Cover

-Inhalt-

Meine Geschichte war Namenlos. Namenlos, da ich dem Schrecken nie einen Namen gab. Sie war genauso Namenlos wie die Gesichter der Fremden die mir auf der Straße über den Weg liefen. Die ich nur auf Bedrohung oder keine Bedrohung einstufte. Namenlos wie meine Gefühle, die ich niemanden Mitteilte. So Namenlos wie ich war- dachte ich. Und doch gab es so viele denen ich etwas bedeutete. Also war in meiner Namenlosen Geschichte nicht ich Namenlos, sondern alles andere.

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Sie findet das ER ein Arschloch ist, wenn auch manchmal ein sehr verständnisvolles. ER hat alle Tribute die sie dazu verführen könnten sich in ihn zu verlieben. Ihn der nicht ruhen würde bis er alles wüsste. Und genau das ist das Problem. Ihre Verschwiegene Vergangenheit, ihre Probleme. Kann sie darauf vertrauen, dass er nicht geht, sie ihn nicht von sich stößt? Kann sie ihm alles anvertrauen ohne die Flucht vor sich selbst zu anzutreten. Könnte sie es schaffen jemanden wieder nahe an sich zu lassen?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

            **Ein Leben ohne Träume,

               ist wie ein Garten ohne Blumen.**          

                                       -deutsches Sprichwort      

 

Vorwort

 

Niemand will von einem Mädchen lesen, welches wirklich Schwäche zeigt. Nicht in einem Roman, der einen erheitern soll- möglichst mit einem Happy End. Leicht vergessen die Leute, dass unter der vermeintlich fröhlichen Oberfläche tiefe Traurigkeit verborgen sein kann. Es ist so schwer eine Balance zwischen Mut und Angst, Courage und Hoffnungslosigkeit und der tiefen Verzweiflung, die ich in meinem Buch beschreibe, zu vermitteln. Denn wenn Menschen hinter die Fassade eines anderen Menschen blicken, können sie die Schwäche der jeweiligen Person sehen. Denn ja, jedes Individuum hat seine Schwächen, jede eine Vergangenheit. Es ist schwer ein Bild zu zeichnen von einer Person die so mutig ist, dass sie ihren Ängsten ins Auge schaut und den Zweifeln und panischen Ängsten die diese Person in ihrem Innern quält.

Vom äußeren her mutig und fröhlich, manchmal aufgeschlossen, manchmal eingeschüchtert und doch bemüht ihre Ängste zu vergessen.

Ich kann mir vorstellen, dass manche Leser nicht verstehen, wie die Protagonistin in einem Moment Fröhlichkeit empfindet, um nur in einer unbedachten Bewegung zurück in die Starre der negativen Gefühle zu fallen.

In meinem Buch versuche ich zu veranschaulichen wie ein Konflikt, mit der eigenen Persönlichkeit und der Vergangenheit, einen Menschen unterschiedlich darstellen kann. Und wie die Problematik von Gewalt ein Leben beeinflussen kann.

Der geneigte Leser fängt vielleicht auch damit an zwischen den Zeilen zu lesen und hinter die Fassaden eines Menschen zu blicken.

*Ankunft*

 Er stieg aus dem Auto aus, hob grüßend die Hand und ließ die Beifahrertür zu fallen. Mit einem Hupen fuhr das Auto weg. Er schulterte seinen Seesack und lief los. Ließ sein bisheriges Leben hinter sich. 

Mit starren Blick blickte er zu dem Haus, das sich ihm in weiter ferne entgegenstreckte. Er blieb in Tordurchgang stehen, blickte starr auf die lange Allee, den riesigen Park der sich dahinter erschloss. Der vertraute Anblick ließ ihn kalt. Er verrückte sein Gepäck auf seiner Schulter und setze seinen Weg fort. Er schloss das Tor und machte sich auf zu einer Familie- seiner Familie. Sie war ihm fremd geworden. Jetzt wo so viele Frauen im Leben seiner Brüder platz gefunden hatten. Nicht Frauen die es früher immer gegeben hatte. Sondern Frauen die  blieben, nicht nur für eine Nacht. Er schüttelte sich. Was für ein schrecklicher Gedanke. Sie hatten ihm immer Briefe geschrieben. Briefe voller Gefühle, obwohl sie ihn nicht kannten. Er war ein Bastard, nicht nur im wortwörtlichen Sinne. Er hatte Leute umgebracht, weil es ihm befohlen wurde. Weil so ein Abschaum, wie die der Umgelegt hatte nicht wert waren auf dieser Erde zu wandeln. Er lachte bitter. Als ob er eine Berechtigung hätte das zu tun. An seinen Händen klebte Blut, nicht nur Blut von Vergewaltigen, Schlägern und irgendwelchen Kriminellen Diktatoren, sondern auch das Blut von Unschuldigen. Das einzige was ihn von einem gemeinen Mörder Unterschied, war die stattliche Erlaubnis. Und dieses Monster wollten diese Frauen bei sich aufnehmen. Freudig in eine Familie aufnehmen, die ihm fremd geworden war. Nichts lag ihm ferner als selbst so etwas zu gründen wie seine Brüder. Das hier war nur eine Zwischenstation. Ein weiterer Job,  den er auszuführen hatte - Professionell und erfolgreich. Er war nicht geschaffen für so ein zivilisierte Leben. Er kannte nur den Überlebensgrundsatz: Töte bevor du getötet wirst. Gehorchen oder stirb. Und wenn es an seiner Reihe war Befehle zu geben, diese unerbittlich durchzusetzen. Befremdlich für die, die in einem friedlichen Land lebten, ohne Probleme. Doch für ihn der einzige Weg den Gedanken zu entfliehen. Die Stimmen in seinem Kopf zum Schweigen zu bringen. Vor dem großen Anwesen blieb er stehen, besah sich die in voller Pracht stehenden Blüten. Er schüttelte den Kopf, das war beinahe zu viel des Guten. Es war viel zu friedlich für seinen Geschmack und das machte ihn nervös. Keine Kugeln und kein Lärm der die Ruhe  zerstörte. Mit einem letzten Blick zurück, zurück zu seiner vermeintlichen Freiheit, stieg er die Stufen hinauf und öffnete die Haustür.

 

*Es ist gut, so wie es ist*

6 Monate später:

 

Mein Lachen erklang wild und ungezwungen aus mir heraus und verirrte sich in der lagen Straßenschlucht, in der geschäftig wirkende Menschen an uns vorbeieilten. Gespielt böse stieß ich meinen Bruder an und er tat so als ob ich ihn völlig aus dem Gleichgewicht gebracht hätte, unmöglich in der Realität. Verspielt zog er mich in seine starken Arme und brachte mit einer Handbewegung meine Haare in Unordnung. Empört stieß ich ein kreischen aus, das von seinem tiefen Gelächter begleitet wurde. „Du mieser Bastard!“, stieß ich grinsend hervor. Ich machte mir eigentlich nichts daraus, da meine Haare schon zuvor durch den Wind verzaust waren. Er stellte mich wieder hin und ich taumelte, als ich mich plötzlich wieder auf eigenen Beinen wiederfand. Gespielt streng blickte er auf mich herunter und wedelte mir mit seinem Zeigefinger vor dem Gesicht herum. „Also bitte! Das kannst du doch nicht sagen, was würde den unsere Mutter von uns denken?“ Schmunzelnd hob ich einen Mundwinkel, bevor ich in seine amüsiert funkelnden Augen blickte und meinte: „Ich habe euch doch besser erzogen!“, und imitierte dabei meine Mutter perfekt und um es abzurunden  stemmte ich meine Hände in die Hüften und lies meinen rechten Fuß auf den Boden tippen. „Respekt!“, meinte Arman, gespielt bewundernd. „Das perfekte Schauspieler Talent!“ „Danke!“, meinte ich spöttisch. „Nimm dir nicht so viel raus, petite sœur!“ Ich biss mir auf die Unterlippe um mein Lachen aufzuhalten was mir schon in der Kehle saß. Er seufzte gespielt gequält auf. „Für was wurde ich gestraft um das zu verdienen.“ Schmollend schob ich meine Unterlippe vor und klimperte mit den Wimpern zu ihm hoch. „Na mach schon! Sieh zu das du dort pünktlich ankommst.“ Er blickte auf seine Uhr und runzelte die Stirn. Dann verbesserte er sich: „Na wenigsten halbwegs pünktlich solltest du ankommen,… für deine Verhältnisse!“ Genervt schnalzte ich mit der Zunge. „Ihr seid es doch die, die mir das pünktlich kommen erschweren!“ Ich entfernte mich ein paar Schritte, warf ihm eine Kusshand zu und rief: „Viel Spaß bei deinem Schäferstündchen!“ Er knurrte und verpasste mir einen Klaps auf den Hintern. „Hej, lass das nicht an mir aus!“ „Unverschämtes Weibsstück!“ Ich lachte noch mehr und entfernte mich. „Komm pünktlich nach Hause!“, befahl er mir und ich verdrehte die Augen, drehte mich ein letztes Mal zu ihm um und zeigte ihm meinen schönsten Finger. Dann erst machte mich auf den Weg zu meinen Freunden. Den letzten Satz den er sagte verstand ich schon lange nicht mehr. „Ich glaube wir haben sie komplett verzogen, viel zu sehr verwöhnt.“ Und mit diesen Worten wand er wichtigeren Dingen seine Aufmerksamkeit zu. Dinge die keinen Aufschub benötigten, heiße Dinge. Hungrig leckte er sich über die Lippen und die Vorfreude überlief ihn in heißen Wellen.

Beschwingt lief ich die Straßen hinunter. Ein Lächeln klebte auf meinen Lippen und eine Melodie summte in meinem Kopf herum. Ein  kleines Necken, mit einem Bruder am Morgen, vertreibt Kummer und Sorgen, dachte ich amüsiert. Na gut es war eigentlich schon Mittag. Der Wind pfiff durch die Häuserschluchten und ich zupfte meinen Schal wieder zu recht damit kein kalter Wind an meinen Hals kam. Ich nahm einen tiefen Atemzug und erschnupperte mit der Nase gen Windrichtung den Herbst. Etwas Kaltes hatte sich und den Duft mit eingeschlichen. Etwas kaltes reines, so roch es immer bevor es anfing zu schneien. Meine Wangen prickelten vor Kälte, doch da machte mir nichts aus, denn ich liebte dieses Wetter in London. Ich wurde langsamer als ich das Haus mit der roten Tür und den einladenden Tischen davor sah. An den Tischen saßen viele Menschen und innen wäre es auch sehr gut besucht, das wusste ich aus Erfahrung. Ich war nämlich ein Stammgast im besten Café Londons. Ich trat ein und das Bimmeln das einsetzte, als die Tür die Türklingel erreichte, kündigten mein Kommen an. „Bellissima!“, wurde ich von einer tiefen dröhnenden Stimme, mit hörbaren Italienischen Akzent begrüßt. Ein untersetzter Mann kam einem breiten Lächeln auf mich zu, in seiner Hand hielt er einen Bierkrug den er gerade abtrocknete. „Buongiorno Paolo!, erwiderte ich, bevor er mich in eine herzliche Umarmung zog. Der Duft aus Cappuccino, Schokoladenteig und Pasta umfing mich, ein mir mittlerweile sehr vertrauter Geruch, den ich nicht mehr missen wollte. Mit schweren Akzent rief er aus: „Du bist schon wieder zu spät! Avanti, kleines Mädchen!“ Ich lächelte und nickte. Ich beeile mich ja schon, Paolo!“ Ich löste mich aus seiner Umarmung und eilte an ihm vorbei in den hinteren Bereich, um von dort ins Treppenhaus zu gelangen. Ich lief die Treppen nach oben und klingelte an der Tür. Als sie sich öffnete erklang ein fröhliches Stimmengewirr und ein Lockiger Kopf mit strahlenden dunklen Augen streckte sich aus der Tür. „Chica!“, ertönte es erfreut und er zog mich hinein. „Du bist schon wieder nicht pünktlich.“ Ich schüttelte nur grinsend den Kopf.

 

*Pläne*

Angespannt lehnte er sich über dem Tisch mit die Lageplan, der aufzeigte wo sich die  vermeintlichen Kriminellen aufhielten. Es war nun 6 Monate her seit er sich mit der Mission beschäftigte. Sechs verfluchte Monate zu viel! Sechs Monate mit dem er sich mit diesen unausgebildeten Idioten auseinandersetzten musste. Die Zeit wurde verflucht knapp. Viel zu knapp für seinen Geschmack. Sein Boss hing ihm im Nacken, die Sache schneller voran zutreiben. Obwohl dieser genau wusste, dass durch Schnelligkeit Hektik entstand und durch Hektik Fehler. Erst letztens war es dazu gekommen, das einen Mission gescheitert war. Und jetzt wollte sein Boss Beweise, um den unschönen Fehler auszugleichen. Und das am liebsten Gestern. Es war nun dringend nötig einen Erfolg zu haben. Durch Verhöre herauszufinden was die Bastarde der Londoner Mafia dachten und planten. Er blickte angestrengt auf den Plan und ging sich gedanklich Taktiken durch, die er einzusetzen gedachte. Die Stimmen der andern vermischte sich zu einem Hintergrundgeräusch. Nicht wichtig genug um ihn zu interessieren. Es war immer die alte Leier, sie brachten ihm kein Input mehr ein. Wie vermisste er seine alten Mitstreiter. Männer, die wussten wie man agierte, wie man sich zu verhalten hatte. Jeden einzelnen hatte er den Rücken gestärkt. Zusammen hatten sie gekämpft und in unwegsamen Geländen überlebt, während Kugeln um ihre Ohren flogen. Diese Zeit hatte eine unlösliches Band geschmiedet, das sie zusammenhielt. Dem einzelnen vertraute er blind. Das statische Rauschen einer eingehenden Meldung ließ ihn aufhorchen: „Wir haben sie! Sie befinden sich in dem ausgespähten Gebäude!“ Mit einem abgehakten Geräusch endete die kurze Nachricht. Erwartungsvolle Anspannung machte sich im Raum breit. Es war an der Zeit zu handeln. Er erhob sich und ging auf den vergrößerten Viertels eines Stadtplans zu. Fordernd streckte er die Hand aus und das Sprechfunkgerät wurde ihm in die Hand gedrückt. Mit einem letzten Prüfenden Blick auf die Karte, drückte er den Knopf und stellte den Kontakt her. „Wie haben sie das Gebäude betreten?“ Nach einem Moment der Stille erklang das vertraute Knistern und eine dunkle Stimme erklang: „Über den Hintereingang. Im Zeitraum  einer halben Stunde haben sechs Männer das Gebäude betreten.“ „Irgendwelche neue Informationen?“ „Nein! Wir haben den Vordereingang auch im Blick. Bis jetzt ist die Lage ruhig.“ „Okay.“ Er ließ das Funkgerät sinken. Ein letzter Blick auf die Karte und er nickte entschlossen. „Wir werden das Haus umstellen! Die Gruppeneinheiten werden sich aufteilen. Die erste nimmt den Haupteingang, die andere den Nebeneingang. Den Rest  wird vonstatten gehen, wie wir es geplant haben.“  Ich wartete auf die Zustimmung. „Verstanden!“  Anderes hatte ich nicht erwartet. Sie hatten nicht die Stellung ihm zu widersprechen. Ich drehte mich zu ihnen um, sah ihre erregte Konzentration. Sie warteten nur darauf zu handeln. Ein letzter Mal sprach er in das Sprechfunkgerät: „Wir machen uns auf den Weg!“  Dann knurrte er: „Ihr wartet auf mein Kommando! Ich hoffe wir haben uns verstanden?“ "Positiv!" „Es geht los!“ Er fasste seine Kugelsichere Jacke. Man konnte nie vorsichtig genug sein. „Sollten wir nicht eine andere Meinung einholen?“ Die Stimme einer seiner Untergebenen war ein Hintergrundgeräusch in der Hektik die auftrat, als Stühle scharrten und nach der Ausrüstung gegriffen wurde. Er ignorierte ihn. Sie hatten keine Zeit mehr. Er musste handeln! Auf der Stelle.

 

 

Nach 20 Minuten erreichten sie das Gebäude. Es war ein typisches Londoner Stadthaus in dieser Gegend  mit einer roten Eingangstür und einem kleinem Italienischem Restaurant im Erdgeschoss. Kleine Tische mit Stühlen standen vor dem Restaurant, an vereinzelten Tischgruppen saßen Menschen, die sich trotz der Kälte rausgesetzt hatten. Einer seiner Leute verließ mit einem Kaffeebecher, die Gastronomie. Mit hochgezogenen Brauen blickte er ihm von seiner Position entgegen. Mit langsamen Schritten kamen auf ihn zu. „Ich durfte nicht auffallen!“, stieß der Mann hastig hervor. Seal blickte wieder zurück zum Restaurant. „Neuigkeiten?“ „Nein. Es ist alles wie  zuvor. Niemand ist auf uns aufmerksam geworden.“ „Kein Kontaktmann könnte sich im Restaurant beiden und Alarm schlagen?“, fragte er. Ein Kopfschütteln. Er nickte. „Gut! Ich denke wir können die Operation jetzt starten!“ Er führte seine Gruppe zum Nebeneingang. Längst war das Aufgebot von Uniformierten Kräften aufgefallen. Jetzt mussten sie schnell handeln. Sie traten durch die sich öffnende Tür, einer seiner Leute half dabei, und stürmten durch das Treppenhaus. Soweit ihm berichtet wurde, besaß das Haus keine anderen Ausgänge, als die die bewacht wurden. Aber man wusste nie. Ein Uniformierter zeigte auf die entsprechende Tür. Wartend  stellten sich vor die Tür und er trat diese ein. Mit vorgestreckten Pistolen stürmten sie den Raum. „An die Wand. Alle!“ Erschrocken hoben sich drei Männer und zwei Frauen von ihren Stühlen. Mit hochgehobenen Händen stellten sie sich an die Wand. Ein kurzer verwunderter Gedanke versuchte sich in seinen Gedanken zu formen. Doch er verdrängte diesen schnell. Nichts konnte gefährlicher werden als Konzentrationsfordernde Gedanken in einem gefährlichen und unpassenden Moment.

Mit weit aufgerissenen Augen starrte eine junge Frau mit dunkelblonden Locken, die Männer mit den Pistolen an, die auf sie gerichtet waren.

*Von Handschellen und Panikattacken*

„Sie sind beschuldigt Drogen zu verkaufen und zu pflanzen. Außerdem sind sie mit der Mafia im Bunde!“ Erschrocken starrte sie die Männer an. Groß und muskulös. Zu gefährlich. Dann erreichte sie der Sinn der Worte und sie schaute nervös und fragend zu den anderen. Wie kamen die Männer darauf?  „Sie haben das Recht zu schweigen!“ Zu schweigen? Wieso das denn? Wir hatten doch nichts getan!  Ein großer Typ mit schwarzen Haaren und stechend grauen Augen schritt auf uns zu. Seine Hand fuhr nach hinten und er zog Handschellen hervor. Mulmig schluckte ich schwer. Alles gut. Alles wird gut! Rief ich mir in Erinnerung. Jetzt setzten sich auch die restlichen Männer in Bewegung. Ich hörte das unkenntliche Klicken als die Handschellen einrasteten. Noch nicht bei mir, aber bald. Panik überkam mich in starken Wellen. Als der Cop mit den braunen Haaren seine Hand hob, blitzte das Metall im Licht auf.  Ich wurde unruhig und schob mich die Wand entlang. „Halt still!“ ich riss die Augen auf. Nein! Als sich eine Fessel um mein Handgelenk schloss, überrollte mich die Panik komplett. Jetzt fing ich an mich zu wehren. Ohne Mühe presste er mich mit seinen Händen an die Wand. Ich wand mich, während mir ein Wimmern entwich. Nicht jetzt, Oh Gott! Nein! „Nein!“, rief ich panisch. Doch sein Griff wurde fester und er legte mir die Handschellen komplett an. Ich traf ihn am Kinn, als ich meinen Kopf nach hinten warf. Fluchend ließ er mich los. Ich wich zurück. „Du Schlampe!“, schimpfte er laut und genervt. Meine Panik steigerte sich. Jetzt war er wütend. Und mich hatte das Leben gelehrt, davor auf der Hut zu sein. Als er eine Hand hob wimmerte ich schwach. Ach so schwach: „Nein, nicht schlagen!“ Ich blickte ihn mit grauen in den Augen an. Seine Augen glühten so unheimlich. Ich duckte mich. Währenddessen versuchte ich hektisch die Fesseln  loszubekommen.  Er griff nach mir. Ich wich weiter zurück und stieß an die Wand. Ich fühlte mich in die Enge getrieben und schutzlos. Die Fesseln ließen mich nicht wehren. „Lass sie in Ruhe!“ Durch seine Stimme verschlechterte sich meine Situation nur noch. Seine Stimme war so aggressiv. Er kam auf mich zu. Stechend graue Augen begutachteten mich. Zusammengekauert an der Wand, die gefesselten Arme schützend vor mein Gesicht gehoben. Einfach nur schwach! Stärke traf auf Schwäche. Ich zitterte, kalter Schweiß bildete sich auf meiner Haut.

