses dumme Probe. Ich konnte keinen von ihnen länger ertragen!
***
Unruhig tippte ich mit meinem Fuß auf den Boden, während ich immer wieder zur mechanisch tickenden Uhr an der Wand sah. Es war inzwischen viertel vor acht und noch gab es keine Spur von Damon. Ich hatte den Salon noch nicht betreten können, da bis jetzt im Flur viel zu viele Gäste gewesen waren und ich wollte nicht, dass irgendjemand mitkriegte, wie ich allein da reinging.
Das Gründerfest war im vollen Gange und bisher war ich erfolgreich sowohl meiner Mutter, die wahrscheinlich stinksauer war, und Elena, die hier irgendwo mit Stefan war, ausgewichen.
Bonnie schien sich zum Glück dazu entschieden zu haben, daheim zu bleiben, was mir mehr als Recht war. Ich hatte definitiv keine Lust mir noch mehr Vorwürfe anzuhören, über Dinge, die sie sowieso nicht verstand.
Ich wollte einfach nur einmal glücklich sein, ohne dass irgendwer kam und dieses Glück sofort wieder zerstörte.
"Du siehst hübsch aus, Kleines", sagte da jemand und ich blickte auf, ehe ich etwas lächelte.
"Danke, Dad", erwiderte ich, als er neben mich trat und mich teils besorgt teils streng musterte.
"Deine Mutter sagte, du hättest die Probe heute verpasst", sagte er und ich blickte schuldbewusst zu Boden.
"Ja... Ich habe mich nicht wohl gefühlt", sagte ich entschuldigend. Außerdem konnte ich diesen albernen Tanz sowieso schon auswendig seit ich zwölf war.
"Stress mit einem Jungen?", fragte mein Vater da und ich sah ihn ertappt an. Ich hatte ihn noch nie wirklich anlügen können.
"Eher Stress mit Freundinnen", sagte ich seufzend.
'Wegen eines Jungen...', fügte ich gedanklich hinzu.
"Das wird bestimmt wieder", sagte mein Vater aufmunternd, was mich etwas mit den Schultern zucken ließ. Wenn es doch nur so einfach wäre.
"Ist Mom schlimm sauer?", fragte ich unsicher, was ihn etwas schmunzeln ließ.
"Mach dir deswegen keine Sorgen. Ich kümmere mich schon darum", sagte er beruhigend, "Kümmere du dich um deine Freunde. Sie werden noch sauer genug sein, wenn du den Wettbewerb morgen gewinnst."
"Dad!", sagte ich erschrocken, was ihn nur lachen ließ.
"Keine Sorge, Kleines. Das war ein Scherz. Morgen wird alles gerecht und fair zugehen, versprochen." Er sah mir ehrlich in die Augen und etwas ruhiger nickte ich. Meiner Mom hätte ich diese Worte nie geglaubt, doch mein Vater würde es mir sagen, wenn es anders wäre.
"Okay", sagte ich leise.
"Okay", erwiderte mein Vater, ehe er sich zum Gehen wandte, "Genieß die Feier, Schatz. Und trink nicht so viel!" Mahnend sah er mich an und ich hob belustigt die Augenbrauen.
"Das ist nur Sekt, Dad!", sagte ich und hob das Glas in meiner Hand leicht hoch.
"Und der wievielte?", fragte er stattdessen und ich spürte, wie das Blut in meine Wangen schoss, als er sich lachend abwandte und wieder in der Menge verschwand.
Okay, vielleicht hatte ich davor schon ein paar Gläser. Aber klar war ich trotzdem noch!
Erneut blickte ich zur Uhr. Kurz vor acht. Es wurde Zeit, in den Salon zu gehen.
Schnellen Schrittes verließ ich das Wohnzimmer und trat in den Flur, der sich inzwischen etwas geleert hatte.
Möglichst unauffällig öffnete ich die Tür zum Salon und trat ein, ehe ich sie hinter mir wieder schloss.
Wie erwartet war hier keine Menschenseele.
Langsam trat ich in den Raum und atmete einmal tief durch, ehe ich eine Lampe auf dem Beistelltisch anschaltete, wodurch der Raum mit warmen gelben Licht erhellt wurde.
Hoffentlich würde Damon auftauchen. Nicht, dass ihn der Streit zwischen Bonnie und mir abgeschreckt hatte.
Da ging plötzlich die Tür hinter mir auf und ich fuhr zu ihr herum. Jedoch trat nicht Damon ins Zimmer.
"Was zum Teufel machst du denn hier?", fragte ich Jeremy entgeistert, der die Tür nun geschlossen hatte und zu mir trat.
"Wir müssen reden", sagte er ernst und ich blickte ihn verständnislos an.
"Worüber?"
"Du ignorierst meine Anrufe seit letzten Freitag, als wir aus waren!", sagte er, "Deswegen muss ich dich jetzt hier abfangen!"
Himmel, an seine Anrufe hatte ich keinen einzigen Gedanken verschwendet.
"Jeremy, ich-", fing ich an, doch er unterbrach mich.
"Ich habe dir gesagt, dass ich dich nicht aufgeben werde! Und das meinte ich auch so!", sagte er und ich fuhr mir angespannt durchs Haar. Wieso musste er ausgerechnet jetzt damit kommen?
"Das solltest du aber!", widersprach ich, "Du verschwendest mit mir nur deine Zeit, Jer! Ich werde nie so für dich empfinden, wie du anscheinend für mich! Das mit uns beiden hat keine Zukunft!" Ich wusste, dass meine Worte etwas hart waren, doch anders konnte ich es ihm anscheinend nicht begreiflich machen.
Jeremy blickte mich kurz wie erstarrt an, ehe Wut in seine Augen trat, was mir etwas Angst mache.
"Verstehe", sagte er kopfschüttelnd, "Wieso habe ich mir auch Hoffnung gemacht? Jemand, ohne Reißzähne hat ja anscheinend keine Chance bei dir!" Vollkommen entsetzt sah ich ihn an. Reißzähne?! Hieß das etwa...?
"Wo- Wovon redest du?", fragte ich leicht stotternd, was Jeremy, die Augen verdrehen ließ.
"Ich weiß es, Alie!", sagte er und mein Mund klappte auf.
"Wie? Woher?", fragte ich ihn vollkommen entsetzt. Elena und ich hatten uns doch solche Mühe gegeben ihn da raus zu halten.
"Ich hab es bei Anna herausgefunden. Und dann hab ich Elenas Tagebuch gelesen, weil ich wusste, dass ihr mir etwas verheimlicht!", er blitzte mich wütend an und ich schluckte leise, "Ich weiß jetzt alles, Alie! Von den Pseudo-Tierangriffen, von Vicky und von Damon! Und ich weiß auch, dass es dich deswegen so zu ihm hinzieht!", sagte er und mein Entsetzen wich grenzenloser Ungläubigkeit. Das dachte er doch nicht ernsthaft!
"Das ist kompletter Schwachsinn, Jeremy!", rief ich aus und er setzte zum Sprechen an, was ich jedoch nicht zuließ, "Ja, Damon ist ein Vampir! Aber glaub mir, das hat nicht das geringste mit meinen Gefühlen für ihn zu tun! Ich wäre sogar froh, wenn er ein normaler Mensch wäre wie du und ich! Gott, du hast gar keine Ahnung, was ich dafür geben würde, wenn all das Übernatürliche aus meinem Leben verschwinden würde!"
Da kehrte erneut die Entschlossenheit in Jeremys Blick zurück und er trat an mich heran. Ich wollte zurückweichen, doch er hindert mich daran indem er meine Schultern umfasste.
"Du kannst ein normales Leben haben!", sagte er und sah mich eindringlich an, "Wenn du dich für mich entscheidest, müssen wir nichts mehr mit all dem Übernatürlichen zu tun haben! Du musst nur deine Gefühle für mich zulassen!" Kopfschüttelnd sah ich ihn an. Er verstand einfach nicht! Ich hatte keine Gefühle für ihn! Auch wenn es alles einfacher machen würde, würde ich mich für ihn entscheiden, es war nicht möglich! Ich konnte mein eigenes Herz nicht belügen! Das hatte ich oft genug versucht!
"Jeremy, ich kann nicht!", sagte ich und versuchte mich aus seinem Griff zu befreien, doch es gelang mir nicht.
"Doch kannst du", erwiderte er, als er sich plötzlich zu mir vorbeugte, "Ich beweise es dir!" Damit presste er seine Lippen auf meine und ich erstarrte zur Salzsäule.
Ich fühlte nichts bei dieser Berührung. Nur Unbehagen und das Stechen meines Gewissens.
Das hier war absolut falsch. Und es war schrecklich und unfair Damon gegenüber.
Diese Gedanken befreiten mich von meiner Starre und verzweifelt versuchte ich mich ihm zu entziehen, stemmte meine Hände gegen seine Brust, doch Jeremy schien das gar nicht wahrzunehmen. Er hielt mich einfach weiterhin fest und so langsam stieg Wut in mir hoch. Was fiel ihm eigentlich ein?! Dachte er wirklich, ich würde meine Meinung so ändern?!
Erneut versuchte ich ihn von mir zu stoßen, doch auch das blieb ohne Erfolg.
In dem Moment hörte ich, wie sich die Tür hinter uns öffnete und endlich löste sich Jeremy von mir. Keuchend blickte ich zu ihm auf und erdolchte ihn Blicken, was er jedoch gar nicht bemerkte, da er zur Tür sah.
Eine schreckliche Ahnung stieg in mir hoch und als ich ebenfalls zur Tür sah, schien mein Herz vor Schmerz zu zerspringen. Damon stand dort, genauso erstarrt wie ich es eben noch gewesen war, und musterte mich mit einem Blick, der selbst einen Stein hätte zum Weinen bringen können.
Ich öffnete den Mund, doch kein Laut entkam meinen Lippen, zu sehr schockte mich der verletzte Ausdruck in seinen Augen. Ich musste das aufklären! Schnell!
"Verstehe", sagte Damon da und die Kälte in seiner Stimme ließ mich erzittern, "Wenn das so ist." Damit verließ er den Raum und ließ die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss fallen, was mich endlich aus meiner Starre holte.
"Nein!", rief ich aus, "Damon, warte! Bitte!" Ich wollte ihm hinterher, doch Jeremy griff mich am Arm.
"Lass ihn gehen", sagte er gelassen, was bei mir das Fass zum Überlaufen brachte.
"NEIN!", rief ich aus, so laut, dass mein Hals wehtat, "Jetzt versteh es doch endlich! Ich liebe ihn!", ich spürte die Tränen, die über meine Wange liefen, während ich Mühe hatte meine Stimme so gesenkt zu halten, dass mich nicht das ganze Haus hörte, "Ich liebe Damon und es wird immer Damon sein! Also lass mich endlich in Ruhe!" Damit riss ich mich los, um aus dem Raum zu hetzen. Im Flur angekommen, sah ich mich mit tränenverschleiertem Blick um. Er konnte doch noch nicht weit sein!
Instinktiv lief ich zur Hintertür, die weit offen stand, an zig Gästen vorbei, die mich komisch ansahen, und trat nach draußen auf die übergroße überdachte Veranda. Und dort entdeckte ich ihn.
In einer Ecke, wo keine Lichter brannten und niemand in der Nähe war, stand er mit dem Rücken zu mir. Durch seinen schwarzen Anzug hätte ich ihn in der Dunkelheit fast übersehen. Jedoch nur fast.
"Damon!", rief ich nicht halb so laut, wie ich es gerne getan hätte und trat zu ihm in die Nische, während ich versuchte das Zittern in meiner Stimme zu beruhigen, "Es ist nicht so, wie du denkst! Er hat mich geküsst, ich wollte das nicht! Es-" Ich brach ab, als er mit einem Mal zu mir herumfuhr, mit einem Arm um meine Hüfte griff, um mich an sich heranzuziehen, ehe unsere Lippen zu einem unglaublich zärtlichen Kuss verschmolzen, der meine Knie weich werden ließ. Sehnsüchtig schlang ich meine Arme um seinen Hals, während die Tränen nun heiß über meine Wangen liefen, nur diesmal vor Erleichterung.
Da löste er sich etwas von mir und ich verlor mich im Blau seiner Augen.
"Es tut mir so leid", hauchte ich kaum hörbar.
"Schhht", flüsterte er jedoch nur und strich mit dem Daumen meine Tränen weg, "Dir muss nichts leidtun." Ich sah seinen sanften verständnisvollen Blick und mir ging ein Licht auf.
"Du hast es gehört, oder?", fragte ich und er nickte lächelnd, was ich zögerlich erwiderte.
"Vampirgehör kann nützlich sein", sagte er leise, was mich nun etwas lachen ließ.
Er hatte gehört, was ich nach seinem Verschwinden zu Jeremy gesagt hatte. Er wusste, was geschehen war. Naja, so laut wie ich gewesen war, hätte man das bestimmt auch mit menschlichen Ohren mitkriegen können, im Gegensatz zu unserer Diskussion davor, die im Vergleich sehr leise gewesen war.
"Ich wähle dich", sagte ich nun ernst und sah ihm dabei fest in die Augen, "Und niemand auf der Welt wird meine Entscheidung ändern! Weder Jeremy noch Elena oder Bonnie!"
Bei meinen Worten erschien plötzlich ein Strahlen in seinen Augen, das ich noch nie bei ihm gesehen hatte.
"Was schaust du denn so?", fragte ich und sah ihn fragend an, was sein Strahlen noch zu verstärken schien.
"Ich bin nur überglücklich", sagte er und ich spürte wie mein Herz in meiner Brust freudig aufflatterte.
"Da sind wir ja schon zwei", erwiderte ich und küsste ihn erneut und ich spürte wie sehr ich mich all die letzten Wochen und Monate nach ihm gesehnt hatte.
Damon erwiderte den Kuss, nun allerdings lange nicht mehr so zärtlich wie zuvor und ich merkte, dass sich auch bei ihm einiges angestaut haben musste.
Er umfasste meine Hüfte mit beiden Händen und drehte sich mit mir einmal so, dass ich mit dem Rücken an der Säule lehnte, neben der wir gestanden hatten. Er presste seinen Körper gegen meinen und es war phänomenal wie gut sich diese Nähe anfühlte, wie meine Sehnsucht nach ihm endlich etwas gestillt wurde.
Jedoch war dieser Moment viel zu schnell wieder vorbei, denn Damon löste sich plötzlich von mir und hielt kurz inne, ehe er sich verwirrt umsah.
"Was ist?", fragte ich besorgt und er blickte wieder zu mir.
"Irgendetwas ist da los", sagte er leise und sah sich erneut um.
"Wo? Was meinst du?", fragte ich nach und spannte mich an. Er hörte irgendwas.
"Es ist Matt, er hat einen Streit mit... deinem Bruder", antwortete Damon nach kurzem Zögern und erschrocken sah ich ihn an.
"Tyler...", murmelte ich, ehe ich nach Damons Hand griff und ihn mit mir zog, "Wo sind sie?" Damon antwortete nicht auf meine Frage, da sie sich in diesem Augenblick bereits erübrigte, als ich eine Menschenmenge auf der anderen Seite der großen Terrasse entdeckte, die wohl irgendwas beobachteten.
Schnell lief ich mit Damon auf sie zu, ehe ich mich zwischen den Leuten hindurchdrängte.
"Matt!", hörte ich da Elenas Stimme, ehe ich keinen Moment später die Szene sah.
Tyler taumelte gerade vor Matt zurück, der ihn wütend ansah und dabei leicht seine Hand schüttelte. Neben ihm standen Elena, die versuchte Matt zurückzuhalten, und Kelly, die weinend und mit verschmierten Lippenstift auf die Szene sah. Ich sah zu Tyler und als ich die leichten Abdrücke des Lippenstifts an seinem Mund sah, wusste ich was los war. Matt hatte Tyler und seine Mutter wohl gerade vollkommen betrunken beim Knutschen erwischt.
Kurz verzog ich angewidert das Gesicht.
Dieser Frau war auch kein Mann oder Junge heilig, egal wie alt er war.
In diesem Moment richtete sich Tyler jedoch wieder auf und die Wut, die in seinem Blick lag, kannte ich nur allzu gut.
"Nein!", sagte ich und versuchte noch dazwischen zu gehen, "Tyler, beruhige dich!" Ich erreichte ihn nicht mehr rechtzeitig, als er ausholte und Matt mit voller Kraft ins Gesicht schlug, wodurch dieser zurückstolperte und Kelly umstieß. Diese stürzte darauf direkt gegen einen Tisch voller Gläser, die alle umfielen und in hunderte Scherben am Boden zerschellten.
Zwischen Tyler und Matt entstand nun ein Gerangel, bei dem Tyler schnell die Oberhand gewann, als er Matt zu Boden drückte und dabei immer wieder auf ihn einschlug.
"Tyler, hör auf!", rief ich aus, doch er hörte mich nicht.
"'Hört auf!'", rief auch Elena und ich machte Anstalten dazwischen zu gehen, als Damon mich am Arm griff und zurückzog. Verständnislos sah ich ihn an, ehe der Schwarzhaarige nun selbst auf die Kämpfenden zuging und Tylers Handgelenk griff.
"Das reicht!", sagte Damon bestimmend, als mein Bruder zu ihm herumfuhr und mit seiner freien Hand nun nach ihm schlug. Damon fing den ersten Schlag ab, jedoch setzte Tyler sofort nach und ich presste entsetzt eine Hand auf den Mund, als er Damon im Gesicht traf und dieser zu Boden fiel.
"Damon!" Besorgt stürzte ich zu ihm, während ich angsterfüllt zu Tyler aufsah, der aber, bevor er reagieren konnte, von jemand anderem zur Seite gerissen und an die Hauswand gedrückt wurde. Erleichtert erkannte ich Alaric, der es schaffte, Tyler in eine Position zu bringen, in der er sich nicht mehr effektiv wehren konnte.
"'Tyler!'", rief Alaric aus und schüttelte ihn leicht, "'Jetzt hör schon auf! Was ist in dich gefahren?!'" Da sah ich wie endlich die Wut aus Tylers Blick wich und aufatmend wandte ich mich wieder zu Damon, der sich gerade etwas aufgerichtet hatte und sich das Blut von seiner aufgeplatzten Lippe wischte.
"Alles okay?", fragte ich leise und strich ihm besorgt das Haar aus dem Gesicht. Dabei ignorierte ich gekonnt Elenas erschrockenen Blick, der sich Gott sei Dank verflüchtigte, als sie zu Matt lief, der ebenfalls noch am Boden lag.
"Geht schon wieder. Wenn auch... der Schlag verdammt hart war", antwortete Damon und sah mich bei den letzten Worten ernst an. Ich erwiderte seinen Blick beunruhigt und sah nochmal zu Tyler, der komplett verwirrt schien. Wie konnte Tyler solch eine Kraft haben, dass er sogar einen Vampir mit einem Schlag zu Boden bringen konnte?
"'Ich übernehme das jetzt! Ich übernehme das!'", hörte ich eine vertraute Stimme und blickte auf. Mein Vater hatte sich durch die Menschenmasse gedrängt und trat nun neben Alaric, um ihn bestimmend von Tyler wegzuziehen.
"'Bist du verletzt?'", fragte er Tyler leise, welcher benommen den Kopf schüttelte, "Okay, ist schon gut. Geh dich waschen.'" Damit schob er Tyler Richtung Hintereingang und ich schluckte leise. Ich wusste genau, was dieser Satz eigentlich bedeutete.
