Cover




Wenn man alles verloren hat, selbst das eigene Leben, willst du nur in die Zukunft blicken, hast aber keine Hoffnung dass du jemals wieder anfängst zu leben. Denn das einzige, was dir sagt, das du in dieser Welt noch existierst, ist das Ein und Ausatmen. Alles andere ist egal, du fragst dich nur wieso ausgerechnet du hier sitzt, alleine, ohne sie, ohne jemanden. Du möchtest auch nicht neue Bindungen eingehen, vor der Angst es wird dir wieder alles genommen, was dir wichtig ist. Dennoch Heimkehren könntest du nur auf einen Weg.

Niemals habe ich es so wahrgenommen wie an diesem Tag. Und niemals wieder möchte ich es wahrnehmen. Es war warm, aber diese Nacht war Rot, gefärbt von ihrem Blut und von meinem. Süßlich roch es, aber es war so grausam. Trotz dass es sich anfühlte als ob mir das Herz aus der Brust geschnitten wurde und ein Loch hinterlassen hatte, ich atmete weiter. Und ich sah sie alle, bleich, kalt und …. Tod. Womit hatten sie das verdient? Und wieso war ich noch hier, sind Fragen die mich bis heute begleiten. Oft wollte ich auch einfach nur bei ihnen sein.
Aber alle Versuche scheiterten, scheiterten daran, dass ich dazu verdammt bin es nicht zu können. Egal wie oft ich mein Blut in eigenem Bewusstsein vergossen hatte, es hatte nicht geklappt.
Schon seit geraumer Zeit hatte ich es aufgegeben, aber trotzdem saß ich hier, als jemand der sich das Leben nehmen wollte, was er nicht mehr hatte und es deshalb auch nicht verdient hatte hier zu sein und den Sauerstoff zu atmen den eventuell ein anderer nötiger hatte als ich es tat.
Doch in den Wochen, Monaten, dem Jahr in den ich nun diesen Himmel angestarrt hatte, den ich durch das kleine Fenster sah, wurde mir bewusst, vielleicht wollten sie nicht das ich zu ihnen komme. Die Zeit hier… war jedoch viel schlimmer, als davor, bevor ich herkam um mit meinen Problemen zu kämpfen.
Die Wand war grau, aus Beton das Fenster weit oben und klein.
Ich saß immer gegenüber dieser Wand, an eine andere gelehnt, auf dem kalten Boden, die Beine an den Körper geschmiegt und meine Arme drum geschlungen, manchmal meinen Kopf auf die Knie gestützt.
Mein Blick war mit der Zeit trübe und verblasst, meine blauen Augen hatten ein leichtes grau angenommen. Meine langen braunen Haare, hatten an Glanz verloren.
Ich hörte wie sich Schritte nährten, ein Schlüsselbund klimperte. Ich schloss kurz die Augen, atmete einmal tief durch.
Das letzte Mal…
Die Schritte hielten inne, einer der vielen Schlüssel öffnete die Türe zu meinem Zimmer. Ich sah noch einmal nach draußen. Es quietschte etwas, so wie es die Tür immer tat, aber diesmal war es das letzte Mal…
„Kommst du?“, das letzte Mal… die Stimme hören, die sich immer so sanft anhörte, aber niemals zu dieser Person passen würde.
Ich sah auf, schaute nicht die Person mit der Stimme an, sondern seine Begleiterin, die mich lächelnd ansah: „Es ist vorbei!“ Ich nickte, stand auf und fiel ihr um den Hals lächelte und meine Wangen waren von meinen Tränen benetzt. Es war vorbei…
Aber zuhause war ich immer noch nicht.



Ich schlug das Buch zu.
„Alles in Ordnung Julie?“, wurde ich gefragt.
Ich sah auf, schaute in das Gesicht meines Bruders, der mich merkwürdig anstarrte.
„Ist das dein ernst?“, knirschte ich leicht mit den Zähnen und presste die Worte aus meinen Lippen hervor.
Er sah auf das Cover des Buches und zog eine Augenbraue hoch. Das konnte er gut, zu gut.
„Ließ doch nicht solche Bücher wenn du schon nach der zweiten Seite anfängst zu weinen!“, meinte er und verließ danach auch wieder das Wohnzimmer.
Ich legte das Buch auf den dunklen Holztisch und seufzte.
Nicht nur das dieser Anfang mich völlig mitgerissen hatte, nein, es war auch die Tatsache das Menschen dazu fähig waren, solch Emotionen in Worte zu fassen.
Eventuell war ich auch einfach zu Sensibel in dieser Hinsicht.
Mein Blick blieb an einem Urlaubsfoto hängen.
Urlaubsfoto? Konnte man das noch so nennen?
Das Bild hatten wir am Strand gemacht. Wir hatten dort ein kleines Haus und waren immer da wenn es gerade ging.
Mum kam von dieser Insel. Auch wenn ich dort nicht geboren war, bin ich dort aufgewachsen. Hatte es mir geschadet an zwei Orten aufzuwachsen?
Hat es uns geschadet? Bei meinem Bruder bin ich mir da nicht ganz sicher, bei mir schon.
Ich hatte zwei Orte wohin ich gehen konnte, wurde der eine mir mal zu eng, konnte ich den anderen aufsuchen.
Bei diesen Gedanken stieg mir die frische Seeluft in die Nase die dort herrschte, als wäre es ganz nah.
Wieder seufzte ich.
Kam ich jetzt nur auf diese Gedanken wegen des Fotos? Oder war es auch wegen des Buches? Wegen der Intention die sich dahinter verbarg, die Message?
Ich stand auf und ging in die Küche um mir etwas zu trinken zu holen und schaute mir dabei die restlichen Bilder von unserer Familie an, die wir an der Nordseeküste geschossen hatten.
„Es wird mal wieder Zeit!“, sagte er ruhig und ich hörte ein Lächeln aus seinen Worten, obwohl ich ihm den Rücken zugewandt hatte.
Ich nickte und verweilte noch kurz an dem Foto von meinem Bruder, mir und den Freunden die wir dort hatten.
„Worum handelte das Buch?“, fragte er und bewies damit mal wieder, das ihm seine 10 Minuten jüngere Schwester doch nicht egal war und ihn interessierte was sie so trieb.
Ich lächelte verträumt: „Heimweh, auf eine ganz bestimmte Art und Weise!“
Nicht nur die Bilder hatten mich an das Heimweh was ich in meinem Herzen trug erinnert, nein auch das Buch, wenn auch etwas skurril.

Impressum

Texte: Cover: Foto und Bearbeitung bei mir!
Tag der Veröffentlichung: 07.12.2011

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