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Spielsucht - fast verloren

Der Absturz kam schnell und doch schleichend. Beinahe hätte Ulla alles verloren. Die Arbeit und  fast auch ihre Familie. Der Anfang vom Ende schlich sich ein. 

Sie ist selbständig, macht von zu Hause aus die Buchführung für einige kleinere Unternehmen. Das bedeutet an einigen Tage in der Woche volle Konzentration auf die Arbeit, auch am Wochenenden, wenn alles termingerecht fertig sein muss. An anderen Tagen war Leere. Und so aus dem beruflichen Stress gerissen, nicht vor dem Computer auf dem Schreibtisch, war der Haushalt meist auch keine echte Ablenkung. 

Ihre Tochter fing im letzten Jahr an, sich für Computerspiele zu interessieren. Ulla erlaubte ihr das ein oder andere Spiel denn sie ist der Meinung, dass das den Umgang mit dem Computer übt. Natürlich immer in der Zeit begrenzt, denn die Schule und Aktivitäten an der frischen Luft sollten nicht zu kurz kommen. Doch ohne, dass man heute einen Computer beherrscht, ist kaum noch eine ordentliche Hausaufgabe oder später eine vernünftige Arbeit möglich.

Eines Tages stöberten Ulla und ihre Tochter in einem Computerladen nach Spielen. Ullas Tochter brauchte dafür immer ziemlich lange, wägt ab, ob das Spiel interessant sein könnte und ob ihr Taschengeld dafür reichen würde. Auch Ulla sah sich um, um zu wissen, was es für Spiele gibt und welche für ihre Tochter von Wert sein könnten. Dabei fand sie eine DVD, die sie selbst interessierte. Sie enthielt harmlose Spielchen, in denen man aus vorgegeben Symbolen drei gleiche in eine Reihe bringen sollte, um die darunter liegenden Kacheln zu zerstören. Je besser man darin ist, desto schwieriger wird der nächste Level. Ein netter Pausenfüller und eine gute Konzentrationsübung, dachte Ulla. Sie kaufte das Spiel. 

Ein paar Tage später fiel es Ulla wieder ein. Gerade hatte sie die Buchhaltung für einen Kunden abgeschlossen und holte innerlich Luft, um sich auf die nächste Aufgabe vorzubereiten. Warum nicht jetzt das Spiel ausprobieren. Schnell war es installiert und die ersten Level gespielt. Es war relativ einfach und machte Spaß. 

Ulla vergaß die Zeit. Nach jedem gewonnen Level gab es eine Belohnung in Form eines neuen Hauses in einer virtuellen Stadt und neue Joker. Die Herausforderungen stiegen mit jeder Runde. Ulla wollte wissen, wie es weitergeht. Plötzlich stand ihre Tochter neben ihr. „Wo kommst du denn her?“ fragte Ulla sie unkonzentriert, denn sie war in das Spiel vertieft. „Aus der Schule. Was gibt es denn zu essen?“ antwortete sie. „Aus der Schule?“ Ulla löste ihren Blick vom Computerbildschirm und sah auf die Uhr. Tatschlich war es schon Mittag. Vor lauter spielen hatte sie die Zeit vergessen und sich nicht um das Mittagessen gekümmert. Schnell holte sie das nach. Nach dem Mittagessen schaffte sie es gerade noch rechtzeitig, die noch ausstehende Buchhaltung eines Kunden termingerecht zu erledigen. 

Am nächsten Morgen dachte Ulla, es könne ja nicht schaden, vor der Arbeit noch schnell einen Level zu spielen. Zwei Stunden später riss sie das Telefon aus dem Spiel. Erschrocken stellte Ulla fest, wie viel Zeit vergangen war. Doch sie konnte einfach nicht von dem Spiel lassen, wollte wissen, wie es weiter geht, wollte den nächsten Level knacken. Statt die durch das Telefonat angemahnte Buchhaltung fertig zu erledigen, spielte sie weiter. 

So schnell war Ulla mittendrin in der Spielsucht. Sie merkte es zwar irgendwie, doch sie wollte es nicht wahr haben. Immerhin verpasste sie selten, ihrer Tochter mittags etwas zu essen zuzubereiten. Doch Ulla schaffte ihre Arbeit nicht mehr. Zu sehr war sie in dem Spiel gefangen, zu wichtig war ihr, den nächsten Level zu erreichen, die Herausforderung zu meistern. Die ersten Kunden beschwerten sich, weil Ulla wichtige Termine nicht einhielt, dann wurden ihr Aufträge entzogen. Egal, die würden schon wiederkommen, dachte sie. Selbst abends, wenn ihr Mann zu Hause war und sie sonst immer darüber geredet hatten, wie ihr Tag verlaufen war, fand sie Ausreden und setzte sich an den Computer, um zu spielen.

Schließlich zogen immer mehr Kunden ihre Buchhaltungsaufträge zurück, weil Ulla sie ja sowieso nicht bearbeitete. Sie konnte die Raten für ihr Auto nicht mehr bezahlen und musste es zurück geben. Sie wurde Weltmeister darin, das alles vor ihrem Mann zu verbergen. Dass etwas nicht stimmt, merkte er natürlich. Schon daran, dass der einst so gepflegte Haushalt  immer mehr verwahrloste und ihre Tochter sich ständig beschwerte, dass Ulla keine Zeit mehr für sie hätte. 

Schließlich fand er die Wahrheit heraus. Und er stellte Ulla vor ein Ultimatum. Entweder sie höre auf zu spielen oder er geht und nimmt ihre Tochter mit. Ulla spielte weiter, bis er wenig später seine Sachen packte. Ulla strengte sich an, sich vom Computerbildschirm zu lösen. Und sie schaffte es. Sie ging zu ihrem Mann, warf sich in seine Arme und heulte nur noch.

Wie konnte es so weit kommen, dass sie tatsächlich spielsüchtig geworden ist. Ja, das gab sie nun sich gegenüber zu. Sie war süchtig. Ulla flehte ihren Mann an, zu bleiben und ihr zu helfen. Zu ihrem großen Glück war er bereit dazu. Sie redeten den ganzen Tag und die halbe Nacht. Und am nächsten Tag suchte Ulla eine Selbsthilfegruppe. 

Die Gruppe und ihre Familie haben sie vor dem endgültigen Absturz gerettet. Langsam kam Ulla auch ohne Computer zurecht, und nach einem halben Jahr konnte sie sogar wieder arbeiten, ohne an ein Spiel zu denken. Zum Glück kamen einige Kunden mit ihren Buchhaltungen zu ihr zurück und passten ihre Tochter und ihr Mann genau auf, dass sie nicht rückfällig wurde. Rückfällig, wegen eines ganz harmlosen kleinen Spielchens.

 

(Die Geschichte ist nicht authentisch ;))

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Tag der Veröffentlichung: 14.07.2015

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