"Nathalie, Kleines, bei euch alles okay?", wandte sich mein Vater nun an Damon und mich und ich nickte etwas steif.
"Alles okay", antwortete Damon gefasst und stand auf, was ich ihm nachtat. Mein Vater nickte beruhigt, ehe er sich zu der Menge drehte, während er Elena und Matt, der noch immer blutend auf dem Boden saß, keines Blickes würdigte, was mich nur den Kopf schütteln ließ.
Nur die Menschen, die meine Eltern interessierten, bekamen auch ihre Sorge.
"'Alles bestens!'", sagte mein Vater laut und ich verdrehte die Augen, "'Alles bestens, Freunde! Los, feiern wir weiter! Amüsiert euch!'" Damit verscheuchte er die Menge, die sich murmelnd abwandte und wieder nach drinnen ging, ehe er ihnen folgte.
"Dafür hasse ich ihn manchmal", hauchte ich so leise, dass nur Damon es hörte, welcher verstehend nickte.
Ich liebte meinen Vater von ganzen Herzen, doch ich hasste es, dass er nur unserer Familie gegenüber so gütig war, während er dem Rest der Welt die kalte Schulter zeigte. Und wenn man Tyler miteinbezog schloss seine Güte nicht einmal die ganze Familie mit ein. Ich musste mich beeilen.
Kurz sah ich über die Schulter zu Elena, die Matt gerade beim Aufstehen half.
"Kommt ihr klar?", fragte ich knapp, was Elena kurz zu mir sehen und etwas nicken ließ. Das war mir Antwort genug und ich wandte mich ab, um eilig nach drinnen zu laufen.
Ich würde mit Elena nicht mehr Worte wechseln als notwendig war.
"Wo willst du denn hin?", hörte ich Damon fragen, der mir auf dem Fuß folgte.
"Ich muss mich dem 'Familiengespräch' anschließen, bevor es aus dem Ruder läuft", sagte ich und setzte das Wort mit den Fingern in Gänsefüßchen, ehe ich an die Tür trat, die in das Arbeitszimmer meines Vaters führte, "Warte bitte hier", sagte ich noch abwesend zu Damon, ehe ich auch schon eintrat.
Wie erwartet sah ich Tyler, der meinem Vater schuldbewusst gegenüberstand.
"'Dad, tut mir leid. Ich weiß nicht mal, was passiert ist. Ich hab was getrunken und hab... die Kontrolle verloren'", murmelte Tyler und als ich genau die gleiche Wut in den Augen meines Vaters sah, die ich vorhin bei Tyler gesehen hatte, lief ich zu ihnen.
"Dad, bitte!", rief ich und stellte mich schützend leicht vor Tyler, während ich meinen Vater flehentlich ansah, welcher bereits die Hand leicht erhoben hatte. Als er jedoch meinem Blick begegnete, hielt er inne, ehe er sie seufzend wieder sinken ließ.
Mein Vater hatte schon häufig die Hand gegen Tyler erhoben. Seiner Meinung nach, gehörte es dazu, wenn aus einem Jungen ein Mann werden sollte. Ich aber verabscheute das und ging so oft wie es mir möglich war, dazwischen. Ich war die Einzige, die meinen Vater wieder beruhigen konnte. Denn mich hatte er noch nie geschlagen und ich war mir auch sicher, dass er es in Zukunft niemals tun würde.
Kurz war es still im Raum, ehe mein Vater Tyler mit strengem Blick fixierte.
"Du solltest dir ein Beispiel an deiner Schwester nehmen und aufhören unsere Familie immer wieder in Verlegenheit zu bringen!", sagte er leise und man konnte die unterdrückte Wut in seiner Stimme hören, ehe er sich abwandte und den Raum verließ.
Als die Tür hinter ihm zuschlug atmeten Tyler und ich zeitgleich erleichtert auf.
"Alles okay?", fragte ich und drehte mich zu meinem Bruder herum, der mich bedrückt ansah.
"Mir geht's gut", sagte er kopfschüttelnd, ehe er mich direkt ansah, "Schätze, ich muss dir danken."
"Musst du nicht!", widersprach ich sofort und blickte ihn mitleidig an, "Es ist echt unfair, wie er dich behandelt."
"Tja, wir können nicht alles Dads Liebling sein, oder?", erwiderte Tyler und lächelte bitter, was mich schlucken ließ. Es war mehr als offensichtlich, dass unser Vater mich bevorzugte. Und das fand ich Tyler gegenüber schrecklich.
"Ty, es tut mir-"
"Schon okay", wank Tyler sofort ab, "Es ist mir egal. Ich brauche seine Zuneigung nicht. Und ich brauche ihn nicht." Ich wollte noch etwas sagen, doch er hatte sich mit diesen Worten schon von mir abgewandt und stürmte genauso wie mein Vater vorher aus dem Raum.
Ich seufzte nur leise und rieb mir erschöpft über die Augen.
Dafür, dass er ihn angeblich nicht brauchte, waren die beiden sich verdammt ähnlich.
In dem Moment spürte ich einen Luftzug und ich brauchte gar nicht die Augen öffnen, um zu sehen, wer vor mir aufgetaucht war.
"Hey", sagte ich leise, ehe ich zu Damon aufblickte, der mich besorgt musterte.
"Alles in Ordnung?", fragte er und legte eine Hand sanft an meine Wange.
Ich schloss kurz die Augen und schmiegte mich an seine Hand, ehe ich den Kopf schüttelte.
"Nein", antwortete ich, ehe ich mich zu ihm hoch streckte und ihn sehnsüchtig küsste, "Aber damit wird es besser", flüsterte ich an seine Lippen, was ihn schief lächeln ließ, ehe er unsere Lippen wieder verschloss und all meine Gedanken über unsere Probleme zum Erliegen kamen.
Wenigstens war zwischen uns beiden jetzt alles in Ordnung.
__________________________________________________________________________
Sooo, hiermit melde ich mich mit dem letzten Kapitel für dieses Jahr! Ich wollte allen Lesern nochmal danken, dass sie bis hierher mitgelesen haben! Es bedeutet mir wirklich unfassbar viel, dass mein kleines Baby hier auf so viel Interesse und positives Feedback stößt! Besonderer Dank gilt natürlich all den fleißigen Reviewschreibern, wie Ravensoul93 und CrazyCeli, die auch wieder im letzten Kapitel ihre Meinung kundgetan haben, oder auch HappyBabyFeet, die mir schon unzählige Reviews hinterlassen hat! Natürlich gilt mein Dank auch denjenigen, die auch mal nur einen Kommentar hinterlassen haben! Ich habe jedes einzelne gelesen und praktisch verschlungen^^
Am meisten danke ich aber TheRealLoca, meiner unglaublich tollen Betaleserin, die mir auch ein super liebes Review hinterlassen hat! Du bist die Allerbeste und ohne dich wäre diese Geschichte nur halb so gut und es würde auch nur halb so viel Spaß machen, sie zu schreiben <3
Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch und ich hoffe ihr seid auch nächstes Jahr wieder dabei, um Nathalie und Damon auf ihrem Weg zu begleiten :)
Viele liebe Grüße
Eure Lyana:)
Miss Mystic Falls
"Can you still see the heart of me?
All my agony fades away
When you hold me in your embrace
Don't tear me down for all I need
Make my heart a better place
Give me something I can believe..."
-All I Need, Within Temptation
Leise summend zupfte ich mein weinrotes Kleid zurecht und betrachtete mich kritisch im Spiegel. Meine Haare waren heute morgen eine einzige Katastrophe gewesen, wie üblich, wenn es ein Tag war, wo sie eigentlich gut aussehen mussten. Doch meine Mutter hatte es tatsächlich geschafft sie in eine vorzeigbare Hochsteckfrisur zu verwandeln, weswegen ich doch ganz passabel aussah.
Ich blickte vom Spiegel auf, als ich Amber Bradley, die schon geschlagene fünf Minuten hinter mir auf und ab lief, seufzen hörte.
"Alles okay?", fragte ich besorgt, was sie nur unruhig nicken ließ. Sie war verdammt nervös.
Naja, das war auch irgendwie verständlich. Immerhin war sie die einzige Kandidatin des Miss Mystic Falls Wettbewerbs, die nicht aus einer Gründerfamilie stammte. Ich, als Tochter des Bürgermeisters, war sowieso abgehärtet, Elena und Caroline waren solche Auftritte ebenfalls gewohnt und von den Cousinen Blair und Tina Fell brauchte man gar nicht anfangen. Durch ihre Arroganz konnten die ohnehin nicht nervös werden.
Da blieb nur Amber auf der Strecke.
Ich wurde aus den Gedanken gerissen, als Elena plötzlich in den Raum trat mit ihrem Kleid auf dem Arm, worauf ich ihr sofort den Rücken zuwandte und mich wieder meinem eigenen Spiegelbild widmete. Schon den ganzen Tag versuchte ich ihr aus dem Weg zu gehen, was nicht sehr einfach war, da alle Teilnehmerinnen des Wettbewerbs sich in meinem Haus im Obergeschoss zusammen fertig machen mussten.
Ich unterdrückte ein Seufzen.
Ich würde drei Kreuze machen, wenn dieser Tag vorbei war. Und noch drei Kreuze mehr, wenn jemand anderes als ich diesen Wettbewerb gewinnen würde. Und wenn man meinem Vater Glauben schenken konnte, standen die Chancen dafür sehr gut.
"'Geht's dir nicht gut, Amber?'", hörte ich Elena besorgt fragen.
"'Ich hasse es im Mittelpunkt zu stehen'", erwiderte Amber nur, während sie weiter auf und ab lief, "'Ich krieg dann Panikattacken!'" Skeptisch sah ich sie durch den Spiegel an.
Dann hätte sie sich für diesen Wettbewerb nicht bewerben sollen, oder?
"'Möchtest du beim Umziehen gern allein sein?'", fragte Elena verständnisvoll.
"'Ehrlich gesagt würde ich lieber raus an die frische Luft!'", wank Amber jedoch nur ab und lief an der Dunkelhaarigen vorbei aus dem Zimmer, worauf ich mich anspannte. Jetzt war ich auch noch allein mit Elena. Ganz toll.
Caroline und die anderen waren schon alle fertig und standen draußen im Flur. Mir würde hier also keiner zur Hilfe kommen und als Puffer dienen können.
"Alie?", begann da Elena zögerlich und ich presste die Lippen zusammen. Ich hatte definitiv keine Lust auf dieses Gespräch. Ich reagierte nicht und blickte stattdessen noch ein letztes Mal prüfend in den Spiegel, ehe ich mich umdrehte und ohne Elena eines Blickes zu würdigen an ihr vorbei Richtung Tür lief. Jedoch machte sie mir einen Strich durch die Rechnung, als sie mich am Arm griff und somit zurückhielt.
"Alie, bitte!", sagte sie flehend und widerwillig drehte ich mich zu ihr, "Ich finde es furchtbar, wenn es so zwischen uns ist. Können wir bitte darüber reden?"
"Worüber?", fragte ich und blickte sie abweisend an, "Du hast gestern mehr als deutlich gemacht, dass du auf Bonnies Seite stehst! Dass Damon nichts weiter als ein Monster ist und ich nur ein naives verliebtes Mädchen mit rosaroter Brille! Also erspar mir bitte deine Vorträge darüber, dass ich ihn vergessen und doch lieber Jeremy wählen sollte, denn die bin ich langsam leid!"
"Es tut mir leid!", erwiderte Elena und ihr Blick wurde genauso flehentlich wie ihre Stimme, "Ich weiß, dass ich dich mit meiner Reaktion gestern verletzt habe und es stimmt, ich kann absolut nicht verstehen, was du an Damon findest...", ich unterbrach sie, als ich verächtlich schnaubte, doch trotzdem fuhr sie fort, "Aber deswegen würde ich dich nie verurteilen oder verlangen, dass du ihn aus deinem Leben ausschließt!", sagte sie leise, als sie mit ihren Händen meine griff und fest drückte, "Ich werde nicht zulassen, dass wir beide uns so voneinander entfremden, wie wir es momentan mit Bonnie tun! Alie, zwischen uns beiden darf es niemals so sein!"
Nachdenklich sah ich sie an und erkannte in diesem Moment in ihren Augen wieder das Mädchen, mit dem ich bisher mein ganzes Leben verbracht hatte. Meine beste Freundin, die ich so sehr liebte wie eine Schwester, diejenige, der ich all meine Geheimnisse anvertrauen konnte und die mir alles von sich erzählte. Sie war diejenige, der ich mehr als jedem anderen vertraute. Sie würde mich in dieser Hinsicht nie belügen.
"Okay", hauchte ich kaum hörbar und lächelte etwas, ehe ich den Druck ihrer Hände erwiderte.
Auch Elena lächelte erleichtert, als sie meine Hände losließ und mich stattdessen umarmte.
Ich erwiderte ihre Umarmung und spürte dabei, wie sich eine Last von meinem Herz zu lösen schien, was mich aufatmen ließ. Ich hatte gar nicht bemerkt wie sehr mich unser Streit belastet hatte.
"Du siehst übrigens toll aus", meinte Elena schließlich, als sie sich wieder von mir löste und ihren Blick bewundernd über mein Kleid wandern ließ.
"Du bestimmt auch, wenn du dein Kleid endlich anziehst", erwiderte ich nur neckisch und wir beide lachten etwas, "Wie geht es Stefan? Ist er schon da?" Elenas Lachen erstarb augenblicklich, was mich sofort besorgt die Stirn runzeln ließ.
"Ehrlich gesagt, weiß ich momentan nicht so recht, wie es ihm geht", sagte sie leise.
"Wie meinst du das?", fragte ich nach und erinnerte mich. Sie war gestern schon beunruhigt wegen ihm gewesen, "Elena, was verschweigst du mir?" Kurz sah sie mich unsicher an, ehe sie seufzte und aufgebend die Schultern hob.
"Als wir ihn aus den Fängen der Vampire befreit haben, letzte Woche...", begann sie zögernd, "Da war er nach dem Angriff des Vampirs, der entkommen war, schwer verletzt gewesen... Und ich... ich wollte ihm helfen und hab ihm mein Blut gegeben." Ich sog scharf Luft ein. Sie hatte ihn freiwillig von sich trinken lassen? Gut, an sich konnte ich ihr Handeln nachvollziehen, immerhin würde ich das gleiche bei Damon machen, aber Stefan trank doch ausschließlich Tierblut. Er hatte zwar nie genau gesagt, weshalb, jedoch hatte es sicher einen guten Grund dafür gegeben.
"Und weiter?", fragte ich vorsichtig nach.
"Seitdem ist er total gereizt. Er hat Schwierigkeiten menschlichem Blut zu widerstehen. Am Montag hätte er fast jemanden angegriffen...", erklärte Elena kopfschüttelnd und ließ sich auf einem der Sofas im Raum nieder, während ich sie beunruhigt musterte.
"Er ist auf Entzug", sagte ich nickend und Elena blickte mich verwirrt an, "Tausche einfach mal das Wort Blut gegen Alkohol. Kommen dir die Symptome dann nicht bekannt vor?", die Verwirrung wich von ihrem Gesicht und ich fuhr fort, "Aber so lange er dagegen ankämpft, ist es doch gut."
"Ja...", sagte Elena leise, "Er kam vor ein paar Tagen zu mir und hat mir alles gesagt. Er kämpft schwer dagegen an. Und die letzten zwei Tage schien es ihm sogar besser zu gehen."
Ich nickte etwas und dachte an gestern. Ja, er war definitiv munterer gewesen als die Tage davor.
"Weswegen machst du dir dann Sorgen?", fragte ich, als plötzlich die Tür aufschwang und Damon eintrat.
"Hey, was machst du denn hier?", fragte ich überrascht, als er zu uns trat.
"'Du darfst hier gar nicht rein'", sagte Elena, die sich erhoben hatte und ich hörte, dass sie sich bemühte freundlich zu klingen, was ich ihr hoch anrechnete.
"'Wir müssen uns unterhalten'", erwiderte Damon nur ernst und ich spannte mich an.
"Was ist los?", fragte ich leise, "Ist gestern auf der Feier noch etwas passiert?" Ich war gestern nach dem Zwischenfall mit meiner Familie Schlafen gegangen, weil ich absolut keine Kraft mehr gehabt hatte, aber die Feier war natürlich noch Stunden danach weitergegangen. Es war also nicht abwegig, dass noch etwas geschehen war.
Damon hielt kurz inne, ehe er sich durchs Haar fuhr, was mir deutlich eine Antwort gab.
"Nun... das ist zwar nicht das, worüber ich reden wollte, aber ja", sagte er und ich blickte ihn fragend an, ehe er fortfuhr, "Elenas Onkel John hat gestern deutlich gemacht, dass er über Stefan und mich Bescheid weiß und droht uns zu outen."
"Was?", fragte ich entsetzt und sah zu Elena, die aber nicht im Mindesten überrascht wirkte. Sie musste das gestern bereits mitbekommen haben.
"Bis du ihn umgebracht hast", sagte sie trocken und noch erschrockener blickte ich wieder zu Damon.
"Und er urplötzlich wieder ohne einen Kratzer aufgetaucht ist, mit einem magischen Ring am Finger", fügte er hinzu, worauf Elena sich angespannt von uns abwandte.
"Magischer Ring?", fragte ich nach.
"Ja, genau so einer, wie der, den Alaric am Finger trägt", antwortete Damon und ich sog scharf Luft ein. Also hatte John auch einen Schutz vor Übernatürlichem?
"John hat gemeint, er hätte beide Ringe geerbt. Einen hat er behalten und den anderen hat er Isobel gegeben", sagte Elena und drehte sich wieder zu uns, "Und sie hat ihn dann offenbar Alaric geschenkt." Genau wie Elena eben ließ ich mich auf dem Sofa fallen. Unser Berg an Problemen wuchs stetig.
"Das heißt also, dass John Isobel kennt?", fragte ich langsam und Damon nickte.
"Könnte ein Grund sein, warum er so gut Bescheid weiß", sagte er und ich sah ihn beunruhigt an.
"Aber, wenn er euch outet, dann-", fing ich an, doch Damon unterbrach mich.
"Noch hat er das nicht." Ich verengte die Augen und stand wieder auf.
"Wenn er es tut, werde ich ihn umbringen und dann beschützt ihn sein toller Ring auch nicht mehr", sagte ich leise und griff dabei Damons Hand, welcher darauf nur schief grinste, "Entschuldige, Elena." Meine beste Freundin hob nur leicht die Schultern.
"Meinen Segen hättest du", meinte sie nur und ich lächelte etwas. Zumindest bei John waren wir einer Meinung. Er war einfach nur ein manipulativer Mistkerl.
"Wie dem auch sei, deswegen wollte ich nicht mit euch sprechen", meinte Damon da und meine Anspannung kehrte zurück. Oh bitte, nicht schon wieder ein neues Problem!
"Was ist los?", fragte Elena, die nun auch angespannt wirkte.
Damon atmete kurz tief durch, ehe er zum Sprechen ansetzte.
"'Normalerweise würde ich das, was ich euch jetzt erzähle ganz anders sehen, aber das hier könnte sehr unangenehm für mich werden. Und deshalb petze ich jetzt."
Ich hob die Augenbrauen über seine Wortwahl, während Elena verwirrt die Arme verschränkte.
"'Ich weiß nicht, was du meinst'", sagte sie und blickte kurz fragend zu mir, doch ich konnte auch nur ahnungslos den Kopf schütteln.