 

 

 

 

 

 

*Freiheit!- oder auch nicht*

 

Es war ein kahler Raum. Er bestand aus grauen Wänden einen Tisch mit zwei  Stühlen und mit einem Mikrofon darauf. In der Ecke stand ein Spind artiger Schrank. Ansonsten war eine Seite vollkommen verglast. Ich schluckte. Aus Filmen wusste ich das auf der anderen Seite mich Menschen anschauen konnten. Wie ein seltsames Insekt unter einer Lupe. Unruhig ließ ich meinen Blick umherschweifen. Doch es gab nichts zu schauen. Sie hatten mir alles weggenommen. Als sei ich ein Schwerverbrecher. Es war so absurd, das mir ein Schauben entwich. Rasch besann ich mich wieder. Ich musste ihnen ja keine Show liefern, auch wenn ich nahe daran war hysterisch zu werden. Ich wusste nicht wie viel Uhr es war. Es hätten Stunden vergangen sein können, oder aber auch nur ein paar Minuten. Die Zeit dehnte sich in diesem stillen Raum. Er war zu still. Kein einziges Geräusch war zu vernehmen, was mir langsam wirklich unheimlich wurde. Ich hatte es lange vermieden in der Stille zu verbringen. Es waren immer Geräusche um mich herum gewesen. Sei es das Zwitschern der Vögel oder das Ticken eines Weckers. Es gab immer Geräusche, denn erst wenn es still wurde, war man in Gefahr. So war das in der Natur, so war das unter Menschen. Ich betrachtete meine Fingernägel- zum gefühlten hunderten Mal. Sie hatten keine schwarzen Ränder mehr, doch ein Nagel, meines Mittelfingers, war abgebrochen. Ich blickte wieder hoch und schaute Unverwandt zu der Spiegelnden Fläche. Ich verzog meine Lippen zu einem Schmollmund- ich sah aus wie eine Ente. Ich betrachtete mich in dem Spiegel. Lange dunkelblonde Locken fielen mir über die Schultern, blitzende grün- braune Augen blitzten mir entgegen. So waren sie eigentlich, doch nun blickten meine Augen gold- grünlich und meine schwarze Pupille glitzerte mir funkelten entgegen. Ich war wütend. Ich steigerte mich im meine Wut hinein, denn es war um längen besser, als das verlorenen Gefühl von Einsamkeit in diesem Raum. Verdammt noch mal! Ich hatte nichts getan, was rechtfertigte wieso ich hier war! Ich starrte grimmig blickend die Wand an und hoffte, dass sich die Polizisten dahinter unwohl fühlten. Ich betrachtete weiter mein Gesicht. Die hohen Wangenknochen, die blassen Haut und meine Lippen. Die Unterlippe war eindeutig voller, als die obere. Nur meine Gesichtszüge  zeigten einen leichten hauch dessen woher ich abstammte. Mein Vater war Marokkaner. Doch wenn ich mich im Spiegel betrachtete, war das nur ein schlechter Witz. Meine Mutter dagegen hatte so viele Europäische Wurzeln, dass man nicht wusste was man eigentlich war. Aber sie war Adlig, kein Wunder also, dass in ihrer Familie vielschichtig war. Irisch, Französisch, Deutsch und andere mehr, waren in ihren Wurzeln verankert. Ich hatte die kleine Größe meiner irischen Urgroßmutter und die hohen Wangenknochen der slawischen Abstammung her. Ich war schon als vieles bezeichnet worden. Als französische Gräfin oder typisches irisches Mädchen. Aber ich konnte das alles nicht in mir sehen. Ich war einfach nur ich. Und wenn ich wütend wurde ähnelte ich meiner Väterlichen Seite, vor allem in ihrem Temperament. Ich war nicht adoptiert, bei mir hatten sich einfach die helleren Farbtöne durchgesetzt. Bei meinen Geschwistern war es unterschiedlich. Ich dachte weiter darüber nach. Mein Vater stammte aus einer königlichen Familie ab. Sie hatten Konkubine gehabt- bestimmt. Und die waren meistens importiert, oder? Ich hatte mal erzählt bekommen, dass es nicht ungewöhnlich wäre auf einmal ein blondhaariges  Kind in den Armen zu halten. Ich runzelte irritiert die Stirn. Da hatte ich es, stille war für mich nicht gut. Solche Art von Gesprächen hatte ich so satt. Ich war so verärgert, dass ich dem Spiegel die Zunge rausstreckte.  Große Genugtuung überkam mich und ich musste grinsen. Hinter mir öffnete sich eine Tür und mein Lächeln fiel in sich zusammen. Zwei groß gewachsene Männer betraten den Raum. Ein kurzer Blick auf die muskulösen Körper reichte, damit ein Gefühl der Bedrohung mich langsam erfasste. Aber wenn ich ehrlich zu mir war. Es hätten auch nur Männer sein müssen, um mich nervös werden zu lassen. Mit festen Gang kamen sie in meine Richtung. Mein Blick huschte kurz in die Gesichter der Männer. Das stechend graue Augenpaar des einen Mannes ließ mich schnell wieder meinen Blick senken. Einer der Männer nickte beinahe beiläufig zu der Spiegelwand und drehte sich zu mir. Ich spürte den stechenden Blick und senkte den Kopf, blickte auf meine verschränkten Hände. Halbmondförmige Einkerbungen leuchteten mir grellrot entgegen. Schnell bedeckte ich sie. Ich hörte wie sich erst ein Stuhl und dann der zweite Stuhl bewegten, dann setzen sich die Männer mir gegenüber auf die Stühle. Stille erfasste wieder den Raum. Nicht so undurchdringlich wie zuvor, aber genauso unangenehm. Nein, im Moment war es eindeutig unangenehmer. Wo ich zuvor nur gemutmasst hatte, dass mich Menschen hinter dieser verfluchten Spiegelwand angeblickt hatten, herrschte nun eindeutige Gewissheit. Denn es war mehr als unangenehm von zwei stechenden Augenpaaren betrachtet zu werden. Vorsichtig hob ich wieder meinen Blick. Ich sah ein starke Hände die locker auf dem Tisch lagen, in einem gebräunten Hautton. Mein Blick wanderte hoch, über die ausgeprägten Schultern, hich zu dem strengen Gesicht. Ohne ihm in die Augen zu sehen, nahm ich die definierten Züge wahr und das dunkelbraune Haar das nur wenige Zentimeter lang war. Schnell blickte ich zu dem anderen Mann. Ich wollte nicht den Eindruck hinterlassen ich würde sie anstarren. Er saß locker auf seinem Stuhl, die Arme leicht verschränkt und beobachtete Abwesend die Uhr. Aber ich ließ mich nicht täuschen. Ich spürte die Messerscharfe Intelligenz und seine Aufmerksamkeit, auch wenn er mich nicht anblickte. Langsam blickte ich hoch. Sah seinen unbedeckten Hals. Sein Hautton war dunkler. Er war nicht sonnengebräunt wie es bei dem anderen Mann der Fall war, sondern sah wie seine natürlich Hautfarbe aus. Eindeutig südlicher Herkunft, beinahe vertraut. Ich blickte auf sein ausdrucksstarkes Profil und die schwarzen Haare des Mannes. Sie waren sehr kurz, hatten beinahe etwas militärhaftes. Auch zierte ihn ein leichter Bartwuchs, auch wenn dieser eher nachlässig wirkte. Wie als hätte er nur abgewartet, dass ich mit meiner Inspektion fertig sein, drehte er mir sein Gesicht zu. Die Wucht seiner geballten Aufmerksamkeit, ließ mich fast unmerklich zusammenzucken. Ich senkte den Blick wieder auf meine Hände.

 

"10. Oktober diesen Jahres. Befragung der Verdächtigen Mayala Eleonore Azzam, geboren am 6. April 199- , im Besitz die doppelte Staatsbürgerschaft der Bundesrepublik Deutschland und des Königreich Marokkos, al-maghrib. Im Hinblick auf die Festnahme am heutigen Tage: Sie ist beschuldigt in illegale Geschäfte verwickelt zu sein, unter anderem des Drogenhandels im großen Ausmaß. Möchten Sie dazu Aussagen. Sie wurden über ihre Rechte aufgeklärt?" ein umerkliches Nicken. "Laut antworten es muss aufgenommen werden!" Sie schwieg. Er drehte ihr das Mikrophon wieder hin und lehnte sich zurück. Er betrachtete die junge Frau vor sich. Sie blickte auf den Tisch und betrachtet interessiert das Muster. Das kam ihm irgendwie bekannt vor, aber in dieser Situation interessiert es ihn nicht.  Nach 10 Minuten des Schweigens, er betrachtete Sehnsüchtig sie Uhr über der Tür, hatte er genug. Das hier war nicht seine verfickte Aufgabe. Das war ein kleiner Fisch, wenn überhaupt! Er hatte wichtigeres zu tun, als das hier. Aber wenn er das zu einem Ende brachte, wäre er diese lästige Aufgabe los. Noch immer schwieg sie. Es machte ihm wahnsinnig! Er brauchte antworten und sie schwieg beharrlich. Er blickte zu seinem Bruder, der entnervt den Kopf schüttelte. „Was hattest du mir den Menschen zu schaffen?“ Sie murmelte etwas in einer fremden Sprache. Irritiert runzelte er die Stirn. „Wir brauchen die Antworten! Sieh mich an, wenn ich mit dir spreche!“ Sie zuckte zusammen und hob dann langsam den Blick. Und dann sagte sie das erste Mal etwas, seit sie in diesem Raum waren. „Ich muss Ihnen nichts erzählen. Und seinen Sie ruhig mal Freundlicher!“ Verblüfft starrte er sie an. Doch schnell hatte er die Maske, die nichts verriet, wiederaufgelegt. Ihre Augen schlossen sich gequält und sie sagte in der gleichen Fremden Sprache noch etwas. Sie fing an zu zittern. Er blickte wieder zu seinem Bruder. „Das bringt nichts. Sieh sie dir doch nur an!“ Als sie mit ihm gesprochen hatte, lag eine beinahe perfekte Maske auf ihrem Gesicht. Ihre Mimik war komplett perfekt kontrolliert gewesen. Aber wie gesagt sie war nur beinahe perfekt. Und er war darauf geschult die echten Emotionen ans Licht zu holen. Genau wie sein Bruder. „Verdammter Dimitri“, zischte er aufgebracht. Er hatte sie komplett verstört. Er erhob sich abrupt. Sie kauerte sich auf ihrem Stuhl zusammen. Dann blickte sie fest in seine Augen und sagte: „Ich möchte mit dem Chef dieser Einheit reden! Er spricht meine Sprache und außerdem hat er die Selbe Nationalität wie ich!“ Sein Blick wurde streng. Sie versuchte seinem Blick nicht auszuweichen, aber sie hatte keine Chance. Eingeschüchtert fügte sie hinzu: „Bitte!“ „Woher weißt du das?“, fragte er in einem nicht minder strengen Ton. Sie presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen und blickte wieder auf den Tisch. Er packte ihr Kinn. „Ich hatte dir gesagt das du mich anschauen sollst, wenn ich mit dir rede!“ Sie schwieg. Ihre Augen blickten nicht in seine Richtung.  Angestrengt versuchte sie nicht in seine Augen zu blicken. Er blickte zu dem Beobachtungsglas und sagte: „Holt ihn her!“ Er blickte zu John, der ihn mahnend anblickte. Ja, er wusste, dass er sich zusammenreißen musste. Aber seine Geduld war schon länger überstrapaziert. Er hasste es auf die Befehle anderer zu hören, die nicht dominanter waren als er. Bei seinen Brüdern hatte er keine Schwierigkeiten damit, auch nicht in seiner früheren Militärischen Laufbahn. Aber bei einem Sekretär Typen, der glaubte über ihm zu stehen, war bei ihm das Ende der Toleranz erreicht. Er schnaubte wütend. Sein Bruder hatte sich nicht an der Befragung teilgenommen, weil es sein Job war. Die Tür öffnete sich erneut und ein dicklicher Mann kam in den Raum gehetzt. Sein Haar war ergraut und nicht mehr so voll wie zu früheren Zeiten. Er schnaufte angestrengt. „Sie haben nach mir rufen lassen?“, fragte er außer Atem. Seal nickte zu der jungen Frau hin.

 

„Also. weshalb  haben Sie nach mir gefragt?“ Ich seufzte erleichtert auf. Er sprach Deutsch, aber das war nicht der einzige Grund, weshalb ich nach ihm gerufen hatte. Er schuldete ein paar meiner Brüder einen gefallen, als sie ihm mehrmals geholfen hatten. „Diese rabiaten Kerle haben mich einfach in Ketten gelegt und hier her verfrachtet. Ich weiß noch nicht einmal wie sie auf diese unmögliche Idee gekommen sind, dass wir was mit Drogen am Hut hätten.“ Ich schnaubte entrüstet. „Ist ihnen klar wie meine Brüder darauf reagieren werden?“ Der ältere Mann erbleichte. „Ich habe nichts mit den mir vorgeworfenen Delikten zu tun!“ Ich sah ihn flehend an. „Es tut mir Leid, Miss!“ Ein Handy klingelte und er klappte seinen Mund zu. Er ging an sein Handy. Mit zusammengezogenen Augenbrauen nickte er zu dem gesagten des Anrufers mit. Eine verzerrte Stimme tönte durch das kleine Hörgerät. Dann legte er auf. Schlecht gelaunt fuhr er die beiden weitern Männer im Raum an. „Raus mit euch. Folgt mir!“

Nervös knetete ich meine Hände. Jetzt war mir es komplett egal wer mich dabei beobachtete. Ich wollte hier nur noch raus und ich hoffte das durch die Erwähnung meiner Brüder, der Mann sich beeinflussen ließ- ich hoffte es zu mindestens.  Mein Blick schweifte zur Tür. Ich knabberte an meiner Lippe, eine schlechte Angewohnheit von mir.  Wo blieben sie denn? Ich hörte  erregte Stimmen an der Tür, dann öffnete sie sich mit einer Heftigkeit die mich zurückzucken ließ. Gott, Mädchen  reiß dich zusammen, dachte ich genervt. Herein stürmte der Chef der Einheit mit hoch rotem Gesicht, der meinem Blick auswich. Ein mulmiges Gefühl beschlich mich. „Was ist denn?“ Als sich der Polizist der mich verhört hatte  mich unbewegt anblickte und dann den rundlichem Kerl verächtlich mit den Worten: „Los sagen sie es schon!“  anfuhr, wusste ich das mein ersehntes Ende doch kein Ende sein würde. Zu mindestens, dass es nicht so ein Ende haben würde wie ich es mir erhoffte. Ein böser Blick traf den grauäugigen. Der Chef, dessen Name mir gerade einfiel trat auf mich zu. Er hieß Michael so und so. Er ergriff meine Hand. Seine Hand zitterte und sein Blick flatterte. „Kleines, es tut mir leid, dass sie dich mitgenommen haben.“, er lächelte beruhigend. „Sie hatten falsche Informationen!“ Vielleicht hatte mich diesmal mein Gefühl getäuscht. „Die Leute die sie gesucht hatten befanden sich einen Raum weiter!“ Glucksendes Lachen stieg  aus meinen tiefen, doch ein Blick zu dem Schwarzhaarigen und das Lachen gefror mir auf den Lippen. Schnell senkte ich meinen Blick. Michael hatte scheinbar meinen Stimmungsumschwung bemerkt, denn er lächelte mich warm an. Er meinte es ernst! „Aber in einer Sache haben sie sich nicht geirrt-„ Das gesagte sackte in mich und ich hielt den Atem an. „ Einer der Männer im Raum- Lucas Montgomery gehörte dennoch zu der Gruppe, derer wir euch beschuldigt hatten.“ Ich legte meinen Kopf schief und fragte: „Und was hat das mir zu tun?“ „Es besteht jetzt die Möglichkeit, dass sie hinter euch her sind.“ „Ich verstehe nicht?“, fragte ich. „Ich habe doch damit nichts zu tun!“ „Sie könnten annehmen, dass du etwas mit seiner Verhaftung zu tun hat.“ Ich runzelte die Stirn. „Aber ich habe nichts damit zu tun!“, protestierte ich verwirrt. „Weil wir uns nicht sicher sind ob sie es wissen, werden wir dich unter unseren Schutz stellen. Du wirst mit Detectiv Seal  gehen und bei ihm bleiben, bis sich die ganze Sache erledigt hat. Wir werden kein unnötiges Risiko eingehen!“ Mir entwich alles Blut aus den Wangen und ich starrte, voller Horror, denn schwarzhaarigen Rachengel an. „Michael!“, meine Stimme überschlug sich vor Grauen und es war mir sowas von egal. „Meine Brüder können auf mich achtgeben oder jemand anderes, aber nicht er!“ „Nein er wird es tun! Er hat sich falsch benommen und er muss beweisen wie erst es ihm ist, hier bei uns zu arbeiten.“ „Das ist nicht dein ernst!“, meine Stimme klang fast hysterisch. Ich drückte mir die  Nägel in die Handflächen um mich wieder ein zubekommen. „Nur, weil er einen Fehler begangen hat, muss ich dafür bezahlen?!“ Ich sprang auf, meine Schüchternheit fremden Gegenüber verflog in meinem Entsetzen. „Bitte Michael! Vergiss deinen Groll ihm gegenüber und tu mir das nicht an!“ Ich verlegte mich auf das Betteln. Für das Schmeicheln hatte ich keine Nerven mehr übrig. Bittend legte ich meine Hände auf seine. Meine eiskalten Hände fühlten sich seltsam auf seinen warmen an. "Mayala er ist nur auf dem ersten Blick so unleidig. Er ist gefrustet und außerdem ist es der beste Mann auf dem Revier, er wird dich gut beschützen können!“ Alle Kraft wich aus meinen Körper und ich sackte zusammen. Hätte Michael nicht so schnell auf die neue Situation reagiert, befände ich mich nun auf dem Boden. Doch so hing ich in seinem Griff während ich ihn flehend anblickte. Michael wand einfach nur seinen Blick ab, nicht im Stande ihm standzuhalten. Vor Verzweiflung füllten sich meine Augen mit Tränen und ich schluckte Hart, um den aufkommenden Kloß in meiner Kehle zu umgehen. „Ich verstehe!“, murmelte ich nicht im Stande meine Enttäuschung zu verbergen. „Ich schulde das deinen Brüdern!“, fügte er erklärend hinzu. Ich trat ein paar Schritte zurück. Nein! Wieso immer ich? Ich straffte meine Schultern. Wenn er glaubte ich würde bei dem grimmig blickenden Detective bleiben hatte er sich geschnitten! Ich trat zur Tür und blickte Michael auffordernd an.

 

Als mir McKenzie  eröffnet hatte, ich solle mich um  die kleine unschuldige Gefangene, nur um seinen Worten zu sprechen, kümmern, kochte ich vor Wut. Doch das hatte er geflissentlich übersehen. Er hatte großspurig am Ende des Telefonates verkündet, das wir den falschen Raum durchsucht hatten. Da kümmerte man sich einmal nicht genau ob die Aussagen der Anderen stimmten und dann passierte das! Es waren alles nur Stümper. Ich blickte von meinen Aussichtspunkt auf die widerspenstige Gefangene, wären wir nicht hier hätten wir schon alles Notwendige aus ihr herausgeholt und  unter der Voraussetzung, dass Dimitri sie nicht verängstigt hätte. Ich schob meine Verärgerung, die mich wie klebriger Honig umfangen hielt, weg. Die Kleine konnte nichts dafür, auch wenn sie der Grund war weshalb meine Verärgerung ihren Höhepunkt erreicht hatte. Sie sprach mit McKenzie, während sie mir immer wieder verängstigte Blicke zuwarf. Als sie mich wieder anblickte hielt ich ihren Blick in meinen Gefangenen und erblickte pure Panik. Ich verspürte ein schlechtes Gewissen. Ich hatte schon zuvor bemerkt wie rüde Dimitri mit ihr umgegangen war und ich hatte sie danach auch noch nicht besser befragt. Als sie in McKenzies  Griff sackte, stieß ich mich von der Wand ab, bereit einzuschreiten. Doch sie fing sich wieder und blickte mich mit Tränen in den Augen an, die sie schnell hinter ihren gesenkten Liedern verbarg. Würde sie zu mir gehören, würde sie ihre Tränen nicht verstecken müssen. Unwillig schüttelte ich den Kopf. Was ging mich das an? Ich lief den beiden hinterher. Man musste kein Meister in der Körpersprache sein um zu sehen wie wenig ihr der Gedanke gefiel, mit mir zu kommen.  Doch dem müsste sie sich unterordnen, denn es war egal was sie in diese Situation dachte. Hier ging ihre Sicherheit vor, auch wenn sie dem scheinbar nicht zustimmte. Ich beobachtete sie, wie sie mit einer Grazie und Anmut vor McKenzie schritt, die Schultern aufgerichtet, während von Zeit zu Zeit ihr Kopf nach unten sackte. Aber es war nur ein unmerkliches einsacken, dass sie wieder schnell im Griff hatte. Mitleidig bedachte ich sie mit meinem Blick, dort wo ich wohnte würde sie ausgefragt werden, ob sie wollte oder nicht und wenn sie sich so benahm wie bei der Befragung, wäre es für sie kein Zuckerschlecken. Plötzlich blieb sie stehen und bedachte McKenzie und mich mit einem flehenden Blick. Sie redete auf Englisch mit uns und das gesagte zeigte mir, das sie hoffte dadurch ließe ich mich erweichen. Falsch Gedacht, Süße. „Er will es doch auch nicht! Bitte kann ich nicht zu jemand anderes? Bitte?!“ Ihre Augen bettelten mich förmlich an ihr zuzustimmen. Doch damit erreichte  sie nur, dass sie mein Interesse schürte. Sie musste irgendetwas in meinem Blick erkannt haben, denn sie wand ihren Blick an. Als auch McKenzie den Kopf schüttelte biss sie sich auf die Unterlippe und schaute mich hoffnungslos an. Es versetzte mir einen Stich und mein Beschützerinstinkt meldet sich scharf zu Wort. Doch dann drehte sie sich von uns weg und rannte, als ob ihr Leben davon abhing. Ich fluchte und folgte ihr. Musste das wirklich sein? Ich hatte weiß Gott besseres zu tun. Und dazu gehörte nicht einem kleinem Mädchen hinter her zu jagen.

 

Schneller, schneller! Ich rannte so schnell wie noch nie in meinem Leben, während die Panik mich fest in ihrem Griff hielt. Ich konnte nicht bei diesem Mann  bleiben, der den Anschein hatte zu Wissen wie es in mir aussah. Ein Blick in seine Augen, hatte mir seine Unbarmherzigkeit und den Beschützerinstinkt gezeigt, die darin loderten. Das Versprechen auf Schmerzen, falls den Seinen, Unrecht geschehe. Und sie hatten auch versprochen, alles Verborgene ans Licht zu holen. Und das hatte mich erst in Panik geraten lassen, denn es ging ihn nichts an. Doch beharrte mein Instinkt darauf, dass ihm egal sein würde, würde ich mich weigern es ihm zu erzählen. Er würde es trotzdem rausfinden. Und so rannte ich schneller und schneller und ignorierte dabei die erstaunten Blicke. Ich hörte  wie er auf holte, während mir das Blut in den Ohren rauschte und die Luft in meinen Lungen brannte. Die Panik hatte mich einfach losstürzen lassen ohne darauf zu achten normal zu Atmen während ich rannte. Aber sie beflügelte mich, aus Angst, dass er mich wieder einfing. Ich stieß die Eingangstür auf und blickte mich hektisch um.  Der Straßenlärm überrollte mich, nach der gedämpften Stille im Polizeipräsidium. Doch darauf konnte ich keine Rücksicht nehmen. Ein Krankenwagen fuhr sie Straße entlang und seine Sirene, die anfänglich in meinen Ohren gedröhnt hatte, wurde langsam leiser. Es war dunkel, doch die Straßenlampen tauchten  alles in eine taghelle Atmosphäre. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass meine Tasche noch in Aufbewahrung war und ohne sie war ich aufgeschmissen, denn so hatte ich kein Geld und auch keinen Schlüssel. Wo sollte ich jetzt hin? Das Adrenalin das mich zuvor aufgeputscht hatte verflog und ich ließ mich wie ein Häuflein Elend auf die Treppenstufen sinken, es hatte sowieso keinen Sinn! Hinter mir öffnete sich die Tür und Schritte kündigten sein kommen an. Er blieb hinter mir stehen und ich fühlte seinen betrachtenden Blick. Seine Stimme war tief und beruhigend, als er mit mir sprach. „Komm Kleines, vergessen wir den Vorfall und du kommst jetzt schön brav mit, ohne dich weiterhin im Aufstand zu üben.“ Ich erhob mich, zu erschöpft von den Vorfällen des Tages, um zu protestieren. Als ich schwankte stützte er mich und ich war zu erschöpft um mich seiner Berührung zu entziehen. Und er roch so gut! Ich atmete tief ein und lehnte meinen Kopf an seine Schulter. Das war seltsam für mich, denn ich mochte keine Berührungen von Fremden. Aber er strahlte eine Aura von Schutz, Männlichkeit und Dominanz aus die mich beruhigte.