"'Stefan trinkt weiterhin Menschenblut'", sagte Damon da und augenblicklich wurde es still zwischen uns, während sowohl Elena als auch ich ihn vollkommen ungläubig ansahen.
"'Was?!'", fragte Elena schließlich aufgebracht.
"'Ja'", antwortete Damon schlicht, "'Vor einem Monat hätte ich mich gefreut. Aber jetzt, wo der Rat dank John wieder die Augen offenhält, ist es sehr ungünstig, wenn Stefan die Sicherung durchbrennt.'"
"'Ich weiß, dass er ein bisschen gereizt war, aber er hatte gesagt, das wäre normal!'", meinte Elena kopfschüttelnd.
"Nein, nein, nein", murmelte ich und sie sah zu mir, "Überleg doch mal. Du meintest Stefan würde es seit ein paar Tagen plötzlich wieder besser gehen. Sozusagen von einem Tag auf den anderen. Wahrscheinlich genau aus diesem Grund!" Ich sah die Enttäuschung, die in Elenas Gesicht trat und schluckte. Dieses Gefühl kannte ich nur zu gut.
"'Er hat gelogen, Elena'", sagte Damon leise, "'Er hat einen Kühlschrank voller gestohlener Bluttankware im Haus!'" Ich sah wie Elena begann zu zittern und lief zu ihr hinüber.
"Hey, setz dich erstmal hin", sagte ich sanft zu ihr und führte sie zurück zum Sofa, wo sie sich kraftlos fallen ließ.
"'Das darf nicht wahr sein...'", murmelte sie und ich strich ihr beruhigend über den Rücken.
"'Er hat keine Ahnung, was normal ist. Seine ganze Existenz ist nicht normal'", erklärte Damon ruhig, "'Normal für einen Vampir ist es, dass er Menschenblut trinkt. Aber anstatt zu lernen, wie man es kontrolliert, hat er immer nur dagegen angekämpft. Und jetzt kontrolliert das Verlangen ihn.'"
"Er hat es immer nur unterdrückt", sagte ich leise und Damon nickte. Er hatte sich dem Verlangen nie gestellt, sondern es einfach verdrängt. Wie konnte das auch gesund sein?
"'Ich kann das einfach nicht glauben!'", sagte Elena kopfschüttelnd, "'Immerhin ist es Stefan, von dem wir hier sprechen-'"
"'Stefan auf Menschenblut, Elena!'", unterbrach Damon sie, "'Er wird alles tun, er wird alles sagen, weil er auf keinen Fall damit aufhören will!'" Ich nickte langsam und gegen meinen Willen empfand ich sogar leise Genugtuung.
Die ganze Zeit hatten Bonnie, Elena und sogar Stefan Damon immer als den Bösen hingestellt. Als denjenigen, der gefährlich war. Doch Stefan , der nur mit Menschenblut in Kontakt kommen musste, um sich so ins Negative zu verändern, war so viel besser?
Da fühlte ich mich in Damons Gegenwart, der seinen Blutdurst im Griff hatte und kontrollieren konnte, doch tausend Mal sicherer.
"'Das ist alles meine Schuld!'", sagte Elena schließlich und stand wieder auf.
"Nein, sag das nicht!", sagte ich sofort und erhob mich ebenfalls, "Du kannst nichts dafür!" Eindringlich sah ich sie an, aber sie schüttelte nur den Kopf.
"'Doch, ich hab ihn ja erst da zu gebracht, Blut zu trinken!'"
"Weil du ihn retten wolltest!", sagte ich fest, "Wie hättest du das wissen sollen?" Wir wurden unterbrochen als in diesem Moment die Tür aufging und wir alle drei herumfuhren. Stefan betrat gerade zögerlich das Zimmer und instinktiv trat ich etwas näher zu Damon.
Nachdem was ich gerade gehört hatte, war mir Stefan in seiner jetzigen Verfassung absolut nicht geheuer.
"'Ähm... Was ist denn hier los?'", fragte er skeptisch und trat langsam zu uns.
"'Ich... erzähle Elena und Zoey nur gerade von deinen... außerschulischen Aktivitäten'", sagte Damon zögernd und ich blickte zu Boden. Diese Situation war äußerst unangenehm.
"'Was meinst du damit?'", fragte Stefan und er hörte sich wirklich glaubhaft ahnungslos an. Erschreckend wie gut er sich verstellen konnte.
"'Ich weiß das von dem Blut, Stefan!'", sagte Elena da frei heraus und ich sah zu ihr auf. Sie blickte ihn teils verärgert teils enttäuscht an, was mich unauffällig nach Damons Hand greifen ließ. Das war definitiv ein Gespräch, das uns nichts anging.
"Ähm... wir werden dann mal gehen'", sagte Damon, der wohl genau das Gleiche dachte und zog mich mit nach draußen. Ich warf Elena noch einen mitfühlenden Blick zu, ehe wir das Zimmer verließen und auf den Flur traten. Kurz blickte ich mich nach den anderen Mädchen um, die etwas entfernt von uns an der Treppe standen und sich angeregt unterhielten. Sie hatten nichts mitbekommen. Gut.
"Es tut mir leid", sagte Damon da, als er die Tür hinter uns geschlossen hatte, und ich sah verwirrt zu ihm auf, "Ich wollte ihn nicht so bloßstellen, aber ich habe keine andere Möglichkeit gesehen."
"Entschuldige dich nicht", murmelte ich kopfschüttelnd, "Es war gut, dass du es uns gesagt hast. Vor allem Elena musste es wissen!" Kurz sah ich an ihm vorbei zur geschlossenen Tür und seufzte erleichtert. Endlich hatte zur Abwechslung mal das Traumpaar ein Drama und nicht wir. Ich weiß, dieser Gedanke war gemein, aber ich konnte ihn nicht abstellen.
"Was ist los?", fragte Damon besorgt, der meinen Blick bemerkt hatte und ich sah ihn direkt an.
"Ich bin nur froh, dass du nicht diese Probleme hast", sagte ich leise und strich sanft über seine Wange.
"Du meinst, dass ich zur Abwechslung einmal nicht der Böse bin?", fragte Damon belustigt und auch ich musste etwas grinsen.
"Du bist nicht immer der Böse", sagte ich kopfschüttelnd, "Auch wenn allen das gerne so in den Kram passt."
"Allen außer dir", murmelte Damon und beugte sich etwas zu mir herunter.
"Jep", erwiderte ich noch, ehe ich ihn küsste.
Jedoch lösten wir uns schnell wieder voneinander, als das laute Klacken von Stöckelschuhen ertönte und wir zur Treppe herumfuhren, wo gerade meine Mutter auf uns zukam.
"Es ist so weit, Schatz, die Aufstellung beginnt gleich", sagte sie zu mir und ich nickte etwas, ehe sie sich zu Damon wandte, "Damon, die Begleiter warten unten." Sie betonte das letzte Wort nachdrücklich und ich spürte wie mir das Blut in die Wangen schoss. Sie hatte uns gesehen.
Damon nickte etwas, ehe er mir noch ein flüchtiges Lächeln zuwarf und an den anderen vorbei die Treppen hinunterging.
Mit hochrotem Kopf blickte ich nun meine Mutter an, auf eine Standpauke gefasst, doch stattdessen lächelte sie nur wissend.
"Wie ich sehe, hast du dir meinen Rat zu Herzen genommen", sagte sie leise und ich starrte sie überrascht an, ehe ich etwas nickte. Mit dieser Reaktion hatte ich nun nicht gerechnet.
Aber sie war mir ganz recht. Wenn schon mein gesamtes Umfeld gegen Damon war, so hatte ich wenigstens die Zustimmung meiner Eltern, auch wenn sie nicht die ganze Wahrheit kannten.
"Wo ist eigentlich Elena? Zieht sie sich noch um?", fragte meine Mutter plötzlich und griff im gleichen Moment an die Klinke der Tür hinter mir.
"Nein, warte!", sagte ich noch, doch zu spät. Meine Mutter trat in den Raum und ich konnte von draußen einen Blick auf Stefan und Elena erhaschen, die alles andere als glücklich aussahen. Oh weh.
"'Elena, es ist so weit, wir fangen mit der Aufstellung an!'", sagte meine Mutter.
"'Nur noch... eine Minute'", erwiderte Elena und ich sah sie mitleidig an. Sie hatte gerade deutlich andere Probleme.
"'Du hast dein Kleid noch gar nicht an'", sagte meine Mutter verwirrt, ehe sie sich an Stefan wandte, "Wie ich deinem Bruder schon sagte, warten die Begleiter unten, Stefan."
Angesprochener sah noch kurz unschlüssig zu Elena, ehe er mit versteinerter Miene an meiner Mutter und mir vorbeiging durch den Flur und die Treppe hinunterlief.
"Beeil dich, du hast noch ein paar Minuten. Du bist die Letzte, die aufgerufen wird!", sagte meine Mutter noch zu Elena, ehe sie das Zimmer wieder verließ und zurück zu den anderen Mädchen ging.
"Warte, ich helfe dir", sagte ich noch, bevor die Tür wieder zuschlagen konnte und trat zu Elena in den Raum. Ich musterte sie nochmal kurz besorgt, ehe ich leicht den Kopf schüttelte.
Ihr Blick war starr auf den Boden gerichtet und ihre Atmung ging unregelmäßig.
Sie war mit den Gedanken wirklich gerade ganz woanders.
"Wie lief es?", fragte ich leise, als ich ihr Kleid nahm, während sie sich geistesabwesend auszog.
"Schlecht", meinte sie nur und ich hakte nicht weiter nach. Ich wusste nur zu gut, wie sie sich fühlte. Als es mir mit Damon so gegangen war, war ich auch nicht scharf darauf gewesen darüber zu reden.
Schweigend half ich ihr, das Kleid anzuziehen, ehe wir zu zweit nach draußen traten zu den anderen Mädchen, als bereits Blair Fell aufgerufen wurde und sie die Treppe hinunterging.
"Da seid ihr ja!", sprach Caroline uns an und ich nickte ihr lächelnd zu, während Elena sie gar nicht gehört zu haben schien.
"Hey, das wird schon wieder", flüsterte ich meiner besten Freundin aufmunternd zu, welche darauf etwas aus ihrer Trance zu erwachen schien und mich dankbar ansah.
"'Miss Tina Fell, geleitet von Bartholomew Whitmore'", hörte ich die Stimme meines Vaters vom unteren Stockwerk und Tina, die schon bereit an der Treppe gestanden hatte, lief los.
Es ertönte leiser Beifall und ich trat etwas ans Geländer heran, um nach unten zu spähen.
"'Hat jemand von euch Amber gesehen?'", fragte meine Mutter, die gerade eilig an uns vorbeilief.
"Sie wollte an die frische Luft", sagte ich schulterzuckend. Vielleicht hatte sie doch kalte Füße bekommen. Kopfschüttelnd drehte meine Mutter um und lief nochmals den Flur entlang, wahrscheinlich um die Räume durchzusehen.
"'Seht ihr Stefan da irgendwo?'", fragte Elena, die neben mich getreten war und wie ich vorher nach unten sah. Ich folgte ihrem suchenden Blick und schüttelte den Kopf. Damon und zwei andere Jungen, die ich nicht kannte, standen dort, aber von Stefan war keine Spur.
"'Nein'", erwiderte auch Caroline, die zu uns gelaufen war, "'Nur meinen langweiligen Begleiter-Ersatz!'" Fragend sah ich zu ihr auf.
"Gehst du nicht mit Matt?", fragte ich und auch Elena sah sie verwirrt an.
"'Nein, sie halten ihn bei der Arbeit fest'", antwortete die Blonde und verdrehte genervt die Augen, "'Und was ist mit Stefan?'"
"'Ach, keine Ahnung, er ist irgendwohin verschwunden. Ich weiß nicht...'", sagte Elena kopfschüttelnd und ich spannte mich an. Er war einfach so gegangen, ohne ihr etwas zu sagen? Das war definitiv kein gutes Zeichen.
"'Was mache ich denn jetzt?'", fragte Elena, "'Ich hätte erst gar nicht mitmachen sollen!'" Beruhigend legte ich ihr eine Hand auf den Arm. Sie hatte an diesem Wettbewerb eigentlich nur wegen ihrer Mutter teilgenommen, das wusste ich. Und jetzt, wo sie dieses Drama mit Stefan hatte, kam ihr das ganze hier wahrscheinlich genauso unnötig vor wie mir.
"Ganz ruhig. Er wird schon wiederauftauchen", versuchte ich auf sie einzureden und ich wusste, dass meine Worte nicht wirklich hilfreich waren, doch etwas besseres fiel mir gerade nicht ein.
"'Nein! Ich muss Stefan finden! Ich bin nicht mehr dieser Mensch!'", sagte sie entschlossen und wollte sich abwenden, als Caroline sie aufhielt.
"'Nein! Auf keinen Fall-'", begann die Blonde, doch ich unterbrach sie.
"Geh!", sagte ich nickend, "Nimm im Flur die dritte Tür links. Da führt eine zweite Treppe nach unten." Sie warf mir einen dankbaren Blick zu, ehe sie eilig in den Flur lief, während Caroline mich entsetzt ansah.
"Wieso hast du sie ermutigt?", fragte sie aufgebracht und ich unterdrückte ein Seufzen. Natürlich konnte Caroline, für die dieser Wettbewerb alles war, nicht nachvollziehen, dass andere wichtigere Probleme hatten.
"Weil sie und Stefan gerade ein ernsthaftes Problem haben", sprach ich meine Gedanken aus, "Und jetzt ist Stefan auch noch abgehauen! Was soll sie denn deiner Meinung nach tun? Nach unten gehen, wenn sie aufgerufen wird, nur um dann komplett ohne Begleiter dazustehen?", fragte ich sie herausfordernd.
Caroline hielt bei meinen Worten inne, ehe sie seufzte.
"Stimmt, du hast recht...", sagte sie leise, "Ich war eigentlich auch total dafür, dass sie aussteigt. Weil ich keine Chance habe sie oder geschweige denn dich zu schlagen..." Niedergeschlagen blickte sie zu Boden und mein Ärger verflog etwas. Es war ihr wirklich wichtig zu gewinnen.
"Du hast eine faire Chance!", sagte ich fest und sie blickte ungläubig zu mir auf, "Ich hab meinen Vater gebeten, dafür zu sorgen. Keiner wird mich bevorzugen! Und ganz ehrlich? Ich hoffe echt, dass du das hier gewinnst. Du hast es von uns allen am meisten verdient!" Ehrlich sah ich sie an und erwiderte ihr zögerliches Lächeln, das nach und nach auf ihrem Gesicht erschienen war.
"'Miss Caroline Forbes, und ihr Begleiter Jeffrey Lockwood Hamilton!'", rief mein Vater von unten und ich schenkte ihr noch ein aufmunterndes Lächeln, ehe sie zur Treppe lief und nach unten ging.
Tief durchatmend stellte ich mich nun auch an den Treppenabsatz. Jetzt hieß es, nur nicht stolpern!
Ich sah zu wie Caroline unten ankam und weggeführt wurde und wie Damon nach vorne an die Treppe trat, was mich lächeln ließ. Dieses eine Mal hatte meine Mutter mit meiner Partnerwahl tatsächlich etwas richtig gemacht.
"Miss Nathalie Lockwood, geleitet von Damon Salvatore!", rief mich mein Vater auf und langsam lief ich die Treppe hinunter direkt auf Damon zu, der ebenfalls etwas lächelte als er mich sah. Mit ihm an meiner Seite konnte der Wettbewerb ja gar nicht so schlimm sein.
Ich kam unten an und griff nach seiner ausgestreckten Hand und ließ mich von ihm an der gaffenden Menge von Leuten vorbei durch die Hintertür nach draußen in den Garten führen.
Dabei ließ ich den Blick einmal suchend durch die Leute schweifen. Jedoch konnte ich auch hier Stefan nicht entdecken.
"Hast du Stefan gesehen?", flüsterte ich Damon zu, der aber nur den Kopf schüttelte. Verdammt. Wo war er nur?
"Wir kümmern uns später darum. Erstmal müssen wir hier durch", sagte er ebenso leise und ich nickte etwas, als wir uns neben den anderen Paaren auf dem Platz aufstellten.
Kurz warteten wir, da ja eigentlich noch Elena und Amber nachkommen sollten, doch offensichtlich reagierte die Jury schnell und schon nach einer Minute setzte die Musik ein, was mich schon wieder zum Lächeln brachte.
Meine Mutter hatte mein Lieblingslied ausgewählt. Das war wieder typisch.
Within Temptation war schon immer meine absolute Lieblingsband gewesen und auch mein Vorbild, was Gesang anging. Aber ihr Lied "All I Need" setzte jedes andere, das ich je gehört hatte, in den Schatten.
Langsam begannen wir den traditionellen Tanz, während ich der sanften Melodie lauschte, und plötzlich fühlte ich es.
Wie oft hatte ich kopfschüttelnd den Erklärungen meiner Mutter zu diesem Tanz gelauscht, von der Intimität einer Fast-Berührung, dem Flirten mit den Augen, der tiefen Verbindung der Partner, die ohne Körperkontakt stattfinden konnte? Und wie oft hatte ich es als absolut kitschigen Schwachsinn abgetan?
Doch jetzt, wo ich mich mit Damon im Takt bewegte, wir die Hände dicht aneinander hielten, ohne uns tatsächlich zu berühren und uns dabei tief in die Augen sahen, spürte ich es.
Ich wusste nicht, ob es daran lag, dass wir zu meinem Lieblingslied tanzten oder dass ich das erste Mal mit jemandem tanzte, für den ich echte Gefühle hatte, aber ich spürte mit einem Mal diese Verbindung, von der meine Mutter immer gesprochen hatte.
Wie in Trance versank ich in dem eisigen Blau von Damons Augen, während mein Körper wie automatisch Drehung um Drehung ausführte, bis wir schließlich zum zweiten Teil des Tanzes übergingen und uns endlich berührten.
Damon griff meine rechte Hand, während er seine andere um meine Hüfte legte und ich meine auf seine Schulter. Mich überlief eine Gänsehaut als wir uns so nahe kamen und erzitterte etwas, wobei ich mir nicht sicher war, ob dies von der Gänsehaut kam oder von der leichten Winterbrise, die wehte.
Ich sah wie Damon sanft lächelte. Er musste mein Erzittern gespürt haben. Ich erwiderte sein Lächeln offen und mir war es in dem Moment so egal, dass uns die halbe Stadt zusah.
Ich liebte ihn und das konnte ruhig auch jeder sehen.
Da endete das Lied schließlich und widerwillig löste ich mich von Damon, um wieder die Ausgangsposition einzunehmen.
Es ertönte lauter Beifall um uns herum und ausatmend entspannte ich mich. Der schwierigste Teil des Wettbewerbs war geschafft.
***
"'Wo ist eigentlich Amber?'", fragte Caroline mich leise, doch ich konnte nur ahnungslos mit den Schultern zucken.
Die Teilnehmerinnen des Wettbewerbs hatten sich, nachdem die Jury sich beraten und anscheinend etwas zu lange gefeiert hatte, immerhin war es inzwischen dunkel draußen, drinnen im Flur aufgestellt, wo nun die Siegerin verkündet werden sollte.
Wie vorhin blickte ich suchend durch die Menge, die sich neugierig vor uns versammelt hatte, und entdeckte Elena, die sich wieder umgezogen hatte und sehr weit hinten stand. Ich warf ihr einen fragenden Blick zu, was sie aber nur mit dem Kopf schütteln ließ. Sie hatte Stefan also nicht gefunden. Das war nicht gut.
Nochmals blickte ich suchend durch die Menge, als ich bemerkte, dass Damon ebenfalls verschwunden war. Okay, das war entweder sehr gut oder sehr schlecht.
Ich blickte auf, als Beifall ertönte und mein Vater vor uns trat.
"'Bevor ich die Gewinnerin bekannt gebe, will ich diesen jungen Damen gerne persönlich für ihre Bemühungen danken, das Leben unserer Gemeinde zu verbessern!'", sagte er und erneut klatschten die Leute, während wir Mädchen nur höflich lächelten.
"'Und jetzt ohne weitere Umstände ist es mir eine Ehre Ihnen vorzustellen unsere Miss Mystic Falls: Miss Caroline Forbes!"
Unendlich erleichtert atmete ich aus, während die Leute um uns herum in lauten Jubel ausbrachen. Auch ich klatschte während ich zu Caroline blickte, die sich ungläubig umsah.
"Oh mein Gott!", hauchte sie und ich grinste sie an.
"Sag ich doch!", flüsterte ich ihr zu und sie blickte mich teils erleichtert teils dankbar an, als ihr auch schon die Schleife umgebunden wurde, auf der groß ihr gewonnener Titel stand.
Damit war der Wettbewerb offiziell vorbei.
Sofort löste ich mich aus der Reihe der Mädchen, die Caroline beglückwünschten und lief geradewegs durch die Menge zu Elena.
"Du hast ihn nicht gefunden?", fragte ich nochmal nach, als ich bei ihr ankam, und sie schüttelte den Kopf.
"Nein, ich hab das ganze Haus abgesucht. Er muss draußen irgendwo sein", sagte sie leise und ich sog scharf Luft ein, als Damon zu uns trat.
"Was ist los?", fragte ich sofort, als ich sein besorgtes Gesicht sah, jedoch antwortete er nicht, sondern griff Elena und mich nur am Arm, um uns etwas von den Leuten um uns herum wegzuziehen.
"'Hast du ihn gefunden?'", fragte Elena hoffnungsvoll, doch Damon schüttelte den Kopf.
"'Im Gästebad gab es Kampfspuren und Blut'", sagte er leise und ich sah ihn erschrocken an, "'Und diese Amber ist verschwunden.'" Oh nein. Ich hatte Ambers Verschwinden bisher gar nicht mit Stefan in Verbindung gebracht! Aber jetzt, wo Damon es sagte... Sie waren beide zur gleichen Zeit verschwunden.
"'Oh mein Gott...'", hauchte Elena und rang sichtlich um Fassung, "'Nein, er... Er würde ihr nichts tun! Das macht er nicht!'", sagte sie und blickte hilfesuchend zwischen mir und Damon hin und her.
"'Gehen wir ihn suchen'", sagte Damon und nickte ihr beruhigend zu, ehe er zu mir sah, "'Holen wir deinen Mantel.'"
Wir folgten ihm in den Flur zu Garderobe, wo ich meinen Wintermantel über mein dünnes Kleid zog, ehe wir durch die Hintertür nach draußen in den Garten liefen, wo sich inzwischen kein Gast mehr aufhielt. Nicht verwunderlich bei der Kälte.
"Wo könnte er nur sein?", fragte ich und blickte suchend in die Dunkelheit.
Hinter meinem Haus erstreckte sich eine Wiese mit einem großen Teich in der Mitte und da hinter lag nur noch Wald.
Es wäre Wahnsinn ein so großes Gebiet nach ihm abzusuchen. Aber er konnte nur hier irgendwo sein. Drinnen war er ja definitiv nicht.
Oder er war schon über alle Berge...
"Wartet", meinte Damon da und ich blickte zu ihm, "Ich höre etwas." Er hatte konzentriert die Stirn gerunzelt, ehe er angespannt aufsah.
"Sie sind da vorne! Kommt!", sagte er und ich tauschte einen teils hoffnungsvollen teils ängstlichen Blick mit Elena, ehe wir Damon auch schon folgten. Wir liefen einmal quer über die Wiese, am See vorbei, Richtung Waldrand, als plötzlich ein gellender Schrei zu hören war.
Der musste von Amber kommen!
Wie vom Blitz getroffen, begannen wir zu rennen und im nächsten Moment sah ich sie.
Stefan stand dort zwischen den Bäumen und hielt eisern Amber umklammert, die panisch versuchte sich aus seinem Griff zu befreien.
"'Stefan!'", rief Elena aus, doch es brachte nichts. Wir kamen bei ihm an und er jetzt sah ich, dass Stefan seine Zähne bereits tief in ihren Hals gebohrt hatte.
"'Nicht! Lass sie!'", rief auch Damon, der zu ihm lief, während ich Elena am Arm packte, um sie etwas zurückzuhalten. Wir sollten ihm gerade nicht zu nahe kommen.
Stefan ließ bei Damons Rufen von Amber ab, die weinend zu Boden stürzte, ehe er zu uns aufsah, was mich angsterfüllt aufkeuchen ließ. Sein gesamtes Gesicht war blutverschmiert und mit dunklen roten Augen sah er uns unverwandt an, mit einem Blick, der mehr dem eines Raubtieres glich als dem eines Menschen. Die Blutlust beherrschte ihn so sehr, dass er uns nicht einmal erkannte!
"'Ganz ruhig!'", versuchte Damon auf ihn einzureden, "'Krieg's unter Kontrolle, Stefan! Komm schon! Ist schon gut!'" Langsam nährte er sich seinem Bruder und im ersten Moment glaubte ich sogar, dass es funktionierte. Als Damon ihn aber am Arm griff, schien Stefan aus seiner Starre zu erwachen und wie wild geworden stieß er Damon von sich, welcher darauf quer durch die Luft geschleudert wurde und hart gegen einen Baum krachte, ehe zu Boden fiel.
"Damon!", rief ich angsterfüllt, als er sich in Vampirgeschwindigkeit wieder aufrichtete, während Stefan erneut auf ihn losging.
"'Stefan, hör bitte auf!'", rief Elena verzweifelt, doch wie zuvor schon, hatte es nicht den geringsten Effekt.
In diesem Moment hielt Stefan jedoch inne, ehe er leicht aufstöhnte und sich mit beiden Händen an den Kopf griff. Sein Stöhnen wurde zu einem Schreien und er sank auf die Knie, was mich die Stirn runzeln ließ. Es schien, als würde er unfassbare Schmerzen haben.
Was war los mit ihm?
Verwirrt blickte ich mich um, nach einem Auslöser suchend, als mein Blick auf Bonnie fiel, die etwas entfernt hinter Elena und mir stand und ihren Blick konzentriert auf Stefan gerichtet hatte. Das kam von ihr! Sie musste uns nach draußen gefolgt sein.
In dem Moment schloss Bonnie leicht die Augen und auch Stefans Schreie verstummten, was mich wieder zu ihm blicken ließ.
Als würde er aus einem Rausch erwachen blickte er zu uns auf, während seine Augen wieder eine normale Farbe annahmen, ehe er leicht den Kopf schüttelte.
"'Nein...'", hauchte er kaum hörbar und sah sich geschockt um.
"'Alles okay...'", sagte Damon ruhig, die Hände leicht gehoben, als würde er versuchen ein verschrecktes Tier zu zähmen, "Stefan?"
Stefans Blick glitt langsam zu Elena, ehe er sich einfach umdrehte und davon rannte.
Wie erstarrt sah ich ihm hinterher und auch von den anderen rührte sich keiner.
Erst als Amber, die noch am Boden lag, leise wimmerte, kam ich wieder zu mir und lief zu ihr herüber.
"Schhht, ganz ruhig", sagte ich sanft, als sie mich panisch ansah, während ich versuchte, sie vorsichtig zu untersuchen. Ihr Puls ging schnell und die Bisswunde an ihrem Hals blutete noch, aber sonst schien sie so weit okay zu sein. Wenn man ihren Zustand 'okay' nennen konnte.
"Elena, geh rein und hol Sheriff Forbes!", sagte Damon da und kurz blickte ich über die Schulter. Elena nickte zitternd, ehe sie wieder Richtung Haus lief. Bonnie stand noch immer bewegungslos da und musterte uns mit ausdrucksloser Miene, doch ich beachtete sie nicht weiter. Ich hatte keine Ahnung, wieso sie uns geholfen hatte, da sie Damon ja offenbar verabscheute und generell nichts mit Vampiren zu tun haben wollte, aber es war mir ehrlich gesagt auch ziemlich egal. Wir hatten wichtigere Probleme.
"Wie geht's ihr?", fragte Damon, der neben mir und Amber, die sich schmerzhaft an meinen Arm klammerte, in die Knie gegangen war.
"Ganz gut so weit, denke ich", sagte ich leise, "Sie sollte wieder gesund werden."
Damon nickte, ehe er Amber sanft an den Schultern griff und sie etwas zu sich drehte.
"Du wurdest in der Dunkelheit angegriffen. Du weißt nicht, was genau dich verletzt hat, aber du vermutest, dass es ein Tier war. Jetzt bist du aber in Sicherheit und musst keine Angst mehr haben", sagte er leise zu ihr und erleichtert sah ich, wie Amber sich entspannte und ihren Griff um meinem Arm lockerte.
"Wir müssen etwas wegen ihm unternehmen", sagte ich leise zu Damon, welcher zu mir aufsah und etwas nickte. So etwas durfte nicht wieder passieren. Am Ende brachte Stefan noch jemanden um.
"Uns wird etwas einfallen", sagte Damon und griff beruhigend nach meiner Hand.
Ich schloss die Augen und atmete hörbar aus. Uns sollte noch möglichst heute Nacht etwas einfallen. Je länger Stefan in diesem Zustand frei herumlief, desto schlimmer würde es werden.
_____________________________________________________________
Hey Leute! Ich hoffe, ihr seid gut ins neue Jahr gerutscht!
Es tut mir leid, dass das Kapitel ein Filler ist, aber ich musste es zwei teilen, da es zu lang wurde und ab und zu muss ein Fillerkap auch mal sein^^
Den "spannenderen" Teil gibt es beim nächsten Mal :D
Eure Reviews vom letzten Mal beantworte ich noch, keine Sorge!
Eure Lyana:)
The First Night
"You're so hypnotizing
Could you be the devil, could you be an angel
Your touch magnetizing
Feels like I'm floating, leaves my body glowing
They say be afraid
You're not like the others, futuristic lover
Different DNA, they don't understand you
You're from a whole other world
A different dimension
You open my eyes
And I'm ready to go, lead me into the light..."
-E.T., Katy Perry
Unruhig lief ich im Wohnzimmer des Salvatore-Anwesens auf und ab, während ich auf jedes noch so kleine Geräusch im Haus lauschte.
"Bist du sicher, dass er zu Hause ist?", fragte ich so leise wie möglich, was Damon, der vor mir auf dem Sofa saß, nur stumm nicken ließ, ehe er wieder konzentriert ins Leere sah. In diesem Moment beneidete ich ihn um sein Vampirgehör. Er wusste genau, was oben vor sich ging.
Nachdem Elena vorhin Sheriff Forbes geholt und diese sich dann um Amber gekümmert hatte, war Elena eine Idee gekommen. Und zwar hatte sie vor, Stefan mit einer List außer Gefecht zu setzen und ihn dann im Salvatore-Anwesen in den Keller zu sperren, wo wir ihm dann das Menschenblut zwangsmäßig entziehen konnten.
Zugegeben, die Idee war nicht schlecht, aber dennoch machte ich mir ernsthaft Sorgen um Elena. Mit Stefan allein in einem Raum, konnte ihr sonst was passieren!
Damon hatte ebenfalls zugestimmt und war nach Hause gefahren, für den Fall, dass Stefan dort auftauchen würde. Vor fast einer Stunde hatte der Schwarzhaarige uns dann eine Nachricht geschickt, dass Stefan tatsächlich zu Hause war, worauf ich mit Elena natürlich sofort hierher gefahren war.
Und jetzt war Elena allein mit ihm oben in seinem Zimmer und wartete auf den passenden Moment ihm eine Eisenkrautspritze in den Körper zu jagen, während ich mit Damon hier unten wartete und dabei halb durchdrehte.
"Beruhige dich", sagte Damon da leise, der urplötzlich vor mir auftauchte und mein Auf- und Ablauf unterbrach, in dem er mich sanft an den Schultern griff, "Sie schafft das." Unsicher sah ich in seine blauen Augen, die nicht den geringsten Zweifel zeigten, was mich etwas ruhiger nicken ließ. Tief ein- und ausatmend ließ ich mich meinen Kopf an seine Brust sinken und versuchte mich zu entspannen.
Damons Hände glitten von meinen Schultern zu meinem Rücken und ich schloss die Augen.
Ich musste einfach Vertrauen haben. Damon würde sofort hören, wenn etwas schief ging und egal wie instabil Stefan gerade war, Elena würde er sicher nichts tun.
Ich zuckte heftig zusammen, als plötzlich von oben mehrfach ein Knallen ertönte und wollte mich schon erschrocken von Damon lösen, jedoch hielt er mich weiterhin fest.
"Alles okay", murmelte er, "Stefan versucht ihr Angst zu machen, um sie zu vertreiben. Aber sie lässt es nicht zu." Erleichtert atmete ich aus und war Damon gerade so dankbar dafür, dass er da war und vor allem mir half, das alles durchzustehen.
"Sie hat es geschafft", sagte er da schließlich und löste sich von mir, "Wir können nach oben gehen."
"Okay", sagte ich nickend, als mich eine weitere Erleichterungswelle durchfuhr. Elena hatte es tatsächlich hinbekommen.
Gefolgt von Damon lief ich die Treppen ganz nach oben in den zweiten Stock, wo sich Stefans Zimmer befand.
"Alles okay?", fragte ich sofort, als ich Elena sah, die an einem Schrank lehnte und die Eisenkrautspritze umklammerte. Direkt vor ihr lag Stefan, am Boden und ohne Bewusstsein.
Elena nickte auf meine Frage hin etwas, als Damon an mir vorbei ging und neben Stefan trat.
"'Du willst das wirklich tun?'", fragte er und sah Elena prüfend an.
"'Ja, das will ich'", erwiderte sie und trotz der Tatsache, dass ihre Stimme noch etwas zitterte, hörte man ihre Entschlossenheit deutlich.
Damon nickte und beugte sich zu Stefan hinunter, um ihn hochzuheben.
Zusammen liefen wir nach unten in den Keller, bei dem mich eine Gänsehaut überlief. Von diesem Ort hatte ich sehr schlechte Erinnerungen.
Damon legte Stefan in der gleichen Zelle ab, in der er selbst damals gefangen gewesen war und schloss die Tür sorgfältig ab. Elena und ich sahen ihm schweigend dabei zu.
"'Es gibt keine Garantie, dass es funktioniert'", sagte Damon, als er sich zu uns drehte.
"'Es muss funktionieren'", sagte Elena leise und ich nickte zustimmend.
"Das wird es", sagte ich, als Damon sich abwandte und den Gang zurückging, der uns wieder nach oben führen würde. Ich machte Anstalten ihm zu folgen, jedoch merkte ich, dass Elena sich nicht rührte, sondern weiterhin auf die Zellentür starrte.
"Kommst du mit nach oben?", fragte ich, was sie den Kopf schütteln ließ.
"'Ich bleibe hier'", sagte sie und ließ sich an der Wand zu Boden gleiten. Sie wollte die Nacht hier unten verbringen?
Unschlüssig sah ich sie an, was sie wohl bemerkte, da sie kurz darauf ihren Blick von der Tür löste und zu mir aufblickte.
"Ihr könnt ruhig nach oben gehen. Ich möchte gerade ohnehin allein sein", sagte sie, ehe ihr Blick sich wieder auf die Zelle richtete.
"Okay", sagte ich verstehend, ehe ich mich nach kurzem Zögern zu Damon umwandte, der abwartend im Gang gestanden hatte und mir nun seine Hand hinhielt. Ich ergriff sie und ließ mich von ihm wieder nach oben in den Flur führen.
Vor der Haustür blieben wir schließlich stehen und ich strich mir leicht die Strähnen hinters Ohr, die sich inzwischen aus meiner Frisur gelöst hatten. Das war ein echt anstrengender Tag gewesen. Doch wenigstens war Stefan jetzt erst einmal unter Kontrolle. Auch wenn das hieß, dass er erst einmal in dieser Zelle bleiben musste. Ich hoffte nur inständig, dass Elena das überstand. Für sie war dieser Tag schlimmer gewesen als für den Rest von uns.
"Denkst du, es wird funktionieren?", fragte ich schließlich und sah Damon fragend an, der so müde aussah wie ich mich fühlte.
"Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht", antwortete er, was meine Hoffnung noch geringer werden ließ, als sie ohnehin schon war, ehe er an mich herantrat, "Aber selbst wenn das hier nicht funktioniert, werden wir einen anderen Weg finden. Irgendwie kriegen wir ihn schon wieder hin." Ich musste lächeln, als er es wie eben schon schaffte, meine Zweifel allein mit seinen Worten in Luft aufzulösen.
"Ich bin so froh, dass du hier bist", sagte ich leise zu ihm und legte meine Hände an seine Wangen, "Ich wüsste nicht, was wir tun würden, wenn du nicht da wärst... Was ich tun würde."
Damon lächelte bei meinen Worten nur sanft, ehe er seine Hände an meine Hüfte legte und mich zärtlich küsste.
Seufzend ließ ich mich gegen ihn sinken und genoss das wohlig warme Gefühl, das sich in mir ausbreitete und all meine Sorgen aus meinem Kopf verbannte.
Wie schon einmal heute war ich einfach nur unendlich froh, dass es Stefan war, der unten in der Zelle lag und zwischen Damon und mir alles gut war.
"Soll ich dich nach Hause fahren?", fragte Damon schließlich leise, als er sich etwas von mir löste und kurz überlegte ich.
Eigentlich war ich sehr müde, doch andererseits hatte ich auch keine Lust wieder nach Hause zu fahren, wo sich wahrscheinlich nach wie vor die halbe Stadt aufhielt und lauthals feierte.
In dem Moment kam mir ein Gedanke, bei dem mir sofort sämtliches Blut in die Wangen schoss, weswegen ich verlegen den Blick senkte.
"Kann ich vielleicht...", begann ich leise, "Bei dir übernachten?" Zögernd sah ich zu ihm auf, als ich seinem überraschten Blick begegnete, der kurz darauf wesentlich dunkler wurde, was mich erschauern ließ.
"Natürlich", erwiderte er genauso leise wie ich zuvor, ehe er erneut nach meiner Hand griff und mich die Treppen nach oben zog.
Ich spürte wie nervös ich wurde, während wir dem Flur zu seinem Schlafzimmer folgten und versuchte das Gefühl abzuschütteln.
Immerhin übernachtete ich hier nicht zum ersten Mal.
'Jedoch zum ersten Mal als seine Freundin', schoss es mir da durch den Kopf und prompt kehrte die Nervosität zurück, sogar noch stärker als zuvor.
Ich spürte wie meine Wangen noch immer glühten, als wir das Schlafzimmer betraten.
Damon ließ meine Hand los, ehe er die Tür hinter uns schloss und zu seinem Kleiderschrank hinüberging.