 

*Seal- oder der Mann mit den vielen Regeln*

 

Er führte mich zu seinem Wagen, einem altenliebevoll gepfelgten Wagen. Er öffnete für mich die Autotür und ich setzte mich hinein. Wärme und der Geruch von Leder umfing mich, ein vertrauter Geruch. Ein plötzlicher Schwall kalter Luft füllte den Innenraum des Autos. Seal stieg ein und schloss die Tür. Fröstelnd umfasste ich meine  Tasche fester schmiegte mich an sie. Mit geübten Bewegungen schnallte er sich an und blickte aus der Windschutzscheibe. Ich senkte meinen Blick und kauerte mich an  die Innentür und wartete, dass er losfuhr. Als nach ein paar Minuten nichts passiert hob ich meinen Blick und atmete unbewusste viel Luft ein, als ich seinen musternden Blick bemerkte. Sein Geruch flutete meine Nase und er roch so gut, so angenehm, nicht überladen von irgendwelchen Duftstoffen, einfach nur nach Mann. "Du solltest dich anschnallen!", kommentierte er trocken. Ich nickte hastig, senkte den Blick und schnallte mich an. Das einrastende Klicken weiß ihn schließlich Seufzen und der Zündschlüssel wurde gedreht, dann fuhr er los. Das Brummen des Motors und die Bewegungen des Autos machten mich schläfrig. Normalerweise schlief ich im Auto, wenn ich nicht gerade fuhr, doch jetzt konnte ich es mir nicht erlauben. Dennoch konnte ich mich nicht dagegen wehren, dass ich eindöste. Mein Kopf sank gegen die Scheibe, als die Kälte die sich in meiner Kleidung festgesetzt hatte sich langsam verflüchtigte  und aus meinen Gliedern verschwand. Nur manchmal nahm ich Lichter wahr die an uns vorbeihuschten und die gedämpften Lichter der Schalter des Autos. Und auch der nachdenkliche Blick von meinem Fahrer konnte mich nicht davon abhalten langsam weg zu dämmern, langsam aber sicher in die dunklen sanften Arme des Vergessens zu driften.

Ich schreckte auf, als die Fahrspur sich veränderte und man das Geräusch von Kies unter Reifen hörte. Ich öffnete schläfrig meine  Augen und nahm in der Dunkelheit nur Bäume wahr, dann blickte ich auf die Zeitanzeige: 16:55. Eigentlich zu früh zum Schlafen, aber jetzt im späten Herbst wurde es viel zu schnell dunkel und die Erlebnisse hatten mich ausgelaugt. Vorsichtig blickte ich zu dem Mann um. Schweigend und konzentriert wechselte  er den Gang, in einer Selbstverständlichkeit die mich tief in meinem Inneren beruhigte. Ich rieb mir die Augen und lehnte mich wieder an die Seitenscheibe. Mit einem Knirschen stoppte der Wagen und er stieg aus. Ich blieb sitzen, zu müde um zu wissen was ich jetzt tun sollte. Die Entscheidung nahm er mir ab, als er die Beifahrertür öffnete. Mit einem erschreckten Aufschrei sackte ich der nachgebenden Tür hinter her und wurde von starken Armen aufgefangen. Unwillkürlich versteifte ich mich und er ließ mich langsam los und setzte sich in Bewegung. Unbehaglich folgte ich ihm zu dem Anwesen, den es war groß. Plötzlich fragte ich mich ob er alleine wohnte. Leise  fragte ich: „Wohnst du alleine hier?“ Sein Lachen war rau und sarkastisch und als er mir endlich antwortete, wusste ich, dass es die schlechteste Idee war hier zu sein. „Ich wohne hier mit meinen drei Brüdern und ihren Frauen. Einen meiner Brüder kennst du schon, er war bei deiner Befragung dabei!“ Ich erstarrte. Waren dann alle seine Brüder so bestimmend? Ich drehte mich um. Er musste wohl den Kies unter meinen Schuhen gehört haben, denn er drehte sich zu mir um. „Es tut mir leid!“, murmelte ich resigniert. „Ich wollte die keine Probleme bereiten und euch ganz sicher nicht zu Last fallen. Ich…“ Als ich ihn anblickte stieß ich hastig hervor: „Ich gehe dann mal.“ Sein zuvor schon finsteres Gesicht wurde ausdruckslos und seine Augen nahmen einen strengen Zug an. Ich wusste aus Erfahrung, dass Männer nicht gut darauf reagierten, wenn man ihren Schutz nicht annahm, aber ich konnte einfach hier nicht bleiben. Als er einen Schritt auf mich zu kam machte ich unwillkürlich einen Schritt zurück. Sein Blick war genervt und seine Stimme schroff, als er einfach meinen Ellenbogen nahm und mich mit sich zerrte. „Ich weiß nicht was in deinem hübschen Köpfchen vorgeht.“, grollte er. „Aber ich habe die Verantwortung dich zu beschützen und du machst es mir nicht leicht!“ Ich hatte Mühe seinen großen Schritten zu folgen. „Hör zu Püppchen! Wenn es dir noch nicht bewusst ist: du schwebst vielleicht in sehr großer Gefahr die du unterschätzt.“ Vielleicht war es der Tonfall, der herablassend klang oder das Wort Püppchen, wie dem auch sei das ließ mich die Hacken in die Boden stemmen und mich seinem Griff entziehen. Doch er packte einfach nur mein Kinn und sagte: „Weißt du kleines, ich hatte einen echt miesen Tag und ich werde es nicht noch einmal dulden dass du dich meinen Anweisungen wiedersetzt! Hast du mich verstanden! Und es kann echt ungemütlich werden, wenn du so weitermachst. Ich habe die Anweisung dich zu Beschützen und das bedeutet für dich erstens: das du mir gehorchst. Und zweitens mich nicht nervst!“ Alles in mir begehrte auf, als er mir erklärte ich solle ihm gehorchen. Aber sein Blick machte mich ganz klein, er war so dominant und herrisch. Und so blickte ich ihm einfach nur in die Augen und zeigte ihm somit was ich davon hielt-  nämlich gar nichts. Es war eine pure Trotzreaktion und ich wusste, dass er es wusste. Aber es war das einzige was ich mich traute. Meine Brüder sagten mir immer in meinem Blick könne man viel lesen, wenn ich es zuließ oder meine Emotionen hochkochten und ich trug mein Herz auf der Zunge, die zuweilen sehr scharfzüngig wurde. Niemand sonst konnte in meinen Augen lesen, aber meine Brüder waren… besonders. Auf eine Weise die andere Menschen Angst machte oder sie zu begehrten Trophäen machten, aber das ermöglichte ihnen etwas, was für mich manchmal etwas unangenehm wurde, nämlich meine Gedanken zu lesen und schon im Voraus zu wissen wie ich reagieren würde. Das war echt unheimlich. Und jetzt tat ich genau das wovor mich meine Brüder gewarnt hatten, ich widersetze mich einem Mann der es gewohnt war zu befehligen und das zu bekommen was er wollte. „Nein!“, entschlüpfte es meinen Lippen. Dann nahm ich allen Mut zusammen und meinte: „Es ist die Sache anderer Menschen ob sie dir gehorchen, aber ich werde es nicht tun!“ Sein Blick flackerte und erhitzte sich, dann zeigte es pure Gier, die er in sekundenbruchteilen wieder verbarg. Und da hatte ich den Salat, ich hatte seinen Jagdinstinkt geweckt. Seinen Willen mir zu zeigen, dass er sehr wohl ein Anrecht darauf hatte mich zu befehligen, wie einen Soldaten. Leck mich! Dachte ich verärgert. Und schon wieder veränderte sich sein Gesichtsausdruck und er schaute mich amüsiert an. „Dein Glück, das du nicht mir gehörst!“, schnurrte er. „Dein Gesicht zeigt mir deine Emotionen klar und deutlich und ich mag es nicht wenn sich jemand so aufmüpfig benimmt wie du!“ Ich senkte den Blick und verdrehte genervt die Augen. „Ich hatte dir gesagt, dass du mir in die Augen schauen sollst, wenn ich mit dir rede.“ Sein Tonfall war sanft, aber sehr bestimmend und nachdrücklich. Arschloch! Langsam erwachten meine Lebensgeister wieder und damit auch mein Kampfwille. „Sag mir, verdammt nochmal nicht immer was ich zu tun habe, Mister- ich- habe- das -sagen-und- immer-  Recht!“, fauchte ich ihn an. „Ich kann das schon bei meinen Brüdern nicht leiden und erst recht nicht bei einem Unbekannten Kerl der mich festhält, gegen meinen ausdrücklichen Willen! Wenn meine Brüder das erfahren, dann kannst du was erleben!“ Er zog eine dunkle Augenbraue hoch und ich schlang fröstelnd meine Arme um mich. „Du bist unter meinem Schutz hier!“ Ich öffnete protestierend den Mund, das hatte er schon viel zu oft erklärt, aber sein Blick durchbohrte mich und ich brachte keinen Ton über meine Lippen. „Unter polizeilichen Schutz um genau zu sein. Das bedeutet im Klartext, dass ich nichts Unrechtsmäßiges mache und deine Brüder nichts dagegen sagen können!“ ich schnaubte entrüstet und dann nahm er mich einfach auf den Arm und trug mich zu dem Haus. Alles in mir sträubte sich davor in das Haus zu gehen. In das Territorium eines Alphamännchens. Mehrerer Alphamännchen, wenn ich richtig lag. Ich bedauerte die Frauen die hier lebten und ich bedauerte mich. Ich musste hier schnellstmöglich weg! Vor der EIngangstür entließ er mich aus seinem starken Griff. Er öffnete die Tür und hielt sie mir auf. Aus weiter Ferne hörte ich eine Turmuhr fünfmal schlagen und dann trat ich ein. Ich blieb abrupt stehen als ich den großen Eingangsbereich sah mit den vielen Türen. Erste Eindrücke prasselten auf mich ein und ich konnte mich nicht erwehren einen Schritt zurück zu gehen und mit meinem Wächter zusammenzustoßen. Der Boden war mit großen Steinen gefliest und an einer Seite des großen Raumes stand eine ganze Wohnzimmer Garnitur, die gemütlich und edel zu gleich wirkte. Neben der Eingangstür standen ein Schirmständer und ein Bodenlanger Spiegel. Seal schob mich sanft wieder nach vorne und ich konnte mich gerade davon abhalten wie ein Pferd zu scheuen. Er schloss die Tür und das klacken bescherte mir eine Gänsehaut die kalt über den Rücken floss, denn jetzt war mein Schicksal besiegelt. Verzweiflung überkam mich und ich fing hektisch an, auf meine Lippen zu beißen. „Nicht!“, murmelte Seal sanft und berührte meine Lippen. Erschrocken hörte ich auf damit und schaute aus großen Augen zu ihm hoch. Erst jetzt fiel mir auf wie groß er war, riesig im Vergleich zu meiner kleinen Größe von gerade Mal hochgerechnet 1,60m. Ich kannte viele Männer die größer waren als ich, das war ja auch nicht wirklich ein Kunststück, aber er überragte mich um mindestens zweieinhalb Köpfe und damit fühlte ich mich so hilflos und klein. Er verschränkte seine muskulösen Arme und ich stellte wohl oder übel fest, dass ich neben einem ansehnlichen männlichen Exemplar stand. Verärgert verdrehte ich die Augen und daraufhin verzogen sich seine Mundwinkel zu einem verschmitzten Lächeln. Mistkerl, dachte ich. Ich hatte ihn wohl zu lange angestarrt und damit sein Ego gestreichelt,  natürlich war er jetzt erfreut. „Also, wenn du dann fertig bist?“, er starrte mich abwartend an. Ich nickte abgehackt. „Es gibt in diesem Haus ein paar Regeln.“ „Ich weiß!“, unterbrach ich ihn. „Ich muss dir gehorchen und deine angespannten Nerven nicht reizen.“ Er lachte amüsiert, würde er mir jetzt noch den Kopf tätscheln, würde ich mich nicht mehr zurückhalten können. Ich war doch kein Hund den man für richtiges Benehmen belohnte. „Nein, das sind zwei meiner Regeln.“ Ich schnappte empört nach Luft, was wollte er denn noch? „Es gibt hier Räume die du nicht betreten darfst.“ „Und welche sind das?“, fragte ich gelangweilt, in mir kochte dagegen die Neugier. Und ob ich mir die Räume anschauen würde, darauf konnte er Gift nehmen. Er packte wieder einmal mein Kinn, das wurde langsam zu einer Gewohnheit von  ihm. Je früher ich dies beendete, desto besser. Männer brauchten immer etwas mehr Zeit um etwas zu lernen, sie waren einfach dickköpfig. „Nein! Du wirst sie dir nicht ansehen!“ „Was denn?“, fragte ich so unschuldig wie ich nur konnte. Er runzelte seine Stirn. „Nur weil deine Brüder  dir so viel durchgehen lassen haben, heißt das nicht, dass ich das auch machen werde.“, erklärte er grimmig. Na Holla die Waldfee, war der gut drauf. Und meine Brüder ließen mir nicht viel durchgehen, dass lag einfach nicht in ihrer Natur. Er blickte mir noch einmal wachsam in die Augen und nickte dann als hätte er irgendwas gesehen, von dem ich nichts wusste. „Also das ist erstens diese Tür.“ Er zeigte auf eine verschlossene Eingangstür in der Halle. Neugierig beäugte ich sie, wie sollte ich seiner Meinung nach da rein kommen? Ich konnte zwar Schlösser knacken, aber das musste er ja nicht wissen. Ich lächelte  boshaft in mich hinein. „Und der Keller ist für dich verboten.“ Er blickte prüfend in mein Gesicht. Ich nickte brav. „Das muss im Moment reichen, ich werde dir später die restlichen erklären.“ Verstört blickte ich in seine Augen. Das reichte immer noch nicht? Ich wollte hier weg! Langsam verließ mich mein Mut wieder und meine Schutzhülle bekam Risse und ließ mich alleine mit meinen Emotionen zurück. Ich fröstelte trotz der Wärme in diesem Haus. Er bewegte sich zielstrebig auf eine Tür zu. Als er sie öffnete gab sie einen Blick frei auf eine Küche. Ich blickte mich wieder um und liebäugelte mit der Eingangstür. Ich vernahm seine ungeduldige Stimme, als er nach mir rief. Zögernd folgte ich ihm.

 Ich setzte mich auf einen hohen Hocker und betrachtete ihn dabei wie er mir ein Glas mit Wasser füllte. Die Küche war groß und gab Kochbegeisterten genug Platz um sich auszutoben. Große Fenster boten einen weiten Blick auf einen Park, vermutete ich jedenfalls, denn das Licht aus der Küche erhellte nur in einem kleinen Radius des Gartens und das sah sehr grün aus. Dunkle Schatten bewegten sich draußen, während vertraute Geräusche an mein Ohr drangen. Er stellte das Glas vor mir ab und öffnete dann das Fenster. Kühle Abendluft erfüllte den Raum und strich mir die Haare aus dem Gesicht. Ich genoss den naturbelassenen  Geruch  und dachte über meine Situation nach. Wenn ich hier weg wollte musste ich mir etwas überlegen. Nachdenklich musterte ich seine langen Beine, bis zur Eingangstür würde ich es sicherlich nicht schaffen. Ich blickte auf mein Glas und nahm einen Schluck. Eine Haarsträhne kitzelte mich und ich strich sie zurück. Ich schaute erschreckt auf als plötzlich ein Handy klingelte. Seal nahm ab und beobachtete mich dabei, so ließ ich mir meine Haare vor mein Gesicht fallen, für ein bisschen Schutz. Er klang sanft und mitfühlend, ganz anders als bei mir, also doch nicht so ein Arschloch. Doch das zeigte mir nur wie sehr ich ihm zur Last fiel. Vielleicht hatte er eine Freundin? Egal wie gemein sich jemand zu mir benahm, ich konnte nicht aus meiner Haut und jemanden zur Last fallen. Ich wusste woher es kam und ich wünschte, dass dem nicht so wäre. Auch seine strengen Gesichtszüge waren weicher geworden und das zeigte mir genau das was ich in seinen Augen gelesen hatte. Der Schutz der Seinen hatte immer Vorrecht und ich stand dazwischen. Wenn ich als eine Bedrohung der Mafia angesehen wurde, bedeutete dies, das ich seine Familie in Gefahr brachte und so war es egozentrisch von mir seinen Schutz anzunehmen. Ich hatte vielleicht diese ehrenwerten Gründe, aber eigentlich wusste ich genau, dass ich mich selbst damit schützen wollte. Bevor alles Schreckliche wieder hochkochte. Er sprach mit einer anderen Person, das wusste ich aber sein Blick lag auf mir als würde er alles zu mir sagen, mich beruhigen nicht irgendeine fremde Person. Ich hatte nie Mitleid bekommen und das er es mir ohne zu wissen vermittelte war zu viel für mich. Unbeachtet von ihm blickte ich aus den Augenwinkeln aus dem Fenster. Ich hielt meinen Körper entspannt, sodass er nicht misstrauisch wurde. Und als er einen Augenblick seinen Blick von mir löste nutzte ich die Chance und sprang auf. Ich hörte noch sein Fluchen und das knallen als er sein Handy auf eine Unterlage schmiss und mir folgte. Ich war schon aus dem Fensterbrett und halb draußen, als er mich zu fassen kriegte. Und dann erfolgte in meinem Gehirn eine Kurzschlussreaktion und alles überkam mich wie eine Flutwelle.

Als ich sie endlich zu fassen kriegte, versteifte sie sich in meinen Armen um sich dann plötzlich wie wild geworden zu wehren. Sie fing an zu kreischen und um sich zu treten und zu beißen, während sie manchmal fauchte. Dabei hatte ich gedacht dass sie endlich mich verstanden hatte. Mir war bewusst, dass mir viel Ärger blühte, sie hatte nicht vor, sich von den Räumen fernzuhalten oder sich an andere Regeln zu halten. Mit einem fluchen fasste ich sie fester, als sie drohte mir zu entgleiten. Plötzlich drehte sie ihren Kopf und biss in meine Schulter- fest. Als ich einen Blick in ihr Gesicht erhaschte, sah ich pure Panik und Angst. Jetzt konnte ich mein Vorhaben, sie wie eine normale ausflippende  Frau zu behandeln vergessen. Langsam fing ich an beruhigende Geräusche von mir zu geben, während ich ihr beruhigend über den Rücken strich. Ihr kreischen verwandelte sich in ein hartes abgehacktes Schluchzen. Scheiße, scheiße, wiederholte es sich ständig in meinem Kopf. Ich war so ein Dummkopf! Ich hatte doch bemerkt gehabt wie sie zuvor reagiert hatte. Sie war schon in Panik geraten, als Dimitri ihr zu nahe kam. Verfikckte Scheiße! Das war nicht mehr nur ein einfacher Auftrag zu beschützen, sie trug auch jede Menge Ballast mit sich rum. Und ich kannte die Anzeichen von misshandelten Frauen. Sie offenbarten sich nicht immer gleich, aber es gab immer irgendein Zeichen. Und plötzlich versuchte sie sich nicht mehr von mir zu entfernen sondern klammerte sich an mich und barg ihr Gesicht in mein Shirt.

Verlegenheit durchfuhr mich, als mein Schluchzen in ein Schniefen überging. Langsam sickerten wieder die Gesellschaftlichen Konventionen in mein Gehirn. Ich wischte mir die Tränen aus den Augen. Schweigend reichte er mir ein Taschentuch und ich nahm es dankbar an. Meine Stirn pochte unangenehm von meinen Zusammenbruch. Ich wich seinem Blick aus, der mich musterte. Jetzt war seine weiche besorgte  Miene nur auf mich gerichtet, nicht auf jemand anderen. Mist, seine Freundin! Ich wich zurück. „Tut mir leid.“ Sein Blick verfinsterte sich. „Das wird nicht noch einmal vorkommen.“ „Entschuldige dich nicht für Dinge, für die du nichts kannst!“, erwiderte er heftig. Mit einer fließenden Bewegung erhob er sich und zog mich mit sich. Und so standen wir dicht voreinander und er strich mir vorsichtig die Tränen aus dem Gesicht- unsicher. Ja, er war unsicher. Heiße Scham erfüllte mich. Auf einmal vernahm ich Stimmengewirr und ich schaute erschrocken zurück. Die Stimmen hörten abrupt und da standen sie alle. Drei Männer und drei Frauen. „Hey!“, murmelte ich kleinlaut. Ich nahm war wie die Männer einen Blick über meine Köpfe hinweg tauschten. Seal zeigte auf mich und erklärte: „Das ist Mayala, sie wird hier eine Zeit wohnen.“ Ich biss mir auf die Lippen um nicht aufzubegehren. Verunsichert trat ich einen Schritt zurück. Und dann noch einen. Ich schaute zum Fenster und dann wieder zu Seal der mich warnend anblickte. „Deine neue Freundin?“, fragt auf einmal eine blonde kurvige Frau. Mit großen Augen blickte ich zu ihr. Hektisch holte ich Atem. Ich wollte hier weg. Seal legte mir eine Hand auf den Rücken und strich mir beruhigend darüber. Ich entzog sich seiner Berührung und ging zum Wasserhahn. Wachsam wischte ich mir das Gesicht ab. „Also nicht?“, fragte die Frau wieder. "Aliova!“, meinte der Bruder, den ich schon kannte, warnend. Ich drehte mich wieder um und antwortete: „Nein! Ich suche mir meine Freunde selbst aus!“ Plötzlich ertönte eine vertraute Stimme bedrohlich: „Kleines, pass auf was du sagst.“ Ich hob mein Gesicht und sah meinen Bruder an. Er musste wohl gerade hier angekommen sein. Hoffnungsvoll blickte ich ihn an. Meine Hoffnung wurde mir aber rasch genommen als er weitersprach:  „Was hast du wieder angestellt?“ Ich hob mein Kinn und fauchte wütend: „Das musst du gerade sagen.Idiot! Woher kennst du die Deppen?“ Mit großen Schritten kam er auf mich zu und packte meinen Nacken. Ich wand mich in seinem Griff. „Was hast du getan?“, fragte er erneut. „Ich habe nichts getan.“, fing ich an zu jammern. Als er mich anblickte machte ich große Augen und ließ meine Augen tränen. „Nein!“, sagte er schon sanfter. „Du wirst das nicht tun!“ „Was denn?“ „Das weißt du genau.“ „Sie steht unter meinem Schutz.“, meldete sich Seal zu Wort. „Eher gesagt unter dem der Polizei.“ Auf einmal packte mein Bruder Akil mein Kinn und besah sich mein Gesicht. Auf Deutsch fragte er mich: „Hast du geweint?“ Ich wand mein Gesicht aus seinem Griff. Ich durfte mich nicht schwach zeigen. Nicht vor meiner Familie, sie durften sich keine Sorgen um mich machen. Sie hatten selbst genug  Sorgen und meine  würden sie zerstören, wenn sie wussten was sie nicht abgewendet hatten. Und so setzte ich mein Lächeln auf und versuchte ein weiteres Mal, das Übel von meiner Familie fernzuhalten. Ich wusste, dass mich Seal misstrauisch beäugte und so warf ich ihm einen kurzen flehenden Blick zu, er durfte nichts dagegen sagen. „Hat er irgendwas getan?“ Ich schüttelte den Kopf und musste so mitleidig ausgesehen haben, da er mich fest in den Arm nahm. „Ich hab dich lieb, das weißt du, oder?“ Ich nickte. „Süße!“ Die Frau meines Bruders eilte auf mich zu. Zufälliger Weise war sie meine beste Freundin, sehr zum Verdruss von Akil. Sie riss mich aus seiner Umarmung. Ihre dunklen Locken streiften mein Gesicht. „Du hast eine Schwester, Akil?“, fragte einer der Männer. Akil schnaubte amüsiert. „Nicht nur eine.“ „Wieso hast du sie uns nie gezeigt oder wenigstens einmal erwähnt?“ „Es ist schon so schwer sie zu schützen und außerdem wird sie dann viel zu sehr verwöhnt.“ „Natürlich!“, murmelte ich leise. „Und dadurch ist sie noch schwerer zu kontrollieren.“ Ein Gedankenblitz kam mir und ich meinte lauter: „Das heißt du nimmst mich mit?“ Meine Augen leuchteten auf und Hoffnung überkam mich. „Nein!“, meinte Seal scharf. „Ich habe dir das oft genug erklärt.“ Ich warf ihm nur einen kurzen Blick zu und hängte mich an Akil. „Ja?“, fragte ich hoffnungsvoll. Er blickte mir in die Augen und sein Gesicht nahm einen wohlbekannten Zug an. „Akil, bitte! Tu mir das nicht an! Ich werde auch alles tun was du willst!“ Seine Gesichtszüge waren hart und undurchsichtig. Ich wusste was er jetzt sagen würde. Ich sank vor ihm auf den Boden. „Bitte!“ „Du wirst hierbleiben. Und das hat zwei Gründe: Den ersten hat dir Seal wie es mir scheint schon häufig gesagt und zweitens wird es dir gut tun das einmal nicht alles nach deinem Willen geht.“ „Was ist mit den Drillingen?“, ich griff nach jedem Strohhalm der sich mir bot. „Und Akil, schau ihn dir nur an. Sieh doch nur was seine Augen versprechen!“ Meine Stimme überschlug sich am Ende. Und dann brach er einfach in Lachen aus!“ „Kleines du kennst das doch schon von uns. Er wird dir schon nichts Schlimmes antun!“ „Akil, bitte!“ Aber er hob mich einfach hoch und schob mich in Seals Richtung. „Ich wollte sowieso nur etwas vorbeibringen!“ „Lexi, tu doch etwas!“ Doch als mein Bruder sie rief drehte sie sich mit einem bedauernden Seufzen um. Ich konnte es ihr nicht übelnehmen, mein Bruder reagierte nicht gut darauf wenn man seinem Willen nicht nachkam, nicht wenn er seine kleine Schwester nun alleine mit Männern ließ. Ich wusste, dass er mich nur hierließ wegen dem Entschluss der Polizei, aber scheinbar vertraute er den Männern, sonst hätte er noch anders reagiert. „Das ist alles was du dazu zu sagen hast?“, schrie ich ihm hinterher. „Das ist was du entschieden hast? Für was willst du mich strafen? Ist es dir nicht genug, dass-“, das zuklappen der Tür ließ mich verstummen. Das war nicht sein Ernst, oder? Verzweifelt blickte ich hoch. „Tut mir leid.“, murmelte ich verzagt. Ich spürte die musternden Blicke der Fremden und ein kaltes Zittern machte sich in meinem Magen breit. Unruhig versuchte ich aus ihrem Blickfeld zu treten. „Jetzt gibt es Abendessen! Ich habe so einen Hunger.“, meinte eine fröhliche Frauenstimme und zog die bohrenden Blicke von mir. Erleichtert stieß ich lautlos meinen Atem aus.

 

*Erinnerungen*

 

Ich dachte daran zurück wie ich meinen Bruder angefleht hatte, doch er hatte mich nicht mitnehmen wollen. Ich hatte mich in diese Misere gebracht, ich musste sie ausbaden. Ich hatte ihn auf Knien angefleht. Was sollte ich bei den Männern? Sie  sollten mich schützen, jetzt da sie wusste, dass ich nichts damit zu tun. Ich wollte doch nur ein Mal in meinem Leben wunschlos glücklich sein, ohne dass die Erkenntnis der Realität wieder zu schlug. Ich blickte auf die Tischplatte, wartete dass die anderen zu erst aßen. Immer die Stärkeren, dann die Schwächeren. Das war das Naturgesetz. Die stärkeren schützten und besaßen deshalb die Vorrechtstellung und wenn sie  nicht schützten durften sie es auch. Denn ich war die schwächste, immer schon gewesen. Ich blickte auf meine Handgelenke, so zierlich, als könnten sie bei der nächsten Kleinigkeit zerbrechen. Ein Mann konnte  mit Leichtigkeit beide umfassen. Ich aß langsam, das würde mich satter machen. Ich war schon geschwächt, ich musste Kraftreserven aufbauen. Wie die Männer mich geschnappt hatten, hatte mich zu tiefst verunsichert und Dinge, die eigentlich tief im Dunkeln meiner Psyche verborgen waren, wieder hervorgeholt. Ich war wieder in mein altes Muster zurückgefallen. Mit unglaublicher präziser Wahrnehmung nahm ich alles war. Das Schaben des Bestecks, die Atmung. Sie verriet so viel über den Gegenüber. Und notfalls wäre ich vorgewarnt, falls die Stimmung umschlug. Ich schmeckte das Essen nicht. Nur mechanisch schaufelte ich es in mich rein. Sie lachten, die Stimmung war gelöst. Gut! Ich wurde nicht beachtet. Darin war ich gut. Ich schnaubte verächtlich. Nein, war ich nicht. Sofort hatte ich die Aufmerksamkeit der Menschen am Tisch. So viele Frauen wären neidisch gewesen.  Denn die Männer waren ohne frage attraktiv. Doch ich nahm meine Hände vom Besteck und schlang  meine  Finger  in meinem Schoß zusammen. Verkrampft starrte ich auf meinen Teller. Und doch bekam ich mit, als der Mann mir  gegenüber sich zu mir bewegte. Ich  hatte es nur daran wahrgenommen wie seine Muskeln sich anspannten, die Luft sich um ihn veränderte. Nein, nein, flüsterte ich in meinem Innern. Tu das nicht. Das fröhliche Frauengelächter war verstummt. Mein  Haar war mir ins Gesicht gefallen. Mein einziger Schutz. Wie früher. Ich wollte schreien und kreischen. Ich fing an zu beben. Als eine starke Männerhand mich berührte sprang ich auf. Nur wohin? „Ganz ruhig, kleines!“, tief und beruhigend war seine Stimme. Aber sie nahm in meinem Kopf eine andere Stimme an. „Nein.“, stammelte ich gebrochen und floh in eine Ecke des Zimmers und kauerte mich zusammen. Nein,  ich war nicht schwach! Ich rollte mich enger zusammen. Es war doch schon so lange her. Ich konnte spüren wie die anderen mich musterten- Vier Männer und drei Frauen.  Schwere Schritte nährten sich mir. Ich wagte es nicht aufzusehen. Die Emotionen kämpften  in mir. Das ängstliche Kind von früher und das ältere, was mich überzeugen versuchte, dass alles gut war. Alles Schlimme besiegt. Und doch wusste ich, würde der Mann mich anfassen, würde ich zusammenbrechen. Doch die Schritte hörten ein paar Meter vor mir auf. „Ich weiß wie du dich fühlst!“ Das wusste niemand und ich hatte  meine Gefühle schon vor so langer Zeit begraben. Ich fasste mich. Dann hob ich den Blick. Meine Maske saß perfekt, so wie immer. Ich erhob mich in einer fließenden Bewegung. Ich log nicht als ich antwortete. „Es tut mir leid wie ich mich benommen  habe. Ich habe mich vergessen.  Verzeiht mir. Ich habe eine bessere Erziehung genossen. Alles ist gut!“ Mein Lächeln saß wie angegossen. Nicht fröhlich. Im Moment nicht fröhlich, sondern einfach nur höflich. Niemand durfte wissen was vor so langer Zeit geschehen war. Ich setzte mich, legte meine Servierte in den Schoß und begann erneut zu essen. Ich brauchte die Kraft. Die Betroffenheit in den Zügen des blonden hatte mich getroffen. Ich wollte kein Mitleid. Brauchte es nicht. Hatte es nie bekommen! Es war mir einfach unangenehm. Ich blickte vorsichtig hoch in blaue Augen. „Ich wurde von meinem früheren Freund verprügelt, regelmäßig. Ich war fast Tod als sie mich fanden.“ Die  Frau zeigte in die Runde. „Das tut mir leid.“ Ich senkte wieder meinen Blick. Sie hatte einen Beschützer gefunden, die ich selbst nie hatte. Ich hasste mich dafür, dass ich in mein altes Muster zurückgefallen war. Ich war mindestens einen Schritt weiter! Doch jetzt? „Seine Weisen mich zu kontrollieren nur zu seinem Spaß, konnten sich nicht bei mir festankern.  Zum Glück!  Am Anfang war ich schreckhaft und hatte  Angst vor Berührungen, aber sie haben mich aus seinen Klauen befreit.“ Ich schluckte. Bei mir war es in der Seele verankert, schon vor so langer Zeit. Und ich hatte keine Hilfe bekommen, keine erwartet. Sie lieben ihn, dachte ich verbittert. Leise antwortete ich: „Es gibt immer einen Ausweg!“ Ich hatte sich so schon oft  davon abgehalten, an meinen Ausweg zu denken. Ich war stark hatte es überwunden. Doch ich konnte es nicht erwarten endlich Frieden zu haben, nichts mehr das mich quälte. Ich lächelte wehmütig, als ich daran dachte was meine Familie immer wieder zu mir sagte: „Wir lieben dich! Das du das ja nicht vergisst. Pass auf dich auf, denn wenn dir irgendwas passieren würde… Du bedeutest uns so viel!“ Ich hatte es wohl laut ausgesprochen, denn das nächste was die blauäugige sagte war: „Ja, das sagen ich mir auch immer!“ Sie  kicherte.  Und ich rang mir ein Lächeln von den Lippen. „Hast du noch weitere  Geschwister?“, fragte die blond-rothaarige weiter. Ich wollte einfach nur nach Hause. Ich wollte keine Konversation betreiben, einfach nur mich irgendwo einmummeln und heulen. „Ja, ich habe insgesamt sechs  Brüder und eine Schwester.“ Aber niemand hatte mich beschützt. Niemand wusste davon. Und einer hatte mich einfach hiergelassen. Schon wieder nicht beschützt. Ich wusste was die andere Frau versuchte. Sie versuchte sich mit mir gleichzustellen. Sie erzählte von ihrer schrecklichen Vergangenheit um  mir zu zeigen, dass ich nicht alleine war. „Ich würde mich gerne zurückziehen.“, sagte ich  leise, unsicher wie sie  reagieren würden.  Als ein schwarzhaariger Mann zu sprechen an hob, erstarrte ich. „Natürlich! Ich zeige dir schnell wo du schläfst.“ Nein,nein! Ein zittern durchfuhr mich. Als ich hoch blickte, blickte er mich prüfend an. „Ari würdest du ihr zeigen wo  ihr Schlafplatz ist?“ Es war keine Frage, sondern ein Befehl. Ich senkte meine Wimpern über meine Augen und meine Haltung entspannte sich. Ich hatte mich nicht mehr im Griff.  Ich schrie in meinem Innern schmerzerfüllt auf und hielt tapfer die Tränen im Schach. Ich war doch stark! Ich verfluchte die beiden Männer, die das alte wieder ins Rollen gebracht hatten. Ari umarmte mich und flüsterte: „Alles wird gut!“ Ich versteifte mich in ihren Armen. Ich ließ nur selten Körperkontakt zu. Das ließ ich nur bei  Leuten zu die ich schon lange kannte und vertraute. Das Ironische dabei war, das ich nur Vertrauen durch Körperkontakt herstellen konnte. Als sie ihren Griff lockerte, entfloh ich ihrer Nähe. Und machte ein paar unsichere Schritte in Richtung Tür. Das Schweigen hinter mir täuschte nicht darüber hinweg, das mich sieben Augenpaare musterten. Ich hatte das Gefühl, das sie mehr wussten als mir lieb war. Nervös strich ich mir eine dunkelblonde Locke hinter ein Ohr. Ich fing an zu zittern, als ich darüber nachdachte. Unter dem Schutz meines Haares blickte ich zurück zu Shelly. Ihr Blick war so mitleidig. Und so tat ich das was ich am besten konnte. Ich floh aus dem Raum.

„So, das ist unser Gästezimmer. Wenn du noch etwas brauchst halt dich nicht zurück. Du bist unser Gast!“ Nein, das war ich nicht. Ich war eine Gefangene! Ich nickte. „Danke!“, antwortete ich. Während ich sehnsüchtig aus dem Fenster blickte. „Okay!“ Sie lief mit leichten Schritten aus dem Raum. Ich fühlte mich unwohl. Einfach nur schlecht. Sie wussten wo ich schlief. Es wäre ein leichtes in der Nacht sich zu mir zu schleichen. Nein! Ich schüttelte hektisch den Kopf. Ich wurde paranoid. Und trotzdem blickte ich mich nach einem Versteck im Zimmer um. Da war ein hoher Schrank. Dort oben wäre ich geschützt! Ich würde auch nicht herunterfallen. Er hatte eine Bordüre die das obere Ende des Schrankes umfasste. Mit einem Schafsfell vom Boden und einer leichten Decke bewaffnet machte ich mich ans Werk. Oben angelangt, machte ich es mir gemütlich.                                           

Ich lag auf dem Fell und unablässig strömten Tränen über meine Wange. Ich schrie lautlos meine Qual hinaus. Während der Mond ein gespenstisches Licht durch das Zimmer warf. Ich konnte nicht mehr! Ich wimmerte. Nein, ich musste leise sein und so vergrub ich mein Gesicht im Fell. Ich hatte das alles hinter mir gelassen. Ohnmächtige Wut ergriff mich.

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Er schwenkte seinen Whiskey nachdenklich. „Also was wissen wir? Sie kriegt Panik wenn sie Handschellen sieht, sie mag keine Berührungen  und sie ist komplett verunsichert!“ „Das ist kritisch!“, meinte John. Wir wissen nicht genau was passiert sein kann. Sie kann etwas gehört haben und deshalb sich so verhalten!“ Mikahel machte einen Scherz: „Und Bruder die meisten haben vor uns Respekt.“ Plötzlich meinte Seal: „Vorhin hat sie versucht zu flüchten. Durchs Fenster. Mir ist ihr Vorhaben nicht aufgefallen! Könnt ich euch das vorstellen. Das ist mir noch nie passiert! Als ich sie dann zu fassen kriegte ist sie komplett in Panik verfallen. Sie trat um sich, biss und kratzte. Und versuchte alles um mich loszubekommen.“ „Ich wollte dich schon den ganzen Abend danach fragen, wie du zu so vielen Wunden gekommen bist!“. Daniel lachte. Doch alle wussten, dass sie es nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten.

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Vorsichtig öffnete ich die Tür. Nur einen Spaltbreit. Ich schaute hindurch. Da war niemand. Das war gut! Ich seufzte erleichtert. Ich hatte mich wieder gefasst. Ich würde nicht noch einmal zusammenbrechen. Es war leise. Sie schliefen vielleicht noch. Ich schlich durch den langen Gang. Die Fenster gingen bis zum Boden. Vor einem blieb ich stehen und genoss die Landschaft. Ein großer Baum stand neben einer Bank und einem Tisch und dahinter war weitläufiges Geländer. Der Boden war bedeckt von buntem Laub. Und ganz hinten nahm ich einen Zaun war. Aus Metall geformt. Ein wahres Kunstwerk. Und  erst dahinter ein bunter  Wald. Freiheit! Ich lehnte meine Stirn sehnsüchtig an das Fenster. Konnte das niemand verstehen? Ich wollte am liebsten rausrennen und den Zaun erklimmen. Der zwischen mir und der Freiheit stand. Ich hörte, dass knarrend eine Tür aufging. Ganz am Ende des Ganges. Ich schaute erschrocken zur  Tür. Das war einer der Männer!  Ich wand mich um und rannte leise davon. Erst bei der nächsten Ecke blieb ich stehen.  Ich schüttelte genervt über mich selbst den Kopf. Aber es war mir unangenehm bei völlig Fremden zu schlafen. Eine Erinnerung drängte sich hoch, doch ich verdrängte sie wieder. Darin war ich gut geworden. „Kleines,  ist alles okay?“ Nein, nichts war gut! Ich biss mir auf die Lippen um nicht zu schreien. Ich drängte mich so gut ich konnte an die Wand, während mein Herz raste. Das Blut rauschte in meinen Ohren und alles hörte sich stumpf an. Angestrengt versuchte ich meinen Puls zu normalisieren. Ich wollte nicht, dass er mich entdeckte. Ich wollte meine Ruhe. Denn wenn alle wach waren würden sie mich wieder in ihrem Visier haben und vorerst musste ich meine Kräfte sammeln. „John?“, ertönte schläfrig eine Frauenstimme. Die Schritte entfernten sich von meinem provisorischen Versteck. Ich lehnte erleichtert meine Stirn an die Kühle Wand. „Nur jetzt.“, flüsterte ich leise. „Ich werde mich nicht mehr Verstecken!“ Ich schloss gequält die Augen. Die Ereignisse aus meiner Vergangenheit hatten mich  nicht mehr gequält. Schon lange nicht mehr. Aber ich war aus meiner sicheren Zone gerissen worden. Niemand der mir jetzt Vertraut war. Niemand hinter dem ich mich verstecken konnte. Ich sank an der Wand zu Boden und schlang meine Arme um meine Knie. Mutlos ließ ich meinen Kopf darauf sinken. „ Nur Mut!“, flüsterte ich. „Du bist stark! Steh auf! Oder soll ich dir in den Hintern treten?“ Ich lächelte leicht. Wie wollte das stärkere Ich das schaffen? Ich erhob mich und strich mir glättend über die Kleidung. Ein sinnloses Unterfangen. Wenn man in Klamotten schlief war das unmöglich. Als ich probeweise meine Haare, mit gespreizten Fingern durchfuhr, blieb ich schnell an einer verklettung hängen. Ich schürzte genervt meine Lippen. Erst jetzt viel mir auf wie ich mich im Moment fühlte. Meine Augen brannten. Meine Stirn pochte schmerzhaft von meinem Zusammenbruch. Und ich fühlte mich schmutzig. Vorsichtig riss ich meine Augen auf und fummelte konzentriert meine Kontaktlinsen aus den Augen. Sofort verschwamm meine Umgebung, wurde unscharf. Ich hielt mir die Kontaktlinsen vor die Augen und seufzte missmutig. Aus der Nähe sah ich sie scharf. Dann senkte ich meine Hand zu einer Faust und machte mich auf die Suche nach einem Mülleimer. Als ich um die nächste Ecke bog nahm ich unscharf einen Tisch aus. Aus der Nähe sah ich, dass es ein Schreibtisch war. Mitten auf dem Gang- komisch. Ich ging einmal um ihn rum und fand unter dem Tisch einen Papierkorb. Mit einem bedauernden Seufzen ließ ich die Kontaktlinsen hineinfallen. Dann konnte ich mich vom scharf sehen mal verabschieden. Ich wusste nicht was ich jetzt tun sollte. Ich hatte es immer vermieden in solch eine Situation zu kommen. Ich würde mich umsehen und der Rest würde sich ergeben. Und doch wusste ich tief in meinem inneren, dass ich nur nach einem Fluchtweg suchte. Die Gewissheit darüber versteckte ich wie so oft tief in meinem inneren.  Denn es war so demütigend zu wissen, dass normale Menschen dies nicht taten und bei mir  schon immer oberste Priorität hatte. Es gab mir ein Gefühl von Kontrolle und Sicherheit, dass ich immer vor der Bedrohung weglaufen konnte, was früher nicht möglich war. Ich schüttelte energisch den Kopf, meine Taktik zu verdrängen. Ich wusste, dass es nicht gut war und immer aus solchen Erfahrungen resultierte, aber das alles war mir zur zweiten Natur geworden. Ohne das Verdrängen hätte ich niemals so lange überlebt. Und als hätte mein Geist nur darauf gewartet wendete sich mein Gedankengang abrupt anderen Themen zu, denn mein Magen fing laut an zu knurren. Nach dem anfänglichen gepruste, ging mein Kichern in ein schallendes Lachen über. Und das war mir um Jahrzehnte lieber als das traurige Verharren in der Vergangenheit. Und zu wissen das ich es sowieso nichts hätte ändern können.

Und zu wissen das ich es sowieso nichts hätte ändern können. Ich schloss die Augen und hielt das Gefühl fest, verknüpftes es mit meinen guten Erlebnissen und erinnerte mich daran, das alles gut ausgehen würde. Erinnerte mich an die Momente in denen ich mich frei und glücklich gefühlt hatte. Ich spürte förmlich die Gischt die bis hoch zu mir spritzte und mein Gesicht mit ihrem Salz benetzte. Ich spürte die hohen Klippen und die warme Sonne und dachte daran wie das Meer mit gleichsamer, übernatürlicher Kraft ihren Lauf nahm. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Jetzt war ich bereit für den Tag und die neuste spanische Inquisition, die die Welt zu bieten hatte. Mit neuem Mut und einer Portion Neugier erkundigte ich den nächsten Raum der sich mir bot, als ich ein paar Schritte weiterging. Es war eine Küche, eine riesige Küche, die sich meinem Blick eröffnete. Große Arbeitsflächen ermöglichten große Kochprojekte und es gab moderne Küchengeräte. Es war eine angenehme Küche trotz der modernen und sichtlich teuren Geräte. Licht durchflutete den Raum und an der Decke waren Lampen angebracht die für gute Lichtverhältnisse sorgte. Holz verkleidete die Schränke und ein großer Holztisch bot ausreichend Platz für mehrere Leute. Neugierig ging ich einen Schritt weiter in den Raum. Vielleicht konnte ich mir hier etwas zu Essen besorgen. Gerade als ich einen zögerlichen Schritt zum Kühlschrank machte, hörte ich ein Geräusch aus einem Nebenraum. Schuldbewusst blieb ich stehen. Die Tür ging auf und Ari trat heraus. Hinter ihr wurde eine Speisekammer sichtbar. „Oh, hi! Ich hoffe du hast gut geschlafen.“ Auf ihren Armen türmten sich Aufback- Brötchen. Ich nickte leicht. „Das ist schön.“, trotz ihrer Worte blickte sie mich prüfend an. „Du hast bestimmt Hunger. Die Toilette ist übrigens etwas weiter den Gang hinunter.“ Ich nickte abermals und ging in die gesagte Richtung. „Da ist auch eine Bürste, die kannst du benutzen!“ „Danke“, erwiderte ich.