"Du kannst zum Schlafen etwas von mir haben, wenn du willst", sagte er und blickte fragend zu mir auf. Mich durchfuhr ein freudiges Kribbeln und ich war kurz von mir selbst überrascht, wie sehr es mich erregte, Sachen von ihm zu tragen.
"Oder ich hole etwas von Elena aus Stefans Zimmer", fügte Damon noch hinzu, als ich nicht antwortete, doch ich schüttelte den Kopf.
"Nein, ist schon okay", sagte ich schnell, "Ich nehme gern etwas von dir." Er nickte ein wenig, ehe er die Krawatte um seinen Hals löste und sie in den Schrank räumte, ehe er die ersten Knöpfe seines Hemds öffnete.
Wie von allein glitt mein Blick auf sein freigelegtes Schlüsselbein, wo man bereits die Anfänge seiner Muskulatur ausmachen konnte und kurz verspürte ich Enttäuschung, dass er nicht noch mehr Knöpfe geöffnet hatte. In dem Moment wurde mir jedoch bewusst, was ich da dachte und schnell wandte ich den Blick ab. Mit hochrotem Kopf, der wahrscheinlich immer mehr einer Tomate glich, trat ich stattdessen an eine Kommode heran, über der ein Spiegel hing, wo ich nun nach und nach die Klammern und Spangen aus meinem Haar löste.
Dabei glitt mein Blick kurz über das rote Kleid, das ich noch immer trug.
Nein, darin konnte ich wirklich nicht schlafen. Meine Mutter würde mich umbringen.
Ich löste schließlich die letzte Spange und mein Haar fiel in dichten Locken über meine Schultern, als Damon, der inzwischen auch sein Jackett abgelegt hatte, neben mich trat.
"Hier", sagte er leise und hielt mir ein schwarzes Shirt und ebenfalls schwarze Shorts hin, die ich ihm dankend abnahm, ehe kurz unangenehmes Schweigen zwischen uns entstand, "Du... kannst ruhig hier schlafen", sagte Damon schließlich und ich blickte ihn perplex an, "Ich werde mir eins der Gästezimmer nehmen." Er wandte sich zum Gehen, als ich rein reflexartig nach seiner Hand griff.
"Geh nicht", sagte ich etwas energisch, worauf er sich überrascht zu mir drehte und ich etwas schüchtern zu Boden sah, "Ich meine, du musst nicht gehen." Himmel, was war denn nur los mit mir? Sonst war ich doch auch nicht so verlegen.
"Sicher?", fragte er leise und ich zwang mich wieder zu ihm aufzusehen, ehe ich lächelte.
"Ja", antwortete ich. Auch wenn diese Situation neu und ungewohnt für mich war, wollte ich nicht, dass er ging.
Damon erwiderte mein Lächeln und ich gab ihm einen kurzen Kuss, ehe ich mich von ihm abwandte und die Klamotten auf der Kommode ablegte, als mir etwas auffiel.
Der Reißverschluss, der sich bei diesem Kleid am Rücken befand, lag so hoch, dass ich es unmöglich allein ausziehen konnte.
Innerlich verfluchte ich mich dafür, dass ich genau dieses eine Kleid ausgewählt hatte. Jedes andere, das ich besaß, hätte ich allein ausziehen können. Nur nicht dieses.
Ich spürte wie meine Nervosität überhandnahm, ehe ich mich innerlich maßregelte.
Es war doch überhaupt nichts dabei! Ich würde ihn einfach bitten, mein Kleid zu öffnen und dann würde ich mich umziehen. Schluss, fertig, aus!
"Brauchst du Hilfe?", fragte Damon da und ich sah im Spiegel wie er hinter mich trat. Dabei konnte ich durch die Reflexion sehen, wie sein Blick, der noch immer sehr dunkel war, über meinen Rücken und tiefer glitt. Ich spürte wie mir warm wurde und sah schnell woanders hin. Jetzt ging aber meine Fantasie mit mir durch!
Ich nickte auf seine Frage hin etwas und spürte schon wieder das Blut in meinen Wangen.
"Ja, ich... Ich bekomme den Reißverschluss allein nicht auf", sagte ich und lachte etwas nervös, ehe ich mein Haar griff und es nach vorne über meine rechte Schulter schob, damit er freie Sicht hatte, „H-hilfst du mir?“ Ich hoffte inständig, dass er mein Stottern überhört hatte.
"Warte", sagte er und ich spürte, wie er nach dem Reißverschluss griff, "Das haben wir gleich." Ich umgriff das Kleid vorne mit beiden Armen und drückte es an meine Brust, damit es nicht zu Boden gleiten würde, als Damon den Verschluss von meinen Schultern hinunter bis zu meiner Hüfte zog.
In diesem Moment war ich unheimlich froh, dass ich heute meinen schwarzen Spitzen-BH und das dazu passende Höschen trug, ehe dieses Gefühl noch verstärkt wurde, als ich im Spiegel sah, wie Damons Blick erneut langsam über meinen freien Rücken glitt. Und dieses Mal war ich mir sicher, dass ich es mir nicht einbildete.
Ich erschauerte wohlig und war von mir selbst überrascht wie sehr mir dieser Blick gefiel.
Langsam drehte ich mich zu ihm um und spürte die Erregung, die durch meinen Körper schoss, wie loderndes Feuer, als ich seinem Blick direkt begegnete. Seine Augen waren inzwischen so dunkel geworden, dass sie ein tiefes Ozeanblau angenommen hatten. Als wäre das Eis in ihnen zu Wasser geschmolzen.
"Zoey...", begann Damon da mit ungewohnt tiefer heiserer Stimme, was mich erneut erschauern ließ. Ich konnte sehen, dass es ihn momentan jegliche Selbstbeherrschung abverlangte, so ruhig vor mir zu stehen und man nur durch seine Stimme und schnelle Atmung erahnen konnte, was in ihm vorging.
Und da wurde es mir klar. In diesem einen Moment wusste er einmal nicht, was ich dachte. Und genau deshalb hielt er sich so zurück. Er überließ mir die Entscheidung weiterzugehen… Wollte ich das denn?
Ich dachte an seine Blicke, durch die ich allein schon schmolz und stellte mir kurz vor, wie es wäre, nackt und entblößt in seinen Armen zu liegen, ihm so nahe zu sein, wie ich es noch keinem Mann vorher gewesen war… Ja, das wollte ich. Mehr als alles andere.
Doch der Zeitpunkt war mehr als unpassend. Immerhin saß Elena allein unten mit Stefan, der in eine Zelle gesperrt war.
Jedoch würde, wenn man es so sah, nie der richtige Zeitpunkt da sein. Das ließ unser chaotisches Leben gar nicht zu.
Nein! Ich hatte genug an andere gedacht und Rücksicht genommen. Ich wollte mit Damon zusammen sein. Heute Nacht.
Diese Gedanken ließen jegliche Nervosität und Unsicherheit in mir verschwinden, als ich kurzerhand eine Entscheidung traf.
Langsam ließ ich mein Kleid los und blickte Damon dabei fest in die Augen, während ich spürte wie der Stoff an meiner Haut hinunter zu Boden glitt.
Einen Augenblick lang stand ich einfach nur so da, nur noch Unterwäsche am Leibe tragend, womit ich ihm eine eindeutige Antwort auf seine unausgesprochene Frage gab.
Brennende Hitze jagte über meine Haut, als ich seinen Blick spürte, ehe er plötzlich mit übermenschlicher Geschwindigkeit nach vorne schnellte und mich gegen die Kommode drückte. Ich wollte überrascht aufkeuchen, jedoch entkam mir nur ein erstickter Laut, als er seine Lippen mit meinen verschloss und mich wild und mit unzähmbarer Leidenschaft küsste.
Gierig erwiderte ich den Kuss, ehe ich spürte wie seine Hände über meinen gesamten Körper wanderten und ihn neugierig erkundeten, während sich meine an seinem Hemd zu schaffen machten, um endlich die restlichen Knöpfe zu öffnen, die mir zuvor die Sicht verwehrt hatten. Dabei riss ich sie mehr auseinander, als dass ich sie aufknöpfte, doch das war mir herzlich egal. Ungeduldig schob ich den Stoff von seinen Schultern und löste den Kuss, um meinen Blick über seinen Oberkörper gleiten zu lassen.
Fasziniert strich mit meinen Händen über seine definierten Muskeln, doch leider kam ich nicht weit, da Damon, der nicht so viel Geduld zu haben schien, sich wieder an mich presste und nun meinen Hals mit Küssen bedeckte.
Ich erzitterte etwas als ich die Kälte spürte, die von ihm ausging.
Ich hatte ja schon lange vorher gewusst, dass die Körpertemperatur bei Vampiren deutlich niedriger war und doch spürte ich erst jetzt, wo ich ihn Haut an Haut berührte, wie groß der Temperaturunterschied eigentlich war.
Jedoch war es nicht unangenehm. Es war sogar schön ein Gegenpol für diese brennende Hitze zu haben, die stetig durch meinen Körper zog.
Da presste Damon sich noch mehr gegen mich und ich spürte erstmals die Härte durch seine Hose hindurch, wie sie sich gegen meine Mitte drückte. Ich stöhnte leise und eine neue Welle der Erregung durchfuhr mich, als ich merkte wie sich allmählich Feuchtigkeit zwischen meinen Beinen bildete. Ich wollte mehr davon. Mehr von ihm.
Sehnsüchtig schmiegte ich mich an ihn, presste meinen Unterleib an seinen, was nun auch ihn aufstöhnen ließ. Bis zu diesem Moment hatte ich nicht gewusst, wie gut sich so ein Laut anhören konnte.
Ich drückte mit den Händen etwas gegen seine Brust, worauf er sich von meinem Hals löste, nur um sofort sein Gesicht wieder zu mir zu ziehen, damit ich ihn küssen konnte.
Sofort spürte ich seine Zunge, die fordernd über meine Lippen strich und ich öffnete meinen Mund willig, um ihr Einlass zu gewähren. Dabei biss ich kurz spielerisch in seine Unterlippe, was ihn leise knurren ließ, ehe er mit seiner Hüfte einmal hart gegen meine stieß, was mich wieder stöhnen ließ.
Ich wollte ihm noch näher sein. Ohne diesen störenden Stoff zwischen uns.
Ich ließ meine Hände an seiner Brust hinunter über seine Bauchmuskeln gleiten, die sich unter meiner Berührung anspannten, ehe ich mich am Gürtel seiner Hose zu schaffen machte.
Dabei streifte ich mehrmals über die inzwischen deutlich sichtbare Beule, die sich unter dem Stoff wölbte, was ihn leise gegen meine Lippen keuchen ließ.
Ich lächelte nur in den Kuss hinein, als ich seine Hose öffnete und ihn endlich von diesem sperrigem Stück Stoff befreite.
Gierig drängte ich mich wieder an ihm und stöhnte erneut als uns nur noch seine Shorts und meine Unterwäsche voneinander trennte.
Damon löste sich von mir und stöhnte ebenfalls auf, jedoch klang es anders als die Male davor. Fast gequält.
"Damon?", fragte ich besorgt und versuchte ihn von mir zu schieben, um ihn direkt ansehen zu können. Jedoch ließ er es nicht zu. Er hielt mich eisern fest und vergrub nun sein Gesicht leicht in meiner Halsbeuge, während er schwer ein- und ausatmete.
"Hey, was ist los?", fragte ich sanft und versuchte nun bestimmender ihn wegzuschieben, was mir diesmal auch gelang. Mit sanfter Gewalt schaffte ich es sein Gesicht zu mir zu drehen, was er eindeutig hatte verstecken wollen und mit einem Schlag war mir klar, was los war, als ich in seine blutroten Augen sah.
"Es tut mir leid", hauchte Damon heiser und schloss die Augen, jedoch sah man trotzdem noch deutlich die blauen Adern, die sich unter ihnen abhoben, "Ich habe seit heute Morgen nichts mehr getrunken. Da wird es schwer… dir so nahe zu sein."
Mitleidig blickte ich ihn an, ehe ich meine Hände an seine Wangen legte und verständnisvoll den Kopf schüttelte.
"Das muss dir nicht leid tun", sagte ich leise und er öffnete seine Augen wieder, um mich direkt anzusehen. In seinem Blick lag dieselbe Erregung und Sehnsucht, die ich verspürte, doch zeitgleich auch der Hunger, den ich schon so oft gesehen hatte. Es musste furchtbar für ihn sein, sich so sehr beherrschen zu müssen. Er würde nie ganz loslassen können, wenn wir zusammen waren. Es sei denn…
Langsam löste ich eine Hand von seinem Gesicht, um mein Haar von meinem Hals zurückzustreichen, ehe ich den Kopf leicht neigte und ihn auffordernd ansah.
"Trink", sagte ich ruhig und sah, wie sein Blick zu meinem Hals glitt und er hörbar schluckte, ehe er den Kopf schüttelte.
"Zoey, nein-", begann er, doch ich unterbrach ihn sofort.
"Es ist okay, Damon", sagte ich sanft und streichelte zärtlich mit dem Daumen über seine Wange, "Es ist okay für mich." Ich beugte mich zu ihm vor und küsste ihn kurz aber intensiv auf die Lippen. Dabei spürte ich seine Reißzähne, die unangenehm gegen meine Haut drückten, aber das war mir egal.
"Ich will nicht, dass du dich in irgendeiner Weise zurückhalten musst", sagte ich und blickte ihm dabei tief in seine roten Augen, die mich unsicher musterten, "Ich liebe dich und ich vertraue dir. Vollkommen."
Lächelnd sah ich wie die Unsicherheit aus seinem Gesicht verschwand, ehe er sich zögerlich über meinen Hals beugte und ich seine Lippen auf meiner Haut spürte.
Sofort merkte ich, dass es eine andere Stelle war, als die, wo ich sonst immer gebissen worden war, ehe der stechende Schmerz eintrat, als er zubiss.
Zu meiner Überraschung verflog dieser jedoch sofort wieder und anstatt zu spüren, wie mir jegliche Kräfte aus dem Körper gesaugt wurden, fühlte ich nun etwas anderes.
Freude.
Ich war selbst mehr als verwirrt von dieser Emotion und dennoch war es wahr.
Es war, als würde ich plötzlich seine Gefühle wahrnehmen können. Ich konnte spüren wie sein quälender Hunger endlich nachließ, wie sein Körper sich entspannte und es erfüllte mich mit unfassbarer Glückseligkeit, diejenige zu sein, die ihm diese Befriedigung ermöglichte.
Und das Seltsamste war, dass es meiner Erregung, meiner Sehnsucht nach ihm, nicht den geringsten Abriss tat. Nein, es schien, als ob sie sogar noch verstärkt wurde.
Ich fühlte wie sich die Freude in meinem gesamten Körper ausbreitete und sich mit dem Feuer vermischte, das bereits in mir loderte.
Ich seufzte wohlig auf und ließ meinen Kopf komplett in den Nacken fallen, während ich meine Hände in Damons Haar vergrub, welcher leise aufstöhnte und ich war mir sicher, dass er meine Gefühle genauso spüren konnte, wie ich seine.
Viel zu schnell, so kam es mir vor, löste er sich wieder von mir, und als ich aufsah, erstrahlten seine Augen wieder im vertrauten Blau, was ich jedoch nur für einen Moment wahrnahm, da er mich sofort wieder an sich zog und leidenschaftlich küsste.
Ich erwiderte seinen Kuss und keuchte überrascht auf, als er plötzlich mit beiden Händen unter meine Oberschenkel griff, um mich hochzuheben.
Instinktiv schlang ich meine Beine um seine Hüfte und stöhnte in den Kuss hinein, als ich aus diesem Winkel seine Erektion mehr als deutlich spüren konnte.
Ich schmiegte mich an ihn, so dass meine Brüste über seine Haut strichen, was ihn leise seufzen ließ, ehe er begann seine Hüften rhythmisch gegen meine zu bewegen, was meine Lust auf den Gipfel zu treiben schien.
Schwer atmend klammerte ich mich an ihn, während mich eine Hitzewelle nach der anderen durchfuhr, ehe Damon sich plötzlich vorbeugte und mich auf einer weichen Matratze ablegte, worauf ich kurz verwirrt aufsah. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass wir uns bewegt hatten.
Ich sah wieder zu Damon, der vor mir auf dem Bett kniete und mich mit dunklem verschleierten Blick musterte, und es wirkte als würde er jedes einzelne Detail meines Körpers wahrnehmen. Ich spürte wie meine Wangen etwas zu glühen begannen, während ich zeitgleich unter seinem Blick erschauerte, was wieder Wellen von Erregung durch meinen Körper jagte.
So langsam hielt ich es nicht mehr aus. Ich wollte ihn endlich spüren.
"Komm zu mir", hauchte ich kaum hörbar und als hätte er nur auf diese Bitte gewartet, riss er seinen Blick von meinem Körper los, ehe mir direkt in die Augen sah und meiner Bitte nachkam.
Innerhalb weniger Sekunden war er über mir und er begann mit seinen Lippen von meinem Mund aus zu meinem Kiefer, meinem Hals und tiefer zu wandern. Dabei hinterließ er mit seinen Küssen eine brennende Spur auf meiner Haut, durch die mich eine Gänsehaut überlief.
Er kam schließlich bei meinem BH an, als ich spürte wie sich seine rechte Hand unter mich schob zu meinem Rücken, ehe er mit einer einzigen geübten Bewegung meinen BH öffnete und ihn von meinem Körper zog.
Er löste sich von mir und ließ den Blick hungrig über meinen entblößten Oberkörper gleiten, doch diesmal war ich es, die die Geduld verlor, als ich meine Arme um seinen Hals schlang, um ihn wieder zu mir zu ziehen.
Unsere Lippen vereinigten sich erneut, als ich spürte wie er an den Stoff meines Slips griff und ihn mit einer Hand langsam von meinen Hüften zog. Freudige Erwartung durchfuhr mich und ich zog ungeduldig an den Stoff seiner Shorts, welche er kurz darauf ebenfalls auszog.
Ich spürte seine Männlichkeit, die nun direkt und ohne Hindernisse gegen meine Mitte drückte, und mir stockte der Atem, als mich eine Welle unerträglicher Lust durchfuhr.
Damon hielt in seiner Bewegung inne und löste unseren Kuss, um mir tief in die Augen zu sehen. Ich sah die unausgesprochene Frage in seinem Blick und nickte leicht.
Ja, ich war mir sicher. Ich hatte noch nie etwas so sehr gewollt wie ihn in diesem Moment.
Damon schien diese Antwort genug zu sein, denn er nahm meinen Mund wieder mit einem leidenschaftlichen Kuss in Besitz, ehe er nach einem Kissen griff, das neben uns gelegen hatte, und es sachte unter meine Hüfte schob.
Keinen Moment später spürte ich wie er langsam und kontrolliert in mich eindrang, was mich leise keuchen ließ, ehe er innehielt, als er auf Widerstand traf, bei dem mich ein leichter Schmerz durchzuckte.
Darauf zog er sich etwas zurück, ehe er etwas härter erneut zustieß, wobei das Kissen unter mir den Stoß erheblich dämpfte. Eine Schmerzwelle überkam mich und ich verkrampfte, als etwas in mir zu zerreißen schien. Jedoch ging diese Welle schnell unter einer Flut von Verlangen unter, als Damon erneut in mich stieß und wieder und wieder, bis er einen Rhythmus fand und in eine kontinuierliche Bewegung verfiel. Ich musste unsere Küsse unterbrechen, um zu Atem zu kommen, der mir von der unglaublichen Lust, die mich mit jedem Stoß durchströmte, geraubt wurde.