 

Als ich in die Küche zurückkehrte erblickte ich Ari und Mikahel in inniger Umarmung. Mikahel drückte sie an die Tresen und beschlagnahmte ihren Mund. Ich spürte wie ich errötete. Eigentlich gab es keinen Grund. Ich war mit sechs Brüdern aufgewachsen, das sie rumknutschten lag an der Tagesordnung. Ich senkte den Blick. „Hallo Kleines!“, ertönte eine samtene Stimme. „Geht es dir besser?“ Ich wollte ihm antworten, dass es mir nie schlecht ging. Ich hatte den Mund schon halbgeöffnet, als ich mich anders entschied. Seine Augen blickten warm und verständnisvoll in meine. Er hatte mich nicht dafür verurteilt, dass ich Zusammengebrochen war, mich schwach gezeigt hatte. „Mir geht es besser!“, antwortete ich ihm ehrlich. Es war das erste Mal das ich mit der Wahrheit antwortete. Sein Blick wurde noch weicher und ich sah in seinen Augen Respekt. Ich lächelte schwach. „Danke, dass du mir vertraust.“ Ich schluckte schwer, als sich ein Kloß in meiner Kehle bildete. Tränen traten in meine Augen. Mikahel sah mich Ernst an, unternahm nicht den Versuch mich zu Berühren. Ich wusste ich hätte das nicht ausgehalten und in seinen Augen erkannte ich, dass er es wusste. Und plötzlich wurde mir klar, weshalb er es in Wirklichkeit nicht machte. Ich hatte ihm für einen kurzen Moment vertraut und er wollte diesen Vertrauensfaden nicht zerstören. Ich nickte ihm respektvoll zu und er nickte. Ari hatte schweigend zugesehen und sah mich nun stolz an.

Der Raum füllte sich mit Menschen. Ich hörte die neckenden Stimmen und plötzlich durchzuckte mich ein Schmerzhafter Stich. Wie ich meine Familie vermisste. Eine Männliche Hand berührte mich und ich schluckte schwer. Ich hatte gehört, dass er kam. Langsam blickte ich, über meine Schulter, in das Mittlerweile vertraute Gesicht. „Mikahel.“, begrüßte ich ihn leise. Ich konnte mich nur schwer beherrschen ihn nicht abzuschütteln. Langsam nahm er seine Hand zurück und als der Kontakt abbrach hätte ich am liebsten vor Erleichterung geseufzt. Dann erfüllte mich pure Scham, er wusste es. Ich blickte ihn an und meine Augen weiteten sich in meiner Panik. Ich schüttelte den Kopf, doch diesmal konnte ich die Gedanken nicht verdrängen. Ich sah in seinen Augen die Gewissheit. Immer stärker schüttelte ich den Kopf. „Nein!“, flüsterte ich. Doch in seinen Augen sah ich immer noch die Erkenntnis. „Hör auf! Hör auf damit!“, hauchte ich. „Tu mir das nicht an!“ Er stellte irgendwas an, denn auf einmal konnte ich in seinem Gesicht nicht mehr lesen. Doch immer noch blieb das Wissen, das er wenigsten den Grobteil kannte der mir wiederfuhr. Ich wich vor ihm zurück und stieß an eine breite Männerwand. Ich wirbelte herum und sah Seal. Die ganzen Emotionen wollten raus und richteten sich gegen ihn. „Du verdammter Idiot. Ich will hier weg.“, ich wollte nicht, dass sie alles wussten. Er blickte mich schweigend und unbewegt an, dann sah er über meinen Kopf zu Mikahel. „Kleines du bleibst hier!“, meinte er ernst. Ein Schluchzen bahnte sich seinen Weg. Ich stieß ihn verzweifelt an der Brust und rannte weg. Dorthin wo sie mich nicht erreichen konnten auf den Schrank.

 

                                     *******************

„Was hast du getan?“, fragte ich Mikahel. „Sie war völlig aufgewühlt!“ „Sie hat mir für einen Moment vertraut. Sie hat Panik bekommen, weil sie weiß, dass ich weiß was passiert ist. Hast du gestern nicht gesehen, dass sie vermieden hat Akil die Wahrheit zu erzählen. Ich denke niemand kennt die Wahrheit außer ihr selbst. Sie will nicht, dass andere Menschen wissen was ihr zugestoßen ist. Die Welt ist ignorant und ihre Brüder würden nie wahr haben wollen das ihr etwas geschehen ist. Sie hat die Wahrheit versteckt, sodass  sie sie nicht mehr erzählen möchte.“ „Sie ist nur ein Auftrag, Mikahel. Ein verdammter Auftrag. Ich muss sie nur beschützen und sie nicht von ihrem Trauma kurieren!“ „Wenn du sie schützen willst musst du sie mit ihrem Trauma konfrontieren!“ „Wir werden sehen!“ Aber ich wusste, dass ich etwas unternehmen würde. Ich konnte die Qual und die Schuld nicht mehr in ihren Augen länger ertragen. Ihre Augen von einem traurigen Schleier verhüllt wurden. „Wir haben Ari geholfen, wir können auch der kleinen helfen.“ „Du findest sie außerdem interessant, Seal!“, meinte John auf einmal. „Sie ist mein Auftrag!“, erwiderte er heftig. „Hey Jungs, habe ich etwas verpasst?“, fragte die rothaarige Amazone Kimora, die Frau seines Bruders Daniel. Daniel antworte ihr und zog sie zu sich ran. „Es geht um die kleine, die unser Detective mit nach Hause gebracht hat.“ „Ihr geht es nicht gut!“,  meinte Kimora bedauernd. „Aber Akil ist ein Idiot. Sie hat auf ihn als Bruder gezählt und er hat sie hiergelassen."

*Fluchtgedanken*

 

 

Ich saß auf einem grünen Sofa in einem Wohnzimmer. Die Schwägerinnen von Seal saßen im Raum verteilt auf Sesseln und eine saß neben mir. Kimora hieß sie, doch genau wusste ich es nicht. Sie ergriff das Wort: „Da wir uns gestern nicht richtig vorgestellt haben tun wir es jetzt. Ich bin Kimora und die Frau von Daniel, das ist der braunhaarige. Die auf dem roten Sessel ist Ari, die kennst du glaube ich schon etwas näher.“ Ich nickte und lächelte als Ari rot wurde. „Sie ist die Frau von Mikahel, dem blonden. Und dann haben wir noch Aliova, sie ist die Frau von John, der Seal am ähnlichsten sieht.“ Beide hatten schwarze Haare und silbergraue Augen, überlegte ich. „Okay, jetzt habe ich es glaube ich verstanden. Es wäre sicherlich netter gewesen wenn wir uns nicht in solch einer Situation kennen gelernt hätten.“, meinte ich. Die anderen nickten zustimmend. Interessiert musterten mich die Frauen und Aliova fragte plötzlich: „Hat dein Name eine Bedeutung?“ „Ja, wieso?“ „Es interessiert mich einfach.“ „Mayala ist arabisch und bedeutet Hoffnung.“, meinte ich tonlos. Meine Lippen hatte ich zusammengepresst und mir schien als ob alles Blut daraus entwichen war. „Arabisch?“, fragte Ari. Ich nickte. „Wieso?“ Ich unterbrach sie bevor sie weiterfragen konnte. „Mein Vater kommt aus Marokko.“ Hoffnung, so hieß ich übersetzt. Hoffnung, dass alles besser werden würde. Sie hatten mir den Namen gegeben, da ich das erste Mädchen war. Die Hoffnung der Familie, der Schatz. Eine Hoffnung die von vielen verschieden  ausgelegt wurde, und ich hasste es! „Aber man nennt mich Livy, nach meinem Zweitnamen unteranderem.“ Ich lächelte, als ich daran dachte wie mich meine Brüder so liebevoll damals getauft hatten. Sie schmunzelte: „Livy ist ein netter Name!“ Ich senkte den Blick, lächelte gequält und biss mir wieder auf meiner Unterlippe. „Livy…“, fing Ari zaghaft an. Ich riss mich zusammen und blickte lächelnd hoch. „Ja?“ „Es ist nicht deine Schuld, was…“, mein Lächeln fiel in sich zusammen. „Nein!“, unterbrach ich sie. Ich schrie fast und als es mir bewusste wurde, unterbrach ich abrupt meinen Aufschrei. „Nein.“, meinte ich ruhiger. Ich wand mich um. „Livy!“, sagte sie gequält. „Nein, ich will es nicht hören…“ Meine Augen füllten sich mit Tränen. „Hör auf!“, meinte ich flüsternd. Ich schmiegte mich enger an die Sofakissen und verbarg mein Gesicht darin. „Es tut mir leid.“, hörte ich sie flüstern. Ich hatte gewusst, dass es schwierig sein würde mit dieser Inquisition, aber das es so schlimm sein würde, das hatte ich nicht geahnt. Sie brachten gezielt das zu Wort was ich verbarg. Sie kannten mich nicht und wagten es trotzdem solche Behauptungen aufstellen. Ich musste hier weg. Es würde mich zerstören hier zu bleiben.

Ich wusste einfach nicht weshalb sie wussten was mich quälte. Niemand den ich kannte hatte es gewusst. Aber Ari hatte  unvorstellbares Grauen erlebt, das wusste ich. Vielleicht war man dann offener und erkannte innere Zerissenheit. Sie wirkte so geknickt und das konnte ich nicht länger ertragen. „Es ist nicht deine Schuld. Ich weiß das du nur helfen willst.“ Sie blickte auf und in ihre Augen glitzerten Tränen der Erleichterung. Ich war es nicht gewohnt in der Nähe von Menschen zu sein die ähnliches oder schlimmeres durchlebt hatten und die gleichzeitig wussten, dass ich dazu gehörte. Ich blickte aus dem Fenster und sah die Sonne. Nach scheinbar Ewigkeiten voll von grauen Himmel, schickte der Anblick pure Freude in mich. „Darf ich eigentlich raus, oder hat Mister Arrogant das auch verboten?“, fragte ich schnippisch. Seal hatte mich, nachdem ich geflohen war, aufgesucht. Er hatte nicht geduldet, dass ich mich versteckte wenn es Probleme gab. Unter seinem strengen Blick war ich heruntergeklettert, seltsam kleinlaut. Ich war noch komplett verwirrt von meinen Emotionen gewesen, doch er hatte es einfach ignoriert. Gönnerhaft hatte er mir erklärt, dass er seinen Brüdern auf der Arbeit helfen würde. Ihm fiele das Dach auf den Kopf, vor allem wenn ein  kleines Mädchen da wäre, welche  ständig Stimmungsschwankungen hätte wie eine Schwangere. Ich hatte ihn fassungslos angestarrt und gefragt, dass es doch sein Auftrag war mich zu beschützen. Er hatte mich verächtlich angeschaut und gemeint: „Das Grundstück ist gesichert, hier kommt keiner rein und raus ohne mein Wissen, und meiner Erlaubnis, oder der meiner Brüder.“ Ich war hier eine Gefangene, eine Gefangene in einem goldenen Käfig den ich nicht kannte. Danach hatte er mir befohlen keinen Unsinn anzustellen. Würde ich versuchen zu fliehen würde ich eine andere Seite von ihm kennenlernen. In mir kochte immer noch die Empörung. Welche andere Seite? Er war doch ständig ein Kotzbrocken, schlimmer konnte er doch nicht werden! „Ärgere dich nicht darüber, er will dich nur beschützen!“, meinte Aliova beschwichtigend. „Beschützen? Sein Auftrag besteht vielleicht darin, aber er tut dafür gar nichts! Ich wäre sicherer wenn ich bei meiner Familie wäre! Er knallt mir immer nur irgendwelche Befehle um die Ohren und amüsiert sich draußen im wahren Leben, während ich hier herumsitze und nichts tue. Glaubt er ich besäße kein Leben?“, fragte ich aufgebracht. Kimora knirschte mit den Zähnen und antwortete dann betont ruhig: „Glaubst du mir macht es Spaß den Babysitter zu spielen? Du bist nicht die einzige die unter der Situation leidet!“ Ich schüttelte den Kopf. „Kann ich nun raus oder nicht?“ Shelly nickte besorgt. Himmel noch mal ich war ein eigenständiges Wesen, das schon Jahre alleine überlebt hatte, aber sie benahmen sich alle als wäre ich ein kleines Kind in der Trotzphase. Nun gut ich benahm mich Dickköpfig, aber Seal machte mich mit seiner gönnerhaften Art wahnsinnig. „Ja, darfst du.“, meinte Kimora, während Aliova schweigend auf ihren Schoß blickte. Ich nickte ihnen zu und rannte nach draußen und schnappte mir im vorbei gehen meine Jacke und meinen Schal.

 

Seal hatte nicht daran gedacht, dass ich Verantwortung trug. Aber sicherlich würde er mit Don Quichotte nicht klarkommen. Don Quichotte würde nicht zulassen,  dass er mich so behandelte wie er es jetzt tat. Ich musste schmunzeln, als ich an meinen Rüden dachte. Er konnte manchmal wahnsinnig besitzergreifend werden, doch in echt war er ein liebenswerter Hund, der nur aggressiv reagierte wenn man mich belästigte. Als ich aus der Tür trat atmete ich tief ein und genoss das Gefühl, dass ich ein bisschen Freiheit hatte. Vor mir erstreckte sich ein riesiger Park. Bäume erstreckten sich zu einer Allee. Neben den großen Ahornbäumen verliefen gewunden Wege, tiefer in einen Garten zu führen, welcher voller Rosen war, nun zu mindestens die Gerippe der Blumen waren auszumachen. Nur vereinzelte Blüten waren am Boden zu erkennen, sie waren blutrot. Ich schaute mich um. Hohe Mauern schützten den kleinen Rosen Garten. Es musste wundervoll aussehen, wenn alles in voller Blüte erstrahlte. Bewundernd nahm ich war, dass Kletterrose den Großteil der hinteren Mauer in Anspruch nahmen. Eine kleine Pforte führte weiter zu  Gewächshäusern, in denen eine Farbenpracht aus allmöglichen Blüten zu explodieren schien. Wer hatte das ganze hier erschaffen? Langsam schritt ich um die Gewächshäuser herum und beruhigte mich langsam, entspannte mich von all dem Stress dem ich in den letzten Vierundzwanzig Stunden ausgesetzt war. Mit einem letzten bewundernden Blick machte ich mich in Richtung eines Waldes auf, vielleicht gab es da einen Ausgang den sie nicht kannten.

Der Wald war trist und farblos, nach der Farbenpracht die ich erlebt hatte. Die Bäume erhoben sich ohne ihr Blattwerk kahl und braun nach oben, nur hier und da wurden Baumstämme durch Moos und Efeu begrünt. Es war so ruhig hier, kein Vogel sang zu dieser Jahreszeit und nur manchmal hörte man das ächzen eines Baumes oder das Rauschen des Windes, ansonsten war es totenstill, wie in einer Blase aus Stille und Einsamkeit. Ich lief Ewigkeiten, so kam es mir vor. Ich dachte nicht mehr daran, dass ich eingesperrt war und tief in mir glaubte ich dem goldenen Käfig entwischt zu sein. Doch als plötzlich vor mir ein hoher Zaun auftauchte, der mit Spitzen Verzierungen versehen war,  lachte ich verbittert auf. Ich würde hier nicht raus kommen. Wie hatte ich denken können, dass Seal einmal etwas nicht richtig im Griff hatte? Er hatte nicht geprallt mit der Aussage, dass niemand hier raus konnte. Er hatte es ernst gemeint. Er konnte es sich leisten mich alleine zu lassen. Hinter dem Zaun erblickte ich einen Nadelwald, der sich scheinbar in die Unendlichkeit dehnte. Ich lief den Zaun ab, immer geradeaus, während auf meiner Linken sich Gitterstäbe, hart und kalt, an meine Hand schmiegten.  Ich fröstelte, als ein kalter Windzug in meine Jacke fuhr. Meine Hände kribbelten vor Kälte und meine Lippen spannten unangenehm trocken und rissig. Ich befeuchtete sie mit der Zunge und mir der Bewegung platzte sie auf. Ich lief immer weiter, bis die Kälte mir nichts mehr auszumachen schien. Die Sonne senkte sich schon wieder, doch es machte mir nichts aus. Ich wollte nicht zurückkehren in meine persönliche Hölle. Ich zog entschlossen die Nase hoch, doch ich konnte mich nicht dagegen wehren, als meine Sicht langsam verschwamm und warme Tränen meine Haut benetzten. Nur nicht stehen bleiben, hielt ich mir immer wieder vor, während in mir sich eine Stumpfheit ausbreitete, die ich mit offenen Armen begrüßte. Ich spürte keinen Hunger und keine Kälte. Nur meine stetigen Schritte fanden kein Ende, während sich langsam die Schatten verlängerten und es immer dunkler wurde. Ich wunderte mich nicht über die Größe des Grundstücks, besah teilnamslos einen kleinen Teich und lief weiter an den Gitterstäben entlang. Irgendwann lichtete sich der Wald und ich passierte ein Tor, das mit dem Zaun zu verschmelzen schien. „Hey Mädchen!“, hörte ich dumpf eine Stimme, doch ich lief weiter so wie zuvor. Als mich eine Hand packte und anhielt blickte ich hoch. Hier konnte mir sowieso niemand Schaden zufügen. Ich blickte ihn ausdruckslos an. „Wir haben dich schon Ewigkeiten gesucht. Komm, du bist ja eiskalt.“ Ich nickte mechanisch und folgte ihm. Irgendwo verspürte ich Erleichterung und den Gedanken, dass ich immer weiter zurückfiel in die Vergangenheit. Aber ich hatte keine Kraft mehr mich dagegen zu wehren. Sie hatten mir alle Kraft genommen.

 

Der Mann der mich gefunden hatte war groß, stellte ich desorientiert fest. Und wenn er sprach hatte seine Stimme einen seltsamen Akzent, den ich im Moment nicht einordnen konnte, da sich schwere Müdigkeit  auf mich legte und meine Augen zufallen ließen. Nur mit Mühe hielt ich sie offen und stolperte dem Mann hinter, bis er sich irgendwann stirnrunzelnd zu mir umdrehte. Ich meinte ihn murmeln zu hören: „Was sollen wir bloß mit dir machen?“ Doch er hätte auch etwas anderes gesagt haben können. Die Müdigkeit schien mich warm einzulullen und der Schlaf verführte mich sich in seine Arme zu legen. Seine Schritte verlangsamten sich, während ich traumwandlerisch neben ihm herlief. Das Anwesen erhob sich groß und mächtig über uns und bevor wir beim Eingang ankamen rannten die drei Frauen heraus. „Wo warst du?“ „Himmel! Seht sie euch doch nur an, sie ist völlig durchgefroren!“ Sie umschwärmten uns wie eine Hühnerschar. „Aus dem Weg!“, brummte der Mann. Sie stoben auseinander, er ging weiter und er zog mich hinter her. Doch schon nach einem Schritt gaben meine Beine nach und er hob mich einfach hoch. Ich sank gegen seine breite Brust und dämmerte langsam ein. Ich hörte noch ihr Stimmgemurmel bis mich die Dunkelheit überkam und mich mit sich riss.

***

 Ich erreichte die Tür. Ich hatte im Laufe des Tages die Zeit gehabt über meine Worte nachzudenken. Ich hätte nicht so hart zu ihr sein sollen. Aber ihre Respektlose Art hatte meine Wut geschürt. Die Wut degradiert worden zu sein, weil ich einen Fehler begangen hatte. Es hatte mir gut getan  wieder richtig körperlich zu Arbeiten. Schon als wir in die Küche kamen, wussten wir sofort, dass etwas nicht stimmte. Die drei Nervensägen saßen am Küchentisch und unterhielten sich, als sie uns hörten wichen sie unseren Blicken aus. „Was ist hier los?“, fragte John. „Wo ist sie?“, fragte ich scharf. Ari blickte mit Tränen in den Augen hoch. Ich runzelte die Stirn. „Was ist los Kleines?“, fragte Mikahel seine Frau sanft. Er trat auf sie zu und hob ihr Kinn an. Ich wurde unruhig: „Wo ist sie?“, wiederholte ich schärfer. Ich hätte heute nicht weggehen sollen, warf ich mir vor. Es war meine Aufgabe auf sie aufzupassen. „Sie ist weggelaufen.“, antwortete Alexander für die Frauen, unbemerkt war er in der Küche gekommen. „Was?“, rief ich ungläubig aus. „Es ist doch alles gesichert!“ „Sie ist nicht weg, wie du vielleicht denkst.“ Aliova mischte sich ein: „Sie war wütend auf dich und irgendwie auch auf uns.“  „Was habt ihr gemacht?“, knurrte ich. „Ich habe ihr nur gesagt das sie nicht schuld ist.“, meinte Ari mit zitternder Stimme. Ich fluchte. „Weißt du noch wie du reagiert hast als du von deinem ehemaligen Mann kamst?“, fragte ich sie scharf. „Seal!“ meinte Dean warnend. Ich schluckte den Fluch runter. „Sie war komplett durchgefroren und Apathisch als sie plötzlich vor mir stand.“, erzählte Alexander, mit seinem russischen Akzent weiter. „Dann ist sie also hier!“ Erleichterung erfüllte mich. Dann begriff ich was er genau gesagt hatte. „Ihr habt mir erzählt, dass sie es nicht mag von Männern angefasst zu werden. Zum Schluss musste ich sie sogar tragen und sie hat sich nicht gewehrt!“ Mikahel blickte ihn skeptisch an. „Ich habe sie nur mit einer Hand berührt und sie ist in Panik geraten!“, meinte er nachdenklich.  Ich hörte ihnen nicht mehr zu und machte mich auf dem Weg zu ihrem Zimmer.

  ***

Ich wachte langsam auf und blieb reglos liegen. Wo war ich? Was war passiert? Mein, durch die Müdigkeit, zäher Verstand reagierte langsam. Ich streckte mich und strampelte die Decke von meinem Körper. Wieso war ich angezogen? Die Erinnerungen kehrten auf einen Schlag zurück. Die Apathie und die Hilflosigkeit die mich gestern ergriffen hatte, kehrten mit Wucht in meinem Verstand zurück. Ich wehrte mich gegen die Gefühle. Aber wie war ich ins Bett gekommen? Ich erinnerte mich dunkel an einen Mann mit schweren Akzent- ein russischer Akzent. Ich fühlte mich schmutzig, trotz der frischen Kleidung die ich von Ari, heute Morgen, erhalten hatte. Ich setzte mich auf und Schwindel ergriff von mir besitz. Ich rieb meine Stirn und setzte meine Füße auf den Boden und stand auf. Wieder einmal stand ich auf dem langen Gang, doch dieses Mal hörte ich Stimmengewirr aus der Küche. Ich ging in die andere Richtung. Es gab so viele Türen, staunte ich.  Auf einmal ertönte das Klingeln eines Telefons. Ich folgte dem Geräusch. Wenn ich anrufen würde, würden meine Brüder mich sicherlich holen kommen, nur vielleicht nicht mein ältester Bruder. Ich schnaubte genervt. Das Klingeln ertönte direkt vor mir. Mit einem Blick hinter mich versicherte ich mich, dass niemand mich sah und schlüpfte ich durch die Tür und das Klingeln hörte auf. Ein großes Bett dominierte den Raum, doch dann sah das Telefon. Ich wählte die Nummer von Arman. „Ja!“, meldete er sich. „Arman!“, rief ich aufgeregt aus und senkte dann schnell meine Stimme. „Mayala!“, rief er erleichtert und zugleich streng aus. „Wo bist du? Du solltest gestern pünktlich nach Hause kommen!“, warf er mir vor. „Hol mich hier raus!“, flehte ich ihn an. „Was ist los?“ „Sie halten mich hier fest, weil ich zur falschen Zeit am falschen Ort war!“, wimmerte ich. „Wer tut das?“ Ich antwortete nicht, da ich glaubte Schritte zu hören. „Petite, wo bist du?“, fragte er lauter. Da waren wirklich Schritte! Ich verkroch mich in eine Ecke. „Kleine, wo…“, und ab da drückte ich ausversehen auf die Lautsprecherfunktion. „..bist du?“, ertönte es laut aus dem Hörer. Verzweifelt biss ich mir auf die Lippen. Die Schritte hörten vor der Tür auf und sie wurde aufgerissen. „Hör zu, ich weiß nicht wo ich bin, aber…“ Seal stand im Türrahmen wie ein leibhaftiger Racheengel. Mit ein paar großen Schritten war er bei mir und nahm mir den Hörer ab. „Sie kann jetzt nicht!“, schnauzte er hinein und legte auf.  „Kannst du mir einmal erklären, was das soll?“, fragte er scharf. „Ich, ich…“, stotterte ich. „Erst läufst du gegen meinen ausdrücklichen Befehl weg und stürzt die gesamten Bewohner dieses Hauses in Angst und Schrecken und jetzt telefonierst du. Bist du noch ganz bei Trost? Was hättest du gemacht, wenn wir ausgespäht worden wären, oder der Mann den du angerufen hast abgehört wird. Du bist in Gefahr! Verdammt noch mal!“ Er fuhr sich erregt durch die Haare. Meine Unterlippe bebte. „Ich will doch nur nach Hause!“, erklärte ich leise.

 

Er blickte mich an, ruhig und fest war sein Blick auf meinen gerichtet. In meinem Inneren brauste ein Hurrikan auf der höchsten Stufe, der meine Gefühle umherwirbelten. Aber ich spürte davon nur das Chaos und das Gefühl des Verlassen seins, das sich spitz und prägnant in mich bohrte. Ich biss mir auf die Lippen damit sie nicht bebten. In meiner Kehle setzte sich ein Kloß der mir schmerzhaft auch auf die Brust drückte. Diese ganzen Gefühle setzten mich unter eine enorme Spannung. Und ich musste hilflos mit zusehen, wie er mich schweigend betrachtete und ich dabei nicht wusste was in ihm vorging. Ich wusste nur, dass er mich ansah und meine Reaktionen beobachtete. Hilflos! Wieder einmal und ich konnte nichts dagegen tun. Noch immer schweigend beobachtete er konzentriert meine Gesichtszüge, dann nickte er schweigend zu Tür. Langsam setzte ich mich in Bewegung und als ich aus der Tür war, unterdrückte ich den Drang zu fliehen. Er würde mich sowieso wieder einholen. Meine Augen brannten, als die Tränen versuchten sich einen Weg zu bahnen. Nur ein Wimmern entwich mir, bevor ich es aufhalten konnte. Verzweifelt versuchte ich das Beben zu unterdrücken, welches meinen ganzen Körper überfallen wollte. Und hinter mir spürte ich nur seine übermächtige Präsens, die nur Ruhe und Kraft ausstrahlte und das machte mir Angst. Wieder einmal kam ich in der Küche an und wieder einmal blickte ich hoffnungsvoll aus dem Fenster. „Setz dich!“, seine Stimme nach seinem langen Schweigen zu hören, erschreckte mich und ich zuckte zusammen. Zögernd drehte ich mich zu ihm und blickte von unten zu ihm auf. Er blickte nur auffordernd zurück. Ich kletterte auf einen Hocker und erwartete, dass er seine Standpauke weiterführte. Kleinlaut blickte ich auf meine verschränkten Hände. Als er sprach blickte ich überrascht hoch, denn das was er mir eröffnete glich einem Segen und einem Fluch. „ Ich werde dich heute mit auf das Präsidium nehmen und dort wirst du dich mit der Psychologin unterhalten!“ Mir stockte der Atem und eine Welle des Entsetzten überfiel mich und als er weitersprach, machte sie einem nervösen, flattrigen Gefühl platz. „Du wirst ihr alles über Lucas Montgomery erzählen und meinetwegen auch was ich falsch mache.“ Bei diesen Worten überzog sein Gesicht ein schiefes Lächeln und sein Blick wurde zärtlich. Er mochte diese Psychologin! Dann blickte er wieder ernst und seine Aura wurde streng. „Und du wirst ihr erzählen was dir zugestoßen ist!“ Ich schnappte empört nach Luft. Das war nicht sein ernst. Dachte er ich könnte einfach so etwas loswerden, was ich jahrelang verschwiegen hatte. Der hatte aber nerven. „Nein, ich weiß dass es dich bedrückt und es verhindert deine Kooperation mit uns und der Polizei!“ „Was genau verhindert es?“, fragte ich mit versucht fester Stimme, doch heraus kam nur ein heiseres flüstern. „Soll ich es dir wirklich aufzählen?“, fragte er mit harter Stimme. Ich schüttelte nur stumm den Kopf. „Wir haben um 14 Uhr diesen Termin, hast du Hunger?“ Ich blickte ihn nur ausdruckslos an. Alles in mir war verstummt und ließ mich automatisch reagieren. Wie ich diesen Zustand hasste. Ich schüttelte den Kopf. Er seufzte tief. „Dann werde ich uns später etwas liefern lassen.“ Ich senkte den Blick. Sollte er doch tun was er wollte.

 

Als es Zeit wurde loszufahren, riss er sich von seinem Laptop, welchen er in der Küche aufgebaut hatte, ab. Zuvor hatte er mich über den Bildschirm ab und zu nachdenklich gemustert, doch es interessierte mich nicht. Ich hatte mich in mein Inneres zurückgezogen und ließ ihn machen was er wollte. Er klappte den Laptop zu und erhob sich. Ich tat es ihm gleich und mein Magen fing deutlich wahrnehmbar an zu knurren. „Verdammt!“ Ich zuckte zusammen und blickte mit weit aufgerissenen Augen zu ihm hoch. „Ich habe dich doch extra gefragt, ob…!“ Er verstummte und atmete tief aus. Ich hörte ihn murmeln: „Du kostest mich noch alle meine Nerven!“ Ich lächelte schwach. Er kostete mich noch viel mehr. Ich folgte ihm und schlüpfte in meine Jacke die er mir entgegenreichte.

*Fragerunde*

 

Seal schob mich in einen Raum der mir einladend entgegen leuchtete und doch war es mir, als ob sich ein Zentner schweres Gewicht sich auf meine Brust niedergelassen hätte. Ein rotes Sofa stand in einer Ecke und an der anderen Seite des Raumes befand sich ein Holztisch mit vier Stühlen. Und ringsherum waren Regale mit Büchern und Zimmerpflanzen aufgebaut. Ich nahm den vertrauten Geruch der Bücher auf und blickte unbeholfen zu Seal. „Warte!“, meinte er nur leise. „Milly!“, rief er in den Raum. Also kannte er sie wirklich persönlich. „Ich komme ja schon!“, rief eine ältere weibliche Stimme fröhlich. Die Tür am anderen Ende des Raumes öffnete sich und zeigte eine ältere etwas rundlichere Dame mit langen grauen Haar. Ich trat einen Schritt zurück hinter Seal. Ihre Augen leuchteten auf als sie Seal sah. In ihren Armen türmten sich Unterlagen und obendrauf stand eine dampfende Tasse, die das Aroma von Kaffee ausströmte. „Seal!“, rief sie amüsiert aus und stellte ihre Unterlagen auf dem Tisch ab. Wie ein bunter Wirbelwind kam sie mit ihrer bunten Kleidung, die an einen Papageien erinnerte, auf Seal zugestürmt. Ein verschmitztes Lächeln lag auf seinem Gesicht und seine Stimme sprühte förmlich vor Amüsement, als er sie begrüßte. „Milly, schön dich zusehen!“ Sie betrachtet ihn strahlend und mit offenen Augen. „Na na, mein großer was hast du denn?“, fragte sie ihn auf einmal. „Geht es jemanden in der Familie nicht gut?“, fragte sie besorgt. „Nein! Denen geht es allen gut, aber ich habe die jemanden mitgebracht.“ Sie blickte sich suchend um und ihre Miene verzog sich fragend und kleine Falten bildeten sich auf ihrer Stirn. Er trat einen Schritt von mir weg und schob mich vor sich. „Ah, was für ein süßes Ding!“ Verwirrt blickte ich wieder zu Seal und versuchte mich wieder hinter ihm unsichtbar zu machen. Bestimmt schob er mich wieder nach vorne. Ihre gütigen Augen blickten mich forschend an. „Na komm kleines, trinken wir einen Tee zusammen.“ Hilflos schaute ich zu ihm zurück. Unbewegt stand er da. „Sie wird dir alles über Montgomery erzählen und Mayala du weißt was wir besprochen haben!“, endete er warnend. Abgehackt nickte ich, er hatte es mir aber eher befohlen, als es mit mir geklärt. Es war ihm egal gewesen welche Meinung ich vertrat. „Setz dich liebes!“, meinte Milly sanft und zeigte auf einen blauen Sessel. Zögernd ging ich zu dem gezeigten Platz und setzte mich. „Tee?“ Ich nickte und sie zog einen kleinen Abstelltisch zwischen uns, dann setzte sie sich auch, ehe sie wieder aufsprang und aus dem Zimmer eilte. Auf einem Tablett türmten sich Kekse, eine Kanne Tee und einen Becher. Sie stellte alles auf den kleinen Tisch und holte ihre Tasse Kaffee. Genießerisch nahm sie einen Schluck und setzte sich dann. Ich lächelte schüchtern und senkte meinen Blick. „Er kann so bestimmerisch sein, oder?“, begann Sie das Gespräch. Das erinnerte mich daran das Seal es mir ausdrücklich gesagt hatte das ich mich beschweren durfte. Ich hob meinen Blick und sah ihre Verständnisvolle Miene, bevor ich meinen Mund öffnete und meine Schimpftirade begann. „Können Sie mir sagen weshalb er denkt jedes Recht der Welt zu haben? Wer ist er, dass er mir Befehle im Sekundentakt diktiert? Aber das ist noch nicht alles! Haben sie jemals so einen chauvinistischen Kotzbrocken gesehen? Er will alles und verbiete mir alles. Ich bin nur bei ihm, weil er einen Fehler begangen hat! Nicht ich! Das ist noch lange kein Grund das an mir auszulassen! Ich will nicht bei so einem idiotischen Mistkerl bleiben. Meine Brüder sind sehr wohl in der Lage mich zu beschützen! Und haben sie erst seine Blicke gesehen? Der gönnerische Blick? Er behandelt mich wie ein kleines Mädchen das keine Ahnung vom Leben hat, dabei stimmt das gar nicht! Sie sollten mal sehen wie er wie ein kleiner Junge verschwunden ist um Spaß zu haben. Wenn er schon eine Aufgabe übertragen bekommt muss er sie doch ausführen, oder? Wenn er einen Fehler begangen hat, kann er doch nicht sich seiner nächsten Aufgabe verweigern! Er denkt er kann sich alles erlauben. Pah! Dabei macht er doch hier die Fehler. Wenn er meint meinen Bodyguard spielen zu müssen heißt das noch lange nicht, dass ich seine persönliche Gefangene bin! Er regt mich so auf!“, endete ich mit lauter anklagender Stimme. Sie trank einen Schluck und antwortete mir dann nachdenklich: „Er war schon als kleines Kind so. Die ganzen Brüder haben dieses Charisma und diese Bestimmtheit vererbt bekommen“ „Das heißt aber noch lange nicht das er so zu mir verhalten muss. Keiner seiner Brüder ist so… so…“ „So beherrschend?“, endete sie meinen Satz. „Ja!“, stieß ich jammernd hervor. „Er ist ja nicht zu allen so! Nur zu mir!“ Ich stieß frustriert einen Seufzer aus. Mitfühlend blickte sie mich an. „Ja, so ist der Knabe halt.“ Ihr Blick glitt in die Leere. Sie schaute so abweisend und hart, als ob sie verbittert an die Vergangenheit dachte. Mit abwesender Stimme erzählte sie: „Er hatte es früher nicht leicht, der arme Junge. Das muss man ihm nachsehen. Unter der harten, teilweise abweisenden harten Schale steckt ein Liebenswürdiger Junge.“ Sie schüttelte den Kopf und schien wieder in die Gegenwart zu kommen. „Ach was rede ich da, Kindchen!“ Sie seufzte schwer. „Der Beruf den ich ausübe… so viel Leid in den letzten Jahrzehnten…“, endete sie schwach. „Es tut mir leid!“ Ich nickte abgehackt. Es musste schwer für Psychologen sein, sich immer und immer wieder die Probleme der Menschheit anzuhören und nichts tun zu können als zuzuhören und versuchen gutgemeinte Ratschläge zu geben. Den Schlussendlich war es jeder einzelne Mensch der sich zu entscheiden hatte, wie es in seinem Leben weiter ging. Ob es Perspektiven waren die einen weiter machen ließen, oder man sich von seinen Problemen mitreißen ließ. „So“, rief sie wieder munterer „Was weißt du über Lucas Montgomery?“ Ich blickte hoch und sagte nachdenklich: „Wissen Sie, ist ein ruhiger Typ. Er ist nie ausfallend oder laut. Und trotzdem hat er diese unterschwellige Aggression in sich. Sie pulsierte knapp unter der Oberfläche. Wenn man ihn nicht kennt, dann sieht man nur einen Mann vor dem man sich in Acht nehmen muss. Seine Augen blicken kalt und gefühllos in die Welt, als ob er etwas verbirgt das ihn verletzlich erscheinen lassen würde. Wissen Sie was ich meine?“, endete ich unsicher. „Ja.“, meinte sie nachdenklich. „Ich sehe es oft in den Augen meiner Patienten. Die Stumpfheit um schreckliche Erinnerungen zu verbergen.“ Ich nickte erleichtert und fuhr fort: „Aber wen man ihn kennt…“, ich lächelte versonnen, „…dann ist es so als würde die Sonne aufgehen, wenn die gefühlskalten Augen auftauen und warm werden, voll mir Zuneigung.“ Ich lächelte als ich mich an diese Situation erinnerte „Du magst ihn!“, entkam es Milly überrascht. Ich nickte. „Das hat niemand gesagt!“ „Es hat auch niemand gefragt gehabt.“ Als sie mir erzählt hatten das Montgomery in der Sache mit der Mafia verstrickt war, hatte ich nur Erleichterung empfunden, dass ich somit in den Augen der Polizisten Unschuldig war. Ich hatte keinen Gedanken an ihn verschwendet und dafür schämte ich mich. Es war so viel passiert in den letzten Tagen und ich hatte keine Zeit gehabt darüber nachzudenken, bis jetzt. Ich hatte ihn im Stich gelassen! Ich biss mir auf die Lippe. Er war für mich da gewesen und jetzt musste ich es für ihn sein. „Lucas Montgomery ist unschuldig.“, platzte es aus mir heraus. Erstaunt musterte sie mich und fragte: „Wieso denkst du das? Alle Informationen die die Polizei hat, sprechen dafür.“ Ich fuhr mir verzweifelt durch mein Haar. Ich blickte aus dem Fenster und sah Autos an einer roten Ampel stehen. Außer diesem roten Farbklecks war alles grau. Der Himmel und die Straße. Mit einem Schnauben wandte ich mich ihr zu „Würden Sie ihn besser kennen, wüssten Sie, dass er nicht dazu gehört. Vielleicht auf eine gewissen Art und Weise, aber vielleicht nicht wie sie vielleicht denken würden.“ Gespannt rutschte sie in ihrem Sessel vor. „Wie meinst du das?“, fragte sie interessiert. Fieberhaft überlegte ich wie viel ich ihr erzählen konnte, ohne ihn weiter in Schwierigkeiten zu bringen. Psychologen standen zwar unter Schweigepflicht, aber ich bezweifelte, dass diese hier auf einem Polizeipräsidium eingehalten wurde, nicht wenn es um eine polizeilich gesuchte Person ging. „Lucas ist ein muskulöser Mann. Einer der weiß wie man seinen Körper bewegen muss um zu kämpfen und um zu gewinnen.“ Ich dachte traurig an die illegalen Kämpfe zu denen er mich mitgenommen hatte. „Man kann sich nicht aussuchen wo man aufwächst. Es ist purer Zufall ob du in einem reichen Haushalt oder in der Gosse aufwächst. Er ist auf der Straße groß geworden.“ Ich schloss gequält die Augen, als ich daran dachte wie ich ihn kennengelernt hatte. Ein großer starker Junge mit gehetztem Blick und verspannten Schultern, immer bereit zur Flucht. Und der spöttische Zug um seinen Mund mit dem er mich immer aufgezogen hatte. „Zu mindestens die ersten paar Jahre seiner Jugendzeit“, fügte ich hinzu. „Er war in vielen Pflegefamilien, das müsste in seiner Akte stehen.“ Ich schloss die Augen, er und ich ähnelten uns viel mehr als alle ahnten. Wir beide teilten beide ein schreckliches Geheimnis „Es ist keine Kunst in schlechte Kreise zu gelangen. Der Einfluss von Drogen und Machtkämpfen, die manchmal zu reinem Überleben führt, lassen einen hart werden und mit in solche Kreise rutschen.“ „Mir wurde erzählt, er ist negativ bei der Polizei wegen Drogenmissbrauchs aufgefallen.“ „Ja.“, erwiderte ich knapp. Sie öffnete den Mund um etwas zu sagen, ihr Blick war skeptisch und ich wusste wie ihr Satz aussehen würde. „Er ist seit sechs Jahren clean.“, fauchte ich deswegen gereizt. Es hatte lange gebraucht, doch schlussendlich hatten wir es geschafft, hatte er es geschafft. „Sie haben kein Recht ihn zu beschuldigen!“, entfuhr es mir plötzlich voller Panik. Er war mein bester Freund und ich eine miserable Freundin. Ich brauchte ihn um mich etwas normal zu fühlen und um zu wissen, dass er mich verstand ohne, dass ich ausführen musste weshalb mich plötzlich Angst überkam. Und andersherum war es genauso. „Das heißt aber nicht, dass er sich aus diesem schlechten Einfluss befreit hat!“, unterbrach sie meinen Gedankengang mit vorsichtiger Stimme. Entnervt nahm ich wahr, dass sich meine Augen mit Tränen gefüllt hatten. „Doch hat er!“, sagte ich bestimmt und verdrängte die schrecklichen Kämpfe. Er hatte mir gesagt, dass er sich nicht auf diese Leute einließ und ich vertraute ihm. „Okay!“, meinte sie beschwichtigend. Erleichtert atmete ich tief ein. „Um dich zu beruhigen…“, fing sie langsam an, dann blickte sie sich hektisch um und nickte zufrieden, als sie niemanden sah. „Die Informationen sind veraltet und nicht bestätigt. Nur der Drogenkonsum ist nachweislich bestätigt worden.“, sie hielt inne und ich nickte. „Jemand hat Anonym bei uns angerufen und uns den Tipp gesteckt.“ Mich überlief ein eisiger Schauer, mit wem hatte er sich angelegt? Das war nur ein Warnschuss, auf eine nette Art und Weise, sie hätten auch anders reagieren können. „Ja das ist uns auch im Nachhinein eingefallen.“ Erschrocken blickte ich sie an. „Deine Miene hat dich verraten, du wirkst geschockt. Weißt du wer es sein könnte?“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich will ihn sehen!“ Milly nickte langsam. „Aber erstmal erzählst du mir was dich belastet.“ Entgeistert starrte ich sie an. „Ich…Ich…“, stotterte ich. Verzweiflung und Panik, und die Angst um Montgomery mischten sich zu einem harten Klumpen, der mich schwer schlucken ließ. Verunsichert blickte ich sie an. Der Druck überrollte mich und ich fing stark an zu Zittern. Meine Augen füllten sich mit Tränen und ich hatte das Bedürfnis mich zusammenzukauern. „Was beschäftigt dich?“, fragte sie leise. Verzweifelt spürte ich wie würgende Übelkeit mich überkam. Krampfhaft versuchte ich nicht zu weinen und grub meine Zähne in meine Unterlippe. Eine Träne rann aus meinen Augen und das öffnete die Schleusen. Ich weinte stumm und das Zittern und die Anspannung ließen mich fühlen als stünde ich unter solch einem Druck der mich zerstören würde. Und dann bekam ich Nasenbluten. Es war als ob der Druck ein Ventil brauchte, und das war meine Nase. Blut strömte in Bächen meine Nase hinunter und tropfte auf meine Kleidung. Entsetzt starrte Milly mich an. „Oh Gott!“, entkam es ihr, bevor sie auf hechtete und zu einem Schrank lief. Hastig durchwühlte sie die Schubladen, während ich notdürftig versuchte das Blut mit meinen Händen aufzuhalten, ein sinnloses Unterfangen. Mit einer ganzen Box Taschentüchern kehrte sie wieder zu mir zurück. „Oh Gott, oh Gott!“, hörte ich sie murmeln, während ich mir Tücher aus der Box angelte. „Brauchst du ein Kühlpad? Was frage ich noch?“, schimpfte sie mit sich selbst, dann rannte sie aus der Tür. Mir entrann sich ein gequälter Schluchzer. Scheiße, dachte ich, sank an die Lehne und hielt mir die Taschentücher fester an die Nase. Metallenen Bluts rann meine Kehle hinunter und ich schluckte notgedrungen und ließ meinen Kopf nicht mehr nach hinten fallen. Milly kehrte aufgeregt zurück. „Es gibt keines!“, rief sie aufgebracht. „Ist alles okay? Wird es besser?“, fragte sie besorgt. Ich nickte mit den Taschentüchern auf meine Nase gepresst. Meine Stimme klang weinerlich, als ich sagte: „Ich will jetzt zu Lucas Montgomery!“

*Lucas Montgomery*

 

Ich stand vor der Zelle und weinte. Entgegen meiner Annahme hatte es zehn Minuten gebraucht, bis meine Nase aufgehört hatte zu bluten, das Zittern aber blieb. Ich wischte mir notdürftig die Hände sauber, während Lucas versuchte mich aufzumuntern, ohne es den anderen zu zeigen. Seine dunklen Augen fixierten finster sie Wärter, die aufpassten, dass ich nichts Falsches machte. Und Lucas zeigte nie dass er besorgt sein könnte. Für ihn war das so als würde er Schwäche zeigen. Er hatte mir einmal gesagt, dass sie so als würde man von einem Rudel bluthungriger Hunde eigekesselt und man würde Angst zeigen. Das wäre ein rotes Gemetzel hatte er gemeint. Er hatte so ernst geklungen das ich wusste er sprach aus Erfahrung. Dann hatte er mich fest angeblickt und gemeint: „Aber Menschen sind tausendmal schlimmer. Hunde werden gehetzt vom Menschen, aber sie sind nicht bösartig, es sind die Menschen die sie zu diesen Bestien machen. Und wir wissen beide wie schlimm manche Menschen sind, welche Monster hinter ihnen lauern!“ Ich hatte nur schweigend genickt.