Ich klammerte mich an ihn und stöhnte auf, als mein Verlangen überhand nahm. Der Raum um uns herum schien zu verschwimmen und ich konnte nichts anderes mehr spüren als ihn.
Damons Stöße wurden immer schneller und unkontrollierter, ehe er sich mit einem lauten Stöhnen noch ein letztes Mal aufbäumte und auch ich den Höhepunkt meiner Erregung erreichte. Ein absolutes Hochgefühl zog durch jede einzelne Faser meines Körpers und ich erzitterte, als ich die Erfüllung fand und mein Verlangen wie ein Feuerwerk in mir zu explodieren schien, ehe es endlich zum Erliegen kam.
Auch Damons Körper erbebte und er ergoss sich warm in mir, ehe er erschöpft auf mich herabsank.
Ich lächelte selig und genoss das Echo dieser phänomenalen Gefühlsexplosion, während ich sanft über Damons Haar strich, der sein Gesicht in meinem Haar vergraben hatte, und nur noch unserem gleichmäßigen Atem lauschte.
_____________________________________________
Soooo Leute... Ich hoffe euch hat dieses "intimere" Kapitel gefallen :D
Bitte entschuldigt, wenn es eventuell qualitativ etwas weniger gut war, es ist das allererste Mal, dass ich so eine Art von Szene geschrieben habe, also bitte habt Gnade^^
Ich habe deswegen auch die Altersempfehlung auf P18 hochgestellt, nur falls ihr euch wundert.
Ich danke auf jeden Fall meiner Betaleserin TheRealLoca, die mir wieder unglaublich geholfen hat!
Und natürlich auch wieder meinen alteingesessenen Reviewschreibern, die wieder ihre Meinung kundgetan haben! Ihr seid super<3
Ich entschuldige mich schon mal im voraus, falls die Pause bis zum nächsten Kapitel etwas länger wird, ich habe momentan Prüfungsphase an der Uni und deswegen echt viel zu tun, deswegen kann es sein, dass das nächste Kapitel auf sich warten lässt, aber ich gebe mir auf jeden Fall Mühe, dass es nicht so ist!
Vielen Dank fürs Lesen!
Eure Lyana:)
Because He Loves Her
Hey Leute, da bin ich wieder! (Nach geschlagenen drei Monaten....)
Es tut mir soo leid, dass ich euch so lange habe warten lassen, aber erst war da die Prüfungsphase in der Uni und danach hab ich einfach mächtig mit diesem verfluchten Kapitel gekämpft! So sehr hab ich wirklich noch nie fest gehangen xD ich hasse es einfach Filler-Kapitel zu schreiben, aber leider müssen die auch mal sein und dieses Mistding hier ist endlich fertig .__.
Ich hoffe auf jeden Fall, dass ihr mehr Spaß beim Lesen habt als ich beim Schreiben und dass ihr mir die lange Pause verzeiht.
Ich kann aber sagen, dass das nächste Kapitel schneller kommen wird, da nun das erste Staffelfinale vor der Tür steht und ich nicht abwarten kann, es niederzuschreiben. (Und dank Corona hab ich ja auch sehr viel Zeit dafür...)
Ich hoffe, ihr seid alle gesund und munter und wünsche euch viel Vergnügen beim Lesen!
____________________________________________________________________________________________
"Yeah, they say when we grow up
You'll understand when you're older
Guess I'm still a kid, I don't know it
If I'll ever let go of this..."
-Remember This, NF
Liebes Tagebuch,
willkommen zu meinem dritten Eintrag. Okay, ganz offiziell ist es der zweite, weil ich den letzten hier herausgerissen habe, da der Inhalt einfach zu gefährlich war. Vor allem wenn es Menschen gibt, die einfach die Tagebücher von anderen lesen! Ja, ich meine dich, Jeremy, wenn du wie auch immer an dieses Buch hier gekommen bist!
Aber das kann mir ja jetzt egal sein. Ich glaube, dieses ganze Tagebuch-Ding ist eh nicht mein Fall, immerhin habe ich in einem halben Jahr gerade mal drei Einträge verfasst, diesen hier mit eingeschlossen. Trotzdem will ich heute morgen etwas aufschreiben, einerseits weil ich Beschäftigung brauche, da mich ein bestimmter schlafender Jemand in einer eisernen Umklammerung im Bett hält, andererseits weil ich momentan so unfassbar glücklich bin, wie schon lange nicht mehr.
Ja, ich weiß, mein Gefühlsauf und -ab ist echt anstrengend, aber nur so viel: Nach ewigem Hin- und her bin ich endlich mit dem Mann, den ich liebe, zusammen gekommen und ich bin einfach nur unfassbar glücklich.
Ich liebe ihn über alles und ich glaube, dass die letzten Wochen wohl die glücklichsten und besten meines Lebens waren! Das könnte aber auch mit daran liegen, dass wir endlich einmal etwas Ruhe vor den ganzen Problemen haben, die sich die letzten Monate so gehäuft hatten. Weihnachten und Silvester sind zumindest herumgegangen wie nichts und waren sogar fast langweilig, im Vergleich zu dem, was im Herbst losgewesen war.
Stefan geht es endlich wieder besser und er ist wieder ganz der Alte, sehr zu Erleichterung von Elena und auch ihr Onkel lässt uns endlich in Ruhe. Auch wenn das etwas komisch ist.
Nur Bonnie redet immer noch nicht mit mir, was mir aber auch ganz recht ist. Ich habe ihr noch nicht verziehen, was sie bei der Probe gesagt hat.
Aber ich will mich nicht beschweren. Ich genieße diese Ruhe und dass ich mit Damon
endlich glücklich sein kann. Egal. Ich hör jetzt aber lieber wieder auf.
Wunder dich nicht, dass ich keine Details aufschreibe, ich will nur sichergehen hier keine Informationen zu hinterlassen, die jemand ausnutzen könnte. Wenn ich es mir rechtüberlege, sollte ich diesen Eintrag vielleicht auch verbrennen. Oder lieber gleich das ganze Buch.
Himmel, wie kommt Elena nur mit dieser permanenten Sorge klar, dass jemand ihre tiefsten und privatesten Gedanken einfach lesen könnte?
Man sollte echt kein Tagebuch schreiben, wenn man so viele Geheimnisse hat.
Wie dem auch sei, ich melde mich dann wahrscheinlich in ein paar Wochen oder Monaten wieder... Oder gar nicht. Mal sehen.
Leicht kopfschüttelnd klappte ich das Büchlein zu, ehe ich es mitsamt Stift, wieder leise in die Nachttischschublade legte, an die ich gerade so herangekommen war. Denn die Arme, die sich fest um meine Taille geschlungen hatten, grenzten meine Bewegungsfreiheit ziemlich stark ein. Es war überhaupt ein Wunder, dass ich es irgendwie geschafft hatte, im Liegen zu schreiben, aber wenn es deswegen jetzt weniger lesbar war, umso besser.
Ich schaffte es mich in seinem Griff herumzudrehen, ehe ich zu Damon aufsah, der noch tief und fest schlief, was mich lächeln ließ.
Er sah so friedlich und entspannt aus. Fast als wären er und ich nur ein normales Paar in einer normalen langweiligen Welt.
Ich seufzte etwas.
Wenn es doch nur so wäre.
Jedoch musste ich so langsam wirklich aufstehen.
Kurz schielte ich über die Schulter auf den Wecker.
Es war schon verdammt spät. Eigentlich hätte ich schon seit einer Stunde aus dem Haus sein müssen, um Caroline in der Schule zu helfen. Sie musste nämlich als Miss Mystic Falls den Wagen für die Parade nächste Woche gestalten, auf dem alle Teilnehmerinnen des Wettbewerbs während des Umzugs stehen würden. Und da gehörte ich natürlich auch mit dazu.
Ich schüttelte leicht den Kopf.
Ich wollte gar nicht auf mein Handy schauen. Wahrscheinlich hatte mir Caroline schon per SMS mit Mord gedroht. Und das zwanzig Mal.
Ich sollte vielleicht in Zukunft verneinen, wenn Damon bei mir übernachten wollte und ich am nächsten Morgen früh raus musste. Das klappte nämlich nie besonders gut.
Ich drehte mich wieder zu dem Schwarzhaarigen und zögerte einen Moment, ehe ich meine Hand hob und sanft über seine Wange strich. Ich spürte, wie er bei der Berührung etwas zuckte und sich seine Atmung veränderte, ehe er blinzend die Augen öffnete und mich verschlafen ansah, was mich schon wieder zum Lächeln brachte. Wenn er wüsste, wie süß er dabei aussah.
"Guten Morgen", sagte ich leise und gab ihm einen Kuss auf die Wange, was ihn ebenfalls lächeln ließ.
"Guten Morgen, Schönheit", murmelte er und sein Griff um mich wurde etwas fester, als er mich noch näher zu sich zog und sanft küsste. Mir wurde wunderbar warm und ich spürte, wie meine geringe Motivation noch mehr schwand. Wie gerne würde ich heute einfach bei ihm im Bett bleiben.
Als hätte Damon meine Gedanken gehört, wurden seine Küsse plötzlich intensiver und ich merkte, wie er sich aufrichtete, um sich über mich zu beugen.
"Damon", nuschelte ich gegen seine Lippen und versuchte ihn etwas von mir zu schieben, "Ich muss wirklich aufstehen." Er löste sich von mir und blickte kurz zu meinem Wecker.
"Wann musst du denn los?", fragte er und ein verführerisches Grinsen erschien auf seinem Gesicht. Wieso wusste ich genau, woran er dachte?
"Schon vor einer Stunde!", antwortete ich und versuchte mich erneut aus seinem Griff zu lösen, welcher aber nur noch fester wurde, "Damon!"
"Dann macht es bestimmt nichts mehr aus, wenn du noch später kommst", erwiderte er und begann meinen Hals mit Küssen zu bedecken, was mich leise seufzen ließ. Warum musste er es mir so schwer machen?
"Doch macht es... Damon, bitte...", hauchte ich, während ich verzweifelt nach der Willenskraft suchte, ihn endgültig von mir zu schieben. Da ließ er plötzlich von mir ab und etwas perplex sah ich ihn an, als er sich auf den Rücken drehte und mich grinsend musterte.
"Dann geh", sagte er und ich blickte ihn skeptisch an, ehe ich langsam aufstand und Richtung Badezimmer lief. Jedoch kam ich nicht so weit, da sich in dem Moment mit übermenschlicher Geschwindigkeit Arme um meine Taille schlangen und mich wieder eisern festhielten.
"Damon!", rief ich aus und versuchte mich zu befreien, während ich lachend den Kopf schüttelte, "Ich muss wirklich duschen!"
"Dann lass uns gehen", murmelte er darauf nur und begann meinen Nacken zu küssen, worauf eine Gänsehaut über meine Haut zog.
"Ich meinte allein!", sagte ich und drehte mich in seinen Armen zu ihm herum, ehe ich wieder lächelte.
"Das steht nicht zur Debatte", erwiderte er grinsend und ich wollte etwas antworten, als er meine Lippen mit seinen verschloss. Ich seufzte nur in den Kuss hinein, als mein Widerstand endgültig brach.
Wie schaffte er das nur?
Ich ließ zu, dass er mich rückwärts drängte bis ich mit dem Rücken an der Badezimmertür lehnte. Ich spürte, wie seine Hände unter mein Shirt glitten und zielstrebig nach oben wanderten, als plötzlich das laute Klingeln eines Handys durch den Raum schallte.
Damon gab ein verärgertes Brummen von sich, ehe er von mir abließ und auch ich seufzte genervt, als er zum Nachttisch hinüberging, um an sein Handy zu gehen. Das Timing vom Anrufer war mal wieder perfekt.
"Ich hoffe, es ist wichtig, Stef", sagte er, als er den Anruf angenommen hatte, ehe er leicht die Augen verdrehte, "Bei Zoey. Brauchst du weitere Instruktionen, wieso ich meine Ruhe haben will?" Ich musste etwas grinsen, was jedoch verschwand, als Damons Gesichtsausdruck plötzlich ernst wurde und er die Stirn runzelte.
"Sie ist hier?!", fragte er ungläubig und ich sah ihn besorgt an, "Was will sie?", es folgte eine kurze Pause, während ich an Damon herantrat und versuchte etwas von dem, was Stefan sagte, zu verstehen, jedoch gelang mir das nicht, "Und wo soll das stattfinden?", fragte Damon weiter, "Gut. Wir sind gleich da." Damit legte er auf und blickte zu mir.
"Was-", begann ich, doch er unterbrach mich sofort.
"Isobel ist hier", antwortete er auf meine unausgesprochene Frage, "Sie will sich mit Elena treffen. Alaric sollte das für die beiden arrangieren, sonst hat sie gedroht, es würde ein Gemetzel geben." Erschrocken sah ich ihn an.
"Was?! Aber... Was will sie denn?", fragte ich, während furchtbare Sorge um Elena in mir hochstieg. So wie Isobel eiskalt einen Menschen dazu gebracht hatte, sich vor einen LKW zu werfen, hatte sie definitiv nichts Gutes mit Elena im Sinn.
"Keine Ahnung", sagte Damon kopfschüttelnd, während ich zu meinem Schrank eilte und ein paar Klamotten herauszog, "Sie treffen sich in zwanzig Minuten im Grill."
"Dann müssen wir dahin! Sofort!", sagte ich und drehte mich gehetzt zu ihm, worauf er mir beruhigend zunickte und ebenfalls nach seinen Sachen griff.
***
Wir brauchten eine geschlagene halbe Stunde, um uns fertig zu machen und mit dem Auto zum Grill zu fahren. Meine Sorge um Elena wuchs mit jeder Minute und mir war mittlerweile speiübel. Wieso zum Teufel hatten sie uns erst so spät Bescheid gesagt?
Ich sprang fast aus dem Wagen, als Damon endlich vor dem Grill hielt und entdeckte sofort Alaric, der vor dem Gebäude unruhig auf und ab lief.
"Wo sind sie?!", fragte ich sofort und sein Blick glitt zu uns.
"Drinnen", antwortete er knapp und ich wollte schon an ihm vorbei, als er mich zurückhielt, "Isobel hat deutlich gemacht, dass sie Elena allein treffen will."
"Ihr habt sie mit ihr allein gelassen?!", fragte ich fassungslos und spürte wie Damon von hinten beruhigend über meine Schulter strich, was mir im Moment jedoch nur wenig half.
"Nein", erwiderte Alaric, "Stefan ist mit im Raum, "Isobel kennt ihn nicht. So kann er Elena beschützen, ohne sie oder andere in Gefahr zu bringen." Kurz dachte ich über seine Worte nach. Isobel würde sowohl Alaric als auch Damon erkennen, wenn sie mit da drin sein würden. So gesehen war Stefan tatsächlich der Einzige, der unerkannt bleiben konnte. Naja, fast.
"Ich kann auch da rein!", sagte ich entschlossen und ich sah bereits wie sowohl Alaric als auch Damon zum Widerspruch ansetzten, ehe ich schnell weitersprach, "Isobel kennt mich auch nicht! Ich kann als normaler Gast da reingehen und mich einen Tisch neben sie setzen! Mir würde keine Gefahr drohen!" Ich wandte mich zu Damon und sah ihn flehentlich an.
Ich erinnerte mich daran, wie geschockt Elena gewesen war, als sie das erste Mal von der kaltherzigen Persönlichkeit ihrer leiblichen Mutter erfahren hatte und schluckte. Ich durfte sie jetzt unter keinen Umständen im Stich lassen.
"Ich lasse dich nicht allein da reingehen, Zoey!", sagte Damon kopfschüttelnd und kurz überlegte ich, wie hoch meine Chancen waren, einfach so da reinzugehen, doch das verwarf ich schnell wieder. Damon war viel stärker als ich und würde mich mit Leichtigkeit aufhalten können.
"Das ist viel zu riskant", stimmte Alaric ihm zu, "Und das nicht nur für dich, sondern für alle, die da drin sind."
"Wenn sie mich nicht erkennt, wird keinem etwas geschehen! Außerdem kann sie in Mitten von so vielen Zeugen ohnehin nichts unternehmen!", widersprach ich und fuhr mir aufgebracht durchs Haar.
"Zoey, diese Frau ist komplett skrupellos und wahrscheinlich auch nicht mehr ganz bei Sinnen!", sagte Damon etwas lauter.
"Hey!", warf Alaric ein, was den Schwarzhaarigen kurz die Augen verdrehen ließ.
"Es ist die Wahrheit, auch wenn Sie es nicht hören wollen, Ric!", sagte Damon kurz an ihn gewandt, "Das heißt, es wird sie nicht kümmern, ob dort Zeugen sind oder nicht!" Ich begegnete seinem unnachgiebigen Blick und schüttelte den Kopf, als mir so langsam die Argumente ausgingen.
"Bitte Damon!", flehte ich langsam verzweifelt, "Es geht um Elena! Du weißt nicht, wie fertig sie sowieso schon von der Tatsache war, dass ihre leibliche Mutter ein bösartiger Vampir ist! Und jetzt muss sie sie auch noch treffen! Sie braucht mich da drin! Bitte!"
Flehentlich blickte ich ihn an. Er musste mich gehen lassen!
Ich sah wie Damon sichtlich mit sich haderte und es schien eine Ewigkeit zu vergehen, ehe er hörbar ausatmete und etwas nickte.
"Geh", sagte er leise und ich atmete erleichtert auf, "Sei aber vorsichtig!"
Unendlich dankbar nickte ich ihm kurz zu, ehe ich mich von ihm und Alaric abwandte und zum Eingang des Gebäudes lief, während ich hinter mir noch den Widerspruch des Letzteren hörte, dem ich aber keine Beachtung mehr schenkte.
Ich öffnete die Tür und betrat eilig, jedoch nicht zu schnell, das Grill.
Drinnen angekommen blickte ich mich suchend um. Als erstes erkannte ich Stefan, der bei den Billardtischen stand und mich erschrocken ansah, worauf ich ihm mit einem kaum merklichen Kopfschütteln zu verstehen gab, dass er bitte weniger auffällig reagieren sollte.
Da konnte ich nur hoffen, dass ich Isobel nicht auch so schnell aufgefallen war.
Da sah ich sie.
Elena saß in der Mitte des Raumes an einem der kleineren Tische und führte ein angespanntes Gespräch mit einer schwarzhaarigen Frau, von der ich lediglich den Rücken sehen konnte. Das musste Isobel sein.
Möglichst unauffällig nährte ich mich den beiden, ehe ich mich an einen freien Tisch niederließ, wo ich in Hörweite war. Ich senkte den Kopf und ließ mein Haar über meine Schulter in mein Gesicht fallen, ehe ich lauschte.
"'Ich will die Erfindung'", hörte ich Isobels berechnende Stimme und runzelte verwirrt die Stirn. Von was für einer Erfindung redete sie?
"'Ich hab sie aber nicht!'", widersprach Elena trotzig.
"'Das weiß ich!'", sagte Isobel kühl, "'Aber Damon hat sie. Und du wirst sie mir besorgen.'"
"Die Gilbert-Erfindung", hauchte ich kaum hörbar, als es mir einfiel.