Ich blickte ihn flehen an. Einmal könnte er es doch vergessen. Ich fühlte mich verloren und das er schwieg machte die Sache nicht besser. Er wusste was er mir damit antat und doch konnte er nicht über seinen Schatten springen. Festgefahren in alten Mustern, wenn etwas ungewohntes passierte, ja das kannte ich. „Lasst uns doch wenigstens alleine!“, presste ich verärgert hervor. „Es ist ja nicht so als würde er mir ein wichtiges Staatsgeheimnis erzählen, das für euch wichtig wäre!“ Sie blickten mich betroffen an. Ja, ich sah beschissen aus, na und? Flüchtig fiel mein Blick auf ein Fenster außerhalb der Reichweite der Gefangenen. Mein Gesicht spiegelte sich darin. Verquollene Augen und überall war Blut. Ich trat näher und versuchte, mit meinem provisorischen Spiegel als Hilfe, das Blut abzubekommen. Lucas Blick zuckte zu mir und er blickte mich einen Moment voller bedauern an. „Es ist ja nicht so, dass er bisher besonders auffallen war…“, sagte einer der Männer, sein Blick huschte über mein Gesicht. „Nein, wenn ich es mir recht überlege sollten wir ihnen die Chance geben, was meinst du Kedira?“ Er gab keine Antwort, sondern setze sich in Bewegung und schloss auf. Ich huschte hinein und er sperrte hinter mir ab. Wenn sie wirklich glaubten er wäre unschuldig, täuschten sie sich gewaltig! Nur weil ein Tiger schlief, hieß das nicht, dass man ihm am Schwanz zog. Mit einem letzten Blick zu uns verließen sie den Raum. Ich wusste das sie uns nur alleine ließen, weil hier irgendwo Kameras gab. Für diesen Moment verdrängte ich diese Information und fiel ihm um den Hals. Der vertraute Geruch der ihn einfach ausmachte, umfing mich tröstend. Heiße Tränen quollen aus meinen Augen und ich klammerte mich an ihm fest. Ich ignorierte sein kurzfristige erstarren. „Ich hab dich vermisst!“, flüsterte ich. „Mhm.“, brummte er nichtssagend. „So eine Scheiße!“, murmelte er dann fluchend. Er vergrub sein Gesicht in meinem Haar. Ich nickte an seinem Körper. „Wieso bist du voller Blut?“, murmelte er dicht an meinem Ohr. „Nasenbluten.“, nuschelte ich an seiner breiten Brust. Er schob mich von sich und betrachtete mich aufmerksam. „Wieso?“ „Nicht wichtig.“ Ich wich seinem Blick aus. „Es ist immer wichtig!“, knurrte er verstimmt. „Bitte?“, fragte er befehlend. Ich seufzte. „Eine Psychologin hat mich über dich ausgefragt und mich nach meinen Problemen gefragt.“ Abrupt verspannte er sich. „Was hast du ihr gesagt?“, fragte er angespannt. „Du seist unschuldig!“ Ich hörte ihn tief ausatmen. „Süße…“, fing er an. Doch ein aufreißen der Tür unterbrach ihn. Ein wirklich missgelaunter Seal stapfte durch die Tür und redete im Befehlston auf die herumwuselnde Männer ein, die ihm an den Lippen klebten. Als er mich sah verstummte er und sein Blick wurde starr und dann loderten alle Höllenfeuer in ihnen. Er musterte mich und dann rief er scharf: „Wer hat sie da rein gelassen?“ Wütende Stille erfüllte den Zellentrackt. Mit festen Schritten blieb er schließlich vor der Zelle stehen. Er öffnete die Tür und sagte zu mir, mit zusammengebissenen Zähnen: „Raus!“ Das Wort hörte sich beinahe wie ein Fluch an. Ich schluckte. Nie im Leben würde ich so zu ihm gehen, nicht wenn er in solch einer Laune war. Verunsichert versteckte ich mich hinter Lucas, der sich drohend aufbaute. Seal fluchte derb und befahl: „Komm her!“ Ich schüttelte den Kopf. Ich wusste ich befand mich in einer Zwickmühle. Wenn ich nicht wollte, dass Lucas nicht dafür bestraft würde, müsste ich zu Seal und das war nicht die prickelnste Aussicht. Ich legte meine Stirn auf Lucas Rücken. Noch einmal fragte Seal: „Welcher Nichtsnutz hatte sie reingelassen? Er ist gemeingefährlich!“ „Wenn ich gemeingefährlich wäre stünde sie längst nicht mehr hinter mir, sondern auf dem Boden!“, erklärte Montgomery mürrisch. Plötzlich stockte Seals Atem, bevor er geräuschvoll ausatmete. „Wieso ist sie voller Blut?“, fragte er mit todesernster Stimme. Und dann stürzte er sich mit erhobenen Fäusten auf Lucas zu. Mit einem erschrockenen quietschen sprang ich zur Seite und beobachtete entsetzt was sich abspielte. Ich war mir immer hundertprozentig sicher gewesen, dass Montgomery die Überhand behielt, aber in diesem Moment bezweifelte ich es. Mein bester Freund wollte keinen Kampf, nicht vor mir, aber Seal wollte Rache. Mit Schrecken wurde mir klar, dass er dachte, Lucas hätte mich blutig geschlagen. Verletzungen von Schlägen sahen anders aus, sie bestanden nicht immer aus Blut, sondern aus roten Abdrücken von Fäusten und Händen, später waren es Blutergüsse, dachte ich erschauernd und bitter. Aber scheinbar dachte Seal nicht rational. Verzweifelt blickte ich die beiden an, die sich in der kleinen Zelle auf dem Boden rollten und immer wieder gegen das Bett oder die Toilette stießen. „Helft ihnen doch!“, rief ich entsetzt als Seal Lucas‘ Kopf auf den Boden schlug. Erst dann kam Bewegung in die Männer, die fasziniert und irgendwie atemlos dastanden. In Filmen ist eine Prügelei immer mit Musik untermalt und verdeckt das Ächzen und Stöhnen, das schmerzvolle Aufstöhnen und das Geräusch, wenn ein Körper mit einer Faust kollidiert. Die Wände aber warfen die Geräusche zurück und ich beobachtete in hilfloser Verzweiflung wie sie sich gegenseitig fertig machten. Es war nichts schönes an dem Kampf. Nur rohe Gewalt die die unruhige Atmosphäre aufheizte. Als die Männer schließlich dazwischen gingen, dauerte es die beiden Streithähne auseinander zu bringen. Sie zitterte vor unterdrückter Kampfeslust und funkelten einander an wie Kampfhunde in einer Arena. „Raus!“, brachte Seal heraus und wischte sich das Blut von der Schläfe. Lucas spuckte Blut auf den Boden und sah ihn verächtlich an. Geschockt und mit hängenden Kopf lief ich aus der Zelle. Ich wollte den Kampf nicht wieder entfachen indem ich Seal unbewusste provozierte. „Das wird Konsequenzen haben!“, knurrte Seal zu Lucas. Ich schluckte trocken. „Das du einfach auf einen Gefangenen losgehst?“, höhnte Lucas. „Ja, das denke ich schon!“ Seal knirschte mit den Zähnen. „Scheiß drauf!“, er spuckte wieder Blut und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Du Hurensohn schaffst es ja nicht mal den richtigen einzufangen!“ Ich verdrehte die Augen. Ja, seine Ausdrucksweise war beeindruckend. „Wir gehen!“, damit schubste er mich an der Schulter und ich setzte mich folgsam in Bewegung. Das Klacken der Tür hallte noch lange nach.

 

 

Seal strafte mich mit Schweigen, den ganzen Weg hoch bis zu den öffentlichen Bereichen des Präsidiums. Ich fühlte mich unwohl, die Gänge die hoch führten waren durch unnatürliches Halogenlicht beleuchtet, das meine Stirn pochen ließ. Die einzigen sporadisch vorkommenden Fenster waren vergittert und zeigten einen kleinen, mit Stacheldraht umzäunten Innenhof, auf denen ein paar Gefangene Freigang hatten. Ich erschrak als Seal plötzlich vor mir stand und mit einer Karte die Tür vor uns öffnete. All dies zeigte mir, dass ich mich nicht hier befinden wollte. Nicht einmal für eine Nacht. Vor allem die kleinen Kameras, die scheinbar an jeder Ecke angebracht waren, verstärkten den überwachenden Eindruck. Die kleinen Linsen folgten einem wie schwarze unergründliche Augen.  Immer weiter folgte ich Seal in dem endlos scheinenden Labyrinth aus verschlungenen Gängen und sein Schweigen zerrte an meinen angespannt Nerven. Immer wieder kreuzten Wachmänner unseren Weg , die respektvoll Seal zunickten. Und so lief ich ihm hinterher bis er auf einmal von ein paar Männern aufgehalten wurde. Zu spät bemerkte ich, dass er nicht weiterlief und stieß mit meinem Kopf an seinen stahlharten Rücken. Sie redeten aufgebracht auf ihn ein und hingen wie die anderen Männer an seinen Lippen. Seal, aber blickte nur desinteresseiert auf die sich vor Höflichkeit überschlagenden Männer. Nur sein angespannter Kiefer zeigte mir wie angespannt er wirklich war. Als sein Blick auf mich fiel, korrigierte ich mich. Sein tiefdunkler Blick zeigte mir, dass er sauer war und extrem wütend- auf mich. Ich duckte mich unwillkürlich. Obwohl es fast unmöglich erschien wurde sein Blick noch finsterer. Er musterte mich aufmerksam und wandte sich dann abrupt von mir ab. Erleichtert stieß ich meinen Atem aus und verfluchte mich im gleichen Augenblick dafür. Ich hatte es satt vor allem zurück zu zucken, mich in meinem Selbstmitleid zu suhlen! Das musste endlich aufhören. Ich war keine jämmerliche Kreatur ohne Hoffnung. Nicht mehr das kleine Mädchen das nicht zwischen Recht und Unrecht unterscheiden konnte, eines das keine Hilfe erwarten konnte. Jetzt war ich groß und wusste was ich mir gefallen lassen würde, wo meine Grenzen lagen, die von niemanden mehr überschritten werden konnten. Und dennoch saß mir meine Vergangenheit, wie ein geiferndes Raubtier im Nacken, bereit mich bei der kleinsten  Unachtsamkeit zu packen und mich niederzureißen. Zurück in den höllischen Treibsand meiner Erinnerungen, denen ich so gerne entfliehen würde.

 

 

Ich fühlte mich wie ein ungezogenes kleines Mädchen, während ich auf einem unbequemen Klappstuhl auf Seals Rückkehr wartete. Noch nie hatte mir so ein eisiges Schweigen zu schaffen gemacht und noch nie hatte ich erlebt wie jemand dies so konsequent durchführen konnte. Der lange Flur war fast leer, genau wie die vielen Klappstühle neben mir. Manchmal kamen Menschen vorbei, mit angespannten und angestrengten Mienen. Polizisten die Gefangene an den Stühlen vorbeiführten und nur selten sah man ein flüchtiges lächeln. Und nie wurde ich beachtet. Ich blickte zu den langen Türreihen die kein Ende zu nehmen schienen, während ich darauf wartete, dass sich Seal den Schmutz, das Blut und die Anstrengung von seinem Körper wusch. Montgomery hatte bestimmt nicht die Gelegenheit dazu... Ich verfluchte die Ungerechtigkeit, hob meine Beine auf den Stuhl und umarmte meine Knie. So etwas wie Geborgenheit, flutete meinen erschöpften Körper, doch ich weigerte mich an so etwas wie Geborgenheit zu glauben oder mich auch nur mit dem Gedanken anzufreunden. In weiter ferne hörte ich ein wütendes Brüllen und Flüche, bis sich wieder undurchdringliche Stille über den Korridor senkte. Nur das Sirren einer Lampe über mir verstummte nie und so wartete ich, während mein Kopf immer schwerer wurde und meine Gedanken immer zäher. Ich musste eingenickt sein, denn als ich von starken Händen berührt wurde schreckte ich auf. Ich hob meinen Blick und sah in kühle gelassene Augen. Es schien als hätte Seal mit seinem Schmutz auch seine Wut abgespült. Jetzt hatte er wieder seine professionale Fassade instand gesetzt. Nichts war mehr von der brodelnden Wut in seinem Inneren zu sehen oder zu spüren. Und in diesem Moment wurde mir bewusst, dass er seine Wut schon lange mit sich rumtragen musste um sie so verbergen zu können, wie er es tat. Ich ließ meine Beine auf den Boden sinken und erhob mich. Schmerzhaft spürte ich das ziehen in der Seite meines Halses, der von der ungewohnten Schlafhaltung schmerzte.

Er betrachtete mich prüfend und irgendwie unbewegt und so sah auch ich ihn an, hütete mich aber ihm in seine Augen zu sehen. Sein dunkles Haar klebte ihm nass und nach hinten gekämmt auf dem Kopf. Ein Wassertropfen löste sich und rann ihm über die Stirn. Fasziniert folgte ich dem kleinen Wassertropfen, der sich vollkommen willkürlich seinen Weg suchte. Ich musste lächeln. Dieser unkontrollierbare Tropfen, passte so gar nicht zu dem beherrschten Mann den ich kenngelernt hatte. „Komm!“, sagte er und wandte sich um. Ich sah seinem starken Rücken hinterher und blickte dann verwirrt auf meine Hände. Sie wiesen nur noch verblasst einige Blutsspuren auf. „Mayala, komm!“, erinnerte er mich sanft. Ich blickte hoch, er hatte sich noch nicht mal zu mir umgedreht, sondern ging einfach weiter. Ich sprang auf und rannte ihm hinterher. Und meine Gedanken kreisten um Seal und darum, dass ich mir wünschte er würde mich in seine starken Arme nehmen. Den während der Stille in dem langen Korridor hatte sich das Gefühl von Einsamkeit in mir breit gemacht. Und nichts war mir so vertraut wie die Einsamkeit, obwohl man von Menschen umgeben war. Nichts war mir so vertraut wie der sehnsüchtige Wunsch nach Berührungen, obwohl man gleichermaßen davor zurückschreckte.

 

Langsam wurde es zu einer Angewohnheit hinter dem großen Detective hinterherzulaufen. Und ich konnte mich nur knapp davon abhalten seine Hand zu ergreifen, um ihn zu langsameren Schritten, für meine kürzeren Beine angemesseneres Schritttempo, zu bewegen. Doch ich verkniff es mir. Aus Angst vor fremden Berührungen einerseits und der Respektlosigkeit, die ich in meinen Augen damit beging, andererseits. Und so versuchte ich mit ihm Schritt zu halten. Mein Glück das ich es gewohnt war solchen Riesen zu folgen. Die Sanftheit mit der er mich vorhin angesprochen hatte, verwirrte mich und fast wünschte ich mir den griesgrämigen Mann zurück. Den durch die Sanftheit die er mir entgegengebracht hatte, und war es nur für einen kurzen Moment, ließen mich in den Vorhaben schwanken ihn nicht zu mögen. Doch als wir die langen verlassenen Korridore hinter und gelassen hatten, verwandelte sich Seal zurück in den arroganten Kotzbrocken. Mit einer erneuten Anwandlung von Überlegenheit, befahl er mir bei den Stühlen vor der Rezeption zu warten. Wie das letzte Mal fühlte ich mich wie ein ungebetener Gast und nichts hasste ich mehr als dieses Gefühl. Der Blick der Rezeptionistin war kalt und herablassend als sie zu mir blickte. Doch als Seal sie ansprach veränderte sich ihre Miene und sie lächelte ihn kokett an. Ich versuchte nicht der Unterhaltung zu lauschen, gab es aber auf, als meine Neugier geweckt wurde.

„Ja.“, schnurrte Miss Zimtzicke gerade. Sie machte keinen Hehl daraus das sie Seals Gestalt wohlwollend musterte. Und er ließ sie gewähren. „Wer ist das?“, fragte sie und nickte mit dem Kinn abschätzend zu mir. Ich konnte den Spott in Seal Stimme hören und stellte mir vor wie er dazu seine Augenbraue hochzog. „Du kannst mir nicht erzählen du wüsstest es nicht.“  „Also das ist dann also das kleine Mädchen das sie dir aufgezwungen haben...“ Ich verdrehte die Augen. Er nickte. Dann beugte er sich vor, während Miss Oberzicke sich ihm entgegenreckte, wobei sie ihm einen guten Blick in ihr Dekolleté gewährte. Er murmelte etwas in ihr Ohr, wovon ich nur Bruchstücke verstand. Ich versuchte nicht all zu offensichtlich mich vorzurecken und zu lauschen. Doch Miss Zimtzicke öffnete die Augen, die sie genießerisch geschlossen hatte und warf mir einen sehr bösen Blick zu. Ich hob meine Augenbrauen, wenn ich es gekonnte hätte, hätte ich nur eine gehoben, und blickte nur böse zurück. Währenddessen unterdrückte ich den kindischen Reflex ihr meine Zunge herauszustrecken. Seal der unsere stumme Unterhaltung nicht mitbekam, redete weiter eindringlich im Flüsterton auf sie ein. Als ich das Wort „Montgomery“ und „Isolationshaft“ in einem Atemzug hörte, ignorierte ich die persönliche Klette von Seal und lauschte konzentriert dem Wortschwall. Doch zu meinem Verdruss verstand ich kein weiteres Wort. Als sich Seal wieder aufrichtete, zeichnete die Klette gerade irgendwelche Muster auf seine Brust und gurrte dann deutlich genug, ich wusste das tat sie nur wegen mir: „Das wird dich aber einiges Kosten!“ Als Seal ihre Hand nicht wegschlug, blickte sie mich triumphierend an. „Salope“, knurrte ich leise. Ich verdrehte die Augen und griff mir dramatisch ans Herz. Ihre Miene verfinsterte sich und ich musste ein Lachen unterdrücken. Wie erbärmlich war das eigentlich von ihr? Ernsthaft, wieso dachte sie eigentlich ich wäre hier ihre Konkurrentin, sollte sie ihn doch behalten. Sie passten doch wunderbar zusammen. „Okay.“, antwortete Seal. „Schön!“, zwitscherte sie. Demonstrativ gähnte ich. Wie langweilig!  „Schlampe!“, entkam es ungewollt ihren Lippen. Erschrocken presste sie sich die Hand vor den Mund, aber es war schon zu spät. Das Lachen das ich nur mit Mühe unterdrückt hatte verließ meinen Mund. „Sagt genau die Richtige!“, schaffte ich es zwischen meinem Lachanfall hervorzupressen. Seal reagierte Blitzschnell, mit einer Hand umfasste er Miss Oberzickes Kinn und sie erbleichte sichtlich. Beinahe tat sie mir leid. Ihre ganze Haltung sackte in sich zusammen und sie blickte unterwürfig zu ihm auf. „Wir haben uns darüber unterhalten!“. So drohend und schneidend hatte ich Seals Stimme nicht im Gedächtnis und ich wünschte mir, dass ich ihn nie so provozierte das er diese bei mir einsetzte. Sie nickte hektisch. Er behielt seinen Griff noch einige Sekunden bei, dann ließ er sie los und drehte sich zu mir um. Ich versuchte ein möglichst unschuldiges Gesicht aufzusetzen, während ich innerlich Mantra artig betete: „Lass ihn nicht ausrasten. Lass ihn nicht ausrasten. Lass ihn nicht ausrasten!“ Und als er nur noch wenige Schritte von mir entfernt war, war ich versucht wegzurennen! Sein Blick war drohend, eiskalt. Ich machte mich klein, versuchte ihm möglichst wenig Angriffsfläche zu geben. Als er so imposant vor mir stand, entwich mir ein Wimmern. Verzweifelt versuchte ich mir einzureden das er mich nicht schlagen würde. „Es tut mir leid!“  Diese vier Worte waren so zittrig und leise, das ich nicht wusste ob er mich verstanden hatte. Er hob die Hand. Mit einem erstickten Laut, versuchte ich meine Erstarrung zu bekämpfen, doch ich saß nur reglos auf dem Stuhl. Starrte ihn mit weitaufgerissenen Augen an. Doch er umfasste nur meine Hand und zog mich hoch. Mit seltsam müde klingender Stimme sagte er: „Wir gehen!“ Und dann fügte er zwischen zusammengepressten Zähnen hinzu: „Ich schlage keine unschuldigen Frauen!“  Als ich stand, senkte ich meinen Blick auf den Boden. Denn obwohl er  behauptete er würde keine Frauen schlagen, wollte ich ihm keinen Grund liefern es doch zu tun. Und ich hatte Angst das was auch immer er in meinen Augen erblicken konnte ihn dazu verleiten würde. Das hatte doch immer dazu geführt, wieso nicht auch jetzt? „Catherina“, verabschiedete er sich von der Rezeptionistin. Und als er mich hinter sich herzog, blickte ich schnell zurück und sah Erleichterung ich ihrem Blick.  Und in diesem Moment bemitleidete ich diese Frau, die sich in so einen gefährlichen Mann verliebt hatte. Einen der von einem auf den anderen Moment , absolut kontrolliert und kontrollierend wurde. Ich selbst wusste wie schlimm so etwas sein konnte. Und ich wünschte mir den Tag herbei wo Seal und ich getrennte Wege gingen. Mit seiner Art und Weise könnte er mich vollkommen zerstören. Meine mühsam zusammengeklebten Bruchstücke meines Selbst unter seinem Fuß achtlos zermalmen.

 

Seal stieg aus dem Auto aus und ich nutzte die auftretende Stille um zur Ruhe zu kommen. Das hatte ich benötigt. Ich war es nicht gewöhnt die ganze Zeit Leute um mich herum zu haben, ohne die Möglichkeit mich zurück zu ziehen. Ich atmete bewusst ein und stieß dann meinen Atem langsam aus. Ich nahm war wie Seal ums Auto ging und an meiner Seite ankam. Er öffnete die Tür und ich schnallte mich ab. Dann blickte ich ihm in sein Gesicht, beobachtete Aufmerksam seine Mimik. Reglos blickte er zurück und ich senkte voller Unbehagen meinen Blick. „Komm.“ Ich nickte und stieg aus. Nach einigen Schritten blieb ich stehen und betrachtete das große Anwesen, das sich hoch über uns erhob. Es war das erste Mal das ich es bewusst in Tageslicht betrachtete. Die überdachte Veranda mit der Hollywood Schaukel, auf der ein Schafsfell einladend aufleuchtete. Die Blumentöpfe die auf der Terrasse verteilt waren. Und an den Seiten die Giebel die herausragten, umflochten von Rosengewächsen. Im Sommer musste all dies atemberaubend aussehen, doch jetzt wirkte es seltsam kahl. Die Temperatur hatte sich in den letzten Tagen drastisch gesenkt und wenn ich aus atmete kam weißer Rauch hervor. Seal war vorgelaufen, wusste er doch das ich hier nicht entkam. Ich seufzte. Ich wusste das ich mich mit der Situation abfinden musste, obwohl ich mich zuvor so dagegen gesträubt hatte. Es wurde Zeit das ich mich wieder fasste und ich nicht mehr meine Schwäche so offen zeigte. Aber der Detective musste mir schon entgegen kommen. Ich setzte mich in Bewegung und straffte meine Haltung. Erinnerte mich an meine Herkunft und die Regeln die damit einhergingen. „Seal, warte!“, rief ich laut und mit fester Stimme. Er ging noch ein paar Schritte bis er sich zu mir umwandte. Er sah mich nur stumm an. Ich ignorierte die Wut, die in mir aufstieg. Es machte mich rasend, dass er mich immer nur anblickte- kalt, abweisend. Aber es machte mich auch unruhig und erfüllte mich mit furcht. Der einzige der mich so intensiv angeblickt hatte, war... Ich schüttelte den Kopf und drängte die Erinnerungen zurück. Seal wartete Geduldig und ich fasste mich wieder. „Wenn ich hierbleibe ...“ Er hob eine Augenbraue. Kapitulierend hob ich die Hände. „Ich habe Verpflichtungen. Ich kann sie nicht einfach aufgeben.“ Eine Zweite Augenbraue hob sich und ich fügte schnell hinzu. „Und ich brauche Wechselklamotten und andere Dinge!“

Langsam senkten sich seine Augenbrauen, doch ich wusste das hieß nicht das er mir zustimmte, mich vor seiner Meinung verschonte. „Aber natürlich brauchst du Wechsel Klamotten.“, begann er äußerst charmant um dann auf mich zu zu schlendern. „Akil wird sie dir bringen, er ist schon auf dem Weg.“ Er lächelte mich schmallippig an. Ich kämpfte gegen den Drang, zurück zu weichen, an. Aus seinem Lächeln wurde ein wissendes Grinsen. „Du hast also Verpflichtungen, sag sie mir nur und ich fahre dich hin!“ Seine Miene wurde hart. „Denkst du das hier mache ich nur zum Spaß? Das ist nicht meine Aufgabe dich umher zu kutschieren, Prinzessin. Ich soll auf dich aufpassen!“ Er schnaubte. „Du wirst deine wichtigen Angelegenheiten wohl verlegen müssen.“ „Das meinte ich nicht!“, erwiderte ich. „Schweig!“ Er drehte sich wieder um. Leise äffte ich ihn nach. Sein ominöses „Schweig!“, konnte er sich sonst wohin stecken. Ich folgte ihm und ließ mich auf den Treppen der Veranda nieder. Ich hörte kein klacken der Tür. Seal hatte sie nicht hinter sich geschlossen. Ich stütze meine Kinn in meine Hände und blickte vor mich auf die lange Auffahrt und betrachtete den riesigen alten Baum der im Wind leise knarrte. Er war immens und wirklich beeindruckend. Zu zweit würde man ihn nicht umfassen können. Ich liebte solche Alten Bäume, die von einer Zeit zeugten, die schon etliche Jahrzehnte vor meiner lag. Ein kalter Windstoßt traf mein Gesicht und ich zitterte. Verdammt war das kalt! Plötzlich hatte ich meine Mutter vor Augen die mich tadelnd anblickte. Ich seufzte genervt und erhob mich. Sie hatte ja recht, auf eine Blasenentzündung konnte ich gut verzichten. Aber ich weigerte mich ins Haus zu gehen, wo ich Seal wieder träfe. Seal und wenn ich Pech hatte seine Brüder. Es reichte ja nicht, dass ich mich mit einem der Sorte rumschlagen musste, nein es waren auch noch vier der Sorte. Wo Seal wenigstens ein paar Emotionen zeigte, erblickte ich in den Augen seines ältesten Bruders nur härte. Die Brüder changierten von einem extrem ins nächste. Und das ich sie nicht kannte stellte nur ein kleines Problem dar.

Langsam durchquerte ich die Eingangshalle blickte in den riesigen Spiegel, der ein grauenhaftes Bild zeichnete. Meine Augen, meine Nase und meine Augenbrauen war rot und angeschwollen vom weinen. Und überall verteilt waren Blutspritzer. Niemand hatte mich darauf angesprochen, jeder hatte es so hingenommen. Wieder einmal ein Beweis wie einig die Menschen sich um ihre Mitmenschen kümmerten. Von Seal hatte ich nichts anders erwartet, wenn er Montgomery eine Dusche verwehrte. Ich wand mich ab und beeilte mich in die Dusche zu gelangen bevor mich die erschreckten, mitleidvollen Augen der Frauen trafen. Ich war es leid Rücksicht auf solche Leute zu nehmen, aber meine Erziehung verbat es mir anders zu handeln. Mich nervten die Menschen die nicht wussten das Gewalt und andere Dinge genau neben einem geschahen und es als ein Problem von Migranten, Flüchtlingen, dritte Weltländern ansahen. Jedes Land, jede Kultur besitzt gewalttätige Menschen und wirklich nette Menschen. Ich hatte erlebt, dass die eigentlich männerdominierende Kultur meines Vaters freundlicher und zuvorkommender waren als die der westlichen Welt. Das die Familie keinen Schutz vor dem bösen darstellt, sondern die bösartigsten Monster hervorbringen kann. Aber eigentlich waren die schlimmsten Menschen die die das Leid sahen und nichts dagegen taten, sondern sich nur Kopfschüttelnd abwandten. Die Leute die die Augen vor der Wahrheit verschlossen und damit keinen Einhalt vor der Gewalt schafften die alle Schichten, alle Völker und alle Kulturen durchzogen. Ich schüttelte den Kopf um die Gedanken loszuwerden die mich vor eine unüberwindbare Mauer stellten. Eine Mauer die zwischen mir und meiner Familie lag. Ich schlich durch das riesige Haus das mir so fremd erschien betrat das Gästezimmer indem ich schlief und legte meine wenigen Habseligkeiten auf das Bett. Es wurde Zeit, dass ich Akil mit meiner Kleidung kam und den restlichen Dingen die ich benötigte. Ein Klopfen an der Tür ließ mich erschrocken zusammenfahren. Verärgert über mich selbst wand ich mich um und fragte: „Ja?“ Die Tür öffnete sich und Seal betrat den Raum mit einem kleinen Stoffstapel. Er legte in ungefragt auf das Bett. „Handtuch und Kleidung zum Wechseln. Shampoo steht im Bad.“ Und schon war er wieder verschwunden. Irritiert blickte ich ihm hinterher. Diese Wortkargheit von ihm, ein wahrer Segen. Mit einem Schulterzucken schnappte ich mir den Haufen und begab mich unter die Dusche.

Das warme Wasser rann wohltuend und entspannend über meinen Körper und obwohl ich die Tür abgeschlossen hatte, ließ mich eine gewisse Unruhe nicht los. Man konnte sagen was man wollte, aber bei völlig Fremden zu sein ließ einen nicht entspannt eine Dusche nehmen. Während ich das Shampoo in meine langen Haare einmassierte summte ich leise um meine Unsicherheit etwas auszugleichen. Nach einer halben Ewigkeit unter der Dusche wickelte ich das große Handtuch um meinen Körper. Sofort stellte sich ein Gefühl der Sicherheit ein. Die Kleidung die mir Seal gegen hatte war mir etwas zu groß. Ich fragte mich wie die Frauen darauf reagieren würden, dass Seal einen von ihnen die Kleidung weggenommen hatte. Es war sein Problem, ich sollte mir darüber keine Sorgen machen. Ich hängte das Handtuch über eine dafür vorgesehene Halterung und genoss das Gefühl von meinen frisch gewaschenen Haaren. Kurz überlegte ich ob ich die anderen Suchen sollte, doch ich entschloss mich schnell dagegen. Ich setzte mich auf das, zugegebener Maßen gemütliche, Bett. Plötzlich überkam mich eine starke Müdigkeit und ich schloss die Augen. Nur für eine Sekunde, dachte ich und schlief ein.

Ich schreckte auf, als ein durchdringendes Klingeln die Ruhe des Hauses durchbrach. Aufregung durchzuckte meinen Körper und ich sprang auf. Ich rannte Barfuß bis zum Eingang. Da ich mich einmal im Gang irrte, öffnete Seal die Tür. Als die beiden mein tapsendes Rennen hörten, blickten sie auf und lösten ihre kameradschaftliche Umarmung. Ein aufgeregtes Bellen ließ seinen Kopf herumschnellen. Als er wieder zu mir blickte war sein Blick nachdenklich. Er musterte mich durchdringend und mir wurde schmerzhaft klar wie ich im Moment aussehen musste. Ich hatte mit nassen Haar geschlafen und mein Haar musste mir in wirren Locken und Wellen um meinen Kopf herumtanzen. Ich wurde rot. „Ich hab’ dir deinen Hund mitgebracht!“, durchbrach Akils Stimme die aufmerksame Betrachtung meiner Person durch Seal. Don Quichotte fiepte ungeduldig und stürmte dann auf mich zu.

Seal blickte mich ungläubig an und ich zuckte mit dem Schultern. Ich hatte es ihm ja sagen wollen, aber er hatte nicht zugehört. Lachend wehrte ich mich gegen die stürmischen Liebesbekundungen von Don Quichotte. Wie hatte ich ihn vermisst! Sein zerrissenes Ohr hing herab, während er mir mit einer begeisterten Hingabe versuchte mein Gesicht mit seiner Zunge zu erwischen. Ich kniete auf dem Boden, bemüht mich nicht umstoßen zu lassen. Ein vorsichtiger Blick zu Seal zeigte mir, dass er kurz vor dem Explodieren stand. Ich drückte mein Gesicht auf Don Quichottes Kopf und er hielt still. Ich erhob mich und befahl ihm sitzen zu bleiben. Er gehorchte. Aufmerksam musterte Don Quichotte mich mit wachen Verstand und wartete auf den nächsten Befehl. Akil stellte die Tasche mit meinen Sachen auf den Boden. Ich versuchte ihn zu ignorieren. Ich war noch immer sauer, weil er mich einfach hiergelassen hatte. „Er hat dich vermisst. Er ist die ganze Zeit an der Haustür auf und abgelaufen.“ Ich schwieg als hätte ich nichts gehört. Nach ein paar Sekunden sprach Akil erneut: „Es war die richtige Entscheidung.“ Ich schnaubte. Don Quichotte legte den Kopf schräg. „Herr Gott, es tut mir leid!“, entwich es ihm erbost. Ich prustete los. „Herr Gott?“, fragte ich atemlos um erneut in lachen auszubrechen. „Ich habe Angst um dich und Seal wird dich gut beschützen können!“ Sofort wurde ich ernst. „Und du nicht, oder wie?“ „Nein!“ Ich starrte ihn perplex an. Nie hatte er mir so Unverblümt seine Unzulänglichkeit gezeigt. Unsicher blickte ich ihn an. „Aber...“ „Nichts aber, so ist das nun einmal. Süße, du hast dich mit jemanden angelegt vor dem ich dich nicht beschützen kann. Niemand von uns.“ Er fuhr sich erregt durch die Haare. „Und ich will nicht noch einmal versagen!“, fügte er leise hinzu. Erschrocken blickte ich ihn an. Zittrig fragte ich ihn: „Was meinst du?“ Er blickte hoch und lächelte mich beruhigend an. „Nichts.“  Ich nickte unsicher und wollte das Thema nicht vertiefen. Er blickte zu Seal. „Ich denke, dass mit Pointer sollten wir ihm verschweigen.“ Ich nickte, das war wohl besser so, bevor Seal komplett seine Beherrschung verlor. „Ich passe auf ihn auf.“ Er trat auf mich zu und zog mich in eine feste Umarmung. Ich klammerte mich an ihm fest. Nur weil ich verstand, das ich hierbleiben musste hieß das nicht das ich es gut fand. „Ich hoffe ich habe dir alles mitgebracht.“, murmelte er. „Bestimmt.“ Akil wechselte die Sprache damit Seal ihn auch verstand. „Arman und Fayyad wollen dich übrigens besuchen. Sie missbilligen, das ich dich hier gelassen habe.“ „Ach, Nein!“, meinte ich sarkastisch. „Ist Fayyad endlich zurück?“, fragte ich aufgeregt. Als Akil nickte konnte ich mir einen Jubelschrei nicht unterdrücken. „Sie dürfen nicht hier her!“ Perplex wirbelte ich zu Seal herum. „Was?“ „Du hast mich schon verstanden.“ „Wieso dürfen sie nicht kommen?“, grollte Akil. „Das ist zu gefährlich im Moment. Das bedeutet auch, dass du nicht mehr hier her darfst.“  Ich spürte wie sich Akil hinter mir verspannte. Vorsichtig blickte ich mich zu ihm um und sah seine grimmige Miene.  „Was heißt das?“, fragte er dunkel. Eine unangenehme Gewissheit durchzuckte mich. Ich konnte es nicht noch einmal ertragen das sich geliebte Menschen in Diskussionen verirrten, die gewaltsam endeten. Deswegen flüsterte ich leise Akils Name. Er drehte sich zu mir um und seine Miene wurde augenblicklich weicher. Leicht strich er mir mit seinen Fingerkuppen über die Wange. „Niemals!“, antwortete er mir heiser. In seinen Augen sah ich den Schmerz. Vorsichtig hob ich meine Hand und legte sie auf seine. Ich nickte. In seinen Augen sah ich die Wut die sich gegen ihn richtete, die Schuldzuweisung. „Es war nicht deine Schuld!“ Er blickte weg. „Akil!“, drängte ich ihn. Er blickte mich wieder an doch seine Miene war hart. Ich wusste, dass er mir nicht glaubte. Er glaubte das er Schuld war, daran das unsere Eltern sich gestritten hatten, das es zu brutalen Auseinandersetzungen gekommen war. Daran, dass er sich nicht beschützend gegen meinen Vater gestellt hatte. Das wir das ganze nur stillschweigend ertragen mussten. Und das wir Mädchen bei meiner Mutter geblieben waren, während er und seine Brüder zu meinem Vater gezogen waren. „Bitte!“ „Es ist wie es ist!“, sagte er hart. Ich schnaubte. „Hör auf!“ Als er nicht antwortet zischte ich:„Arrête de faire le con!“ Er lachte bitter auf. „Es ist nun einmal so. Meskina, wenn du es nicht wahrhaben willst.“ „Verschwinde!“, fauchte ich. „Wenn du in dieser Stimmung bist, will ich nichts mit der zu tun haben!“ „Du machst es dir zu leicht wie immer.“, warf er schroff ein. „Verschwinde! Vielleicht ist es doch gut, dass ich dich in nächster Zeit nicht sehen muss!“, giftete ich zurück. Er zuckte mit den Schultern. Es war immer das gleiche. Immer dieser Streitpunkt zwischen uns beiden. „Pass gut auf meine Schwester auf!“, sagte er zu Seal . Ich schnaubte. „Ich pass schon selbst auf mich auf!“ Die beiden ignorierten mich.

Als die Tür hinter Akil ins Schloss fiel, herrschte mich Seal an: „Erklär mir das!“ Don Quichotte knurrte und Seal blickte mich finster an. Ich war nicht in der Stimmung mich zu rechtfertigen. Akils Art und Weise hatte mich getroffen. Tiefer als ich es mir anmerken lassen wollte. In mir verspürte ich einen Zorn der sich gegen alle und jeden richtete. Hatten sich den alle diesen Augenblick aussuchen müssen um mit all diesen bescheuerten Dingen aufwarten zu müssen? Ich drehte mich von Seal weg und ging meinen Weg zurück. Zurück zu dem Zimmer das meines sein sollte. Don Quichotte folgte mir, die Henkel der Tasche in seinem Maul. „Was denkst du was du da tust?“ Die kalte Stimme von Seal erklang hinter mir. Ich ignorierte ihn. Sollte er sich diese offensichtliche Frage doch selbst beantworten. Ich versuchte die brodelnde Wut in mir zu unterdrücken und die ätzende Stimme in mir die über Akil stritt. Ich hatte genug. Genug von den Männern in meinem Leben die sich so stark stellten und mir das Gefühl geben nicht die Kraft zu haben um sie zu unterstützen. Die die meine Sicht der Dinge lachend ablehnten. Und vor allem die die mich bevormundeten. Also im Prinzip alle. Ich wollte Seal meine Wut nicht zeigen, den das alles ging ihn nichts an. Mein Leben ging ihn nichts an. Er packte meinen Oberarm mit einem starken Griff, dem ich nicht entfliehen konnte und drängte mich mit seinem Verhalten in eine Ecke. Ich versuchte mich aus seinem Griff zu entwinden, aber alles was ich damit erreichte war, dass sein Griff noch fester wurde. Und genau das fungierte als Auslöser und ich griff unbewusst auf die instinktiven Verhaltensweisen von früher zurück. Ob ich es in diesem Moment wollte oder nicht. Alles in mir wich aus meinem Wahrnehmungen, konzentrierte sich nur auf das Rauschen meines Blutes in meinen Ohren. Meine Wangen wurden heiß als ich instinktiv reagierte. Ich drehte meinen Kopf und schnappte zu. Zu lange hatte er mich bedrängt, zu lange hatte das alles in mir gebrodelt ohne das ich mich vor ihm zurück ziehen konnte. Ich wollte meine Ruhe, brauchte sie, doch ich bekam sie nicht. Und sein starker Griff der mich nicht losließ, mich zwang an einem Ort zu bleiben war einfach zu viel. 

 

*--*

 Er biss die Zähne zusammen. Scheiße tat das weh. Die kleinen spitzen Zähne, des Miststücks bohrten sich durch die Stoffschicht in seine Haut. Er packte sie fester, drückte sie an seine Brust. Ihre Zähne verstärkten ihren Druck auf sein Fleisch. Mit einem Knurren drückte er die Finger des unversehrten Armes in ihren Kiefer. Er ertastete die Druckpunkte, sodass sich der feste Biss langsam löste. Er spürte das Blut bevor er auf seinen Arm blickte und fluchte wenig verhalten. Er hatte schon viel schlimmeres erlebt. Gut das seine Impfungen regelmässig aufgefrischt wurden. Noch immer hielt er ihren Kiefer gepackt. Er setzte es nicht noch einmal darauf an Bekanntschaft mit ihren Zähnen zu machen. Noch einmal verfluchte er den Sesselhockenden Arschkriecher McKenzie. Er verstand immer noch nicht, wie jemand ihn auf diese Position befördern hatte können. Er hatte einen Auftrag zu erfüllen, und dazu gehörte definitiv nicht sich mit so einem erbärmlichen und vermeintlichen Chef auseinanderzusetzen. Und vor allem nicht mit einem kleinen Mädchen, dass ihm seinen letzen Nerv raubte. Schwierige Vergangenheit hin oder her. Wenn sie sich weiter so benahm würde er Konsequenzen daraus ziehen. Ob es dem Anstand entsprach oder nicht. Sie war starr in seinen Armen geworden und das lag nicht mehr daran das er sie unbeweglich hielt. Er blickte auf die kleine Plage hinunter und fragte sich ob sie sich wieder gefangen hatte. Langsam lockerte er seinen festen Griff um ihren Kiefer. "Nie wieder! Hast du mich verstanden, Täubchen?" Ein unverständlicher Laut kam aus ihrer Kehle. "Pardon?", fragte er gespielt höflich. "Ich habe gefragt ob du mich verstanden hast?", wiederholte er hart. Sie versuchte sich aus seinem Griff zu befreien. Er festigte seinen Griff, was ihr gar nicht zu gefallen schien. "Noch einmal und du musst dich mit den Konsequenzen auseinander setzen!" Sie erstarrte. "Also?" "Ja.", flüsterte sie rau. Er ließ es auf sich beruhen und lockerte seinen Griff. Sie flüchtete vor ihm, bei der erstbesten Gelegenheit. Er sah ihren unsicheren Blick, der sich Sekunden später in einen giftigen Verwandelte der seinen Brustkorb malträtierte. Er hob eine Augenbraue und trat einen Schritt auf sie zu. Sie sprang förmlich einen halben Meter zurück und senkte ihren Blick. Ihre Schultern sackten ein. Er fuhr sich gereizt durch die Haare. Er hörte ein Knurren und blickte zu der Geräuschquelle und sein Blick wurde dunkel. Der Hund- Rex!- jaulte auf und klemmte seine Rute zwischen die Beine. Was für ein Weichei! Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er den Hund vollkommen ausgeblendet hatte. Das war ein gottverdammter Fehler! Er durfte nicht wieder so unaufmerksam sein! Sein Blick wanderte wieder zu der winzigen Frau. Er blickte er ein letztes Mal auf ihren glänzenden Schopf und ihre schützend nach vorne gezogene Schultern und drehte sich um. Es hatte ihm noch nie gefallen, bei einer Frau solch einen geschlagenes Verhalten auszulösen. Und dieses mal hatte er etwas härter durchgreifen müssen. Er musste sich doch nicht gefallen lassen sich von einer Frau körperlich angreifen zu lassen. Zweimal an einen Gottverfluchten Tag.  

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 23.11.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle :)

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