Damon hatte vor einigen Wochen, kurz nach Stefans Entführung von den Gruftvampiren, von Pearl eine alte Erfindung von Jonathan Gilbert erhalten, von der jedoch keiner von uns wusste, wozu sie gut war. Elenas Onkel John hatte Damon wegen ihr bereits schon unter Druck gesetzt, jedoch ohne Erfolg. Und jetzt tauchte Isobel hier auf und wollte das gleiche? Da stimmte doch etwas gewaltig nicht!
"'Er wird sie mir nicht geben!'", sagte Elena kopfschüttelnd und ich spannte mich an, während ich unruhig zu Stefan sah, der jederzeit bereit schien, einzugreifen.
"'Dann wird das Blut an deinen Händen kleben'", sagte Isobel so gelassen, als würde sie übers Wetter sprechen, ehe ich hörte wie sie aufstand, "'Es war schön dich kennenzulernen, Elena.'"
Ich blickte auf zu Elena, als Isobel an mir vorbeilief und sprang instinktiv auf, als ich ihr Gesicht sah. Sie war den Tränen nah.
Ich machte Anstalten zu ihr zu laufen, als sich plötzlich eine kalte Hand um meinen linken Arm schloss und ich erschrocken herumfuhr.
Wie erstarrt blickte ich in Isobels kalte blaue Augen und erkannte in dem Moment meinen Fehler. Meine Reaktion gerade war viel zu auffällig gewesen.
"Sieh einer an. Dieses Gesicht kenn ich doch", murmelte sie und ich schluckte, als Angst in mir hochstieg, "Das ändert natürlich Einiges." Sie kannte mein Gesicht! Wieso hatte ich nicht bedacht, dass sie mich als Doppelgänger erkennen könnte?
"Alie!", rief Elena erschrocken hinter mir, doch ich konnte mich nicht rühren. Alles was ich spürte, war Isobels kalte Hand und ihre Nägel, die sich schmerzhaft in meinen Arm bohrten.
Die Schwarzhaarige blickte bei dem Ruf jedoch auf und ich sah die Erkenntnis, die kurz über ihr Gesicht huschte, ehe sie wieder zu mir sah.
"Du bist also Nathalie", sagte sie und das Lächeln, das auf ihrem Gesicht erschien, ließ das Blut in meinen Adern gefrieren. Sie wusste viel mehr als wir geahnt hatten.
Da hörte ich schwere Schritte hinter mir und für einen Moment schaffte ich es den Blick von Isobel loszureißen und hinter mich zu sehen. Stefan war zu uns getreten, den Blick eisern auf die Schwarzhaarige gerichtet, was seine drohende Aufforderung an sie mehr als deutlich machte, auch wenn sie unausgesprochen blieb.
Mein Blick glitt wieder zu Isobel, die nur unbeeindruckt zwischen uns hin und her sah, ehe sie Elena fixierte.
"Besorg mir die Erfindung, Elena. Oder ich werde jeden umbringen, der dir etwas bedeutet, angefangen mit deiner besten Freundin hier."
Ich schluckte schwer, als die Angst in mir noch größer wurde, doch ich konnte eine kühle Miene bewahren.
Isobel ließ mich los und ich rieb mir über meinen schmerzenden Arm, als sie an Stefan vorbei zum Ausgang lief.
Da entdeckte ich plötzlich Bonnie, die gerade an Isobel vorbei ins Grill getreten war und abrupt stehenblieb, als sie uns sah. Ich merkte, wie ihr Blick unsicher an Elena hängenblieb und schaute ebenfalls zu der Dunkelhaarigen.
Diese weinte inzwischen tatsächlich und kurz sah ich nochmals ungläubig zu Bonnie, die sich nun abgewandt hatte, um das Gebäude wieder zu verlassen, ehe ich mich ganz zu Elena wandte und sie in meine Arme zog. Jetzt ließ Bonnie auch noch Elena im Stich, wenn sie sie am dringendsten brauchte?!
Kopfschüttelnd strich ich beruhigend über Elenas Rücken, während sie leise schluchzte.
"Was ist passiert?", hörte ich da Damons Stimme und ohne Elena loszulassen sah ich über die Schulter zu ihm auf. Er war gefolgt von Alaric zu uns getreten und blickte mich besorgt an.
"Isobel will die Gilbert Erfindung", erklärte Stefan angespannt und Damon runzelte die Stirn.
"Sie glaubt doch nicht ernsthaft, dass ich ihr die gebe, oder?", fragte er wenig beeindruckt und ich presste die Lippen zusammen. Isobel hatte mit ihrer Drohung wohl sicherstellen wollen, dass er seine Meinung änderte.
"Sie sagte, dass sie sonst jeden in Elenas Umfeld tötet", sagte Stefan, "Angefangen mit..." Er zögerte und sah unsicher zu mir.
Ich öffnete den Mund, um seinen Satz zu vollenden, doch Elena kam mir zuvor.
"Angefangen mit Alie...", hauchte sie mit gebrochener Stimme und ich konnte sehen, wie sich Damons Blick gefährlich verdunkelte. Ich ließ Elena langsam los, um zu ihm zu treten.
"Das soll sie nur versuchen", murmelte er in diesem Moment jedoch leise, ehe er sich plötzlich abwandte und entschlossen Richtung Tür lief.
"Damon!", rief ich ihm erschrocken hinterher, doch er war schon draußen. Ich wechselte einen beunruhigten Blick mit den anderen, ehe ich mir durchs Haar fuhr.
Ich hatte eine dunkle Ahnung, was er jetzt vorhatte.
***
"Bist du dir sicher, dass du hier sein willst?", fragte ich Elena schon bestimmt hundertsten Mal heute und zum hundertsten Mal nickte sie.
"Ja, ich will etwas zu tun haben. Daheim werde ich noch wahnsinnig", erwiderte sie und ich seufzte, während wir über den großen Platz liefen und das bunte Treiben um uns herum beobachteten.
Zwei Tage war es jetzt her, dass Isobel Elena bedroht hatte und seitdem hatten wir auch nichts mehr von ihr gehört. Damon hatte ihr noch am gleichen Tag einen Besuch abgestattet, in ihrer Wohnung, die er ausfindig gemacht hatte, und ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass er sie töten würde, sollte sie Elena oder gar mir zu nahe kommen. Naja, zumindest hatte er es mir so gesagt. Wie genau er ihr das klar gemacht hatte, konnte ich mir dennoch vorstellen.
Zumindest schien es seine Wirkung zu haben, denn Isobel hatte uns seitdem in Frieden gelassen, doch Sorgen machte ich mir trotzdem. Sie schien nicht die Art von Frau zu sein, die einfach so aufgab.
"Caroline ist mit dem Wagen fast fertig", riss mich Elena aus den Gedanken und deutete auf den besagten Umzugswagen, wo die Blonde eifrig Befehle erteilte. Ich musste ein wenig lächeln. Der Umzug zum Gründerfest fand schon morgen statt und Caroline hatte ganze Arbeit geleistet. Der Miss Mystic Falls Wagen sah bereits wunderschön aus. Dennoch hatte sie Elena und mich ermahnt etwas mehr mit anzupacken, da wir die letzten Tage ja nicht da gewesen waren.
"Hast du die Tage eigentlich mal mit Bonnie geredet?" Irritiert sah ich Elena an. Mit Bonnie? Ich hatte, seitdem sie Elena und mich einfach im Grill stehen gelassen hatte, keinen Gedanken an sie verschwendet.
"Nein, wieso sollte ich?", sagte ich verwirrt und Elena setzte zu einer Antwort an, als plötzlich ein Ruf hinter uns ertönte.
"Hey, Alie!", ich drehte mich herum und spannte mich unwillkürlich an, als ich Jeremy erkannte, der gerade zu uns trat, "Kann ich dich kurz sprechen? Allein?"
Misstrauisch sah ich ihn an. Er hatte mich die letzten Wochen, genauer gesagt, seit ich ihm in meinem Haus stehen gelassen hatte, gemieden und nicht ein Wort mehr mit mir gesprochen, worüber ich auch ganz froh gewesen war. Und jetzt wollte er plötzlich reden?
"Ich habe gerade keine Zeit", antwortete ich nach kurzer Überlegung und wollte mich abwenden, doch Jeremy stellte sich mir in den Weg.
"Bitte. Es ist wichtig", sagte er eindringlich, aber dennoch ruhig.
"Hey, Jer", mischte sich Elena plötzlich ein und ich blickte zu ihr, "Alles okay?" Ich sah ihr die Anspannung deutlich an und erinnerte mich. Sie und Jeremy hatten einen heftigen Streit wegen ihrem Tagebuch geführt, durch das er herausgefunden hatte, dass sie Damon dazu gebracht hatte ihn Vickys Tod und alles über Vampire vergessen zu lassen.
"Alles bestens, Elena", sagte Jeremy kalt, ohne seine Schwester auch nur anzusehen, "Also können wir reden?" Fragend sah er mich an und ich seufzte.
"Na schön", gab ich auf und kurz sah ich wie Erleichterung über sein Gesicht glitt, ehe er sich abwandte und sich etwas von der beschäftigten Menschenmenge, in der wir standen, entfernte. Ich warf Elena noch einen entschuldigenden Blick zu, ehe ich ihm zu ein paar Bäumen am Rande des Platzes folgte, wo uns nicht jeder zuhören und sehen konnte.
"Also, was willst du?", fragte ich, kaum dass wir stehengeblieben waren und verschränkte die Arme. Jeremy drehte sich zu mir herum und atmete kurz tief durch.
"Ich wollte mich bei dir entschuldigen", sagte er schließlich und überrascht sah ich ihn an. Damit hatte ich absolut nicht gerechnet.
"Entschuldigen?"
"Ja", murmelte er nickend, "Für das was beim Gründerfest passiert ist. Mein Verhalten war unmöglich. Ich hätte deine Entscheidung einfach respektieren sollen und stattdessen hab ich mich..." Er hielt inne und blickte schuldbewusst zu Boden.
"Wie ein kompletter Idiot aufgeführt?", vollendete ich seinen Satz und er nickte, ehe er mich wieder ansah.
"Genau. Alie, es tut mir wirklich leid. Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe und schwöre dir, dass das nicht mehr vorkommt", ehrlich sah er mir in die Augen, ehe er fortfuhr, "Ich werde dich ab jetzt in Ruhe lassen... Auch wenn es schwer für mich ist." Kurz musterte ich ihn unsicher. Meinte er das wirklich ernst? Oder war das wieder nur ein Trick?
Doch sein Blick war mehr als ehrlich. Er schien tatsächlich die Wahrheit zu sagen.
"Okay", sagte ich schließlich und löste meine verschränkten Arme, "Entschuldigung angenommen."
Sein Gesicht erhellte sich merklich und ich konnte fast hören wie ihm der Stein vom Herzen fiel, als er mich erleichtert anlächelte. Jedoch verschwand dieser Ausdruck schnell wieder und ich sah, wie er misstrauisch die Stirn runzelte, als sein Blick hinter mich fiel.
"Was ist?", fragte ich nach und drehte mich um. Ich erkannte zwei Personen, die zu uns getreten waren. Einen großgewachsenen, muskelbepackten Mann und eine sportlich aussehende Frau hatten sich vor uns aufgebaut und musterten uns eindringlich.
Ich schluckte schwer, als mich ein ungutes Gefühl überkam.
"Freunde von dir?", fragte ich an Jeremy gewandt, ohne die beiden aus den Augen zu lassen, während ich unauffällig etwas näher zu ihm trat.
"Nein", antwortete Jeremy leise und ich hörte in seiner Stimme, dass ihm Situation ebenfalls nicht geheuer war.
"Dann macht es ihnen bestimmt nichts aus, wenn wir jetzt gehen", sagte ich bemüht gelassen und versuchte an ihnen vorbei zurück zur rettenden Menschenmenge zu gehen, die noch auf dem großen Platz war und jetzt viel zu weit weg schien.
Der Mann reagierte prompt auf meinen Fluchtversuch und stellte sich mir in den Weg, während die Frau mich grob am Arm griff.
"Hey!", rief Jeremy aus, während ich mich im gleichen Moment losriss und keine drei Sekunden später von ihm zurückgezogen wurde, so dass er nun schützend vor mir stand, "Was ist euer Problem?!" Er baute sich bedrohlich vor den beiden auf, jedoch bezweifelte ich stark, dass Jeremy so einem Muskelprotz lange standhalten konnte.
Unauffällig zog ich mein Handy hervor und tippte schnell eine SMS, jedoch kam ich nicht dazu sie abzuschicken, da in diesem Moment etwas neben mir auftauchte und schmerzhaft mein Handgelenk zur Seite riss.
"Das würde ich lassen", sagte eine weibliche Stimme kühl und ich erkannte Isobel, die mir mit ihrer freien Hand das Handy abnahm.
"Wer sind Sie?!", fragte Jeremy, der zu uns herumgefahren war, jedoch im gleichen Augenblick von dem Mann, dem er den Rücken zugekehrt hatte, niedergeschlagen wurde.
"Jeremy!", rief ich erschrocken aus, als er zu Boden fiel und sich nicht mehr rührte, ehe ich zu Isobel aufsah, "Was soll das?! Was wollen Sie?!" Die Schwarzhaarige lächelte nur leicht.
"Ich will die Erfindung. Und damit Elena und Damon motiviert genug sind, sie mir zu geben, brauche ich ein Druckmittel", erklärte sie gelassen, "Eigentlich hatte ich dafür Elenas kleinen Bruder im Sinn, aber du bist sogar noch besser geeignet." Mir wurde übel, als ich begriff, was sie vorhatte. Sie wollte mich als Geisel nehmen, um von Damon das Gilbert-Gerät zu erpressen. Das eine Gerät, das Vampire wie Damon vielleicht sogar töten konnte. Auch wenn wir nichts genaues über die Erfindung wussten, Jonathan Gilbert hatte nur Waffen gegen Vampire entwickelt. Und diese würde keine Ausnahme sein.
"Nein!", sagte ich kopfschüttelnd und versuchte mich aus ihrem Griff zu befreien, "Sie kriegen das Ding nicht! Niemals!"
"Das werden wir ja sehen." Ich sah noch Isobels unverändertes kühles Lächeln, ehe ich einen starken Schlag auf dem Kopf spürte und in endlose Dunkelheit fiel.
***
Dröhnende Kopfschmerzen. Das war alles, was ich spürte, als ich aufwachte. Das und starke Übelkeit. Ich stöhnte schmerzerfüllt auf und versuchte die Augen zu öffnen, was mir schließlich auch nach einer Weile gelang. Mit leicht verschwommenem Blick erkannte ich ein fremdes, spärlich eingerichtetes Zimmer. Außer ein paar Sesseln und dem Teppich, auf dem ich lag, war er komplett leer.
Isobel hatten nur mich mitgenommen? Hoffentlich war Jeremy nicht ernsthaft verletzt.
Ich richtete mich etwas auf und verzog das Gesicht als die Kopfschmerzen schlimmer wurden. Vorsichtig tastete ich meinen Hinterkopf ab, von wo der Schmerz ausging, als ich nasse Haarsträhnen spürte. Erschrocken zog ich meine Hand zurück und sah das Blut, das an meinen Fingerspitzen klebte.
"Klasse", murmelte ich, ehe mein Blick zur Tür glitt, die weit offen stand. Jedoch blickte ich direkt ins Gesicht des Muskelprotzes, der im Flur stand und mich eisern beobachtete.
Er musste ein Mensch sein, sonst hätte er wahrscheinlich längst eine Reaktion auf meine blutende Wunde gezeigt. Isobel hatte ihn bestimmt manipuliert, mich zu bewachen.
Mit wackeligen Beinen zog ich mich auf einen der Sessel hoch, während ich darauf wartete, dass der Schwindel nachließ.
Ich konnte keinen Fluchtversuch wagen, wenn ich nicht einmal geradeaus laufen konnte.
Aber zu lange durfte ich nicht warten. Ich konnte nicht zulassen, dass Damon nachgab und Isobel das Gerät übergab. Wenn ihm wegen mir etwas geschah, würde ich mir das nie verzeihen.
Entschlossen blickte ich mich um und suchte den Raum nach Fluchtmöglichkeiten ab. Es gab hier ein Fenster. Jedoch würde ich es unmöglich öffnen können, so lange dieser Mann mich im Blick hatte. Das zweite Problem war, dass ich nicht wusste, in welchem Stock ich mich befand. Am Ende würde ich in den Tod springen.
Kopfschüttelnd suchte ich weiter.
Sonst führte nur diese eine Tür aus dem Raum heraus. Und dort stand noch immer das Muskelpaket.
Verdammt.
Ich horchte auf, als ich plötzlich Stimmen aus dem Flur hörte, die stetig lauter wurden.
Ich erkannte, dass eine von ihnen Isobels war und auch die männliche Stimme kam mir bekannt vor, jedoch konnte ich sie noch nicht einordnen.
"'Wieso hast du mich dann herbestellt?'", fragte der Mann.
"'Weil ich das Nächstbeste habe'", erwiderte Isobel, als sie in diesem Moment das Zimmer betrat, gefolgt von...
"John?!", fragte ich ungläubig, als ich ihn erkannte und im gleichen Moment Wut in mir hochstieg. War ja klar, dass er da mit drinsteckte.
Jedoch musterte John Gilbert mich genauso ungläubig wie ich ihn, ehe er zu Isobel herumfuhr, die ihr übliches kühles Lächeln aufgesetzt hatte.
"'Was soll das werden?!'", fragte er aufgebracht und ich runzelte die Stirn.
"'So bekomme ich, was ich will'", antwortete Isobel schulterzuckend und ich blickte skeptisch zwischen den beiden hin und her. Zumindest schien er mit der Entführung nichts zu tun zu haben.
"Ja, aber sie ist mein Patenkind! Und du wirst sie augenblicklich gehen lassen!", sagte John verärgert und ich spürte wie mir der Mund aufklappte.
Bitte was? Ich war sein... Patenkind?!
Davon hatte man mir in meinen siebzehn Lebensjahren noch nie erzählt! Weder John noch irgendeiner aus meiner Familie! War das vielleicht ein Bluff? Aber was hätte das für einen Sinn?
"'Der kitschige Ring an deinem Finger... Der kommt runter'", riss mich Isobel aus meinem Gedankenwirrwarr und ich blickte zu dem großen Silberring an Johns Hand, der dem von Alaric zum Verwechseln ähnlich sah.
"'Ich bitte dich. Komm schon, Isobel, ich kenne dich doch!'", redete er auf sie ein, "'Okay? Ich bin's, John! Du kannst einem Kind nichts tun!'" Ich blickte wieder zu Isobel, die keinerlei Gefühlsregung zeigte.
"Du musst wissen, Vampire besitzen die Fähigkeit ihre Gefühle abzuschalten. Das heißt, jedes Gefühl, egal ob Liebe, Trauer, Wut, Reue oder Ärger, alles ist mit einem Schlag weg", schossen mir Lexis Worte durch den Kopf.
Genau das musste Isobel getan haben.
"'Ich töte sie und beweise dir das Gegenteil'", sagte sie, "So oder so hätten wir dann unser Ziel erreicht." Ich spürte wie Angst in mir hochkroch, doch ich verdrängte sie schnell. Von welchem Ziel sprach sie? Von der Erfindung? Aber mit meinem Tod würden sie es nie von Damon kriegen...
"'Wirklich? So weit ist es schon mit dir?!'", fragte John erschrocken und ich konnte nur den Kopf schütteln. Für jemanden, der Vampire um alles in der Welt vernichten wollte, wusste er erschreckend wenig über sie. Er würde nicht zu ihr durchdringen, egal wie sehr er sich bemühte.
"'Ich... Ich weiß ja, dass du dich verändert hast, okay?'", sprach John weiter, "'Aber die alte Isobel ist noch immer irgendwo da drin! Oder nicht? Komm schon. Lass sie bitte gehen!'" Bittend blickte er sie an.
"'Okay'", erwiderte Isobel da und misstrauisch sah ich zwischen den beiden hin und her. Diese Reaktion von ihr war viel zu schnell und plötzlich gekommen. Das konnte sie nie und nimmer ehrlich meinen.
Sie tätschelte Johns Schulter, welcher erleichtert nickte, ehe sie ihrem Lakaien irgendwas auf Französisch sagte. Dieser erwachte darauf aus seiner Starre und wandte den Blick von mir ab, ehe er in den Raum trat.
"Komm", sagte John zu mir und ich sah zu ihm auf, als er plötzlich genau wie Jeremy zuvor von dem Mann hinterrücks niedergeschlagen wurde. Erschrocken sprang ich auf und wich zurück, wobei ich mich an der Wand abstützen musste, um durch den Schwindel nicht zu fallen, während der Mann weiter auf John eintrat.
"'Okay'", sagte Isobel da schon fast sanft und der Mann ließ von John ab, der blutend nach Luft rang, ehe die Schwarzhaarige sich zu ihm hinunter beugte und ihm den Ring vom Finger zog, "'Netter Versuch. Mal sehen, was du ohne den anfängst.'" Damit stand sie auf und verließ den Raum, während ihr Lakai ihr folgte und die Tür hinter sich schloss. Ich hörte das Klicken der Türverriegelung und sofort schnellte mein Blick zum Fenster. Das war meine Chance!
Ich trat schwankend an die Scheibe heran und blickte nach draußen. Es wurde bereits dunkel, doch darauf achtete ich nicht. Wir waren im ersten Stock... Das könnte schwierig werden.
"Tu es nicht", kam es da warnend von John, der sich gerade vom Boden etwas aufrappelte, "Das ganze Haus ist alarmgesichert. Sie würden dich sofort erwischen" Seufzend wandte ich mich vom Fenster ab und ließ mich wieder auf den Sessel fallen, während ich nochmals vorsichtig meinen Hinterkopf abtastete. Musste das so wehtun?
"Alles okay?", hörte ich John besorgt fragen und überrascht sah ich ihn an. So eine Frage hatte ich ihn noch nie von ihm gehört. Seit wann interessierte er sich für andere?
"Mir geht's gut", sagte ich kühl, ehe mir seine Worte von eben wieder einfielen und ich skeptisch die Augen verengte, "Warum bezeichnest du mich als deine Patentochter?"
"Weil es so ist", antwortete er trocken und ich hob entsetzt die Augenbrauen.
"Und warum zur Hölle weiß ich davon nichts?"
"Sagen wir, dass ich deinem Vater vor siebzehn Jahren näherstand als heute", erklärte John schulterzuckend und setzte sich aufrecht hin, "Und dass, sollte deinen Eltern etwas zustoßen, sowieso erst einmal dein Onkel das Sorgerecht bekäme. Aber da du ja bald 18 wirst, spielt das ohnehin keine große Rolle mehr." Ich konnte nur den Kopf schütteln.
Das war die schlechteste Entscheidung, die meine Eltern je getroffen hatten. Ich würde tausend Mal lieber hunderte Kilometer weit weg nach Florida zu Onkel Mason ziehen, als nur einen Tag bei John zu bleiben.
Ich wurde aus den Gedanken gerissen, als ich plötzlich Schritte vor der Tür hörte, die aber schnell wieder leiser wurden.
"Was hat sie eigentlich vor?", fragte ich leise, als ich Johns unsicheren Blick bemerkte, "Was denn?"
"Ich weiß nicht, wie viel Damon dir erzählt hat...", sagte er langsam und ich hörte an seiner Stimme, dass er etwas ganz anderes meinte. Wie sehr Damon mich manipuliert hatte, das war seine eigentliche Frage.
"Ich weiß alles", antwortete ich verärgert, "Von Damon, von Vampiren und von dem blinden Hass des Gründerrates." Mir war bewusst, dass es nicht sehr schlau war, ihm das zu sagen, doch er hatte den Rat bisher auch nichts von Damons wahrer Identität erzählt, also konnte er ihnen auch nicht sagen, dass ich davon wusste.
"Unser Hass auf Vampire mag vieles sein, aber sicher nicht blind", sagte John und schien von meinen Worten nicht im Mindesten beeindruckt zu sein, "Nimmst du Eisenkraut?"
Ich unterdrückte es, die Augen zu verdrehen.
Er behandelte mich wie ein unwissendes Kind!
"Ich brauche es nicht. Ich bin immun gegen Manipulationen!", sagte ich genervt und war schon auf seinen Unglauben gefasst, jedoch schien John auch hier wenig überrascht.
"Stimmt, Isobel erwähnte etwas in der Richtung", sagte er leise und mein Geduldsfaden begann zu reißen. Er wusste doch genau, was ihr Plan war!
"Was will sie mit der Erfindung?", fragte ich, doch ehe John antworten konnte, sprach ich schon weiter, "Ich weiß, dass du sie schon von Damon wolltest, wahrscheinlich weil es eine Waffe gegen Vampire ist, aber warum sollte sie dir dabei helfen?"
"Es ist eine Waffe", sagte John nickend, "Mit ihr können wir ganz Mystic Falls von Vampiren befreien. Isobel hat das gleiche Ziel, auch wenn sie dafür ihre eigenen Gründe hat." Ich holte erschrocken Luft. Die Waffe konnte alle Vampire der Stadt umbringen? Dann war sie bedeutend gefährlicher als der Kompass, der lediglich Vampire enttarnte. Das war gar nicht gut.
"Wie genau funktioniert die Waffe?", fragte ich leise, doch John schien mich sofort zu durchschauen.
"Denkst du, das sage ich dir, damit du es Damon erzählen kannst?", erwiderte er kühl und ich schnaubte.
"Damon und Stefan sind nicht unsere Feinde", sagte ich kopfschüttelnd, "Nicht alle Vampire sind Monster!" Ich begegnete erneut Johns Blick, der mich nicht im Mindesten ernst nahm.
"Es gibt keine guten Vampire, Nathalie", sagte er in einem Ton, als müsste er einem Kleinkind erklären, dass Schlangen giftig waren, "Sie können den Anschein erwecken, durch ihr menschliches Aussehen, aber früher oder später schlagen sie zu. Du siehst es ja bei Isobel. Ich habe versucht, Menschlichkeit bei ihr zu finden. Doch dort ist keine, auch wenn sie es manchmal vortäuscht." Nun verdrehte ich doch die Augen. Er hatte absolut keine Ahnung!
"Vielleicht ist das bei Isobel so, doch bei Damon ist es anders. Und niemand wird mich vom Gegenteil überzeugen", sagte ich fest und ich sah wie Enttäuschung in Johns Gesicht trat, welche mich jedoch absolut kalt ließ.
"Was würden deine Eltern sagen, wenn sie wüssten, dass du mit einem Vampir zusammen bist?", fragte er leise und ich blickte ihn herausfordernd an. Sollte das eine Drohung sein?
"Meine Eltern haben nicht zu entscheiden mit wem ich zusammen bin."
"Vielleicht nicht. Aber als ihre Tochter sollte dir wichtig sein, was sie denken." Ich schwieg bei seinen Worten nur und wandte mich ab.
Es hatte keinen Sinn mit ihm zu diskutieren. Er war so in seinem Hass auf Vampire verbohrt, dass er keine andere Ansicht zuließ. Vor allem nicht meine, da ich in seinen Augen ein unwissendes Kind war.
Ich schüttelte den Kopf.
Ich wusste es besser.
***
Ich schreckte auf, als ich hörte wie eine Tür aufging und schlug verwirrt die Augen auf.
Ich befand mich in einem Auto auf dem Rücksitz.
Wie zum Teufel war ich hierher gekommen?
Verdammt, ich musste eingeschlafen sein! Vielleicht war ich auch ohnmächtig geworden, so sehr wie mein Kopf schmerzte.
"Aussteigen!", hörte ich eine tiefe Stimme und ich sah auf. Der Muskelprotz stand neben dem Wagen und hielt die Autotür auffordernd auf. Einen kurzen Moment zögerte ich, ehe ich vom Rücksitz rutschte und schwankend auf die Beine kam, während sich meine Umgebung schon wieder zu drehen begann. Wo waren wir?
Es war komplett dunkel, nur ein paar wenige Straßenlaternen spendeten Licht, so dass ich nicht viel erkennen konnte.
Jedoch kam ich auch gar nicht dazu, mich umzusehen, da mich der Mann grob am Arm packte und rücksichtslos mit sich zog.
"Hey!", rief ich aus, "Was-" Ich konnte nicht weitersprechen, da mit dieser plötzlichen Bewegung auch der Schwindel und die Kopfschmerzen mit voller Kraft zurückkehrten und ich meine Konzentration ganz aufs Laufen richten musste, um nicht hinzufallen.
Mein Kopf dröhnte furchtbar und hätte mich der Muskelprotz nicht festgehalten, wäre ich wohl schon längst zu Boden gefallen.
Tatsächlich stürzte ich sogar nach vorne, als wir urplötzlich anhielten, jedoch legte sich in diesem Moment ein Arm grob um meinen Hals und zog mich so wieder nach oben. Der Mann hielt mich erbarmungslos fest, als ich nach vorne blickte und endlich erkannte, wo wir waren.
Im Stadtpark von Mystic Falls.
"Wo ist Alie?", hörte ich da plötzlich jemanden fragen und unendliche Erleichterung durchflutete mich, als ich Elenas Stimme erkannte. Suchend blickte ich mich nach ihr um, doch wir standen, direkt hinter einem größeren Gebüsch, das mir die Sicht verwehrte.
"'Das ist keine Verhandlung'", hörte ich eine zweite Stimme aus der gleichen Richtung, "'Wo ist die Erfindung?'" Das war Isobel. Oh nein! Mit einem Mal begriff ich, wieso wir hier waren. Das war ein Austausch! Elena wollte Isobel die Erfindung geben!
"Wo ist Alie?!'", wiederholte Elena direkter, aber dennoch gefasst.
"'Glaubst du wirklich, dass ich allein gekommen bin?'", fragte Isobel kühl, als der Muskelprotz mich keinen Moment später mit sich zog und wir hinter dem Gebüsch hervortraten. Mein Blick war frei und suchend sah ich über den Platz, wo ich Isobel und Elena entdeckte. Letztere entdeckte mich ebenfalls und ich sah wie sie erleichtert aufatmete, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Isobel richtete.
"'Glaubst du wirklich, dass ich allein gekommen bin?'", fragte sie und genau wie Isobels Lakai, der noch immer hinter mir stand und mich im Würgegriff hielt, traten nun hinter Isobel zwei Gestalten hinter einer Böschung hervor. Ich erkannte Damon und Stefan und atmete nochmals erleichtert auf. Hoffentlich hatten sie einen Plan. Sie durften Isobel die Erfindung nicht einfach überlassen!
"'Du meine Güte'", sagte Isobel kopfschüttelnd, die den Brüdern einen Blick über die Schulter zugeworfen hatte, "Gib mir die Erfindung und ich lasse sie frei."
Elena runzelte die Stirn und blickte skeptisch zu mir.
"Du wolltest ihr nie ernsthaft etwas tun", sagte meine beste Freundin leise.
"'Nein... Ich wollte sie töten. Such nicht nach positiven Eigenschaften in mir. Ich habe keine'", erwiderte Isobel kalt.
"'Aber du bist ein Risiko eingegangen mit Damon! Woher wusstest du, dass er es mir geben würde?'", fragte Elena noch immer skeptisch.
"Weil er sie liebt, Elena", antwortete Isobel, als wäre es das Offensichtlichste der Welt und wie von allein wanderte mein Blick zu Damon, der mich ebenfalls besorgt musterte. Isobels Worte schossen durch meinen Kopf und ich war von mir selbst überrascht, wie sehr sie mich beschäftigten.
Damon liebte mich...
Dieser Satz klang so fremd. So ungewohnt.
Und ich wusste auch warum. Er hatte es seit wir uns kannten nicht einmal zu mir gesagt...
"'Danke'", riss mich Elenas Stimme aus den Gedanken und ich sah zu ihr. Sie hatte Isobel gerade die Erfindung in die Hand gedrückt. Sie übergab sie tatsächlich?!
"'Wofür?'", fragte Isobel nach, während sie das Gerät einsteckte.
"'Dafür, dass du so eine herbe Enttäuschung für mich bist'", antwortete Elena, "'So bleibt die Erinnerung an meine richtige Mutter absolut unversehrt.'" Diese harten Worte schienen Isobel wie erwartet absolut kalt zu lassen, da sie nur wieder lächelte.
"'Leb wohl, Elena'", sagte sie noch, ehe sie in vampirischer Geschwindigkeit verschwand und der Griff um meinen Hals plötzlich ebenfalls nachließ.
Jedoch wurde ich im gleichen Moment grob nach vorne gestoßen und ich verlor mein Gleichgewicht, so dass ich reflexartig die Augen schloss, auf den harten Aufprall gefasst.
Jedoch spürte ich stattdessen wie sich Arme um mich legten und ich aufgefangen wurde.
Verwirrt sah ich auf zu Damon, der mich festhielt. Natürlich hatte er mich aufgefangen.
"Danke", hauchte ich leise und schmiegte mich an ihn, während mein Kopf noch immer furchtbar dröhnte. Ich war so froh wieder in seinen Armen zu sein.
"Alie! Ist alles okay?", hörte ich Elena fragen und ich sah, wie sie gefolgt von Stefan neben uns trat.
"Ja, alles gut", sagte ich, "Wie geht's Jeremy? Ist er verletzt?" Er hatte ja ebenfalls einen Schlag auf den Kopf bekommen.
"Ja, nur eine Platzwunde", sagte Elena, was mich aufatmen ließ, "Ich habe ihn vorhin nach Hause gebracht."
Ich nickte erleichtert, ehe ich das Gesicht verzog, als Damon mein Haar etwas von der Wunde strich.
"Du blutest", sagte er leise und ich blickte zu ihm auf, "Ich bringe das Miststück um." Ich sah wie Wut in seine Augen trat und schüttelte schnell den Kopf.
"Mir geht's gut!", sagte ich beruhigend und legte meine Hände an seine Wangen, den Schwindel ignorierend, "Das wird schon wieder."
"Wir sollten dich trotzdem zu einem Arzt bringen", sagte Stefan, der genau wie Elena und Damon prüfend die Wunde beäugte.
"Oder ich gebe dir etwas Blut", fügte Damon hinzu und ich musste unweigerlich lächeln. Sie waren echt süß.
"Es geht schon. Wirklich!", sagte ich, als mir das riesige Problem wieder einfiel, dass wir jetzt hatten, "Könnt ihr mir verraten, warum ihr Isobel die Erfindung überlassen habt? Ich habe herausgefunden, dass sie mit John zusammenarbeitet. Er will sie benutzen, um alle Vampire in der Stadt zu töten. Es-" Ich wurde unterbrochen, als Damon einen Finger auf meine Lippen legte.
"Die Erfindung funktioniert nicht mehr", sagte er und verblüfft sah ich ihn an.
"Was?"
"Bonnie hat sie mit einem Zauber deaktiviert", erklärte Stefan und ich runzelte vollkommen ungläubig die Stirn. Bonnie hatte es deaktiviert? Wie war das möglich?
"Alle Erfindungen von Jonathan Gilbert waren Zauber von Emily", sagte Elena, die meinen Gesichtsausdruck wohl bemerkt hatte, "Ich habe Bonnie gebeten den Zauber von dieser Erfindung zu nehmen, damit wir dich retten können ohne Damon und Stefan zu gefährden."
"Das hat sie getan?", fragte ich leise, "Aber wieso?" Sie hatte doch klargestellt, dass sie mit Damon und Stefan nichts zu tun haben wollte. Also warum sollte sie ihnen helfen?
"Für dich und Elena", sagte Stefan und lächelte sanft, "Sie hat es für euch getan."
Mein Unglaube wich grenzenloser Erleichterung und eine riesige Last fiel von mir. Bonnie hatte das Gerät deaktiviert. Damon drohte keine Gefahr mehr!
"Oh Gott sei Dank", murmelte ich und lehnte mich an Damons Brust, "Ich habe mir solche Sorgen gemacht..."
"Musst du nicht", sagte Damon, der mich noch immer festhielt und nun sachte über meinen Rücken strich, "Das Gerät kann uns nichts anhaben." Ich nickte nur, ehe eine erneute Schmerzwelle durch meinen Kopf schoss und ich das Gesicht verzog.
"Alie?", hörte ich Elena besorgt fragen, "Sicher, dass alles okay ist?"
"Ja", sagte ich schnell, "Ich will einfach nur noch nach Hause." Sie nickte verständnisvoll.
"Ich fahre dich", sagte Damon und ich blickte ihn dankbar an.
"Ruf mich an, wenn du daheim bist", sagte Elena und ich nickte, ehe ihr noch kurz zu lächelte, bevor ich mich von Damon mitziehen ließ. Arm in Arm liefen wir Richtung Straße, wo ich sein Auto entdeckte.
"Sicher, dass du kein Blut brauchst?", fragte Damon als wir bei seinem Wagen ankamen und er mir die Beifahrertür aufhielt, was mich erneut lächeln ließ.
"Ja, das wird schon wieder. Mach dir keine Sorgen", sagte ich und er erwiderte mein Lächeln langsam. Ich stieg ins Auto ein und er schloss die Tür, ehe er keine zwei Sekunden später die Fahrerseite öffnete, um einzusteigen.
In dem Moment musste ich wieder an Isobels Worte denken und unwillkürlich legte ich die Stirn in Falten.
Ob es wohl einen Grund gab, dass er es nie zu mir gesagt hatte?
"Was ist?", fragte Damon, der meinen Gesichtsausdruck bemerkt hatte und ertappt sah ich zu ihm auf. Für einen Moment überlegte ich, ob ich es ansprechen sollte.
"Nichts. Alles gut", sagte ich dann jedoch, "Du kannst losfahren." Ich sah, wie er kurz skeptisch die Augenbrauen hob, ehe er es dabei beließ und den Motor startete.
Nein, ich würde nicht mit ihm darüber reden. Es war lächerlich und kindisch sich über sowas Gedanken zu machen. Er hatte mir seine Gefühle oft genug auf andere Art und Weise gezeigt. Warum also sollte ich darauf bestehen, dass er die magischen drei Worte aussprach?
Ich war mir auch so sicher, dass er mich liebte...
________________________________________________________________
Ich danke noch wie üblich meiner Lieblingsbetaleserin TheRealLoca für ihre Zeit und all meinen fleißigen Reviewschreibern, die mir immer so viel Motivation geben! Ich werde auch noch auf alle ausstehenden Kommentare antworten, die ihr mir hinterlassen habt, keine Sorge!
Bleibt gesund!
VLG
Lyana
Texte: Kathleen River
Cover: K. R. + L. D.
Lektorat: Lele Dezember
Übersetzung: Lele Dezember
Tag der Veröffentlichung: 16.04.2020
Alle Rechte vorbehalten